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Document 61999CC0066

Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 28. September 2000.
D. Wandel GmbH gegen Hauptzollamt Bremen.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Bremen - Deutschland.
Zollkodex der Gemeinschaft und Durchführungsverordnung - Entstehung der Einfuhrzollschuld - Maßgeblicher Zeitpunkt - Begriff der Entziehung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung - Vorlage von Ursprungszeugnissen - Auswirkung.
Rechtssache C-66/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 I-00873

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2000:515

61999C0066

Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 28/09/2000. - D. Wandel GmbH gegen Hauptzollamt Bremen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Bremen - Deutschland. - Zollkodex der Gemeinschaft und Durchführungsverordnung - Entstehung der Einfuhrzollschuld - Maßgeblicher Zeitpunkt - Begriff der Entziehung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung - Vorlage von Ursprungszeugnissen - Auswirkung. - Rechtssache C-66/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-00873


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Mit diesem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) hat das Finanzgericht Bremen dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung der Artikel 75, 201 Absatz 2, 203 Absatz 1 und 204 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festsetzung des Zollkodex der Gemeinschaften (im Folgenden: Zollkodex; ZK) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Gericht fragt im Wesentlichen nach dem Zeitpunkt der Entstehung einer Einfuhrzollschuld, den Maßnahmen, die die Zollbehörden ergreifen können, um die Rechtsstellung von Waren zu regeln, die dem Anmelder nicht überlassen werden konnten, und nach der für diese Behörden bestehenden Möglichkeit, eine angenommene Zollanmeldung für unwirksam zu erklären oder von Amts wegen als unwirksam zu betrachten. Außerdem wird im Zusammenhang mit dem Entziehen" einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung" nach Zuwiderhandlungen gefragt, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des entsprechenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt" haben, sowie auch nach den Folgen der Vorlage von Ursprungszeugnissen, die einen Anspruch auf Präferenzbehandlung bei der Entstehung der Zollschuld begründen.

II - Rechtlicher Rahmen

2. Artikel 37 ZK lautet:

(1) Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden.

(2) Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden."

3. Artikel 40 ZK bestimmt:

Waren, die nach Maßgabe des Artikels 38 Absatz 1 Buchstabe a) bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, sind von der Person zu stellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt."

4. Nach Artikel 50 ZK haben die gestellten Waren bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung. Diese Waren werden nachstehend als vorübergehend verwahrte Waren" bezeichnet.

5. Außerdem bestimmt Artikel 51 ZK:

(1) Die vorübergehend verwahrten Waren dürfen ausschließlich an von den Zollbehörden zugelassenen Orten und unter den von diesen Behörden festgelegten Bedingungen gelagert werden.

(2) Die Zollbehörden können verlangen, dass die Person, die die Waren im Besitz hat, eine Sicherheit leistet, um die Erfuellung der gegebenenfalls nach den Artikeln 203 oder 204 für diese Waren entstehenden Zollschuld zu gewährleisten."

6. Artikel 52 ZK sieht vor:

Unbeschadet des Artikels 42 dürfen die vorübergehend verwahrten Waren solchen Behandlungen unterzogen werden, die zu ihrer Erhaltung erforderlich sind, ohne dass die Aufmachung oder die technischen Merkmale verändert werden."

7. Artikel 62 ZK bestimmt:

(1) Die schriftlichen Zollanmeldungen sind auf einem Vordruck abzugeben, der dem amtlichen Muster entspricht. Sie müssen unterzeichnet werden und alle Angaben enthalten, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind.

(2) Den Anmeldungen sind alle Unterlagen beizufügen, deren Vorlage zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich ist."

8. Artikel 63 ZK lautet:

Anmeldungen, die den Voraussetzungen des Artikels 62 entsprechen, werden von den Zollbehörden unverzüglich angenommen, sofern die betreffenden Waren gestellt worden sind."

9. Artikel 66 Absatz 1 ZK sieht vor:

Die Zollbehörden erklären auf Antrag des Anmelders eine bereits angenommene Anmeldung für ungültig, wenn der Anmelder nachweist, dass die Waren irrtümlich zu dem in dieser Anmeldung bezeichneten Zollverfahren angemeldet worden sind oder dass infolge besonderer Umstände die Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren nicht mehr gerechtfertigt ist.

Haben jedoch die Zollbehörden den Anmelder davon unterrichtet, dass sie eine Beschau der Waren vornehmen wollen, so kann der Antrag auf Ungültigerklärung der Anmeldung erst angenommen werden, nachdem diese Beschau stattgefunden hat."

10. Artikel 67 ZK lautet:

Wenn nichts anderes bestimmt ist, ist der Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung durch die Zollbehörden in bezug auf alle Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, zugrunde zu legen."

11. Artikel 68 ZK bestimmt:

Die Zollbehörden können zwecks Überprüfung der von ihnen angenommenen Anmeldungen

a) die Unterlagen prüfen; geprüft werden können die Anmeldung und die dieser beigefügten Unterlagen. Die Zollbehörden können vom Anmelder verlangen, dass er ihnen weitere Unterlagen zur Nachprüfung der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung vorlegt;

b) eine Zollbeschau vornehmen, gegebenenfalls mit Entnahme von Mustern oder Proben zum Zweck einer Analyse oder eingehenden Prüfung."

12. Artikel 71 ZK lautet:

(1) Die Ergebnisse der Überprüfung der Anmeldung werden der Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet worden sind, zugrunde gelegt.

(2) Findet keine Überprüfung der Anmeldung statt, so werden die darin enthaltenen Angaben für die Anwendung des Absatzes 1 zugrunde gelegt."

13. Artikel 73 ZK bestimmt:

Sofern für die Waren keine Verbote oder Beschränkungen gelten, werden sie von den Zollbehörden unbeschadet des Artikels 74 dem Anmelder überlassen, sobald die Angaben in der Anmeldung entweder überprüft oder ohne Überprüfung angenommen worden sind."

14. Ferner sieht Artikel 74 ZK vor:

(1) Entsteht durch die Annahme einer Zollanmeldung eine Zollschuld, so dürfen die Waren, die Gegenstand dieser Anmeldung sind, dem Anmelder erst überlassen werden, wenn der Zollschuldbetrag entrichtet oder eine Sicherheit geleistet worden ist. Unbeschadet des Absatzes 2 gilt diese Vorschrift jedoch nicht für das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben.

(2) Verlangen die zuständigen Behörden nach Maßgabe der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, eine Sicherheitsleistung, so kann die Überlassung der betreffenden Waren zu diesem Zollverfahren erst erfolgen, wenn die Sicherheit geleistet worden ist."

15. Artikel 75 ZK bestimmt:

Es werden zur Regelung des Falls alle erforderlichen Maßnahmen - einschließlich der Einziehung und der Veräußerung - für Waren getroffen,

a) die dem Anmelder nicht überlassen werden konnten,

- weil aus Gründen, die der Anmelder zu verantworten hat, die Zollbeschau von den Zollbehörden nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorgenommen oder fortgesetzt werden konnte oder

- weil die Unterlagen, von deren Vorlage die Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren abhängt, nicht eingereicht worden sind oder

- weil innerhalb der vorgeschriebenen Frist weder die geschuldeten Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben entrichtet worden sind noch eine Sicherheit geleistet worden ist;

- weil sie Verboten oder Beschränkungen unterliegen;

b) ..."

16. Artikel 79 ZK lautet:

Durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr erhält eine Nichtgemeinschaftsware den zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware.

Die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr umfasst die Anwendung der handelspolitischen Maßnahmen, die Erfuellung der übrigen für die Ware geltenden Einfuhrförmlichkeiten sowie die Erhebung der gesetzlich geschuldeten Abgaben."

17. Artikel 201 ZK sieht vor:

(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird oder

b) ...

(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.

(3) ..."

18. Artikel 203 ZK bestimmt:

(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

- wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird."

19. Ferner sieht Artikel 204 ZK vor:

(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn in anderen als den in Artikel 203 genannten Fällen

a) eine der Pflichten nicht erfuellt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder

b) eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfuellt wird,

es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfuellung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfuellt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren übergeführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfuellt war.

(3) ..."

20. Schließlich bestimmt Artikel 233 ZK:

Unbeschadet der geltenden Vorschriften über die Verjährung der Zollschuld sowie über die Nichterhebung des Betrags der Zollschuld in den Fällen, in denen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gerichtlich festgestellt worden ist, erlischt die Zollschuld

a) ...

b) ...

c) wenn im Falle von Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben enthält,

- die Zollanmeldung gemäß Artikel 66 für ungültig erklärt wird;

..."

21. Artikel 218 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (im Folgenden: Durchführungsverordnung) sieht vor:

(1) Der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr sind folgende Unterlagen beizufügen:

...

c) die Unterlagen, die für die Anwendung einer Präferenzregelung oder einer anderen Sonderregelung, die für die angemeldeten Waren gilt, erforderlich sind;

..."

22. Artikel 241 der Durchführungsverordnung bestimmt:

(1) Der Anmelder oder die von ihm zur Teilnahme an der Zollbeschau benannte Person muss der Zollstelle die zur Erleichterung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung gewähren. Genügt der Zollstelle die gewährte Unterstützung nicht, so kann sie vom Anmelder verlangen, dass er eine andere Person benennt, die der Zollstelle die erforderliche Unterstützung gewähren kann.

