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Document 61999CJ0132
Judgment of the Court (Fifth Chamber) of 14 March 2002. # Kingdom of the Netherlands v Commission of the European Communities. # EAGGF - Clearance of accounts - 1995 financial year - Aid to hemp production. # Case C-132/99.
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. März 2002.
Königreich der Niederlande gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahr 1995 - Beihilfe für die Erzeugung von Hanf.
Rechtssache C-132/99.
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. März 2002.
Königreich der Niederlande gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahr 1995 - Beihilfe für die Erzeugung von Hanf.
Rechtssache C-132/99.
Sammlung der Rechtsprechung 2002 I-02709
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2002:168
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. März 2002. - Königreich der Niederlande gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahr 1995 - Beihilfe für die Erzeugung von Hanf. - Rechtssache C-132/99.
Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-02709
Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1. Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Flachs und Hanf - Beihilfe für die Erzeugung von Hanf - Beihilfefähige Anbauflächen - Niederländische Fassung der fraglichen Vorschrift - Leicht erkennbarer Fehler
(Verordnung Nr. 1164/89 der Kommission, Artikel 4 Buchstabe a)
2. Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Flachs und Hanf - Beihilfe für die Erzeugung von Hanf - Begriff der Ernte nach der Samenbildung - Enge Auslegung
(Verordnung Nr. 1164/89 der Kommission, Artikel 4 Buchstabe a)
3. Handlungen der Organe - Begründungspflicht - Umfang - Entscheidung über den Abschluss der Rechnungen für die vom EAGFL finanzierten Ausgaben
(EG-Vertrag, Artikel 190 [jetzt Artikel 253 EG])
1. Die ausschließliche Bezugnahme auf Flachs in Artikel 4 Buchstabe a Satz 1 und dritter Gedankenstrich der niederländischen Fassung der Verordnung Nr. 1164/89 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf in der Fassung der Verordnung Nr. 1469/94 stellt einen leicht erkennbaren Fehler dar.
Zum einen unterscheidet sich die niederländische Fassung dieser Vorschrift von den anderen Sprachfassungen insoweit, als sie sich am Anfang des ersten Satzes nur auf Flachs und nicht auf Hanf bezieht, während die anderen Sprachfassungen allgemein formuliert sind und keine der beiden Pflanzen ausdrücklich erwähnen. Die gleiche Feststellung gilt außer in Bezug auf die deutsche Fassung für den dritten Gedankenstrich. Dagegen wird in der niederländischen Fassung wie in allen anderen Sprachfassungen in dem Satz dieser Vorschrift, der unmittelbar auf den dritten Gedankenstrich folgt, eine unterschiedliche Maximalhöhe für das Mähen von Flachs und das Mähen von Hanf angegeben. Zum anderen bezieht sich die Verordnung Nr. 1164/89 in ihrem Titel und in fast allen ihren Vorschriften auf beide Pflanzen in gleicher Weise und sieht für sie eine weitgehend gleiche Behandlung vor. In Fällen, in denen eine unterschiedliche Behandlung erforderlich ist, ergibt sich dies wie in den Artikeln 2 und 3 der Verordnung ausdrücklich aus dem Wortlaut.
( vgl. Randnrn. 25-27 )
2. Die in Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1164/89 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf in der Fassung der Verordnung Nr. 1469/94 genannten Anforderungen sind besonders eng auszulegen, da Hanf eine Pflanze ist, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen kann, und da die Regelung über Beihilfen für die Hanferzeugung das Problematische an dieser Pflanze berücksichtigt, indem sie hinsichtlich der Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen und bezüglich der in diesem Bereich durchzuführenden Kontrollen sehr strenge Anforderungen stellt. Wie es in der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1164/89 heißt, sind u. a. betrügerische Praktiken zu vermeiden.
Der Begriff der Ernte nach der Samenbildung ist so auszulegen, dass möglichst vermieden wird, dass die Pflanze geerntet wird, während ihr Tetrahydrocannabinolgehalt noch eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen kann. Die Ernte von Hanfsamen im Stadium der Milchreife vor Ende der Blüte der Pflanze oder unmittelbar danach entspricht daher nicht der sich aus Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 ergebenden Anforderung einer Ernte nach der Samenbildung.
