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Document 62001CC0299

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 18. April 2002.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Großherzogtum Luxemburg.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Artikel 43 EG - Niederlassungsfreiheit - Soziale Vergünstigungen - Garantiertes Mindesteinkommen.
Rechtssache C-299/01.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 I-05899

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2002:243

62001C0299

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 18. April 2002. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Großherzogtum Luxemburg. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Artikel 43 EG - Niederlassungsfreiheit - Soziale Vergünstigungen - Garantiertes Mindesteinkommen. - Rechtssache C-299/01.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-05899


Schlußanträge des Generalanwalts


1. Die Kommission hat gegen Luxemburg eine Klage gemäß Artikel 226 EG erhoben. Sie beantragt, festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft und aus Artikel 43 EG verstoßen hat.

Sie wirft dem Staat vor, in seinem innerstaatlichen Recht als Voraussetzung für einen Anspruch auf das garantierte Mindesteinkommen das Erfordernis einer vorherigen Wohnzeit in seinem Hoheitsgebiet aufrechtzuerhalten.

I Sachverhalt

2. Die Kommission erfuhr Anfang 1998 durch eine Einzelbeschwerde, dass nach luxemburgischem Recht ein Anspruch auf das garantierte Mindesteinkommen eine Wohnzeit im Inland von mindestens zehn Jahren innerhalb der letzten zwanzig Jahre voraussetzt.

Die Dienststellen der Kommission nahmen mit den nationalen Behörden Kontakt auf und wiesen diese darauf hin, dass die genannte Bedingung möglicherweise gemeinschaftsrechtswidrig ist. Sie erhielten die Antwort, dass ein Gesetzentwurf in Arbeit sei, der die Aufhebung dieser Bedingung vorsehe.

3. Mit Schreiben vom 19. Juli 1999 erfuhr die Kommission jedoch, dass der Staatsrat eine abschlägige Stellungnahme abgegeben hatte und dass deshalb in dem am 29. April 1999 erlassenen Text das Wohnzeiterfordernis beibehalten wurde, auch wenn dessen Dauer auf fünf Jahre innerhalb der letzten zwanzig Jahre herabgesetzt worden sei.

II Gemeinschaftsrecht

4. Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt:

(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

..."

5. Artikel 43 Absatz 2 EG bestimmt:

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen."

III Das streitige luxemburgische Recht

6. Bei der angeblich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Vorschrift handelt es sich um Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Gesetzes vom 26. Juli 1986, mit dem der Anspruch auf ein garantiertes Mindesteinkommen eingeführt wurde. Nach dieser Regelung wird die Leistung jeder Person gewährt, die mit entsprechender Genehmigung ihren Wohnsitz und ihren tatsächlichen Aufenthalt im Großherzogtum Luxemburg hat, mehr als 25 Jahre alt ist, deren Einkommen unter dem festgelegten Mindesteinkommen liegt, die die Möglichkeiten ausschöpfen will, die ihr nach in- oder ausländischem Recht geboten sind, um ihre Situation zu verbessern, und die innerhalb der letzten zwanzig Jahre mindestens fünf Jahre lang in Luxemburg gewohnt hat. Von diesem Wohnsitzerfordernis sind lediglich Staatenlose und politische Flüchtlinge ausgenommen.

IV Das Verwaltungsverfahren

7. Auch wenn die Dauer der für den Anspruch auf die Leistung erforderlichen Wohnzeit herabgesetzt worden war, hielt die Kommission diese Rechtsvorschrift nach wie vor für unvereinbar mit dem in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 für Arbeitnehmer und in Artikel 43 EG für Selbstständige festgelegten grundlegenden Verbot einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Daher forderte sie die Behörden des Großherzogtums mit Schreiben vom 6. August 1999 auf, sich binnen zwei Monaten zu äußern.

8. Da die Kommission keine Antwort erhielt und die zusammen mit der Mitteilung der Rechtsänderung abgegebenen Erklärungen nicht für überzeugend hielt, übermittelte sie der luxemburgischen Regierung am 26. Januar 2000 gemäß Artikel 226 Absatz 1 EG eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie sie aufforderte, das Gesetz erneut zu ändern.

