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Document 61997CC0295

    Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 4. März 1999.
    Industrie Aeronautiche e Meccaniche Rinaldo Piaggio SpA gegen International Factors Italia SpA (Ifitalia), Dornier Luftfahrt GmbH und Ministero della Difesa.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Genova - Italien.
    Staatliche Beihilfen - Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) - Neue Beihilfe - Vorherige Meldung.
    Rechtssache C-295/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1999 I-03735

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:119

    61997C0295

    Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 4. März 1999. - Industrie Aeronautiche e Meccaniche Rinaldo Piaggio SpA gegen International Factors Italia SpA (Ifitalia), Dornier Luftfahrt GmbH und Ministero della Difesa. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Genova - Italien. - Staatliche Beihilfen - Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) - Neue Beihilfe - Vorherige Meldung. - Rechtssache C-295/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-03735


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 Die Fragen des Tribunale Genua beziehen sich zum einen auf die Möglichkeit, im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens ein Urteil des Gerichtshofes zur Vereinbarkeit eines nationalen Gesetzes mit Artikel 92 EG-Vertrag zu erlangen, und zum anderen auf den Charakter staatlicher Beihilfen, den einige Bestimmungen dieses Gesetzes in bezug auf Grossunternehmen, die dieses Gesetz betrifft, besitzen können.

    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

    2 Nach dem Vorabentscheidungsersuchen stellen sich die wesentlichen Tatsachen wie folgt dar:

    - Die Industrie Äronautiche e Meccaniche Rinaldo Piaggio SpA (nachstehend: "Piaggio") hatte bei der deutschen Dornier Luftfahrt GmbH (nachstehend: "Dornier") drei Militärflugzeuge für die italienischen Luftstreitkräfte gekauft und in Besitz genommen.

    - Während der Jahre 1992 bis 1994 nahm Piaggio zur Bezahlung der Flugzeuge verschiedene Zahlungen, Zahlungsanweisungen und Abtretungen von Forderungen, die sie gegen das italienische Verteidigungsministerium und die International Factors Italia SpA hatte, zugunsten von Dornier vor.

    - Das Tribunale Genua stellte mit Urteil vom 29. Oktober 1994 die Zahlungsunfähigkeit von Piaggio fest und bejahte die Anwendbarkeit des Gesetzes Nr. 95/79 vom 3. April 1979 (nachstehend: Gesetz Nr. 95/79)(1).

    - Aufgrund des vom Industrieminister zusammen mit dem Minister für das Staatsvermögen erlassenen Dekrets vom 28. November 1994 wurde Piaggio der Sonderverwaltung unterstellt.

    - Am 14. Februar 1996 erhob Piaggio vor dem Tribunale Genua Klage mit dem Antrag, sämtliche Zahlungen und Forderungsabtretungen, die in den zwei Jahren vor Erlaß des Dekrets (sogenannte "Verdachtsperiode") zugunsten von Dornier erfolgt waren und die sich auf 30 028 894 382 LIT beliefen, für unwirksam zu erklären und ihre Rückgängigmachung anzuordnen. Gegen diesen Anspruch machte Dornier u. a. geltend, das Gesetz Nr. 95/79 sei mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.

    - Angesichts der diesbezueglich bestehenden Zweifel stellt das Tribunale Genua dem Gerichtshof folgende zwei Vorabentscheidungsfragen:

    1. Ist es zulässig, daß ein nationales Gericht den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ersucht, sich unmittelbar zur Vereinbarkeit einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaates mit Artikel 92 des Vertrages (staatliche Beihilfen) zu äussern?

    2. Bejahendenfalls: Ist davon auszugehen, daß der italienische Staat mit dem Gesetz Nr. 95 vom 3. April 1979 zur Einführung der ausserordentlichen Verwaltung von Grossunternehmen in der Krise, insbesondere mit den in den Begründungserwägungen dieses Gesetzes enthaltenen Bestimmungen, bestimmten in dieser Regelung vorgesehenen Unternehmen (nämlich Grossunternehmen) Beihilfen gewährt hat, die gegen Artikel 92 EG-Vertrag verstossen?

    Einleitende Bemerkungen

    3 In seinem Urteil vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache Ecotrade Srl u. a.(2) hat sich der Gerichtshof kürzlich zu der Frage geäussert, ob die Anwendung des Gesetzes Nr. 95/79 den Charakter einer staatlichen Beihilfe im Sinne der Vorschriften des Artikels 4 EGKS-Vertrag haben kann. In seiner Antwort auf ein Vorabentscheidungsersuchen der Corte Suprema di Cassazione entschied er, daß "die Anwendung einer Regelung wie derjenigen des Gesetzes Nr. 95/79 vom 3. April 1979, die von den allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften abweicht, auf ein Unternehmen ... sich als Gewährung einer nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag verbotenen staatlichen Beihilfe dar[stellt], wenn feststeht, daß diesem Unternehmen:

    - erlaubt worden ist, seine wirtschaftliche Tätigkeit unter Umständen fortzusetzen, unter denen dies bei Anwendung der allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen gewesen wäre, oder

    - eine oder mehrere Vergünstigungen wie eine staatliche Bürgschaft, ein verringerter Abgabensatz, eine Befreiung von der Pflicht zur Zahlung von Geldbussen und anderen Zwangsgeldern oder ein völliger oder teilweiser tatsächlicher Verzicht auf öffentliche Forderungen gewährt worden sind, auf die ein anderes zahlungsunfähiges Unternehmen bei Anwendung der allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch hätte erheben können".