( vgl. Randnrn. 33-34 )
3. Die Entscheidungen der Kommission auf dem Gebiet des Rechnungsabschlusses des EAGFL bedürfen keiner ausführlichen Begründung, soweit sie auf der Grundlage eines zusammenfassenden Berichts und eines Schriftwechsels zwischen dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission erlassen werden.
( vgl. Randnr. 39 )
In der Rechtssache C-132/99
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. A. Fierstra und J. van Bakel als Bevollmächtigte,
Kläger,
unterstützt durch
Königreich Spanien, vertreten durch M. López-Monís Gallego als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn und C. van der Hauwaert als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
eklagte,
wegen Teilnichtigerklärung der Entscheidung 1999/187/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben (ABl. L 61, S. 37), soweit sie die vom Königreich der Niederlande gemeldeten Ausgaben für Beihilfen für die Erzeugung von Hanf um 50 %, d. h. um 117 277 NLG, berichtigt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter D. A. O. Edward, A. La Pergola, M. Wathelet und C. W. A. Timmermans,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. November 2001,
folgendes
Urteil
1 Das Königreich der Niederlande hat mit Klageschrift, die am 17. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 1 EG) Klage auf Teilnichtigerklärung der Entscheidung 1999/187/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben (ABl. L 61, S. 37, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erhoben, soweit sie die vom Königreich der Niederlande gemeldeten Ausgaben für Beihilfen für die Erzeugung von Hanf um 50 %, d. h. um 117 277 NLG, berichtigt.
2 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. Januar 2000 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs der Niederlande zugelassen worden.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) legt fest, welche Ausgaben der Mitgliedstaaten von der Abteilung Garantie des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) übernommen werden und unter welchen Bedingungen diese Finanzierung gewährt werden kann. Artikel 8 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt:
Die Mitgliedstaaten treffen gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um
- sich zu vergewissern, dass die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind,
- Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen,
- die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen.
Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen, insbesondere den Stand der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, mit."
4 Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 sieht vor:
Nach Anhörung des in Artikel 11 genannten Fondsausschusses
a) entscheidet die Kommission
- zu Beginn des Jahres auf der Grundlage der in Absatz 1 Buchstabe a genannten Unterlagen über einen Vorschuss für die Dienststellen und Einrichtungen bis zu einem Drittel der im Haushaltsplan eingesetzten Mittel;
- im Laufe des Jahres über zusätzliche Zahlungen zur Deckung der von einer Dienststelle oder einer Einrichtung zu tragenden Ausgaben;
b) schließt die Kommission vor Ende des darauf folgenden Jahres die Rechnungen der Dienststellen und Einrichtungen auf der Grundlage der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Unterlagen ab."
5 Die gemeinsame Marktorganisation für Hanf wird durch die Verordnung (EWG) Nr. 1308/70 des Rates vom 29. Juni 1970 über die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf (ABl. L 146, S. 1) geregelt, deren Artikel 4 die Einführung einer Beihilfe für in der Gemeinschaft erzeugten Flachs und Hanf vorsieht. Der Beihilfebetrag wird je Hektar Anbau- und Erntefläche festgesetzt.
6 Die Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 der Kommission vom 28. April 1989 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf (ABl. L 121, S. 4) bestimmte ursprünglich in ihrem Artikel 4:
Die Beihilfe wird für Flächen gewährt, die
a) voll ausgesät und abgeerntet und für die [die] üblichen Anbauarbeiten durchgeführt wurden,
b) Gegenstand einer Erklärung über die Aussaatflächen gemäß Artikel 5 waren."
7 Die Verordnung (EG) Nr. 1469/94 der Kommission vom 27. Juni 1994 zur Änderung der Verordnung Nr. 1164/89 (ABl. L 159, S. 12), die am 5. Juli 1994 in Kraft getreten ist, hat an Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1164/89 folgenden Text angefügt:
- in der deutschen Fassung
Die Flächen können nur dann als abgeerntet gelten, wenn der entsprechende Vorgang
- nach der Samenbildung erfolgt ist,
- den Wachstumszyklus der Pflanze beendet und
- das Ziel verfolgt, den Flachsstängel [französisch: la tige: Stängel] gegebenenfalls auch ohne Samenkapsel zu verwerten.