Am 31. Mai 2000 teilte die Regierung ihre Entscheidung mit, eine erneute Rechtsänderung vorzunehmen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen; diese Absichtserklärung wiederholte sie mit Schreiben vom 15. Juni 2000.

9. Am 24. Juli 2000 verlangten die Dienststellen der Kommission konkrete Angaben über den vorgesehenen Zeitplan und forderten die nationalen Behörden gleichzeitig auf, die fragliche Leistung unverzüglich den Bürgern der übrigen Mitgliedstaaten zu gewähren, denen sie verweigert worden sei, weil sie nicht das Wohnsitzerfordernis erfuellten.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 machte die Regierung einige Angaben über die künftige Regelung und erklärte, dass sie beabsichtige, sie dem Parlament in der Sitzungsperiode 2000/2001 zur Abstimmung vorzulegen. Sie fügte hinzu, dass dem Wunsch in Bezug auf die genannten Bürger ohne eine anwendbare Vorschrift nicht entsprochen werden könne.

V Das streitige Verfahren

10. Da sie keine Informationen über die angekündigte Rechtsänderung erhielt, hat die Kommission am 26. Juli 2001 beim Gerichtshof Klage auf Verurteilung des Mitgliedstaats wegen Vertragsverletzung erhoben.

11. Die Kommission trägt vor, das in Luxemburg geltende Recht stelle eine offenkundige Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar, der nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbiete, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führten. Nach der Rechtsprechung des Gerichts sei das Erfordernis, eine bestimmte Zeit lang im Gebiet eines Mitgliedstaats gewohnt zu haben, eine versteckte Form der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, denn es könne leichter von einem Staatsbürger dieses Mitgliedstaats erfuellt werden als von einem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats. Die Tatsache, dass dieses Erfordernis für luxemburgische Staatsbürger ebenso gelte, ändere nichts an dieser Beurteilung.

Es bestehe kein Zweifel daran, dass die fragliche Leistung eine soziale Vergünstigung darstelle, denn der Gerichtshof habe dies in dem Urteil Hoeckx festgestellt mit der Folge, dass die Leistung allen Arbeitnehmern, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats seien, zu den gleichen Bedingungen gewährt werden müsse.

Artikel 43 EG gewährleiste, dass Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit ausüben wollten, wie Inländer behandelt würden; er verbiete jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die den Zugang zu einer solchen Tätigkeit oder ihre Ausübung behindere.

Außerdem sei auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Belgien zu verweisen, wo dieser im Hinblick auf eine ähnliche Rechtsvorschrift und eine ähnliche Leistung festgestellt habe, dass die Aufrechterhaltung des Erfordernisses einer bestimmten Wohnzeit in Belgien als Voraussetzung für die Gewährung des Existenzminimums (Minimex) an Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße.

12. Luxemburg erklärt in der Klagebeantwortung, die am 10. Oktober 2001 eingegangen ist, dass der zur Änderung der streitigen nationalen Rechtsvorschrift vorgesehene Gesetzentwurf am 22. März 2000 verabschiedet worden sei. Es beantragt, die Klage abzuweisen oder das Verfahren im Hinblick auf die zu erwartende Klagerücknahme durch die Kommission auszusetzen.

13. Die Kommission hat von der Vorlage einer Erwiderung Abstand genommen und zugleich erklärt, dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht gerechtfertigt sei.

14. Nachdem keine der Parteien einen Antrag gestellt hat, in dem die Gründe aufgeführt sind, aus denen sie gehört werden möchte, hat der Gerichtshof gemäß Artikel 44a der Verfahrensordnung beschlossen, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

VI Prüfung der Klage

A Zum Antrag auf Feststellung der Vertragsverletzung

15. Nach der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt das Erfordernis, im Gebiet eines Mitgliedstaats zu wohnen, für Staatsangehörige der übrigen Mitgliedstaaten eine versteckte Form der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar und ist eine Leistung der streitigen Art als soziale Vergünstigung anzusehen, die den Staatsangehörigen der übrigen Staaten unter denselben Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren ist.

