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Document 61998CC0152

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 16. Januar 2001.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 76/464/EWG - Wasserverschmutzung - Nichtumsetzung.
    Rechtssache C-152/98.

    Sammlung der Rechtsprechung 2001 I-03463

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2001:21

    61998C0152

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 16. Januar 2001. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 76/464/EWG - Wasserverschmutzung - Nichtumsetzung. - Rechtssache C-152/98.

    Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-03463


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1. Zum neunten Mal ersucht die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den Gerichtshof, festzustellen, dass ein Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall das Königreich der Niederlande, gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft (im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat.

    2. Diese Richtlinie ist auf die Beseitigung der Verschmutzung der Gewässer durch bestimmte besonders gefährliche Stoffe gerichtet, die in einer Liste - der Liste I" - aufgeführt sind, und auf die Verringerung der Verschmutzung der Gewässer durch bestimmte andere gefährliche Stoffe, die in einer weiteren Liste - der Liste II" - aufgeführt sind; die beiden Listen bilden einen Anhang der Richtlinie. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 der Richtlinie geeignete Maßnahmen ergreifen, die in den Artikeln 3 ff. vorgesehen sind.

    3. Für die Stoffe aus der Liste I legt der Rat gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie die Emissionsgrenzwerte aufgrund ihrer Wirkungen auf die Gewässer fest, und zwar unter Berücksichtigung der besten verfügbaren technischen Hilfsmittel. Nach den Artikeln 3 und 5 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, jede Ableitung dieser Stoffe in die Gewässer von einer vorherigen Genehmigung der zuständigen nationalen Behörden abhängig zu machen, mit der Emissionsnormen festgesetzt werden, die die vom Rat festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten dürfen.

    4. Zur Festlegung dieser Grenzwerte erließ die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste von 129 einzelnen Stoffen, die der Rat in einer Entschließung vom 7. Februar 1983 zur Bekämpfung der Gewässerverschmutzung als Grundlage für die weitere Arbeit zur Durchführung der Richtlinie übernahm. Später wurden in diese Liste noch drei zusätzliche Stoffe aufgenommen. Für 18 der 132 Stoffe legte der Rat Grenzwerte und Qualitätsziele fest, 15 weitere waren Gegenstand eines von der Kommission vorgelegten Vorschlags für eine Richtlinie, der aber kurz nach seiner Vorlage wieder zurückgezogen wurde. Daraus folgt, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt für 114 der 132 vorrangigen Stoffe noch keine Grenzwerte auf Gemeinschaftsebene festgelegt wurden.

    5. Hinsichtlich der Stoffe aus der Liste II lautet Artikel 7 der Richtlinie wie folgt:

    (1) Zur Verringerung der Verschmutzung der in Artikel 1 genannten Gewässer durch die Stoffe aus der Liste II stellen die Mitgliedstaaten Programme auf, zu deren Durchführung sie insbesondere die in den Absätzen 2 und 3 erwähnten Mittel anwenden.

    (2) Jede Ableitung in die in Artikel 1 genannten Gewässer, die einen der Stoffe aus der Liste II enthalten kann, bedarf einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats, in der die Emissionsnormen festgesetzt werden. Diese sind nach den gemäß Absatz 3 festgelegten Qualitätszielen auszurichten.

    (3) Die Programme gemäß Absatz 1 umfassen Qualitätsziele für die Gewässer, die unter Beachtung etwaiger Richtlinien des Rates festgelegt werden.

    ..."

    6. Zur Liste II heißt es im Anhang:

    Die Liste II umfasst

    - diejenigen Stoffe der in der Liste I aufgeführten Stofffamilien und Stoffgruppen, für die die in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Grenzwerte nicht festgelegt werden,

    - bestimmte einzelne Stoffe und bestimmte Stoffkategorien aus den nachstehend aufgeführten Stofffamilien und Stoffgruppen,

    die für die Gewässer schädlich sind, wobei die schädlichen Auswirkungen jedoch auf eine bestimmte Zone beschränkt sein können und von den Merkmalen des aufnehmenden Gewässers und der Lokalisierung abhängen."

