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Document 62000CC0400

    Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 17. Januar 2002.
    Club-Tour, Viagens e Turismo SA gegen Alberto Carlos Lobo Gonçalves Garrido, Beteiligte: Club Med Viagens Ldª.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Judicial da Comarca do Porto - Portugal.
    Richtlinie 90/314/EWG - Pauschalreisen - Begriffe 'Pauschalreise' und 'im Voraus festgelegte Verbindung'.
    Rechtssache C-400/00.

    Sammlung der Rechtsprechung 2002 I-04051

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2002:31

    62000C0400

    Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 17. Januar 2002. - Club-Tour, Viagens e Turismo SA gegen Alberto Carlos Lobo Gonçalves Garrido, Beteiligte: Club Med Viagens Ldª. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Judicial da Comarca do Porto - Portugal. - Richtlinie 90/314/EWG - Pauschalreisen - Begriffe 'Pauschalreise' und 'im Voraus festgelegte Verbindung'. - Rechtssache C-400/00.

    Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-04051


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 Das 8. Juízo Cível da Comarca do Porto (Portugal) hat mit Beschluss vom 31. Oktober 2000, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 20. November 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 90/314/EWG(1) zur Vorabentscheidung vorgelegt, und zwar in einem Rechtsstreit zwischen einem Reisebüro und einem Kunden, der sich wegen der während eines Aufenthalts in einem Feriendorf aufgetretenen schwerwiegenden Unannehmlichkeiten geweigert hatte, das Reisebüro für die von diesem erbrachte Dienstleistung zu bezahlen. Das vorlegende Gericht fragt insbesondere, ob der Begriff "Pauschalreise", durch den der Anwendungsbereich der Richtlinie abgegrenzt wird, auch Reisen "nach Maß" ("à la carte") einschließt, d. h. Reisen, die auf Wunsch und Anregung des Verbrauchers oder einer beschränkten Verbrauchergruppe gemäß deren spezifischen Ansprüchen organisiert werden.

    I - Rechtlicher Rahmen

    A - Die Richtlinie 90/314/EWG

    2 Zweck der Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Pauschalreisen (einschließlich Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen), die in der Gemeinschaft verkauft oder zum Verkauf angeboten werden (Artikel 1).

    3 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:

    "Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

    1. Pauschalreise: die im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird, wenn diese Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt:

    a) Beförderung,

    b) Unterbringung,

    c) andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen.

    Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder Vermittler den Verpflichtungen nach dieser Richtlinie unterworfen.

    2. Veranstalter: die Person die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum Verkauf anbietet.

    3. Vermittler: die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet.

    4. Verbraucher: die Person, welche die Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet ($der Hauptkontrahent`), oder jede Person, in deren Namen der Hauptkontrahent sich zur Buchung der Pauschalreise verpflichtet ($die übrigen Begünstigten`), oder jede Person, der der Hauptkontrahent oder einer der übrigen Begünstigten die Pauschalreise abtritt ($der Erwerber`).

    5. Vertrag: die Vereinbarung, die den Verbraucher an den Veranstalter und/oder Vermittler bindet."

    4 Artikel 3 der Richtlinie bestimmt:

    "(1) Die dem Verbraucher vom Veranstalter oder Vermittler gegebenen Beschreibungen einer Pauschalreise, ihr Preis und die übrigen Vertragsbedingungen dürfen keine irreführenden Angaben enthalten.

    (2) Wenn dem Verbraucher ein Prospekt zur Verfügung gestellt wird, muss dieser deutlich lesbare, klare und genaue Angaben zum Preis und - soweit von Bedeutung - zu Folgendem enthalten:

    a) Bestimmungsort; Transportmittel, ihre Merkmale und Klasse;

    b) Art, Lage, Kategorie oder Komfort und Hauptmerkmale der Unterbringung sowie ihre Zulassung und touristische Einstufung gemäß den Vorschriften des Gastmitgliedstaates;

    c) Mahlzeiten;

    d) Reiseroute;

    e) allgemeine Angaben über Pass- und Visumerfordernisse für Staatsangehörige des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten und gesundheitspolizeiliche Formalitäten, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind;

    f) absoluter Betrag oder Prozentsatz des Preises, der als Anzahlung zu leisten ist, und Zeitplan für die Zahlung des Restbetrages;

    g) Hinweis darauf, ob für das Zustandekommen der Pauschalreise eine Mindestteilnehmerzahl erforderlich ist, und - wenn ja - Angabe, bis wann dem Verbraucher spätestens mitgeteilt wird, ob die Reise storniert wird.

