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Document 62002CC0008

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 10. Juli 2003.
Ludwig Leichtle gegen Bundesanstalt für Arbeit.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Sigmaringen - Deutschland.
Freier Dienstleistungsverkehr - System der Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall - Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat - Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht - Voraussetzungen für die Kostenübernahme - Vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit - Kriterien - Rechtfertigung.
Rechtssache C-8/02.

Sammlung der Rechtsprechung 2004 I-02641

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2003:406

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 10. Juli 2003(1)



Rechtssache C-8/02



Ludwig Leichtle
gegen
Bundesanstalt für Arbeit


(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen)

„Freier Dienstleistungsverkehr – Artikel 49 EG und 50 EG – Krankenversicherungssystem der Beamten – Erstattungssystem – Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat – Vorherige Genehmigung – Kriterien – Rechtfertigung“






1.        Das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Deutschland), ein Verwaltungsgericht erster Instanz, hat dem Gerichtshof zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 49 EG und 50 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Es geht insbesondere darum, ob die angeführten Bestimmungen einer nationalen Regelung über die Erstattung von Aufwendungen in Krankheitsfällen entgegenstehen, die für die Gewährung von Beihilfe zu den mit einer Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat verbundenen Ausgaben die zusätzliche Bedingung aufstellt, dass mit einem ärztlichen Gutachten nachgewiesen wird, dass die Kur an diesem Ort wesentlich größere Erfolgsaussichten hat.

I – Sachverhalt

2.        Herr Leichtle, der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger), ist Beamter bei der Bundesanstalt für Arbeit. Im Februar 2000 stellte er einen Antrag auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine Kur, die er vom 29. April bis zum 13. Mai in einem Heilbad auf Ischia (Italien) durchzuführen gedachte. Er legte ein Attest eines Facharztes vor, in dem dieser feststellte, dass der Kläger an Polyarthralgien und an chronischen Rückenschmerzen leide, dass der Kläger die Therapiemaßnahmen an seinem Wohnort ausgeschöpft habe und dass aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, insbesondere die Behandlung mit Naturmoor in Kombination mit einer Radon-Behandlung z. B. auf Ischia (Italien), notwendig sei.

3.        Der für die Dienststelle des Klägers zuständige Arbeitsamtsarzt teilte mit, dass die Kur zwar zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers notwendig sei, dass eine Behandlung im Ausland aber nicht zwingend geboten sei. Anschließend gab der Personalarzt der Bundesanstalt für Arbeit eine Stellungnahme in demselben Sinne ab, wobei er darlegte, dass den beigefügten Unterlagen nicht zu entnehmen sei, dass der Patient jemals eine Kur in seinem Land vorgenommen habe; auch würden in den inländischen Heilbädern bei entsprechenden Krankheitsbildern zahlreiche Behandlungen mit gutem Erfolg durchgeführt. Aufgrund dieser Stellungnahme lehnte die Bundesanstalt für Arbeit den Antrag am 29. Februar 2000 ab.

4.        Am 7. März 2000 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der am 22. März 2000 deshalb zurückgewiesen wurde, weil nach § 13 Absatz 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (im Folgenden: Beihilfevorschriften) (2) die Kosten einer Heilkur im Ausland nur dann beihilfefähig seien, wenn neben der Erfüllung anderer Voraussetzungen die dringende Notwendigkeit nachgewiesen werde, die Kur im Ausland durchzuführen, um wesentlich größere Erfolgsaussichten zu haben.

5.        Der Kläger unterzog sich der Behandlung auf Ischia in dem geplanten Zeitraum. Die Kosten für ärztliche Maßnahmen und Kuranwendungen betrugen 463 000 ITL (239,12 Euro) (3) , die Fahrtkosten 639 DM (326,72 Euro) und die Unterkunftskosten 2 200 DM (1 124,84 Euro). Für die beiden letzten Posten hat der Kläger noch keine Zahlung beantragt, da er weiterhin die Hoffnung hegt, dass ihre Beihilfefähigkeit anerkannt werde.

II – Nationales Recht

6.        Die deutsche Regelung über die Absicherung von Beamten im Krankheitsfall geht von dem Grundsatz aus, dass der Beamte aus seinen laufenden Dienstbezügen Vorsorge für Aufwendungen aus gesundheitlichen Gründen trifft, so dass die Beihilfe zur Ergänzung der Absicherung der Kosten dient, die zu Lasten des Beamten gehen. Im Allgemeinen schließen die Beamten eine private Versicherung ab.

Die Regelung erlaubt die freie Arztwahl. Die Beziehung, die der Patient und der behandelnde Arzt oder das behandelnde Krankenhaus eingehen, ist eine privatrechtliche, und die Kosten werden direkt dem Beamten in Rechnung gestellt. Anschließend werden die Kosten, wenn die geltenden Voraussetzungen vorliegen, durch die Beihilfe oder von der privaten Krankenversicherung erstattet.

