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Document 61997CC0242

Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 21. Oktober 1999.
Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
EAGFL - Rechnungsabschluß - Haushaltsjahr 1993 - Getreide und Rindfleisch.
Rechtssache C-242/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-03421

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:511

61997C0242

Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 21. Oktober 1999. - Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAGFL - Rechnungsabschluß - Haushaltsjahr 1993 - Getreide und Rindfleisch. - Rechtssache C-242/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-03421


Schlußanträge des Generalanwalts


A - Einführung

1 Mit der vorliegenden Klage beantragt Belgien die Nichtigerklärung der Entscheidung 97/333/EG der Kommission vom 23. April 1997 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (im folgenden: EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1993 finanzierten Ausgaben(1), insoweit darin in bezug auf den Kläger ein Betrag von 413 309 611 BEF für Ausgaben zur Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen von der Gemeinschaftsfinanzierung ausgeschlossen wurden.

2 Die Kommission hatte bei Überprüfungen in den Jahren 1993 und 1994 gravierende Mängel des Kontrollsystems(2) in Belgien festgestellt und daraufhin finanzielle Berichtigungen vorgenommen. Für Belgien wurden dabei Ausgaben in Höhe der Klagesumme im Bereich der Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattungen(3) in den Sektoren Rindfleisch und Getreide nicht anerkannt.

3 Belgien erhebt gegenüber der Kommission in der nachstehenden Reihenfolge zusammenfassend folgende vier Vorwürfe:

1. Sie habe gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen, da sie die von Belgien vorgebrachten Ausführungen nicht beachtet habe. Damit liege auch ein Verstoß gegen die Sorgfalts- und Begründungspflicht vor.

2. Sie habe zu Unrecht eine (10%ige) Pauschalkürzung für sämtliche von Belgien in den genannten Sektoren gemeldeten Ausgaben vorgenommen.

3. Eine 10%ige Kürzung entspreche jedenfalls nicht den von der Kommission aufgestellten Leitlinien.

4. Es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, da die Kürzungen im Rindfleischsektor bei anderen Mitgliedstaaten nur 5 % betragen hätten.

B - Sachverhalt

4 Im Rahmen des Rechnungsabschlusses für die Haushaltsjahre 1993 (und 1994) hatte die Kommission Kontrollen in den Zollstellen Leuven und Aalst zwischen dem 12. und 16. September 1994 und in den Zollstellen Beauraing und Dendermonde zwischen dem 7. und 14. November 1994 vorgenommen. Diese Kontrollen betrafen insbesondere die Systeme der Vorfinanzierung im Getreide- (Leuven und Aalst) und im Rindfleischsektor (Beauraing und Dendermonde).

5 Am 24. November 1994 teilte die Kommission den zuständigen belgischen Behörden ihren sich aus den Kontrollen in Leuven und Aalst ergebenden Befund im französischen Wortlaut - bzw. am 5. Januar 1995 in der niederländischen Fassung - mit. Die belgischen (Zoll-)Behörden antworteten mit Schreiben vom 29. Dezember 1994.

6 Betreffend die Zollstellen Beauraing und Dendermonde teilte die Kommission ihre Ergebnisse mit Schreiben vom 2. März 1995 mit. Eine Antwort hierauf erhielt sie am 16. Mai 1995.

7 Am 27. September 1995 kam es zu einem Treffen der Kommission mit Vertretern der belgischen Behörden, in dessen Rahmen die Ergebnisse der Kontrollen der Kommissionsdienststellen diskutiert wurden. Im Anschluß an dieses Treffen übermittelte die Kommission mit Schreiben vom 7. November 1995 (französische Fassung) bzw. 21. November 1995 (niederländische Fassung) die Ergebnisse der Kontrollen im Rahmen des Rechnungsabschlusses. Die Kommission forderte dabei zusätzliche Dokumente von den belgischen Behörden an. Die geforderten Unterlagen wurden vom Landwirtschaftsministerium mit Schreiben vom 22. Dezember 1995, 15. Januar 1996 und 16. Februar 1996 übersandt. Die Zollverwaltung übermittelte ebenfalls ein Schreiben am 28. März 1996.

8 Die Schlußfolgerungen ihrer Untersuchungen übermittelte die Kommission mit Schreiben vom 8. Juli 1996 (englische Fassung) bzw. 19. Juli 1996 (niederländische Fassung). In diesem Dokument legte die Kommission ihre Beanstandungen und die damit verbundenen finanziellen Folgen für den Rechnungsabschluß detailliert dar.

9 In welcher Höhe eine finanzielle Berichtigung für das Haushaltsjahr 1993 vorgenommen werden sollte, teilte die Kommission mit Schreiben vom 19. Juli 1996 mit.

10 Die belgische Regierung beantragte daraufhin am 1. Oktober 1996 das nach Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 94/442/EG(4) vorgesehene Schlichtungsverfahren. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens kam es am 5. Dezember 1996 zu einem Treffen der beteiligten Parteien. Der Bericht der Schlichtungsstelle wurde am 13. Februar 1997 verabschiedet.

11 Die Kommission hatte bereits am 31. Dezember 1996 einen Entwurf ihres Zusammenfassenden Berichts fertiggestellt, der sich weitgehend an den Ausführungen der Schlußfolgerungen vom 8. bzw. 19. Juli 1996 orientierte.

12 Der Zusammenfassende Bericht wurde im EAGFL-Ausschuß der Kommission am 3. März 1997 beraten.

13 Am 23. April 1997 verabschiedete die Kommission die angegriffene Entscheidung auf Grundlage des Zusammenfassenden Berichts. Für Belgien, Deutschland, Frankreich und die Niederlande wurden Pauschalkürzungen in Höhe von 10 % der angemeldeten Ausgaben im Getreidesektor beschlossen. Für den Bereich Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch wurden Kürzungen in Höhe von 5 % für Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande festgesetzt, für Belgien hingegen in Höhe von 10 %.

14 Nach Auffassung der belgischen Regierung habe die Kommission bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung

1. gegen Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70(5), den sich aus Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) ergebenden Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, Artikel 190 EG-Vertrag (Begründungspflicht) (jetzt Artikel 253 EG) sowie ihre Sorgfaltspflicht verstoßen, indem sie die von den belgischen Behörden vorgebrachten Tatsachen ohne Begründung nicht beachtet habe. Wäre dieses Vorbringen beachtet und geprüft worden, so hätte die Kommission entweder eine pauschale Berichtigung ganz oder teilweise unterlassen oder einen geringeren Berichtigungsfaktor anwenden müssen.

2. unter Verletzung der Verordnung Nr. 729/70 und (EWG) Nr. 1723/72(6) sowie der Begründungspflicht gemäß Artikel 190 EG-Vertrag eine pauschale Berichtigung vorgenommen. Das belgische System weise aber nicht als Ganzes Mängel auf; eine 10%ige Kürzung sei nicht gerechtfertigt und beziehe sich auch auf Bereiche, bei denen keine Mängel festgestellt worden seien.

3. gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Rechtssatz "patere legem quam ipse fecisti"(7) sowie Artikel 190 EG-Vertrag verstoßen. Die Kommission habe entgegen den von ihr aufgestellten Leitlinien und geltenden Vorschriften einen Berichtigungssatz in Höhe von 10% festgelegt, ohne daß dieses Vorgehen gerechtfertigt und begründet gewesen sei.

4. gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Begründungspflicht verstoßen, da bei anderen Mitgliedstaaten eine Kürzung lediglich in Höhe von 5 % vorgenommen worden sei, im Falle Belgiens aber in Höhe von 10 %, ohne daß dies ausreichend begründet worden sei.

15 Das Königreich Belgien hat daher Klage gegen die Kommission eingereicht und beantragt,

1. die Entscheidung 97/333/EG der Kommission vom 23. April 1997 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1993 finanzierten Ausgaben insoweit für nichtig zu erklären, als darin in bezug auf den Kläger ein Betrag von 413 309 611 BEF für Ausgaben zur Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen von der Gemeinschaftsfinanzierung ausgeschlossen wurde;

2. der Kommission die Kosten der Verfahrens aufzuerlegen.

16 Die Kommission beantragt,

1. die Klage des Königreichs Belgien abzuweisen;

2. dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

17 Die Kommission ist der Auffassung, die von ihr festgestellten Mängel des belgischen Kontrollsystems rechtfertigten eine Pauschalkürzung in Höhe von 10% der angemeldeten Ausgaben. Die vorgenommene Berichtigung sei zudem verhältnismäßig und stelle keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

18 Auf das weitere Vorbringen der Parteien wird im Rahmen der Stellungnahme eingegangen.

C - Einschlägige Rechtsvorschriften

19 Im folgenden werden die im vorliegenden Fall einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen insgesamt aufgeführt. Soweit im Rahmen der Stellungnahme hierauf zurückzukommen sein wird, wird auf die Nummern dieser Auflistung verwiesen.

Grundsätzliche Regelungen

20 Die grundlegenden Bestimmungen über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik finden sich in der Verordnung Nr. 729/70 - siehe Fußnote 5 -. So werden vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, gemäß Artikel 2 Absatz 1 die Erstattungen bei der Ausfuhr nach Drittstaaten finanziert, die nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte gewährt werden.

21 Nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c, geändert durch die Verordnung Nr. 1287/95 - siehe Fußnote 5 -, bestimmt die Kommission die Ausgaben, die von der gemeinschaftlichen Finanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, daß Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind. Vor jeder Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung hat die Kommission die Ergebnisse der Überprüfung - sowie der betreffende Mitgliedstaat seine Antworten - jeweils schriftlich zu übermitteln. Zudem bemühen sich nach Artikel 5 beide Parteien, zu einem Einvernehmen hinsichtlich der zu ziehenden Folgerungen zu gelangen. Sollte kein Einvernehmen erzielt werden, so kann der Mitgliedstaat die Eröffnung eines Schlichtungsverfahrens beantragen. Die Kommission bemißt letztlich die auszuschließenden Beträge insbesondere unter Berücksichtigung der Tragweite der festgestellten Nichtübereinstimmung. Sie trägt dabei, so Artikel 5, der Art und Schwere des Verstoßes sowie dem der Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schaden Rechnung.

22 Hinsichtlich der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bestimmt Artikel 8 Absatz 1 folgendes:

"Die Mitgliedstaaten treffen gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um

- sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind,

- Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen,

- die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen.

..."

23 Nach Artikel 8 Absatz 2 werden die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind, nicht von der Gemeinschaft getragen.

24 Die grundlegenden Vorschriften der gemeinsamen Marktorganisation für Rindfleisch sind in der Verordnung (EWG) Nr. 805/68(8), die für den Getreidesektor in der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75(9) enthalten. Nach diesen beiden Verordnungen können Ausfuhrerstattungen erst dann gewährt werden, wenn der Nachweis erbracht wurde, daß die Erzeugnisse aus der Gemeinschaft ausgeführt worden sind.