    4 Auch wenn die gesetzliche Regelung der staatlichen Beihilfen nach dem EGKS-Vertrag von derjenigen nach dem EG-Vertrag abweicht, muß der Begriff der "staatlichen Beihilfe" dennoch in beiden Fällen einheitlich ausgelegt werden, so daß die Lösung des Urteils Ecotrade grundsätzlich auch für den vorliegenden Fall gilt. Allerdings verlangen die Besonderheiten der Artikel 91 bis 93 EG-Vertrag die Untersuchung einiger feiner Unterschiede gegenüber der EGKS-Regelung, so daß sich nicht von "offensichtlich übereinstimmenden" Fragen im Sinne des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung sprechen lässt.

    5 Vor der Untersuchung der Rechtssache erscheint es mir auf jeden Fall erforderlich, die Zulässigkeitsprobleme zu erörtern, die sich aus den Vorlagefragen des italienischen Gerichts ergeben.

    Zur Zulässigkeit der Fragen

    Zu den "ungenauen Hinweisen auf die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten durch das nationale Gericht"

    6 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Notwendigkeit einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt(3). Wegen fehlender Informationen hat der Gerichtshof in einigen Fällen Fragen nur teilweise beantwortet(4) Durch das Urteil Telemarsicabruzzo(5) entwickelte sich diese Voraussetzung zu der wichtigsten und bedeutsamsten Voraussetzung, die das nationale Gericht zu berücksichtigen hat, wenn es vom Vorabentscheidungsverfahren Gebrauch macht.

    7 Wegen ungenügender Informationen des nationalen Gerichts hatte der Gerichtshof in diesem Fall eine Beantwortung der vorgelegten Fragen abgelehnt, nachdem er darauf hingewiesen hatte, daß "die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, daß dieses Gericht den tatsächlichen und den rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen". Er fügte im übrigen hinzu, daß diese Anforderungen "ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs [gelten], der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist"(6).

    8 Der Gerichtshof hat das Urteil Telemarsicabruzzo in einer Vielzahl von Beschlüssen(7), mit denen er die Vorabentscheidungsfragen für unzulässig erklärte, angewandt und weiterentwickelt. In all diesen Fällen war die Begründung ähnlich: Der Gerichtshof verlangt, daß die Vorlageentscheidung den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen hinreichend bestimmt, in den sich die Vorlagefragen einfügen. Diese Voraussetzung sieht der Gerichtshof als unverzichtbar an, um das Gemeinschaftsrecht in einer dem nationalen Gericht nützlichen Weise auslegen zu können.

    9 Im übrigen verlangt der Gerichtshof die Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens, in den sich die Fragen einfügen, in der Vorlageentscheidung, um das in Artikel 20 (EG-)Satzung des Gerichtshofes anerkannte Recht der Regierungen der Mitgliedstaaten und der sonstigen Verfahrensbeteiligten zur Abgabe von Erklärungen zu gewährleisten(8). Da ihnen nur die Vorlageentscheidung zugestellt wird, muß sie allein eine ausreichende Begründung enthalten, die einen Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens überfluessig macht.

    10 Im vorliegenden Fall muß daher festgestellt werden, daß die Angaben des vorlegenden Gerichts zu den nationalen Regelungen extrem bruchstückhaft und unvollständig sind. Nachdem das Gericht erklärt hat, daß das Gesetz Nr. 95/79 sich auf Grossunternehmen mit mehr als dreihundert Arbeitnehmern bezieht und zum Ziel hat, diese Unternehmen zu sanieren, statt zu liquidieren(9), führt es aus, die "Bestimmungen [des Gesetzes], bei denen offenbar davon ausgegangen wird, daß sie Merkmale der $Beihilfen` aufweisen, die nach den genannten Gemeinschaftsvorschriften verboten sind, ... [betreffen]

    a) die Verbindlichkeiten, die die unter Sonderverwaltung gestellten Gesellschaften zur Finanzierung der laufenden Verwaltung und zur Wiederinbetriebnahme und Fertigstellung von Anlagen, Gebäuden und betrieblichen Einrichtungen bei Kreditinstituten eingehen und für die die Staatskasse eine Bürgschaft übernimmt (Artikel 2 bis);

    b) die Übertragungen von den unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmen gehörenden Betrieben oder Betriebsteilen, die der Registersteuer in Höhe von einer Million LIT unterliegen (Artikel 5 bis).

    Nur mittelbar sehen andere Vorschriften - von der Beklagten als $Zwangsmaßnahmen` bezeichnete - Finanzierungsmechanismen vor, die in der Erhebung von Anfechtungsklagen gegen Gläubiger bestehen, deren Erlös jedenfalls den Mitteln zufließt, die zur Sanierung des Unternehmens bestimmt sind."