7.        Die Kosten, die eine Heilkur mit sich bringt, sind von zweierlei Art: die Rechnung der Ärzte, die in § 8 Absatz 2 Nummer 1 der Beihilfevorschriften behandelt wird, und die Nebenkosten, etwa für Verpflegung, Unterkunft, Kurtaxe und den ärztlichen Schlussbericht, die in § 8 Absatz 2 Nummern 2 bis 5 aufgeführt sind. Zu der Arztrechnung wird Beihilfe gezahlt, ohne dass eine vorherige Genehmigung der Beihilfestelle erforderlich wäre, und zwar unabhängig davon, ob die Behandlung in Deutschland oder im Ausland vorgenommen wurde. Zu den Nebenkosten wird, sofern der Betroffene im Voraus einen entsprechenden Antrag stellt, ebenfalls Beihilfe gezahlt, und zwar unabhängig davon, ob die Behandlung im In- oder im Ausland erfolgt; allerdings werden je nachdem, wo die Leistung zu erbringen ist, unterschiedliche Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe aufgestellt; sie stehen in § 8 Absatz 3 Nummer 1, wenn der Patient ein Heilbad im Inland aufsuchen möchte, und in § 13 Absatz 3, wenn er einen Aufenthalt in einem im Ausland gelegenen Heilbad wählt.

8.        Auf die Heilkur, der sich der Kläger auf Ischia unterzogen hat, sind die §§ 8 und 13 anwendbar, die wie folgt lauten:

„§ 8

Beihilfefähige Aufwendungen bei Heilkur

(1)    ...

(2)     Aus Anlass einer Heilkur sind beihilfefähig die Aufwendungen

1.
nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3,

2.
für Unterkunft und Verpflegung für höchstens 23 Kalendertage einschließlich der Reisetage bis zum Betrage von 30 DM [15,33 Euro] täglich, für Begleitpersonen von Schwerbehinderten, deren Notwendigkeit behördlich festgestellt ist, bis zum Betrag von 25 DM [12,78 Euro] täglich, soweit die Aufwendungen über 25 DM täglich bzw. 20 DM [10,22 Euro] täglich für die Begleitperson hinausgehen,

3.
nach § 6 Abs. 1 Nr. 9,

4.
für die Kurtaxe, gegebenenfalls auch für die Begleitperson,

5.
für den ärztlichen Schlussbericht.

(3)     Die Aufwendungen nach Abs. 2 Nr. 2 bis 5 sind nur dann beihilfefähig, wenn

1.
nach amts- oder vertrauensärztlichem Gutachten die Heilkur zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Dienstfähigkeit nach einer schweren Erkrankung erforderlich oder bei einem erheblichen chronischen Leiden eine balneo- oder klimatherapeutische Behandlung zwingend notwendig ist und nicht durch andere Heilmaßnahmen mit gleicher Erfolgsaussicht, insbesondere nicht durch eine Behandlung am Wohnort oder in seinem Einzugsgebiet im Sinne des Bundesumzugskostengesetzes, ersetzt werden kann,

2.
die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit vorher anerkannt hat. Diese Anerkennung gilt nur, wenn die Behandlung innerhalb von vier Monaten seit Bekanntgabe des Bescheides begonnen wird.

...

(6)     Heilkur im Sinne dieser Vorschrift ist eine Kur, die unter ärztlicher Leitung nach einem Kurplan in einem im Heilkurorteverzeichnis enthaltenen Kurort durchgeführt wird; die Unterkunft muss sich im Kurort befinden und ortsgebunden sein.“

„§ 13

Beihilfefähige, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen

(1)     Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen sind nur beihilfefähig, wenn es sich um Aufwendungen nach § 6 und §§ 9 bis 12 handelt und nur insoweit und bis zu der Höhe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland beim Verbleiben am Wohnort entstanden und beihilfefähig gewesen wären.

(2)    ...

(3)     Aus Anlass einer Heilkur außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 sind ausnahmsweise beihilfefähig, wenn

1.
durch das amts- oder vertrauensärztliche Gutachten nachgewiesen wird, dass die Heilkur wegen der wesentlich größeren Erfolgsaussicht außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zwingend notwendig ist, und

2.
der Kurort im Heilkurorteverzeichnis aufgeführt ist und

3.
die sonstigen Voraussetzungen des § 8 vorliegen.

Die Aufwendungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind ohne Beschränkung auf die Kosten in der Bundesrepublik Deutschland beihilfefähig.

(4)
...“

III – Vorlagefragen

9.        Da nach diesen Bestimmungen des deutschen Rechts die in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Heilkuren gegenüber den in Deutschland vorgenommenen besonderen Beschränkungen unterworfen werden, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen, das den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden hat, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Sind die Artikel 49 EG und 50 EG so auszulegen, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts (hier § 13 Absatz 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen – Beihilfevorschriften – BhV) entgegenstehen, die die Übernahme von Kosten für eine Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat davon abhängig macht, dass die Heilkur wegen wesentlich größerer Erfolgsaussichten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zwingend notwendig ist, dies durch amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nachgewiesen und der Kurort im Heilkurorteverzeichnis aufgeführt ist?

