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Document 61997CC0356

Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 16. Juni 1999.
Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen eG gegen Hauptzollamt Lindau.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht München - Deutschland.
Zusatzabgabe auf Milch - Jährliche Abrechnung der an den Abnehmer gelieferten Milchmengen - Verspätete Übermittlung - Strafbetrag - Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 536/93.
Rechtssache C-356/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-05461

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:310

61997C0356

Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 16. Juni 1999. - Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen eG gegen Hauptzollamt Lindau. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht München - Deutschland. - Zusatzabgabe auf Milch - Jährliche Abrechnung der an den Abnehmer gelieferten Milchmengen - Verspätete Übermittlung - Strafbetrag - Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 536/93. - Rechtssache C-356/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-05461


Schlußanträge des Generalanwalts


Einleitung

1 Mit Beschluß vom 17. September 1997 hat das Finanzgericht München dem Gerichtshof eine Frage nach der Gültigkeit einer Vorschrift der Verordnung Nr. 536/93(1) mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor zur Vorabentscheidung vorgelegt. Im einzelnen ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof darum, die Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 dieser Verordnung zu beurteilen, mit der die Kommission eine Sanktion für die Abnehmer von Milch (Molkereien) eingeführt hat, die die für die Übermittlung der Abrechnungen über die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen an die zuständige Behörde vorgesehene Frist nicht eingehalten haben.

Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen

2 Angesichts einer steigenden Überproduktion im Milchsektor führte die Europäische Gemeinschaft 1984 im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch- und Milcherzeugnisse den Mechanismus der zusätzlichen Mitverantwortungsabgabe ein(2). Nach diesem Mechanismus wird jedem Mitgliedstaat jährlich eine Gesamtgarantiemenge zugeteilt, die von dem Staat selbst in individuelle Quoten für jeden einzelnen Erzeuger aufgeteilt wird. Vermarktet ein Erzeuger eine Milchmenge, die über der ihm zugeteilten Quote liegt, so hat er auf den Überschußbetrag eine Art von Strafe, nämlich die Zusatzabgabe, zu zahlen.

3 Was die Einzelheiten der Erhebung der Abgabe angeht, hatten die Mitgliedstaaten nach der Regelung in der Verordnung von 1984 die Wahl, die Erzeuger unmittelbar mit der Zahlung für eventuelle Überschußmengen zu belasten (Formel A) oder aber diese Aufgabe den Abnehmern zu übertragen, die sich dann bei den Erzeugern/Lieferanten schadlos halten sollten (Formel B)(3).

4 Ursprünglich war die Zusatzabgabenregelung für fünf Zeiträume von jeweils zwölf Monaten vorgesehen. Sie wurde zunächst auf acht Zeiträume(4) und dann auf einen weiteren neunten Zeitraum(5) ausgedehnt.

5 1992 wurde im Rahmen der Reformen der Landwirtschaftspolitik der Gemeinschaft mit der Verordnung Nr. 3950/92 des Rates(6) (im folgenden: Grundverordnung) eine Generalüberholung der Regelung durchgeführt: Diese Verordnung trat an die Stelle der vorher geltenden Rechtsvorschriften und verlängerte die Frist um weitere sieben Zeiträume von jeweils zwölf Monaten (bis zum 31. März 2000). Das Hauptziel der neuen Regelung besteht darin, den Mechanismus von 1984 zu vereinfachen und zu rationalisieren, um ihn effizienter zu machen. Aus diesem Grund wird u. a. den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen, zwischen der Formel A und der Formel B zu wählen, und ausschließlich der Abnehmer mit der Zahlung der Abgabe belastet. In der achten Begründungserwägung wird dazu festgestellt: "Damit es nicht zu den in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Verzögerungen bei der Erhebung und Zahlung der Abgabe kommt, die mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren sind, ist der Abnehmer als derjenige, der am besten in der Lage erscheint, die nötigen Vorgänge abzuwickeln, als der Abgabepflichtige zu bestimmen und sind ihm die Mittel an die Hand zu geben, die Erhebung der Abgabe bei den Erzeugern als den Abgabeschuldnern sicherzustellen."

6 Nach diesem Grundsatz bestimmt Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Grundverordnung: "Bei Lieferungen entrichtet der abgabenpflichtige Abnehmer den fälligen Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und nach festzulegenden Bedingungen an die zuständige Stelle des Mitgliedstaats; er behält ihn bei der Zahlung des Milchpreises an die abgabeschuldenden Erzeuger ein bzw. erhebt ihn auf andere geeignete Weise."

7 Artikel 11 der Grundverordnung überträgt der Kommission wie folgt die Aufgabe, die Regelung durchzuführen: "Die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung und insbesondere die Merkmale der Milch - wie der Fettgehalt -, die bei der Feststellung der gelieferten oder gekauften Milchmengen als repräsentativ gelten, werden nach dem Verfahren des Artikels 30 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 erlassen."(7)

8 Gemäß dieser Vorschrift hat die Kommission die Verordnung Nr. 536/93(8) mit Durchführungsbestimmung zur Zusatzabgabe im Milchsektor (im folgenden: Durchführungsverordnung) erlassen. Wie aus der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung hervorgeht, besteht ihre Hauptaufgabe darin, die ergänzenden Elemente festzulegen, die für die endgültige Berechnung der Abgabe erforderlich sind, die Maßnahmen zur Gewährleistung der rechtzeitigen Zahlung der Abgabe zu bestimmen und sachgerechte Kontrollregeln vorzusehen.

9 In der fünften Begründungserwägung der Durchführungsverordnung wird folgendes unterstrichen: "Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Regelung infolge erheblicher Verzögerungen bei der Übermittlung der Zahlen über die Lieferungen oder Direktverkäufe sowie bei der Zahlung der Abgabe nicht voll wirksam sein konnte. Daraus sind die erforderlichen Folgerungen zu ziehen, indem strenge Anforderungen in Form von Übermittlungs- und Zahlungsfristen gestellt werden, die mit Strafmaßnahmen bewehrt sein müssen."

In der siebten Begründungserwägung der Verordnung wird darüber hinaus festgestellt: "Gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 ist der Abnehmer der Hauptbeteiligte, der für die ordnungsgemäße Anwendung der Regelung sorgen muß."

10 Auf der Grundlage dieser beiden Erwägungen hat die Kommission Artikel 3 der Durchführungsverordnung ausgearbeitet, der die Verpflichtungen der Abnehmer in bezug auf die Übermittlung der Daten über die gelieferten Milchmengen und die Zahlung der Abgabe betrifft. Ich beschränke mich auf die für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Regelungen und zitiere Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1, der folgendes bestimmt: "Nach Ablauf jedes der Zeiträume gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 erstellt der Abnehmer für jeden Erzeuger eine Abrechnung, aus der im Hinblick auf die Referenzmenge und den repräsentativen Fettgehalt, die jeweils für den Erzeuger ermittelt wurden, Menge und Fettgehalt der von ihm gelieferten Milch und/oder des von ihm gelieferten Milchäquivalents hervorgehen."

In Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 ist die Frist angegeben, innerhalb deren diese Daten den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übermittelt werden müssen. Darin heißt es: "Vor dem 15. Mai(9) jedes Jahres übermittelt der Abnehmer der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats eine Aufstellung der Abrechnungen für jeden Erzeuger bzw. unterrichtet sie aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Mitgliedstaats über die Gesamtmenge, die gemäß Artikel 2 Absatz 2 berichtigte Menge und den Durchschnittsfettgehalt der Milch und/oder des Milchäquivalents, die bzw. das ihm von Erzeugern geliefert worden ist, sowie über die Summe der einzelbetrieblichen Referenzmengen und den jeweils für diese Erzeuger ermittelten repräsentativen Durchschnittsfettgehalt."