    11 Dies ist der gesamte Rahmen des innerstaatlichen Rechts, den das vorlegende Gericht darstellt und zu dessen Vereinbarkeit mit Artikel 92 EG-Vertrag es eine Antwort des Gerichtshofes erwartet. Wie in dem Vorabentscheidungsverfahren deutlich geworden ist, ist die Berufung auf die drei genannten Maßnahmen - Gewährung einer staatlichen Bürgschaft, Gutschrift der Übertragungssteuer und Ausübung des Anfechtungsrechts - unvollständig, denn:

    a) Bezueglich der Bürgschaftsübernahme fehlt der Hinweis, daß diese nicht automatisch, sondern von Fall zu Fall gewährt wird(10). Die italienische Regierung behauptet, sie habe der Kommission mitgeteilt, ihr jede einzelne Bürgschaft vorab zu melden, die sie zu übernehmen beabsichtige, und die Übernahme in jedem Fall von der Zustimmung dieses Gemeinschaftsorgans abhängig zu machen(11).

    b) Die italienische Regierung hebt bezueglich der bei Übertragung geschuldeten Registersteuer hervor, daß es sich hierbei um eine Maßnahme zugunsten der Erwerber, die die Schuldner dieser Steuer seien, und nicht zugunsten des in der Krise befindlichen Unternehmens handele.

    c) Was die Anfechtungsklage betrifft, so entspricht ihre rechtliche Regelung im wesentlichen der konkursrechtlichen Regelung(12), auf die Artikel 3 des Gesetzes 95/79 verweist. Dieses Gesetz sieht eine "verschärfte Konkursanfechtung" vor, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Verdachtsperiode über die zwei Jahre bei der gewöhnlichen Anfechtungsklage hinaus verlängert worden ist. Der Vorlagebeschluß erwähnt weder dieses zeitliche Merkmal noch andere.

    12 Die Ausführungen sind im übrigen unvollständig, da sie das Verhältnis (Unterschiede und Gemeinsamkeiten) zwischen dem Verfahren der Sonderverwaltung und dem allgemeinen Konkursverfahren, das ebenfalls ein Verfahren der Zwangsliquidation vorsieht, nicht genau beschreiben. Gerade die eventuelle Unvereinbarkeit zwischen den Vorschriften der Sonderverwaltung und denjenigen des gemeinen Rechts waren für das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Ecotrade entscheidend.

    13 Allerdings haben die Ausführungen der Parteien im Vorabentscheidungsverfahren eine ausreichende Kenntnis des italienischen rechtlichen Rahmens vermittelt, den der Gerichtshof im übrigen bereits in der Rechtssache Ecotrade untersucht hat. Die Unzulässigkeit der Vorlagefragen, die sich aus den mangelhaften Ausführungen des Vorabentscheidungsbeschlusses ergibt, könnte deshalb als geheilt angesehen werden. Für die fehlende objektive Notwendigkeit der Vorlagefragen, auf die ich jetzt eingehen werde, gilt dies nicht.

    Objektive Notwendigkeit der Vorlagefragen

    14 Nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte kommt es dem nationalen Gericht zu, die Notwendigkeit und Erheblichkeit von Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens zu bestimmen. Im Urteil Salonia(13) hat der Gerichtshof jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz aufgestellt, indem er entschieden hat, daß eine Vorlagefrage für unzulässig erklärt werden könne, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von dem nationalen Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Wirklichkeit oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens bestehe. Diese Feststellung taucht seither in einer umfangreichen Rechtsprechung, die in den neunziger Jahren stark anstieg, immer wieder auf(14).

    15 Dieses Erfordernis hat aber nur in einer vergleichsweise begrenzten Zahl von Fällen dazu geführt, daß die dem Gerichtshof gestellten Vorlagefragen ganz oder teilweise für unzulässig erklärt wurden. Tatsächlich ergingen in einigen Fällen Beschlüsse (Falciola(15), Monin Automobiles II(16) und Rouhollah Nour, Margarita Karner, Arthur Lindau(17)), in denen die Unzulässigkeit damit begründet worden ist, daß keine einzige Vorlagefrage in Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehe. Dagegen hat das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen den Vorlagefragen und dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens zur Unzulässigkeit bestimmter Vorlagefragen nationaler Gerichte geführt, u. a. in den Rechtssachen Lourenço Dias(18), Corsica Ferries(19) und USSL N_ 47 di Biella(20), Grado und Bassir(21).

    16 Im vorliegenden Fall erscheint mir die fehlende objektive Notwendigkeit der Vorlagefragen offensichtlich. Soweit die Fragen auf die "in der Begründung des Vorlagebeschlusses genannten Vorschriften des Gesetzes" Bezug nehmen, stehen sie entweder in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens oder aber sind nicht entscheidungserheblich.

    17 Von den drei in dem Vorlagebeschluß genannten Vorschriften des Gesetzes stehen die ersten beiden in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt. Bezueglich der ersten ist nicht dargetan worden, daß der italienische Staat im vorliegenden Fall eine Bürgschaft für Piaggios Schulden übernommen hat, so daß der Hinweis auf diese Vorschrift des Gesetzes überfluessig ist. Was die zweite betrifft, so ist keine Übertragungssteuer fällig geworden (da das Unternehmen nicht übertragen worden ist), so daß die Vorschrift des Gesetzes, die die Gutschrift dieser Steuer vorsieht, nicht berücksichtigt zu werden braucht.

