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Document 61997TJ0126
Judgment of the Court of First Instance (Fourth Chamber) of 29 September 1999. # Sonasa - Sociedade Nacional de Segurança Ldª v Commission of the European Communities. # Action for annulment - European Social Fund - Reduction of financial assistance - Legitimate expectations - Legal certainty - Sound administration - Inadequate statement of reasons. # Case T-126/97.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 29. September 1999.
Sonasa - Sociedade Nacional de Segurança Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Nichtigkeitsklage - Europäischer Sozialfonds - Kürzung eines Zuschusses - Vertrauensschutz - Rechtssicherheit - Ordnungsgemäße Verwaltung - Unzureichende Begründung.
Rechtssache T-126/97.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 29. September 1999.
Sonasa - Sociedade Nacional de Segurança Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Nichtigkeitsklage - Europäischer Sozialfonds - Kürzung eines Zuschusses - Vertrauensschutz - Rechtssicherheit - Ordnungsgemäße Verwaltung - Unzureichende Begründung.
Rechtssache T-126/97.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 II-02793
ECLI identifier: ECLI:EU:T:1999:239
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 29. September 1999. - Sonasa - Sociedade Nacional de Segurança Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Europäischer Sozialfonds - Kürzung eines Zuschusses - Vertrauensschutz - Rechtssicherheit - Ordnungsgemäße Verwaltung - Unzureichende Begründung. - Rechtssache T-126/97.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite II-02793
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 Sozialpolitik - Europäischer Sozialfonds - Zuschuß zur Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung - Entscheidung über die Kürzung eines zunächst gewährten Zuschusses - Kürzung wegen Nichteinhaltung der Bedingungen der Bewilligungsentscheidung - Kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
(Verordnung Nr. 2950/83 des Rates, Artikel 6 Absatz 1)
2 Handlungen der Organe - Begründungspflicht - Umfang - Entscheidung der Kommission, mit der auf Vorschlag eines Mitgliedstaats ein Zuschuß des Europäischen Sozialfonds zu einer Maßnahme der beruflichen Bildung gekürzt wird
(EG-Vertrag, Artikel 190 [jetzt Artikel 253 EG])
1 Aus Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 geht klar hervor, daß die Gewährung eines Zuschusses des Europäischen Sozialfonds davon abhängt, daß der Empfänger die Bedingungen der Maßnahme, so wie sie sich aus der Genehmigungsentscheidung ergeben, einhält. Hat der Empfänger diese Bedingungen nicht eingehalten, kann er nicht unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes die Zahlung des gesamten in der Genehmigungsentscheidung gewährten Betrages verlangen.
Ein Unternehmen, das sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat, kann sich daher nicht auf diesen Grundsatz berufen, um die Rechtmässigkeit einer Entscheidung der zur Kürzung eines Zuschusses befugten Kommission zu bestreiten, die auf die Verletzung der Genehmigungsbedingungen gestützt wird, um den ursprünglich gewährten Zuschuß zu kürzen.
2 Die in Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) festgelegte Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht. Der Umfang der Begründungspflicht hängt von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.
Eine Entscheidung, durch die der Betrag eines ursprünglich vom Europäischen Sozialfonds gewährten Zuschusses gekürzt wird, muß, insbesondere wegen der schwerwiegenden Folgen einer solchen Entscheidung für den Zuschussempfänger, entweder selbst die Gründe klar wiedergeben, die diese Kürzung gegenüber dem ursprünglich bewilligten Betrag rechtfertigen, oder andernfalls aufgrund des Systems enger Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, auf dem die Gewährung derartiger Zuschüsse beruht, hinreichend deutlich auf einen Rechtsakt der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats Bezug nehmen, in dem diese die Gründe für eine derartige Kürzung klar angeben.
Rechtlicher Rahmen des Rechtsstreits
1 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a des Beschlusses 83/516/EWG des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 38) beteiligt sich der Europäische Sozialfonds (im folgenden: ESF) an der Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung und Berufsberatung.