25 Ausnahmen von diesem Grundsatz sieht insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 565/80(10) vor. In dieser Verordnung werden Grundregeln für die Zahlung eines Betrages schon vor der Ausfuhr festgelegt, der den Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch bzw. Getreide entspricht. In dieser Verordnung sind zwei mögliche Fälle der Vorfinanzierung - die Vorfinanzierung-Lagerung und die Vorfinanzierung-Verarbeitung - aufgeführt.

Zum System der Vorfinanzierung

26 Artikel 5 bestimmt hierzu folgendes:

"(1) Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Erzeugnisse oder Waren im Hinblick auf ihre Ausfuhr innerhalb einer bestimmten Frist einem Zollagerverfahren oder Freizonenverfahren unterworfen sind.

(2) Die in diesem Artikel vorgesehene Regelung gilt für Erzeugnisse und Waren, die in unverändertem Zustand ausgeführt werden, wenn die Erzeugnisse oder Waren ihrer Natur nach gelagert werden können.

..."

Dieses System wird auch Vorfinanzierung-Lagerung genannt.

27 Die zweite Möglichkeit der Vorfinanzierung ist in Artikel 4 genannt:

"(1) Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Grunderzeugnisse der Zollkontrolle unterworfen wurden und damit sichergestellt ist, daß die Verarbeitungserzeugnisse oder die Waren innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt werden.

(2) Die in diesem Artikel vorgesehene Regelung gilt für Verarbeitungserzeugnisse und Waren aus Grunderzeugnissen, sofern der aktive Veredelungsverkehr für vergleichbare Erzeugnisse nicht untersagt ist.

..."

Dieses System wird auch Vorfinanzierung-Verarbeitung genannt.

28 Nach Artikel 2 sind im Sinne dieser Verordnung

"a) - Erzeugnisse: die in Artikel 1 genannten Erzeugnisse,

- Grunderzeugnisse: die Erzeugnisse, die nach ihrer Verarbeitung zu Verarbeitungserzeugnissen oder Waren zur Ausfuhr bestimmt sind,

b) Verarbeitungserzeugnisse: die Erzeugnisse,

- die aus der Verarbeitung von Grunderzeugnissen hervorgegangen sind

- auf die eine Ausfuhrerstattung anwendbar ist,

..."

29 In Titel II Kapitel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87(11) ist die Vorfinanzierung der Erstattung im Fall einer Verarbeitung oder Lagerung vor der Ausfuhr und somit die Anwendung der Verordnung Nr. 565/80 geregelt.

Zur Zahlungserklärung und den für sie notwendigen Angaben

30 Nach Artikel 25 Absatz 1 finden die Verfahren der Vorfinanzierung-Lagerung bzw. Vorfinanzierung-Verarbeitung nur dann Anwendung, wenn bei den Zollbehörden eine Willenserklärung (Zahlungserklärung) des Ausführers vorliegt. Dieser Antrag auf Zahlung wird in der Praxis auch als KOM-7-Erklärung bezeichnet. In dieser Zahlungserklärung sind gemäß Artikel 25 Absatz 2 "... alle Angaben zu machen, die zur Berechnung der Erstattung sowie der geltenden Währungsausgleichsbeträge für die auszuführenden Erzeugnisse oder Waren erforderlich sind, insbesondere:

...

b) die Eigenmasse der Erzeugnisse oder Waren oder gegebenenfalls die zur Berechnung der Erstattung oder des Währungsausgleichsbetrages zu berücksichtigende und in den entsprechenden Mengeneinheiten ausgedrückte Menge;

...

Sind Grunderzeugnisse zu verarbeiten, muß die Zahlungserklärung ferner enthalten:

- die Bezeichnung der Grunderzeugnisse,

- die Grunderzeugnismengen,

- den Ausbeutesatz oder eine ähnliche Angabe."

31 Artikel 26 Absatz 1 bestimmt, daß die "... Erzeugnisse oder Waren ... vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an unter Zollkontrolle zu stellen [sind], bis sie das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen oder eine vorgesehene Bestimmung erreichen."

Zum System Vorfinanzierung-Verarbeitung und zur Äquivalenzregel

32 Für die Vorfinanzierung-Verarbeitung sieht Artikel 27 folgendes vor:

"(1) Bei Verarbeitungserzeugnissen oder aus Grunderzeugnissen hergestellten Waren wird das Ergebnis der Prüfung der Zahlungserklärung mit der gegebenenfalls durchgeführten Beschau der Grunderzeugnisse bei der Festsetzung der Erstattung und des Währungsausgleichsbetrags berücksichtigt.

...

(3) Grunderzeugnisse müssen ganz oder teilweise in den auszuführenden Verarbeitungserzeugnissen oder Waren enthalten sein. Wenn die zuständigen Behörden es jedoch zulassen, können Grunderzeugnisse durch äquivalente Erzeugnisse derselben Unterposition der kombinierten Nomenklatur, welche dieselbe Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale aufweisen sowie die für die Gewährung der Ausfuhrerstattung erforderlichen Voraussetzungen erfuellen, ersetzt werden.

..."

Diese in Absatz 3 enthaltene Bestimmung wird auch Äquivalenzregelung genannt.

Zum System Vorfinanzierung-Lagerung

33 Im Rahmen der Vorfinanzierung-Lagerung sieht Artikel 28 vor:

"(1) Bei Erzeugnissen oder Waren, die nach einem Zollager- oder Freizonenverfahren auszuführen sind, werden die Ergebnisse der Prüfung der Zahlungserklärung und der Beschau der Erzeugnisse oder Waren bei der Festsetzung der Erstattung und des Währungsausgleichsbetrags berücksichtigt.

...

(4) Die in Zollagern oder Freizonen eingelagerten Erzeugnisse oder Waren können dort unter den von den zuständigen Behörden festgelegten Bedingungen folgenden Behandlungen unterzogen werden:

a) Bestandsaufnahme;

b) Anbringen von Warenzeichen, Stempeln, Etiketten oder anderen gleichartigen Unterscheidungszeichen auf den Erzeugnissen oder Waren oder auf ihrer Verpackung, ...

...

Die Erstattung und der Währungsausgleichsbetrag, welche für die Erzeugnisse oder Waren gelten, die den vorstehend genannten Behandlungen unterzogen worden sind, werden gemäß Menge, Art und Merkmalen der Erzeugnisse oder Waren festgesetzt, die diese zu dem für die Berechnung der Erstattung gemäß Artikel 26 zugrunde gelegten Zeitpunkt besaßen.

..."

Zu den Sondererstattungen

34 Durch die Verordnungen (EWG) Nr. 32/82(12) und (EWG) Nr. 1964/82(13) wurden Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von bestimmten Arten von Rindfleisch festgelegt. Im Rahmen der erstgenannten Verordnung gilt dies für die Ausfuhr in bestimmte Drittländer von frischem oder gekühltem Fleisch in Form von ganzen Tierkörpern, halben Tierkörpern, "quartiers compensés", Vordervierteln und Hintervierteln. Im Rahmen der zweitgenannten Verordnung gilt dies für die aus frischen oder gekühlten Hintervierteln von ausgewachsenen männlichen Rindern stammenden entbeinten Stücke, die einzeln verpackt sind.

35 In beiden Fällen hat der Antragsteller nachzuweisen, daß die zur Ausfuhr bestimmten Waren auch den Anforderungen beider Verordnungen entsprechen. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten gehalten, Kontrollen durchzuführen, die die Einhaltung der Bestimmungen der jeweiligen Verordnungen garantieren.

Zu den Kontrollen

36 Artikel 3 der Verordnung Nr. 32/82 sieht folgendes vor:

"Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen für die Kontrolle der Erzeugnisse und für die Erteilung der ... Bescheinigung fest. Diese Bedingungen können einen Hinweis auf eine Mindestmenge enthalten.

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Erzeugnisse in der Zeit zwischen der Kontrolle und dem Verlassen des geographischen Gebiets der Gemeinschaft ... nicht durch andere Erzeugnisse ersetzt werden können. Zu diesen Maßnahmen gehören insbesondere die Kennzeichnung jedes einzelnen Erzeugnisses entweder durch eine unlöschbare Markierung oder durch Plombierung eines jeden Viertels. Die Schlachtung und Kennzeichnung erfolgen in dem vom Beteiligten angegebenen Schlachthof ..."

37 Nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 1964/82 legen die Mitgliedstaaten

"... die Bedingungen für die Kontrolle fest und teilen sie der Kommission mit. Sie treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die betreffenden Erzeugnisse nicht durch andere Erzeugnisse ersetzt werden können, insbesondere durch die Identifizierung jedes Teilstücks.

...

Die Säcke, Kartons oder sonstigen Umschließungen, die die entbeinten Teilstücke enthalten, werden von den zuständigen Behörden versiegelt oder plombiert und tragen Angaben, die eine Nämlichkeitssicherung des entbeinten Fleisches ermöglichen, insbesondere das Eigengewicht, die Art und die Anzahl der Stücke sowie eine laufende Nummer."

38 Zur Regelung der Kontrollen bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden, wurden die Verordnungen (EWG) Nr. 386/90(14) und (EWG) Nr. 2030/90(15) erlassen. Die erstgenannte Verordnung regelt gemäß Artikel 1 Absatz 1 "... die Kontrollen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob die Vorgänge, die zur Zahlung der Ausfuhrerstattungen und anderen Beträge im Zusammenhang mit der Ausfuhr berechtigen, tatsächlich stattgefunden haben und ob sie vorschriftsgemäß durchgeführt worden sind."

39 In den Artikeln 2 und 3 der Verordnung Nr. 386/90 sind die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen festgelegt.

40 In Artikel 2 heißt es zunächst:

"Die Mitgliedstaaten nehmen folgende Kontrollen vor:

a) Warenkontrolle gemäß Artikel 3 und Artikel 3 a) bei Erfuellung der Ausfuhrzollförmlichkeiten und vor Überlassung zur Ausfuhr anhand der Unterlagen der Ausfuhranmeldung und

b) Überprüfung der Unterlagen der Zahlungsanträge gemäß Artikel 4."

41 Hieran schließt sich die Regelung des Artikels 3 an, wonach

"(1) unbeschadet besonderer Vorschriften, nach denen eine weitere Kontrolle erforderlich ist,

a) ... die Warenkontrolle nach Artikel 2 Buchstabe a) durch häufige, unangemeldete Stichproben [erfolgt];

b) ... die Warenstichproben in jedem Fall eine repräsentative Auswahl von mindestens 5 v. H. der Ausfuhranmeldungen umfassen [müssen], bei denen die Gewährung von Beträgen nach Artikel 1 Absatz 1 beantragt wurde.