    18 Was die Anfechtungsklage betrifft, so ist festzustellen, daß im vorliegenden Fall die allgemeine, nach dem Konkursrecht vorgesehene Anfechtung innerhalb der hierfür vorgesehenen Zweijahresfrist erfolgt ist. Da Piaggio für zahlungsunfähig erklärt worden war (vor Erlaß des Dekrets, durch das sie unter Sonderverwaltung gestellt worden ist), war die Anfechtungsklage zulässig, ob es sich hierbei nun um einen gewöhnlichen Konkurs oder ein Sonderverfahren handelt. Die Art und Weise, der Zweck, die Gläubiger und Schuldner, die Forderungen und sonstigen Voraussetzungen sind in beiden Fällen identisch. Es ist deshalb nicht ersichtlich, welche Bedeutung diese Art von Anfechtungsklage für die Beurteilung der staatlichen Beihilfe haben kann.

    19 Allerdings hat sich der Gerichtshof in der Rechtssache Ecotrade gegenüber einem vergleichbaren Einwand für die Zulässigkeit der Vorlagefrage ausgesprochen. In diesem Fall galt das Verbot der Durchführung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen sowohl im Verfahren der Sonderverwaltung als auch im normalen Konkursverfahren. Der Gerichtshof stellte jedoch fest, daß "prima facie nichts für die Annahme [spricht], daß sich Ecotrade, wenn AFS dem normalen Konkursverfahren unterworfen worden wäre, in einer in jeglicher Hinsicht identischen Situation befunden hätte, insbesondere hinsichtlich ihrer Chancen, ihre Forderungen zumindest teilweise beizutreiben; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts."

    20 Meines Erachtens führt eine so großzuegige Beurteilung der Erheblichkeit der Vorlagefragen tatsächlich zur Zulassung von abstrakten und hypothetischen Fragestellungen, die der Gerichtshof vermeiden sollte. Und dies erst recht, wenn diesen Fragen ein Problem zugrunde liegt, das die Vereinbarkeit nationaler Gesetze mit dem Gemeinschaftsrecht betrifft.

    21 Wenn die Antwort des Gerichtshofes auf die Fragen des nationalen Gerichts nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufgrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens zu dessen Lösung nichts beitragen kann, verwandelt sich diese Antwort in eine didaktische Übung oder eine lediglich abstrakte Stellungnahme und stellt keine für die Entscheidung des nationalen Gerichts maßgebliche richterliche Erkenntnis dar.

    22 Dies ist meines Erachtens hier der Fall: Der Ausgangsrechtsstreit konzentriert sich auf die Frage, ob Dornier verpflichtet ist, die von Piaggio während der Konkursanfechtungsfrist erhaltenen Beträge an die Konkursmasse zurückzuerstatten. Die Unwirksamkeit der während dieser Frist erfolgten Zahlungen hängt nicht von der Art des Konkurses - ordentlich oder ausserordentlich - ab, denn es handelt sich hierbei um eine allgemeine Maßnahme, die den meisten Konkursrechtsordnungen gemeinsam ist. Die Unwirksamerklärung solcher Zahlungen ist demnach von den Eigenheiten der durch das italienische Sondergesetz vorgesehenen Sonderverwaltung unabhängig. Und was die mehr oder weniger grosse Wahrscheinlichkeit, die Forderungen in Zukunft eintreiben zu können (dies war, wie bereits erwähnt, das Hauptargument für die Zulässigkeit in der Rechtssache Ecotrade), betrifft, so handelt es sich hierbei um eine von der Ausübung der Anfechtungsklage unabhängige Frage.

    23 Zusammenfassend bin ich der Ansicht, daß die erforderlichen prozessualen Voraussetzungen nicht erfuellt sind, damit der Gerichtshof eine zweckmässige Antwort auf die Fragen des vorlegenden Gerichts geben kann. Für den Fall, daß die zur Entscheidung berufene Kammer meine Ansicht nicht teilen sollte, werde ich hilfsweise die zwei Vorlagefragen erörtern.

    Die erste Vorlagefrage

    24 Das Tribunale Genua fragt, ob ein nationales Gericht den Gerichtshof anrufen kann, damit sich dieser unmittelbar zur Vereinbarkeit einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaates mit den Bestimmungen des Artikels 92 des Vertrages äussert.

    25 Diese Frage muß, so wie sie formuliert ist, zwangsläufig verneint werden. Erstens ist das Vorabentscheidungsverfahren des Artikels 177 des Vertrages nach ständiger Rechtsprechung nicht das richtige Mittel für die unmittelbare Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann der Gerichtshof dem nationalen Gericht aber solche Anhaltspunkte für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand geben, die er für die Entscheidung der Rechtsstreits für zweckmässig hält.

    26 Zweitens lässt sich die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den jeweiligen Aufgaben der nationalen Rechtsprechungsorgane und des Gerichtshofes bei der Feststellung der Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinschaftsrecht so zusammenfassen, wie der Gerichtshof dies in seinem Urteil vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache SFEI u. a.(22) getan hat:

    - Bei dem durch den Vertrag eingeführten Kontrollsystem für staatliche Beihilfen muß berücksichtigt werden, daß das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen weder absolut noch unbedingt gilt, da insbesondere Artikel 92 Absatz 3 der Kommission einen weiten Ermessensspielraum bei der Zulassung von Beihilfen unter Abweichung von dem Verbot des Absatzes 1 gewährt. In diesen Fällen treten bei der Beurteilung der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt Probleme auf, die die Berücksichtigung und Bewertung von Tatsachen und komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten erfordern, die sich rasch ändern können.

