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Document 62000CC0013

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 27. November 2001.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Irland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Kein fristgemäßer Beitritt zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) - Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Artikel 228 Absatz 7 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 300 Absatz 7 EG) in Verbindung mit Artikel 5 des Protokolls 28 zum EWR-Abkommen.
Rechtssache C-13/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 I-02943

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2001:643

62000C0013

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 27. November 2001. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Irland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Kein fristgemäßer Beitritt zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) - Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Artikel 228 Absatz 7 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 300 Absatz 7 EG) in Verbindung mit Artikel 5 des Protokolls 28 zum EWR-Abkommen. - Rechtssache C-13/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-02943


Schlußanträge des Generalanwalts


1. Nicht selten wird eine Vertragsverletzung von dem Mitgliedstaat, dem sie vorgeworfen wird, bestritten. Wenig häufig tritt dagegen die Situation ein, dass die behauptete Vertragsverletzung nicht von dem beklagten, sondern von einem anderen Mitgliedstaat bestritten wird, der ihn als Streithelfer unterstützen will. Dies ist jedoch vorliegend der Fall.

2. Die Kommission wirft Irland vor, gegen die Verpflichtungen aus Artikel 300 Absatz 7 EG in Verbindung mit Artikel 5 des Protokolls 28 zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen zu haben, indem es nicht vor dem 1. Januar 1995 der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst beigetreten ist.

3. Das am 1. Januar 1994 in Kraft getretene EWR-Abkommen wurde zusammen von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten gemäß Artikel 300 EG geschlossen. Aus Absatz 7 dieses Artikels ergibt sich, dass ein gemischtes Abkommen, wie jedes andere auf der Grundlage dieses Artikels geschlossene Abkommen, sowohl für die Organe der Gemeinschaft als auch für die Mitgliedstaaten verbindlich ist.

4. Gemäß Artikel 5 des Protokolls 28 zum EWR-Abkommen haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, vor dem 1. Januar 1995 den multilateralen Übereinkommen auf dem Gebiet des gewerblichen, geistigen und kommerziellen Eigentums beizutreten. Zu diesen Übereinkommen gehört die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung von 1971) (im Folgenden: Pariser Fassung der Berner Übereinkunft oder Berner Übereinkunft).

5. Irland bestreitet nicht das Vorbringen der Kommission, dass es immer noch nicht seine Verpflichtung erfuellt habe, dieser Übereinkunft beizutreten. Es legt in diesem Zusammenhang dar, dass eine umfangreiche Reform des nationalen Rechts notwendig sei. Mit dem Hinweis, dass sich ein Gesetzentwurf zum Urheberrecht nunmehr in einem fortgeschrittenen Stadium seiner Prüfung durch das irische Parlament befinde und demnach in Kürze verabschiedet werde, beantragt Irland beim Gerichtshof, das Verfahren für einen Zeitraum von sechs Monaten auszusetzen, damit die Kommission das dann verabschiedete Gesetz überprüfen und ihre Klage zurücknehmen könne.

6. In diesem Zusammenhang ist an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zu erinnern, nach der sich ein Mitgliedstaat nicht auf innerstaatliche rechtliche oder verwaltungstechnische Schwierigkeiten berufen kann, um sich im Fall einer Nichterfuellung oder nicht rechtzeitigen Erfuellung, seinen ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Verpflichtungen zu entziehen. Daraus folgt, dass der Gerichtshof dem Antrag der irischen Regierung nicht stattgeben kann.

7. Meine Analyse darf allerdings nicht an dieser Stelle enden. Denn das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, das den Beklagten als Streithelfer unterstützt, macht im Wesentlichen geltend, dass die Verpflichtung, deren Verletzung behauptet wird, eine Verpflichtung des internationalen Rechts sei, aber nicht unter das Gemeinschaftsrecht falle. Der Gerichtshof sei daher nicht zuständig, darüber zu entscheiden.

8. Das Vereinigte Königreich meint nämlich, dass die Pariser Fassung der Berner Übereinkunft nicht vollständig in die Zuständigkeit der Gemeinschaft falle. Ebenso verhalte es sich daher zwangsläufig mit der Beitrittsverpflichtung. Nur wenn eine Zuständigkeit der Gemeinschaft bestuende, könne es um einen Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, der Berner Übereinkunft beizutreten, gehen.