16. Luxemburg erklärt in der Klagebeantwortung, dass es die Frage, ob das Erfordernis einer Wohnzeit von fünf Jahren diskriminierend sei, offen lasse; es trägt hierzu kein weiteres Argument vor und erklärt sich bereit, die entsprechende Regelung zu ändern. Wenngleich es unter Vorlage des Gesetzentwurfs, dessen Verkündung auch nicht aktenkundig ist, beantragt, die Klage abzuweisen, kommt seine Stellungnahme meines Erachtens doch einem Anerkenntnis gleich.

17. Außerdem wird bekanntlich der Streitgegenstand einer nach Artikel 226 EG erhobenen Klage durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission bestimmt; auch wenn der darin gerügte Mangel nach Ablauf der aufgrund des Artikels 226 Absatz 2 gesetzten Frist behoben wird, ist für die Klage noch ein Rechtsschutzinteresse gegeben, damit die Grundlage für die eventuelle Haftung eines Mitgliedstaats gegenüber denjenigen geschaffen wird, die aus dem fraglichen Vertragsverstoß Ansprüche ableiten.

18. Der Vorschlag, das Verfahren auszusetzen, ist auch unerheblich, denn es liegen hier keine Umstände vor, die eine derartige Entscheidung nach Artikel 82a § 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung rechtfertigen würden. Auf jeden Fall hat die Kommission bis April 2002 keinen Hinweis darauf gegeben, dass sie ihre Klage zurücknehmen wolle.

19. Da ohne jeden Zweifel feststeht, dass Luxemburg seiner Verpflichtung aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 und Artikel 43 EG nicht innerhalb der Frist nachgekommen ist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, ist dem Antrag der Kommission stattzugeben und Luxemburg unter Auferlegung der Kosten wegen Vertragsverletzung zu verurteilen.

B Zu dem Antrag, die Folgen der Feststellung der Vertragsverletzung zu erläutern

20. In Nummer 20 der Klageschrift beantragt die Kommission außer der Feststellung, dass der luxemburgische Staat den Vertrag verletzt hat, die sich aus dieser Feststellung ergebenden Folgen zu erläutern, damit das Gemeinschaftsrecht für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die in der Vergangenheit von der genannten Rechtsvorschrift betroffen waren, alle seine Wirkungen entfalten kann.

Die Kommission forderte die luxemburgischen Behörden mit Schreiben der Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vom 24. Juli 2000 auf, ihr mitzuteilen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um die Situation derjenigen Gemeinschaftsbürger unverzüglich zu regeln, die die Gewährung der streitigen Leistung beantragt hätten. Sie untermauerte diese Aufforderung mit dem Hinweis darauf, dass das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und der Vorrang des Gemeinschaftsrechts im gesamten Gebiet der Union unmittelbare Geltung hätten. In dem Antwortschreiben, das die Kommission von der Ständigen Vertretung Luxemburgs am 26. Oktober 2000 erhielt, wurde erklärt, dass dieses Vorgehen unmöglich sei, da es keine Rechtsgrundlage gebe, um den Gemeinschaftsbürgern, die das Erfordernis einer vorherigen Wohndauer im Großherzogtum nicht erfuellten, diese Leistung zu gewähren.

21. Ich habe für die Auffassung der Kommission zwar Verständnis, kann ihren Antrag aber dennoch aus folgenden Gründen nicht befürworten:

22. Erstens grenzen nach ständiger Rechtsprechung das von der Kommission an den Mitgliedstaat gerichtete Aufforderungsschreiben und die von ihr abgegebene mit Gründen versehene Stellungnahme den Streitgegenstand ab, so dass dieser nicht mehr erweitert werden kann. Die Möglichkeit zur Äußerung stellt nämlich für den betreffenden Mitgliedstaat, auch wenn davon kein Gebrauch gemacht wird, eine vom Vertrag gewährte wesentliche Garantie dar, und ihre Beachtung ist ein substanzielles Formerfordernis für die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens für die Feststellung einer Vertragsverletzung. Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage der Kommission müssen daher auf dieselben Rügen gestützt werden wie das Aufforderungsschreiben, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wird.