    7. Im Anschluss daran werden die Stofffamilien und Stoffgruppen des zweiten Gedankenstrichs" aufgelistet. Diese Liste enthält acht Stoffkategorien, wovon die erste aus Metalloiden und Metallen und ihren Verbindungen besteht, zu denen Titan, Bor, Uran, Tellur und Silber gehören. Die vierte Kategorie enthält die giftigen oder langlebigen organischen Siliziumverbindungen und Stoffe, die im Wasser zur Bildung solcher Verbindungen führen können, mit Ausnahme derjenigen, die biologisch unschädlich sind oder die sich im Wasser rasch in biologisch unschädliche Stoffe umwandeln.

    8. Die Richtlinie enthält keine Frist für die Umsetzung. Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie sieht jedoch vor, dass die Kommission, soweit möglich binnen 27 Monaten nach Bekanntgabe der Richtlinie, dem Rat ihre ersten Vorschläge übermittelt, die sie aufgrund der vergleichenden Prüfung der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Programme erarbeitet hat. Da die Kommission davon ausging, dass die Mitgliedstaaten nicht in der Lage seien, ihr die einschlägigen Angaben innerhalb dieser Frist mitzuteilen, schlug sie ihnen mit Schreiben vom 3. November 1976 den 15. September 1981 als Datum für die Aufstellung der Programme und den 15. September 1986 als Datum für ihre Umsetzung vor.

    9. Die Richtlinie wurde teilweise durch die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung ersetzt, die auf die Vermeidung und, wo dies nicht möglich ist, auf die Verringerung der Emissionen der Anlagen bestimmter Industrietätigkeiten in die Luft, das Wasser und in den Boden gerichtet ist.

    10. Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie 96/61 sieht vor, dass die Artikel 3, 5, 6 Absatz 3 und 7 Absatz 2 der Richtlinie 76/464 so lange für unter die Richtlinie 96/61 fallende bestehende Anlagen gelten, wie die in deren Artikel 5 genannten erforderlichen Maßnahmen von den zuständigen Behörden nicht getroffen worden sind. Dagegen gelten nach Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie 96/61 die das Genehmigungsverfahren betreffenden Bestimmungen bestimmter Richtlinien, zu denen auch die Richtlinie 76/464 gehört, ab dem Zeitpunkt der Anwendung der Richtlinie 96/61, d. h. ab dem 30. Oktober 1999, nicht mehr für neue Anlagen.

    11. Im Übrigen wird derzeit der Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (im Folgenden: neue Ordnungsrahmen-Richtlinie) vorbereitet. Diese scheint die im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Vorschriften früher oder später ersetzen zu sollen.

    12. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass das Königreich der Niederlande die Zweckmäßigkeit der von der Kommission erhobenen Klage in Frage stellt. Die Artikel 3, 5, 6 Absatz 3 und 7 Absatz 2 der Richtlinie seien nämlich auf wichtige Industriesektoren bald nicht mehr anwendbar. Die neue Ordnungsrahmen-Richtlinie auf dem Gebiet des Wassers ersetze die Richtlinie zunächst teilweise, anschließend vollständig.

    13. Außerdem machten die Ordnungsrahmen-Richtlinie und die Richtlinie 96/61 die Unterscheidung zwischen Stoffen der Liste I und solchen der Liste II hinfällig. Nach der aus diesen Richtlinien folgenden Regelung seien die Qualitätsziele nur ein zweitrangiges Hilfsmittel zur Bekämpfung der Gewässerverschmutzung. Der Streit über die Auslegung der Liste II erster Gedankenstrich, der einen wesentlichen Teil dieses Rechtsstreits darstelle, werde daher binnen Kurzem obsolet.