2.
Sind die Artikel 49 EG und 50 EG so auszulegen, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts entgegenstehen (hier § 13 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 BhV in Verbindung mit § 8 Absatz 3 Nummer 2 BhV), nach der eine Voranerkennung der Heilkur ausgeschlossen ist, wenn der Abschluss des Antragsverfahrens bzw. eines sich daran anschließenden gerichtlichen Verfahrens vor Antritt der Heilkur nicht abgewartet wird und nur die Frage streitig ist, ob die Regelung des nationalen Rechts die Beihilfefähigkeit einer Heilkur in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu Recht ausschließt?

IV – Gemeinschaftsrecht

10.      Gefragt wird nach der Auslegung folgender Bestimmungen:

Artikel 49 EG

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

...“

Artikel 50 EG

„Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

Als Dienstleistungen gelten insbesondere:

...

d)
freiberufliche Tätigkeiten.

...“

V – Verfahren vor dem Gerichtshof

11.      Innerhalb der in Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes festgesetzten Frist haben die spanische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben.

Da keiner der Beteiligten beantragt hat, seinen Standpunkt mündlich zu Gehör bringen zu können, hat der Gerichtshof nach Artikel 104 § 4 seiner Verfahrensordnung beschlossen, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten.

VI – Untersuchung der Vorlagefragen

A – Standpunkte der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben

12.      Die spanische Regierung ist der Auffassung, dass eine Heilkur eher mit einer Krankenhausbehandlung zu vergleichen sei als mit einer ambulant erbrachten ärztlichen Unterstützung. Deshalb stünden die Artikel 49 EG und 50 EG einer nationalen Bestimmung nicht entgegen, wonach die Krankenversicherung die Kosten einer Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat übernehme, wenn mit ärztlichem Gutachten nachgewiesen werde, dass die Kur so wesentlich größere Erfolgsaussichten habe.

13.      Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt den Standpunkt, dass die streitigen Rechtsvorschriften für eine Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat höhere Hürden aufstellten als für eine in Deutschland erbrachte, da die in § 8 Absatz 3 Nummer 1 aufgeführten Kriterien leichter zu erfüllen seien als die in § 13 Absatz 3 aufgezählten. Folglich bilde diese letztgenannte Vorschrift ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr. Trotzdem seien die Voraussetzungen, die in der Norm für die Gewährung von Beihilfe zu Nebenkosten einer nicht am Wohnort durchgeführten Heilkur aufgestellt würden, grundsätzlich erforderlich und angemessen. Es sei Sache des nationalen Richters, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die strengeren Kriterien, die die Vorschriften für die Beihilfe zu diesen im Ausland entstandenen Aufwendungen aufstellten, im öffentlichen Interesse gerechtfertigt seien.

14.      Die Kommission trägt vor, dass ein Patient wie der Kläger, der lediglich die in § 8 Absatz 3 der deutschen Beihilfevorschriften aufgestellte Voraussetzung erfülle, einen Anspruch auf Beihilfe zu der Arztrechnung und den Nebenkosten habe, wenn er sich in Deutschland behandeln lasse, nicht aber, wenn er sich dazu ins Ausland begebe.

Ihrer Ansicht nach stehen die Artikel 49 EG und 50 EG nationalen Rechtsvorschriften mit den genannten Merkmalen entgegen, nach denen die mit einer Heilkur im Ausland verbundenen Aufwendungen grundsätzlich nicht beihilfefähig sind und eine Beihilfe nur ausnahmsweise und unter der Voraussetzung vorgesehen ist, dass mit einem ärztlichen Gutachten nachgewiesen wird, dass die Kur wegen der wesentlich größeren Erfolgsaussicht im Ausland stattfinden muss.

B – Erste Frage

15.      Mit dieser Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Artikel 49 EG und 50 EG einer Bestimmung wie § 13 Absatz 3 der deutschen Beihilfevorschriften entgegenstehen, die für die Beihilfe zu Nebenkosten einer Heilkur in Form von Verpflegung, Unterkunft, Kurtaxe und ärztlichem Schlussbericht verlangt, dass, wenn die Kur im Inland stattfindet, die Notwendigkeit der Behandlung durch ärztliches Gutachten bestätigt und die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen von der zuständigen Stelle im Voraus anerkannt wird, während sie bei einer Kur in einem anderen Mitgliedstaat als zusätzliche Voraussetzung fordert, dass ein Arzt amtlich bestätigt, dass die Kur in dieser Einrichtung größere Erfolgsaussichten hat.

16.      Ich gehe von dem Grundsatz aus, dass die auf ärztliche Verschreibung und unter klinischer Kontrolle vorgenommene Behandlung in einem Heilbad den medizinischen Tätigkeiten gleichzustellen ist, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (4) von Artikel 50 EG erfasst werden (5) . Das nationale Gericht interessiert sich daher zu Recht für die Auslegung der Artikel 49 EG und 50 EG.