(2) Weigert sich der Anmelder, bei der Zollbeschau anwesend zu sein oder eine Person zu benennen, die der Zollstelle die von ihr für erforderlich gehaltene Unterstützung gewähren kann, so setzt die Zollstelle ihm eine Frist, es sei denn, dass sie auf die Zollbeschau verzichtet. Ist bei Ablauf der gesetzten Frist der Anmelder der Aufforderung der Zollstelle nicht nachgekommen, so nimmt diese nach Maßgabe des Artikels 75 Buchstabe a) des Zollkodex die Zollbeschau von Amts wegen auf Kosten und Gefahr des Anmelders vor; sie bestellt einen Sachverständigen oder eine andere nach den einschlägigen Bestimmungen benannte Person, wenn sie dies für erforderlich hält.

(3) Die Feststellungen der Zollstelle, die sich bei einer Zollbeschau ergeben, die nach Absatz 2 durchgeführt wird, haben dieselben Rechtswirkungen wie die Ergebnisse einer in Anwesenheit des Anmelders durchgeführten Zollbeschau.

(4) Die Zollstelle kann anstelle der Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 die Zollanmeldung als wirkungslos ansehen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Weigerung des Anmelders, bei der Zollbeschau anwesend zu sein oder eine Person zu benennen, die der Zollstelle die erforderliche Unterstützung gewähren kann, nicht bezweckt oder bewirkt, dass die Zollstelle an der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Überführung der betreffenden Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gehindert wird oder dass gegen Artikel 66 Absatz 1 oder Artikel 80 Absatz 2 des Zollkodex verstoßen wird."

23. Artikel 243 Absatz 2 der Durchführungsverordnung sieht vor:

Weigert sich der Anmelder, bei der Entnahme von Mustern oder Proben anwesend zu sein oder eine Person zu diesem Zweck zu benennen, oder gewährt er der Zollstelle nicht die zur Erleichterung der Durchführung dieser Maßnahmen erforderliche Unterstützung, so gilt Artikel 241 Absätze 1, 2 und 3."

24. Artikel 250 Absätze 1 und 2 der Durchführungsverordnung bestimmt:

(1) Können die Waren aus einem der in Artikel 75 Buchstabe a) zweiter oder dritter Gedankenstrich des Zollkodex genannten Gründe dem Anmelder nicht überlassen werden, so setzt die Zollstelle diesem eine Frist, um die Hinderungsgründe zu beseitigen.

(2) Hat der Anmelder in den in Artikel 75 Buchstabe a) zweiter Gedankenstrich des Zollkodex genannten Fällen die verlangten Unterlagen vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist nicht nachgereicht, so wird die betreffende Zollanmeldung als unwirksam betrachtet und von der Zollstelle für ungültig erklärt. Artikel 66 Absatz 3 des Zollkodex ist anwendbar."

25. Artikel 859 der Durchführungsverordnung sieht vor:

Folgende Verfehlungen gelten im Sinne des Artikels 204 Absatz 1 des Zollkodex als Verfehlungen, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben, sofern

- es sich nicht um den Versuch handelt, die Waren der zollamtlichen Überwachung zu entziehen;

- keine grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt;

- alle notwendigen Förmlichkeiten erfuellt werden, um die Situation der Waren zu bereinigen:

...

5. im Falle einer Ware in vorübergehender Verwahrung oder in einem Zollverfahren deren nicht bewilligter Ortswechsel, sofern die Ware den Zollbehörden auf Verlangen vorgeführt werden kann;

..."

26. Artikel 860 der Durchführungsverordnung lautet:

Die Zollbehörden betrachten eine Zollschuld als im Sinne des Artikels 204 Absatz 1 des Zollkodex entstanden, es sei denn, der vermutliche Zollschuldner weist nach, dass die Voraussetzungen des Artikels 859 erfuellt sind".

27. Ferner sieht Artikel 865 der Durchführungsverordnung vor:

Die Zollanmeldung einer Ware oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden stellen ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Artikels 203 Absatz 1 des Zollkodex dar, wenn dieses Vorgehen zur Folge hat, dass der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird."

28. Artikel 890 der Durchführungsverordnung bestimmt:

Wird zur Begründung des Antrags auf Erstattung oder Erlass ein Ursprungszeugnis, eine Warenverkehrsbescheinigung, ein interner gemeinschaftlicher Versandschein oder eine andere entsprechende Unterlage vorgelegt, mit der der Nachweis erbracht wird, dass die Waren zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr Anspruch auf die Gewährung der Gemeinschaftsbehandlung oder die Anwendung eines ermäßigten Zollsatzes oder der Zollfreiheit gehabt hätten, so gibt die Zollbehörde der Schlussbehandlung dem Antrag nur statt, wenn ordnungsgemäß nachgewiesen wird, dass

- sich die vorgelegte Unterlage tatsächlich auf die eingeführten Waren bezieht und alle Voraussetzungen für die Annahme dieser Unterlage erfuellt sind;

- alle anderen Voraussetzungen für die Gewährung der Zollpräferenzbehandlung erfuellt sind.

Die Erstattung oder der Erlass erfolgt bei der Gestellung der Waren. Können die Waren der Zollstelle der Schlussbehandlung nicht gestellt werden, so gewährt diese die Erstattung oder den Erlass nur, wenn aus den ihr vorliegenden Angaben und Unterlagen hervorgeht, dass sich die nachträglich vorgelegte Bescheinigung oder Unterlage zweifelsfrei auf die betreffenden Waren bezieht."

29. Durch die Verordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 wurde in Artikel 9 Absatz 1 der Durchführungsverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 1994 folgender Buchstabe eingefügt:

[Die Einfuhrabgaben werden erstattet oder erlassen, wenn], o) die Zollschuld auf andere als die in Artikel 201 des Zollkodex beschriebene Weise entsteht und der Beteiligte durch Vorlage eines Ursprungszeugnisses, einer Warenverkehrsbescheinigung, eines internen gemeinschaftlichen Versandscheins oder einer anderen entsprechenden Unterlage nachweist, dass im Fall der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ein Anspruch auf Gemeinschaftsbehandlung oder auf eine Zollbehandlung mit Abgabenbegünstigung bestanden hatte, sofern die übrigen Voraussetzungen nach Artikel 890 erfuellt sind."

III - Sachverhalt

30. Die Wandel GmbH (im Folgenden: Klägerin) betreibt eine internationale Spedition und Lagerei. Am 12. Juli 1994 übernahm im Rahmen ihrer Bewilligung als zugelassener Empfänger" die am 11. Juli 1994 mit Versandschein T 1 VAB 1-1468 beim Hauptzollamt (HZA) Hamburg-Waltershof in ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren überführte Sendung von 470 Kartons TV-Chassis, 24 Kartons Platinen und 29 Kartons Module. Am 13. Juli 1997 legte sie das für die Bestimmungszollstelle vorgesehene Stück der Versandanmeldung der dafür zuständigen Abfertigungsstelle Zollamt (ZA) Hohetor des HZA Bremen-Ost vor und meldete die Waren zugleich im Namen der Schneider Rundfunkwerke AG Türkheim zur Überführung in den freien Verkehr an.

31. Das ZA registrierte das nach Artikel 183 Absatz 3 der Durchführungsverordnung als summarische Anmeldung dienende Versandpapier unter GB 1 665 und nahm die unter F 459 registrierte Zollanmeldung an. Zugleich unterrichtete der mit der Annahme und Prüfung der Zollanmeldung befasste Abfertigungsbeamte des ZA den bei der Abgabe der Zollanmeldung anwesenden Firmenangehörigen der Klägerin, dass die angemeldeten Waren am 14. Juli 1994 auf dem als Verwahrungsort nach Artikel 51 Absatz 1 ZK dienenden Firmengelände der Klägerin einer Zollbeschau unterzogen werden sollten.

32. Die Zollbeschau konnte nicht vorgenommen werden, weil sich die angemeldeten Waren beim Eintreffen des damit betrauten Abfertigungsbeamten nicht mehr im Gewahrsam der Klägerin befanden, sondern bereits an die in Süddeutschland ansässige Firma, in deren Namen die Anmeldung erfolgt war, ausgeliefert worden waren.

33. Daraufhin vermerkte das HZA auf dem Original des Einheitspapieres 0779 mit Rotstift:

für ungültig erklärt (Art. 66 Abs. 1 ZK). Bei dem Versuch einer Beschau war die Sendung bereits abgefahren, zwecks Fertigung eines Steuerbescheides an das Sachgebiet D weitergegeben, Wacker".

34. Das HZA wertete das Entfernen vom Verwahrungs- und vorgesehenen Beschauort als Entziehen vorübergehend verwahrter Nichtgemeinschaftswaren aus zollamtlicher Überwachung und nahm die Klägerin als diejenige, die für die vorübergehend verwahrten Waren die sich aus Artikel 51 ZK ergebenden Pflichten zu erfuellen hatte, mit Steuerbescheid vom 2. August 1994 für die nach seiner Auffassung nach Artikel 203 ZK entstandenen Einfuhrabgaben in Höhe von 34 534,13 DM Zoll und 44 344,33 DM Einfuhrumsatzsteuer, d. h. von insgesamt 78 878,46 DM, in Anspruch. Dabei wandte es auch hinsichtlich der Bausätze für Fernseher die für Drittländer geltenden Zollsätze mit dem Hinweis an, dass eine Präferenzgewährung nur bei ordnungsgemäßer Überführung präferenzberechtigter Waren in den freien Verkehr in Betracht komme.

