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Document 62002CC0447

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 19. Mai 2004.
    KWS Saat AG gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
    Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Absolutes Eintragungshindernis - Unterscheidungskraft - Farbe als solche - Farbe Orange.
    Rechtssache C-447/02 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 2004 I-10107

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2004:311

    Conclusions

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
    PHILIPPE LÉGER
    vom 19. Mai 2004(1)



    Rechtssache C-447/02 P



    KWS Saat AG
    gegen
    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)



    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Marke, die aus einer Farbe als solcher besteht (Orangeton) – Unterscheidungskraft – Begründungspflicht – Rechtliches Gehör“






    1.        Das vorliegende Rechtsmittel betrifft einen Antrag auf Eintragung einer Farbe als solcher als Gemeinschaftsmarke. Es ist von der Gesellschaft KWS Saat AG (2) gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Oktober 2002 in der Rechtssache T‑173/00 (3) eingelegt. Mit diesem Urteil wies das Gericht die Klage der KWS gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) (4) vom 19. April 2000 (Beschwerdesache R 282/1999‑2) ab, mit der ihre Anmeldung der Farbe Orange als solcher als Gemeinschaftsmarke für Erzeugnisse und Dienstleistungen hauptsächlich im Zusammenhang mit landwirtschaftlichem Saatgut zurückgewiesen wurde (5) .

    2.        In dieser Rechtssache wird der Gerichtshof also erneut die Frage der Eintragung einer Farbe als solcher als Marke zu prüfen haben, mit der er sich, zeitlich nach dem angefochtenen Urteil, bereits im Rahmen der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates (6) im Urteil vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache C‑104/01 (7) zu befassen hatte und die sich auch in der Rechtssache C‑49/02 (8) stellt.

    I – Rechtlicher Rahmen

    3.        Die im vorliegenden Fall einschlägigen materiellen und verfahrensrechtlichen Regeln finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates (9) .

    4.        Artikel 4 der Verordnung definiert die Markenformen. Danach handelt es sich um „alle Zeichen …, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“.

    5.        Artikel 7 Absätze 1 und 3 der Verordnung behandelt die absoluten Eintragungshindernisse. Er bestimmt:

    „(1)             Von der Eintragung ausgeschlossen sind

    b)
    Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

    (3)      Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b, c und d finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

    6.        Die Artikel 73 und 74 der Verordnung gehören zum Titel IX „Verfahrensvorschriften“. Artikel 73 über die Begründung der Entscheidungen bestimmt, dass „die Entscheidungen des Amtes … mit Gründen zu versehen [sind]“ und dass sie „nur auf Gründe gestützt werden [dürfen], zu denen die Beteiligten sich äußern konnten“.

    7.        Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung sieht vor, dass das Amt „[i]n dem Verfahren vor dem Amt … den Sachverhalt von Amts wegen [ermittelt]. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.“

    II – Sachverhalt und Verfahren

    8.        Am 17. März 1998 meldete KWS beim Amt die Farbe Orange als solche als Gemeinschaftsmarke an. Diese Anmeldung enthielt an der Stelle des Formulars, an der die Darstellung der Marke einzufügen ist, eine orange rechteckige Fläche und an der Stelle, an der die Beschreibung einzufügen ist, den Vermerk „Orange (HKS7)“.

    9.        Die in Rede stehende Eintragung wurde für Waren der Klassen 7, 11 und 31 des Abkommens von Nizza (10) und für Dienstleistungen der Klasse 42 dieses Abkommens beantragt. Sie entsprachen folgender Beschreibung:

    „Aufbereitungsanlagen für Saatgut, nämlich zur ‑reinigung, ‑beizung, ‑pillierung, ‑kalibrierung, ‑wirkstoffbehandlung, ‑qualitätsuntersuchung und ‑siebung“ (Klasse 7);

    „Aufbereitungsanlagen zum Trocknen von Saatgut“ (Klasse 11);

    „Land-, garten‑ und forstwirtschaftliche Erzeugnisse …, soweit [in Klasse 31] enthalten“;

    „Technische und betriebswirtschaftliche Beratung auf dem Gebiet des Pflanzenbaus, insbesondere der Saatgutbranche“ (Klasse 42).

    10.      Mit Entscheidung vom 25. März 1999 wies der Prüfer die Anmeldung der KWS mit der Begründung zurück, die Farbe Orange als solche habe im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung für die betreffenden Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft.

    11.      Mit der angefochtenen Entscheidung vom 19. April 2000 wies die Zweite Beschwerdekammer des Amtes die Beschwerde der KWS zurück und bestätigte, dass der Anmeldung das absolute Eintragungshindernis des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung entgegenstehe.

    12.      Mit Klageschrift, die am 28. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob KWS Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung.

    III – Das angefochtene Urteil

    13.      KWS stützte ihre Klage auf zwei Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung und zweitens einen Verstoß gegen die Artikel 73 und 74 der Verordnung rügte.

    A – Zum Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung

    14.      KWS trug vor, dass die Saatguterzeuger ihre Erzeugnisse einfärbten, um sie von denen ihrer Konkurrenten zu unterscheiden, dass im Allgemeinen Blau‑, Gelb‑ oder Rot‑, nicht aber Orangetöne verwendet würden und dass der Orangeton, den sie angemeldet habe, daher sofort als Herkunftsangabe aufgefasst werde. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer sei es deshalb nicht erforderlich, diese Farbe für die Konkurrenten freizuhalten, da sie in der betreffenden Branche völlig unüblich sei. In Bezug auf die Aufbereitungsanlagen für Saatgut machte KWS geltend, dass Rot die üblicherweise verwendete Farbe sei und dass sich diese Anlagen von landwirtschaftlichen Maschinen im Allgemeinen unterschieden (11) .

    15.      In seiner Würdigung stellte das Gericht zunächst fest, dass „Farben oder Farbkombinationen als solche Gemeinschaftsmarken sein können, soweit sie geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden“ (12) .

    16.      Daraus, dass ein Zeichen allgemein geeignet sei, eine Marke auszumachen, folge jedoch nicht, dass die zu dieser Kategorie gehörenden Zeichen notwendig Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung besäßen, und die Unterscheidungskraft könne nur in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt worden sei, sowie unter Berücksichtigung des Verständnisses, das die maßgeblichen Verkehrskreise von ihm hätten, beurteilt werden (13) .

    17.      Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung zwar nicht zwischen verschiedenartigen Zeichen unterscheide, es sei „[i]m Fall eines Zeichens, das aus einer Farbe oder einer Kombination von Farben als solchen gebildet wird, … jedoch die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise nicht notwendig die gleiche wie bei einer Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Aussehen der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Während nämlich Wort- oder Bildmarken von den angesprochenen Verkehrskreisen gewöhnlich unmittelbar als Zeichen wahrgenommen werden, die auf die betriebliche Herkunft der Ware hinweisen, gilt nicht notwendig das Gleiche, wenn das Zeichen mit dem äußeren Erscheinungsbild der Ware übereinstimmt oder wenn das Zeichen lediglich aus einer oder mehreren Farben besteht, die zum Anpreisen von Dienstleistungen verwendet werden.“ (14)

    18.      Im vorliegenden Fall handele es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um eine besondere Zielgruppe, die über einen höheren Grad an Kenntnissen und Aufmerksamkeit verfüge als die Verbraucher im Allgemeinen, ohne jedoch aus Spezialisten für jede einzelne der betreffenden Waren zu bestehen (15) .