Durch Absatz 2 Unterabsatz 2, dessen Gültigkeit Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, wird eine finanzielle Sanktion für den Fall eingeführt, daß der Abnehmer die Mitteilung verspätet vornimmt. Dort heißt es nämlich: "Bei Nichteinhaltung der Frist muß der Abnehmer einen Strafbetrag zahlen, der der Abgabe entspricht, die bei einer Überschreitung in Höhe von 0,1 % der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- oder Milchäquivalentmengen zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag darf 20 000 ECU nicht überschreiten."

Artikel 3 Absatz 4 sieht folgendes vor: "Vor dem 1. September jedes Jahres zahlt der abgabenpflichtige Abnehmer der zuständigen Stelle den geschuldeten Betrag nach den vom Mitgliedstaat festgelegten Modalitäten." Auch in diesem Fall ist eine Sanktion vorgesehen. Dazu bestimmt Unterabsatz 2 dieses Absatzes: "Bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist werden auf die geschuldeten Beträge Jahreszinsen erhoben, deren Satz vom Mitgliedstaat festgesetzt wird und der nicht unter dem Zinssatz liegen darf, den der Mitgliedstaat bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge anwendet."

11 Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission im Mai 1998 die in der vorliegenden Rechtssache beanstandete Vorschrift geändert hat(10). Dabei hat sie die absolute Notwendigkeit unterstrichen, die für die Übermittlung der Daten festgesetzte Frist zu beachten(11), die finanziellen Sanktionen verschärft und sie nach dem Ausmaß der Verspätung abgestuft. Außerdem hat sie eine Vorschrift zum Schutz der kleineren Molkereien eingeführt. Die neue Fassung des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung lautet wie folgt: "Der vom Abnehmer im Fall einer Fristüberschreitung zu zahlende Strafbetrag wird wie folgt berechnet:

- Erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung vor dem 1. Juni, entspricht er der Abgabe, die bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- und Milchäquivalentmengen um 0,1 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 500 und höchstens 20 000 ECU;

- erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nach dem 31. Mai und vor dem 16. Juni, entspricht er der Abgabe, die bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- und Milchäquivalentmengen um 0,2 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 1 000 und höchstens 40 000 ECU;

- erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nach dem 15. Juni und vor dem 1. Juli, entspricht er der Abgabe, die bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- und Milchäquivalentmengen um 0,3 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 1 500 und höchstens 60 000 ECU;

- erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nicht bis zum 1. Juli, entspricht er dem unter dem dritten Gedankenstrich genannten und, für jeden Tag der Verspätung im Juli, um 3 % erhöhten Betrag. Dieser Strafbetrag beläuft sich auf höchstens 100 000 ECU.

Werden jedoch dem Abnehmer je Zwölfmonatszeitraum weniger als 100 000 kg geliefert, verringern sich die unter den drei ersten Gedankenstrichen genannten Mindeststrafen auf 100, 200 bzw. 300 ECU."

Das nationale Recht

12 Die nationalen Rechtsvorschriften über die Zusatzabgabe sind in der Milch-Garantiemengen-Verordnung enthalten. Bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung wird in § 11 Absatz 3 dieser Verordnung die Frist 15. Mai für die Übermittlung der vom Abnehmer für jeden Erzeuger erstellten Abrechnungen an die für die Anwendung der Regelung zuständige nationale Stelle übernommen. Außerdem wird in § 11 Absatz 4 eine weitere Frist, der 31. Juli, eingeführt, innerhalb deren eine Mitteilung über die Abgaben von seiten der Molkereien - ebenfalls dem Hauptzollamt - vorzulegen ist.

Sachverhalt und Vorabentscheidungsfrage

13 Die Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen e. G. (im folgenden: Molkerei) ist ein milchverarbeitender Betrieb in der Rechtsform einer Genossenschaft (Molkereigenossenschaft), deren Mitglieder die Milcherzeuger sind, die sie beliefern. Nach dem deutschen Genossenschaftsgesetz impliziert dies, daß ihr Hauptziel nicht in der Gewinnmaximierung, sondern vielmehr in der Förderung der Interessen ihrer Mitglieder besteht. Nach der Zusatzabgabenregelung wird sie jedoch als Abnehmer betrachtet und unterliegt daher den Verpflichtungen in bezug auf die Übermittlung der Daten über die gelieferten Milchmengen und die Zahlung der Abgabe.

14 Am 9. April 1997 schickte das Hauptzollamt Lindau (im folgenden: HZA) der Molkerei eine Mitteilung, mit der sie diese daran erinnerte, daß sie sowohl nach den nationalen Vorschriften als auch nach Artikel 3 Absatz 2 der Durchführungsverordnung spätestens am 14. Mai die Aufstellung der Abrechnungen über die von den Erzeugern jeweils gelieferten Milchmengen zu übermitteln habe.

15 Erst am 16. Mai 1997 sorgte die Molkerei für den Versand der angeforderten Unterlagen per Post. Diese Mitteilung ging, auch weil der 19. Mai 1997 ein Pfingstfeiertag war, beim HZA am 20. Mai 1997 ein. Nach Feststellung der Verspätung setzte das HZA gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Durchführungsverordnung einen Strafbetrag in Höhe von 16 661,80 DM fest.

16 Die Molkerei hielt diese Entscheidung für nicht gerechtfertigt und legte am 28. Mai 1997 Einspruch ein. Dieser wurde am 5. Juni 1997 als unbegründet zurückgewiesen.

17 Daraufhin erhob der Genossenschaftsverband Bayern e. V. als Prozeßbevollmächtigter der Molkerei Klage beim Finanzgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des HZA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, da die Sanktion nicht dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit entspreche.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht räumte auch das HZA ein, daß die Sanktion, die sie nach der gemeinschaftsrechtlichen Regelung zu verhängen habe, ganz unverhältnismäßig sei. Sie beantragte daher, dem Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsersuchens eine Frage nach der Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung, in der die Einzelheiten der Berechnung dieser finanziellen Sanktion festgelegt sind, vorzulegen.

18 Das vorlegende Gericht ist gleichfalls der Auffassung, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Gültigkeit der gerade genannten Vorschrift abhängt, und hat das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende Frage vorzulegen:

Ist Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 (ABl. L 57, S. 12) bezüglich der Erhebung eines Strafbetrags gegenüber einer Molkerei (Abnehmer von Milch) gültig?

Die Vorabentscheidungsfrage

19 Die heute zur Diskussion stehende Rechtssache gehört zu der nun schon umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Milchquoten. Im vorliegenden Fall bezieht sich die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage auf eine der Durchführungsbestimmungen dieser Regelung, die die Kommission im Rahmen der ihr vom Rat aufgrund von Artikel 11 der Grundverordnung delegierten Befugnisse erlassen hat.

20 Wie aus dem Vorlagebeschluß hervorgeht, wird die Gültigkeit dieser Vorschrift - die einen Strafbetrag in Höhe der Abgabe, die erhoben würde, wenn die gelieferten Milchmengen die individuellen Quoten um 0,1 % überstiegen, für die Molkerei vorsieht, die die Abrechnungen über die gelieferte Milch nicht vor dem 15. Mai übermittelt hat - unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten in Frage gestellt. Erstens äußert das vorlegende Gericht Zweifel daran, ob die Kommission dazu befugt war, eine Sanktion gegenüber den Abnehmern von Milch vorzusehen, wobei es annimmt, daß der streitigen Vorschrift eine gültige Rechtsgrundlage fehlt. Zweitens zweifelt es auch die Rechtmäßigkeit der Sanktion als solche an, wobei es der Auffassung ist, daß die Sanktion außer Verhältnis zu dem mit ihr angestrebten Ziel stehe. Dazu kommen zwei weitere Gesichtspunkte, die von der Molkerei, der Klägerin des Ausgangsverfahrens, vorgebracht werden, nämlich ein angeblicher Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien des Strafrechts und ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung für den Fall, daß der Gerichtshof die Ungültigkeit der betroffenen Vorschrift aussprechen sollte, beantragt, die Rückwirkung des Urteils auf die Fälle zu beschränken, in denen die betreffenden Entscheidungen bereits angefochten worden sind. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die vom vorlegenden Gericht geforderte Beurteilung der Gültigkeit sich auf Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung in der Fassung vor der Änderung durch die Verordnung Nr. 1001/98 der Kommission(12) bezieht. Die letztgenannte Verordnung ist erst nach dem Erlaß des Vorlagebeschlusses in Kraft getreten.