2 Die Pläne zur Finanzierung dieser Maßnahmen, die von einem Mitgliedstaat oder einer von diesem benannten Stelle einzureichen sind, werden mit einer Genehmigungsentscheidung der Kommission gebilligt. Gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 hat der Mitgliedstaat, in dessen Namen der Plan eingereicht wird, seine ordnungsgemässe Verwirklichung zu gewährleisten.
3 Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG (ABl. L 289, S. 1) sieht vor, daß Anträge auf Restzahlung einen ins einzelne gehenden Bericht über den Inhalt, die Ergebnisse und die finanziellen Einzelheiten der betreffenden Maßnahme enthalten und daß der Mitgliedstaat bestätigt, daß die im Antrag enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind.
4 Nach Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung kann die Kommission einen Zuschuß des ESF, der nicht entsprechend den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird, aussetzen, kürzen oder streichen, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
5 Nach Artikel 6 Absatz 2 ist ein Betrag, der nicht entsprechend den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurde, zu erstatten.
Dem Rechtsstreit zugrundeliegender Sachverhalt
6 Das Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Behörde für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds; im folgenden: DAFSE) vertritt den portugiesischen Staat in den Bereichen, die den ESF betreffen. Es ist der ausschließliche portugiesische Gesprächspartner der Dienststellen der Kommission, die für die vom ESF finanzierten Maßnahmen zuständig sind, und der öffentlichen und privaten Einrichtungen, die in Portugal einen Zuschuß des ESF wünschen.
7 Die Klägerin, die Sonasa - Sociedade Nacional de Segurança, Ld.°, beantragte beim DAFSE einen Zuschuß des ESF für eine im Haushaltsjahr 1989 durchzuführende berufliche Bildungsmaßnahme (im folgenden: Zuschussantrag).
8 Das DAFSE reichte diesen Antrag sodann im Namen des portugiesischen Staates für die Klägerin bei der Kommission ein.
9 Das Vorhaben, für das der Zuschuß beantragt wurde, wurde durch die Entscheidung C(89) 0570 der Kommission vom 22. März 1989 (im folgenden: Genehmigungsentscheidung) genehmigt, mit der der Klägerin 35 083 325 ESC für die Ausbildung von 249 Personen unter 25 Jahren gewährt wurden.
10 Der portugiesische Staat verpflichtete sich seinerseits, das Vorhaben der Klägerin aus dem Orçamento da Segurança Social/Instituto de Gestão Financeira da Segurança Social (Haushalt der Sozialversicherung/Institut für die Finanzverwaltung der Sozialversicherung; im folgenden: OSS/IGFSS) in Höhe von 28 704 538 ESC zu finanzieren.
11 Während der Durchführung der Bildungsmaßnahme erhielt die Klägerin am 8. Mai und am 5. Juli 1989 Vorauszahlungen auf die vom ESF und vom OSS/IGFSS gewährten Zuschüsse.
12 Nach einer im Juli 1989 durchgeführten Kontrolle stellte das DAFSE fest, daß die ursprünglich vorgesehene Dauer des Ausbildungsprogramms verkürzt und die ursprünglich vorgesehene Teilnehmerzahl verringert worden war, und folgerte daraus, daß der Zuschuß zu kürzen sei. Später revidierte es jedoch diese Ansicht und empfahl mit einem Schreiben an die Kommission vom 6. März 1990 die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Genehmigungsentscheidung.
13 Nach Abschluß der Bildungsmaßnahme übermittelte die Klägerin dem DAFSE ihre Abschlußbilanz, die geringere tatsächliche Gesamtkosten auswies als ursprünglich vorgesehen, sowie den Antrag auf Restzahlung. Beides wurde am 27. Oktober 1990 an die Kommission gesandt.
14 Bei einer ersten Prüfung des Antrags auf Restzahlung hatte das DAFSE Zweifel an der Korrektheit der darin enthaltenen Angaben. Dennoch nahm es am 27. Juni 1991 eine weitere Teilzahlung vor, allerdings unter dem Vorbehalt, daß die Kommission die Korrektheit der Abschlußbilanz über die Maßnahme feststelle.