    - Aus diesem Grund hat der Vertrag in Artikel 93 ein besonderes Verfahren für die fortlaufende Überprüfung und Überwachung der Beihilfen durch die Kommission festgelegt. Für neue Beihilfen, die ein Mitgliedstaat einzuführen beabsichtigt, sieht er ein Vorverfahren vor, ohne das eine Beihilfe nicht als rechtmässig eingeführt angesehen werden kann.

    - Das Einschreiten der nationalen Gerichte beruht auf der unmittelbaren Wirkung, die dem in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 ausgesprochenen Verbot der Durchführung von beabsichtigten Beihilfemaßnahmen zuerkannt worden ist. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die unmittelbare Anwendbarkeit des in diesem Artikel enthaltenen Durchführungsverbots jede Beihilfemaßnahme betrifft, die durchgeführt wird, ohne daß sie angezeigt worden ist, oder die im Fall der Anzeige während der Vorprüfungsphase oder - falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet - vor Erlaß der abschließenden Entscheidung durchgeführt wird.

    - Die nationalen Gerichte müssen zugunsten der einzelnen sämtliche Konsequenzen aus einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag sowohl bezueglich der Gültigkeit der Durchführungsakte als auch bezueglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen.

    - Wenn die nationalen Gerichte die Konsequenzen aus einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 ziehen, können sie sich nicht zu der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt äussern, da für die Beurteilung dieser Frage die Kommission unter der Kontrolle des Gerichtshofes ausschließlich zuständig ist.

    - Ein nationales Gericht kann Veranlassung haben, den in Artikel 92 EG-Vertrag enthaltenen Begriff der Beihilfe auszulegen, um bestimmen zu können, ob eine ohne Beachtung des in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführte staatliche Maßnahme diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen. Hat das nationale Gericht Zweifel daran, ob die betreffenden Maßnahmen als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sind, so kann es von der Kommission Erläuterungen zu diesem Punkt verlangen und kann oder muß gemäß Artikel 177 des Vertrages dem Gerichtshof eine Frage zur Auslegung des Artikel 92 des Vertrages zur Vorabentscheidung vorlegen.

    27 Die Antwort auf die erste Vorlagefrage des Tribunale Genua muß logischerweise diese Kriterien enthalten. Aufgrund dieser kann ein nationales Gericht den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht um eine unmittelbare Stellungnahme zur Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit Artikel 92 EG-Vertrag ersuchen. Dessen unbeschadet kann das nationale Gericht den Gerichtshof in diesem Verfahren aber um die Auslegung der gemeinschaftlichen Vorschriften ersuchen, die mit dem Begriff der staatlichen Beihilfe zusammenhängen.

    Die zweite Vorlagefrage

    28 Die zweite Vorlagefrage stellt sich nur, wenn die erste Vorlagefrage zu bejahen ist. Angesichts der vorangegangenen Ausführungen bräuchte zu dieser zweiten Frage nicht Stellung genommen zu werden. Die Kommission teilt in ihren Ausführungen diese Ansicht und ist ebenfalls der Meinung, daß es überfluessig sei, in diesem Verfahren die Anwendbarkeit des Artikels 92 EG-Vertrag auf das in dem Gesetz Nr. 95/79 vorgesehene Verfahren der Sonderverwaltung zu prüfen.

    29 Da die Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und dem nationalen Gericht es aber zulässt, ist es meines Erachtens nicht überfluessig, letzterem zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Zusammenhang mit einer innerstaatlichen Regelung, wie der im italienischen Gesetz enthaltenen, einige Auslegungshilfen an die Hand zu geben. Solche Auslegungshilfen finden sich in dem vorgenannten Urteil Ecotrade, dessen Tenor ich bereits wiedergegeben habe (siehe Randnr. 3) und jetzt nicht wiederholen muß.

    30 Ich gebe jedoch zu, daß das Ergebnis, zu dem der Gerichtshof gelangt ist, nicht frei von Nachteilen ist, soweit das Begriffspaar allgemeine Vorschriften/Sondervorschriften des Konkursrechts der Angelpunkt des Urteils ist. Lässt man die Übernahme von Bürgschaften durch den Staat, die wie bereits ausgeführt, die Italienische Republik der Kommission in jedem einzelnen Fall mitteilen will (siehe Randnr. 11), ausser Betracht, so bin ich nicht sicher, ob das Kriterium der Sonderregelung - im Gegensatz zu der allgemeinen konkursrechtlichen Regelung - zur Lösung des Problems ausreicht. Würde es unter diesen Voraussetzungen genügen, in die allgemeine konkursrechtliche Regelung die anderen Vorschriften des Gesetzes Nr. 95/79 aufzunehmen (d. h. die Vorschriften über die Befreiung von Geldbussen, den Verzicht auf bestimmte öffentliche Forderungen oder den Nachlaß bei der Übertragungssteuer), um ihnen ihren Beihilfecharakter zu nehmen?

    31 Meines Erachtens wäre es vielleicht vorzuziehen gewesen, nicht generell über sämtliche im Gesetz Nr. 95/79 vorgesehenen Maßnahmen zu entscheiden, sondern dem nationalen Gericht eine Antwort dahin gehend zu geben, daß sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilen lässt, ob tatsächlich eine staatliche Beihilfe vorgelegen hat. Andererseits und angesichts der Beschränkungen des Vorabentscheidungsverfahrens vielleicht unvermeidbar war der Gerichtshof in der Rechtssache Ecotrade gezwungen, eine Entscheidung mit eher hypothetischem Charakter zu fällen, die dem nationalen Gericht die Aufgabe überließ, zu beurteilen, ob die Anwendung der Sonderregelung für den Staat "einen grösseren Verlust bedeutet als derjenige, der durch die allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften verursacht wird". Eine solche Beurteilung ist äusserst schwierig, wenn nicht unmöglich, da sich der Staat im Rahmen normaler Konkursverfahren von Grossunternehmen ebenso genötigt sieht, Lösungen auf Kosten der Staatskasse zu akzeptieren, deren Höhe sich vorab nur schwer bestimmen lässt.