Zum Fehlen einer Rechtsgrundlage

21 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, Artikel 11 der Grundverordnung könne nicht als gültige Rechtsgrundlage für eine Durchführungsvorschrift angesehen werden, die finanzielle Sanktionen gegenüber den Abnehmern von Milch vorsehe, da die letztgenannte Vorschrift über die Befugnisse der Kommission bei der Durchführung hinausgehe.

22 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof mehrfach - inbesondere was den Agrarsektor angeht - entschieden hat, daß "der Begriff $Durchführung` weit auszulegen ist. Da nur die Kommission in der Lage ist, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen und mit der durch die Situation gebotenen Schnelligkeit zu handeln, kann sich der Rat veranlaßt sehen, ihr auf diesem Gebiet weitgehende Befugnisse zu übertragen. Daher sind die Grenzen dieser Befugnisse nach den allgemeinen Hauptzielen der Marktorganisation zu beurteilen"(13).

23 In diese Auslegung hat der Gerichtshof ausdrücklich auch die Befugnis zum Erlaß von Sanktionen einbezogen(14). Besonders aufschlußreich in diesem Zusammenhang erscheint mir die Argumentation im Urteil in der Rechtssache Deutschland/Kommission(15), wo der Gerichtshof ausgeführt hat, daß die Artikel 145 (jetzt Artikel 202 EG) und 155 (jetzt Artikel 211 EG) EG-Vertrag bei der Regelung der Durchführungsbefugnis der Kommission "zwischen Vorschriften, die für die zu regelnde Materie wesentlich sind und daher der Zuständigkeit des Rates vorbehalten bleiben müssen, und Vorschriften, deren Erlaß, da sie nur der Durchführung dienen, der Kommission übertragen werden kann" unterscheiden. Nach Auffassung des Gerichtshofes sind wesentlich nur solche Bestimmungen, durch die die grundsätzlichen Leitlinien der Gemeinschaftspolitik umgesetzt werden. Nicht in diese Kategorie fallen dagegen Sanktionen, die die Umsetzung dieser grundsätzlichen Leitlinien gewährleisten sollen. Daher "überschreiten Maßnahmen, die in der Einführung von Sanktionen ... bestehen, nicht den Rahmen der Durchführung der in den Grundverordnungen niedergelegten Grundsätze; diese Zuständigkeit [darf] ... daher, da der Rat sie sich nicht vorbehalten hatte, auf die Kommission übertragen werden".

Im selben Urteil unterstreicht der Gerichtshof auch, daß die Kommission, wenn sie in Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse, Sanktionen vorsehe, keiner ausdrücklichen Ermächtigung durch den Rat bedürfe, da dieser, "sobald er in seiner Grundverordnung die wesentlichen Vorschriften für die zu regelnde Materie festgelegt hat, der Kommission die allgemeine Befugnis übertragen kann, die Modalitäten von deren Anwendung zu regeln, ohne daß er die Hauptbestandteile der übertragenen Befugnisse genau festlegen müßte, und daß zu diesem Zweck eine allgemein gefaßte Bestimmung eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage abgibt"(16).

24 Natürlich muß diese Durchführungstätigkeit sich nach bestimmten Kriterien richten. Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, daß "die Kommission ... befugt ist, alle für die Durchführung der Grundverordnung erforderlichen oder zweckmäßigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder die Anwendungsregeln des Rates verstoßen"(17). Dies bedeutet, daß die Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse sich im Rahmen der auszuführenden Bestimmungen zu bewegen und deren Ausrichtungen und Ziele zu beachten hat.

25 Gerade auf diesen letzten Gesichtspunkt der Ausübung der Durchführungsbefugnis konzentriert sich die Aufmerksamkeit des vorlegenden Gerichts. Gestützt auf eine wörtliche Auslegung der achten Begründungserwägung der Grundverordnung(18) vertritt dieses die Auffassung, daß der Rat, wenn er unterstreiche, daß der einzige Weg, um eine Wiederholung der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Verzögerungen bei der Erhebung und Zahlung der Abgabe zu vermeiden, darin bestehe, den Abnehmer als den Abgabenpflichtigen zu bestimmen und ihm alle Mittel an die Hand zu geben, um die Erhebung der Abgabe bei den Erzeugern sicherzustellen, in Wirklichkeit den Grund für die genannten Verzögerungen darauf habe zurückführen wollen, daß den Molkereien vorher keine hinreichenden Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die ihnen durch die gemeinschaftsrechtliche Regelung auferlegten Verpflichtungen rechtzeitig zu erfuellen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist dies dahin zu verstehen, daß der Rat bei der Ausarbeitung der Reform der Zusatzabgabe einem Vorgehen den Vorzug gegeben habe, das auf die Stärkung der Stellung und der Rechte der Abnehmer ausgerichtet gewesen sei. Das vorlegende Gericht hält diese Auslegung außerdem auch für "sinnvoll", da den Molkereien mit der Reform der Zusatzabgabenregelung die gesamte Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit den Milchquoten, die insbesondere für kleinere Molkereien besonders belastend sein könnten, aufgebürdet worden sei.

Ebenso nach Auffassung des nationalen Richters hat die Kommission bei der Durchführung der Grundverordnung dagegen eine ganz andere Vorgehensweise gewählt. Aus der fünften und der siebten Begründungserwägung der Durchführungsverordnung(19) folgert er, daß das Gemeinschaftsorgan den Molkereien die Schuld an den genannten Verzögerungen gebe und, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Regelung zu gewährleisten, eine besonders einschneidende Maßnahme, durch die die Molkereien gezwungen werden sollten, ihre Aufgaben pünktlich zu erfuellen, für unbedingt erforderlich halte. Diese Betrachtungsweise habe dann in der besonders schweren Sanktion gegenüber den Molkereien, die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung vorgesehen sei, ihren konkreten Ausdruck gefunden.

Das vorlegende Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, daß der zwischen den Einstellungen der beiden Organe bestehende Unterschied dazu führe, daß Artikel 11 der Grundverordnung nicht als gültige Rechtsgrundlage für die hier streitige Sanktion angesehen werden könne. Da sich auch im Vertrag keine geeigneten Rechtsgrundlagen finden ließen, folge daraus, daß die Kommission einer spezifischen Ermächtigung von seiten des Rates durch eine nach Artikel 145 EG-Vertrag erlassene Verordnung bedurft hätte.