(2) Nach Maßgabe der nach dem Verfahren des Artikels 6 festzulegenden Bestimmungen gilt der in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Kontrollsatz

- je Zollstelle, - je Kalenderjahr, - je Erzeugnissektor.

Der Kontrollsatz von 5 v. H. je Erzeugnissektor kann jedoch durch einen Kontrollsatz von 5 v. H. für alle Sektoren ersetzt werden, sofern der Mitgliedstaat eine Auswahl auf der Grundlage einer Risikoanalyse vornimmt, die anhand von - nach dem Verfahren des Artikels 6 festzulegenden - Kriterien durchzuführen ist. In diesem Fall ist ein Mindestkontrollsatz von 2 v. H. je Erzeugnissektor obligatorisch."

42 In der in Nummer 38 zweitgenannten Verordnung, der Verordnung Nr. 2030/90, ist bezüglich der Warenkontrolle in den Durchführungsvorschriften in Artikel 5 Absatz 1 folgendes geregelt:

"Die Warenkontrolle erfolgt

a) innerhalb des Zeitraums zwischen der Abgabe der Ausfuhranmeldung und der Freigabe der Waren zur Ausfuhr und

..."

43 Nach Artikel 6 Absatz 1 können "bei Vorfinanzierung der Erstattung gemäß den Artikeln 24 bis 29 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 ... die Warenkontrollen, die während der Lagerung und gegebenenfalls bei der Verarbeitung vorgenommen wurden, auf den Mindestkontrollsatz gemäß Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 angerechnet werden, sofern

a) die vor Erfuellung der Ausfuhrzollförmlichkeiten durchgeführten Warenkontrollen mit der gleichen Intensität vorgenommen wurden wie üblicherweise während des Zeitraums gemäß Artikel 5 und

b) die zuvor kontrollierten Erzeugnisse und Waren mit denen identisch sind, die Gegenstand der Ausfuhranmeldung sind."

Zur Berechnung von Kürzungen (Belle-Bericht)

44 Der Belle-Bericht der Kommission legt Leitlinien fest für den Fall, daß gegenüber einem Mitgliedstaat finanzielle Berichtigungen vorgenommen werden müssen. Neben drei Berechnungsmethoden für konkrete Kürzungen sieht der Belle-Bericht folgende drei Gruppen von pauschalen Berichtigungen vor:

"a) 2 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf weniger wichtige Teile des Kontrollsystems oder auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die für die Gewährleistung der Regelmäßigkeit der Ausgaben nicht wesentlich sind, so daß der Schluß zulässig ist, daß die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL gering war.

b) 5 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf ein wichtiges Element des Kontrollsystems oder auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die wichtig sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so daß der Schluß zulässig ist, daß die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL groß war.

c) 10 % der Ausgaben, wenn der Mangel das gesamte oder doch wesentliche Einzelheiten des Kontrollsystems betrifft oder sich auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die von wesentlicher Bedeutung sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so daß der Schluß zulässig ist, daß die Gefahr eines sehr hohen Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand."

45 Bestehen Zweifel, welcher Berichtigungssatz anzuwenden ist, so können gemäß den Leitlinien außerdem folgende Überlegungen als mildernde Umstände in Betracht kommen:

"- Haben die einzelstaatlichen Behörden wirksame Maßnahmen getroffen, um die Mängel sofort nach ihrer Feststellung abzustellen?

- Haben sich die Mängel aus Problemen bei der Auslegung der Gemeinschaftsvorschriften ergeben?"

46 Gemäß den in diesem Bericht aufgestellten Leitlinien ist also für die Frage, in welcher Höhe Berichtigungen durchgeführt werden sollen, zunächst das Risiko für Verluste des EAGFL anhand der festgestellten Mängel zu bemessen. Dabei ist im wesentlichen auf die Wirksamkeit des gesamten Kontrollsystems, einzelner Kontrollelemente oder der Durchführung dieser Kontrollen abzustellen. Auch die Schwere der Mängel sowie die Betrugsbekämpfungsmaßnahmen sind dabei zu berücksichtigen.

47 Die Kommission darf demnach pauschale Berichtigungen vornehmen, wenn sich keine konkreten Beträge ermitteln lassen, die zum Schaden des EAGFL ausgezahlt worden sind. In diesem Fall wird es als ausreichend angesehen, wenn ein bloßes Risiko für Verluste bestanden hat.

D - Vorbemerkung zum Verfahren des Rechnungsabschlusses - Grundsätze der Rechtsprechung

48 Zunächst ist festzuhalten, daß das Verfahren des Rechnungsabschlusses gewährleisten soll, daß die den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Mittel unter Einhaltung der im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation geltenden Gemeinschaftsvorschriften verwendet worden sind.

49 In Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 - siehe oben, Nummer 22 -, der eine Ausgestaltung der Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EG-Vertrag für diesen besonderen Bereich darstellt, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Grundsätze niedergelegt, die die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der aus Mitteln des EAGFL finanzierten gemeinschaftlichen Agrarinterventionsmaßnahmen sowie bei der Bekämpfung von betrügerischen Handlungen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen zu beachten haben. Er legt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Vorhaben tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, auch wenn die spezifische Gemeinschaftshandlung nicht ausdrücklich den Erlaß dieser oder jener Kontrollmaßnahme vorsieht.(16)

50 Wenn die Kommission die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung verweigert, daß sie durch diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen veranlaßt worden seien, ist sie nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben umfassend darzulegen, sondern sie braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen ernsthafte und berechtigte Zweifel bestehen(17). Macht die Kommission bei der Verweigerung der Übernahme bestimmter Ausgaben das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Regeln der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte geltend, so hat sie aber ihre Entscheidung zu rechtfertigen und anzugeben, wie das Fehlen oder die Mängel der von dem betroffenen Mitgliedstaat durchgeführten Kontrollen festgestellt worden ist.(18)

51 Es obliegt sodann dem Mitgliedstaat, die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen oder Feststellungen der Kommission darzutun und dabei die Richtigkeit seiner eigenen Angaben und Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen.(19) Der betroffene Mitgliedstaat kann dabei die Feststellung der Kommission - wie sich aus dem vorgenannten Urteil ergibt - nicht durch bloße Behauptungen erschüttern, sondern muß konkrete Umstände nennen, mit denen z. B. das Vorhandensein eines zuverlässigen und einsatzfähigen Kontrollsystems nachgewiesen werden kann. (Diese Erleichterung der Beweislast für die Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen.)

52 Gelingt dem Mitgliedstaat der Nachweis nicht, daß die Feststellungen der Kommission unzutreffend sind, so können diese Feststellungen ernsthafte und für die Zahlungskürzung ausreichende Zweifel daran begründen, ob ein angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt worden ist.(20)

53 Bei der Ablehnung der Übernahme von Ausgaben im Rahmen der Mittelgewährung durch den EAGFL ist die Kommission nicht grundsätzlich verpflichtet, den Eintritt eines konkreten Schadens nachzuweisen. Lassen sich solche konkreten Fälle nicht belegen, reicht der Nachweis einer Gefahr für Schäden für den EAGFL aus.

54 Es ist zuzugeben, daß dieses System der Beweiserleichterung und Hochrechnungsmöglichkeit der Fälle, der Zugrundelegung eines bloßen Schadensrisikos anstelle eines konkreten Schadens sowie der prozentualen Pauschalierung der Abzüge in seiner Kombination gewisse Probleme beinhaltet. Es wäre Sache des Gesetzgebers, hier gegebenenfalls Präzisierungen und Verbesserungen einzuführen.

E - Stellungnahme

1. Erster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, das Sorgfaltsprinzip und die Begründungspflicht

55 Belgien erhebt im Rahmen des ersten Klagegrundes den Vorwurf, die angegriffene Entscheidung der Kommission sei unter Verstoß des in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, des Sorgfaltsprinzips sowie der in Artikel 190 EG-Vertrag festgelegten Begründungspflicht erlassen worden.

56 Die Kommission habe die von Belgien im Vorverfahren und Schiedsverfahren vorgebrachten Argumente nicht oder jedenfalls nicht sorgfältig geprüft und sei weder im Zusammenfassenden Bericht noch in der angegriffenen Entscheidung hierauf eingegangen. So habe Belgien mehrfach tatsächliche Feststellungen der Kommission widerlegt, ohne daß dies von der Kommission beachtet worden sei. Ein wesentlicher Punkt hierbei sei die Tatsache, daß die Kommission einen Entwurf des Zusammenfassenden Berichts schon vor dem Ende des Schlichtungsverfahrens fertiggestellt habe. In der endgültigen Fassung dieses Berichts und in der angegriffenen Entscheidung fände sich die Argumentation der belgischen Behörden nicht wieder.

57 Im einzelnen geht es um folgende fünfzehn Punkte:

Bereich Rindfleisch (Punkte 1 bis 11)

Erster Punkt

58 Die Kommission hat im Zusammenfassenden Bericht ausgeführt, das Zollager Dendermonde, in dem Waren gelagert werden, die dem System der Vorfinanzierung unterliegen, werde morgens geöffnet und erst abends wieder verschlossen. Die Warenbewegungen könnten so nicht wirksam überwacht werden.

59 Die belgische Regierung trägt hierzu vor, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Privatlager handele, das durch den Zoll geöffnet und geschlossen werde. Das Lager werde nur im Rahmen der Ein- bzw. Auslagerung geöffnet und geschlossen. Der zuständige Kontrollbeamte begleite die jeweiligen Lastwagen, öffne das Lager, sei während des Ab- bzw. Beladens anwesend und schließe nach Verlassen des Lagers dieses wieder ab. Auf diesen Umstand hätten die belgischen Behörden bereits in ihrem Schreiben vom 22. Mai 1995 hingewiesen. Eine nach den belgischen Rechtsvorschriften mögliche Ausnahme von dem sofortigen Verschließen des Lagers nach Verlassen desselben durch den Kontrollbeamten habe in dem vorliegenden Fall nicht vorgelegen.

60 Die Kommission entgegnet hierzu, sie habe die belgischen Behörden von ihren Feststellungen bereits am 2. März 1995 in Kenntnis gesetzt. Im Schreiben der belgischen Behörden vom 22. Mai 1995 sei lediglich bestätigt worden, daß der Zoll die fraglichen Lagerräume fest verschließe, es sei jedoch keine Auskunft darüber gegeben worden, daß das Abschließen des Lagers unmittelbar dann erfolge, wenn der Beamte das Lager verlasse.