17.      Die in § 13 Absatz 1 der streitigen Vorschriften für Heilkuren im Ausland aufgeführten Voraussetzungen belasten nicht mehr als diejenigen, die auf die in einer Einrichtung in Deutschland durchgeführten Kuren anwendbar sind. Allerdings wird der beihilfefähige Betrag auf den Betrag begrenzt, der beihilfefähig gewesen wäre, wenn die Behandlung im Inland durchgeführt worden wäre.

Gewiss kann diese Bestimmung Patienten davon abhalten, ein Heilbad in einem anderen Mitgliedstaat aufzusuchen, wenn die vom medizinischen Personal angewandten Tarife höher sind als in Deutschland, denn der Patient gibt dann aufgrund der festgestellten Einschränkung mehr aus, als wenn er nicht ins Ausland gegangen wäre.

18.      Es handelt sich um ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr, das meiner Meinung nach durch das Erfordernis gerechtfertigt ist, die Ausgaben zu kontrollieren und jedwede Verschwendung finanzieller Mittel zu vermeiden. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, liegt dem genannten deutschen Beihilfesystem das allgemeine Prinzip zugrunde, dass der Patient die Einrichtung, in der er behandelt wird, frei wählt, weshalb er den Kostenunterschied zu tragen hat, wenn er für Behandlungen von gleichem therapeutischen Wert eine teurere Einrichtung wählt. Wenn dagegen die Honorare des medizinischen Personals niedriger als die in Deutschland angewandten sein sollten, wäre der beihilfefähige Betrag entsprechend anzupassen, um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Patienten zu vermeiden.

19.      Aus dem Vorstehenden schließe ich, dass die Artikel 49 EG und 50 EG einer nationalen Bestimmung wie § 13 Absatz 1 der deutschen Beihilfevorschriften nicht entgegenstehen.

20.      Absatz 3 desselben § 13 führt die Umstände auf, unter denen die mit einer im Ausland durchgeführten Heilkur verbundenen Nebenkosten ausnahmsweise beihilfefähig sind. Neben der Einhaltung der in § 8 für in Deutschland durchgeführte Behandlungen aufgestellten Voraussetzungen (durch ärztliches Gutachten bestätigte Erforderlichkeit der Behandlung und vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen durch die zuständige Stelle) gelten zwei zusätzliche Voraussetzungen: Erstens muss mit ärztlichem Attest nachgewiesen werden, dass die Behandlung im Ausland größere Erfolgsaussichten bietet, und zweitens muss das Heilbad im Verzeichnis der anerkannten Kurorte mit der entsprechenden Ausrichtung aufgeführt sein.

Die beiden Voraussetzungen, vorherige Anerkennung der Aufwendungen und Notwendigkeit einer Behandlung im Ausland, die Patienten davon abhalten können, sich an Heilbäder in den anderen Mitgliedstaaten zu wenden, und deshalb ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr darstellen können, sind getrennt voneinander zu untersuchen.

21.      Die Verpflichtung, vor dem Beginn der Behandlung bei der zuständigen Stelle die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen zu beantragen, ähnelt der Verpflichtung des Versicherten, der sich eine vorherige Genehmigung beschaffen muss, um Ärzte oder Krankenhäuser aufzusuchen, die keine Vertragsbeziehungen zu den Krankenversicherungssystemen einiger Mitgliedstaaten haben; auch mit der Verpflichtung nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 (6) lässt sie sich vergleichen.

22.      Dass der Träger der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats die Erstattung von Kosten, die in einem anderen Mitgliedstaat angefallen sind, von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, ist vom Gerichtshof als Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr angesehen worden (7) , da die Patienten, auch wenn ihnen nicht die Möglichkeit genommen wird, ein Heilbad in einem anderen Mitgliedstaat aufzusuchen, gezwungen werden, ein Verwaltungsverfahren anzustrengen, dessen Ausgang ungewiss ist, weil die Genehmigung abgelehnt werden kann.

23.      Bei der Prüfung der möglichen Rechtfertigung eines derartigen Hindernisses hat der Gerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung die Merkmale des Krankenversicherungssystems außer Acht gelassen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich um Sachleistungen oder Leistungen in Form von Erstattungen handelt, und allein darauf abgestellt, ob die Behandlung in Krankenhäusern oder in der Praxis eines Arztes erbracht wurde (8) .

Meiner Meinung nach ist eine Heilkur, die für eine Beihilfe nach den von mir hier geprüften deutschen Vorschriften in Betracht kommt, einer Krankenhausbehandlung gleichzusetzen, da sie nicht nur unter ärztlicher Leitung nach einem Kurplan in einem anerkannten Kurort durchgeführt wird, sondern § 8 Absatz 6 zusätzlich verlangt, dass sich die Unterkunft im Kurort befinden und ortsgebunden sein muss.

24.      Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Betreuung in Krankenhäusern in einen Rahmen eingebunden sei, der unbestreitbar Besonderheiten aufweise, da ihre geografische Verteilung, ihr Ausbau und die Einrichtungen, über die sie verfügten, oder auch die Art der medizinischen Leistungen, die sie anbieten könnten, planbar sein müssten. Auch sind der wachsende Einfluss der Naturmedizin und die jeweils geltenden soziokulturellen Tendenzen zu berücksichtigen, die gewisse „Moden“ vorgeben können; so kam es z. B. im 19. Jahrhundert zu einem bedeutenden Aufstieg der Heilbäder, der sich in allen Bereichen widerspiegelte (9) , was soweit reichte, dass man es das Jahrhundert der Bäderdiplomatie nannte (10) .