35. Mit ihrem am 11. August 1994 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Sie räume ein, dass sie tatsächlich noch vor Einreichen eines Zollantrages über die Einfuhrwaren verfügt habe. Sie verkenne auch nicht, dass hierdurch nach Artikel 203 Absatz 1, 3 ZK eine Eingangsabgabenschuld entstanden sei. Für die TV-Geräte (Fernseher-Bausätze), für die dem HZA die mit der Zollanmeldung eingereichten Präferenznachweise nach Formblatt A vorlägen, sei aber der Präferenzzollsatz (frei) für Ursprungserzeugnisse Indonesiens anzuwenden. Später trug die Klägerin vor, dass das HZA den Zollantrag angenommen und auf eine Zurückweisung nach § 7 des Zollverwaltungsgesetzes verzichtet habe. Deshalb liege ein wirksamer Zollantrag vor. Deshalb sei es auch fraglich, ob eine Zollschuld nach Artikel 203 Absatz 1, 3 ZK entstanden sei; allenfalls komme eine Zollschuldentstehung nach Artikel 204 Absatz 1 a ZK in Betracht. Es sei zweifelhaft, ob sich die vorzeitige" Entnahme der Waren aus dem Verwahrungsverfahren auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung aus- gewirkt habe, denn die Waren seien mit dem genannten Zollantrag für die Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet worden, und an der Nämlichkeit der in Rede stehenden Waren habe im Hinblick auf die präsenten Handelsdokumente kein ernsthafter Zweifel bestehen können, da diese im Rahmen des Verwahrungsverfahrens bereits geprüft worden seien.

36. Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 1995 wies das HZA den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte aus: Über die streitbefangenen Nichtgemeinschaftswaren sei vor Abgabe der Zollanmeldung verfügt worden. Die Waren hätten sich im Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung nicht mehr an dem durch die der Klägerin erteilte Bewilligung als zugelassener Empfänger" bestimmten Ort befunden und seien deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht im Sinne von Artikel 63 ZK gestellt gewesen. Die von der Klägerin im Namen der Schneider Rundfunkwerke AG abgegebene Zollanmeldung sei unwirksam gewesen, weil sie sich auf eine nicht (mehr) gestellte Ware bezogen habe; die im guten Glauben erfolgte Annahme der Zollanmeldung durch das ZA habe hieran nichts ändern können. Deshalb sei die Zollschuld anders als nach Artikel 201 ZK, nämlich nach Artikel 203 Absatz 1 ZK, entstanden, für die die Klägerin nach Artikel 203 Absatz 3 ZK in Anspruch zu nehmen gewesen sei. Die von der Klägerin für möglich gehaltene Abgabenschuldentstehung nach Artikel 204 ZK scheide nach dessen einleitendem Satz aus, führe jedoch auch zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendung eines Präferenzzollsatzes scheide bei jeder anderen Zollschuldentstehung als nach Artikel 201 ZK aus. Für die hier betroffenen Zollpräferenzen für Entwicklungsländer ergebe sich dies zusätzlich aus Artikel 87 der Durchführungsverordnung zum ZK. Der Abgabenfestsetzung für die Fernsehgeräte sei deshalb zu Recht der für derartige Waren geltende Regelzollsatz von 14 % des Wertes zugrunde gelegt worden. Für die übrigen - unstreitig nicht präferenzberechtigten - Waren (Module und Platinen der Codenummern 8529 9070 bzw. 0990) seien die Einfuhrabgaben nach dem dafür zutreffenden Regelzollsatz von 7,2 % des Wertes errechnet und geltend gemacht worden.

37. Am 9. Februar 1995 erhob die Klägerin beim Finanzgericht Bremen Klage auf Änderung des Steuerbescheids vom 2. August 1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 1995 mit dem Antrag, den festgesetzten Zollbetrag auf 2 093,73 DM zu reduzieren.

IV - Die Vorabentscheidungsfragen

38. In der Sitzung vom 2. Februar 1999 hat das Finanzgericht Bremen (Zweiter Senat) beschlossen, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - vom 12. Oktober 1992 (ABl. L 302, S. 1) dahin auszulegen, dass eine Einfuhrzollschuld bereits dann entsteht, wenn von der zuständigen Zollstelle eine den Anforderungen des Artikels 62 ZK entsprechende Zollanmeldung zur Überführung gestellter Nichtgemeinschaftswaren in den freien Verkehr entgegengenommen und die Annahme durch Beifügung eines zollamtlichen Registervermerks dokumentiert wird?

2. Bei Bejahung der Frage 1:

Ist Artikel 75 ZK dahin auszulegen, dass die Zollstelle, die eine solche Zollanmeldung angenommen hat, berechtigt ist, die Anmeldung mit der Folge als unwirksam zu betrachten oder sie ohne einen hierauf gerichteten Antrag des Anmelders für unwirksam zu erklären, dass eine nach Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK entstandene Zollschuld als nicht entstanden gilt oder nach Artikel 233 Buchstabe c erster Anstrich ZK erloschen ist, wenn die angemeldeten Waren dem Anmelder deshalb nicht überlassen werden können, weil sie vor Durchführung der angeordneten Zollbeschau von dem dafür vorgesehenen Verwahrungsort und aus dem Zuständigkeitsbereich der Zollstelle entfernt wurden?

3. Bei Verneinung der Frage 1 oder bei Bejahung der Frage 2:

Ist Artikel 203 Absatz 1 ZK dahin auszulegen, dass ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt, wenn die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Nichtgemeinschaftswaren vom vorgesehenen Verwahrungs-/Beschauort und damit aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der betroffenen Zollstelle entfernt werden, obwohl die Zollstelle eine Zollbeschau angeordnet hatte?

4. Bei Verneinung der Frage 3:

Ist Artikel 204 Absatz 1 ZK dahin auszulegen, dass sich das unerlaubte Entfernen der Waren vom Verwahrungsort auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung dann nicht wirklich ausgewirkt" hat, wenn die Waren nach dem Entfernen einer anderen Zollstelle auf Verlangen hätten vorgeführt werden können?

5. Ist das Entstehen einer Einfuhrzollschuld

a) nach Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a i.V.m. Absatz 2 ZK bei bloßer Entgegennahme der Zollanmeldung durch die Zollstelle, oder

b) nach Artikel 203 Absatz 1 ZK oder

c) nach Artikel 204 ZK

ausgeschlossen, wenn der von der Zollstelle entgegengenommenen Zollanmeldung formell nicht zu beanstandende Ursprungszeugnisse nach Formblatt A beigefügt waren und für die von der Anmeldung umfassten Waren der Präferenzzollsatz frei" galt?

V - Die Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen

A - Zur ersten Frage

39. Mit der ersten Vorabentscheidungsfrage ersucht das Finanzgericht Bremen den Gerichtshof um Entscheidung darüber, ob im Rahmen des Sachverhalts das Ausgangsrechtsstreits eine Einfuhrzollschuld nach Artikel 201 Absatz 1 und 2 ZK bereits dann entsteht, wenn die zuständige Zollstelle eine Zollanmeldung entgegennimmt und die Annahme durch Beifügung eines zollamtlichen Registervermerks dokumentiert wird.

40. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 201 ZK Voraussetzung für die Entstehung einer Einfuhrzollschuld ist, dass die Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist (Absatz 1 Buchstabe a). Ist dies der Fall, so gilt als Zeitpunkt der Entstehung dieser Zollschuld der Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird (Absatz 2).

41. Eine erste Betrachtung dieser Vorschrift könnte zu dem Ergebnis führen, zu dem auch die Klägerin in ihren schriftlichen Erklärungen gelangt, dass nämlich der Zeitpunkt der förmlichen Annahme der Zollerklärung gemäß Artikel 63 ZK auf jeden Fall den Zeitpunkt sowohl der Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr als auch der Entstehung der Einfuhrzollschuld darstellt.

42. Ich bin jedoch der Meinung, dass mit der oben genannten Betrachtung der streitigen Vorschrift der temporär-dynamische Charakter sowohl des Rechtsinstituts der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr als auch des Instituts der Bestimmung der Einfuhrzollschuld nicht vollständig erfasst werden kann. Insbesondere verleiht diese Betrachtung dadurch, dass sie auf einem förmlichen Verständnis der Annahme der Zollerklärung besteht und die Bedeutung des Zeitpunkts des Eintritts dieser förmlichen Annahme überbetont, den oben genannten Instituten einen momentanen zeitlichen Charakter, was ihren begrifflichen Inhalt reduziert. Wie ich im Folgenden gleich prüfen werde, weisen die in Rede stehenden Institute entsprechend den konkreten Bedingungen des jeweiligen Falles gegebenenfalls einen unterschiedlichen zeitlichen Charakter (entweder temporär oder von gewisser Dauer) auf.

43. Sowohl die Überführung einer Ware in den zollrechtlich freien Verkehr als auch die Bestimmung der Einfuhrzollschuld stellen rechtliche Verfahren dar, die durch die Vorlage (die auch einen Antrag auf Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr darstellt) und durch die förmliche Annahme der entsprechenden Zollanmeldung in Gang gesetzt werden, ohne jedoch durch diese stets abgeschlossen zu werden.

44. Nach Artikel 79 ZK umfasst die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr u. a. die Erfuellung der für die Ware geltenden Einfuhrförmlichkeiten (zu denen logischerweise auch die Durchführung der als erforderlich angesehenen zollamtlichen Untersuchungen gehört) und die Erhebung der gesetzlich geschuldeten Abgaben. Sind diese Abgaben nicht endgültig bestimmt und erhoben worden, so kann folglich von einer endgültigen Überführung der streitigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr nicht die Rede sein.

45. Außerdem ergibt sich aus den Artikeln 68, 71 und 73 Absatz 1 ZK, dass die förmliche Annahme einer Zollanmeldung wie in dem dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Fall mit der Anordnung der Überprüfung der Anmeldung durch die Zollbehörde verbunden werden kann. Diese Überprüfung kann die Zollbeschau der Waren und gegebenenfalls die Entnahme von Proben zur Analyse und eingehenden Untersuchung umfassen.