61 Aus dem der Klageschrift beigefügten Schriftwechsel zwischen der Kommission und den belgischen Behörden ergibt sich, daß dieses Problem Gegenstand ausführlicher Diskussionen zwischen den Parteien war. Dieser Schriftwechsel belegt allerdings nicht, wie von der belgischen Regierung behauptet, daß das betreffende Lager nur zum Zweck der Ein- bzw. Auslagerung geöffnet und sofort wieder verschlossen wurde. Die Ausführungen der Kommission, daß das Lager morgens aufgeschlossen und erst abends wieder abgeschlossen wurde, konnten somit nicht entkräftet werden. Die belgische Regierung konnte insbesondere nicht den Nachweis erbringen, daß die Feststellung der Kommission falsch sei.

62 Somit ist festzuhalten, daß das Vorbringen der belgischen Regierung den Vorwurf der Kommission insoweit nicht entkräftet.

Zweiter Punkt

63 Im Zusammenfassenden Bericht der Kommission heißt es, aufgrund mangelnden Personals und Materials sei eine wirksame Durchführung der Warenkontrollen nicht möglich. So sei in Dendermonde ein einzelner Beamter für die Durchführung von Ausfuhrkontrollen bei drei großen belgischen Exporteuren von Rindfleisch verantwortlich. Das Zollamt verfüge darüber hinaus weder über einen Dienstwagen, so daß keine unangemeldeten Kontrollen durchgeführt werden könnten, noch seien entsprechende Waagen für das Wiegen der Kartons vorhanden gewesen.

Die belgische Regierung trägt hierzu vor, daß zwar in der Zollstelle Dendermonde keine Waagen vorhanden gewesen seien, die 20 kg Kartons exakt hätten wiegen können, dies sei jedoch ohne Bedeutung, da 90 % des auszuführenden Fleisches in den Lagern Sivafrost und Vandenavenne(21) gelagert worden seien, wo sich Waagen in ausreichender Zahl befunden hätten, um die vorgeschriebenen Überprüfungen bei Ein- bzw. Auslagerung vornehmen zu können. Im übrigen hätten die belgischen Rechtsvorschriften sichergestellt, daß die verbleibenden 10 %, die nicht für eine sofortige Ausfuhr bestimmt seien, ebenfalls gewogen würden. Außerdem hätten die belgischen Kontrollen den Anforderungen der Verordnung Nr. 386/90 - siehe hierzu oben, Nummern 38 bis 41 - genügt, wonach die Zollbehörden stichprobenartig lediglich 5 % der Ausfuhrerklärungen zu überprüfen hätten. Die von dem Kontrolleur bzw. dem mit der Kontrolle betrauten Beamten vorgenommenen Überprüfungen bei der Auslagerung aus dem Lager Sivafrost hätten somit den Anforderungen, die durch die Verordnung Nr. 386/90 aufgestellt würden, entsprochen. Der von der Kommission für das Zollamt Dendermonde geforderte Dienstwagen sei entbehrlich. In der Klageschrift hatte die belgische Regierung hierzu ausgeführt, daß der Kontrolleur, wenn er sich für die Durchführung einer Warenkontrolle entscheide, den angemeldeten Lastwagen von der Zollstelle, wo die Anmeldung erfolge, bis zum Lager begleite. Ein Austausch der anzuliefernden Waren vor einer Warenkontrolle könne somit nicht stattfinden. Der Kontrolleur treffe seine Entscheidung, eine Warenkontrolle durchzuführen, selbständig und ohne den Transportunternehmer davon zuvor in Kenntnis zu setzen. Eine solche Entscheidung werde erst bei der Anmeldung in der Zollstelle getroffen. Somit könne der Einlieferer niemals wissen, ob der Kontrolleur ihn zu einer Warenkontrolle begleiten werde oder nicht.

64 Abschließend verweist die belgische Regierung darauf, daß in Dendermonde drei mit der Durchführung von Kontrollen betraute Beamte tätig seien, deren Aufgabe - so die belgische Regierung - die "Durchführung der Verwaltungsformalitäten" sei. Zudem sei dort ein Kontrolleur beschäftigt, der ausschließlich für die Durchführung von Warenkontrollen zuständig sei. In ihrer Erwiderung hat die belgische Regierung hingegen ausgeführt, daß es im Rahmen der Warenkontrolle auch zur "Durchführung von Verwaltungsformalitäten" komme; es sei daher die wesentliche Aufgabe des Kontrolleurs, unangemeldete Stichproben in den Lagern durchzuführen.(22)

65 Die Kommission vertritt demgegenüber die Auffassung, daß bestimmte Kategorien des auszuführenden Rindfleisches nicht gewogen würden. Die jeweiligen Zollstellen seien jedoch im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen verpflichtet, Warenkontrollen auch bezüglich des Gewichts durchzuführen. Sei jedoch eine Zollstelle aufgrund mangelnden Materials nicht in der Lage, eine Überprüfung des Gewichts vorzunehmen, so werde darin ein Mangel des Kontrollsystems deutlich. Auch der Hinweis auf bereits früher in den Lagern durchgeführte Gewichtskontrollen könne hieran nichts ändern, da nicht auszuschließen sei, daß bei den eingelagerten Waren inzwischen ein Gewichtsverlust aufgetreten sei. Das Risiko eines Austausches der Waren habe daher im vorliegenden Fall dadurch bestanden, daß keine effektiven Gewichtskontrollen durchgeführt werden konnten.

66 Was die Frage der unangemeldeten Stichprobenkontrollen betreffe, verweist die Kommission auf das zwischen dem Lagerverwalter und dem die Waren einlagernden Unternehmen bestehende vertragliche Verhältnis. Da der Kontrolleur keinen Dienstwagen zur Verfügung habe, sei eine unangemeldete Kontrolle nicht möglich. Die belgische Regierung habe in ihrem Schreiben vom 17. Januar 1996 - anders als in der Klageschrift - auch darauf hingewiesen, daß der Kontrolleur sich von einem Verantwortlichen des Lagers zum Lager fahren lasse und nicht durch einen Mitarbeiter des zu kontrollierenden Unternehmens. Da also entweder der Lagerverwalter oder aber zumindest das zu kontrollierende Unternehmen selbst schon vor der durchzuführenden Kontrolle hiervon unterrichtet gewesen sei, sei die nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 386/90 erforderliche unangemeldete Kontrolle nicht möglich gewesen.

67 Was die Frage der unzulänglichen Personalausstattung in der Zollstelle Dendermonde betreffe, trägt die Kommission vor, Belgien habe sich erst im Rahmen der Klage dahin gehend eingelassen, daß in dieser Zollstelle drei Beamte sowie ein Kontrolleur beschäftigt seien. Auch dieses Vorbringen ändere nichts am Ergebnis der von der Kommission festgestellten Mängel des Kontrollsystems, da es unmöglich gewesen sei, bestimmte Kategorien des der Vorfinanzierung unterliegenden Fleisches zu wiegen. Im übrigen sei die Aufgabenverteilung der mit der Kontrolle betrauten Personen weiterhin unklar.

68 Zunächst ist festzustellen, daß der Zollstelle Dendermonde unstreitig geeignete Waagen für eine Gewichtskontrolle für Kartons von einem Gewicht von 20 kg fehlten. Aufgrund der Verordnungen Nrn. 32/82 und 1964/82 sind die Mitgliedstaaten jedoch gehalten, effektive Kontrollen durchzuführen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß nach Artikel 3 Absatz 1 und 2 der Verordnung Nr. 386/90 die unangemeldeten Warenstichproben in einer repräsentativen Auswahl von mindestens 5 v. H. in jeder Zollstelle vorzunehmen sind. Diese Kontrollen haben insbesondere jeden Erzeugnissektor zu erfassen. Die belgische Regierung kann mit ihrem Vortrag aber nicht nachweisen, daß trotz des Fehlens geeigneter Waagen eine solche Kontrolle wirksam durchgeführt werden konnte. Da aber bestimmte Gewichtskontrollen nicht durchgeführt werden konnten, bestehen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der insgesamt vorgenommenen Warenkontrollen.

69 Auch eine unangemeldete Warenkontrolle war entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung nicht möglich. Da sich der Kontrolleur schon zeitlich vorher mit dem Lagerverwalter bzw. zumindest mit dem zu kontrollierenden Unternehmen in Verbindung setzen mußte, um in dessen Wagen mitgenommen zu werden, bestand die Möglichkeit, einen Austausch, vielleicht weniger hinsichtlich der mit dem Fahrzeug einzuliefernden, jedenfalls aber bezüglich der sonst zu kontrollierenden Waren vorzunehmen. Die Kontrollen waren jedenfalls nicht - wie vorgeschrieben - unangemeldet.

70 Bezüglich der unzureichenden Personalausstattung in der Zollstelle Dendermonde ist anzumerken, daß der Einwand der belgischen Regierung, es seien drei mit der Kontrolle betraute Beamte in dieser Zollstelle beschäftigt, erst im Rahmen der Klage geltend gemacht wurde. Dieses Vorbringen ist damit als verspätet zurückzuweisen, da der maßgebliche Zeitpunkt wegen des vorangegangenen Schlichtungsverfahrens derjenige des Erlasses der angegriffenen Entscheidung ist. Zudem konnte die belgische Regierung die bestehenden Zweifel insoweit nicht ausräumen, als die Aufgabenverteilung der mit der Kontrolle betrauten Personen nicht klar wird. Von einer wirksamen Warenkontrolle kann dann nicht gesprochen werden, wenn dem mit der Kontrolle Betrauten zum einen das für die Kontrolle erforderliche Material nicht zur Verfügung steht, und wenn er zum anderen noch andere Aufgaben zu erfuellen hat.

71 Das Vorbringen der belgischen Regierung ist auch in diesem Zusammenhang zurückzuweisen.

Dritter Punkt

72 Die Kommission hat in ihrem Zusammenfassenden Bericht festgestellt, daß die Zollbehörden sich bei ihren Kontrollen weder auf die Zahlungserklärung noch auf die Ausfuhrerklärung des die Zahlung beantragenden Unternehmens - vergleiche hierzu Nummer 30 - stützten; Grundlage für eine Mengenkontrolle sei vielmehr lediglich eine von dem betreffenden Unternehmer selbst aufgestellte Liste bezüglich der Anzahl der Kartons und deren Gewicht gewesen. Erschwerend komme hinzu, daß die Zollbediensteten erst nach dem Wiegevorgang vor Ort eingetroffen seien. Die jeweilige Eigenmasse der Erzeugnisse oder Waren habe so nicht mit Sicherheit bestimmt werden können.