    32 Aus wirtschaftlicher Sicht ist es nämlich nicht einfach, zu bestimmen, ob die endgültigen Verluste des Staates - mit anderen Worten der Saldo der staatlichen Intervention - bei Anwendung der allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften positiver ausgefallen wären als bei Anwendung des Verfahrens der Sonderverwaltung. Aufgrund seiner Art verlangt das letztgenannte Verfahren einen gewissen Risiköinsatz für die Zukunft: Indem gegenwärtig auf die Erfuellung bestimmter öffentlicher Forderungen verzichtet wird, wird versucht, den Betrieb des Unternehmens fortzuführen und damit die Möglichkeit zu erhalten, später nicht nur die bereits fällig gewordenen Forderungen, sondern auch die öffentlichen Einnahmen aus der künftigen Tätigkeit des Unternehmens (Steuern, Sozialabgaben) zu realisieren. Tatsächlich ist die Stellung eines grossen privaten Gläubigers (z. B. eines Kreditinstituts) nicht viel anders, der in bestimmten Fällen mehr Interesse daran haben kann, den Betrieb des Schuldnerunternehmens, wenn es existenzfähig ist, aufrechtzuerhalten, als dessen Vermögen zu liquidieren und nur einen Teil der Schulden einzutreiben. In diesem Fall wären eher das völlige Fehlen der Existenzfähigkeit und nicht so sehr die Maßnahmen der Sonderverwaltung für die Beurteilung entscheidend, ob eine mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbare staatliche Beihilfe vorliegt.

    33 Falls der Gerichtshof es trotz dieser Überlegungen für angebracht hält, an den in der Rechtssache Ecotrade herausgestellten Grundsätzen festzuhalten, so möchte ich darauf hinweisen, daß die Kommission (die sich zu dem Gesetz Nr. 95/79 in einer Reihe von Entscheidungen geäussert hat, von denen einige allgemein galten(23) und andere sich auf Einzelfälle bezogen(24)) die Anwendung dieses Gesetzes als "bestehende staatliche Beihilfe" qualifiziert hat. Diese Qualifizierung führt zu einem Problem, das der Gerichtshof in der Rechtssache Ecotrade nicht berücksichtigen konnte, denn im EGKS-Vertrag kommt der Unterscheidung zwischen bestehenden und neuen Beihilfen nicht dieselbe Bedeutung wie im EG-Vertrag zu.

    34 Wie allgemein bekannt ist, können nach dem EG-Vertrag die bei dessen Inkrafttreten in den Gründungsstaaten (oder im Fall anderer Mitgliedstaaten die vor ihrem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften) "bestehenden" Beihilfen so lange fortgeführt werden, wie die Kommission sie nicht für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat(25). Solange eine solche Erklärung nicht erfolgt bedarf es keiner Prüfung ob - und inwieweit - diese Beihilfen gemäß Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag von dem Verbot des Artikels 92 ausgenommen sind.

    35 Im Gegensatz dazu sind "neue" Beihilfen in jedem Fall vorher bei der Kommission anzumelden; verstossen die Mitgliedstaaten hiergegen, hat dies die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zur Folge. Wie ich bereits bei dem Hinweis auf die Rechtssache SFEI u. a. ausgeführt habe, müssen die nationalen Gerichte die unmittelbare Anwendbarkeit dieses in Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Verbotes sicherstellen, wenn es sich um neue Beihilfen handelt, die nicht vorher angemeldet worden sind.

    36 Die Kommission hat zugegeben, daß das Gesetz Nr. 95/79, wie offenkundig ist, nach Inkrafttreten des EG-Vertrags erlassen wurde, und ebenfalls eingeräumt, daß es ihr nicht gemäß Artikel 93 Absatz 1 notifiziert worden ist. Sie trägt jedoch vor, daß sie beschlossen habe, dieses Gesetz aus "Zweckmässigkeitsgründen" wie eine bestehende Beihilfe zu behandeln. Zu diesen Gründen gehören ihre seit vierzehn Jahren bestehenden Zweifel an dem Beihilfecharakter des Gesetzes Nr. 95/79, die Tatsache, daß die Bestimmung der in diesem Gesetz enthaltenen Beihilfeelemente auch heute noch "komplex und nicht eindeutig" ist, das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer, das Fehlen von Klagen von Konkurrenten der diesem Verfahren unterworfenen Unternehmen, dessen seltene Anwendung, und schließlich die praktische Unmöglichkeit, die Rückzahlung eventuell zurückzuzahlender Beträge zu erreichen.