    Die in dem Prospekt enthaltenen Angaben binden den Veranstalter bzw. den Vermittler, es sei denn, Änderungen sind

    - dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrages klar mitgeteilt worden; im Prospekt ist ausdrücklich darauf hinzuweisen;

    - später zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden."

    5 Artikel 4 der Richtlinie sieht vor:

    "(1) a) Der Veranstalter und/oder der Vermittler unterrichtet den Verbraucher vor Vertragsabschluss schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form allgemein über die Pass- und Visumerfordernisse für Staatsangehörige des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten, insbesondere über die Fristen für die Erlangung dieser Dokumente sowie über gesundheitspolizeiliche Formalitäten, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind.

    b) Der Veranstalter und/oder der Vermittler teilt dem Verbraucher schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form rechtzeitig vor Beginn der Reise Folgendes mit:

    i) Uhrzeiten und Orte von Zwischenstationen und Anschlussverbindungen; Angabe des vom Reisenden einzunehmenden Platzes, z. B. Kabine oder Schlafkoje auf einem Schiff oder Schlafwagen- oder Liegewagenabteil im Zug;

    ii) Name, Anschrift und Telefonnummer der örtlichen Vertretung des Veranstalters und/oder des Vermittlers oder - wenn nicht vorhanden - der örtlichen Stellen, die dem Verbraucher bei Schwierigkeiten Hilfe leisten können.

    Falls solche Vertretungen oder Stellen nicht bestehen, sind dem Verbraucher auf jeden Fall eine Notrufnummer oder sonstige Angaben mitzuteilen, mit deren Hilfe er mit dem Veranstalter und/oder dem Vermittler Verbindung aufnehmen kann;

    iii) bei Auslandsreisen und -aufenthalten Minderjähriger Angaben darüber, wie eine unmittelbare Verbindung zu dem Kind oder dem an seinem Aufenthaltsort Verantwortlichen hergestellt werden kann;

    iv) Angaben über den möglichen Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung oder einer Versicherung zur Deckung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit.

    (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Vertrag folgende Grundsätze beachtet werden:

    a) Je nach der Natur der Pauschalreise umfasst der Vertrag mindestens die im Anhang dieser Richtlinie aufgeführten Bedingungen.

    b) Alle Bedingungen des Vertrages werden schriftlich oder in einer anderen dem Verbraucher verständlichen und zugänglichen Form festgelegt und sind ihm vor Vertragsabschluss zu übermitteln; er erhält eine Abschrift des Vertrages.

    c) Die Bestimmung unter Buchstabe b) darf Buchungen und Vertragsabschlüssen, die zu einem späten Zeitpunkt oder $im letzten Augenblick` erfolgen, nicht entgegenstehen.

    (3) Ist der Verbraucher daran gehindert, die Pauschalreise anzutreten, so kann er - nachdem er den Veranstalter oder Vermittler binnen einer vertretbaren Frist vor dem Abreisetermin hiervon unterrichtet hat - seine Buchung auf eine Person übertragen, die alle an die Teilnahme geknüpften Bedingungen erfuellt. Die Person, die ihre Pauschalreise überträgt, und der Erwerber sind gesamtschuldnerisch gegenüber dem Veranstalter oder Vermittler, der Vertragspartei ist, zur Zahlung des noch unbeglichenen Betrages sowie der gegebenenfalls durch diese Übertragung entstehenden Mehrkosten verpflichtet.

    (4) a) Die vertraglich festgelegten Preise dürfen nicht geändert werden, es sei denn, dass der Vertrag die Möglichkeit einer Preiserhöhung oder -senkung ausdrücklich vorsieht und genaue Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthält, bei der ausschließlich nachstehenden Änderungen Rechnung getragen werden darf: Änderungen

    - der Beförderungskosten, darunter auch der Treibstoffkosten;

    - der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Landegebühren, Ein- oder Ausschiffungsgebühren in Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen;

    - der für die betreffende Pauschalreise geltenden Wechselkurse.

    b) Der im Vertrag genannte Preis darf ab dem zwanzigsten Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin nicht mehr erhöht werden.

    ..."

    6 Nach dem Anhang zur Richtlinie gehören zu den "[e]rforderliche[n] Angaben im Vertrag, sofern sie auf die jeweilige Pauschalreise zutreffen" "[a]lle Sonderwünsche, die der Verbraucher dem Veranstalter oder dem Vermittler bei der Buchung mitgeteilt hat und die beide Parteien akzeptiert haben." (Buchstabe j).