    14. Die Verwunderung der niederländischen Regierung ist verständlich. Es überrascht auch mich, dass die Kommission von den Mitgliedstaaten verlangt, in der Lage zu sein, Qualitätsziele für ihre Gewässer festzulegen, während es ihr selbst nicht gelungen ist, solche für den Großteil der betroffenen Stoffe vorzuschlagen, wie es ihr durch Artikel 6 Absatz 2 aufgegeben wird (zusätzlich zu den in Artikel 6 Absatz 1 vorgesehenen Grenzwerten). Sah sich die Kommission mit anderen wissenschaftlichen und technischen Schwierigkeiten konfrontiert als die Mitgliedstaaten?

    15. Nach ständiger Rechtsprechung, die der Beklagte nicht in Frage stellt, verfügt die Kommission über ein Ermessen, wenn es darum geht, über die Zweckmäßigkeit einer Klageerhebung wegen einer Vertragsverletzung zu entscheiden. Außerdem ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befindet, im vorliegenden Fall am 23. Februar 1997. Der letztgenannte Grundsatz wurde vom Gerichtshof erst vor Kurzem im Zusammenhang mit der Verletzung der gleichen Richtlinie in den vorgenannten Urteilen Kommission/Griechenland und Kommission/Portugal wiederholt.

    16. Zunächst sind daher die von der Kommission vorgebrachten Rügen zu prüfen.

    17. Eine weitere Vorbemerkung ist hinsichtlich des Gegenstands des Rechtsstreits geboten. Die von der Kommission vor dem Gerichtshof gestellten Anträge gehen von einem allgemeinen Verstoß gegen die Richtlinie aus. Die Rügen, die die Kommission während des Vorverfahrens vorgebrachte hatte, betrafen hingegen nur das Schelde-Becken.

    18. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Klage wegen einer Vertragsverletzung nur zulässig, wenn ihr Gegenstand in dem im Vorverfahren festgelegten Rahmen bleibt.

    19. Die Klage der Kommission ist daher nur insoweit als zulässig anzusehen, als sie das Schelde-Becken betrifft.

    Zur Verletzung der Verpflichtung, Qualitätsziele für die Stoffe der Liste II erster Gedankenstrich festzulegen

    20. Die Kommission wirft den niederländischen Behörden vor, ihre Verpflichtungen dadurch verletzt zu haben, dass sie keine Programme mit Qualitätszielen für die Stoffe der Liste I aufgestellt hätten, für die noch keine Grenzwerte auf der Gemeinschaftsebene festgelegt worden seien.

    21. Nach Ansicht der Kommission fallen solche Stoffe nämlich in den Anwendungsbereich der Liste II erster Gedankenstrich, und die Verschmutzung der Gewässer durch diese Stoffe müsse daher mit den in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehenen Mitteln bekämpft werden, zu denen die Programme mit Qualitätszielen gehörten.

    22. Das Königreich der Niederlande bestreitet nicht, dass es weder solche Programme noch solche Ziele festgelegt habe. Es macht aber geltend, dass die von der Kommission vertretene Auslegung der Liste II erster Gedankenstrich falsch sei und dass die Stoffe der Liste I, für die keine Grenzwerte auf Gemeinschaftsebene festgelegt worden seien, dennoch nach der Regelung der Artikel 3 bis 6 der Richtlinie zu behandeln seien.

    23. Die Argumentation des Beklagten stützt sich auf den Wortlaut der Richtlinie, auf ihre Systematik und ihr Ziel sowie auf ihre bisherige Anwendung.

    24. Hinsichtlich des Wortlauts der Richtlinie macht das Königreich der Niederlande geltend, es handle sich nach dem Wortlaut des ersten Gedankenstrichs der Liste II bei den streitigen Stoffen um die Stoffe der in der Liste I aufgeführten Stofffamilien und Stoffgruppen, für die die in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Grenzwerte nicht festgelegt werden".

    25. Insbesondere aus der deutschen und der niederländischen Fassung, die für ne sont pas déterminées" die Worte niet worden vastgesteld" bzw. nicht festgelegt werden" verwenden, schließt der Beklagte, dass die Familien und Gruppen der Liste I nur dann unter die Regelung der Liste II fallen, wenn ausdrücklich feststehe, dass für diese Stofffamilien und -gruppen in der Zukunft keine Grenzwerte festgelegt würden.