Die Kommission ist zwar nicht verpflichtet, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die zur Abstellung eines rechtswidrigen Verhaltens zu ergreifenden Maßnahmen anzugeben; sie muss aber wenigstens die Rügen angeben, auf die sie ihre Klage zu stützen gedenkt. Sie muss den betroffenen Mitgliedstaat also dann speziell darauf hinweisen, dass er eine bestimmte Maßnahme zu treffen hat, wenn sie den Nichterlass dieser Maßnahme zum Gegenstand ihrer Vertragsverletzungsklage machen will.

Im vorliegenden Fall hat die Kommission die luxemburgische Regierung jedoch weder in dem Aufforderungsschreiben noch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom Januar 2000 aufgefordert, die Situation der Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten, denen sie die Gewährung eines garantierten Mindesteinkommens verweigert hatte, weil sie das Wohnsitzerfordernis nicht erfuellten, unverzüglich zu bereinigen. Nach den vorliegenden Unterlagen erging diese Aufforderung erst im Juli 2000 in einem Schreiben der Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, als die luxemburgischen Behörden bereits auf die mit Gründen versehene Stellungnahme geantwortet hatten und der künftige Streitgegenstand bereits abgegrenzt worden war.

23. Zweitens sind die Folgen der Feststellung einer Vertragsverletzung Artikel 228 EG zu entnehmen: Der Mitgliedstaat hat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergeben.

Diese Maßnahmen beschränken sich nicht darauf, die Auswirkungen des innerstaatlichen Rechts für die Zukunft zu beseitigen, sie umfassen vielmehr auch, um dem Urteil eine Wirkung ex tunc zu verleihen, die Behebung der seit dem Entstehen der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht entstandenen rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes. Die Mitgliedstaaten sind bekanntlich verpflichtet, dem Einzelnen für durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstandene Schäden Schadensersatz zu leisten. Diese Verpflichtung beruht u. a. auf Artikel 10 EG, wonach die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfuellung ihrer Verpflichtungen zu treffen haben. Zu diesen Verpflichtungen gehört auch diejenige, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben.

Gemäß der Rechtsprechung beschränkt sich der Gerichtshof bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts darauf, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie diese seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre, erforderlichenfalls zu erläutern und zu verdeutlichen.

Hinzu kommt, dass der Mitgliedstaat nicht, wie er es hätte tun können, beantragt hat, die Wirkungen des Urteils zeitlich zu beschränken.

24. Wenn der Mitgliedstaat in diesem Verfahren, wie von mir vorgeschlagen, wegen Vertragsverletzung verurteilt wird und es weiterhin versäumt, die Situation der Geschädigten vor dem Inkrafttreten der geänderten Regelung zu bereinigen, so verfügt die Kommission schließlich über die Möglichkeit, beim Gerichtshof erneut Klage zu erheben. Von Anfang 1998, als sie die Einzelbeschwerde erhielt, bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes werden mehrere Jahre verstrichen sein, in denen der genannte Mitgliedstaat anscheinend immer wieder gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hat.

Ich meine, es kann nicht hingenommen werden, dass sich ein Mitgliedstaat auf das Fehlen einer innerstaatlichen Regelung beruft, um die Gleichbehandlung von in seinem Gebiet wohnenden Gemeinschaftsbürgern zu verweigern, zumal nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Leistungen ganz ähnlicher Art als soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen sind und verschiedene Staaten verurteilt worden sind, weil sie den Erhalt dieser Leistungen von dem Erfordernis eines Wohnsitzes in ihrem Gebiet abhängig machten. Andernfalls wäre es den Mitgliedstaaten ein Leichtes, ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen dadurch zu entgehen, dass sie einfach keine Rechtsvorschriften erlassen oder die Anpassung der innerstaatlichen Vorschriften so weit wie möglich hinausschieben.

25. Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass der Antrag der Kommission, die Folgen der Feststellung der Vertragsverletzung zu erläutern, zurückzuweisen ist.

VII Ergebnis

26. Aus den vorstehenden Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor,

1. festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft und aus Artikel 43 EG verstoßen hat, indem es in seinem innerstaatlichen Recht als Voraussetzung für die Gewährung des garantierten Mindesteinkommens das Erfordernis einer vorherigen Wohnzeit von fünf Jahren in seinem Hoheitsgebiet aufrechterhalten hat;

2. dem Großherzogtum Luxemburg die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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