25.      Wie die Kommission ausführt, sind die Heilbäder Einrichtungen, die wegen ihrer natürlichen Merkmale im Voraus festgelegt sind und deren Zahl und geografische Lage nicht verändert werden können. Die Menschheit hat immer aus den therapeutischen Qualitäten von bestimmtem Wasser Nutzen gezogen. In vielen Bädern finden sich archäologische Spuren, die von ihrer Benutzung durch die Römer und verschiedene Völker des Mittelalters zeugen. Mit dem Christentum erhielten einige einen sakralen Charakter (11) . Anfangs gab es keine gesicherte wissenschaftliche Grundlage für ihre Heilwirkungen, es herrschten rein empirische Kriterien vor (12) . Später wurden ihre besonderen Eigenschaften untersucht, die das Ergebnis eines Zusammenspiels chemisch-physikalischer Elemente und anderer Umstände sind, die mit der geografischen Lage und mit Umweltfaktoren zusammenhängen, wobei insbesondere auf die konstante Entwicklung der Klimatherapie hinzuweisen ist (13) .

Daher lässt sich nicht vertreten, dass die Voraussetzung der vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen durch das Ziel gerechtfertigt ist, im deutschen Hoheitsgebiet einen ausreichenden und ständigen Zugang zu einem ausgewogenen Angebot an Heilkuren zu gewährleisten14  Urteil Smits und Peerbooms, Randnrn. 76 und 78..

26.      Das Erfordernis, dass sich der Patient eine vorherige Genehmigung verschaffen muss, um Beihilfe für Nebenkosten einer Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten, ist auch dem Zweck zuzuschreiben, die Kosten zu beherrschen, um jede Verschwendung finanzieller, technischer und menschlicher Ressourcen zu vermeiden. Unter diesem Blickwinkel erweist sich das Erfordernis als sowohl notwendige als auch angemessene Maßnahme, die sich erklärt durch die berechtigte Besorgnis des Krankenversicherungssystems, das die Beihilfe zu tragen hat, nicht alle Kuren finanzieren zu müssen, denen sich die Beihilfeberechtigten unterziehen, sondern nur die, die im Voraus genehmigt werden (15) .

27.      Die zweite Voraussetzung, die Patienten davon abhält, sich in Heilbäder der anderen Mitgliedstaaten zu begeben, besteht darin, dass sie mit einem ärztlichen Gutachten nachzuweisen haben, dass die Durchführung der Kur im Ausland angesichts der größeren Erfolgsaussicht zwingend notwendig ist; d. h., wenn die therapeutischen Vorzüge der im Inland gelegenen Bäder denen des Heilbads in dem Land entsprechen, in das sich der Patient begeben möchte, wird die Beihilfe abgelehnt. Angesichts der engen Verbindung zwischen den bei einer Heilkur erbrachten ärztlichen Leistungen und den Nebenkosten führt die Ablehnung der Gewährung von Beihilfe für die Letzteren, die einen deutlich höheren Betrag ausmachen als die Arztrechnung, in der Mehrzahl der Fälle dazu, dass der Betreffende darauf verzichtet, ein Bad im Ausland aufzusuchen.

28.      Der Gerichtshof hat eine sehr ähnliche, vom niederländischen Recht aufgestellte Voraussetzung im Hinblick auf Artikel 49 EG als gerechtfertigt angesehen, sofern sie so ausgelegt wird, dass die vorherige Genehmigung nur dann versagt werden kann, wenn der beantragte Beistand im Inland verfügbar ist, weil die gleiche oder eine für den Patienten ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig in einer Einrichtung im Inland erlangt werden kann. Mit dieser Voraussetzung werde die finanzielle Stabilität des Krankenversicherungssystems gewährleistet (16) .

29.      Meiner Meinung nach gilt diese Rechtfertigung in der vorliegenden Rechtssache nicht, in der die streitige Vorschrift je nach dem Ort, an dem die Leistung erbracht wird, eine unterschiedliche Behandlung vorsieht. Die Beihilfe zu den Nebenkosten einer Kur im Ausland wurde von der Vorschrift nämlich im Gegensatz zur Beihilfe zur Arztrechnung dem Betrag nach nicht begrenzt, weshalb man denken könnte, dass die Patienten, die die Notwendigkeit eines Landeswechsels nachweisen, im Vergleich zu denen bevorzugt sind, die im Inland verbleiben und pauschale Beihilfen erhalten. Sicher ist jedoch, dass die Zahlung von Beihilfe zu diesen Aufwendungen nur ausnahmsweise gewährt wird, während ihre Bewilligung die Regel ist, wenn die Kur im Inland durchgeführt wird.