    19.      Was die zur Klasse 31 gehörenden land‑, garten‑ und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse und insbesondere Saatgut als von KWS besonders hervorgehobenes Erzeugnis betreffe, so könnten die maßgeblichen Verkehrskreise ihre Färbung, da sie von der natürlichen Farbe abweiche, als Herkunftsangabe auffassen, da ihre Größe das Anbringen einer Wort- oder Bildmarke unmöglich mache und ihre Bestimmung zur Einbringung in die Erde nicht den Schluss nahe lege, dass diese Färbung eine dekorative Funktion habe (16) .

    20.      Das Gericht führte weiter aus:

    „33
    Wie die Beschwerdekammer in Randnummer 18 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ist die Verwendung von Farben einschließlich des angemeldeten Orangetons oder ganz ähnlicher Farbtöne für diese Erzeugnisse jedoch nicht selten. Daher ermöglicht es das angemeldete Zeichen den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht, unmittelbar und mit Gewissheit die Erzeugnisse der Klägerin von den in anderen Orangetönen eingefärbten Erzeugnissen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

    34
    Selbst wenn diese Farbe für bestimmte Kategorien von Saatgut, wie das von Mais oder Rüben, auf das die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, nicht üblich wäre, ist im Übrigen festzustellen, dass andere Farben von manchen Unternehmen auch verwendet werden, um anzuzeigen, dass das Saatgut behandelt wurde.

    35
    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wie oben in Randnummer 31 ausgeführt wurde, über einen besonderen Kenntnisstand verfügen, der jedenfalls genügt, um zu wissen, dass die Farben des Saatguts u. a. als Hinweis darauf dienen können, dass das Saatgut behandelt wurde. Wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, werden die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Farbe daher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des betreffenden Saatguts auffassen.

    36
    Diese Folgerung wird nicht durch das Argument der Klägerin entkräftet, die angemeldete Farbe habe für ihre Erzeugnisse keine technische Funktion im Rahmen der Aufbereitung des Saatguts.

    37
    Angesichts der generellen Verwendung von Farben zu technischen Zwecken in dem betreffenden Sektor können die maßgeblichen Verkehrskreise nämlich nicht auf Anhieb ausschließen, dass die Orangefärbung verwendet wird, um anzuzeigen, dass das Saatgut behandelt wurde oder hierzu verwendet werden kann. Wenn die maßgeblichen Verkehrskreise nicht zuvor darauf hingewiesen wurden, können sie daher nicht folgern, dass der angemeldete Orangeton auf die betriebliche Herkunft des Saatguts hinweist.

    38
    Außerdem beschränkt sich die Markenanmeldung nicht auf das Saatgut von Zuckerrüben und Mais und muss demnach im Hinblick auf Saatgut im Allgemeinen beurteilt werden, eine Kategorie, die beispielhaft für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse erwähnt wird, auf die sich die Markenanmeldung bezieht, und nicht im Hinblick auf das Saatgut einer besonderen, ausdrücklich bezeichneten Sorte.“

    21.      Was die unter die Klassen 7 und 11 fallenden Aufbereitungsanlagen für Saatgut angeht, so war das Gericht der Auffassung, dass sie zur allgemeinen Kategorie der landwirtschaftlichen Maschinen gehörten, dass KWS keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht habe, dass diese Anlagen eine besondere Kategorie von Maschinen bildeten, für die die Verwendung bestimmter Farben unüblich wäre, und dass die maßgeblichen Verkehrskreise daher die Durchschnittsabnehmer landwirtschaftlicher Maschinen insgesamt seien (17) .

    22.      Daraus folgerte es:

    „40
    Angesichts dieser Erwägungen hat die Beschwerdekammer in Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass Maschinen mit diesem oder einem ähnlichen Farbton nicht ungewöhnlich seien. Da die Farbe Orange üblich ist, wird sie es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht ermöglichen, unmittelbar und mit Gewissheit die Anlagen der Klägerin von Maschinen zu unterscheiden, die in ähnlichen Orangetönen gehalten sind und von anderen Herstellern stammen. Deshalb werden die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Farbe eher als ein bloßes Gestaltungsmerkmal der fraglichen Waren auffassen.“

    23.      Was Dienstleistungen angeht, so stellte das Gericht erstens fest, dass eine Farbe weder der Dienstleistung selbst anhafte, die von Natur aus farblos sei, noch verleihe sie ihr einen substanziellen Wert, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Verwendung einer Farbe als bloßes Dekorationselement von ihrer Verwendung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistung unterscheiden könnten (18) . Zweitens könnten sich die maßgeblichen Verkehrskreise die betreffende Farbe, möge sie auch andere Funktionen erfüllen, leicht und unmittelbar als Kennzeichen der angegebenen Dienstleistungen einprägen. Da die genannte Farbe einem spezifischen Ton entspreche, blieben außerdem zahlreiche Farben für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen verfügbar. Daraus folge, dass diese Farbe es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermögliche, die betreffenden Dienstleistungen von denjenigen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden (19) .

    24.      Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der auf einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung gestützte Klagegrund begründet sei, soweit es um die Dienstleistungen gehe, er aber für alle Waren zurückzuweisen sei.

    B – Zum Verstoß gegen die Artikel 73 und 74 der Verordnung

    25.      Das Gericht fasste die Argumentation von KWS folgendermaßen zusammen:

    „48
    Die Klägerin führt aus, nach Artikel 73 der Verordnung Nr. 40/94 seien die Entscheidungen des Amtes mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung solle die Verwaltung dazu zwingen, ihre Entscheidung durch sorgfältige Erforschung des Sachverhalts vorzubereiten.

    49
    Die Klägerin macht geltend, ihr seien die Unterlagen, auf die das Amt sich beim Erlass seiner Entscheidung gestützt habe, vorenthalten worden, was sie daran gehindert habe, die Bedeutung der von diesem unternommenen Nachforschungen zu überprüfen, die dabei angestellten Überlegungen und ihre Stichhaltigkeit nachzuvollziehen und gegebenenfalls gegen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen vorzugehen. Ihr seien daher das rechtliche Gehör und das Recht verwehrt worden, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihres Antrags einzuschränken.

    50
    Ferner sei jede Entscheidung nach Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 auf konkrete Tatsachen zu stützen. Im vorliegenden Fall lasse der Umstand, dass es Entscheidungen gebe, die der angefochtenen Entscheidung entsprächen, das Erfordernis einer Begründung nicht entfallen.“

    26.      In seiner Würdigung stellte das Gericht erstens fest, dass die Pflicht zur Begründung der Entscheidungen des Amtes in Artikel 73 Satz 1 der Verordnung verankert sei und dass diese Begründung im Fall der Zurückweisung einer Anmeldung die Gründe dafür erkennen lassen und die sachgerechte Anfechtung der streitigen Entscheidung ermöglichen müsse (20) . Es war der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung die erforderlichen Informationen enthalte, um es KWS zu ermöglichen, die Entscheidung nachzuvollziehen und ihre Rechtmäßigkeit anzufechten (21) .

    27.      Zweitens dürften die Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 73 der Verordnung nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich hätten äußern können. KWS habe jedoch die Unterlagen, die ihr vorenthalten worden seien, nicht zwingend benötigt, um die angefochtene Entscheidung nachzuvollziehen und gegebenenfalls ihr Recht zur Einschränkung des Verzeichnisses der bezeichneten Waren und Dienstleistungen auszuüben. Wie die Begründung ihrer Beschwerde an die Beschwerdekammer zeige, habe KWS die Argumente und Tatsachen im Wesentlichen gekannt, die die Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung oder Bestätigung der Entscheidung des Prüfers untersuchen würde, und habe somit Gelegenheit gehabt, sich zu ihnen zu äußern. Folglich habe die Beschwerdekammer Artikel 73 der Verordnung nicht verletzt (22) .