15 Am 20. August 1991 informierte das DAFSE die Kommission darüber, daß es die von der Klägerin eingereichte Abschlußbilanz nach nochmaliger Prüfung der Akte gebilligt habe.
16 Nach Erhalt dieser Mitteilung forderte die Kommission das DAFSE auf, die Akte der Klägerin noch eingehender zu prüfen.
17 Am 12. Oktober 1992 teilte das DAFSE der Klägerin mit, daß ein unabhängiges Unternehmen mit der Finanz- und Rechnungsprüfung ihrer beruflichen Bildungsmaßnahme betraut worden sei.
18 Das mit der Prüfung beauftragte Unternehmen sprach sich in einem im Oktober 1993 erstellten Bericht für eine Kürzung des Zuschusses für die von der Klägerin durchgeführte berufliche Bildungsmaßnahme aus, da bestimmte Ausgaben als nicht förderungsfähig betrachtet werden müssten. Aus dem Bericht geht u. a. hervor, daß die Praktikanten nur eine einwöchige praktische Ausbildung erhalten hätten und daß sie wie echte Arbeitnehmer im Betrieb eingesetzt worden seien.
19 Nachdem die Klägerin und das DAFSE mehrmals den Inhalt des Finanz- und Rechnungsprüfungsberichts erörtert hatten, erließ das DAFSE am 1. Februar 1996 gemäß dem in Artikel 100 des Código de Processo Administrativo Português (portugiesisches Verwaltungsverfahrensgesetz) vorgesehenen Verfahren die Entscheidung, der Kommission die Kürzung des Zuschusses vorzuschlagen.
20 Mit Schreiben vom 20. März 1996 forderte das DAFSE die Klägerin auf, einen Teil der Vorauszahlungen für ihre Bildungsmaßnahme zurückzuzahlen, und wies dabei darauf hin, daß diese Rückzahlungsforderung nicht die von der Kommission noch zu erlassende Entscheidung über die endgültige Höhe des Zuschusses des ESF vorwegnehme.
21 Die Ergebnisse der Finanz- und Rechnungsprüfung wurden der Kommission am 5. September 1996 vom portugiesischen Staat mitgeteilt.
22 Am 16. Dezember 1996 erließ die Kommission auf der Grundlage von Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 die der Klägerin am 19. Februar 1997 bekanntgegebene Entscheidung C(96) 3451 (im folgenden: streitige Entscheidung), mit der sie den ursprünglich gewährten Zuschuß des ESF für die von dieser durchgeführte berufliche Bildungsmaßnahme kürzte.
Verfahren und Anträge der Parteien
23 Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 22. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.
24 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und schriftliche Fragen an die Kommission zu richten, die diese am 3. März 1999 beantwortet hat.
25 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung am 25. März 1999 mündlich verhandelt.
26 Die Klägerin beantragt,
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
27 Die Beklagte beantragt,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
28 Die Klägerin macht drei Nichtigkeitsgründe geltend, erstens die Verletzung der allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung, zweitens die Verletzung des Grundsatzes der Wahrung wohlerworbener Rechte und drittens eine unzureichende Begründung der streitigen Entscheidung.
Zum ersten Nichtigkeitsgrund: Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung
Vorbringen der Parteien
29 Die Klägerin führt folgendes aus:
a) Das DAFSE und die Kommission hätten nach ihrer Genehmigung des Ausbildungsprogramms mehrfach ihre Ansicht über die Höhe der für die Durchführung des Programms gewährten Zuschüsse geändert. So hätten sie eine Kürzung des Betrages zurückgenommen, die vorgenommen worden sei, weil bestimmte, zum theoretischen Ausbildungsteil gehörige "theoretische Praktika" im Gegenteil praxisbezogen gewesen seien, was einen Verstoß gegen die Vorschrift zur Folge gehabt habe, daß die praktische Ausbildung nicht über die theoretische hinausgehen dürfe.