73 Die belgische Regierung verweist zunächst darauf, daß sich diese tatsächlichen Feststellungen lediglich auf die Zollstelle Beauraing bezogen hätten und kein Risiko für ungerechtfertigte Zahlungen gewesen seien. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, daß bei der Einlagerung der Waren jeweils ein Kontrolleur der Zollstelle Beauraing anwesend gewesen sei. Anhand der vom einliefernden Handelsbeteiligten gefertigten Liste habe der Kontrolleur systematisch das Gewicht der angelieferten Ware überprüft. Falsche Angaben hätten so herausgefiltert werden können. Auch wenn die Zahlungserklärung erst zu einem späteren Zeitpunkt fertiggestellt worden sei, habe dies nichts an der Genauigkeit der durchgeführten Kontrollen geändert. Insbesondere sei eine repräsentative Auswahl von mindestens 5 v. H. bei der Warenstichprobe gewährleistet gewesen. Zudem sei jedes eingelagerte Fleisch zuvor durch einen Veterinär kontrolliert worden. Auch die Verpackung, Verplombung und Gewichtskontrolle sei unter seiner Aufsicht durchgeführt worden. Die Zollkontrollen hätten daher ein zusätzliches Maß an Sicherheit geboten. Die Kommission habe in diesem Zusammenhang insbesondere nicht nachweisen können, daß ein erhöhtes Mißbrauchsrisiko vorgelegen habe. Im übrigen verweist die belgische Regierung auf nationale Strafvorschriften, die die falsche Angabe auf den Gewichtslisten unter Strafe stellen würden.

74 Die Kommission verweist auf das bestehende Risiko von Manipulationen, da der Kontrolleur beim Wiegevorgang nicht zugegen sei. Somit habe keine Sicherheit bestanden, daß die angegebenen gelagerten Mengen auch mit den vorhandenen Partien übereinstimmten. So sei insbesondere bei einer von der Kommission durchgeführten Kontrolle ein Fehler in der vom Unternehmer erstellten Liste zutage getreten. Eine weitere Möglichkeit, einen Betrug zu begehen, sah die Kommission darin, daß zunächst nur eine Warenliste durch den Unternehmer erstellt wurde und erst nach deren Überprüfung die eigentliche Anmeldung erfolgte, aufgrund derer erst die Zahlung veranlaßt wurde.

75 Die Kommission hat in der Zollstelle Beauraing im einzelnen in der nachgenannten Reihenfolge folgende Mängel des Kontrollsystems festgestellt:

- eine Kontrolle finde nur aufgrund einer vom Unternehmer erstellten Warenliste, nicht jedoch anhand der Zahlungserklärung - dem Antrag auf Vorfinanzierungszahlung - oder der Ausfuhrerklärung statt;

- der Kontrolleur sei während des Wiegevorgangs nicht anwesend;

- die Zollbediensteten würden die jeweiligen Kartons nicht öffnen;

- eine Qualitätskontrolle habe nicht stattgefunden;

- die vorgenommenen Kontrollen wurden als Warenkontrollen bezeichnet, ohne daß die angegebenen Mengen überprüft worden seien;

- das Fleisch sei nicht vor der Angabe des Eigengewichts im Rahmen der Bescheinigung der Verordnung Nr. 32/82 gewogen worden, statt dessen sei das Gewicht mittels eines Koeffizienten ermittelt worden;

- außerdem sei es für die prüfenden Kommissionsbediensteten möglich gewesen, Kartons zu öffnen, ohne die Verpackung oder Aufkleber zu beschädigen;

- auf den Verpackungen habe sich keine Bezeichnung der Grunderzeugnisse sowie der Grunderzeugnismengen befunden;

- die Warenkontrollen seien nicht Gegenstand ausreichender Berichte.

76 Hinsichtlich der von der belgischen Regierung aufgeführten Strafvorschriften vertritt die Kommission die Auffassung, in einem eventuellen Strafverfahren könnten sich Probleme ergeben, da zum einen die vom Unternehmer eingereichte Warenliste noch keinen offiziellen Antrag auf Ausfuhrerstattung (Zahlungserklärung) darstelle und zum anderen Vorsatz nachgewiesen werden müsse.

77 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die belgische Regierung nicht nachweisen konnte, daß die Kommission von falschen tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen ist. Insbesondere ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien, daß in der Zollstelle keine vollständige Gewichtskontrolle durch Wiegen stattfand. Eine reine Überprüfung der vom Unternehmer ausgestellten Liste kann insbesondere nicht als Warenkontrolle nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften angesehen werden. Hierfür wäre nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2030/90 - siehe oben, Nummer 42 - erforderlich, daß die Warenkontrolle innerhalb des Zeitraums zwischen der Abgabe der Ausfuhranmeldung und der Freigabe der Waren zur Ausfuhr erfolgt. Da jedoch, wie die belgischen Behörden selbst einräumen, eine Überprüfung auch anhand der vom Unternehmer erstellten Gewichtsliste schon vor Abgabe der Zahlungserklärung erfolgen konnte, kann nicht von einer wirksamen Warenkontrolle gesprochen werden. Ebenso belegen die von der Kommission getroffenen Feststellungen die Möglichkeit des Austauschs von Waren, der nach den geltenden Bestimmungen gerade ausgeschlossen werden soll. Auch der Hinweis der belgischen Regierung auf die stichprobenartige Kontrolle von 5 % der auszuführenden Ware vermag nicht zu überzeugen. Da die Kontrolleure in der Zollstelle selbst keine wirksame Gewichtskontrolle vornahmen, konnte auch nicht von einer ordnungsgemäßen Warenkontrolle die Rede sein. Insbesondere fehlte es an einer Eigengewichtsbestimmung der auszuführenden Waren. Damit liegt jedoch ein Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2030/90 in Verbindung mit Artikel 3 der Verordnung Nr. 386/90 - siehe oben, Nummer 43 - vor. Auch die Bezugnahme auf die belgischen Strafvorschriften vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Es liegt auf der Hand, daß eine in betrügerischer Absicht vorgenommene Fälschung der Zahlungs- bzw. Ausfuhrerklärung strafbewährt sein muß. Dies bedeutet aber noch nicht, daß mit einer Strafandrohung ein effizientes Kontrollsystem errichtet worden wäre.

78 Aus dem Vorstehenden ergibt sich daher, daß auch dieses Vorbringen der belgischen Regierung zurückzuweisen ist.

Vierter Punkt

79 Im Zusammenfassenden Bericht führt die Kommission im Zusammenhang mit den Warenkontrollen nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 2030/90 - siehe hierzu oben, Nummer 42 - aus, daß die belgischen Kontrollen im Rahmen der Vorfinanzierung nicht mit der gleichen Intensität - so der Wortlaut von Artikel 6 - wie üblicherweise bei der Ausfuhrerstattung durchgeführt worden seien und sich nicht auf die zuvor kontrollierten Erzeugnisse und Waren bezogen hätten.

80 Für die belgische Regierung hatten dagegen die Zollstellen Beauraing und Dendermonde im Rahmen der 5%-Auswahl der Warenkontrollen ausreichend Gewicht und Plombierung der Kartons bei der Einlagerung bzw. der Ausfuhr kontrolliert. Diese Kontrollen hätten den in den Verordnungen Nr. 386/90 und Nr. 2030/90 aufgestellten Anforderungen genügt.

81 Die Kommission trägt diesbezüglich vor, die Kommissionsdienststellen hätten festgestellt, der Kontrolleur in Beauraing habe bei der Einlagerung nur einige Dosen gewogen, beim Abtransport der Waren aus dem Lager hingegen keine einzige. Ebenso sei nicht immer eine Qualitätskontrolle durchgeführt worden. Hinzu sei gekommen, daß die kontrollierenden Kommissionsbediensteten Waren hätten austauschen können. Eine Verbindung zwischen Zahlungserklärung und Ausfuhrerklärung für die Erzeugnisse herzustellen, sei in einigen Fällen nicht leicht gewesen. Hierin sieht die Kommission Mängel des Kontrollsystems, da sie einen Austausch der Waren ermöglicht hätten.

82 Auch in diesem Fall vermag die belgische Regierung nicht den Nachweis zu erbringen, daß die von der Kommission festgestellten Tatsachen nicht den Gegebenheiten entsprachen. Im einzelnen ist davon auszugehen, daß die im System der Vorfinanzierung vorgenommenen Gewichtskontrollen nicht die Intensität, wie sie im Rahmen der Ausfuhrerstattung sonst üblich ist, aufgewiesen habe. Hier konnte die belgische Regierung lediglich Behauptungen aufstellen, die jedoch keinen Nachweis erbringen können. Das Vorbringen ist somit zurückzuweisen.

Fünfter Punkt

83 Nach den Ausführungen im Zusammenfassenden Bericht war es im Zollamt Dendermonde möglich, die Etiketten mehrerer Dosen eingelagerter Hinterviertel von männlichen Rindern zu lösen und erneut - ohne sie zu beschädigen - anzubringen.

84 Die belgische Regierung erkennt zwar an, daß es möglich war, Etiketten abzulösen, ohne sie zu beschädigen, bestreitet aber, daß dies mühelos vonstatten gegangen sei und verweist darauf, daß es bei Temperaturen von -18_C im Kühlhaus unmöglich sei, die Etiketten unbeschädigt abzulösen. Außerdem sei dies keine repräsentative Stichprobenkontrolle gewesen, da ca. 400 Dosen dort insgesamt gelagert gewesen seien. Im übrigen seien die Dosen zusätzlich verplombt gewesen. Ein Austausch von Waren sei auch dadurch praktisch unmöglich gewesen, daß ein Veterinär ständig in der Abdeckerei anwesend gewesen sei. Auch in der Zollstelle seien bei Warenein- bzw. -ausgang Kontrolleure zugegen gewesen.

85 Für die Kommission steht jedoch fest, daß hier erhebliche Mängel des Kontrollsystems zutage getreten seien. So sei es möglich gewesen, Etiketten zu lösen und erneut anzubringen, ohne sie dabei zu beschädigen. Zudem hätten diese Etiketten lediglich die Nummer des Schlachthofes aufgewiesen, nicht jedoch Gewicht und Fleischart. Dem Kommissionsbediensteten sei es jedenfalls gelungen, Dosen zu öffnen und wieder zu verschließen, ohne die Aufkleber zu beschädigen.

86 Auch in diesem Punkt können die Ausführungen Belgiens nicht die Feststellungen der Kommission erschüttern. Aufgrund der genannten Vorfälle ist daher von einer erheblichen Gefahr eines Austauschs der Dosen auszugehen. Die reine Gegenbehauptung Belgiens reicht jedenfalls nicht aus, den Gegenbeweis zu erbringen.

Sechster Punkt

87 Hinsichtlich des von der belgischen Regierung erhobenen Vorwurfs, die Kommission sei in ihrem Zusammenfassenden Bericht fälschlicherweise davon ausgegangen, bei ihren Kontrollen sei an Stelle von Fleisch männlicher Rinder solches von weiblichen Tieren gefunden worden, ist festzustellen, daß die Kommission zunächst diese Ausführungen in Anhang II vom 20. März 1997 zum Zusammenfassenden Bericht aufgenommen hatte.