    26. Hinsichtlich der Systematik und des Ziels der Richtlinie trägt das Königreich der Niederlande vor, dass die Stoffe der Liste I der Richtlinie unter die Regelung der Artikel 3 bis 6 der Richtlinie fielen, die strenger als die des Artikels 7 für Stoffe der Liste II sei. Dies erkläre, warum die hochgiftigen Stoffe in der Liste I zusammengefasst seien, was somit strengste Maßnahmen rechtfertige, während die in der Liste II aufgeführten Stoffe nur eine geringere Giftigkeit aufwiesen.

    27. Die Stoffe aus der Liste I müssten daher besonders intensiv bekämpft werden, um das Ziel der Richtlinie, die als hochgiftig bekannten Stoffe so weit wie möglich zu beseitigen, nicht zu gefährden.

    28. Es sei daher falsch, solche Stoffe, wie die Kommission dies tue, nur deswegen der weniger strengen Regelung der Liste II unterstellen zu wollen, weil der Rat noch keine Grenzwerte für die Emission dieser Stoffe festgelegt habe. Allein diese Tatsache ändere nämlich nichts an der Giftigkeit dieser Stoffe, die deshalb einer strengen Regelung wie der der Artikel 3 bis 6 der Richtlinie unterstellt werden müssten.

    29. Nur in dem Ausnahmefall, dass der Rat förmlich seine Absicht mitgeteilt habe, für einen Stoff der Liste I keine Gemeinschaftsgrenzwerte festlegen zu wollen, sei dieser Stoff als einer der Liste II zu behandeln.

    30. Der Beklagte weist auch auf eine andere Folge der von der Kommission vorgeschlagenen Auslegung hin, die ebenfalls nicht mit der Systematik der Richtlinie vereinbar sei. Zur Liste I der Richtlinie gehörten zehntausende Stoffe, für die der Rat noch keine Gemeinschaftsnormen festgelegt habe. Müsste man davon ausgehen, dass sie alle zur Liste II gehörten, wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, für jeden einzelnen dieser Stoffe Qualitätsziele festzulegen.

    31. Die Praxis der Gemeinschaftsorgane nach dem Inkrafttreten der Richtlinie bestätige diese Schlussfolgerung. Sie zeige nämlich, dass die Kommission dem Rat zahlreiche Vorschläge unterbreitet habe, die zur Festlegung von Gemeinschaftsnormen geführt hätten. Außerdem sei sie verpflichtet, solche Vorschläge für die im vorliegenden Fall streitigen 114 Stoffe zu unterbreiten.

    32. Der Beklagte schließt daraus, dass die Kommission selbst anerkannt habe, dass für diese Stoffe Grenzwerte hätten festgelegt werden müssen und dass sie der strengen Regelung der Artikel 3 bis 6 der Richtlinie hätten unterstellt werden müssen. Der Grund dafür, dass dies noch nicht geschehen sei, sei bei der Kommission zu suchen, und die Verantwortung dafür könne nicht den Mitgliedstaaten zugewiesen werden.

    33. Die Kommission beruft sich zur Unterstützung ihrer Auslegung auf die englische Fassung, die die Worte have not been determined" verwende, sowie auf das vorgenannte Urteil Kommission/Luxemburg, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Liste II erster Gedankenstrich der Richtlinie die Stoffe aufzähle, für die der Rat noch" keine Gemeinschaftsgrenzwerte festgelegt habe.

    34. Der Beklagte macht dagegen - meines Erachtens zu Recht - geltend, dass dieses Zitat dem darstellenden Teil des Urteils entnommen worden sei, und zwar in einer Rechtssache, in der die Auslegung dieser Vorschrift nicht streitig gewesen sei. Daraus könne daher nicht geschlossen werden, dass der Gerichtshof den Standpunkt der Kommission teile.