26 Meines Erachtens ist der Argumentation des vorlegenden Gerichts nicht zu folgen. Wie die Kommission in ihren Erklärungen unterstreicht, erweist die achte Begründungserwägung der Grundverordnung, wenn sie vorsieht, daß den Abnehmern alle Mittel an die Hand gegeben werden müßten, um die Erhebung der Abgabe sicherzustellen, lediglich auf den Inhalt des Artikels 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Verordnung, der den Molkereien ein weites Ermessen in bezug auf die ihnen für die Erhebung der Abgabe zur Verfügung stehenden Mittel einräumt(20). Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, daß der Rat bei der Ausarbeitung seiner Regelung in irgendeiner Weise die Stellung der Abnehmer hätte schützen wollen, ebenso wie es keinen Grund für die Auffassung gibt, daß der Rat sich verpflichtet gesehen hätte, die den Abnehmern im Rahmen der Milchquotenregelung auferlegten administrativen Belastungen zu "kompensieren". Im Gegenteil geht meines Erachtens aus der gesamten durch die Grundverordnung geschaffenen Regelung hervor, daß der Rat, als er die Abnehmer der Abgabe unterworfen und ihnen gleichzeitig ein weites Ermessen in bezug auf die Einzelheiten der Erhebung der Abgabe eingeräumt hat, diese Abnehmer zu den Hauptverantwortlichen für die ordnungsgemäße Durchführung der Zusatzabgabenregelung machen wollte. Demzufolge ist davon auszugehen, daß es vollkommen im Einklang mit den Vorgaben des Rates steht, wenn eine Sanktion, wie sie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, vorgesehen wird. Diese Sanktion gehört daher in vollem Umfang zu den Durchführungsbefugnissen, die der Kommission durch Artikel 11 der Grundverordnung, der dafür eine gültige Rechtsgrundlage darstellt, zugewiesen worden sind.

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Diskriminierungsverbot

27 Die zweite im Vorlagebeschluß aufgeworfene Frage bezieht sich auf die Rechtmäßigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Zu diesem Aspekt sind nicht weniger als sechs Argumente vorgebracht worden.

28 Erstens wird - insbesondere vom vorlegenden Gericht und von der Molkerei - geltend gemacht, bei der in der beanstandeten Vorschrift vorgesehenen Sanktion werde das Ausmaß der Verspätung bei der Übermittlung der Daten über die gelieferte Milch in keiner Weise berücksichtigt. Dies führe dazu, daß die Höhe der finanziellen Sanktion unabhängig davon immer gleich sei, ob es um Verzögerungen um einige Tage, um besonders lange Verzögerungen oder darum gehe, daß überhaupt keine Mitteilung vorliege. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wird dieses Mißverhältnis noch weiter dadurch verstärkt, daß die Zeitspanne zwischen dem auf den 31. März festgelegten Ende des Milchwirtschaftsjahres und der auf den 15. Mai festgesetzten Frist für die Übersendung der Abrechnungen über die gelieferten Milchmengen sich für die Molkereien in Anbetracht der zahlreichen Aufgaben, die sie zu erfuellen hätten, als besonders kurz erweisen könne. Dadurch werde es für diese sehr schwierig, die von der Kommission vorgesehene Frist einzuhalten. Darüber hinaus trägt die Molkerei vor, bei dem gerade beschriebenen Sachverhalt liege auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, da sich dadurch, daß die Höhe der Sanktion nicht nach dem Ausmaß der Verspätung abgestuft werde, als Wirkung ergebe, daß Sachverhalte gleichbehandelt würden, die dagegen unter dem Gesichtspunkt der negativen Auswirkungen auf die Regelung sehr unterschiedlich seien.

29 Zweitens tragen die deutsche Regierung und die Molkerei vor, das Datum 15. Mai sei ganz willkürlich gewählt und ohne irgendeinen Zusammenhang mit den anderen in der Regelung vorgesehenen Verpflichtungen. Demzufolge habe eine Überschreitung dieser Frist um einige Tage keine Auswirkungen auf die Durchführung der Vorschriften über die Zahlung der Abgabe. Besonders hohe finanzielle Sanktionen bei Nichtbeachtung dieser Frist seien daher exzessiv und verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

30 Drittens vertreten das vorlegende Gericht und die Molkerei die Auffassung, ein weiterer Grund für die Unverhältnismäßigkeit sei darin zu finden, daß die finanziellen Sanktionen auf der Grundlage der gelieferten Milchmengen und nicht des Betrages der gegebenenfalls geschuldeten Zusatzabgabe berechnet würden. Auch in diesem Fall habe die Entscheidung zur Folge, daß der bei Überschreitung der Frist zu zahlende Betrag im Verhältnis zu dem von der Kommission verfolgten Ziel, eine schnelle Mitteilung und eine pünktliche Zahlung der Abgabe zu erreichen, zu hoch ausfalle.

31 Schließlich beruft sich die Molkerei auf drei andere Umstände, die zu der Auffassung führen müßten, daß Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Der erste bestehe darin, daß die finanzielle Sanktion bei einer Verspätung auch dann verhängt werde, wenn sich aus den späteren Abrechnungen ergebe, daß die Molkerei keine Abgabe zu leisten habe. Der zweite hänge damit zusammen, daß die in der beanstandeten Vorschrift vorgesehene Sanktion dann verhängt werde, wenn eine Verspätung bei der Mitteilung festgestellt werde, ohne zu erwägen, ob diese Verzögerung vom Willen der Molkerei abhängig sei oder vielmehr von Umständen, die dieser nicht zuzurechnen seien, wie z. B. Verzögerungen auf seiten der nationalen Rechenzentren bei der Übermittlung der für die Erstellung der Abrechnungen erforderlichen Daten. Drittens würden bei der Verhängung der Sanktionen mögliche Schwierigkeiten nicht berücksichtigt, die in den Beziehungen zwischen den mit der Durchführung der Zusatzabgabenregelung betrauten staatlichen Stellen und den Molkereien auftreten könnten.

32 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung folgendes gilt: "Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen"(21).

33 Was die Materie angeht, mit der wir es zu tun haben, ist außerdem darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, daß "der Gesetzgeber der Gemeinschaft ... über ein weites Ermessen in bezug auf Art und Tragweite der zu treffenden Maßnahmen [verfügt], wenn er einen komplexen wirtschaftlichen Sachverhalt zu beurteilen hat, wie dies auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik der Fall ist"(22).

34 Was insbesondere Vorschriften angeht, die Sanktionen vorsehen, hat die Anerkennung dieses weiten Ermessens den Gerichtshof häufig dazu veranlaßt, auch besonders schwere und abschreckende Sanktionen als in vollem Umfang gerechtfertigt anzusehen. Dies ist insbesondere in Fällen geschehen, in denen die Sanktion mit einer als grundlegend angesehenen Verpflichtungen oder aber mit einer Verpflichtung verknüpft war, deren Beachtung von grundlegender Bedeutung für das Funktionieren eines gemeinschaftsrechtlichen Systems, wie z. B. einer gemeinsamen Marktorganisation, ist(23).

35 In dem Fall, der heute zur Debatte steht, bewegen wir uns unzweifelhaft in dem zuletzt beschriebenen Rahmen. Bei der Wiedergabe der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung habe ich bereits zum Teil vorweggenommen, daß die Zusatzabgabenregelung sich nicht auf die erzeugten, sondern vielmehr auf die vermarkteten Milchmengen stützt. Für jeden Mitgliedstaat wird eine jährliche Gesamtgarantiemenge festgesetzt, die dann unter die Erzeuger in individuelle Quoten aufgeteilt wird. Wie man insbesondere der dritten Begründungserwägung der Grundverordnung entnehmen kann, wird bei diesen individuellen Quoten zwischen Milchmengen, die für die Lieferung an die Molkereien zugeteilt werden, und den Mengen unterschieden, die für Direktverkäufe zugeteilt werden. Dabei entfällt auf die erstgenannten praktisch die gesamte Verwendung der Milcherzeugung(24). Nach dieser kurzen Darstellung liegt auf der Hand, daß die an die Molkereien gelieferten Milchmengen das Element darstellen, um das sich das gesamte System dreht. Diese Mengen werden nämlich als eine echte "Maßeinheit" für die Regelung verwendet. Demzufolge ist die Verpflichtung der Molkereien, den zuständigen nationalen Stellen die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen mitzuteilen, als eine grundlegende Verpflichtung anzusehen, da ihre Verletzung das gesamte Funktionieren der Zusatzabgabenregelung sowie das Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse gefährden kann.