9. Da sich die Klage der Kommission auf den Beitritt zur Pariser Fassung der Berner Übereinkunft insgesamt beziehe, ohne deren Bestimmungen anzugeben, die in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fielen, ist sie nach Auffassung des Vereinigten Königreichs abzuweisen, denn die Kommission habe nicht den Beweis für die Verletzung einer Verpflichtung erbracht, die dem Beklagten nach diesem Recht obliege.

10. Die Kommission bestreitet nicht nur die Begründetheit dieser Argumentation, sondern auch die Zulässigkeit der Streithilfe.

11. In diesem Zusammenhang weist sie zunächst darauf hin, dass sich aus Artikel 93 § 1 Buchstabe e der Verfahrensordnung des Gerichtshofes eindeutig ergebe, dass ein Streithilfeantrag die Anträge, die der Antragsteller unterstützen will", angeben müsse.

12. Sie meint aber, dass der Antrag des Vereinigten Königreichs den Anforderungen dieser Bestimmung nicht habe genügen können, da sein Streithilfeschriftsatz nicht die Anträge Irlands unterstütze. Der Antrag hätte demnach als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

13. Dazu ist festzustellen, dass es nicht in Betracht kommen kann, einen Streithilfeantrag unter Bezugnahme auf den Text des Schriftsatzes, der im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht bekannt war, für unzulässig zu erklären. Dieses erste Argument der Kommission stellt somit in Wirklichkeit auf den Inhalt des Streithilfeschriftsatzes ab.

14. Die Kommission macht sodann geltend, dass das Vereinigte Königreich in diesem Schriftsatz auch seine eigenen Anträge nicht darlegt, was im Widerspruch zu Artikel 93 § 5 der Verfahrensordnung stehe, wonach der Streithilfeschriftsatz die Anträge des Streithelfers enthalten müsse.

15. Sie ist nämlich der Ansicht, dass der Streithelfer, anstatt Anträge zu stellen, sich damit begnügt, über die Konsequenzen zu spekulieren, die die Anerkennung seiner Argumente durch den Gerichtshof auf die Klage der Kommission haben könnten", und zitiert insoweit den letzten Satz des Streithilfeschriftsatzes.

16. Darin legt die Regierung des Vereinigten Königreichs dar, dass, falls der Gerichtshof ihrer Auffassung folge, ihre Argumente für die Abweisung der Klage der Kommission und nicht nur [für] die Aussetzung des Verfahrens sprechen müssten", ein Antrag, den, wir erinnern uns, der Beklagte gestellt hat.

17. Dieser Satz kann unbestreitbar nicht als Antrag verstanden werden, mit dem die Anträge des Beklagten unterstützt werden, da er im Gegenteil ausdrücklich davon abweicht. Man darf sich aber fragen, ob er dagegen nicht als ein Antrag verstanden werden kann, der auf die Bekämpfung der Anträge der Kommission im Sinne von Artikel 93 § 5 der Verfahrensordnung abzielt, wonach der Streithilfeschriftsatz Anträge enthalten muss, die der Unterstützung oder Bekämpfung der Anträge einer Partei zu dienen bestimmt sind.

18. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass gemäß Artikel 37 letzter Absatz der EG-Satzung des Gerichtshofes [m]it den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen ... nur die Anträge einer Partei unterstützt werden" können. Ich wäre infolgedessen geneigt, auf die Unzulässigkeit der Streithilfe zu schließen.

19. Im vorliegenden Fall muss diese Frage jedoch nicht entschieden werden. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht nämlich hervor, dass er verpflichtet ist, die Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs zu prüfen, ohne dass es notwendig wäre, über die Zulässigkeit ihrer Streithilfe zu entscheiden. Denn aus dem Streithilfeschriftsatz folgt, dass die Regierung die Zuständigkeit des Gerichtshofes im vorliegenden Fall in Frage stellt.

20. Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein Vorbringen, das seine Zuständigkeit betrifft, von Amts wegen zu beachten ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn es nicht mit formellen Anträgen verbunden ist. In dieser Rechtssache stammte das betreffende Vorbringen zwar von einer Partei und nicht von einem Streithelfer. Ich glaube jedoch, dass die vom Gerichtshof angewandte Lösung nicht von dieser Erwägung abhing, sondern ausschließlich von der Art der vorgetragenen Argumente, die er aufgrund ihres zwingenden Charakters prüfen musste.