    35. Es ist jedoch festzustellen, dass der Gerichtshof in zwei neueren Urteilen, nämlich den vorgenannten Urteilen Kommission/Belgien, Randnummer 35, und Kommission/Deutschland, Randnummern 27, 29 und 30, ausdrücklich klargestellt hat, dass - entgegen der Ansicht des Beklagten - die Stoffe der Liste I, für die der Rat noch keine Emissionsgrenzwerte festgelegt hat, vorläufig wie Stoffe der Liste II zu behandeln sind, die der Regelung des Artikels 7 der Richtlinie unterliegen.

    36. In den Randnummern 35 und 40 des Urteils Kommission/Belgien hat der Gerichtshof klargestellt, dass dies für die fraglichen Stoffe gilt, die ermittelt worden sind" und die im nationalen Rahmen jedes einzelnen Mitgliedstaats von Bedeutung sind". Ich sehe keinen Grund, warum dies nicht auch für das Königreich der Niederlande gelten soll. Dieser Mitgliedstaat ist somit nicht verpflichtet, Programme mit Qualitätszielen für zehntausende Stoffe aufzustellen, sondern lediglich für diejenigen der 114 Stoffe, für die der Rat noch keine Grenzwerte aufgestellt hat, die tatsächlich in den niederländischen Strömen und Flüssen enthalten sein können.

    37. Nebenbei ist zu bemerken, dass es überrascht, dass die Kommission den Gegenstand ihrer Klage nicht auf diese 114 Stoffe beschränkt hat, obwohl ihre Klagen gegen das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich Belgien, die Hellenische Republik und die Portugiesische Republik nur 99 Stoffe betrafen. (Wie ich bereits oben erwähnt habe, hat die Kommission ihre Vorschläge für 15 Stoffe zurückgezogen, so dass 114 Stoffe verbleiben, für die Grenzwerte weder vom Rat festgelegt noch vor der Kommission vorgeschlagen worden sind).

    38. Trotz dieser Einschränkungen folgt aus alledem, das die von dem Beklagten vorgeschlagene Auslegung der Liste II erster Gedankenstrich zurückzuweisen ist.

    39. Der Beklagte macht jedoch auch geltend, dass die auf die betroffenen Stoffe nach nationalem Recht angewandte Regelung, die Genehmigungen mit Emissionsgrenzwerten vorsehe, der in der Richtlinie für die Stoffe der Liste I vorgesehenen Regelung vergleichbar und daher strenger als die Regelung sei, die nach dem Willen der Kommission angewandt werden solle. Den niederländischen Behörden könne daher im vorliegenden Fall keine Vertragsverletzung vorgeworfen werden.

    40. Die Angemessenheit der in den Niederlanden bestehenden Regelung werde durch die dort auf dem Gebiet des Gewässerschutzes erzielten Erfolge umfassend belegt.

    41. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die von den niederländischen Behörden aufgestellte Regelung auf Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen beruhe und somit nicht, wie die Kommission dies zu tun scheine, als eine bloße Verwaltungspraxis anzusehen sei, die die Behörden nach ihrem Ermessen ändern könnten.

    42. Es ist jedoch festzustellen, dass der Gerichtshof in dem vorgenannten Urteil Kommission/Deutschland ausdrücklich entschieden hat, dass der von einem Mitgliedstaat durch die Festsetzung von Emissionsgrenzwerten vorgenommene Aufbau eines Schutzsystems, das dem des Artikels 6 der Richtlinie entspreche, nicht von der Verpflichtung zur Aufstellung von Programmen mit Qualitätszielen für die betroffenen Stoffe befreie, der der Gemeinschaftsgesetzgeber besondere Bedeutung zugemessen habe.

    43. Insoweit hat der Gerichtshof das Argument, die Anwendung von Emissionsgrenzwerten sei für sich genommen ein strengeres Mittel als die in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehenen Programme mit Qualitätszielen, für unbegründet gehalten. Er hat nämlich entschieden, dass in diesem Bereich alles davon abhänge, wie hoch die Grenzwerte festgelegt würden.

    44. Der Gerichtshof hat auch darauf hingewiesen, dass die Verbesserung der Gewässerqualität in einem Mitgliedstaat nicht zu dem Schluss berechtige, dass die von diesem gewählte Methode strenger als die in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehenen Programme seien, da eine solche Verbesserung dem Ergebnis entspreche, zu dem der Mitgliedstaat durch die Anwendung der Richtlinie hätte gelangen müssen, und ihn nicht von seiner Verpflichtung zum Erlass der in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen entbinde.