36 In bezug auf den ersten Grund, der für die angebliche Unverhältnismäßigkeit der in der vorliegenden Rechtssache beanstandeten Vorschrift angeführt wird, ist es daher notwendig, zu beurteilen, ob der Umstand, daß die darin enthaltene Sanktion keine finanziellen Sanktionen vorsieht, die nach dem Umfang der Verspätung, mit der die Molkerei ihre eigenen Abrechnungen der nationalen Behörde übermittelt hat, differenziert sind, als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzusehen ist, insbesondere gegen das Erfordernis der Notwendigkeit, oder aber ob er als im Licht des Ermessens, das der Kommission auf der Grundlage der gerade zitierten Rechtsprechung zuzuerkennen ist, als gerechtfertigt angesehen werden kann.

37 Ich bin der Auffassung, daß die erste Lösung eher zutrifft. Der Gerichtshof hat nämlich eindeutig entschieden, daß auch bei mit Hauptverpflichtungen verknüpften Sanktionen die Ausübung des weiten Ermessens, über die der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Landwirtschaftspolitik verfügt, auf jeden Fall im Rahmen der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgegebenen Grenzen bleiben muß(25).

38 Daraus, wie der Gerichtshof diesen Grundsatz in den genannten Fällen angewandt hat, läßt sich meines Erachtens folgern, daß dann, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine Verpflichtung zur Einhaltung einer Frist handelt, eine damit verbundene Sanktion, die keine nach dem Umfang der Fristüberschreitung differenzierte finanzielle Sanktionen vorsieht, nur dann nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, wenn die genannte Frist peremptorisch ist, d. h. wenn es möglich ist, nachzuweisen, daß jede Verspätung unabhängig von ihrem Umfang spezifische Wirkungen erzeugt, die geeignet sind, das ordnungsgemäße Funktionieren der betreffenden Gemeinschaftsregelung zu beeinträchtigen. Ist ein solcher peremptorischer Charakter nicht gegeben, so bedeutet dies, daß die durch die Verletzung der Verpflichtung ausgelösten negativen Auswirkungen auf die Regelung je nach dem Umfang der Verzögerung bei der Erfuellung der Verpflichtung unterschiedlich ausfallen. Eine Sanktion, die diesem Umstand nicht Rechnung trägt, ist daher als unverhältnismäßig anzusehen, da sie zur Erreichung des gesetzten Zieles nicht erforderlich ist(26).

39 Dabei ist von besonderer Bedeutung, was der Gerichtshof im Urteil Lingenfelser(27) entschieden hat. Dieses Urteil betraf eine Vorschrift der Kommission auf dem Gebiet der vorsorglichen Destillation von Tafelwein, wonach der Destillateur dem Erzeuger für den Wein innerhalb einer Frist einen Mindesteinkaufspreis zu zahlen hatte. Bei Überschreitung dieser Frist war eine Sanktion vorgesehen, die in der vollständigen Wiedereinziehung der Beihilfe bestand, die dem Destillateur zuvor von der Interventionsstelle gezahlt worden war. Der Gerichtshof soll über die Gültigkeit der gerade beschriebenen Vorschrift entscheiden und geht dabei von der Erwägung aus, daß das Ziel der Festsetzung der genannten Frist darin besteht, "daß der dem Erzeuger garantierte Mindestpreis diesem in der Regel innerhalb der Fristen gezahlt wird, die es ihm ermöglichen, einen Gewinn zu erzielen, der mit dem Gewinn bei einem Handelsverkauf vergleichbar ist". Aufgrund dessen nimmt der Gerichtshof daher an, daß "eine Überschreitung der Zahlungsfrist, die nicht zur Folge hat, daß der Vorgang zu Bedingungen abläuft, die so stark von denen gewöhnlicher Handelsgeschäfte abweichen, daß der Erzeuger davon abgeschreckt wird, seinen Wein zur Destillation anzubieten, nicht als eine Gefährdung des eigentlichen Zwecks der Destillationsregelung angesehen werden [kann]". Der Gerichtshof kommt deshalb zum Ergebnis, daß eine "Bestimmung, die jede, auch minimale, Fristüberschreitung mit dem völligen Verlust der Beihilfe ahndet, ... als außer Verhältnis zu dem mit der Einführung der Frist verfolgten Zweck stehend anzusehen [ist]".

40 Ebenfalls interessant ist, was der Gerichtshof wiederum auf dem Gebiet der vorsorglichen Destillation von Wein im Urteil Pressler entschieden hat(28). In diesem Fall betraf die beanstandete Vorschrift die für die Wirtschaftsteilnehmer vorgesehene Verpflichtung, eine Erklärung über ihre Bestände an Traubenmost und Wein den zuständigen nationalen Stellen jedes Jahr vor dem 7. September vorzulegen. Wer trotz dieser Verpflichtung die Erklärung nicht binnen der festgesetzten Frist vorlegte, wurde mit einer Sanktion belegt, die im vollständigen Ausschluß von den Maßnahmen der vorsorglichen Destillation bestand. Auch in diesem Fall hat der Gerichtshof auf Ungültigkeit der Sanktion erkannt. Er hat nämlich entschieden, daß "die unbedingte Einhaltung des Termins 7. September ... nicht unerläßlich [ist], um eine hinreichende Unterrichtung der Kommission über die Erzeugung und die Bestände im Weinsektor bis zum 10. Dezember sicherzustellen. Auf die Frage ... ist daher zu antworten, daß Artikel 10a der Verordnung Nr. 2102/84 insoweit ungültig ist, als er die Wirtschaftsteilnehmer von einer Destillationsbeihilfe unabhängig davon ausschließt, in welchem Ausmaß der ... Termin 7. September überschritten wurde"(29).

41 In dem heute zur Debatte stehenden Fall besteht der spezifische Zweck der Sanktion in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung der Zusatzabgabenregelung darin, die Molkereien dazu zu veranlassen, die Abrechnungen über die von den Erzeugern gelieferte Milch vor dem festgesetzten Termin 15. Mai jedes Jahres vorzulegen. Dieser Termin stellt einen der Termine für die in der Zusatzabgabenregelung vorgesehenen administrativen Obliegenheiten dar, die aufeinanderfolgen, bis das Datum 31. August erreicht wird, das für die Zahlung der Abgabe festgesetzt ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Auffassung vertreten, wenn die Molkereien den Termin 15. Mai nicht einhielten, werde die sich daraus ergebende Verzögerung auf den folgenden Termin auswirken und zu einer Kettenreaktion führen, die die Erfuellung aller Verpflichtungen einschließlich der Zahlung der Zusatzabgabe verzögere. Die Kommission ist daher der Auffassung, daß eine Verzögerung bei der Übermittlung der Daten durch die Molkereien aus den oben dargelegten Gründen das Funktionieren des gesamten Systems gefährden könnte.

Auch wenn sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, daß das Datum 15. Mai eine wichtige und im Licht der Zusatzabgabenregelung in vollem Umfang gerechtfertigte Frist darstellt, ist jedoch auch hinzuzufügen, daß die Kommission kein Argument für die Auffassung vorgebracht hat, daß diese Frist auch als peremptorisch angesehen werden müßte. Sie hat nämlich nicht dargetan, daß jede Verspätung, sei sie auch von geringem Ausmaß, tatsächlich auf die folgende Frist durchschlägt und zu den beschriebenen negativen Auswirkungen führt. Diese Auswirkungen bleiben daher meines Erachtens rein hypothetisch. Diese Schlußfolgerung wird noch weiter dadurch bestätigt, daß im vorliegenden Fall - wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt - die zuständige nationale Behörde, als die Meldung der Molkerei bei ihr einging, noch nicht einmal mit den Abrechnungen auf nationaler Ebene begonnen hatte.