    28.      Was schließlich die Pflicht des Amtes aus Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung angehe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, so habe die Beschwerdekammer durchaus eine Reihe einschlägiger Tatsachen geprüft und zugrunde gelegt, um die Unterscheidungskraft des betreffenden Zeichens im Hinblick auf die Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, auf die sich die Anmeldung bezogen habe (23) .

    29.      Im Ergebnis hob das Gericht die angefochtene Entscheidung auf, soweit sie die zur Klasse 42 gehörenden Dienstleistungen betraf, und wies die Klage im Übrigen ab.

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    30.      Mit Rechtsmittelschrift, die am 11. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat KWS ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt. Das Amt hat seine Rechtsmittelbeantwortung am 3. März 2003 beim Gerichtshof eingereicht. Erwiderung und Gegenerwiderung sind nicht gemäß Artikel 117 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes für erforderlich gehalten worden. Die Parteien sind jedoch in der Sitzung vom 4. März 2004 mit ihren mündlichen Ausführungen gehört worden. Im Lauf dieser Sitzung haben sie dazu Stellung nehmen können, welche Folgerungen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens aus dem Urteil Libertel zu ziehen sind.

    31.      KWS beantragt,

    das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Klage abweist;

    die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit dies nicht bereits durch das angefochtene Urteil geschehen ist;

    dem Amt die Kosten aufzuerlegen.

    32.      Das Amt hat in seiner Rechtsmittelbeantwortung vorgetragen (24) , dass das Gericht die Klage auch bezüglich der Dienstleistungen hätte abweisen müssen, ohne jedoch ein Anschlussrechtsmittel einzulegen. Es beantragt,

    das Rechtsmittel zurückzuweisen;

    KWS die Kosten aufzuerlegen.

    V – Zum Rechtsmittel

    33.      KWS beruft sich für ihr Rechtsmittel auf mehrere Gründe, mit denen sie Verstöße erstens gegen die Begründungspflicht, zweitens gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, drittens gegen Artikel 74 der Verordnung über die Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen und viertens gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung rügt. Ich werde jeden dieser Gründe in dieser Reihenfolge prüfen.

    A – Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht

    1. Vorbringen der Parteien

    34.      Mit diesem Rechtsmittelgrund wirft KWS dem Gericht vor, zum einen gegen Artikel 73 Satz 1 der Verordnung verstoßen zu haben, wonach die Entscheidungen des Amtes mit Gründen zu versehen seien. Gemäß dieser Verpflichtung dürfe sich das Amt nicht darauf beschränken, die Gründe in formaler Weise anzugeben, sondern es müsse sich mit allen relevanten Faktoren inhaltlich auseinander setzen. Das Gericht habe somit den Umfang dieser Verpflichtung unterschätzt. Die angefochtene Entscheidung setze das Grundrecht auf geistiges Eigentum aufs Spiel, weshalb KWS ein hohes Interesse daran habe, dass ihre Begründung verständlich sei; der Kontext der Entscheidung sei völlig unergiebig. Was das Saatgut angeht, so habe das Amt seine Entscheidung nur auf einen Auszug aus der Website eines Herstellers von Saatfarbstoffen gestützt, was nicht ausreichend sei, um die Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Farbe zu verneinen; dabei habe es nicht die Abschnitte der Website berücksichtigt, die für eine Eintragung sprächen. Auch hinsichtlich der Maschinenfarben habe das Amt eine bloße Behauptung ohne jede Tatsachenfeststellung aufgestellt.

    35.      Zum anderen habe das Gericht seinerseits seine Begründungspflicht verletzt. Es habe seine Feststellung in Randnummer 56 des angefochtenen Urteils, dass KWS die Gründe für die Zurückweisung ihrer Anmeldung der angefochtenen Entscheidung habe entnehmen können, nicht begründet.

    36.      Das Amt trägt vor, diese Rügen seien ebenso wie alle anderen das Verfahren betreffenden Rechtsmittelgründe unzulässig, weil sie ausschließlich auf eine erneute Prüfung der beim Gericht erhobenen Klage gerichtet seien. Hilfsweise seien sie nicht begründet, weil das angefochtene Urteil ausreichend begründet sei und das Gericht zu Recht der Auffassung gewesen sei, dass die angefochtene Entscheidung die sie tragenden wesentlichen Erwägungen enthalte.

    2. Würdigung

    37.      Die Argumentation der KWS zum Rechtsmittelgrund des Verstoßes gegen die Begründungspflicht besteht tatsächlich aus zwei verschiedenen Gründen. Was zunächst das Vorbringen angeht, das Gericht habe selbst gegen die Pflicht zur Begründung des angefochtenen Urteils verstoßen, so betrifft es das formelle Erfordernis der Begründung des Urteils. Es stützt sich nicht auf Artikel 73 Satz 1 der Verordnung, wie in der Rechtsmittelschrift der KWS angegeben ist, sondern auf Artikel 36 der Satzung des Gerichtshofes, wonach die Urteile mit Gründen zu versehen sind und der gemäß Artikel 53 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist.

    38.      Im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes wirft KWS dem Gericht vor, es habe die in Randnummer 56 des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung nicht begründet, dass „die Klägerin über die erforderlichen Angaben [verfügte], um die angefochtene Entscheidung nachzuvollziehen und deren Rechtmäßigkeit vor dem Gemeinschaftsgericht in Frage zu stellen“. Diese Rüge ist unbegründet. Es genügt, die streitige Randnummer nachzulesen, um zu erkennen, dass das Gericht diese Feststellung nach einer Zusammenfassung des Inhalts der angefochtenen Entscheidung getroffen hat und dass es ausgeführt hat, warum es der Auffassung war, dass die so wiedergegebenen Angaben der Entscheidung es KWS ermöglichten, ihr für jede Kategorie der angemeldeten Waren und Dienstleistungen die Gründe für die Zurückweisung ihrer Anmeldung zu entnehmen.

    39.      In einem zweiten Rechtsmittelgrund wirft KWS dem Gericht vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, als es in dem angefochtenen Urteil entschieden habe, dass die angefochtene Entscheidung ausreichend begründet sei. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Würdigung des Umfangs der Begründungspflicht einer beim Gericht angefochtenen Entscheidung durch das Gericht eine Rechtsfrage, die der Nachprüfung durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (25) . Ich bin jedoch wie das Amt der Ansicht, dass diese Rüge ebenfalls unbegründet ist.

    40.      Es ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 73 Satz 1 der Verordnung „[d]ie Entscheidungen des Amtes … mit Gründen zu versehen [sind]“. Dieser Artikel überträgt somit die Begründungspflicht, die Artikel 253 EG für jeden Gemeinschaftsrechtsakt vorschreibt, auf das Amt. Ich sehe keinen Grund, weshalb der Umfang der so in Artikel 73 der Verordnung genannten Begründungspflicht ein anderer sein sollte als der Umfang der in Artikel 253 EG verankerten Begründungspflicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (26) .