b) Insbesondere habe das DAFSE, nachdem es seine in der Anfangsphase des Programms zum Ausdruck gebrachte negative Bewertung revidiert und dabei förmlich einen materiellen Fehler bei dieser eingeräumt habe, zu einem späteren Zeitpunkt - als das Programm schon abgeschlossen gewesen sei und das DAFSE der Kommission bereits sein Einverständnis mit der Kostenstruktur und der Finanzierungsaufstellung in dem Antrag auf Restzahlung mitgeteilt gehabt und sogar den in die nationale Zuständigkeit fallenden Teil des Zuschusses ausgezahlt habe - seine Kritik wiederholt und die Höhe des ursprünglich vorgesehenen Zuschusses erneut reduziert, indem es die Rückerstattung eines Teils der gezahlten Gelder verlangt habe.
c) Das Schweigen der Kommission auf die Schreiben des DAFSE habe nur bedeuten können, daß sie dessen Schlußfolgerungen teile und bestätige.
d) Die Zahlung eines letzten Teils des Zuschusses durch das DAFSE nach Billigung der mit dem Antrag auf Restzahlung eingereichten Abschlußbilanz habe ein berechtigtes Vertrauen auf die Anerkennung des Anspruchs auf den Zuschuß selbst entstehen lassen.
e) Die Kommission habe die streitige Entscheidung erlassen, die die endgültige Haltung des DAFSE zur Kürzung des Zuschusses bestätigt habe, ohne je die Begründetheit der Behauptungen der nationalen Stelle und des Ergebnisses des Finanz- und Rechnungsprüfungsberichts überprüft zu haben, und sie habe dabei sieben Jahre ab Eingang des Antrags auf Restzahlung verstreichen lassen.
30 Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Klägerin der Ansicht, daß die Kommission ganz offensichtlich gegen die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung verstossen habe.
31 Die Beklagte erwidert darauf folgendes:
a) Die streitige Entscheidung stütze sich nicht nur auf die Beurteilung der "theoretischen Praktika", sondern auch darauf, daß die Klägerin die Bildungsmaßnahme für nur 137 statt der 249 anfänglich vorgesehenen Praktikanten durchgeführt habe, sowie auf die Feststellung, daß weitere Bedingungen für die Durchführung des genehmigten Antrags nicht eingehalten worden seien.
b) Der Zahlung der vorläufigen Restbeträge sowohl des nationalen Beitrags als auch des Zuschusses des ESF durch das DAFSE lasse sich kein Anerkenntnis des ESF entnehmen, daß die gezahlte Summe auch tatsächlich geschuldet sei. Das einschlägige portugiesische Recht weise sehr klar darauf hin, daß die Zahlung unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung des Abschlusses durch die Kommission beim Erlaß der Entscheidung über die Gewährung des Restbetrags erfolge.
c) Nach ständiger Rechtsprechung entscheide die Kommission über die Anträge auf Restzahlung und nicht die nationalen Stellen.
d) Das für den ESF geltende Gemeinschaftsrecht verpflichte die Kommission nicht zu einer unabhängigen Untersuchung der Situation und gestatte ihr, sich bei ihrer endgültigen Entscheidung auf die ordnungsgemäß begründeten Schlußfolgerungen des Mitgliedstaats zu stützen.
Würdigung durch das Gericht
32 Die drei von der Klägerin vorgebrachten Rügen sind zweckmässigerweise einzeln und nacheinander zu prüfen.
- Zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
33 Jeder Wirtschaftsteilnehmer, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat, kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1997 in der Rechtssache T-81/95, Interhotel/Kommission, Slg. 1997, II-1265, Randnr. 45).
34 Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht von einem Unternehmen geltend gemacht werden, das sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat (siehe Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996, II-247, Randnr. 76).
35 Vorab ist festzustellen, daß die streitige Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 erlassen wurde, wonach die Kommission einen Zuschuß des ESF, der nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird, aussetzen, kürzen oder streichen kann, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
36 Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, daß die Gewährung eines Zuschusses des ESF an die Voraussetzung geknüpft ist, daß der Empfänger die von der Kommission in der Genehmigungsentscheidung aufgestellten Bedingungen für die Maßnahme respektiert. Im Falle eines Verstosses gegen diese Bedingungen kann der Empfänger daher nicht die berechtigte Erwartung haben, daß der in der Genehmigungsentscheidung gewährte Betrag in voller Höhe ausgezahlt wird.