Da nicht nachgewiesen worden ist, daß auch eine ganz geringfügige Überschreitung der für die Übermittlung der Daten durch die Molkereien festgelegten Frist das Funktionieren der Zusatzabgabenregelung gefährden kann, muß man zu dem Schluß gelangen, daß eine Sanktion, mit der eine solche ganz geringfügige Überschreitung mit der gleichen Strenge bestraft wird wie eine Überschreitung größeren Ausmaßes, zur Erreichung des von der Kommission angestrebten Zieles der schnellen Übermittlung der Daten nicht erforderlich ist.

42 Im übrigen hat meines Erachtens die Kommission selbst unausgesprochen die Schlußfolgerung, zu der ich gerade gelangt bin, bestätigt, als sie 1998(30) die in der vorliegenden Rechtssache beanstandete Vorschrift in der Weise geändert hat, daß sie finanzielle Sanktionen eingeführt hat, die nach dem Ausmaß der Verspätung, die bei der Übersendung der Rechnungen durch die Molkereien festgestellt worden ist, differenziert sind. In der vierten Begründungserwägung der neuen Verordnung wird nämlich ausdrücklich folgendes anerkannt: "Je später die Daten übermittelt werden, desto schwieriger läßt sich von ... [der zuständigen Behörde] sicherstellen, daß die Abgabe fristgerecht überwiesen wird." Darüber hinaus wird in der fünften Begründungserwägung festgestellt: "Damit die fällige Strafe mehr Wirkung zeigt, damit sie sich ferner nach Maßgabe der Schwere des Straftatbestands richtet, sollte sie erfahrungsgemäß für den Fall, daß die Verspätung mehr als 15 Tage ausmacht, verschärft und für weitere Verspätungen zusätzlich erhöht werden."(31) Mir erscheint es daher offenkundig zu sein, daß die Kommission selbst nicht nur anerkennt, daß es, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Zusatzabgabenregelung zu gewährleisten, nicht erforderlich ist, Sanktionen vorzusehen, bei denen das Ausmaß der Verspätung nicht berücksichtigt wird, sondern sogar, daß eine Abstufung in diesem Sinne ein Mittel darstellt, diese Sanktion wirksamer zu machen.

43 Wenn die bis zu diesem Punkt angestellten Erwägungen zu der Schlußfolgerung geführt haben, daß die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung vorgesehene Sanktion aus den oben dargelegten Gründen insoweit unverhältnismäßig ist, als sie das Ausmaß der Überschreitung des vorgesehenen Termins nicht berücksichtigt, so ist aus dem gleichen Grund auch anzunehmen, daß sie gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, das im Sektor der gemeinsamen Agrarpolitik in Artikel 40 (jetzt Artikel 34 EG) EG-Vertrag ausdrücklich formuliert ist. Sobald nämlich festgestellt ist, daß der Schaden, den die Überschreitung des Termins 15. Mai der Zusatzabgabenregelung zufügt, nicht immer der gleiche ist, sondern von dem Ausmaß der Verspätung abhängt, ist auch anzuerkennen, daß durch die beanstandete Vorschrift ohne jegliche Rechtfertigung Sachverhalte gleichbehandelt werden, die im Gegenteil als unterschiedlich anzusehen sind(32).

44 Was das zweite Argument angeht, das zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der streitigen Vorschrift vorgebracht worden ist und aus der angeblichen Willkürlichkeit des Datums 15. Mai hergeleitet wird, verweise ich auf die vorstehenden Erwägungen.

45 Dagegen bin ich der Auffassung, daß alle anderen vom vorlegenden Gericht und von den Beteiligten vorgebrachten Argumente zurückzuweisen sind.

In bezug auf das vom vorlegenden Gericht und von der Molkerei vorgebrachte Argument, das sich darauf bezieht, daß die finanzielle Sanktion auf der Grundlage der gelieferten Milchmengen und nicht auf der Grundlage des Betrages der Abgabe berechnet werde, ist zu unterstreichen, daß die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung vorgesehene Sanktion - wie bereits ausgeführt - das spezifische Ziel hat, die Molkereien dazu zu veranlassen, die Verpflichtung zur Übermittlung der Daten über die von Erzeugern gelieferten Milchmengen zu beachten. Es ist offensichtlich, daß diese Verpflichtung nicht in einem unmittelbaren Bezug zu der - damit verbundenen, aber dennoch getrennten - Verpflichtung zur Zahlung der Abgabe steht. Daraus folgt, daß dann, wenn man diesem Kriterium für die Bestimmung der Höhe der Sanktion den Vorzug gibt, von der Zahlung alle Molkereien ausgeschlossen werden, die zwar die eigenen Daten verspätet übermittelt haben, sich aber nach den Abrechnungen als nicht abgabenpflichtig erweisen. Dies wäre nicht nur diskriminierend, sondern auch würde auch die Erreichung des Zweckes verhindern, zu dem die Sanktion vorgesehen ist. Wie die Kommission unterstrichen hat, sind nämlich die Meldungen der Molkereien, die den Gesamtbetrag der individuellen Referenzmengen nicht überschritten haben, und die sich daher als nicht abgabenpflichtig erweisen, ebenso wichtig wie die Meldungen der Molkereien, die im Gegensatz dazu diesen Betrag überschritten haben. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, daß es durch eine Verknüpfung der Berechnung der Sanktion mit den gelieferten Milchmengen möglich geworden ist, ein Element der Abstufung einzuführen, das eine Differenzierung der Höhe der Sanktion nach Maßgabe des Umsatzes der Molkereien zuläßt. Im Lichte dieser Erwägungen muß man da zu dem Ergebnis gelangen, daß das Kriterium, das die Kommission für die Berechnung der in der beanstandeten Vorschrift vorgesehenen Sanktion gewählt hat, gemessen am angestrebten Zweck verhältnismäßig ist.

46 Schließlich halte ich in bezug auf die letzten drei von der Molkerei vorgebrachten Argumente die Feststellung für ausreichend, daß die finanzielle Sanktion bei einer Verspätung unabhängig davon verhängt wird, ob die Molkerei sich nach den Abrechnungen als abgabenpflichtig oder nicht abgabenpflichtig erweist. In diesem Punkt verweise ich auf die Erwägungen, die gerade in bezug auf das Kriterium für die Berechnung der Sanktion angestellt worden sind. Bei den anderen beiden von der Molkerei vorgebrachten Argumenten scheint mir dagegen, daß beide, auch wenn sie nicht gut begründet sind, eventuelle Probleme betreffen, die sich zwischen den Molkereien und den für die Zusatzabgabenregelung zuständigen nationalen Behörden ergeben könnten. Wenn dem so ist, können diese Argumente nicht als zur Sache gehörend angesehen werden, da derartige Probleme für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift unerheblich sind.

Zum Verstoß gegen Prinzipien des Strafrechts

47 Der letzte Mangel der Vorschrift, die von der Molkerei in bezug auf die Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung geltend gemacht wird, betrifft den angeblichen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien des Strafrechts. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor, nach Ausmaß und Umfang habe die Sanktion, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei, Strafcharakter. Einen solchen Charakter erhalte eine Sanktionsmaßnahme, wenn sie bestimmte Grenzen überschreite. Im vorliegenden Fall seien diese Grenzen als überschritten anzusehen, da bei der in der beanstandeten Vorschrift vorgesehenen Sanktion nicht berücksichtigt werde, ob die Molkerei nach den Abrechnungen abgabenpflichtig sei oder nicht, und da die Berechnung der Strafbeträge ausschließlich auf der Grundlage der gelieferten Milchmengen erfolge. Darüber hinaus habe - wenn man die gewaltigen Verwaltungsausgaben berücksichtige, die die Molkerei wegen der Zusatzabgabenregelung zu tragen habe - die Verpflichtung zur Zahlung einer finanziellen Sanktion von erheblichem Ausmaß wegen der unwesentlichen Überschreitung einer untergeordneten Frist ohne Zweifel Strafcharakter.