    41.      Im Fall einer Entscheidung des Amtes über die Zurückweisung einer Anmeldung erfordern die genannten Bedingungen, dass die Entscheidung klar die die Zurückweisung begründenden Eintragungshindernisse nach der Verordnung und die Gründe nennt, aus denen diese Hindernisse für die einzelnen Kategorien von Waren und Dienstleistungen gelten, für die die Marke angemeldet wurde. Die Frage, ob die so angeführten Gründe ausreichen, um dem doppelten Begründungserfordernis zu genügen, d. h. dem Anmelder die Gründe für die Zurückweisung seines Antrags mitzuteilen und dem Gemeinschaftsrichter seine Rechtmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Schriftwechsel zwischen dem Anmelder und dem Amt, der in Rede stehenden Marke und den Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die deren Eintragung beantragt wird. Ob das Gericht im vorliegenden Fall zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die angefochtene Entscheidung nicht gegen die Begründungspflicht des Artikels 73 der Verordnung verstoße, ist im Hinblick auf diese Erwägungen zu prüfen.

    42.      Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Beschwerdekammer der Ansicht war, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung der Anmeldung entgegenstehe (27) . Die Kammer führte außerdem aus, warum dieses absolute Eintragungshindernis im vorliegenden Fall greifen soll. Zunächst wurden allgemeine Erwägungen angestellt. Eine Farbe habe an sich keine Unterscheidungskraft, es sei denn, es könne eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft nachgewiesen werden, und Farben müssten für alle Unternehmen verfügbar bleiben. Eine Farbe könnte also nur unter bestimmten Umständen per se unterscheidungskräftig sein (28) .

    43.      Die Beschwerdekammer gab weiter an, warum solche besonderen Umstände im vorliegenden Fall für die von der Anmeldung betroffenen Waren nicht gegeben seien. So handele es sich bei der in Rede stehenden Farbe um eine „grundlegende Farbe“, die in der beantragten Form oder in ähnlichen Schattierungen vielfach vertreten sei und deren Verwendung für diese Produkte nichts Ungewöhnliches habe (29) . Was Saatgut angehe, so färbten Saathersteller dieses schon seit einiger Zeit ein, um zu zeigen, dass es behandelt worden sei. Als Beispiel zitierte die Beschwerdekammer einen Auszug eines Textes aus der Website eines Herstellers von Saatfarbstoffen. Sie führte aus, die in diesem Bereich verwendeten Farben umfassten auch Orange, und in Anbetracht dieser Erwägungen würde die maßgebliche Kundschaft eine solche Farbe nicht als Hinweis auf die Herkunft des Erzeugnisses ansehen, sondern als Hinweis darauf, dass es behandelt worden sei (30) . In Bezug auf die Aufbereitungsanlagen für Saatgut sei es, wie der Prüfer festgestellt habe, nicht ungewöhnlich, dass Maschinen diese Farbe hätten (31) .

    44.      Schließlich bestehe ein Interesse der Konkurrenten daran, die Farbe ebenfalls nutzen zu können, die von KWS zitierten Entscheidungen der zuständigen deutschen Behörden bänden das Amt nicht, und KWS habe nicht geltend gemacht, dass die Farbe durch Benutzung Unterscheidungskraft erworben habe (32) .

    45.      In Anbetracht aller dieser Angaben bin ich der Ansicht, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung ausreichte, um KWS die rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Zurückweisung ihrer Anmeldung der Farbe Orange als solcher für die einzelnen betroffenen Kategorien von Waren verständlich zu machen und dem Gericht die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen. Das Gericht hat also nicht rechtsfehlerhaft gehandelt, als es annahm, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung den Anforderungen des Artikels 73 der Verordnung entsprach.

    46.      Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Rechtsmittelgründe, die auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht gestützt sind, als nicht stichhaltig zurückzuweisen sind.

    B – Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs

    1. Vorbringen der Parteien

    47.      KWS trägt vor, im vorliegenden Fall habe die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung auf ein einziges Dokument gestützt, nämlich auf einen Auszug aus der Website eines Herstellers von Saatfarbstoffen, und dieses Dokument sei in dieser Entscheidung erstmals erwähnt worden. Die Beschwerdekammer habe daher das rechtliche Gehör verletzt. Das Gericht habe diese Verletzung jedoch nicht beanstandet, sondern nur darauf abgestellt, ob die Dokumente zum Verständnis der angefochtenen Entscheidung zwingend nötig gewesen seien. Es habe ebenfalls zu Unrecht angenommen, dass sie im Wesentlichen die Tatsachen gekannt habe, die die Beschwerdekammer untersuchen würde, und dass sie somit Gelegenheit gehabt habe, sich zu ihnen zu äußern. Das Gericht habe damit verkannt, dass die Behörde, die die streitige Entscheidung treffe, dem Betroffenen Gelegenheit geben müsse, zu allen Faktoren Stellung zu nehmen, die den Inhalt dieser Entscheidung beeinflussen könnten, und dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schon dann vorliege, wenn ohne die gerügte Verletzung eine andere Entscheidung auch nur möglich gewesen wäre.

    48.      Wenn dieses Dokument ihr mitgeteilt worden wäre, hätte sie sich zu seinem Inhalt äußern können. Insbesondere hätte sie darauf hinweisen können, dass auf der betreffenden Website ausgeführt werde, dass die Färbung von Saatgut als Herkunftsangabe verstanden werde.

    49.      Außerdem habe das Gericht dieses Argument in dem angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben, so dass es seinerseits gegen das rechtliche Gehör verstoßen habe. Diese Verstöße der Beschwerdekammer und des Gerichts hätten ihr die Möglichkeit abgeschnitten, das Warenverzeichnis der Anmeldung auf Saatgut zu beschränken und der Anmeldung damit zum Erfolg zu verhelfen.

    50.      Das Amt erwidert, das Gericht habe den Anspruch der KWS auf rechtliches Gehör nicht verletzt, weil diese, insbesondere in ihrer Erwiderung, alle ihre Argumente habe vortragen können. Der Hinweis auf die Website eines Herstellers von Saatfarbstoffen in der angefochtenen Entscheidung stelle nicht deren Begründung dar, sondern nur einen Anhaltspunkt zu ihrer Untermauerung. Außerdem wäre die angefochtene Entscheidung nicht anders ausgefallen, wenn KWS das Warenverzeichnis der Anmeldung eingeschränkt hätte.

    2. Würdigung

    51.      Auch der Vortrag der KWS im Rahmen des Rechtsmittelgrundes der Verletzung des rechtlichen Gehörs setzt sich aus zwei verschiedenen Gründen zusammen.

    52.      Was zunächst die Rüge der Verletzung des Anspruchs der KWS auf rechtliches Gehör durch das Gericht betrifft, so ist diese darauf gerichtet, festzustellen, dass das Gericht im Rahmen des Gerichtsverfahrens die Verteidigungsrechte der KWS verletzt habe. Dieser Grund ist nicht auf Artikel 73 Satz 2 der Verordnung gestützt, sondern auf die Wahrung der Verteidigungsrechte als wesentlichen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, die verlangt, dass jede Partei in einem Verfahren vor dem Gericht die Gesichtspunkte vortragen kann, die der Verteidigung ihrer Interessen dienlich sind. Im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes rügt KWS, dass das Gericht ihre Argumentation zur fehlenden vorherigen Mitteilung des Inhalts der fraglichen Website im angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben habe.