88 Die Kommission hat diesen Vorwurf, der sich erst im Nachhinein aufgrund der DNA-Analysen als falsch herausstellte, in der Klagebeantwortung und Gegenerwiderung zurückgenommen. Im übrigen war die angegriffene Entscheidung nach den Ausführungen der Kommission nicht auf diesen Punkt gestützt.

89 Auch wenn die zunächst gemachten Feststellungen der Kommission nicht den Tatsachen entsprachen, wurden die Ausführungen der belgischen Behörden mitberücksichtigt und schlugen sich deshalb nicht negativ bei der Berichtigung nieder.

Siebter Punkt

90 Im Zusammenfassenden Bericht heißt es, im Lager Sivafrost in Dendermonde sei das einzige Kennzeichnungsmittel der unterschiedlichen Kartons ein an einer Palette befestigter Zettel gewesen, der die Kom-7-Nummer getragen habe. Damit sei eine genaue Bestimmung der gelagerten Kartons nicht möglich gewesen.

91 Dem hält die belgische Regierung entgegen, an den dort gelagerten Kartons seien Etiketten angebracht gewesen, die die Bezeichnung der Erzeugnisse, deren Gewicht und Nummer getragen hätten. Darüber hinaus seien von den Zollstellen Lagerlisten verwendet worden, die die gleichen Angaben wie auf den Etiketten enthalten hätten. Somit sei sichergestellt gewesen, daß überprüft werden konnte, daß die zur Ausfuhr bestimmten Kartons auch das Lager verlassen würden. Zwar bestehe eine Pflicht zum Führen dieser Lagerlisten erst seit 1995, sie seien jedoch auch im Lager Sivafrost schon 1994 eingesetzt worden. Ein Austausch der Waren sei jedenfalls nicht möglich gewesen.

92 Für die Kommission steht jedoch weiterhin fest, daß die Gefahr eines Warenaustauschs bestanden habe. Der fragliche Zettel mit der Kom-7-Nummer habe sich an der Palette befunden. Es sei ohne weiteres möglich gewesen, dieses Papier an einer anderen Palette anzubringen. Ebenso hätten einzelne Dosen verschiedener Paletten vertauscht werden können. Die von Belgien angeführten Etiketten hätten keinen Bezug zu der diese Waren betreffenden Zahlungserklärung aufgewiesen. Zudem sei das System der Lagerlisten erst im Mai 1995 in Kraft getreten.

93 Auch in diesem Punkt kann die belgische Regierung nicht den Nachweis erbringen, daß die tatsächlichen Ausführungen der Kommission fehlerhaft waren. Insbesondere konnte sie nicht den Vorwurf entkräften, die Paletten nur unzureichend gekennzeichnet zu haben. Das System, ausführliche Paketlisten zu führen, trat erst im Mai 1995 in Kraft. Die 1994 durchgeführten Überprüfungen bezogen sich aber im vorliegenden Fall auf das Haushaltsjahr 1993, so daß nicht klar ist, ob schon in diesem Zeitraum das System der Lagerlisten greifen konnte, da Belgien nicht angab, dieses System schon 1993 angewendet zu haben.

94 Damit ist das diesbezügliche Vorbringen Belgiens zurückzuweisen.

Achter Punkt

95 Die Kommission hat im Zusammenfassenden Bericht beanstandet, die nach der Verordnung Nr. 1964/82 vorzunehmenden Gewichtskontrollen seien in nicht ausreichender Weise von amtlichen Tierärzten vorgenommen worden. Diese seien zwar bei der Entbeinung anwesend gewesen, hätten aber nicht das Eigengewicht der Waren bestimmt.

96 Die belgische Regierung verweist darauf, die Tierärzte seien bei der Entbeinung ständig anwesend und auch beim Wiegen der Waren zugegen gewesen. Sie hätten den automatischen Wiegevorgang überwacht und die Gewichtsangaben auf den Etiketten überprüft. Auch wenn die Kommission bei ihren Kontrollen ein Paket gefunden habe, in dem Fleisch enthalten war, das nicht für den menschlichen Verzehr geeignet war, so sei dies jedoch nur ein Paket von insgesamt 379 Paketen gewesen. Außerdem hätten Stichproben im Oktober/November 1996 ergeben, daß das bei Sivafrost gelagerte Fleisch von bester Qualität gewesen sei.

97 Die Kommission bleibt bei ihren Feststellungen im Zusammenfassenden Bericht. Sie habe bei der Kontrolle von drei oder vier Paketen eines gefunden, das Fleisch enthalten habe, das nicht für den menschlichen Verzehr geeignet gewesen sei. Die bloße Anwesenheit eines Tierarztes bei der Entbeinung und dem Wiegen schließe jedenfalls den Austausch von Waren nicht aus. Von ausreichenden Eigengewichtskontrollen könne insgesamt nicht die Rede sein.

98 Dem Vorbringen der Kommission ist im Ergebnis zu folgen. Die belgische Regierung konnte nicht ausreichend nachweisen, daß eine Bestimmung des Eigengewichts in der Art und Weise erfolgte, daß ein Austausch der Waren unmöglich gemacht würde. Die bloße Anwesenheit eines Tierarztes bei der Entbeinung selbst reicht hierzu nicht aus, da von einer Anwesenheit allein noch nicht auf eine effiziente Kontrolle geschlossen werden kann.

Neunter Punkt

99 Im Zusammenfassenden Bericht wird ausgeführt, in Beauraing sei das in die Bescheinigung gemäß der Verordnung Nr. 32/82 - siehe oben, Nummer 36 - einzutragende Eigengewicht mittels eines Koeffizienten (83,3 %) des in der Bescheinigung nach der Verordnung Nr. 1964/82 angegebenen Gewichts errechnet worden. Letzteres sei aber nur anhand einer durch den einliefernden Handelsbeteiligten erstellten Warenliste ermittelt worden. Dieses Vorgehen sei keine ordnungsgemäße Feststellung des Eigengewichts nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82 - siehe Nummer 34 -.

100 Belgien trägt zunächst vor, diese Gewichtsberechnung sei nur in Beauraing erfolgt. Die Anwendung eines Koeffizienten sei für die Zahlung der Erstattung letztlich irrelevant, da es hierfür auf das Eigengewicht der entbeinten Fleischstücke ankomme, das automatisch gewogen werde. Die Bescheinigung nach der Verordnung Nr. 32/82 betreffe aber nichtentbeintes Fleisch. Darüber hinaus sei die Gewichtsangabe in der Bescheinigung nach der Verordnung Nr. 32/82 fakultativ. Im übrigen sei der Koeffizient nicht zu hoch gewählt gewesen, da das ausgeführte Fleisch das angezeigte Gewicht gehabt habe.

101 Die Kommission hält dem entgegen, daß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82 zunächst bestimme, daß das Eigengewicht der zu entbeinenden Hinterviertel festzustellen sei. Da dies jedoch schon nicht den Vorschriften gemäß getan worden sei, habe die Anwendung eines Koeffizienten die Betrugsgefahr erhöht. Zudem sei durch die Anwendung des Koeffizienten eine wirksame Gewichtskontrolle des entbeinten Fleisches entfallen. Sollten hier tatsächlich Abweichungen bestanden haben, wären diese nicht bemerkt worden.

102 Hierzu ist zu bemerken, daß sich die belgischen Behörden eines wirksamen Kontrollmittels begaben, indem das entbeinte Fleisch nicht gewogen, sondern lediglich anhand eines Koeffizienten berechnet wurde. Da zudem die Berechnungsgrundlage (der Wert nach der Bescheinigung nach der Verordnung Nr. 1964/82) - wie gezeigt - nicht ausreichend kontrolliert wurde, bestanden auch hier Mängel des Kontrollsystems, die die Gefahr betrügerischen Vorgehens in sich bargen.

Zehnter Punkt

103 Im Zusammenfassenden Bericht heißt es, in Dendermonde habe der Tierarzt des Schlachthofes von Zele den Kommissionsbediensteten weder angeben können, wer das in der Bescheinigung nach der Verordnung Nr. 32/82 aufgeführte Eigengewicht festgestellt habe, noch auf welcher Grundlage er eventuell die Richtigkeit der Gewichtsangabe hätte überprüfen können, die er bescheinigt hatte.

104 Die belgische Regierung erklärt dieses Vorkommnis damit, daß der Wiegevorgang in der Abdeckerei und nicht im Schlachthof stattgefunden habe. Insofern sei der dort anwesende Tierarzt mit der Gewichtskontrolle betraut gewesen. Der erhobene Vorwurf könne somit nicht zur Rechtfertigung der finanziellen Berichtigungen herangezogen werden.

105 Die Kommission fragt sich in diesem Zusammenhang, warum weder der befragte Tierarzt noch die belgischen Behörden zunächst eine zufriedenstellende Antwort geben konnten. Trotz eines Schriftwechsels auch bezüglich dieses Problems sei die belgische Regierung erst im Rahmen des Antrags auf Schlichtung hierauf zu sprechen gekommen. Es bleibe aber bei einem Verstoß gegen die Vorschriften der Verordnungen Nr. 32/82 und Nr. 1964/82, da der zuständige Tierarzt die Gewichtskontrolle nicht selbst vorgenommen habe, sondern lediglich beim Wiegen anwesend gewesen sei.

106 Da auch in diesem Punkt Belgien die Feststellungen der Kommission nicht entkräften konnte, ist das Vorbringen insgesamt als nicht bewiesen und damit unbegründet zurückzuweisen.

Elfter Punkt

107 Zu diesem Punkt führt der Zusammenfassende Bericht aus, daß die einzelnen auszuführenden Fleischstücke nicht einzeln gestempelt gewesen seien, so daß der Zoll nicht habe feststellen können, ob das angemeldete Fleisch zuvor durch einen Tierarzt kontrolliert worden war.

108 Die belgische Regierung verweist darauf, daß stets ein Tierarzt in der Abdeckerei zugegen gewesen sei, der überprüft habe, daß es sich bei den Schlachtkörpern um männliche Rinder gehandelt habe, daß diese neun Rippen gehabt hätten und das Zeichen "M" angebracht gewesen sei. Die Schlachtkörper seien dann unter Beobachtung durch den kontrollierenden Veterinär zerschnitten und die Stücke einzeln verpackt worden. Es sei ein Etikett angebracht worden, das folgende Daten aufgewiesen habe: Belgien, Nummer des Schlachthofes und CEE. Die Zollstellen hätten so feststellen können, ob das Fleisch zuvor von Veterinären kontrolliert worden sei. Für eine Pflicht zur zusätzlichen Stempelung finde sich keine Rechtsgrundlage.