30.      In Bezug auf diese eng mit der Kur verbundenen Aufwendungen führt der erwähnte § 13 Absatz 3 Nummer 1 dadurch eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft der Leistung ein, dass danach Beihilfe für die verschiedenen Posten in pauschaler Höhe gewährt wird, wenn die Behandlung in Deutschland stattfindet, aber –sofern nicht eine zusätzliche Voraussetzung erfüllt wird –verweigert wird, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wird.

31.      Artikel 46 EG, auf den Artikel 55 EG verweist, beeinträchtigt nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen, sofern sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. Im Verlauf dieses Verfahrens wurde jedoch keine fundierte Argumentation vorgetragen, die darauf abgezielt hätte, die diskriminierende Maßnahme mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zu begründen. Jedenfalls würde dieses Ziel dadurch weiterhin erreicht, dass verlangt wird, dass das Bad im Verzeichnis der anerkannten Kurorte enthalten ist.

32.      Bekanntermaßen steht Artikel 49 EG nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Anwendung jeder nationalen Regelung entgegen, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaats erschwert (17) , sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist (18) .

33.      Zur Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlungsweise lässt sich das Erfordernis der Kontrolle der Aufwendungen durch das Krankenversicherungssystem nicht anführen, wenn die den Empfängern gezahlten Beträge unabhängig von dem Staat, in dem sie die Kur durchgeführt haben, die gleichen sind, denn wie der Gerichtshof ausgeführt hat, hat die Erstattung von Kosten einer ärztlichen Behandlung, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wurde, nach den Tarifen des Versicherungsstaats keine wesentlichen Auswirkungen auf die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit (19) .

34.      Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass nach den §§ 8 Absatz 6 und 13 Absatz 3 Nummer 2 der deutschen Beihilfevorschriften die Voraussetzung, dass das Heilbad im Verzeichnis der für diese Ausrichtung anerkannten Kurorte enthalten ist, in gleicher Weise für die in Deutschland und die in ausländischen Bädern durchgeführten Kuren gilt. Daher ist weder eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Herkunft vorgesehen, noch wird die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Vergleich zur rein inländischen Dienstleistung erschwert. Dagegen kann die Beihilfe für Nebenkosten einer Kur in einem nicht anerkannten Bad in einem anderen Mitgliedstaat verweigert werden, doch erscheint es angemessen, der zuständigen Stelle, die die Krankenversicherung verwaltet, die Befugnis zuzugestehen, die Seriosität der Heilbäder zu kontrollieren, deren Behandlungen sie über ihre Zahlungen an die Berechtigten unterstützt.

35.      Aus den dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass die Artikel 49 EG und 50 EG einer nationalen Bestimmung wie § 13 Absatz 3 Nummer 1 der deutschen Beihilfevorschriften entgegenstehen, wonach für die Zahlung von Beihilfe zu den mit einer Heilkur verbundenen Aufwendungen für Verpflegung, Unterkunft, Kurtaxe und den ärztlichen Schlussbericht der mit einem ärztlichen Gutachten geführte Nachweis der Notwendigkeit der Behandlung und die vorherige Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit durch die zuständige Stelle erforderlich sind, wenn die Heilkur im Inland stattfindet, während, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wird, die zusätzliche Voraussetzung aufgestellt wird, dass ein Arzt amtlich bestätigt, dass die Kur in dem entsprechenden Bad größere Erfolgsaussichten hat.

C – Zweite Frage

36.      Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Frage bejaht, was die Nichtanwendung des umstrittenen § 13 Absatz 3 Nummer 1 bewirken würde, möchte das Verwaltungsgericht Sigmaringen wissen, ob die Artikel 49 EG und 50 EG einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, wonach die Zahlung von Beihilfe zu den Aufwendungen in Verbindung mit einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur demjenigen verweigert wird, der nicht die Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit im Verwaltungsverfahren oder auf dem Gerichtsweg abgewartet hat, ehe er die Behandlung beginnt.

37.      Die spanische Regierung ist der Auffassung, dass diese Frage zu verneinen sei, und das Vereinigte Königreich hat dazu nicht Stellung genommen. Die Kommission dagegen vertritt den Standpunkt, dass sie zu bejahen sei.

38.      Bei der Prüfung der ersten Frage habe ich dargelegt, dass die Verpflichtung, vor dem Antritt einer Heilkur in Deutschland oder im Ausland bei der zuständigen Stelle die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der damit verbundenen Aufwendungen zu beantragen, eine angemessene Maßnahme ist, die durch das Erfordernis gerechtfertigt wird, eine Verschwendung wirtschaftlicher Mittel zu vermeiden. Folglich verwehren es die Artikel 49 EG und 50 EG nicht, demjenigen die Zahlung von Beihilfe zu den genannten Aufwendungen zu verweigern, der die Anerkennung nicht beantragt hat oder mit dem Beginn der Behandlung nicht bis zur Entscheidung über seinen Antrag im Verwaltungsverfahren gewartet hat.