    53.      Nach der Rechtsprechung bedeutet der Anspruch auf rechtliches Gehör in einem gerichtlichen Verfahren nicht, dass der Richter auf das gesamte Vorbringen der Parteien eingehen muss (33) . Der Richter hat dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen, nach Würdigung der Beweismittel über die Anträge der Parteien zu entscheiden und seine Entscheidung zu begründen (34) . Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass das Gericht zwar die fragliche Argumentation nicht im Detail wiedergegeben hat, sie aber wohl im Urteil zusammengefasst hat (35) und darauf in den Randnummern 58 und 59 unter Angabe von Gründen eingegangen ist. Der Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wird, dass das Gericht den Anspruch der KWS auf rechtliches Gehör verletzt habe, ist daher nicht stichhaltig.

    54.      Im Rahmen eines zweiten Rechtsmittelgrundes wird gerügt, das Gericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beschwerdekammer den Anspruch der KWS auf rechtliches Gehör nicht verletzt habe. Dabei habe das Gericht den Umfang der Verpflichtung des Amtes aus Artikel 73 Satz 2 der Verordnung verkannt. Es ist daran zu erinnern, dass die Frage, ob das Gericht die Grundsätze des Verteidigungsrechts, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ordnungsgemäß angewendet hat, eine Rechtsfrage ist, über die der Gerichtshof bei der Prüfung eines Rechtsmittels zu befinden hat (36) .

    55.      Gemäß Artikel 73 Satz 2 der Verordnung dürfen die Entscheidungen des Amtes „nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten“. Diese Vorschrift verankert somit für das Verfahren vor dem Amt den wesentlichen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, wonach die Verteidigungsrechte in jedem Verfahren zu beachten sind, auch wenn es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt (37) . In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz nicht nur allgemein in Artikel 73 der Verordnung erwähnt hat, sondern auch in den Bestimmungen sowohl der Verordnung als auch der zu ihrer Durchführung erlassenen Regeln (38) über jeden der Verfahrensschritte, die zu einer Entscheidung führen können, die im Widerspruch zu den Interessen eines Wirtschaftsteilnehmers steht. So kommt dieser Grundsatz etwa in den Bestimmungen über die Prüfung auf absolute Eintragungshindernisse (39) und in den besonderen Bestimmungen für das Verfahren vor den Beschwerdekammern (40) zum Tragen.

    56.      Nach diesem Grundsatz kann eine Beschwerdekammer ihre Entscheidung über die Zurückweisung einer Markenanmeldung nur auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte stützen, zu denen der Anmelder sich äußern konnte (41) . Ich bin der Ansicht, dass dies für die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte der Fall ist, die die Begründung der vor der Beschwerdekammer angefochtenen Entscheidung des Prüfers ausmachen. Diese Gesichtspunkte mussten KWS nämlich grundsätzlich vom Prüfer selbst zur Stellungnahme vorgelegt werden, und diese konnte sie im Rahmen ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer erneut bestreiten. Auch kann Artikel 73 der Verordnung nicht als Verpflichtung des Amtes ausgelegt werden, die vorherige Stellungnahme des Anmelders zu den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten einzuholen, die er in seinem Schriftwechsel mit dem Prüfer oder in seiner Beschwerde gegen dessen Entscheidung angeführt hat (42) . Wenn die Beschwerdekammer hingegen nach Artikel 74 der Verordnung entscheidet, die tatsächlichen Gesichtspunkte, die sie ihrer Entscheidung über die Zurückweisung einer Markenanmeldung zugrunde legen will, von Amts wegen zu ermitteln, und falls sich diese Gesichtspunkte weder in der Entscheidung des Prüfers noch in den Schriftstücken des Anmelders finden, so ist sie verpflichtet, sie dem Anmelder mitzuteilen, damit er dazu Stellung nehmen kann.

    57.      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Beschwerdekammer KWS weder das Ergebnis der Nachforschungen mitteilte, die sie über den Gebrauch der in Rede stehenden Farbe im Zusammenhang mit den betroffenen Waren angestellt hatte und auf die in der angefochtenen Entscheidung verwiesen wird, noch den Inhalt der Website des Farbstoffherstellers, aus der sie in der Entscheidung zitierte. Dennoch bin ich der Auffassung, dass es sich nicht um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs handelt, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht hätte führen müssen.

    58.      Wie sich aus dem Wortlaut von Artikel 58 der Satzung des Gerichtshofes ergibt, kann ein auf Verfahrensfehler gestützter Rechtsmittelgrund nur dann stichhaltig sein, wenn durch den betreffenden Fehler die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt worden sind. Voraussetzung einer Verletzung der Verteidigungsrechte ist also, dass das Verfahren ohne den von der Verwaltungsbehörde begangenen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (43) . Zumindest obliegt es der klagenden Partei, nachzuweisen, dass sie sich ohne diesen Fehler besser hätte verteidigen können (44) .

    59.      Ich bin der Auffassung, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Was zunächst die von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung genannten Nachforschungen angeht, so trifft es zwar zu, dass sie dem Vorbringen der KWS widersprechen, wonach die in Rede stehende Farbe von ihren Konkurrenten nicht zur Einfärbung der fraglichen Waren benutzt werde (45) . Die Behauptung, dass die Farbe Orange für diese Waren bereits tatsächlich benutzt werde, ist jedoch kein notwendiger Teil der Begründung für die Zurückweisung der Anmeldung. Wie ich dargelegt habe, war die Beschwerdekammer, insoweit der Entscheidung des Prüfers folgend, der Auffassung, dass die in Rede stehende Farbe für die betreffenden Waren keine Unterscheidungskraft besitze, weil eine Farbe an sich grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig und die Farbe Orange sehr gängig sei. Sie führte außerdem aus, es sei üblich, Saatgut von seiner natürlichen Farbe abweichend einzufärben, insbesondere um auf seine Behandlung hinzuweisen, und seine Färbung werde daher nicht als Herkunftsangabe verstanden; auch seien Maschinen in Orange oder einem ähnlichen Farbton nicht ungewöhnlich. Schließlich stellte sie fest, dass die Konkurrenten der KWS ein Interesse daran haben könnten, diese Farbe ebenfalls zu verwenden.

    60.      Wie ich im Rahmen der Prüfung des letzten Rechtsmittelgrundes darlegen werde, genügen diese Erwägungen für die Zurückweisung der Anmeldung. Daher dient die Aussage, dass die Farbe Orange auch für die Färbung von Saatgut und für Saatgutaufbereitungsanlagen verwendet werde, nur zur Untermauerung der Feststellung, dass diese Farbe von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren der KWS verstanden werde.

    61.      Was des Weiteren den Inhalt der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Website betrifft, so bestätigt dieser lediglich das von KWS selbst zur Begründung ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers vorgetragene Argument, dass die Hersteller von Saatgut ihre Erzeugnisse einfärbten (46) .

    62.      Jedenfalls begründet KWS weder, dass die vorherige Mitteilung dieser Dokumente sie hätte veranlassen können, das Warenverzeichnis ihrer Anmeldung zu beschränken, noch vor allem, inwiefern die Beschwerdekammer eine andere Entscheidung hätte treffen können, wenn sich die Anmeldung nur auf Saatgut bezogen hätte. Tatsächlich bezogen sich die von der Kammer festgestellten Eintragungshindernisse insbesondere auf Saatgut.

    63.      Somit konnte das Gericht ohne Verstoß gegen Artikel 73 der Verordnung zu der Auffassung gelangen, dass die Verteidigungsrechte der KWS nicht in einer Weise verletzt worden waren, die die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigte, zum einen weil die Gründe für die Zurückweisung der Anmeldung, die im Wesentlichen in der Entscheidung des Prüfers oder in ihrer Beschwerde enthalten waren, der KWS bereits bekannt waren, und zum anderen weil das Unterbleiben der vorherigen Mitteilung der streitigen Dokumente die Verteidigung ihrer Interessen nicht beeinträchtigte. Aufgrund dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützten Rechtsmittelgründe nicht stichhaltig sind.