46. Aufgrund des Wortlauts und der Notwendigkeit, die praktische Wirksamkeit der oben genannten Vorschriften sicherzustellen, erscheint es als offensichtlich, dass im Zeitpunkt der Annahme der Angaben in der Anmeldung ohne Überprüfung nicht nur die Zollschuld entsteht, sondern auch deren Höhe endgültig bestimmt wird. Dagegen entsteht bei einer Annahme der Anmeldung, die mit der Anordnung der Überprüfung der Angaben in dieser verbunden ist, zwar die Zollschuld, ohne dass sie aber endgültig festgelegt wird, da bis zur Untersuchung der Waren und der Feststellung der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung die Höhe der konkreten Schuld nicht abschließend bestimmt und bestätigt worden ist. Demzufolge ist davon auszugehen, dass in diesem zweiten Fall bis zur Überprüfung der oben genannten Angaben die gesetzlich geschuldeten Abgaben nicht endgültig erhoben worden sind, da die streitigen Waren noch nicht endgültig in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind.

47. Mit anderen Worten setzt die endgültige Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine ganz genaue Bestimmung der Art und der Höhe der Zollschuld voraus. In einem Fall, in dem diese Bestimmung unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Anmeldung und insbesondere der Untersuchung der Waren erfolgt, setzt deren endgültige Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr die Durchführung und den Abschluss der zur Überprüfung der Anmeldung angeordneten Untersuchung der Waren voraus.

48. Diese Feststellung steht nicht im Widerspruch zum Wortlaut des Artikels 201 Absatz 2 ZK. Diese Vorschrift, wonach die Zollschuld mit der förmlichen Annahme der Anmeldung entsteht, bedeutet nicht, dass die Anerkennung und die Auferlegung dieser Schuld und demzufolge auch die Überführung der streitigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr immer zum gleichen Zeitpunkt abgeschlossen werden. Dagegen ist sie aufgrund der Regelung in Artikel 67 ZK dahin auszulegen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit, wann auch immer die endgültige Bestimmung dieser Schuld erfolgt, diese aufgrund der Rechtslage berechnet wird, die im Zeitpunkt der förmlichen Annahme der Anmeldung galt.

49. Nach alledem kann wohl von einer endgültigen Anerkennung einer Zollschuld nicht die Rede sein, solange die angeordnete Untersuchung der Waren zur Überprüfung der Anmeldung noch nicht abgeschlossen ist. Diese endgültige Anerkennung erfolgt im Wesentlichen unter der aufschiebenden Bedingung dieser Untersuchung. Bis diese Untersuchung durchgeführt und abgeschlossen ist, kann die an diese Bedingung geknüpfte Anerkennung der Zollschuld ihre rechtlichen Wirkungen nicht entfalten.

50. Im Fall des Ausgangsrechtsstreits behielt sich die zuständige Zollbehörde, die die vorgelegte Anmeldung durch Anbringung des Registervermerks auf dieser angenommen hatte, vor, die streitigen Waren am 14. Juli 1994 auf dem Firmengelände der Klägerin, das rechtlich als Verwahrungsort der Waren galt, zu untersuchen. Der Umstand, dass diese Untersuchung nicht mehr möglich war, weil diese Waren, die sich noch in vorübergehender Verwahrung befanden, durch die Klägerin ohne Genehmigung des Zollamts entfernt worden waren, führte dazu, dass die nach Artikel 201 ZK geschuldeten Zölle nicht endgültig bestimmt wurden. Die bedingte Anerkennung der Einfuhrzollschuld gemäß Artikel 201 ZK konnte folglich wegen der Nichterfuellung - inhaltlich Vereitelung der Erfuellung - der Bedingung in Bezug auf die Überprüfung der Anmeldung und der endgültigen Feststellung der Art und der Höhe dieser Schuld keine rechtliche Wirkung entfalten. Demzufolge war weder eine endgültige Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr erfolgt, noch konnten auch die Waren der Anmelderin überlassen werden.

51. Die Nichterfuellung - inhaltlich die Vereitelung der Erfuellung - der aufschiebenden Bedingung in Bezug auf die Untersuchung der Waren und der Überprüfung der Angaben in der Anmeldung, insbesondere soweit sie vom Anmelder zu verantworten ist, muss also zu dem Endergebnis führen, dass die Zollschuld gemäß Artikel 201 Absatz 1 ZK, deren Anerkennung unter der oben genannten aufschiebenden Bedingung stand, niemals entstanden ist. Dies stellt das rechtliche Ergebnis dar, das sich aus den allgemeinen Grundsätzen ergibt, die für die Bedeutung und die Rolle aufschiebender Bedingungen gelten, die häufig mit der Anerkennung von Rechten und Verpflichtungen verbunden sind. Dies unterscheidet sich begrifflich sowohl von dem Fall der Ungültigerklärung der Anmeldung, der in den Artikeln 66 ZK vorgesehen ist und die Gültigkeit der förmlichen Annahme der Anmeldung und nicht die endgültige Anerkennung der Zollschuld betrifft, als auch von dem Fall des Erlöschens der Zollschuld, der in den Artikeln 233 und 234 ZK geregelt ist und die endgültige Feststellung dieser Schuld voraussetzt.

52. Nach alledem ist auf die erste Vorabentscheidungsfrage zu antworten, dass Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Absatz 2 dahin auszulegen ist, dass eine Einfuhrzollschuld dann als nicht entstanden anzusehen ist, wenn - aus Gründen, die auf den Anmelder zurückzuführen sind und die darin bestehen, dass die Waren, die sich in vorübergehender Verwahrung befinden, ohne Bewilligung der Zollstelle entfernt worden sind - die aufschiebende Bedingung der Untersuchung der streitigen Waren, die mit der Annahme durch das zuständige Zollamt zu einer den Anforderungen des Artikels 62 ZK entsprechenden Überprüfung der Anmeldung verbunden war, die Nichtgemeinschaftswaren im Verfahren der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr betraf, nicht erfuellt, d. h. inhaltlich die Erfuellung dieser Bedingung vereitelt worden ist, und die Annahme durch Beifügung eines zollamtlichen Registervermerks dokumentiert war.

B - Zur zweiten Frage

53. Mit der zweiten Vorlagefrage ersucht das Finanzgericht Bremen den Gerichtshof um Entscheidung darüber, ob - bei Bejahung der ersten Vorabentscheidungsfrage - Artikel 75 ZK dahin auszulegen ist, dass eine Zollstelle, die eine Zollanmeldung wie im Ausgangsverfahren angenommen hat, berechtigt ist, diese Anmeldung mit der Folge als unwirksam zu betrachten oder sie ohne einen hierauf gerichteten Antrag des Anmelders für unwirksam zu erklären, dass eine nach Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK entstandene Zollschuld als nicht entstanden gilt oder nach Artikel 233 Buchstabe c erster Gedankenstrich ZK erloschen ist, wenn die angemeldeten Waren dem Anmelder deshalb nicht überlassen werden können, weil sie vor Durchführung der angeordneten Zollbeschau von dem dafür vorgesehenen Verwahrungsort und aus dem Zuständigkeitsbereich der Zollstelle entfernt wurden.

54. Zunächst halte ich zwei Vorbemerkungen für angebracht.

Erstens darf die zweite Vorabentscheidungsfrage, die inhaltlich das allgemeine Problem der Befugnis der Zollbehörden berührt, von Amts wegen eine von ihnen bereits angenommene Anmeldung für unwirksam zu erklären, erst benantwortet werden, nachdem zuvor die vorgeschlagene Antwort auf die erste Vorabentscheidungsfrage berücksichtigt worden ist, ohne dass diese unter den Voraussetzungen der Formulierung der Fragen durch das nationale Gericht als Bejahung oder Verneinung gekennzeichnet werden kann.

Zweitens ist - wie die Kommission zu Recht angemerkt hat - vorab darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen von Artikel 177 des Vertrages nicht befugt ist, die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden; er ist nur befugt, dem innerstaatlichen Gericht die Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die diesem bei der Beurteilung der Wirkungen einer Bestimmung des nationalen Rechts dienlich sein könnten.

55. Artikel 75 ZK gehört systematisch zu Titel IV Kapitel 2 Abschnitt 1 des Zollkodex und - speziell - zu den Vorschriften, die für das gewöhnliche Verfahren" für die Überführung von Waren in ein Zollverfahren gelten. Außerdem geht aus der Formulierung dieses Artikels hervor, dass er sich auf Maßnahmen" bezieht, die die Einziehung und die Veräußerung einschließen und die den Status der Waren regeln, die sich weiter im Zuständigkeitsbereich der Zollstelle befinden, weil sie entweder dem Anmelder nicht überlassen werden konnten" (Buchstabe a) oder weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach der Überlassung abgeholt werden" (Buchstabe b).

56. Wie die finnische Regierung zutreffend anmerkt, gilt dieser Artikel also nicht für nicht gewöhnliche" Fälle wie den der Entfernung der Waren von ihrem vorgesehenen Verwahrungsort vor der angeordneten Zollbeschau. Ebenso gilt er wohl nicht für den Erlass von Maßnahmen, die nicht unmittelbar die Waren, sondern die Wirksamkeit der diese betreffenden Zollanmeldung oder das Schicksal der Zollschuld generell betreffen.

57. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Zollbehörden nach Artikel 66 ZK eine bereits förmlich angenommene Anmeldung nur aus bestimmten Gründen und unter bestimmten Voraussetzungen für ungültig erklären können; zu diesen bestimmten Voraussetzungen gehört gerade ein dahingehender Antrag des Anmelders. Dieser Artikel sieht also keine Feststellung der Ungültigkeit von Amts wegen oder Ungültigerklärung der Anmeldung durch die Zollbehörden vor. Außerdem regelt er den Fall der förmlichen Annahme der Anmeldung unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Angaben in dieser und bestimmt, dass der Antrag auf Ungültigerklärung der Anmeldung, wenn die Zollbehörden den Anmelder davon unterrichtet [haben], dass sie einen Beschau der Waren vornehmen wollen ... erst angenommen werden [kann], nachdem diese Beschau stattgefunden hat".

58. Wie im Vorlagebeschluss ausgeführt wird, vermerkte das zuständige Zollamt, nachdem festgestellt worden war, dass die Zollbeschau nicht vorgenommen werden konnte, weil sich die angemeldeten Waren beim Eintreffen des damit betrauten Abfertigungsbeamten nicht mehr im Gewahrsam der Klägerin befanden, auf dem betreffenden Papier: Die Anmeldung wird für ungültig erklärt (Art. 66 Abs. 1 ZK). Bei dem Versuch einer Beschau war die Sendung bereits abgefahren, zwecks Fertigung eines Steuerbescheides an das Sachgebiet D weitergegeben, Wacker".

59. In Anbetracht der genannten Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 66 ZK wird deutlich, dass das Zollamt sich irrtümlich auf die Regelung in diesem Artikel gestützt hat, um die Anmeldung für ungültig zu erklären, da sich aus keiner Angabe in den Akten der Rechtssache ergibt, dass der Anmelder einen entsprechenden Antrag gestellt hätte, wie in diesem Artikel vorgesehen ist.

60. Außerdem ist offenkundig, dass Artikel 75 ZK auf jeden Fall keine Rechtsgrundlage dafür darstellen könnte, die oben genannte Maßnahme der Ungültigerklärung der Anmeldung zu treffen, da die generellen Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels nicht vorliegen und insbesondere die konkrete Ungültigerklärung der streitigen Anmeldung im vorliegenden Fall keine Maßnahme zur Regelung des Status von Waren darstellt, die weiter an der dafür vorgesehenen Stelle zollamtlich gelagert sind.

61. An dieser Stelle ist anzumerken, dass wohl kein Fall der Anwendung des Artikels 233 Buchstabe c erster Gedankenstrich ZK oder der Artikel 241 Absatz 4, 243 Absatz 2 und 250 Absatz 2 der Durchführungsverordnung vorliegt.

62. Nach Artikel 233 Buchstabe c erster Gedankenstrich ZK erlischt die Zollschuld, wenn im Falle von Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben enthält, die Zollanmeldung gemäß Artikel 66 ZK für ungültig erklärt wird. Wie bereits ausgeführt worden ist, besteht vorliegend jedoch keine Möglichkeit, die Anmeldung aufgrund von Artikel 66 für ungültig zu erklären.

63. Nach Artikel 241 Absatz 4 der Durchführungsverordnung gilt folgendes: Weigert sich der Anmelder, bei der Zollbeschau anwesend zu sein oder eine Person zu benennen, die der Zollstelle die von ihr für erforderlich gehaltene Unterstützung gewähren kann, so kann die Zollstelle die Zollanmeldung als wirkungslos ansehen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Weigerung des Anmelders, bei der Zollbeschau anwesend zu sein oder eine Person zu benennen, die der Zollstelle die erforderliche Unterstützung gewähren kann, nicht bezweckt oder bewirkt, dass die Zollstelle an der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Überführung der betreffenden Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gehindert wird oder dass gegen Artikel 66 Absatz 1 oder Artikel 80 Absatz 2 ZK verstoßen wird. Ein solcher Fall der Weigerung des Anmelders, bei der Zollbeschau anwesend zu sein oder eine dafür geeignete Person zu benennen, liegt hier nicht vor, so dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels der Durchführungsverordnung nicht gegeben sind.

64. Aus denselben Gründen könnte auch kein Fall der Anwendung des Artikels 243 Absatz 2 der Durchführungsverordnung vorliegen, der dem Artikel 241 dieser Verordnung entsprechende Regelungen für den Fall vorsieht, dass der Anmelder die erforderliche Mitwirkung bei der Entnahme von Mustern oder Proben durch die Zollbehörden verweigert.

65. Außerdem ist offensichtlich, dass sich im vorliegenden Fall auch nicht die Frage der Anwendung des Artikels 250 Absatz 2 der Durchführungsverordnung stellt, wonach die Zollanmeldung als unwirksam betrachtet werden kann, falls der Anmelder die verlangten Unterlagen in den in Artikel 75 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich ZK genannten Fällen nicht vorlegt. In diesem Zusammenhang geht aus keiner Angabe in den Verfahrensakten hervor, dass die Klägerin die verlangten Unterlagen nicht vorgelegt hätte.

66. Zu diesem Punkt ist jedoch anzumerken, dass es paradox wäre, wenn es aufgrund der oben genannten Vorschriften möglich wäre, eine Zollanmeldung als unwirksam anzusehen oder für ungültig zu erklären, wenn der Anmelder lediglich bei der Untersuchung der Waren nicht mitgewirkt hat oder wenn er die erforderlichen Dokumente nicht vorlegt, es aber nicht möglich wäre, die Zollanmeldung zu beanstanden, wenn die Waren ohne Zustimmung der Zollstelle entfernt worden sind, was die Durchführung der Untersuchung aus Gründen unmöglich macht, die in der Sphäre des Anmelders liegen.

67. Wie das vorlegende Gericht zu Recht bemerkt, erscheint es nämlich fragwürdig, dass die Zollstelle entsprechend Artikel 71 Absatz 2 ZK allein aufgrund der Entgegennahme der Zollanmeldung zur Abgabenfestsetzung verpflichtet sein soll, obwohl sie zur Überprüfung des Präferenzursprungs der Waren eine Zollbeschau angeordnet hatte und diese Zollbeschau aus Gründen, die in der Sphäre des Anmelders liegen, nicht durchgeführt werden konnte.

68. Auf den ersten Blick ließe sich die Auffassung vertreten, dass die oben genannte Bemerkung des vorlegenden Gerichts es rechtfertigen würde, die genannten Vorschriften, wonach die förmlich angenommene Zollanmeldung für ungültig erklärt oder als unwirksam betrachtet werden kann, auf den vorliegenden Fall analog - oder besser a minore ad majus - anzuwenden. Der technische Charakter dieser Vorschriften erschwert jedoch in der Praxis eine solche Anwendung, da sich für die Entscheidung des Rechtsstreits verschiedene spezifische Fragen stellen. Zum Beispiel ist überhaupt nicht klar, ob die Zollbehörden verpflichtet oder lediglich befugt sein sollten, die Anmeldung für ungültig zu erklären, wenn die Durchführung der angeordneten Zollbeschau und die Überprüfung der Anmeldung wegen der Entfernung der Waren durch den Anmelder ohne Zustimmung der Zollstelle nicht möglich ist. Darüber hinaus ist unklar, ob die Zollbehörden, bevor sie die Anmeldung für ungültig erklären, anordnen müssten, dass die Waren wieder zurückgebracht werden. Der Gerichtshof könnte diese Fragen kaum regeln, ohne eine originär gesetzgeberische Arbeit zu leisten, die nicht im Einklang mit seiner Rolle als Rechtsprechungsorgan steht.

69. Im Übrigen scheint die analoge Anwendung der genannten Vorschriften, wonach die Zollanmeldung für ungültig erklärt oder als unwirksam betrachtet werden kann, im vorliegenden Fall nicht unbedingt erforderlich zu sein, da sie keine conditio sine qua non für die Begründung einer Zollschuld darstellt; diese kann nicht aufgrund von Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a, sondern auch aufgrund einer anderen Vorschrift des Zollkodex entstehen, wie z. B. aufgrund von Artikel 203 Absatz 1. In diesem Zusammenhang bin ich der Auffassung, dass die allgemeine Theorie der aufschiebenden Bedingungen, auf die die Untersuchung der ersten Vorabentscheidungsfrage gestützt war, auch eine geeignete Rechtsgrundlage für die Untersuchung der vorliegenden Frage darstellen kann. Wie ich bereits ausgeführt habe, führt die Nichterfuellung - inhaltlich die Vereitelung der Erfuellung - der Bedingung in Bezug auf die Zollbeschau und die Überprüfung der förmlich angenommenen Zollanmeldung dazu, dass die betreffende Zollschuld gemäß Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK nicht endgültig bestimmt worden ist und dass diese Schuld folglich als niemals entstanden anzusehen ist. Der letztgenannte Umstand führt in der Folge dazu, dass die Entstehung einer separaten Zollschuld aufgrund einer anderen Vorschrift des Zollkodex möglich wird, ohne dass eine unzulässige Kumulierung zweier verschiedener Zollverfahren bei denselben Waren eintritt.

70. An diesem Punkt könnte natürlich der Einwand vorgebracht werden, dass die Zollstelle, bevor sie die Zollschuld gemäß Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK als niemals entstanden ansieht, die Maßnahmen ergreifen müßte, die die Erfuellung der Bedingung in Bezug auf die Zollbeschau theoretisch noch möglich machen könnten. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin vor, im Rahmen der Anwendung des Artikels 75 ZK sei die Feststellung der Unwirksamkeit der Anmeldung ausgeschlossen, zulässig und sachgerecht wäre es aber, die Klägerin aufzufordern, die Waren zur Durchführung der angeordneten Zollbeschau unverzüglich vorzuführen.