Infolgedessen würden bei der Beurteilung der Gültigkeit der betroffenen Sanktion die Grundsätze des Strafrechts anwendbar, insbesondere der Grundsatz "nulla poena sine culpa". Da bei der Verhängung der finanziellen Sanktionen nicht berücksichtigt werde, ob die Molkerei, die die festgesetzte Frist überschritten habe, ein Verschulden treffe, müsse man zu dem Ergebnis gelangen, daß die Sanktion rechtswidrig sei.

48 Das von der Molkerei vorgebrachte Argument entbehrt jeglicher Grundlage: Die Höhe einer gemeinschaftsrechtlichen Sanktion kann keine Auswirkungen auf die Rechtsnatur dieser Sanktion in der Weise haben, daß sie ihr dann, wenn der zu zahlende Betrag eine besondere Höhe erreicht, Strafcharakter verleiht.

49 Allgemein ist vorauszuschicken, daß der Gerichtshof es niemals für erforderlich gehalten hat, die Rechtsnatur der Sanktionsbefugnis der Europäischen Gemeinschaften genau zu definieren, wobei er es vermieden hat, sich in der Sache mit der Unterscheidung zwischen Verwaltungssanktion und Strafsanktionen zu befassen(33). Er hat es vielmehr vorgezogen, die Umrisse dieser Befugnis aufzuzeichnen und deren Hauptmerkmale festzulegen. Dabei hat der Gerichtshof als vorrangiges Leitkriterium die Erreichung der im Vertrag vorgesehenen Ziele verwendet.

50 Zu diesen Merkmalen hat der Gerichtshof - wie ich bereits habe ausführen können(34) - auch die abschreckende Wirkung gezählt, d. h. die Fähigkeit der Sanktion, ein wirksames Abschreckungsmittel gegenüber einer Verletzung der Verpflichtung darzustellen, mit der die Sanktion verknüpft ist. Insbesondere aus der Rechtsprechung zu den von der Kommission in Wettbewerbssachen verhängten Geldbußen geht deutlich hervor, daß dieser Abschreckungscharakter für den Gerichtshof Sanktionen von besonderer Höhe rechtfertigt(35), ohne daß dies irgendeinen Einfluß auf die Rechtsnatur der Sanktion als solcher hätte. Vielmehr ist unter diesem Gesichtspunkt festzustellen, daß der Gerichtshof den Strafcharakter der von der Kommission in Wettbewerbssachen verhängten Geldbußen ausdrücklich verneint hat(36). Die einzige Grenze, die gesetzt ist, besteht darin, daß diese Beträge der Schwere des Verstoßes angemessen sind und daß die Beurteilung der Schwere des Verstoßes insbesondere unter Berücksichtigung des dem Gemeinschaftssystem zugefügten Schadens erfolgt ist(37).

51 Es ist daher anzunehmen, daß das Vorbringen der Molkerei nichts anderes darstellt als die Behandlung des Problems der Verhältnismäßigkeit der beanstandeten Sanktion in anderer Form. Es ist daher meines Erachtens nicht erforderlich, daß ich mich noch weiter mit dieser Frage befasse, und ich verweise auf die von mir zuvor angestellten Erwägungen.

Zum Antrag auf Beschränkung der Wirkungen des Urteils

52 An dieser Stelle bleibt eine letzte Frage. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission für den Fall, daß der Gerichtshof auf Ungültigkeit der beanstandeten Vorschrift erkennen sollte, beantragt, die Wirkungen des Urteils auf zukünftige Fälle zu beschränken, mit Ausnahme derjenigen, in denen die betreffenden Entscheidungen bereits angefochten worden sind. Dieser Antrag wird damit begründet, daß eine Erschütterung des Vertrauens, das die Mitgliedstaaten in die Gleichheit und das ordnungsgemäße Funktionieren der Gemeinschaften setzen, vermieden werden soll.

53 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach jetzt gefestigter Rechtsprechung folgendes gilt: "Ein Urteil des Gerichtshofes, mit dem im Vorabentscheidungsverfahren die Ungültigkeit einer Gemeinschaftshandlung festgestellt wird, wirkt grundsätzlich ebenso wie ein Nichtigkeitsurteil auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Handlung zurück ... Der Gerichtshof kann jedoch in dem Urteil selbst die Wirkung einer Vorabentscheidung, mit der eine Gemeinschaftsverordnung für ungültig erklärt wird, zeitlich begrenzen, wenn zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit das verlangen."(38)

54 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich also, daß die Möglichkeit, die Rückwirkung eines Urteils, durch das die Ungültigkeit einer Vorschrift festgestellt wird, zu beschränken, restriktiv zu betrachten ist. Eine solche Entscheidung ist nämlich nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, wenn sie erforderlich ist, um Interessen zu schützen, die unter den Umständen des Einzelfalles als so wichtig angesehen werden, daß sie Vorrang vor dem Erfordernis haben, einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten.

55 In dem heute zur Debatte stehenden Fall liegen diese Voraussetzungen meines Erachtens nicht vor. Berücksichtigt man die Rechtsvorschriften und die Dimension des Phänomens, ist nämlich die Gefahr schwerer Erschütterungen von in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnissen, die vom Gerichtshof als Voraussetzung für die Anerkennung des Bestehens einer möglichen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit angesehen wird, nicht erkennbar(39).

56 Ich bin daher der Ansicht, daß dem Antrag der Kommission, die Rückwirkung einer eventuellen Entscheidung des Gerichtshofes über die Ungültigkeit der beanstandeten Vorschrift zu beschränken, nicht stattgegeben werden darf.

57. Aus den angegebenen Gründen schlage ich vor, die Frage des Finanzgerichts München wie folgt zu beantworten:

Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission bezüglich der Erhebung eines Strafbetrags gegenüber einer Molkerei ist ungültig, soweit er keine Abstufung dieses Strafbetrags nach dem Umfang der Überschreitung der Frist 15. Mai vorsieht, die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 für die Übermittlung der Abrechnungen über die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen festgesetzt ist.

(1) - ABl. L 57, S. 12.

(2) - Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch- und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13).

(3) - Artikel 5c der Verordnung Nr. 856/84.

(4) - Verordnung (EWG) Nr. 1109/88 (ABl. L 110, S. 27).

(5) - Verordnung (EWG) Nr. 816/92 (ABl. L 86, S. 83).

(6) - ABl. L 405, S. 1.

(7) - Oder aber nach dem Verwaltungsausschußverfahren.

(8) - A. a. O.

(9) - Anm. d. Ü.: Diese Fußnote betrifft die Berichtigung eines Fehler in der italienischen Fassung der Verordnung Nr. 536/93 und ist für die deutsche Fassung unerheblich.

(10) - Durch die Verordnung (EG) Nr. 1001/98 (ABl. L 142, S. 22).

(11) - In der ersten Begründungserwägung.

(12) - Siehe Nr. 11 dieser Schlußanträge.

(13) - Urteil vom 25. Juli 1997 in der Rechtssache C-285/94 (Italien/Kommission, Slg. 1997, I-3519, Randnr. 22). Dazu auch Urteil vom 30. Oktober 1975 in der Rechtssache 23/75 (Rey Soda, Slg. 1975, 1279, Randnrn. 10 und 11), Urteil vom 11. März 1987 in den verbundenen Rechtssachen 279/84, 280/84, 285/84 und 286/84 (Rau, Slg. 1987, 1069, Randnr. 14) und Urteil vom 8. Juni 1989 in der Rechtssache 167/88 (Association générale des producteurs de blé, Slg. 1989, 1653, Randnr. 15).

(14) - Siehe Urteil vom 18. Januar 1990 in der Rechtssache C-345/88 (Butterabsatz, Slg. 1990, I-159, Randnrn. 7 bis 12) und Urteil vom 2. Mai 1990 in der Rechtssache C-357/88 (Hopermann, Slg. 1990, I-1669).