    C – Zum Verstoß gegen Artikel 74 der Verordnung über die Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen

    64.      KWS trägt vor, dass das Gericht dadurch, dass es sich auf die Feststellung beschränkt habe, dass die Beschwerdekammer „durchaus eine Reihe einschlägiger Tatsachen geprüft und zugrunde gelegt hat“, das in Artikel 74 der Verordnung enthaltene Erfordernis „ermittelt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen“ verkannt habe. Es komme nicht nur darauf an, ob überhaupt Tatsachen ermittelt worden seien, sondern darauf, ob diese Ermittlung vollständig gewesen sei. Eine solche Ermittlung müsse dem Amt die sichere Feststellung ermöglichen, ob Eintragungshindernisse nach Artikel 7 der Verordnung vorlägen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung handele.

    65.      Die angefochtene Entscheidung nehme im vorliegenden Fall zwar auf „Nachforschungen der Kammer“ Bezug, verweise aber nur auf die Website eines Herstellers von Saatfarbstoffen. Dies könne nicht ausreichen, eine Zurückweisung zu rechtfertigen, zumal es sich um die Website eines amerikanischen Unternehmens handele und nicht erwiesen sei, dass die Gepflogenheiten auf dem amerikanischen Markt relevante Beweismittel für die Gepflogenheiten innerhalb der Gemeinschaft seien könnten. Schließlich sei diese Website englischsprachig, und es sei weder ersichtlich noch dargetan, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in der Gemeinschaft davon hätten Kenntnis nehmen können.

    66.      Ich bin wie das Amt der Ansicht, dass dieser Rechtsmittelgrund unzulässig ist. Unter dem Vorwand einer Verletzung von Artikel 74 der Verordnung und mit der Behauptung, dass eine eingehendere Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts das Amt veranlasst hätte, die Eintragung vorzunehmen, versucht die KWS nämlich in Wirklichkeit, die von der Beschwerdekammer und dann vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen in Frage zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Rechtsmittel gemäß den Artikeln 225 EG und 58 der Satzung des Gerichtshofes jedoch nur auf die Verletzung von Rechtsvorschriften gestützt werden, nicht aber auf die fehlerhafte Würdigung von Tatsachen (47) .

    D – Zum Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung

    1. Vorbringen der Parteien

    67.      KWS erinnert daran, dass ihre Anmeldung durch das Amt und durch das Gericht ausschließlich aufgrund von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung zurückgewiesen worden sei, wonach Marken, die keine Unterscheidungskraft hätten, nicht eingetragen werden könnten.

    68.      Nach der Rechtsprechung habe eine Marke Unterscheidungskraft, wenn sie als Hinweis auf die Herkunft verstanden werden könne, es genüge eine schlichte Eignung der Marke zu einem solchen Gebrauch, die Beurteilung müsse im Hinblick auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen und nicht abstrakt erfolgen, es seien alle Umstände des Einzelfalls, vor allem aber die Verkehrsauffassung, zu berücksichtigen, und schließlich komme es auf die jeweils konkret beteiligten Verkehrskreise an.

    69.      KWS wirft dem Gericht vor, diese Grundsätze verkannt zu haben, indem es erstens für Farbmarken einen strengeren Maßstab als für sonstige Marken angewandt habe, zweitens seine eigenen Vorstellungen und nicht die der beteiligten Verkehrskreise zugrunde gelegt habe und drittens den Maßstab der Unterscheidungskraft verkannt habe.

    70.      So sei das Gericht einem Irrtum erlegen, als es ausgeführt habe, die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise sei im Fall einer Farbe „nicht notwendig die gleiche wie bei einer Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Aussehen der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist“ (48) . Des Weiteren habe das Gericht zu Unrecht angenommen, dass die in Rede stehende Farbe für die betreffenden Waren keine Unterscheidungskraft habe, obwohl diese für eine Fachkundschaft bestimmt seien. Was die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, insbesondere Saatgut, angehe, so verwende nur die KWS den betreffenden Orangeton bei der Einfärbung ihrer Erzeugnisse. Das Gericht habe also zu Unrecht angenommen, dass die Verwendung anderer Farbtöne durch Konkurrenten es ausschließe, diesen Orangeton als Herkunftsangabe zu verstehen. Diese Annahme sei umso abwegiger, als in dem betreffenden Sektor keine einheitliche Verwendung der Farben stattfinde. Bei den Aufbereitungsanlagen für Saatgut handele es sich um Spezialmaschinen, die für Industrieunternehmen und zur Aufstellung in Fabrikhallen bestimmt seien. Das Gericht habe also auch einen Beurteilungsfehler begangen, als es angenommen habe, dass es üblich sei, solche Maschinen farbig und insbesondere orange zu gestalten.

    71.      Das Amt trägt vor, dieser Rechtsmittelgrund sei unbegründet.

    2. Würdigung

    72.      Im Urteil Libertel hat der Gerichtshof anerkannt, dass eine Farbe als solche eine Marke im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie sein kann, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, nach einem international anerkannten Kennzeichnungscode bezeichnet werden kann (49) . Er hat anschließend ausgeführt, nach welchen Kriterien in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Farbe als solche Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie haben und damit für bestimmte Waren und Dienstleistungen als Marke eingetragen werden kann.

    73.      Da die Artikel 2 und 3 Absätze 1 Buchstabe b und 3 der Richtlinie in ihrem Wortlaut Artikel 4 und 7 Absätze 1 Buchstabe b und 3 der Verordnung entsprechen, ist die vom Gerichtshof im Urteil Libertel vorgenommene Auslegung auf die Verordnung übertragbar. Außerdem beschränkt sich der Gerichtshof bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts darauf, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift zu erläutern und zu verdeutlichen, so wie diese seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre (50) . Die rückwirkende Kraft des Urteils Libertel in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie gilt somit mutatis mutandis für die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung.

    74.      In meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen Libertel und Heidelberger Bauchemie habe ich ausgeführt, warum ich der Ansicht bin, dass eine Farbe als solche nicht die in Artikel 2 der Richtlinie für ein markenfähiges Zeichen verlangten Voraussetzungen erfüllt. Diese Frage ist jedoch im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht Diskussionsgegenstand. Ich werde daher die Gesichtspunkte, die ich zu dieser Frage angeführt habe, nicht wiederholen, sondern die Prüfung des auf einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung gestützten Rechtsmittelgrundes auf der Grundlage der vom Gerichtshof im Urteil Libertel herausgearbeiteten Voraussetzungen fortsetzen.

    75.      Nach ständiger Rechtsprechung besteht die Hauptfunktion einer Marke darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (51) . Folglich muss das Amt, wenn es mit der Anmeldung einer Marke befasst wird, prüfen, ob diese für die maßgeblichen Verkehrskreise den Schluss zulässt, dass die in der Anmeldung genannten Waren oder Dienstleistungen von einem bestimmten Unternehmen herrühren. Deshalb bestimmt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung, dass „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Es ist außerdem unstreitig, dass die Frage, ob die in Rede stehende Marke Unterscheidungskraft haben kann, zum einen in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, und zum anderen danach zu beurteilen ist, wie sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrgenommen wird (52) .