Das im dritten Gedankenstrich genannte Verwertungsziel gilt als verfolgt, wenn die Pflanze gerauft oder durch einen Mähbalken in einer Höhe von nicht mehr als 10 cm vom Boden bei Flachs bzw. 20 cm vom Boden bei Hanf gemäht wurde.
..."
- in der niederländischen Fassung
Het vlas op een bepaalde oppervlakte wordt als geoogst beschouwd wanneer op die oppervlakte een bewerking is geschied die:
- na de zaadvorming is uitgevoerd,
- op beëindiging van de groeicyclus van de plant was gericht, en
- ten doel had te bereiken dat de bruikbaarheid van de vlasstengel, in voorkomend geval zonder het zaad, wordt vergroot.
De in het derde streepje bedoelde voorwaarde wordt geacht te zijn vervuld indien de plant uit de grond is getrokken of is gemaaid met een voor vlas op maximaal 10 cm en voor hennep op maximaal 20 cm boven de grond afgestelde maaibalk.
..."
8 Die Verordnung (EG) Nr. 466/96 der Kommission vom 14. März 1996 zur Änderung der Verordnung Nr. 1164/89 (ABl. L 65, S. 6), die am 22. März 1996 in Kraft getreten ist, hat nach Artikel 4 Buchstabe a dritter Gedankenstrich folgenden Text eingefügt:
Die unter dem ersten Gedankenstrich genannte Samenbildung gilt als abgeschlossen, wenn in einer für die betreffende Fläche repräsentativen Probe die in Form und Umfang endgültig ausgereiften Hanf- bzw. Leinsamen zahlenmäßig überwiegen."
Das Rechnungsabschlussverfahren
9 Im September 1995 führten die Dienststellen des EAGFL einen Kontrollbesuch in den Niederlanden durch, um die Einhaltung der für das Beihilfesystem der Gemeinschaft für Flachs und Hanf geltenden Regelung zu überprüfen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Hanfanbauflächen in den Niederlanden für die gewährten Beihilfen nicht in Betracht kämen, weil die Pflanzen unter Verstoß gegen Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1164/89 in der Fassung der Verordnung Nr. 1469/94 (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 1164/89) vor der Samenbildung geerntet worden seien. Die Pflanzen seien während oder unmittelbar nach der Blüte geerntet worden, als sich die Samen noch im Stadium der Milchreife" befunden hätten. Aufgrund der Gefahr der Zweckentfremdung einer Hanfernte für die Herstellung von Drogen müssten die Anforderungen der geltenden Regelung jedoch streng beachtet werden. Die Dienststellen der EAGFL waren außerdem der Ansicht, dass die niederländischen Behörden gegen ihre Verpflichtungen hinsichtlich der Kontrolle der Einfuhren von Hanfsamen aus Drittstaaten verstoßen hätten.
10 Daraufhin fand eine Abstimmung zwischen der niederländischen Regierung und der Kommission statt. Die niederländische Regierung bestritt nicht, dass die Hanfernte vor der vollständigen Bildung der Samen stattgefunden hatte, als sie sich also noch im Stadium der Milchreife befunden hätten. Sie machte jedoch geltend, da die fraglichen Hanfkulturen ausschließlich für die Faserherstellung bestimmt gewesen seien und die Qualität der Fasern am höchsten sei, wenn die Blüte der Pflanze noch nicht beendet sei, sei es wirtschaftlich vorteilhafter, die Pflanzen in einer Zeit zu ernten, in der sie noch nicht voll ausgereift seien.
11 Da die Kommission diese Erklärungen nicht für überzeugend hielt, teilte sie der niederländischen Regierung mit Schreiben vom 29. Oktober 1997 ihre Absicht mit, die unter dem Haushaltsposten 1402 (Hanf) für das Haushaltsjahr 1995 gemeldeten Ausgaben pauschal um 50 % zu berichtigen, da die Hanfernte vor der Samenbildung stattgefunden habe.
12 Daraufhin stellte das Königreich der Niederlande einen formellen Schlichtungsantrag. Die Schlichtungsstelle führte in ihrem Bericht vom 15. Mai 1998 aus, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, mit Sicherheit festzustellen, ob es eine unter Fachleuten allgemein anerkannte Definition dafür gebe, wann genau ein Samen sich gebildet" habe.