71. Meiner Ansicht nach kann dieser Einwand aus den beiden folgenden Gründen nicht durchgreifen.

72. Erstens ergibt sich aus keiner Spezialvorschrift und aus keinem allgemeinen Grundsatz, dass die zuständigen Zollbehörden generell verpflichtet sind, die vom Anmelder zu verantwortende Nichterfuellung - inhaltlich die Vereitelung der Erfuellung - der aufschiebenden Bedingung, unter der die endgültige Anerkennung der Zollschuld gemäß Artikel 201 ZK steht, zu verhindern. Die Berücksichtigung des Grundgedankens oder die eventuelle analoge Anwendung der genannten Artikel 241 Absatz 4 und 250 Absätze 1 und 2 der Durchführungsordnung würde allein nicht helfen, weil - obwohl Artikel 250 Absätze 1 und 2 ausdrücklich vorsieht, dass die Zollbehörden eine Frist für die Behebung der Versäumnisse des Anmelders setzen, bevor sie die Anmeldung für ungültig erklären - im Rahmen der Regelung, die Artikel 241 Absatz 4 vorsieht, die Ungültigerklärung auch ohne den Versuch einer Behebung der Unterlassungen des Anmelders möglich ist.

73. Zweitens könnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Zollverwaltung verpflichtet oder befugt ist, Abhilfe für Handlungen oder Unterlassungen des Anmelders zu schaffen, die aufgrund einer anderen Vorschrift des Zollkodex oder sonstiger Rechtsvorschriften besondere Rechtsfolgen nach sich ziehen. Stellt die Entfernung der Waren ohne Genehmigung einen Fall, in dem eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird" oder eine Nichterfuellung einer der Pflichten ... die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung ergeben", dar, so können die zuständigen Zollbehörden keine Maßnahmen ergreifen, die dazu beitragen könnten, dass die Anwendung der Regelungen in den Artikeln 203 oder 204 ZK oder irgendeiner anderen rechtlichen Regelung, die Rechtsfolgen aus der oben genannten Entfernung verknüpft, ausgeschlossen oder verzögert wird.

74. Nach alledem ist auf die zweite Vorabentscheidungsfrage des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Artikel 75 ZK dahin auszulegen ist, dass die Zollstelle, die eine Zollanmeldung entgegengenommen hat, nicht berechtigt ist, diese Anmeldung als unwirksam zu betrachten oder sie für unwirksam zu erklären, wenn - wie im Ausgangsverfahren - die angemeldeten Waren dem Anmelder deshalb nicht überlassen werden können, weil sie vor Durchführung der angeordneten Zollbeschau von dem dafür vorgesehenen Verwahrungsort und aus dem Zuständigkeitsbereich der Zollstelle entfernt wurden.

C - Zur dritten Frage

75. Die dritte Frage des Finanzgerichts Bremen geht dahin, ob Artikel 203 Absatz 1 ZK, wenn angenommen wird, dass eine Zollschuld gemäß Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK nicht entstanden ist (oder nach ihrer Entstehung erloschen ist), dahin auszulegen ist, dass ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt, wenn die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Nichtgemeinschaftswaren vom vorgesehenen Verwahrungs-/Beschauort und damit aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der betroffenen Zollstelle entfernt werden, obwohl die Zollstelle eine Zollbeschau angeordnet hatte. Ferner fragt das vorlegende Gericht, ob das Vorliegen einer Entziehung der Ware aus der zollamtlichen Überwachung sich nach objektiven Merkmalen richtet oder ob zusätzlich ein besonderer hierauf gerichteter Wille vorliegen muss.

76. Nach Artikel 37 ZK unterliegen Nichtgemeinschaftswaren, die in das Gebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.

77. Außerdem haben die gestellten Waren nach Artikel 50 ZK bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung. Gemäß Artikel 51 ZK werden sie ausschließlich an den von den Zollbehörden zugelassenen Orten und unter den von diesen Behörden festgelegten Bedingungen gelagert. Nach Artikel 52 ZK schließlich dürfen die vorübergehend verwahrten Waren solchen Behandlungen unterzogen werden, die zu ihrer Erhaltung erforderlich sind, ohne dass die Aufmachung oder die technischen Merkmale verändert werden, und zwar unbeschadet des Artikels 42, wonach die Waren im Hinblick auf die zollrechtliche Bestimmung, die sie erhalten sollen, mit Zustimmung der Zollbehörden geprüft und Muster oder Proben entnommen werden können.

78. Wie im Ausgangsverfahren waren die betroffenen Waren - wie bei der Beantwortung der ersten Vorabentscheidungsfrage hervorgehoben worden ist -, da die angeordnete Zollbeschau nicht durchgeführt worden war, nicht endgültig in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden, sondern behielten weiter die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung. Darüber hinaus standen die Waren weiter unter zollamtlicher Überwachung, da ihr zollrechtlicher Charakter nicht endgültig geändert worden war.

79. Dies hatte zur Folge, dass im vorliegenden Fall grundsätzlich die Anwendung des Artikels 203 Absatz 1 ZK denkbar ist, die das Entstehen einer Zollschuld vorsieht, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird, sofern man annimmt, dass ein Fall der Entfernung aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt.

80. Die Möglichkeit der Anwendung dieser Vorschrift sieht zudem Artikel 51 Absatz 2 ZK vor, wonach die Zollbehörden verlangen können, dass die Person, die die Waren in Besitz hat, eine Sicherheit leistet, um die Erfuellung der gegebenenfalls nach den Artikeln 203 oder 204 für diese Waren entstehenden Zollschuld zu gewährleisten.

81. Außerdem ist aufgrund des Umstandes, dass vor der Entfernung der Waren von dem Ort der zollamtlichen Verwahrung die angeordnete Zollbeschau nicht durchgeführt worden war und aus diesem Grund die Zollschuld gemäß Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a ZK als niemals entstanden angesehen werden konnte, die Entstehung einer Zollschuld nach Artikel 203 Absatz 1 ZK grundsätzlich denkbar, ohne dass die Gefahr einer unzulässigen Kumulierung zweier unterschiedlicher Zollverfahren bei denselben Waren besteht.

82. Im vorliegenden Fall bleibt noch zu entscheiden, ob eine Entfernung der Waren vom Ort der vorläufigen Verwahrung, wie sie die Klägerin im Ausgangsverfahren vorgenommen hat, als ein Vorgang bezeichnet werden kann, bei dem eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird".

83. Wann liegt jedoch eine solche Entziehung" aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 203 ZK vor?

84. Meines Erachtens ist davon auszugehen, dass - wie sowohl das innerstaatliche Gericht als auch die Kommission und die Klägerin unter Berufung auf die Lehre oder die Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten vortragen - eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 ZK vorliegt, wenn eine Handlung oder Unterlassung dazu führt, dass die Zollbehörden überhaupt nicht mehr in der Lage sind, Zugang zu den Waren zu erhalten, während dies ursprünglich möglich war, und demzufolge konkrete Maßnahmen der zollamtlichen Überwachung, mit deren Anwendung sie bereits begonnen haben, nicht abschließen können. Wie die Kommission bezeichnenderweise ausführt, ist ein typisches Beispiel für die Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung die Entfernung der Waren vom Ort der vorübergehenden Verwahrung.

85. An diesem Punkt ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Artikel 865 der Durchführungsverordnung folgendes bestimmt: Die Zollanmeldung einer Ware oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden stellen ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Artikels 203 Absatz 1 des Zollkodex dar, wenn dieses Vorgehen zur Folge hat, dass der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird."

86. Diese Vorschrift scheint das Vorliegen einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 ZK auf die Fälle zu beschränken, in denen durch Dokumente (Zollanmeldung oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden) bewirkt wird, dass den streitigen Waren fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird, so dass diese Waren von Anfang an der vorgesehenen zollamtlichen Überwachung der in die Gemeinschaft verbrachten Nichtgemeinschaftswaren entgehen.

87. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch Artikel 865 der Durchführungsverordnung keine Definition vorgegeben wird, die den begrifflichen Inhalt der Entfernung aus der zollamtlichen Überwachung" im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 ZK erschöpfend regelt, sondern dass lediglich als Hinweis zur Ergänzung bestimmte Einzelfälle genannt werden, in denen eine solche Entziehung vorliegt.

88. Diese Fälle als eine erschöpfende Aufzählung anzusehen, würde der offensichtlichen Bedeutung der Regelung in Artikel 203 Absatz 1 ZK zuwiderlaufen. Es besteht nämlich wohl kein Zweifel daran, dass in den Anwendungsbereich dieser Regelung nicht nur die in Artikel 865 der Durchführungsverordnung genannten Vorgehensweisen zum Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung fallen, sondern grundsätzlich alle Handlungen oder Unterlassungen, die zur Folge haben, dass der Zugang der Zollbehörden zu den streitigen Waren und insbesondere der vollständige Abschluss der zollamtlichen Überwachung, die bereits durch den Erlass konkreter Maßnahmen in Gang gesetzt worden ist, verhindert werden.

89. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen eines Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 ZK wohl nicht voraussetzt, dass subjektiv der Wille vorliegt, sich der Maßnahme der zollamtlichen Überwachung zu entziehen. Wie die finnische Regierung zu Recht vorträgt, ist es in erster Linie Ziel der zollrechtlichen Vorschriften, dass die vorgesehenen Zölle aufgrund objektiver Kriterien erhoben werden. Die persönliche Absicht des Anmelders, der die Waren vom Ort der vorläufigen Verwahrung entfernt hat, ist für die Entstehung der Zollschuld ohne Bedeutung. Dagegen kann sie Bedeutung für die Berechnung einer eventuellen verwaltungs- oder strafrechtlichen Sanktion haben.

90. Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, hatten die Zollbehörden in der vorliegenden Rechtssache die Vornahme der Zollbeschau der Waren, die sich weiter im Verfahren der zollamtlichen Überwachung und der vorübergehenden Verwahrung befanden, an einem bestimmten Tag (14. Juli 1994) und auf dem Firmengelände der Klägerin angeordnet.

91. Die Zollbeschau konnte nicht vorgenommen werden, weil sich die angemeldeten Waren beim Eintreffen des damit betrauten Abfertigungsbeamten nicht mehr im Gewahrsam der Klägerin befanden, sondern bereits an die Firma ausgeliefert worden waren, in deren Namen die Zollanmeldung vorgenommen worden war. Das vorlegende Gericht nimmt jedoch nicht an, dass die Klägerin die streitigen Waren absichtlich aus der vorübergehenden Verwahrung entfernt hat.

92. Nach alledem liegt im Ausgangsverfahren wohl tatsächlich eine Entziehung von Waren aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 ZK vor. Zum einen galt für die Waren bereits das Verfahren der zollamtlichen Überwachung, in dessen Rahmen die Vornahme einer konkreten Maßnahme, nämlich die Zollbeschau, angeordnet worden war. Zum anderen machte die Entfernung der Waren den Zugang der Zollbehörden zu diesen und demzufolge die Fortsetzung der zollamtlichen Überwachung durch die Vornahme der angeordneten Zollbeschau offensichtlich unmöglich.

93. An diesem Punkt könnte man gewiss - der Argumentation der Klägerin folgend - geltend machen, dass, auch wenn die Waren von der zollamtlich vorgesehenen Stelle entfernt worden seien, kein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vorliegen könne, da diese Waren Gegenstand einer förmlichen Zollanmeldung gewesen seien und den Zollbehörden alle diesbezüglichen Dokumente zur Verfügung gestanden hätten. Nach Ansicht der Klägerin führt die vorzeitige Entfernung der Waren daher nur zur Nichtdurchführung einer zollamtlichen Maßnahme.

94. Ich bin jedoch der Auffassung, dass diese Interpretation der dem Ausgangsverfahren zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände nicht überzeugend wäre. Zum einen schließt der Umstand, dass bereits eine Zollanmeldung für die streitigen Waren vorgelegt worden war, sicherlich ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung von Anfang an aus, sie schließt jedoch das Entziehen aus der Überwachung nicht aus, die bereits begonnen hatte und die nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Zum anderen liegt im vorliegenden Fall nicht nur eine Nichterfuellung einer allgemeinen Verpflichtung vor, die das Verbleiben der Waren in vorläufiger Verwahrung mit sich bringt, was unter Umständen die Anwendung des Artikels 204 Absatz 1 Buchstabe 1 ZK rechtfertigen könnte, sondern es handelt sich um die Entfernung der Waren, die für die Zollstelle jede Möglichkeit des Zugangs zu den Waren ausschließt und die praktische Wirksamkeit einer Zollüberwachung in jeder Hinsicht und insbesondere die Ausübung einer konkret angeordneten Maßnahme der zollamtlichen Überwachung, die im vorliegenden Fall in der Untersuchung der streitigen Waren bestand, verhindert.

95. Nach alledem ist auf die dritte Vorabentscheidungsfrage zu antworten, dass Artikel 203 Absatz 1 ZK dahin auszulegen ist, dass ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt, wenn die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Nichtgemeinschaftswaren durch den Anmelder ohne Zustimmung der zuständigen Zollbehörden vom vorgesehenen Verwahrungs-/Beschauort und damit aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der betroffenen Zollstelle entfernt und an die Firma ausgeliefert werden, in deren Namen die Zollanmeldung vorgelegt wurde, obwohl die Zollstelle eine Zollbeschau angeordnet hatte.

D - Zur vierten Frage

96. Mit der vierten Vorabentscheidungsfrage wird der Gerichtshof darum ersucht, bei Verneinung der dritten Frage zu entscheiden, ob Artikel 204 Absatz 1 ZK dahin auszulegen ist, dass sich das unerlaubte Entfernen der Waren vom Verwahrungsort auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung dann nicht wirklich ausgewirkt" hat, wenn die Waren nach dem Entfernen einer anderen Zollstelle auf Verlangen hätten vorgeführt werden können.

97. In Anbetracht der vorgeschlagenen Antwort auf die dritte Vorabentscheidungsfrage und da Artikel 203 eine spezielle Vorschrift darstellt, die die Anwendung des Artikels 204 ausschließt, erübrigt sich die Beantwortung der vierten Frage. Jedoch sind für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass kein Fall der Anwendung des Artikels 203 Absatz 1 ZK vorliegt, folgende Anmerkungen zur Auslegung des Artikels 204 Absatz 1 ZK angebracht.

98. Nach dieser Vorschrift entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Artikel 203 genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfuellt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

99. Im vorliegenden Fall kann meines Erachtens - sofern entschieden wird, dass kein Fall der Anwendung des Artikels 203 Absatz 1 ZK vorliegt - nicht bezweifelt werden, dass die allgemeine Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 204 Absatz 1 Buchstabe a ZK vorliegt. Die streitige Entfernung der Waren durch die Klägerin stellt nämlich auf jeden Fall eine Nichterfuellung einer der Verpflichtungen dar, die sich für einfuhrabgabenpflichtige Waren aus deren vorübergehender Verwahrung ergibt, konkret der Verpflichtung, die Waren bis zur Festlegung ihrer zollrechtlichen Bestimmung unverändert zur Verfügung der für die Überwachung zuständigen Zollstelle zu halten

100. Es bleibt also lediglich noch festzustellen, ob ein Fall vorliegt, in dem sich diese Verfehlung auf die Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung nicht ausgewirkt hat.

101. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass Artikel 859 der Durchführungsverordnung, wie der Gerichtshof im Urteil Firma Söhl & Söhlke entschieden hat, eine wirksam zustande gekommene und abschließende Regelung der Verfehlungen im Sinne des Artikels 204 Absatz 1 Buchstabe a des Zollkodex ist, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben" .

102. Nach Artikel 859 Nr. 5 der Durchführungsverordnung wird angenommen, dass im Falle einer Ware in vorübergehender Verwahrung oder in einem Zollverfahren deren nicht bewilligter Ortswechsel im Sinne von Artikel 204 Absatz 1 ZK sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hat, sofern die Ware den Zollbehörden auf Verlangen vorgeführt werden kann und sofern - wie Artikel 859 erster Gedankenstrich vorsieht - es sich bei dem nicht bewilligten Ortswechsel der Waren nicht um den Versuch handelt, die Waren der zollamtlichen Überwachung zu entziehen, keine grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt und alle notwendigen Förmlichkeiten erfuellt werden, um die Situation der Waren zu bereinigen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis gegenüber den Zollbehörden, dass Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 859 der Durchführungsverordnung vorliegen, im vorliegenden Fall von der Klägerin zu erbringen ist.

103. Was das Vorliegen dieser Voraussetzungen angeht, sind an diesem Punkt folgende besondere Erläuterungen geboten.

104. Zum einen geht aus der Regelung in Artikel 859 Nr. 5 der Durchführungsverordnung nicht ausdrücklich hervor, dass die Vorführung der Waren nur bei der Zollstelle des Ortes der vorübergehenden Verwahrung möglich ist. In diesem Zusammenhang bin ich der Auffassung, dass die Vorführung der Waren grundsätzlich auch bei einer anderen Zollstelle erfolgen könnte, sofern natürlich auf diese Weise der betreffende Verfahrensverstoß bereinigt werden könnte, ohne dass die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens beeinträchtigt würde. Die Beurteilung dieser Voraussetzung ist im jeweiligen konkreten Fall Sache des innerstaatlichen Gerichts, das unter Berücksichtigung der dem Ausgangsrechtsstreits zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände zu entscheiden hat, ob diese ordnungsgemäße Abwicklung tatsächlich beeinträchtigt wird.

105. Was zum anderen die in Artikel 859 aufgestellte Voraussetzung angeht, dass die streitige Verfehlung keine grobe Fahrlässigkeit des Zollschuldners darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof davon ausgegangen ist, dass bei der Entscheidung, ob eine solche Fahrlässigkeit vorliegt, insbesondere die genaue Natur des gegebenenfalls vorliegenden Irrtums, die Berufserfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers im konkreten Fall zu berücksichtigen sind. Es ist Sache des innerstaatlichen Gerichts, auf der Grundlage dieser Kriterien zu beurteilen, ob eine grobe Fahrlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers vorliegt.

106. Obgleich die Beurteilung des Vorliegens aller Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 859 Nr. 5 der Durchführungsverordnung Sache des innerstaatlichen Gerichts ist, das die dem Ausgangsrechtsstreit zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände besser kennt, ist meines Erachtens darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall durch die Entfernung der Waren vom vorgesehenen Verwahrungs-/Beschauort und damit aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der betroffenen Zollstelle und durch ihre Auslieferung an die Firma, in deren Namen die Zollanmeldung abgegeben worden war, obwohl die Zollstelle eine Zollbeschau angeordnet hatte, wohl offensichtlich die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung beeinträchtigt wurde. Zunächst wurde durch diese Entfernung der Waren - wie bereits ausgeführt worden ist - nicht nur die Erfuellung des Zwecks dieser Verwahrung vereitelt, der gerade darin besteht, die Waren unverändert am Verwahrungsort zur Verfügung der für die Überwachung zuständigen Zollstelle zu halten, bis diese Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhalten, sondern es wurde auch die Durchführung einer konkreten, ausdrücklich angeordneten Untersuchung der Waren verhindert. Ebenso ist meines Erachtens offenkundig, dass die Klägerin in Anbetracht ihrer Berufserfahrung nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die sie hätte walten lassen müssen, damit die Waren nicht entfernt und die Untersuchung nicht vereitelt worden wäre. Schließlich bin ich der Auffassung, dass es - auch wenn die Waren den Zollbehörden auf deren Verlangen überlassen würden - für die Klägerin objektiv sehr schwierig wäre, nach der Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung und ihrer Auslieferung an die Firma, in deren Namen sie angemeldet worden waren, nachzuweisen, dass die überlassenen Waren die Waren sind, für die die Zollbeschau angeordnet worden war.