    76.      Im Urteil Libertel hat der Gerichtshof ausgeführt, dass bei einem aus normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern zusammengesetzten maßgeblichen Publikum zu berücksichtigen ist, dass sich diesen nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, und dass sie sich auf das unvollkommene Bild verlassen müssen, das sie von ihnen im Gedächtnis behalten haben. Ein Zeichen, das aus einer Farbe als solcher bestehe, werde vom maßgeblichen Publikum nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen bestehe, das vom Erscheinungsbild der Ware, die die Marke kennzeichne, unabhängig sei. Sei das Publikum auch gewohnt, Wort- oder Bildmarken unmittelbar als Zeichen aufzufassen, die auf eine bestimmte Herkunft der Ware hinwiesen, so gelte das Gleiche nicht zwingend für Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der Ware, für die die Eintragung des Zeichens als Marke beantragt werde, verschmölzen. Die Verbraucher seien es nicht gewöhnt, aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung ohne grafische oder Wortelemente auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine Farbe als solche nach den derzeitigen Gepflogenheiten des Handels grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet werde. Eine Farbe als solche besitze gewöhnlich nicht die Eigenschaft, die Waren eines bestimmten Unternehmens von anderen zu unterscheiden (53) .

    77.      Angesichts dieser Ausführungen hat das Gericht entgegen dem Vorbringen der KWS Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung also nicht falsch ausgelegt, als es feststellte, dass diese Bestimmung zwar nicht zwischen verschiedenartigen Zeichen unterscheide, die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise im Fall einer Farbe als solcher aber dennoch nicht notwendig die gleiche sei wie bei einem Zeichen, das vom Aussehen der mit ihm gekennzeichneten Ware unabhängig sei (54) .

    78.      Ebenso ist die Rüge unbegründet, das Gericht habe bei der Würdigung der Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Farbe seine eigenen Kriterien und nicht die Vorstellungen der beteiligten Verkehrskreise zugrunde gelegt.

    79.      Das Gericht stellte fest, dass es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um eine besondere Zielgruppe handele, die über einen höheren Grad an Kenntnissen und Aufmerksamkeit verfüge als die Verbraucher im Allgemeinen, ohne jedoch aus Spezialisten für jede der betroffenen Waren oder aus nicht spezialisierten, allgemeinen Kreisen zu bestehen (55) . Was die land‑, garten‑ und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse der Klasse 31 und insbesondere Saatgut angehe, so könnten diese Verkehrskreise deren Färbung, weil sie von der natürlichen Farbe abweiche, als Herkunftsangabe verstehen (56) . Da die Verwendung von Farben einschließlich des beanspruchten Orangetons allerdings für diese Erzeugnisse nicht selten sei, ermögliche diese Farbe es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht, die Erzeugnisse der KWS von denen ihrer Konkurrenten zu unterscheiden (57) . Da diese Verkehrskreise über einen besonderen Kenntnisstand verfügten, so dass ihnen bekannt sei, dass die Färbung von Saatgut als Hinweis darauf dienen kann, dass dieses behandelt worden sei, würden sie die in Rede stehende Farbe nicht als Herkunftsangabe verstehen (58) .

    80.      In Bezug auf die Aufbereitungsanlagen der Klassen 7 und 11 war das Gericht der Auffassung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise auch die Durchschnittsverbraucher landwirtschaftlicher Maschinen insgesamt seien. Da Maschinen in dem in Rede stehenden Orangeton oder in einem ähnlichen Farbton nicht ungewöhnlich seien, würden die maßgeblichen Verkehrskreise diese Farbe eher als ein bloßes Gestaltungsmerkmal auffassen (59) .

    81.      Diese Gründe des angefochtenen Urteils belegen also sehr wohl, dass das Gericht bei der Würdigung der Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Farbe die Vorstellungen der beteiligten Verkehrskreise im Hinblick auf die einzelnen in der Anmeldung genannten Warenkategorien zugrunde gelegt hat.

    82.      Schließlich glaube ich nicht, dass KWS dem Gericht vorwerfen kann, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung insofern falsch angewendet zu haben, als es die in Rede stehende Farbe für die Erzeugnisse, auf die sich die Anmeldung bezog, nicht für unterscheidungskräftig gehalten hat.

    83.      Im Urteil Libertel hat der Gerichtshof ausgeführt, dass einer Farbe als solcher nur unter außergewöhnlichen Umständen unabhängig von ihrer Benutzung Unterscheidungskraft zukommen kann, etwa wenn die Zahl der Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (60) . Außerdem bestehe aufgrund der geringen Zahl der tatsächlich verfügbaren Farben ein Allgemeininteresse, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anböten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werde, so dass die Möglichkeit, eine solche Farbe einzutragen, umso geringer sei, je höher die Zahl der von der Eintragung betroffenen Waren oder Dienstleistungen sei (61) .

    84.      In dem angefochtenen Urteil hat das Gericht festgestellt, dass die in Rede stehende Farbe für die Waren der Klasse 31 keine Unterscheidungskraft habe, weil diese gefärbt seien und ihre Färbung, soweit es sich um Saatgut handele, manchmal darauf hinweise, dass sie behandelt worden seien. Was die Aufbereitungsanlagen der Klassen 7 und 11 angehe, so habe KWS nicht nachgewiesen, dass sie zu einer besonderen Kategorie von Maschinen gehörten, die nicht farbig ausgeführt würden, und die Farbe Orange und ähnliche Farbtöne würden üblicherweise für Maschinen im Allgemeinen verwendet.

    85.      Soweit das angefochtene Urteil die Klage in Bezug auf Waren zurückweist, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, nicht zusätzlich zu den bereits genannten Gründen auch die durch den Gerichtshof im Urteil Libertel herausgearbeiteten Kriterien bezüglich der Zahl der betreffenden Waren, der Besonderheit des Marktes und des Erfordernisses der Verfügbarkeit der in Rede stehenden Farbe für die Konkurrenten geprüft zu haben. Es scheint aber unbestreitbar, dass die Berücksichtigung dieser Kriterien im vorliegenden Fall es erst recht gerechtfertigt hätte, die Anmeldung der KWS zurückzuweisen.

    86.      Dagegen ist das angefochtene Urteil insoweit kritikwürdig, als es den Teil der angefochtenen Entscheidung, der die Dienstleistungen der Klasse 42 betrifft, aufhebt, weil es zu dem Ergebnis kam, dass die in Rede stehende Farbe im Hinblick auf diese Dienstleistungen unterscheidungskräftig sei, ohne alle diese Kriterien geprüft zu haben oder indem es sie in einer Weise angewandt hat, die der Anwendung durch den Gerichtshof im Urteil Libertel widerspricht (62) . Allerdings habe ich bereits festgehalten, dass das Amt kein Anschlussrechtsmittel eingelegt hat, so dass das Urteil in diesem Punkt nicht vom Gerichtshof geprüft werden kann.

    87.      Was die Frage betrifft, ob das Gericht den Sachverhalt des vorliegenden Falles richtig beurteilt hat, als es annahm, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die in Rede stehende Farbe nicht als Hinweis auf die Herkunft des betreffenden Saatguts und der betreffenden Maschinen verstehen würden, so bezieht sie sich auf Wertungen rein tatsächlicher Art. Die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht stellt, sofern der Sachvortrag ihm gegenüber nicht verfälscht wird, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren unterliegt (63) . Im Bereich der Gemeinschaftsmarken wendet der Gerichtshof diese Regel auf Wortmarken an, wenn die Kontrolle der Würdigung des Gerichts im Hinblick auf die Frage beantragt wird, ob die in Rede stehende Marke für die betreffenden Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung hat oder ob sie im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b nicht unterscheidungskräftig ist (64) . Ich sehe keine Gründe, die es rechtfertigen würden, bei der Kontrolle des Gerichts im Hinblick auf die praktische Anwendung der Kriterien, an die der Gerichtshof die Eintragungen von Farben als solchen als Marken geknüpft hat, einen anderen Standpunkt einzunehmen. Im Übrigen behauptet KWS in diesem Fall nicht, dass das Gericht den Sachvortrag ihm gegenüber verfälscht hätte.