37 Die Kommission war folglich durch die Verordnung Nr. 2950/83 ermächtigt, nachzuprüfen, ob der Zuschuß des ESF entsprechend den Bedingungen der Genehmigungsentscheidung verwendet wurde, durch die der Klägerin ein Zuschuß von 35 083 325 ESC für eine Ausbildungsmaßnahme für 249 Personen gewährt worden war. Als sie mit dem Antrag auf Restzahlung befasst wurde, hatte sie nach Anhörung des betroffenen Mitgliedstaats zu beurteilen, ob etwaige Verstösse gegen die oben genannten Bedingungen eine Kürzung des Zuschusses gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 2950/83 rechtfertigten (Urteil des Gerichts vom 19. März 1997 in der Rechtssache T-73/95, Oliveira/Kommission, Slg. 1997, II-381, Randnrn. 30 und 31).
38 Es steht aber fest, daß die Zahl der an der Bildungsmaßnahme der Klägerin teilnehmenden Praktikanten erheblich verringert (von 249 auf 137) und die Dauer der Maßnahme beträchtlich verkürzt wurde. Ausserdem konnte die Kommission mit Blick auf den Finanz- und Rechnungsprüfungsbericht feststellen, daß die Praktikanten nur eine einwöchige praktische Ausbildung erhalten hatten und wie echte Arbeitnehmer im Unternehmen eingesetzt wurden.
39 Daraus folgt, daß die Klägerin die Bedingungen, an die die Gewährung des Zuschusses des ESF geknüpft war, offensichtlich nicht eingehalten hat. Daher kann sie sich nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu fordern.
40 Im übrigen kann sie nicht mit Erfolg geltend machen, daß ihr berechtigtes Vertrauen auf die endgültige Zahlung des ursprünglich gewährten Zuschusses in voller Höhe dadurch geweckt worden sei, daß das DAFSE den ganzen Zuschuß oder einen Teil davon ausgezahlt habe, nachdem es die mit dem Antrag auf Restzahlung eingereichte Abschlußbilanz gebilligt habe.
41 Über die Anträge auf Restzahlung entscheidet die Kommission, und allein sie ist befugt, einen Zuschuß des ESF gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 zu kürzen (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in der Rechtssache T-85/94 [122], Kommission/Branco, Slg. 1995, II-2993, Randnr. 23).
42 Obwohl das DAFSE wie jede andere nationale Stelle, die für die Finanzierung von Maßnahmen des ESF zuständig ist, der Kommission in einem Antrag auf Restzahlung gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 vorschlagen kann, einen Zuschuß des ESF zu billigen oder zu kürzen, hat allein die Kommission die Befugnis, eine solche Entscheidung zu treffen. Ausserdem ist jede Zahlung der zuständigen nationalen Stellen insoweit als vorläufig anzusehen, als sie unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung der Kommission steht.
43 Aus den Akten geht auch hervor, daß das DAFSE die Klägerin stets darauf hinwies, daß die empfangenen Zahlungen vorläufig seien und unter dem Vorbehalt dieser Entscheidung stuenden.
44 Daraus folgt, daß alle Mitteilungen des DAFSE an die Klägerin oder die Kommission über die Billigung oder eine etwaige Kürzung des Zuschusses des ESF lediglich als Vorschläge der nationalen Stelle anzusehen sind, die im Rahmen der Kontrolle der ordnungsgemässen Verwirklichung der Bildungsmaßnahme vorgetragen wurden, die den zuständigen nationalen Stellen nach Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 obliegt.
45 Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu fordern.
46 Diese Rüge ist somit nicht begründet.
- Zur Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
47 Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu fordern. Denn dieser Grundsatz, der gebietet, daß Rechtsvorschriften klar und bestimmt sein müssen, und der die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten soll (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20), ist im vorliegenden Fall nicht verletzt, weil die geltende Regelung ausdrücklich die Möglichkeit der Rückforderung des Zuschusses in den Fällen vorsieht, in denen die an die Unterstützung geknüpften Bedingungen nicht eingehalten wurden (Urteil Interhotel/Kommission, Randnr. 61).