    45. Das Vorbringen des Beklagten ist somit zurückzuweisen und die erste Rüge der Kommission als begründet anzusehen.

    Zur Verletzung der Verpflichtung, Qualitätsziele für die Stoffe der Liste II zweiter Gedankenstrich aufzustellen

    46. Die Kommission macht geltend, dass das Königreich der Niederlande für die vierte Kategorie von Stoffen der Liste II zweiter Gedankenstrich und für bestimmte Stoffe der ersten Kategorie dieses Gedankenstrichs, nämlich Titan, Bor, Uran, Tellur und Silber, noch keine Qualitätsziele festgelegt habe.

    47. Der Beklagte bestreitet diese Vertragsverletzung nicht, weist aber darauf hin, dass er sich damit konfrontiert gesehen habe, dass es - selbst anhand der internationalen Literatur - unmöglich sei, wissenschaftlich fundierte Werte zu finden, die als Grundlage für die Festlegung von Qualitätszielen dienen könnten. Zu diesem Zweck hätten daher wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die in der Richtlinie verlangten Qualitätsziele würden so bald wie möglich festgelegt.

    48. Ich weise noch einmal darauf hin, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes klar ergibt, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist zu beurteilen ist. Es ist unbestritten, dass die Vertragsverletzung zu diesem Zeitpunkt noch vorlag.

    49. Außerdem sind nach ständiger Rechtsprechung technische Schwierigkeiten, mit denen sich ein Mitgliedstaat bei der Erfuellung seiner Verpflichtungen konfrontiert gesehen haben könnte, nicht geeignet, eine Vertragsverletzung auszuräumen. Der Mitgliedstaat hätte, wie die Kommission bemerkt, die Möglichkeit gehabt, eine Fristverlängerung bei ihr zu beantragen.

    50. Die niederländische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass aus dem Wortlaut des Artikels 7 Absätze 1, 2 und 3 hervorgehe, dass diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht verpflichte, Qualitätsziele für die Stoffe festzulegen. Dies sei im Übrigen logisch, weil es sich um Tausende handele.

    51. Die Mitgliedstaaten seien daher nur verpflichtet, Qualitätsziele für die Gewässer und nicht für die Stoffe festzulegen.

    52. Der Beklagte räumt jedoch ein, dass diese Qualitätsziele notwendigerweise Bezug auf die Konzentrationen der in den Gewässern vorhandenen Stoffe nehmen müssten, da die Emissionsgrenzwerte, mit denen die Genehmigungen für die Ableitung dieser Stoffe versehen würden, gemäß Artikel 7 Absatz 2 anhand dieser Qualitätsziele festgelegt würden.

    53. Die Kommission bemängelt gerade das Fehlen eines solchen Bezugs für die streitigen Stoffe in den festgelegten Gewässern, nämlich denen des Schelde-Beckens.

    54. Wie wir gesehen haben, bestreitet die niederländische Regierung dieses Fehlen im Übrigen nicht.

    55. Sie weist zutreffend noch darauf hin, dass die Qualitätsziele nur die Stoffe betreffen müssten, die in den betroffenen Gewässern vorhanden sein könnten.

    56. Der Beklagte trägt jedoch nicht vor, dass dies bei den Stoffen, die Gegenstand des zweiten Teils der Klage der Kommission sind, nicht der Fall sei.

    57. Aus alledem folgt, dass auch die zweite Rüge der Kommission als begründet anzusehen ist.

    Ergebnis

    58. Aus den vorgenannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor,

    - festzustellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft verstoßen hat, dass es für das Schelde-Becken nicht alle erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, die die Umsetzung des Artikels 7 Absätze 1, 2 und 3 der Richtlinie erfordert;

    - die Klage im Übrigen abzuweisen;

    - dem Beklagten drei Viertel der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

    - der Kommission ein Viertel der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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