    VI – Ergebnis

    Aus diesen Gründen schlage ich vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der KWS Saat AG die Kosten aufzuerlegen.


    1
    Originalsprache: Französisch.


    2
    Im Folgenden: KWS.


    3
    KWS Saat/HABM [Orangeton], Slg. 2002, II‑3843 (im Folgenden: angefochtenes Urteil).


    4
    Im Folgenden: Amt.


    5
    Im Folgenden: angefochtene Entscheidung.


    6
    Richtlinie vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1; im Folgenden: Richtlinie).


    7
    Libertel, Slg. 2003, I‑3793.


    8
    Heidelberger Bauchemie, beim Gerichtshof anhängig.


    9
    Verordnung vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (im Folgenden: Verordnung).


    10
    Abkommen vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung.


    11
    Angefochtenes Urteil (Randnrn. 16 bis 19).


    12
    Ebenda (Randnr. 25).


    13
    Ebenda (Randnrn. 26 und 27).


    14
    Ebenda (Randnr. 29).


    15
    Ebenda (Randnr. 31).


    16
    Ebenda (Randnr. 32).


    17
    Angefochtenes Urteil (Randnr. 39).


    18
    Angefochtenes Urteil (Randnr. 42).


    19
    Ebenda (Randnr. 46).


    20
    Angefochtenes Urteil (Randnrn. 54 und 55).


    21
    Ebenda (Randnr. 56).


    22
    Ebenda (Randnrn. 58 und 59).


    23
    Ebenda (Randnr. 60).


    24
    Nr. 9.


    25
    Urteile vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C‑166/95 P (Kommission/Daffix, Slg. 1997, I‑983, Randnrn. 24 sowie 33 bis 38) und vom 20. November 1997 in der Rechtssache C‑188/96 P (Kommission/V, Slg. 1997, I‑6561, Randnr. 24).


    26
    Urteile vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑367/95 P (Kommission/Sytraval und Brink’s France, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63) und vom 30. März 2000 in der Rechtssache C‑265/97 P (VBA/Florimex u. a., Slg. 2000, I‑2061, Randnr. 93).


    27
    Randnr. 25.


    28
    Randnr. 14.


    29
    Randnrn. 16 und 17.


    30
    Randnrn. 18 bis 20.


    31
    Randnr. 21.


    32
    Randnrn. 22 bis 24.


    33
    Urteil vom 10. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑221/97 P (Schröder u. a./Kommission, Slg. 1998, I‑8255, Randnr. 24).


    34
    Ebenda.


    35
    Es sei daran erinnert, dass das Gericht die Argumentation der KWS wie folgt zusammengefasst hat: „Die Klägerin macht geltend, ihr seien die Unterlagen, auf die das Amt sich beim Erlass seiner Entscheidung gestützt habe, vorenthalten worden, was sie daran gehindert habe, die Bedeutung der von diesem unternommenen Nachforschungen zu überprüfen, die dabei angestellten Überlegungen und ihre Stichhaltigkeit nachzuvollziehen und gegebenenfalls gegen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen vorzugehen. Ihr seien daher das rechtliche Gehör und das Recht verwehrt worden, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihres Antrags einzuschränken“ (Randnr. 49 des angefochtenen Urteils).


    36
    Urteil vom 21. September 2000 in der Rechtssache C‑462/98 P (Mediocurso/Kommission, Slg. 2000, I‑7183, Randnr. 35).


    37
    Urteile vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique Diffusion française/Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 9) und vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑32/95 P (Kommission/Lisrestal u. a., Slg. 1996, I‑5373, Randnr. 21).


    38
    Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1).


    39
    Artikel 38 Absatz 3 der Verordnung und Regel 11 in Artikel 1 der Verordnung Nr. 2868/95.


    40
    Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung.


    41
    Urteile des Gerichts vom 5. Juni 2002 in der Rechtssache T‑198/00 (Hershey Foods/HABM [Kiss Device with plume], Slg. 2002, II‑2567, Randnr. 25) und vom 3. Dezember 2003 in der Rechtssache T‑16/02 (Audi/HABM, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 71 und 75).


    42
    Im Urteil Hershey Foods/HABM (Kiss Device with plume) hat das Gericht in dieser Hinsicht ausgeführt, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers alle Eintragungen im Anmeldeformular heranziehen könne, ohne dem Anmelder zuvor Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen (Randnr. 20).


    43
    Urteile vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78 (Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26) und vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑194/99 P, (Thyssen Stahl/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).


    44
    Urteile vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C‑51/92 P (Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I‑4235, Randnr. 81) und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P (Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 318).


    45
    Siehe die Begründung der Beschwerde der KWS gegen die Entscheidung des Prüfers (Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung).


    46
    Ebenda.


    47
    Vgl. u. a. Urteil VBA/Florimex u. a. (Randnr. 138).


    48
    Angefochtenes Urteil (Randnr. 29).


    49
    Randnrn. 27 bis 42.


    50
    Vgl. u. a. Urteil vom 20. September 2001 in der Rechtssache C‑184/99 (Grzelczyk, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 50).


    51
    Urteile vom 29. September 1998 in der Rechtssache C‑39/97 (Canon, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 28), vom 4. Oktober 2001 in der Rechtssache C‑517/99 (Merz & Krell, Slg. 2001, I‑6959, Randnr. 22) und vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C‑218/01 (Henkel, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).


    52
    Vgl. u. a. Urteile Libertel (Randnr. 75) und Henkel (Randnr. 50).


    53
    Urteil Libertel (Randnrn. 63 bis 65).


    54
    Angefochtenes Urteil (Randnr. 29).


    55
    Ebenda (Randnr. 31).


    56
    Ebenda (Randnr. 32).


    57
    Ebenda (Randnr. 33).


    58
    Ebenda (Randnr. 35).


    59
    Ebenda (Randnrn. 39 und 40).


    60
    Randnr. 66.


    61
    Ebenda (Randnrn. 54 bis 56).


    62
    So war das Gericht im angefochtenen Urteil der Auffassung, „[d]a die beanspruchte Farbe einem spezifischen Ton entspricht, bleiben … zahlreiche Farben für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen verfügbar“ (Randnr. 45), während der Gerichtshof im Urteil Libertel ausführte, dass „die geringe Zahl der tatsächlich verfügbaren Farben zur Folge [hat], dass mit wenigen Eintragungen als Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte“ (Randnr. 54).


    63
    Urteil vom 21. Juni 2001 in den Rechtssachen C‑280/99 P bis C‑282/99 P (Moccia Irme u. a./Kommission, Slg. 2001, I‑4717, Randnr. 78) sowie Beschluss vom 25. April 2002 in der Rechtssache C‑323/00 P (DSG/Kommission, Slg. 2002, I‑3919, Randnr. 34).


    64
    Urteil vom 19. September 2002 in der Rechtssache C‑104/00 P (DKV/HABM, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 22) sowie Beschluss vom 5. Februar 2004 in der Rechtsssache C‑326/01 P (Telefon & Buch/HABM, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).

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