13 Am 12. Januar 1999 verabschiedete die Kommission ihren Zusammenfassenden Bericht über die Ergebnisse der Kontrollen für die Feststellung der Konten des EAGFL, Abteilung Garantie, für das Haushaltsjahr 1995 (im Folgenden: Zusammenfassender Bericht). Darin wiederholte sie ihren Standpunkt, dass die Hanfanbauflächen in den Niederlanden nicht beihilfefähig seien. Sie beschloss eine Berichtigung der gemeldeten Ausgaben um 50 % unter Berücksichtigung dessen, dass die Gewährung der Beihilfe normalerweise auf zwei Komponenten beruhe, nämlich der Erzeugung von Fasern und der Erzeugung von Samen, dass alle betroffenen Flächen zu früh abgeerntet worden seien und dass die Samenbildung als abgeschlossen zu betrachten sei, wenn ungefähr 50 % der Samen ausgereift seien.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1308/70
Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: fehlerhafte Auslegung der Verordnung Nr. 1308/70
14 Mit dem ersten Teil ihres ersten Klagegrundes macht die niederländische Regierung, unterstützt durch die spanische Regierung, geltend, die Kommission habe die Verordnung Nr. 1308/70 fehlerhaft ausgelegt, indem sie davon ausgegangen sei, dass eine Berichtigung um 50 % dadurch gerechtfertigt sein könnte, dass die Gewährung der Beihilfe für die Hanferzeugung auf zwei Komponenten beruhe, nämlich der Erzeugung von Fasern und der Erzeugung von Samen. Diese Verordnung verlange nicht, dass die Fasern und die Samen aus derselben Pflanze gewonnen werden müssten, und enthalte keine gesonderte Bezugnahme auf die Erzeugung von Hanfsamen. Die Kommission habe eine Voraussetzung eingeführt, die in der genannten Verordnung nicht vorgesehen sei, und damit gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.
15 Die Kommission entgegnet, die niederländische Regierung verwechsele die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe mit der Anpassung der finanziellen Sanktion im Fall bei Nichterfuellung dieser Bedingungen. Eigentlich hätte sie sämtliche Ausgaben zurückweisen können. Da unbestreitbar eine gewisse Fasererzeugung stattgefunden habe, habe sie jedoch nach einem Kriterium gesucht, das eine Abmilderung der Sanktion erlaube, und sei so zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Berichtigung um 50 % anzuwenden sei. Diese Kürzung stelle jedoch keine Auslegung oder Anwendung der Verordnung Nr. 1308/70 dar.
16 Insoweit genügt die Feststellung, dass die Kommission weder in der angefochtenen Entscheidung noch in dem Zusammenfassenden Bericht geltend gemacht hat, die fragliche Regelung verlange eine Gewinnung der Fasern und Samen aus derselben Pflanze. Da die Kommission der Ansicht gewesen ist, dass sie eine Berichtigung in Höhe von 100 % der gemeldeten Ausgaben vornehmen könne, eine solche Sanktion aber unverhältnismäßig hart wäre, hat sie in Wirklichkeit nach einem Kriterium gesucht, das eine Anpassung der Berichtigung erlaubt. Der Vorwurf der niederländischen Regierung ist somit unbegründet.
17 Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Artikel 8 der Verordnung Nr. 1308/70
18 Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes macht die niederländische Regierung geltend, die Kommission habe in ihrem Zusammenfassenden Bericht unzutreffend festgestellt, dass die Einfuhren von Hanfsamen aus Drittstaaten in die Niederlande nicht gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 1308/70 kontrolliert worden seien. In Wirklichkeit seien diese Kontrollen stets ordnungsgemäß durchgeführt worden.
19 Die Kommission trägt in dieser Hinsicht vor, die im Zusammenfassenden Bericht erwähnte Unzulänglichkeit der Kontrollen habe jedenfalls keinen Einfluss auf die angefochtene Entscheidung gehabt. Sie habe keine finanzielle Sanktion daran geknüpft und hätte dies im Übrigen auch nicht tun können, da es sich nicht um eine Bedingung für den Erhalt einer Produktionsbeihilfe handele. Die Erwähnung dieser Unzulänglichkeit sei nur eine Feststellung unter anderen gewesen, die die streitige Berichtigung jedoch in keiner Weise beeinflusst habe.