48 Diese Rüge ist mithin nicht begründet.
- Zur Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung
49 Die Kommission hat mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.
50 Sie erließ die streitige Entscheidung am 16. Dezember 1996 nach Erhalt des Finanz- und Rechnungsprüfungsberichts am 5. September 1996.
51 Diese Entscheidung ist weder ausschließlich auf den genannten Bericht gestützt noch gar allein auf die Beurteilung des Umfangs der "theoretischen Praktika". Aus ihrer Begründung ist vielmehr klar ersichtlich, daß die Kommission sich auf alle ihr vom DAFSE übermittelten Unterlagen gestützt hat.
52 Die Gewährung von Zuschüssen des ESF beruht auf einem System enger Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, das letztere verpflichtet, die Kontrollen zu erleichtern, mit denen die Kommission feststellen will, ob die durchgeführten oder begonnenen Maßnahmen mit den im jeweiligen Fall festgelegten Auflagen im Einklang stehen (Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-85/94, Kommission/Branco, Slg. 1995, II-47, Randnr. 35; Urteil des Gerichtshofes vom 15. März 1984 in der Rechtssache 310/81, EISS/Kommission, Slg. 1984, 1341, Randnr. 14). Ausserdem ist daran zu erinnern, daß gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 der Mitgliedstaat, in dessen Namen der Plan eingereicht wird, seine ordnungsgemässe Verwirklichung zu gewährleisten hat. Deshalb ist nicht zu beanstanden, daß die Kommission ihre Schlußfolgerungen auf die vom betroffenen Mitgliedstaat eingeholten Informationen gestützt hat.
53 Im vorliegenden Fall wartete die Kommission trotz der langen Zeitspanne zwischen dem Eingang des Antrags auf Restzahlung und dem Erlaß der streitigen Entscheidung zu Recht die Ergebnisse des vom DAFSE angeforderten Finanz- und Rechnungsprüfungsberichts ab, das seinerseits hierzu wegen der Feststellung einiger Unregelmässigkeiten in der Akte berechtigt war (siehe Randnr. 38). Daher liegt in dem Verhalten der Kommission, die Ergebnisse der genannten Prüfung abzuwarten, kein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung.
54 Im übrigen bedeutet die Kenntnis der Kommission von den verschiedenen Stellungnahmen des DAFSE keineswegs, daß sie für das Verhalten der nationalen Stelle verantwortlich ist. Auch wenn sie diese zu einer Beschleunigung des Verfahrens hätte auffordern können, so hätte das nichts an ihrer Verpflichtung geändert, ihre Entscheidung auf der Grundlage aller Informationen zu treffen, die sich auf das Ergebnis auswirken können (Urteil Oliveira/Kommission, Randnr. 32). Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, daß sie für den Erlaß ihrer Entscheidung das Ergebnis der von der nationalen Stelle geführten Untersuchung abwartete.
55 Die dritte Rüge ist somit nicht begründet.
56 Daraus folgt, daß der erste Nichtigkeitsgrund in vollem Umfang zurückzuweisen ist.
Zum zweiten Nichtigkeitsgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Wahrung wohlerworbener Rechte
Vorbringen der Parteien
57 Nach Ansicht der Klägerin lässt der Sachverhalt unbestreitbar erkennen, daß die Kommission ihre wohlerworbenen Rechte unmittelbar verletzt habe. Denn die Genehmigungsentscheidung habe ihr subjektive Rechte verliehen, aufgrund deren sie die vollständige Auszahlung des Zuschusses beanspruchen könne.
58 Die Beklagte erwidert, daß ein Zuschussempfänger, dessen Antrag die Kommission stattgegeben habe, dadurch keinen endgültigen Anspruch auf volle Auszahlung des Zuschusses erwerbe, wenn er die in der Genehmigungsentscheidung festgelegten Bedingungen nicht einhalte. Folglich habe die Klägerin nicht berechtigterweise erwarten können, daß alle nach dem ursprünglichen Zuschussantrag in Ansatz gebrachten Kosten letztlich gebilligt würden.