21. Diese Schlussfolgerung wird durch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Neotype Techmashexport/Kommission und Rat bekräftigt. Dort hat er entschieden, dass, [d]a es sich um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung handelt, deren Vorliegen gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung von Amts wegen zu prüfen ist, ... sich eine Prüfung der Frage, ob ein Streithelfer die Einrede der Unzulässigkeit erheben kann, die von der Partei, deren Anträge er unterstützt, nicht erhoben worden ist [,erübrigt]".

22. Der vorliegende Fall bezieht sich zwar nicht auf eine Unzulässigkeitseinrede; aus dem vorstehenden Zitat ergibt sich aber, dass die Erwägungen des Gerichtshofes ganz folgerichtig alle unverzichtbaren Fragen betreffen, die von Amts wegen zu prüfen sind. Wie bereits festgestellt, fällt die Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs in diese Kategorie.

23. Daher ist sie zu prüfen, ohne dass über die Zulässigkeit der Streithilfe entschieden werden müsste.

24. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Kommission weisen darauf hin, dass das EWR-Abkommen, dessen Verletzung gerügt wird, ein gemischtes Abkommen sei. Das Vereinigte Königreich folgert daraus, dass die Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht nur durch die Bestimmungen dieses Abkommens gebunden seien, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fielen. Dies sei für das geistige Eigentum nur teilweise der Fall.

25. Aus dem Gutachten 1/94 des Gerichtshofes ergebe sich nämlich, dass im Bereich des geistigen Eigentums die Gemeinschaft nur auf denjenigen spezifischen Gebieten für den Abschluss von internationalen Abkommen zuständig sei, auf denen sie Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene erlassen habe.

26. Diese Lage komme in Artikel 9 des Protokolls 28 zum EWR-Abkommen zum Ausdruck, wonach [d]ie Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ... von den Bestimmungen dieses Protokolls unberührt [bleiben]".

27. Diesen Erwägungen hält die Kommission verschiedene Argumente entgegen. Sie stützt sich insbesondere auf den spezifischen Wortlaut des EWR-Abkommens, aus dem hervorgehe, dass die Mitgliedstaaten die Berechtigung der Kommission anerkannt hätten, die Erfuellung der ihnen nach diesem Abkommen obliegenden Verpflichtungen zu überwachen. Für das geistige Eigentum oder irgendein anderes Gebiet sei keine Ausnahme vorgesehen worden.

28. Es ist jedoch hervorzuheben, dass Artikel 109 des EWR-Abkommens, auf den sich die Kommission bezieht, dieser eine Überwachungsbefugnis nur unter dem Vorbehalt zugesteht, dass sie im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" handelt. Folglich ist diese Befugnis notwendigerweise auf den Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft beschränkt, wie er sich aus dem EG-Vertrag ergibt, und der fragliche Artikel enthält in diesem Zusammenhang keinen Hinweis.

29. Die Kommission trägt außerdem vor, das EWR-Abkommen sei von der Gemeinschaft geschlossen und von den Mitgliedstaaten ratifiziert worden, ohne dass ihre jeweiligen Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsparteien festgelegt worden wären. Diese könnten folglich von der Gemeinschaft erwarten, dass sie die Verantwortung dafür übernehme, die Erfuellung aller Verpflichtungen zu überwachen, die sie übernommen habe. Es wäre aber ungewöhnlich, wenn die Gemeinschaft hinsichtlich eines spezifischen Gebietes für die Verletzung eines internationalen Abkommens durch einen Mitgliedstaat verantwortlich wäre, ohne diesen Staat zwingen zu können, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um diese Verletzung zu beenden.

30. Es erscheint mir jedoch nicht sicher, dass die bloße Tatsache, dass die jeweiligen Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gegenüber den anderen Vertragsparteien nicht festgelegt worden sind, es diesen Vertragsparteien erlaubt, daraus zu schließen, dass die Gemeinschaft die Verantwortung für die Beachtung des gesamten Abkommens einschließlich derjenigen Bestimmungen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen, trägt. Vielmehr zeigt schon der Umstand, dass sich die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten für den Begriff eines gemischten Abkommens entschieden haben, den Drittstaaten, dass dieses Abkommen nicht vollständig in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt und dass die Gemeinschaft demzufolge grundsätzlich nur die Verantwortung für diejenigen Teile des Abkommens trägt, die in ihre Zuständigkeit fallen.