20 Hierzu ist festzustellen, dass sich aus der angefochtenen Entscheidung und dem Zusammenfassenden Bericht ergibt, dass die streitige Berichtigung wegen der behaupteten Nichtbeachtung der Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe, nämlich wegen der Ernte des Hanfs vor der Samenbildung, vorgenommen worden ist, und nicht wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtungen, Einfuhren aus Drittstaaten zu kontrollieren. Es ist somit festzustellen, dass der Vorwurf der Kommission unabhängig davon, ob er begründet ist, keine negativen Auswirkungen für das Königreich der Niederlande gehabt hat und es somit nicht in seinen Rechten verletzen kann.
21 Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher unzulässig und damit zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die geänderte Verordnung Nr. 1164/89
Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Nichtberücksichtigung des niederländischen Textes des Artikels 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89
22 Mit dem ersten Teil ihres zweiten Klagegrundes macht die niederländische Regierung geltend, der Vorwurf der Kommission, der Hanf sei geerntet worden, bevor die Samen ganz reif gewesen seien, müsse im Licht der niederländischen Fassung des Artikels 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 geprüft werden. Die Voraussetzung einer Ernte nach Bildung der Samen sei in dieser Fassung ausdrücklich auf Flachs beschränkt worden. Die Kommission habe somit gegen diesen Text verstoßen, indem sie eine solche Voraussetzung auch für Hanf aufgestellt habe.
23 Nach Ansicht der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen. Die niederländische Fassung enthalte einen offensichtlichen Fehler, auf den sich das Königreich der Niederlande nicht stützen könne. Zwar bezögen sich der erste Satz und der dritte Gedankenstrich von Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 in dieser Fassung ausdrücklich auf Flachs, in dieser Vorschrift würden im Weiteren aber sowohl Flachs als auch Hanf erwähnt. Ein durchschnittlich aufmerksamer Leser hätte daraus daher ableiten müssen, dass ein offensichtliches Problem vorliege, das gelöst werden müsse.
24 Die niederländischen Behörden seien an der Ausarbeitung der Verordnung Nr. 1469/94 eng beteiligt gewesen. Durch einen Vergleich der niederländischen Fassung mit den anderen Sprachfassungen hätten sie somit sofort feststellen müssen, dass ein Fehler vorliege. Jedenfalls hätten sie sich an die Vertreter der Kommission wenden müssen, um dieses Problem zu erörtern und eine Lösung dafür zu finden.
25 Hierzu ist festzustellen, dass sich die niederländische Fassung von Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 von den anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift insoweit unterscheidet, als sie sich am Anfang des ersten Satzes nur auf Flachs und nicht auf Hanf bezieht, während die anderen Sprachfassungen allgemein formuliert sind und keine der beiden Pflanzen ausdrücklich erwähnen. Die gleiche Feststellung gilt außer in Bezug auf die deutsche Fassung für den dritten Gedankenstrich. Dagegen wird in der niederländischen Fassung wie in allen anderen Sprachfassungen in dem Satz dieser Vorschrift, der unmittelbar auf den dritten Gedankenstrich folgt, eine unterschiedliche Maximalhöhe für das Mähen von Flachs und das Mähen von Hanf angegeben.
26 Ferner ist festzustellen, dass sich die Verordnung Nr. 1164/89 in ihrem Titel und in fast allen ihren Vorschriften auf beide Pflanzen in gleicher Weise bezieht und für sie eine weitgehend gleiche Behandlung vorsieht. In Fällen, in denen eine unterschiedliche Behandlung erforderlich ist, ergibt sich dies wie in den Artikeln 2 und 3 der Verordnung ausdrücklich aus dem Wortlaut.
27 Unter diesen Umständen stellt die ausschließliche Bezugnahme auf Flachs in Artikel 4 Buchstabe a Satz 1 und dritter Gedankenstrich der niederländischen Fassung der geänderten Verordnung Nr. 1164/89, wie der Generalanwalt in Nummer 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, einen leicht erkennbaren Fehler dar. Die niederländische Regierung kann sich daher nicht auf eine Auslegung allein dieser Fassung stützen.