109 Für die Kommission bestand jedoch die Gefahr des Austauschs von Waren. Aufgrund der auf dem Etikett enthaltenen Angaben sei es nicht möglich gewesen, nachzuprüfen, ob jedes verpackte Stück zuvor einer den Regeln der Verordnung Nr. 1964/82 entsprechenden Kontrolle unterworfen worden war. Somit hätten im Nachhinein kontrollierte mit nichtkontrollierten Waren ausgetauscht werden können.

110 Zu diesem Streitpunkt ist zu bemerken, daß nach Artikel 8 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1964/82 die mitgliedstaatlichen Kontrollen aber gerade dazu dienen, sicherzustellen, daß kein Warenaustausch stattfinden kann, wobei als geeignete Maßnahme insbesondere die Identifizierung jedes Teilstücks genannt ist. Durch das in Belgien verwendete Etikett schien dies aber nicht möglich, wenn dort nur "Belgien, die Nummer des Schlachthofes und CEE", nicht aber das Eigengewicht sowie die Art und Anzahl der Fleischstücke angegeben war. Somit war eine einwandfreie Identifizierung jedes Teilstücks nicht möglich.

111 Das Vorbringen der belgischen Regierung reicht demzufolge nicht aus, einen Nachweis zu erbringen, daß die Beanstandungen der Kommission insoweit fehlerhaft sind.

Bereich Getreide (Punkte 12 bis 15)

Zwölfter Punkt

112 Bezüglich der Untersuchungsergebnisse im Getreidesektor heißt es im Zusammenfassenden Bericht zunächst, die EAGFL-Dienststellen seien zu dem Ergebnis gekommen, die durchgeführten Zollkontrollen seien unzureichend gewesen für die Identifizierung der Waren, die im Rahmen der Vorfinanzierung im Zeitraum 1992 bis 1994 gelagert gewesen seien. Die Kommission bezieht sich hierbei auf die - ihrer Meinung nach zu geringe - Anzahl der Warenkontrollen, die von den Zollstellen Aalst und Leuven vor der Ausfuhr durchgeführt worden seien.

113 Die belgische Regierung bezweifelt den Sinn solcher Kontrollen bei der Lagerung von Waren, die zur Verarbeitung bestimmt seien. Das belgische Kontrollsystem lege seinen Schwerpunkt aufgrund der besonderen Eigenart der Ware (Getreide) auf ein strenges Lizenzsystem, auf ständige Kontrollen der Menge und Beschaffenheit der Waren sowie auf eine (nachträgliche) Kontrolle der Ausfuhrunterlagen in Verbindung mit einer systematischen Warenkontrolle bei der Ausfuhr.

114 Eine Zahlung im Rahmen der Vorfinanzierung sei an den Besitz einer entsprechenden Lizenz geknüpft. Die Erteilung dieser Lizenz müsse vom Landwirtschafts-, dem Wirtschaftsministerium sowie von der Zollverwaltung genehmigt werden. So werde schon eine gewisse Vorauswahl der Handelsbeteiligten getroffen. Diese Lizenz enthalte die Angabe des jeweiligen Lagers, in dem sich die Waren zu befinden hätten. Zudem seien ein Lagerregister und ein Arbeitsformular zu verwenden. So könnten die Warenbewegungen chronologisch festgehalten werden. Die Zoll- und anderen Kontrollstellen seien so in der Lage, den Weg der Erzeugnisse zu verfolgen. Auch die jeweiligen Kontrollmaßnahmen seien in der Lizenz angegeben.

115 Dieses System bestehe seit 1988 und hätte 1994 lediglich technische Anpassungen erfahren. Auch für die nicht zur Verarbeitung bestimmten Waren existiere eine Lagerungslizenz, die von der Zollverwaltung ausgestellt werde. Warenkontrollen seien somit entbehrlich, da das Lizenzsystem insgesamt die Warenbewegung transparent und überprüfbar mache.

116 Die Frage der Anzahl der Warenkontrollen sei außerdem erstmals im Zusammenfassenden Bericht erwähnt worden mit der Folge, daß die Kommission diesen Punkt nicht zur Berichtigung heranziehen dürfe.

117 Was die fortlaufenden Kontrollen von Menge und Beschaffenheit der Waren betreffe, so seien diese durch das Lizenzsystem gewährleistet. Hierdurch sei der Zoll jederzeit in Kenntnis der gelagerten Mengen. Eine Kontrolle sei so während der Lagerung und der Verarbeitung möglich.

118 Im Rahmen dieses Systems seien auch die zentrale Zollstelle sowie das belgische Amt für Intervention und Erstattung (Bureau belge d'intervention et de restitution; im folgenden: BBIR) über die Ausfuhrerklärungen informiert. Letzteres kontrolliere systematisch und im einzelnen diese Erklärungen. Auch bei der Ausfuhr fänden Warenkontrollen durch die Zollstellen und das BBIR statt. Anhand der Geschäftsunterlagen habe schließlich jeder Lizenzinhaber nachzuweisen, daß die Waren auch tatsächlich ausgeführt worden seien.

119 Die Kommission trägt vor, das Lizenzsystem weise u. a. dort erhebliche Schwächen auf, wo es um die Lagerung von Waren gehe, die nicht zur Verarbeitung bestimmt seien. In einem solchen Fall sei die Lizenz vom Lagerhalter und nicht vom Exporteur zu beantragen. Zudem sei festgestellt worden - Belgien habe dies auch nicht ausreichend bestritten -, daß insgesamt zu wenige Warenkontrollen stattgefunden hätten. Auf die nach Ansicht der Kommission bestehenden Mängel sei ausführlich im Schriftwechsel vor dem Schlichtungsverfahren eingegangen worden. So sei u. a. beanstandet worden, daß die Zollstellen untereinander keinen Informationsaustausch betreiben würden und nicht wüßten, welche Mengen insgesamt in welchem Lager gelagert und angemeldet seien. So seien auch Waren auf Eisenbahnwaggons zu finden gewesen, die, obwohl zur Ausfuhr angemeldet, nicht in die gelagerte Menge eingerechnet worden seien. Die Kontrollberichte hätten auch keinen Rückschluß auf die Art und Weise der durchgeführten Kontrollen erlaubt. In einzelnen Zollstellen seien teilweise gar keine Warenkontrollen vorgenommen worden. Eine nachträgliche Kontrolle der Geschäftspapiere biete auch keine Sicherheit, da die betreffenden Waren dann schon ausgeführt seien.

120 Zu diesem Punkt ist zu bemerken, daß sich aus dem zu den Akten gereichten Schriftwechsel zwischen der Kommission und den belgischen Behörden ergibt, daß letztere schon frühzeitig über die von der Kommission beanstandeten Mängel informiert waren. Sie hatten die Gelegenheit, sich zu diesen Vorwürfen zu äußern und diese auch im Schlichtungsverfahren zu Gehör zu bringen. Allerdings vermochten die vorgebrachten Ausführungen nicht die Tatsachenfeststellungen der Kommission zu erschüttern. Auch wenn das von Belgien beschriebene Lizenzsystem in der genannten Ausgestaltung existiert, ändert dies nichts daran, daß Warenkontrollen während der Lagerung - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Umfang durchgeführt worden sind. Erschwerend kommt hinzu, daß zwischen den einzelnen Zollstellen kein Informationsaustausch bezüglich der insgesamt gelagerten Waren und Mengen stattgefunden hat. So konnten, entsprechend den Ausführungen der Kommission, die einzelnen Zollstellen keinen umfassenden Überblick über die zur Ausfuhr angemeldeten Waren erhalten. Da es aber nach den Gemeinschaftsvorschriften über das System der Vorfinanzierung von grundlegender Bedeutung ist, jederzeit über den tatsächlichen Warenbestand und die Beschaffenheit der Erzeugnisse informiert zu sein, ist es unerläßlich, auch hier Kontrollen in ausreichender Anzahl durchzuführen. Da dies nach dem bisher Ausgeführten nicht der Fall war, kann das Vorbringen Belgiens nicht als Nachweis gewertet werden, daß die Feststellungen der Kommission im Zusammenfassenden Bericht unrichtig sind.

Dreizehnter Punkt

121 Die Kommission unterstellt den belgischen Behörden im Zusammenfassenden Bericht, sie würden das Äquivalenzprinzip(23) falsch anwenden, da sie es auch auf verarbeitete Erzeugnisse bezögen. Aus der einschlägigen Vorschrift von Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 gehe nicht klar hervor, so die belgische Regierung, ob die äquivalenten Erzeugnisse Grunderzeugnisse oder verarbeitete Erzeugnisse sein müßten. Die belgischen Behörden seien jedenfalls davon ausgegangen, daß ein Ersetzen auch durch verarbeitete Erzeugnisse möglich sei. Da zudem ein ausreichendes effizientes Kontrollsystem (Lizenzen) bestehe, sei die Gefahr eines Mißbrauchs nicht ersichtlich. Zwar seien Warenkontrollen nicht ausdrücklich vorgesehen, sie könnten jedoch jederzeit durchgeführt werden.

122 Für die Kommission liegt kein Auslegungsproblem des Artikels 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 vor, da der Wortlaut der Bestimmung sich eindeutig auf Grunderzeugnisse beziehe. Die Kommission habe auch festgestellt, daß nach den belgischen Vorschriften die Äquivalenzregel nicht lediglich auf Grunderzeugnisse anzuwenden gewesen sei. Nach den belgischen Regeln sei es insbesondere möglich gewesen, Waren erst nach der Verarbeitung im Rahmen der Vorfinanzierung anzumelden, was zur Folge habe, daß die Regelung des Artikels 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 leerlaufe. Eine ausreichende Kontrolle der Grunderzeugnisse sei dann jedenfalls nicht mehr möglich.

123 Bezüglich dieses Punktes ist anzumerken, daß sich aus Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 ergibt, daß Grunderzeugnisse durch äquivalente Erzeugnisse derselben Unterposition der Kombinierten Nomenklatur, die dieselbe Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale aufweisen sowie die für die Gewährung der Ausfuhrerstattung erforderlichen Voraussetzungen erfuellen, ersetzt werden können. Dieselbe Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale können jedoch nur Erzeugnisse auf der gleichen Verarbeitungsstufe aufweisen. Dies bedeutet aber, daß Grunderzeugnisse grundsätzlich nur durch andere Grunderzeugnisse ersetzt werden können. Ebenso eindeutig wie der Wortlaut von Artikel 27 Absatz 3 ist auch dessen Sinn und Zweck. Grundsätzlich, so Satz 1 von Absatz 3, müssen sich zumindest Teile der Grunderzeugnisse in den auszuführenden Verarbeitungserzeugnissen wiederfinden. Aus wirtschaftlichen Gründen soll es aber den Exporteuren möglich sein, im Rahmen der Verarbeitung die Grunderzeugnisse austauschen zu dürfen. Damit aber gewährleistet sein kann, daß die auszuführenden verarbeiteten Waren in Beschaffenheit und Menge den ursprünglich angemeldeten Waren entspricht, kann ein Austausch nur dann gestattet sein, wenn sich die auszutauschenden Produkte im wesentlichen gleichen. Insofern kann ein Grunderzeugnis nur durch ein anderes Grunderzeugnis derselben Qualität und mit denselben Merkmalen ersetzt werden. Eine andere sinnvolle Auslegung dieser Vorschrift scheint hier nicht möglich.