31. Das Urteil Hermès und die von der Kommission zitierten Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in dieser Rechtssache entkräften diese Erwägungen nicht.

32. Überzeugender erscheinen mir jedoch die beiden anderen Argumente der Kommission.

33. Sie stützt sich zunächst auf die spezifische Natur der Assoziierungsabkommen wie des EWR-Abkommens. In diesem Zusammenhang beruft sie sich zu Recht auf das Urteil Demirel, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass, [d]a ein Assoziierungsabkommen ... besondere und privilegierte Beziehungen mit einem Drittstaat schafft, der zumindest teilweise am Gemeinschaftssystem teilhaben muss, ... Artikel 238 der Gemeinschaft notwendigerweise die Zuständigkeit dafür einräumen [muss], die Erfuellung der Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten in allen vom EWG-Vertrag erfassten Bereichen sicherzustellen".

34. Der Gerichtshof hat, worauf die Kommission ebenfalls hinweist, wiederholt entschieden, dass die durch das Eigentum an Werken der Literatur und Kunst verliehenen ausschließlichen Rechte ebenso wie die anderen gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechte in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen.

35. Dies ist insbesondere für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte der Fall, für die der Gerichtshof entschieden hat, dass sie insbesondere wegen ihrer Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen" in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen.

36. Die Kommission beruft sich auch auf eine zweite Grundlage für die Zuständigkeit der Gemeinschaft, indem sie auf die AETR"-Rechtsprechung verweist, nach der zur Bestimmung des Umfangs der Zuständigkeit der Gemeinschaft festzustellen sei, ob Gemeinschaftsvorschriften existierten, die durch das betreffende Übereinkommen berührt werden könnten.

37. In Bezug auf das vorliegend in Frage stehende Gebiet des Urheberrechts weist die Kommission darauf hin, dass verschiedene Gemeinschaftsrechtsnormen durch den Beitritt der Mitgliedstaaten zur Pariser Fassung der Berner Übereinkunft berührt werden könnten.

38. Sie zitiert in diesem Zusammenhang Artikel 12 EG, der die Mitgliedstaaten verpflichte, sich jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der Urheber zu enthalten, eine Frage, die auch in Artikel 5 der Berner Übereinkunft behandelt werde.

39. Die Kommission beruft sich außerdem zu Recht auf mehrere Richtlinien zu bestimmten Aspekten des Urheberrechts, die sich mit verschiedenen Bestimmungen der Berner Übereinkunft decken. Sie zitiert insoweit das Beispiel der Richtlinie 93/98, die insbesondere die Schutzdauer des Urheberrechts betrifft, eine Frage, die in den Artikeln 7 und 7bis der Berner Übereinkunft geregelt ist.

40. Es ist folglich unbestreitbar, dass Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts durch die Übereinkunft berührt werden können.

41. Doch ist zu bemerken, dass sich die Meinungsverschiedenheit, mit der der Gerichtshof befasst ist, nicht auf die Frage der Verteilung der Zuständigkeiten als solche konzentriert.

42. Das Vereinigte Königreich und die Kommission legen bei ihrer Beschreibung der Verteilung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Urheberrechts den Akzent zwar nicht auf dieselben Kriterien. Das Vereinigte Königreich betont die Tatsache, dass sich mehrere Bestimmungen der Berner Übereinkunft auf Fragen bezögen, die nicht Gegenstand einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene seien. Es zitiert in diesem Zusammenhang Artikel 11 der Übereinkunft, der insbesondere die öffentliche Aufführung der Werke betrifft. Demgegenüber betont die Kommission die Anzahl und die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen auf dem betreffenden Gebiet.

43. Dies ändert aber nichts daran, dass weder das Vereinigte Königreich noch die Kommission den gemischten Charakter der Übereinkunft bestreiten. So zitiert das Vereinigte Königreich, wie wir gesehen haben, das Gutachten 1/94, in dem der Gerichtshof den gemischten Charakter der Zuständigkeit in dem von dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (WTO) (so genanntes TRIPs"-Übereinkommen) erfassten Bereich festgestellt hat. Die Kommission ihrerseits räumt ein, dass nicht zu jeder Bestimmung der Berner Übereinkunft eine parallele Gemeinschaftsrechtsnorm existiere, was jedoch dem Bestehen einer Gemeinschaftszuständigkeit nicht entgegenstehe.