28 Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehlerhafte Auslegung des in Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 enthaltenen Begriffs der Samenbildung
29 Mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes macht die niederländische Regierung, unterstützt durch die spanische Regierung, geltend, die Kommission habe einen Rechtsirrtum begangen, indem sie Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 dahin ausgelegt habe, dass die Samenbildung erst dann als abgeschlossen gelte, wenn wenigstens 50 % der Samen reif seien. Eine solche Voraussetzung sei erst durch eine spätere Änderung dieser Vorschrift eingeführt worden, nämlich durch die Änderung gemäß der Verordnung Nr. 466/96, die im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar sei.
30 Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 sei auf das fragliche Wirtschaftsjahr anwendbar und sehe lediglich allgemein vor, dass die Ernte nach der Samenbildung stattfinden müsse. Dies sei im vorliegenden Fall erfolgt. Auch wenn sich die Samen bei der Ernte noch im Stadium der Milchreife befunden hätten, seien sie doch schon gebildet gewesen. Hanfsamen bildeten sich nämlich schon während der Blüte, ohne jedoch reif zu sein. Da sich die Qualität der Fasern der Pflanzen nach der Blüte verschlechtere, sei es vorzuziehen, während oder unmittelbar nach der Blüte mit der Ernte zu beginnen. Diese Vorgehensweise sei mit Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 ohne weiteres vereinbar.
31 Die Kommission weist allgemein darauf hin, dass Hanf sehr problematisch sei, da er wegen seiner berauschenden Eigenschaften eine große Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstelle. Es müsse daher nach einem Gleichgewicht zwischen dem Anliegen, diese Gefahr auszuschalten, und dem nicht unwesentlichen Interesse am Hanfanbau in bestimmten Regionen der Gemeinschaft gesucht werden. Soweit die Gemeinschaftsregelung Beihilfen für den Hanfanbau vorsehe, müssten die Bedingungen für ihre Gewährung sehr streng angewandt werden, um Missbräuche zu vermeiden.
32 Eine dieser Bedingungen sei, dass die Ernte nach der Samenbildung erfolge. Selbst bei Anwendung von Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 bedeute dies, dass sich die Samen bis zur Ernte schon vollständig gebildet haben müssten und sich nicht mehr im Stadium der Milchreife befänden. Diese Anforderung hänge insbesondere mit der Gefahr zusammen, dass der Hanf wegen seiner berauschenden Eigenschaften missbräuchlich verwendet werde. Sein Gehalt an Tetrahydrocannabinol sei nämlich am Ende der Blüte, d. h. genau in der Zeit, in der er im vorliegenden Fall geerntet worden sei, am höchsten und nehme mit der Samenbildung wieder ab.
33 Es ist unstreitig, dass Hanf eine Pflanze ist, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen kann. Ferner ist unstreitig, dass die Regelung über Beihilfen für die Hanferzeugung das Problematische an dieser Pflanze berücksichtigt, indem sie hinsichtlich der Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen und bezüglich der in diesem Bereich durchzuführenden Kontrollen sehr strenge Anforderungen stellt. Wie es in der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1164/89 heißt, sind u. a. betrügerische Praktiken zu vermeiden.
34 Daraus folgt, dass die in Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 genannten Anforderungen besonders eng auszulegen sind. Der Begriff der Ernte nach der Samenbildung ist aus den in den Nummern 39 bis 42 der Schlussanträge des Generalanwalts dargelegten Gründen so auszulegen, dass möglichst vermieden wird, dass die Pflanze geerntet wird, während ihr Tetrahydrocannabinolgehalt noch eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen kann. Die Ernte von Hanfsamen im Stadium der Milchreife vor Ende der Blüte der Pflanze oder unmittelbar danach entspricht daher nicht der sich aus Artikel 4 Buchstabe a der geänderten Verordnung Nr. 1164/89 ergebenden Anforderung einer Ernte nach der Samenbildung.