E - Zur fünften Frage

107. Mit der fünften Vorabentscheidungsfrage ersucht das Finanzgericht Bremen den Gerichtshof im Wesentlichen um Entscheidung darüber, welche Bedeutung und welche Folgen es für die Entstehung einer Zollschuld gemäß Artikel 201 Absätze 1 Buchstabe a und 2 oder Artikel 203 Absatz 1 oder Artikel 204 ZK es hat, wenn der angenommenen Anmeldung formell nicht zu beanstandende Ursprungszeugnisse beigefügt waren und für die von der Anmeldung umfassten Waren der Präferenzzollsatz frei" galt.

108. An dieser Stelle ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Antwort auf diese Vorabentscheidungsfrage in Anbetracht der vorgeschlagenen Antworten auf die vorhergehenden Vorabentscheidungsfragen wohl nur von Nutzen ist, was die Entstehung einer Zollschuld nach Artikel 203 Absatz 1 ZK angeht. Der Vollständigkeit der Untersuchung halber soll die gestellte Frage jedoch auch in Bezug auf die drei Rechtsgrundlagen für die Entstehung einer Einfuhrzollschuld, auf die das vorlegende Gericht Bezug nimmt, geprüft werden.

109. Zunächst ist im Rahmen der Entstehung einer Zollschuld gemäß Artikel 201 ZK hervorzuheben, dass sich aus Artikel 62 Absatz 2 ZK in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung ergibt, dass der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr die Unterlagen beizufügen sind, die für den Nachweis der Anwendbarkeit einer Präferenzregelung, für die die Zollanmeldung der Waren erfolgt, erforderlich sind.

110. Die Vorlage der oben genannten Nachweise zusammen mit der Zollanmeldung dient also der Anwendung des angestrebten Zollverfahrens und er Festsetzung der geschuldeten Zölle. Demzufolge schließt die Vorlage dieser Unterlagen die Feststellung und die Bestätigung der Zollschuld nicht nur nicht aus, sondern dient letztlich dazu.

111. Im Rahmen der Anwendung der Artikel 203 (der im vorliegenden Fall in erster Linie von Interesse ist) und 204 ZK, die die Anwendung des Artikels 201 ZK ausschließen, berührt die Vorlage der oben genannten Nachweise zusammen mit der Anmeldung die Entstehung der Zollschuld dagegen in keiner Weise, da das Entstehen dieser Schuld sich auf das Vorliegen von zollrechtlichen Verfehlungen gründet (im vorliegenden Fall auf die Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung) und nicht auf die Unterstellung unter ein konkretes Zollverfahren aufgrund der vorgelegten und angenommenen Zollanmeldung.

112. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin geltend macht, aus Artikel 900 Absatz 1 Buchstabe o der Durchführungsverordnung ergebe sich, dass die mit der jedenfalls papiermäßig" ordnungsgemäßen Zollanmeldung vorgelegten gültigen Präferenznachweise auch bei etwaigen Unkorrektheiten oder Zuwiderhandlungen zur Gewährung der Zollpräferenz führen müssten.

113. Was diese Berufung auf die Regelung in Artikel 900 Absatz 1 Buchstabe o der Durchführungsverordnung angeht, ist daran zu erinnern, dass diese Vorschrift einen Antrag auf Erstattung oder Erlass von Einfuhrabgaben betrifft, dem stattgegeben wird, wenn die Zollschuld auf andere als die in Artikel 201 ZK beschriebene Weise entsteht (im vorliegenden Fall aufgrund von Artikel 203 ZK) und wenn der Beteiligte durch Vorlage eines Ursprungszeugnisses, einer Warenverkehrsbescheinigung, eines internen gemeinschaftlichen Versandscheins oder einer anderen entsprechenden Unterlage nachweist, dass im Fall der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ein Anspruch auf Gemeinschaftsbehandlung oder auf eine Zollbehandlung mit Abgabenbegünstigung bestanden hatte, sofern die übrigen Voraussetzungen nach Artikel 890 erfuellt sind.

114. Im Ausgangsverfahren stellte sich niemals die Frage nach der Erstattung oder dem Erlass von auferlegten Zöllen und es wurde auch nicht der dafür erforderliche Antrag vorgelegt. Demzufolge ist dieser Artikel hier nicht anwendbar.

115. Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin, wonach dieser Artikel im vorliegenden Fall Anwendung finden könnte, obwohl er das Verfahren der Erstattung oder des Erlasses von Schulden betrifft, offensichtlich nicht begründet. Im vorliegenden Fall beziehen sich die genannten Unkorrektheiten oder Zuwiderhandlungen gerade darauf, dass die Durchführung der zollamtlichen Prüfung der Waren zur Feststellung der Möglichkeit der Anwendung der Präferenzregelung unmöglich war. Wie auch das vorlegende Gericht betont, kann nämlich allein die Vorlage der Anmeldevordrucke nicht zur Anwendung einer Zollpräferenzregelung führen, wenn die Zollbeschau gemäß Artikel 68 Buchstabe ZK aus Gründen, die in der Sphäre des Anmelders liegen, unmöglich gemacht worden ist. Außerdem wäre es widersinnig, wenn die Anwendung dieser Regelung, die wegen der oben genannten Unmöglichkeit der Prüfung der Waren im Rahmen der Anwendung des Artikels 201 ZK auf dem Weg über die Anwendung des Artikels 900 Absatz 1 Buchstabe o der Durchführungsverordnung bewirkt werden könnte, der auf Artikel 890 der Durchführungsverordnung verweist, wonach die Erstattung oder der Erlass von Zöllen zum einen die Erfuellung aller Voraussetzungen für die Gewährung der Zollpräferenzbehandlung und zum anderen die Gestellung der Waren oder jedenfalls die Feststellung voraussetzt, dass die Angaben in den Ursprungsnachweisen sich zweifelsfrei auf die streitigen Waren beziehen.

116. Nach alledem wird somit klar, dass die Vorlage von Nachweisen für die Anwendung einer Zollpräferenzregelung zusammen mit der Zollanmeldung die Entstehung einer Einfuhrzollschuld im Rahmen einer der in der fünften Vorabentscheidungsfrage genannten Rechtsgrundlagen (Artikel 201 Absätze 1 Buchstabe a und 2, Artikel 203 Absatz 1 und Artikel 204 ZK) nicht ausschließt.

117. In Anbetracht der vorgeschlagenen Antworten auf die vorangehenden Fragen ist auf die fünfte Frage daher zu antworten, dass die Entstehung einer Einfuhrzollschuld gemäß Artikel 203 Absatz 1 ZK nicht ausgeschlossen ist, wenn der von der Zollstelle entgegen genommenen Zollanmeldung formell nicht zu beanstandende Ursprungszeugnisse nach Formblatt A beigefügt waren und für die von der Anmeldung umfassten Waren der Präferenzzollsatz frei" galt.

VI - Vorschlag

118. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfragen des Finanzgerichts Bremen wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass eine Einfuhrzollschuld dann als nicht entstanden anzusehen ist, wenn - aus Gründen, die auf den Anmelder zurückzuführen sind und die darin bestehen, dass die Waren, die sich in vorübergehender Verwahrung befinden, ohne Bewilligung der Zollstelle entfernt worden sind - die aufschiebende Bedingung der Untersuchung der streitigen Waren, die mit der Annahme durch das zuständige Zollamt zu einer den Anforderungen des Artikels 62 des Zollkodex entsprechenden Überprüfung der Anmeldung verbunden war, die Nichtgemeinschaftswaren im Verfahren der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr betraf, nicht erfuellt, d. h. inhaltlich die Erfuellung dieser Bedingung vereitelt worden ist und die Annahme durch Beifügung eines zollamtlichen Registervermerks dokumentiert war.

2. Artikel 75 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die Zollstelle, die eine Zollanmeldung entgegengenommen hat, nicht berechtigt ist, diese Anmeldung als unwirksam zu betrachten oder sie für unwirksam zu erklären, wenn - wie im Ausgangsverfahren - die angemeldeten Waren dem Anmelder deshalb nicht überlassen werden können, weil sie vor Durchführung der angeordneten Zollbeschau von dem dafür vorgesehenen Verwahrungsort und aus dem Zuständigkeitsbereich der Zollstelle entfernt wurden.

3. Artikel 203 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vorliegt, wenn die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Nichtgemeinschaftswaren durch den Anmelder ohne Zustimmung der zuständigen Zollbehörden vom vorgesehenen Verwahrungs-/Beschauort und damit aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der betroffenen Zollstelle entfernt und an die Firma ausgeliefert werden, in deren Namen die Zollanmeldung vorgelegt wurde, obwohl die Zollstelle eine Zollbeschau angeordnet hatte.

4. Die Entstehung einer Einfuhrzollschuld gemäß Artikel 203 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist nicht ausgeschlossen, wenn der von der Zollstelle entgegengenommenen Zollanmeldung formell nicht zu beanstandende Ursprungszeugnisse nach Formblatt A beigefügt waren und für die von der Anmeldung umfassten Waren der Präferenzzollsatz ,frei galt."

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