Würdigung durch das Gericht
59 Nach ständiger Rechtsprechung erwirbt ein Zuschussempfänger, dessen Antrag die Kommission stattgegeben hat, dadurch keinen endgültigen Anspruch auf volle Auszahlung des Zuschusses, wenn er die an die Unterstützung geknüpften Bedingungen nicht eingehalten hat (Urteil Interhotel/Kommission, Randnr. 62).
60 Wie bereits in den Randnummern 38 und 39 festgestellt, hat die Klägerin im vorliegenden Fall die an die Bildungsmaßnahme geknüpften Bedingungen nicht eingehalten.
61 Deshalb ist auch der zweite Nichtigkeitsgrund, nämlich der des Verstosses gegen den Grundsatz der Wahrung wohlerworbener Rechte, zurückzuweisen.
Zum dritten Nichtigkeitsgrund: Unzureichende Begründung
Vorbringen der Parteien
62 Die Klägerin wirft der Kommission vor, bei ihrer Entscheidung nur die Schlußfolgerungen des DAFSE berücksichtigt zu haben, die ihrerseits ausschließlich auf den Finanz- und Rechnungsprüfungsbericht gestützt seien, der wiederum auf Spekulationen beruhe. Daraus folge, daß die Kommission ihre Entscheidung nicht nur ungenau, sondern auch unvollständig begründet habe, indem sie sich auf Unterlagen gestützt habe, die die gleichen Mängel aufwiesen.
63 Die Beklagte hält dem entgegen, daß in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem sie lediglich den Vorschlag eines Mitgliedstaats, einen ursprünglich gewährten Zuschuß zu kürzen, bestätige, ihre Entscheidung als ordnungsgemäß begründet angesehen werden müsse, wenn sie deutlich genug auf diesen Vorschlag Bezug nehme.
Würdigung durch das Gericht
64 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht. Der Umfang der Begründungspflicht hängt von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (Urteil Branco/Kommission, Randnr. 32).
65 Da eine Entscheidung über die Kürzung eines Zuschusses des ESF für den Empfänger des Zuschusses schwerwiegende Folgen haben kann, muß ihre Begründung nach der Rechtsprechung die Gründe klar wiedergeben, die diese Kürzung gegenüber dem ursprünglich bewilligten Betrag rechtfertigen (Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache T-450/93, Lisrestal u. a./Kommission, Slg. 1994, II-1177, Randnr. 52).
66 Somit ist zu prüfen, ob die streitige Entscheidung im vorliegenden Fall den Voraussetzungen des Artikels 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) in seiner Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter genügt.
67 Wie bereits festgestellt wurde, geht sowohl aus der anwendbaren Regelung als auch aus der Rechtsprechung hervor, daß die Gewährung von Zuschüssen des ESF auf einem System enger Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten beruht.
68 In einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem die Kommission den Vorschlag eines Mitgliedstaats, einen ursprünglich gewährten Zuschuß zu kürzen, nur bestätigt, kann eine Entscheidung der Kommission als im Sinne des Artikels 190 EG-Vertrag ordnungsgemäß begründet angesehen werden, wenn sie entweder die Gründe, die die Kürzung des Zuschusses rechtfertigen, selbst klar zum Ausdruck bringt, oder andernfalls in hinreichender Weise auf einen Rechtsakt der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats Bezug nimmt, in dem diese die Gründe für eine derartige Kürzung klar angeben (Urteil Branco/Kommission, Randnr. 36).
69 Im vorliegenden Fall enthält die streitige Entscheidung aber die genaue Angabe der Gründe, aus denen die Kommission den ursprünglich gewährten Zuschuß gekürzt hat, sowie die Nennung der Unterlagen des DAFSE, auf die sie Bezug genommen hat.
70 Daher ist der dritte Nichtigkeitsgrund, nämlich der einer unzureichenden Begründung, gleichfalls zurückzuweisen.
71 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
72 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.