39.      Ein Problem stellt sich dann, wenn die Anerkennung wie im vorliegenden Fall unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht über den freien Dienstleistungsverkehr verweigert wird und der Patient ein Gerichtsverfahren anstrengen muss, in dem er Gefahr läuft, dass ihm auf der Grundlage des nationalen Rechts entgegengehalten wird, dass das Fehlen einer vorherigen Genehmigung ein unheilbarer Mangel sei.

In diesem Punkt stimme ich der Beurteilung der Kommission aus mehreren Gründen zu: Erstens geht es für den Betroffenen darum, seine Gesundheit wiederzuerlangen oder zu verbessern, und die Voraussetzung, dass er für den Antritt der Kur das Ende eines gerichtlichen Verfahrens abzuwarten hat, bedeutet, die Besserung zumindest unnötig hinauszuschieben; zweitens ist, wenn der Rechtsstreit gegen eine Ablehnung der Beihilfefähigkeit angestrengt wird, die darauf beruht, dass die Kur in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt werden soll, der Kranke, der nicht warten will oder kann, gezwungen, die Behandlung in Deutschland durchführen zu lassen und auf die ihm vom Gemeinschaftsrecht eröffnete Möglichkeit zu verzichten; und drittens verlöre der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs seinen Gehalt, wenn jemandem wie dem Kläger, der sich zur Durchführung einer Behandlung in einen anderen Mitgliedstaat begeben und ein Verfahren angestrengt hat, damit ihm im Nachhinein Beihilfe zu den Aufwendungen gezahlt wird, entgegengehalten werden könnte, dass das Fehlen einer vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen einen unheilbaren Mangel darstelle.

Mit der Anwendung des § 13 Absatz 3 Nummer 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 3 Nummer 2 der deutschen Beihilfevorschriften würde nämlich erreicht, dass dem Patient, der sich unter Überwindung des Hindernisses, das § 13 Absatz 3 Nummer 1 für den freien Dienstleistungsverkehr aufstellt, in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um sich dort einer Heilkur zu unterziehen, das Recht auf Gleichbehandlung mit denen genommen würde, die – weil sie die Kur in Deutschland durchgeführt haben – auf keinerlei Schwierigkeit bei der vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit der mit dieser Kur verbundenen Aufwendungen und demzufolge bei dem Erhalt der Beihilfe gestoßen sind.

Im Übrigen hat bereits das nationale Gericht in Abschnitt II.3 seines Beschlusses eine Antwort in diesem Sinne nahe gelegt.

40.      Es gibt zudem neuere Rechtsprechung zur Auslegung einiger Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71, mit der sich diese Frage per Analogie klären lässt.

41.      Im Urteil Vanbraekel u. a (20) wurde die Anwendbarkeit von Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 in einem Verfahren geklärt, in dem der Patient einen Antrag auf vorherige Genehmigung für eine Krankenhausbehandlung in einem anderen Mitgliedstaat gestellt und das Gericht die Versagung der Genehmigung für unwirksam erklärt hatte.

Der Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass ein Sozialversicherter, wenn er einen Antrag auf Genehmigung gemäß Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 gestellt habe, dieser Antrag vom zuständigen Träger abgelehnt worden sei und die Unbegründetheit dieser Ablehnung später entweder vom zuständigen Träger selbst oder durch gerichtliche Entscheidung festgestellt werde, einen Anspruch auf eine Erstattung in der Höhe habe, wie sie normalerweise zu erbringen gewesen wäre, wenn die Genehmigung von Anfang an ordnungsgemäß erteilt worden wäre21  Vgl. z. B. Urteil vom 25. Februar 2003 in der Rechtssache C-326/00 (Ioannidis, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 61)..

42.      Daher bin ich der Ansicht, dass die Artikel 49 EG und 50 EG einer nationalen Bestimmung wie § 13 Absatz 3 Nummer 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 3 Nummer 2 der deutschen Beihilfevorschriften entgegenstehen, wonach die Zahlung von Beihilfe für Aufwendungen in Verbindung mit einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur verweigert wird, wenn der Patient nicht die Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit auf dem Gerichtsweg abgewartet hat, ehe er die Behandlung beginnt.

VII – Ergebnis

43.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Verwaltungsgericht Sigmaringen vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.
Die Artikel 49 EG und 50 EG stehen einer nationalen Bestimmung wie § 13 Absatz 3 Nummer 1 der deutschen Beihilfevorschriften entgegen, wonach für die Zahlung von Beihilfe zu den mit einer Heilkur verbundenen Aufwendungen für Verpflegung, Unterkunft, Kurtaxe und den ärztlichen Schlussbericht der mit einem ärztlichen Gutachten geführte Nachweis der Notwendigkeit der Behandlung und die vorherige Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit durch die zuständige Stelle erforderlich sind, wenn die Heilkur im Inland stattfindet, während, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wird, die zusätzliche Voraussetzung aufgestellt wird, dass ein Arzt amtlich bestätigt, dass die Kur in dem entsprechenden Bad größere Erfolgsaussichten hat.