    B - Die nationalen Rechtsvorschriften

    7 Zu den Vorschriften, mit denen die Richtlinie in der portugiesischen Rechtsordnung umgesetzt worden ist, gehört die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 209/97 vom 13. August 1997, die die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten der Reisebüros regelt(2). Artikel 17 dieser gesetzesvertretenden Verordnung bezieht in den Begriff der Ferienreisen, nicht nur die Pauschalreisen ein, die wie in Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie definiert sind (siehe Artikel 17 Nr. 2 der gesetzesvertretenden Verordnung, sondern auch die Reisen "nach Maß", d. h. touristische Reisen, "die auf Wunsch des Kunden nach den von diesem geäußerten Bedürfnissen ausgearbeitet werden" (Artikel 17 Nr. 3)(3).

    II - Sachverhalt und Vorabentscheidungsfragen

    8 Alberto Carlos Lobo Gonçalves Garrido (im Folgenden: Beklagter) hatte bei der Club-Tour, Viagens e Turismo S. A. (im Folgenden: Klägerin) einen in der Veranstaltung und dem Verkauf von Ferienreisen tätigen Reisebüro, eine zweiwöchige Flugreise einschließlich Unterkunft und Vollpension in einem griechischen Feriendorf mit Bezeichnung "Club med di Gregolimano" zum Preis von 1 692 928 PTE gebucht, von denen 1 155 860 PTE auf die Unterkunft in diesem Feriendorf entfielen.

    9 Wegen der Unterkunft des Beklagten wandte die Firma Club-Tour (im Folgenden: Klägerin) sich an das Reisebüro Club Med Viagens Lda (im Folgenden: Club Med) und erwarb von diesem die Unterkunft des Beklagten beim Club Med Gregolimano. Der Club Med hatte daher für alle erforderlichen Buchungen beim Feriendorf Gregolimano (Unterkunft, Mahlzeiten und Tranfers) zu sorgen und auch das diesbezügliche Programm auszuarbeiten, zu veröffentlichen und den Pauschalpreis dafür festzusetzen.

    10 Bei ihrer Ankunft in dem gewählten Feriendorf hatte die Familie Garrido die unangenehme Überraschung, das Dorf von Tausenden von Wespen übersät vorzufinden, die sie während der gesamten Dauer des Aufenthalts daran hinderten, die Ferien zu genießen. Zum anderen konnte dem von dem Beklagten sofort geäußerten Verlangen, in einem anderen Feriendorf untergebracht zu werden, von der Klägerin nicht entsprochen werden, da der Club Med, mit der diese sich ihrerseits zu demselben Zweck in Verbindung gesetzt hatte, erklärte, er sei nicht in der Lage, eine geeignete Alternative anzubieten.

    11 In Anbetracht dieser Vorfälle weigerte sich der Beklagte bei seiner Rückkehr nach Portugal, den mit der Klägerin vereinbarten Preis zu zahlen. Diese erhob daraufhin Klage beim 8. Juízo Cível da Comarca do Porto und beantragte, den Beklagten zur Zahlung des geschuldeten Betrages zu verurteilen. Zur Begründung ihrer Forderung machte sie insbesondere geltend, die Richtlinie sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die in diesem Fall angebotene Dienstleistung nicht als eine "im Voraus festgelegte Verbindung" im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie qualifiziert werden könne.

    IV - Anträge

    28 Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

    1. Reisen, die auf Wunsch und Anregung des Verbrauchers oder einer beschränkten Verbrauchergruppe gemäß deren Ansprüchen organisiert werden, die Beförderung und Unterkunft in einer Ferienanlage zu einem Gesamtpreis umfassen und länger dauern als 24 Stunden oder eine Übernachtung einschließen, fallen in den Anwendungsbereich des Artikels 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen.

    2. Der Ausdruck $im Voraus festgelegte Verbindung` in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG kann dahin ausgelegt werden, dass er sich auf den Zeitpunkt bezieht, in dem der Vertrag zwischen dem Reisebüro und dem Kunden geschlossen wird.

    (1) - Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158, S. 59; im folgenden: Richtlinie).

    (2) - Diário da República I Serie A Nr. 186 vom 13. August 1997, S. 4219.

    (3) - Nichtamtliche Übersetzung.

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