(15) - Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-240/90 (Deutschland/Kommission, Slg. 1992, I-5383).

(16) - Randnrn. 36 bis 41.

(17) - Urteil vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-478/93 (Niederlande/Kommission, Slg. 1995, I-3081, Randnr. 31). Siehe auch Urteil vom 15. Mai 1984 in der Rechtssache C-121/83 (Zuckerfabrik Franken, Slg. 1984, 2039, Randnr. 13) und - außerhalb des Bereichs Landwirtschaft - das Urteil vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-159/96 (Portugal/Kommission, Slg. 1998, I-7379).

(18) - Siehe Nr. 5 dieser Schlußanträge.

(19) - Siehe Nr. 9 dieser Schlußanträge.

(20) - Siehe Nr. 6 dieser Schlußanträge.

(21) - Urteil vom 5. Oktober 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-133/93, C-300/93 und C-362/93 (Crispoltoni, Slg. 1994, I-4863, Randnr. 41). In diesem Zusammenhang siehe auch Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 122/78 (Buitoni, Slg. 1979, 677, Randnr. 16), Urteil vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 266/84 (Denkavit France, Slg. 1986, 149, Randnr. 17), Urteil Hopermann (zitiert in Fußnote 14, Randnr. 14), Urteil vom 21. Januar 1992 in der Rechtssache C-319/90 (Pressler, Slg. 1992, I-203, Randnr. 12) und Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-354/95 (National Farmers' Union, Slg. 1997, I-4559, Randnr. 49).

(22) - Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 84/87 (Erpelding, Slg. 1988, 2647, Randnr. 27); siehe auch Urteil vom 20. Oktober 1977 in der Rechtssache 29/77 (Roquette, Slg. 1977, 1835, Randnrn. 19 und 20), Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87 (Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 22), Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-8/89 (Zardi, Slg. 1990, I-2515, Randnr. 11) und Urteil National Farmers' Union (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 50).

(23) - Siehe insbesondere Urteil National Farmers' Union (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 51 bis 53). Siehe außerdem auch Urteil Buitoni (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 20), Urteil vom 27. November 1986 in der Rechtssache 21/85 (Maas, Slg. 1986, 3537, Randnr. 15) und Urteil vom 12. Oktober 1995 in der Rechtssache C-104/94 (Cereol Italia, Slg. 1995, I-2983, Randnrn. 24 und 25).

(24) - Siehe dazu die Ausführungen des Rechnungshofs in seinem Sonderbericht Nr. 4/93 über die Durchführung der Quotenregelung zur Regulierung der Milcherzeugung (ABl. 1994, C 12, S. 1).

(25) - Mit anderen Worten hat der Gerichtshof auch bei mit Hauptverpflichtung verknüpften Sanktionen stets überprüft, ob die Kriterien der Verhältnismäßigkeit beachtet worden waren. Dazu siehe Urteil National Farmers' Union (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 49), Urteil Pressler (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 12), Urteil vom 23. Februar 1983 in der Rechtssache 66/82 (Fromançais, Slg. 1983, 395, Randnr. 8) und Urteil vom 27. November 1991 in der Rechtssache C-199/90 (Italtrade, Slg. 1991, I-5545, Randnr. 10).

(26) - Außer den gerade genannten Urteilen siehe Urteil Fromançais (zitiert in Fußnote 25, Randnrn. 9 bis 14), Urteil vom 8. Oktober 1986 in der Rechtssache 9/85 (Nordbutter, Slg. 1986, 2831, Randnrn. 12 und 13), Urteil Hopermann (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 8 und 9) und Urteil Italtrade (zitiert in Fußnote 25, Randnrn. 13 und 14). Der Genauigkeit halber halte ich es für angebracht, zu unterstreichen, daß die genannten Urteile Vorschriften betreffen, die mit der Pflichtverletzung Wirkungen verknüpften, die in der Einziehung einer Kaution oder im Verlust einer Vergünstigung bestanden. Diese Auswirkungen sind jedoch immer wie Sanktionen behandelt worden, aber auch wenn sie gerade nicht ausdrücklich als solche qualifiziert worden sind (siehe z. B. Urteil Italtrade, zitiert in Fußnote 25, Randnr. 10). Ich bin daher der Auffassung, daß die zitierte Rechtsprechung in dem heute zur Debatte stehenden Fall in vollem Umfang einschlägig ist.

(27) - Urteil vom 27. Juni 1990 in der Rechtssache C-118/89 (Lingenfelser, Slg. 1990, I-2637, Randnrn. 13 und 14).

(28) - Urteil Pressler (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 16 und 17).

(29) - Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof die Verpflichtung zur rechtzeitigen Vorlage der Bestandsmeldungen nicht als Haupt-, sondern als Nebenverpflichtung angesehen hat. Jedoch hat schon damals Generalanwalt Tesauro in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Pressler unterstrichen, daß "in der neueren Rechtsprechung die herkömmliche Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten aufgegeben worden zu sein scheint, da auch in bezug auf die ersteren geprüft wird, ob die Mittel, die zur Erreichung des verfolgten Zwecks eingesetzt werden, diesem Zweck entsprechen und zu seiner Erreichung erforderlich sind" (Nr. 6 der Schlußanträge). Die vom Gerichtshof in jenem Urteil aufgestellten Grundsätze können sicherlich auch auf den heute zur Debatte stehenden Fall übertragen werden.

(30) - Mit der bereits genannten Verordnung Nr. 1001/98.

(31) - Hervorhebung durch mich.

(32) - Siehe für alle: Urteil vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83 (Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28).

(33) - In den wenigen Fällen, in denen der Gerichtshof darum ersucht worden ist, sich zur Frage des Strafcharakters von gemeinschaftsrechtlichen Sanktionen zu äußern, hat er nämlich niemals eine positive Definition vorgeschlagen, sondern sich darauf beschränkt, den Strafcharakter der beanstandeten Sanktion auszuschließen. Siehe dazu Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-240/90 (Deutschland/Kommission, Slg. 1992, I-5383, Randnrn. 24 und 25) und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91 (Tetra Pak, Slg. 1994, II-755, Randnr. 235).

(34) - Siehe dazu Nr. 34 dieser Schlußanträge.

(35) - Siehe Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique Diffusion française, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 106 und 107) und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-15/89 (Chemie Linz, Slg. 1992, II-1275, Randnrn. 355 bis 364).

(36) - Siehe Urteil Tetra Pak (zitiert in Fußnote 33, Randnr. 235).

(37) - Siehe Urteile vom 12. November 1985 in der Rechtssache 183/83 (Krupp, Slg. 1985, 3609, Randnr. 40) und in der Rechtssache Musique Diffusion française (zitiert in Fußnote 35, Randnr. 109), Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92 (Parker Pen, Slg. 1994, II-549, Randnr. 92) und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 22. Oktober 1997 in den verbundenen Rechtssachen T-213/95 und T-18/96 (SCK und FNK, Slg. 1997, II-1739, Randnrn. 146 und 147).

(38) - Urteil vom 8. Februar 1996 in der Rechtssache C-212/94 (FMC, Slg. 1996, I-389, Randnrn. 55 und 56). Siehe außerdem Urteil vom 15. Oktober 1980 in der Rechtssache 145/79 (Roquette Frères, Slg. 1980, 2917, Randnr. 51), Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 41/84 (Pinna, Slg. 1986, 1, Randnr. 26) und Urteil vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-38/90 und C-151/90 (Lomas, Slg. 1992, I-1781, Randnrn. 23 und 24).

(39) - Zuletzt Urteil vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-35/97 (Kommission/Frankreich, Slg. 1998, I-5325, Randnr. 49) und Urteil vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C-262/96 (Sema Sürül, Slg. 1999, I-0000, Randnrn. 107 und 108).

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