44. Das durch die Argumentation des Vereinigten Königreiches aufgeworfene Problem betrifft jedoch nicht das Bestehen einer Zuständigkeit der Gemeinschaft im vorliegenden Fall, sondern das der Verpflichtung der Kommission, in ihrer Klage den Umfang einer solchen Zuständigkeit zu präzisieren.

45. Demnach ist zu bemerken, dass, obwohl sich aus den vorstehenden Ausführungen klar ergibt, dass das Gebiet, um das es in dem Rechtsstreit geht, zumindest teilweise in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, diese Feststellung allein kaum entscheidend ist, da sie in keiner Weise die Frage klärt, ob die Kommission zu Recht davon abgesehen hat, in ihrer Klage die Bestimmungen der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft anzugeben, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallende Fragen regeln.

46. Das Vereinigte Königreich betont in diesem Zusammenhang die der Kommission obliegende Beweislast für die Vertragsverletzung. Man kann sich jedoch fragen, ob es vorliegend nicht eine übertrieben strenge Konzeption der Beweislast vertritt. Die Ansicht des Vereinigten Königreichs führt nämlich dazu, dass die Klage der Kommission gänzlich unzulässig wäre. Man könnte aber auch davon ausgehen, dass sie insoweit zulässig ist, als sie sich auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft bezieht, und lediglich im Übrigen abzuweisen ist.

47. Jedenfalls kann man im vorliegenden Fall von der Kommission nicht verlangen, dass sie in ihrer Klage zwischen den Bestimmungen der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallende Fragen regeln, und den übrigen Bestimmungen unterscheidet.

48. Mit der Kommission ist hervorzuheben, dass die Berner Übereinkunft nicht teilbar ist. Ein Staat könnte ihr demnach nicht teilweise beitreten. Sein Beitritt setzt vielmehr die Annahme aller in der Übereinkunft vorgesehenen Verpflichtungen voraus. Daraus folgt, dass, wenn das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten eine Beitrittsverpflichtung auferlegt, es sich nur um einen Beitritt zur gesamten Übereinkunft handeln kann.

49. Wie wir gesehen haben, enthält die Berner Übereinkunft Bestimmungen, die Gemeinschaftsvorschriften berühren.

50. Demzufolge ist die im EWR-Abkommen vorgesehene Verpflichtung zum Beitritt zur Pariser Fassung der Berner Übereinkunft als eine unteilbare Verpflichtung anzusehen, einem Abkommen beizutreten, in dem verschiedene Bestimmungen Gemeinschaftsvorschriften berühren.

51. Es handelt sich also notwendigerweise um eine Verpflichtung, die zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten gehört und als solche geeignet ist, Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage zu sein.

52. Die Auffassung des Vereinigten Königreiches ist folglich zurückzuweisen, da sie die Verpflichtung der Kommission zur Folge hätte, vom Gerichtshof feststellen zu lassen, dass Irland einigen bestimmten Artikeln der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft hätte beitreten müssen, obwohl ein solcher Beitritt angesichts der Unteilbarkeit der in dieser Übereinkunft vorgesehenen Verpflichtungen nur als Beitritt zu der Übereinkunft insgesamt verstanden werden kann.

53. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission in ihrer Klage zu Recht die Ansicht vertreten hat, dass die Irland vorgeworfene Vertragsverletzung im Nichtbeitritt zur Pariser Fassung der Berner Übereinkunft bestand, ohne eine Unterscheidung zwischen den Bestimmungen über Fragen, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, und den übrigen Bestimmungen zu treffen.

54. Erinnern wir uns daran, dass der Beklagte nicht bestreitet, dass dieser Beitritt nicht bis zum Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erfolgt ist.

55. Den Anträgen der Kommission ist demnach stattzugeben. Das Vereinigte Königreich trägt als Streithelfer seine eigenen Kosten gemäß Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

Ergebnis

56. Dem Gerichtshof wird vorgeschlagen,

- festzustellen, dass Irland gegen die Verpflichtungen aus Artikel 300 Absatz 7 EG in Verbindung mit Artikel 5 des Protokolls 28 zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen hat, indem es nicht vor dem 1. Januar 1995 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung von 1971) beigetreten ist;

- Irland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, mit Ausnahme der Kosten des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das diese selbst trägt.

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