35 Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht
36 Mit ihrem dritten Klagegrund macht die niederländische Regierung geltend, die angefochtene Entscheidung sei nicht hinreichend begründet und verstoße somit gegen Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG). Die Begründung der angefochtenen Entscheidung lasse nicht erkennen, welche Gründe die Kommission dazu veranlasst hätten, die streitige Berichtigung um 50 % vorzunehmen. Um diese Gründe zu verstehen, müsse man auf den Zusammenfassenden Bericht zurückgreifen, der seinerseits auf die Verordnung Nr. 1308/70 und die von der Kommission im Juni 1993 erlassenen Leitlinien für die im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL vorzunehmenden finanziellen Berichtigungen (im Folgenden: Leitlinien) verweise. Weder die genannte Verordnung noch die Leitlinien sähen eine finanzielle Berichtigung um 50 % vor. Die Leitlinien gäben ausdrücklich und abschließend die Fälle an, in denen eine pauschale Berichtigung auferlegt werden könne, und die vorgesehenen Sätze beliefen sich auf 2 %, 5 % und 10 %. Ein Satz von 50 % komme darin nicht vor.
37 Nach Ansicht der Kommission ist die angefochtene Entscheidung in der Darstellung der Gründe und in dem Zusammenfassenden Bericht hinreichend begründet. Außerdem sei das Königreich der Niederlande am Verfahren der Ausarbeitung der angefochtenen Entscheidung eng beteiligt gewesen und kenne aufgrund eines intensiven Schriftwechsels voll und ganz die Gründe, aus denen man sich für eine Berichtigung um 50 % entschieden habe.
38 Weder der Zusammenfassende Bericht noch sonst eine andere Verfahrensunterlage nähmen zur Rechtfertigung der auferlegten Berichtigung auf die Leitlinien Bezug. Die Leitlinien beträfen nämlich die Konsequenzen, die aus unzureichenden Kontrollen der Mitgliedstaaten zu ziehen seien; dieses Problem habe sich im vorliegenden Fall nicht gestellt.
39 In dieser Hinsicht ergibt sich aus der in Nummer 48 der Schlussanträge des Generalanwalts zusammengefassten Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Entscheidungen der Kommission auf dem Gebiet des Rechnungsabschlusses des EAGFL keiner ausführlichen Begründung bedürfen, soweit sie auf der Grundlage eines zusammenfassenden Berichts und eines Schriftwechsels zwischen dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission erlassen werden.
40 Im vorliegenden Fall erklärt der Zusammenfassende Bericht in seinem mehrere Seiten umfassenden Punkt 4.7.4.1.2, aus welchen Gründen die streitige Berichtigung auferlegt worden ist, nämlich weil die Feststellungen bei den besuchten landwirtschaftlichen Betrieben und bei dem für die Verarbeitung des Hanfs verantwortlichen Unternehmen gezeigt hätten, dass sämtliche Hanfanbauflächen in den Niederlanden vor der Samenbildung abgeerntet worden seien. Zudem geht aus dem Zusammenfassenden Bericht und den Schriftsätzen der Parteien hervor, dass die niederländische Regierung am Verfahren der Ausarbeitung der angefochtenen Entscheidung eng beteiligt war und die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, die vom Königreich der Niederlande gemeldeten Ausgaben für Beihilfen für die Hanferzeugung nicht vollständig zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen. Gerade weil die niederländische Regierung diese Gründe nicht anerkannte, rief sie die Schlichtungsstelle an.
41 Unter diesen Umständen kann das Königreich der Niederlande im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keinen Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung geltend machen. Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
42 Mit ihrem vierten, nicht näher ausgeführten Klagegrund macht die niederländische Regierung geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie ohne Angabe von Gründen von den Leitlinien abgewichen sei.
43 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund unschlüssig. Wie sie bereits dargelegt habe, seien die Leitlinien im vorliegenden Fall nicht anwendbar und sie habe sie daher weder angewandt, noch sei sie davon abgewichen.
44 Hierzu genügt die Feststellung, dass der Vorwurf der Ungleichbehandlung offensichtlich unbegründet ist, da die Kommission nicht verpflichtet war, die Leitlinien auf einen Fall anzuwenden, für den sie nicht gelten. Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
45 Nach alledem ist die Klage des Königreichs der Niederlande in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
46 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich der Niederlande mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.