2.
Die Artikel 49 EG und 50 EG stehen einer nationalen Bestimmung wie § 13 Absatz 3 Nummer 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 3 Nummer 2 der deutschen Beihilfevorschriften entgegen, wonach die Zahlung von Beihilfe für Aufwendungen in Verbindung mit einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur verweigert wird, wenn der Patient nicht die Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit auf dem Gerichtsweg abgewartet hat, ehe er die Behandlung beginnt.


1
Originalsprache: Spanisch.


2
  In der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juli 1995 (GMBl. S. 470), zuletzt geändert am 20. Februar 2001 (GMBl. S. 186).


3
  Wie das nationale Gericht in seinem Beschluss angibt, sind 154,41 Euro als beihilfefähig anerkannt worden; dieser Betrag ergab sich aus der Anwendung des entsprechenden Beihilfesatzes auf den tatsächlichen Betrag.


4
  Urteile vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16), vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96 (Kohll, Slg. 1998, I-1931, Randnrn. 29 und 51), vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-157/99 (Smits und Peerbooms, Slg. 2001, I-5473, Randnr. 53) und vom 13. Mai 2003 in der Rechtssache C-385/99 (Müller-Fauré und van Riet, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38).


5
  Eine andere Auffassung vertrete ich für den Fall, dass die Behandlung von einer Krankenversicherung zu tragen ist, die ausschließlich Sachleistungen gewährt, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Smits und Peerbooms klargestellt habe. Vgl. insbesondere die Nummern 35 bis 49, in denen ich die Merkmale des Systems der Pflichtkrankenversicherung in den Niederlanden untersuche und hervorhebe, dass die medizinische Versorgung, die diese ihren Versicherten in Form von Sachleistungen gewährt, nicht gegen Entgelt erfolgt und deshalb keine Dienstleistung im Sinne des Vertrages darstellt.


6
  Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6).


7
  Urteile vom 28. April 1998 in den Rechtssachen C-120/95 (Decker, Slg. 1998, I-1831, Randnr. 36) und Kohll (Randnr. 35).


8
  Vgl. u. a. die Urteile Decker, Kohll, Smits und Peerbooms sowie Müller-Fauré und van Riet.


9
  A. Tschechow siedelte die bewegende Liebesgeschichte seiner Novelle Die Dame mit dem Hündchen in dem ukrainischen Bad Jalta auf der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer an.


10
  Im 19. Jahrhundert hatte jeder Politiker sein bevorzugtes Bad. Bismarck begab sich nach Bad Ems, Cavour suchte das von Plombières auf, wo er 1858 mit Napoleon III. zusammentraf, um mit ihm die Unterstützung Sardiniens in seinem Kampf gegen Österreich und die Voraussetzungen für eine Neuorganisation Italiens als Föderation zu vereinbaren; Napoleon III. selbst ging nach Villefranche, und seine Frau, die Kaiserin Eugenia de Montijo kurte in Vichy; Ferdinand VII. und seine dritte Frau, Maria Amalia von Sachsen, ließen sich in Solán de Cabras in der spanischen Provinz Cuenca in der Überzeugung behandeln, dass das Wasser dieses Heilbads die Geburt eines Thronfolgers fördern könne; Cánovas von Kastilien, der liberal-konservative Präsident verschiedener spanischer Regierungen seit 1874, erholte sich regelmäßig im baskischen Heilbad von Santa Águeda, wo er 1897 von einem italienischen Anarchisten ermordet wurde.


11
  König Alfons VII. von Kastilien (1106─1157) ordnete allerdings die Zerstörung der Bäder in seinem Gebiet an, da er in ihnen Orte der Verderbnis sah.


12
  Der Überlieferung nach wurde das bereits erwähnte Bad von Solán de Cabras im 16. Jahrhundert entdeckt, als ein Schäfer bemerkte, dass seine an Räude erkrankten Schafe sich in bestimmtem Wasser wälzten, von dem sie mit der Zeit gesund wurden; im 18. Jahrhundert ließ der Minister für das königliche Vermögen von Karl III., Pedro López de Lerena, das Bad und die Herberge erbauen. Das Bad von La Toja in Galicien wurde der Legende nach errichtet, nachdem ein sterbenskranker Esel auf der Insel, die diesen Namen trägt, ausgesetzt wurde, als sie noch nicht bewohnt war, und nach einigen Tagen vollständig geheilt zurückkehrte.


13
  Haas, E. M.: Gesund durch alle vier Jahreszeiten.


14
          Urteil Smits und Peerbooms, Randnrn. 76 und 78.


15
  Urteil Smits und Peerbooms, Randnrn. 79 und 80.


16
  Urteil Smits und Peerbooms, Randnrn. 103 und 105.


17
  Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93 (Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I‑5145, Randnr. 17) und Kohll, Randnr. 33.


18
  Urteil Kohll, Randnr. 33.


19
  Urteil Kohll, Randnr. 42.


20
  Urteil vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-368/98 (Slg. 2001, I-5363, Randnr. 34).


21
          Vgl. z. B. Urteil vom 25. Februar 2003 in der Rechtssache C-326/00 (Ioannidis, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 61).

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