    37 Meines Erachtens können all diese Zweckmässigkeitsgründe keinen Vorrang vor den vom Legalitätsprinzip getragenen Erwägungen haben. Gemäß dem Legalitätsprinzip ist die Feststellung zwingend, daß die vom italienischen Gesetzgeber in dem Gesetz Nr. 95/79 vorgesehene Regelung, wenn sie als staatliche Beihilfe anzusehen ist, auch als eine neue Beihilfe im Sinne des Artikels 93 EG-Vertrag und nicht als eine bei Inkrafttreten des Vertrages bereits bestehende Beihilfe zu qualifizieren ist.

    38 Nach der Lösung dieser Frage sollte der Gerichtshof, wenn er sich dazu entscheidet, die zweite Vorlagefrage zu beantworten, und es für angebracht hält, seinen in der Rechtssache Ecotrade vertretenen Standpunkt (in diesem Fall bezogen auf Artikel 92 EG-Vertrag und nicht auf Artikel 4 EGKS-Vertrag) aufrechtzuerhalten, das nationale Gericht darauf hinweisen, daß eine staatliche Beihilfe nicht angewandt werden darf, wenn sie nicht bei der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag angemeldet worden ist.

    Ergebnis

    39 Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, im vorliegenden Verfahren die Vorlagefragen des Tribunale Genua für unzulässig zu erklären, oder hilfsweise, wie folgt zu antworten:

    1. Ein nationales Gericht kann den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht um eine unmittelbare Stellungnahme zur Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit Artikel 92 EG-Vertrag ersuchen. Dessen unbeschadet kann das nationale Gericht den Gerichtshof in diesem Verfahren aber um die Auslegung der gemeinschaftlichen Vorschriften ersuchen, die mit dem Begriff der staatlichen Beihilfe zusammenhängen.

    2. Die in dem Urteil des Gerichtshofes vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache Ecotrade Srl u. a. dargelegten Kriterien für die Anwendbarkeit einer Regelung wie der in dem italienischen Gesetz Nr. 95/79 vom 3. April 1979, die Ausnahmen von den allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften vorsieht, sind auch auf den Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag übertragbar. Nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag darf eine staatliche Beihilfe nicht angewandt werden, wenn sie bei der Kommission nicht angemeldet worden ist.

    (1) - Gesetz Nr. 95 vom 3. April 1979 (GURI Nr. 94 vom 4. April 1979), bekannt als "Gesetz Prodi", durch das das Gesetzesdekret Nr. 26 vom 30. Januar 1979 über dringende Maßnahmen für die Sonderverwaltung von Grossunternehmen in der Krise (GURI Nr. 36 vom 6. Februar 1979) mit Änderungen bestätigt wurde.

    (2) - Rechtssache C-200/97, Slg. 1998, I-7907.

    (3) - Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 244/78 (Union laitière normande, Slg. 1979, 2663, Randnr. 5) und vom 10. März 1981 in den verbundenen Rechtssachen 36/80 und 71/80 (Irish Creamery Milk Suppliers Association, Slg. 1981, 735, Randnr. 6).

    (4) - Urteil des Gerichtshofes vom 3. Februar 1977 in der Rechtssache 52/76 (Benedetti, Slg. 1977, 163, Randnr. 22).

    (5) - Urteil des Gerichtshofes vom 26. Januar 1993 in den Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90 (Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393).

    (6) - Urteil Telemarsicabruzzo u. a., Randnrn. 6 und 7.

    (7) - Die aufgrund des Urteils Telemarsicabruzzo ergangenen Beschlüsse, mit denen Vorabentscheidungsfragen für unzulässig erklärt worden sind, sind folgende: Beschlüsse des Gerichtshofes vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92 (Banchero I, Slg. 1993, I-1058), vom 26. April 1993 in der Rechtssache C-386/92 (Monin Automobiles I, Slg. 1993, I-2049), vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-378/93 (La Pyramide, Slg. 1994, I-3999), vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93 (Saddik, Slg. 1995, I-511), vom 7. April 1995 in der Rechtssache C-167/94 (Grau Gomis u. a., Slg. 1995, I-1023), vom 21. Dezember 1995 in der Rechtssache C-307/95 (Max Mara, Slg. 1995, I-5083), vom 2. Februar 1996 in der Rechtssache C-257/95 (Bresle, Slg. 1996, I-233), vom 13. März 1996 in der Rechtssache C-326/95 (Banco de Fomento e Exterior, Slg. 1996, I-1385), vom 20. März 1996 in der Rechtssache C-2/96 (Sunino y Data, Slg. 1996, I-1543), vom 25. Juni 1996 in der Rechtssache C-101/96 (Italia Testa, Slg. 1996, I-3081), vom 19. Juli 1996 in der Rechtssache C-191/96 (Modesti, Slg 1996, I-3937) und C-196/96 (Hassan, Slg. 1996, I-3945), vom 30. Juni 1997 in der Rechtssache C-66/97 (Banco de Fomento e Exterior, Slg. 1997, I-3757), vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-128/97 und 137/97 (Testa und Modesti, Slg. 1998, I-2181) und vom 8. Juli 1998 in der Rechtssache C-9/98 (Agostini, Slg. 1998, I-4261).

    (8) - Darauf hatte der Gerichtshof bereits mit Urteil vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81 bis 143/81 (Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, Randnrn. 5 und 6) hingewiesen.

    (9) - Das Gericht gibt dennoch zu, daß die Sonderverwaltung nicht nur zum Ziel hat, die in der Krise befindlichen Unternehmen zu erhalten und zu sanieren, sondern eventuell auch zu liquidieren, wie dies bei jedem Konkursverfahren üblich ist.

    (10) - Nach Artikel 2bis des Gesetzes kann der Staat für Verbindlichkeiten, die die unter Sonderverwaltung stehenden Gesellschaften zur Finanzierung der laufenden Verwaltung und zur Wiederinbetriebnahme und Fertigstellung von Anlagen, Gebäuden und betrieblichen Einrichtungen bei einem Kreditinstitut eingehen, ganz oder teilweise eine Bürgschaft übernehmen.

    (11) - Siehe unten, Fußnote 23.

    (12) - Es handelt sich hierbei um das Dekret Nr. 267 vom 16. März 1942 über das Konkursverfahren, den Vergleich, die Zwangsverwaltung und die Zwangsliquidation, dessen Teil III zur Überschrift hat: "Über die Wirkungen des Konkurses auf die den Gläubigern nachteiligen Handlungen". Artikel 65 sieht vor, daß sämtliche Zahlungen [...] des Konkursschuldners, die in den zwei Jahren vor Eröffnung des Verfahrens geleistet worden sind, gegenüber den Gläubigern unwirksam sind. Artikel 66 regelt die "allgemeine Konkursanfechtung", durch die der Konkursverwalter entsprechend den Vorschriften des Código Civil die Unwirksamkeitserklärung der durch den Schuldner zu Lasten der Gläubiger vorgenommenen Handlungen beantragen kann. Artikel 67 betrifft entgeltliche Rechtsgeschäfte, Zahlungen und Bürgschaften und sieht vor, daß sie rückgängig gemacht werden, es sei denn die andere Partei kann nachweisen, daß ihr die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht bekannt war. Darunter fallen u. a.: 1) die entgeltlichen Rechtsgeschäfte in den zwei Jahren vor Eröffnung des Verfahrens, soweit die erbrachten Leistungen oder übernommenen Verpflichtungen des Schuldners die ihm erbrachten oder versprochenen Leistungen wesentlich übersteigen; 2) die nicht in bar oder mit anderen normalen Zahlungsmitteln in den zwei Jahren vor Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgte Tilgung von fälligen Geldschulden.

    (13) - Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1981 in der Rechtssache 126/80 (Salonia, Slg. 1981, 1563, Randnr. 6).

    (14) - Siehe u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-297/88 und C-197/89 (Dzodzi, Slg. 1990, I-3763, Randnr. 40), vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-186/90 (Durighello, Slg. 1991, I-5763, Randnr. 9), vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-67/91 (Asociación Española de Banca Privada u. a., Slg. 1992, I-4785, Randnr. 26), vom 3. März 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-332/92, C-333/92 und C-335/92 (Eurico Italia u. a., Slg. 1994, I-711, Randnr. 17), vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache C-143/94 (Furlanis, Slg. 1995, I-3633, Randnr. 12) und vom 28. März 1996 in der Rechtssache C-129/94 (Ruiz Bernáldez, Slg. 1996, I-1829, Randnr. 7).

    (15) - Beschluß des Gerichtshofes vom 26. Januar 1990 in der Rechtssache C-286/88 (Falciola, Slg. 1990, I-191).

    (16) - Beschluß des Gerichtshofes vom 16. Mai 1994 in der Rechtssache C-428/93 (Monin Automobiles II, Slg. 1994, I-1707).

    (17) - Beschlüsse des Gerichtshofes vom 25. Mai 1998 in den Rechtssachen C-361/97 (Slg. 1998, I-3101) und C-362/97 und C-363/97 (Slg. 1998, I-0000).

    (18) - Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-343/90 (Lourenço Dias, Slg. 1992, I-4673).

    (19) - Urteil des Gerichtshofes vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783, Randnrn. 14 bis 16).

    (20) - Urteil des Gerichtshofes vom 16. Januar 1997 in der Rechtssache C-134/95 (USSL N_ 47 di Biella, Slg. 1997, I-195).

    (21) - Urteil des Gerichtshofes vom 9. Oktober 1997 in der Rechtssache C-291/96 (Grado und Bassir, Slg. 1997, I-5531).

    (22) - Rechtssache C-39/94 (Slg 1996, I-3547).

    (23) - Bezueglich des Gesetzes insgesamt wies die Kommission in einem Schreiben an die italienische Regierung gemäß Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag diese darauf hin, daß das genannte Gesetz in vielfacher Hinsicht offensichtlich unter die Artikel 92 ff. EG-Vertrag falle, und forderte sie auf, Fälle der Anwendung dieses Gesetzes im voraus zu melden, damit diese anhand der Beihilferegelungen für in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen geprüft werden könnten (Schreiben E 13/92 vom 30. Juli 1992, ABl. 1994, C 395, S. 4). Da sich die italienischen Behörden in ihrer Antwort hierauf nur zu einer vorherigen Anmeldung in den Fällen der Gewährung der staatlichen Bürgschaft nach Artikel 2bis des Gesetzes bereiterklärten, beschloß die Kommission, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag zu eröffnen.

    (24) - Vgl. in diesem Zusammenhang die in der vorgenannten Rechtssache Ecotrade in Randnr. 22 aufgeführten Urteile.

    (25) - So die Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C-47/91 (Italien/Kommission, Slg. 1992, I-4145, Randnr. 25) und vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-387/92 (Banco Exterior de España SA, Slg. 1994, I-877, Randnrn. 20 und 21).

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