124 Da die belgischen Behörden aber den Austausch von Grunderzeugnissen mit verarbeiteten Waren erlaubt haben, ist hierin ein Verstoß gegen Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 zu sehen. Die belgische Regierung konnte somit nicht nachweisen, daß die Ausführungen der Kommission im Zusammenfassenden Bericht fehlerhaft sind.

Vierzehnter Punkt

125 Die Kommission hat im Zusammenfassenden Bericht ausgeführt, es sei in Belgien möglich, daß der Verantwortliche der Zollstelle bei Eingang der Zahlungserklärung nicht prüfe, ob ausreichend Lagerkapazität bestehe, d. h., ob die Waren tatsächlich vorhanden seien.

126 Belgien begründet dies damit, es sei nicht möglich, einen kompletten Überblick über alle gelagerten Waren (System Vorfinanzierung-Verarbeitung) zu haben. Dies würde ständige Warenkontrollen voraussetzen, die nach den einschlägigen Vorschriften aber nicht erforderlich seien. Im übrigen würde aber bei großen Unternehmen kontrolliert, ob die angemeldeten Lagerbestände vorhanden seien. Bei kleineren Unternehmen sei dies nicht erforderlich, da Unregelmäßigkeiten auch so bemerkt würden. Das Führen eines Inventars durch die Zollstellen sei nach den geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht erforderlich. Im Gegensatz hierzu werde aber ein Verzeichnis der jeweiligen Zahlungserklärungen geführt.

127 Die Kommission sieht in dem Vorgehen der belgischen Regierung einen Verstoß gegen Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87. Wenn Waren unter Zollkontrollen zu stellen seien, müßten sich die Zollstellen auch vergewissern, daß die Waren tatsächlich vorhanden seien. Erfaßt sein müßten jedenfalls alle zur Vorfinanzierung angemeldeten Waren unabhängig davon, wo diese Waren gelagert würden. Sei - wie im vorliegenden Fall - vorgeschrieben, daß unter Zollkontrolle einzulagern ist, so müsse diese Kontrolle auch effektiv ausgeübt werden.

128 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß sich aus Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 ergibt, daß die Erzeugnisse oder Waren vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an unter Zollkontrolle zu stellen sind, bis sie das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen oder eine vorgesehene Bestimmung erreicht haben. Dies bedeutet, insoweit ist dem Vorbringen der belgischen Regierung zu folgen, daß nicht unbedingt ständige Warenkontrollen durchgeführt werden müssen. Andererseits - und hier ist dem Vorbringen der Kommission zuzustimmen - muß aber eine effektive und wirksame Zollkontrolle garantiert sein. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als daß die Zollbehörden ständig darüber informiert sein müssen, welche Warenmengen im Rahmen der Vorfinanzierung eingelagert sind. Es darf insbesondere nicht möglich sein, daß nichtexistente Warenmengen zur Anmeldung gelangen. Um ein solches Vorgehen zu vermeiden, sind die jeweiligen Zollstellen verpflichtet, sich von dem tatsächlichen Bestand der in der Zahlungserklärung angegebenen Warenmengen zu überzeugen. Auch wenn dies einen größeren - nicht zu vernachlässigenden - Aufwand bedeutet, so ist jedoch nur eine solche Kontrolle geeignet und unerläßlich, einen etwaigen Mißbrauch schon im Stadium der Zahlungserklärung zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Da sich somit klar ergibt, daß eine - wenn auch nicht ständige - Zollkontrolle für einzulagernde Erzeugnisse und Waren vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an unerläßlich ist, steht fest, daß die belgischen Vorschriften nicht in Übereinstimmung mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sind.

129 Das Vorbringen der belgischen Regierung ist somit auch in diesem Punkt zurückzuweisen.

Fünfzehnter Punkt

130 Zum letzten von Belgien ausführlich bestrittenen Punkt heißt es im Zusammenfassenden Bericht, es sei dem Exporteur, der noch keinen Bestimmungsort für seine Waren habe, möglich, am letzten Tag des Vorfinanzierungszeitraums eine Ausfuhrerklärung mit der Angabe "Drittlandslager" sowie eine IM-7-Bescheinigung (zeitlich begrenzte Zulassung zum Zollager) zu hinterlegen. Dies werde von den Zollstellen anerkannt, um eine Verlängerung des Vorfinanzierungszeitraums zu erreichen.

131 Die Kommission hat sowohl in der Klagebeantwortung wie in der Gegenerwiderung darauf hingewiesen, daß dieser Punkt nicht im Rahmen der finanziellen Berichtigung in der angegriffenen Entscheidung berücksichtigt worden sei. Aus Sicht der Kommission sei das Vorgehen Belgiens zwar nicht wünschenswert, stelle aber keinen Verstoß gegen geltendes Gemeinschaftsrecht dar.

132 Da dieser Punkt insoweit nicht Grundlage für die angegriffene Entscheidung war, braucht hierauf nicht weiter eingegangen zu werden.

133 Insgesamt läßt sich aber zu allen oben genannten Punkten feststellen, daß das Vorbringen Belgiens nicht geeignet ist, die tatsächlichen Feststellungen der Kommission als fehlerhaft zu betrachten. Aus dem den Akten beigefügten umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Kommission und den belgischen Behörden ergibt sich darüber hinaus, daß letztere schon frühzeitig über die beanstandeten Mängel am Kontrollsystem informiert waren. Es kam ausweislich dieser Schriftwechsel zu einem regen Informationsaustausch, der zwar nicht dazu führte, daß die Kommission ihre Ansicht hinsichtlich der bestehenden Unzulänglichkeiten revidierte, jedoch zeigt sich, daß die Kommission die einzelnen Punkte geprüft hat. Von einem Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sowie gegen das Sorgfaltsprinzip kann daher keine Rede sein.

134 Dem auch in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Schlußbericht der Schlichtungsstelle, der sich insgesamt auf die Schlichtungsverfahren mit Italien, Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich bezieht, läßt sich entnehmen, daß Belgien, abgesehen von dem vermeintlichen Fund von Fleisch weiblicher Tiere, die wesentlichen Feststellungen der Kommission im Schlichtungsverfahren nicht bestritten hat. Die Kritik der von den Berichtigungen betroffenen Mitgliedstaaten beschränkte sich darauf, vorzubringen, die Überprüfungen der Kommission seien nicht repräsentativ gewesen, das Betrugsrisiko sei überschätzt worden und es fehle an geeigneten Rechtsgrundlagen für die von der Kommission geforderten Kontrollen. Schon die Schlichtungsstelle ging davon aus, daß die mitgliedstaatlichen Kontrollen nicht ausreichend waren. Auch seien die Überprüfungen der Kommission repräsentativ gewesen, die angezeigten Mängel so bedeutend und generell gewesen, daß nicht auf bloße Ausnahmen von der normalen Kontrollpraxis in den Mitgliedstaaten geschlossen werden könne. Dies habe zu einem Risiko für Schäden für den EAGFL geführt. Zwar sei nicht vollständig nachgewiesen, daß es sich jeweils um ein sehr hohes Schadensrisiko gehandelt habe, und die Mitgliedstaaten hätten auch Verbesserungsmaßnahmen angekündigt. Dennoch sei das Vorgehen der Kommission stringent, da schon in den vorangegangenen Jahren dieselben oder ähnliche Mängel gerügt worden seien.

135 Dies zeigt auch, daß Belgien nicht schon im Verlauf des Schlichtungsverfahrens die tatsächlichen Feststellungen der Kommission, obwohl Belgien hiervon Kenntnis hatte, erschüttern konnte. Der Vorwurf, die Kommission habe mit den belgischen Behörden nicht in loyaler Weise zusammengearbeitet und deren Vorbringen nicht sorgfältig geprüft, ist daher unbegründet.

136 Zu dem gerügten Verstoß gegen die in Artikel 190 des Vertrages vorgesehene Begründungspflicht ist festzustellen, daß diese nach ständiger Rechtsprechung von der Art der betroffenen Handlung und von dem Kontext abhängt, in dem diese vorgenommen wurde.(24)

137 Im besonderen Kontext der Ausarbeitung der Entscheidungen über den Rechnungsabschluß ist die Begründung einer Entscheidung dann als ausreichend anzusehen, wenn der Staat, der Adressat der Entscheidung ist, eng am Verfahren ihrer Ausarbeitung beteiligt war und die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen.(25)

138 Da im vorliegenden Fall aber feststeht, daß die belgische Regierung am Verfahren der Ausarbeitung der angefochtenen Entscheidung beteiligt war und somit die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen, was durch einen umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Kommission und den belgischen Behörden deutlich wird, liegt kein Verstoß gegen die Begründungspflicht vor.

139 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der erste Klagegrund der belgischen Regierung insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.

2. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnungen Nr. 729/70 und Nr. 1723/72 und gegen die Begründungspflicht gemäß Artikel 190 EG-Vertrag

140 Im Rahmen dieses Klagegrundes - zum Text der Verordnungen siehe Nummern 20 ff. - weist die belgische Regierung darauf hin, die Kommission habe eine lineare Berichtigung zu Unrecht vorgenommen, da keine unrechtmäßigen Zahlungen bei der Vorfinanzierung geflossen seien. Die Kommission habe außerdem fehlerhaft angenommen, das gesamte belgische Kontrollsystem weise Mängel auf, so daß eine 10%ige Pauschalkürzung berechtigt sei und sich auf alle Sektoren beziehen dürfe, für die Ausgaben angemeldet worden seien. Die Kommission habe ihre negative Entscheidung auch nicht im Zusammenfassenden Bericht ausreichend begründet. Hierin liege ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 729/70 und Nr.1723/72 sowie gegen Artikel 190 EG-Vertrag.

141 Die von der Kommission durchgeführten Kontrollen - so Belgien - hätten lediglich vier Zollstellen betroffen. Auch wenn keine unrechtmäßigen Zahlungen zu konstatieren gewesen seien, habe die Kommission die behaupteten Mängel dennoch auf das gesamte belgische Gebiet hochgerechnet. Diese behaupteten Mängel seien außerdem bestritten und dennoch von der Kommission zugrunde gelegt worden.(26)

142 Auch wenn selbstverständlich kein Kontrollsystem 100%ig perfekt arbeiten könne, sei die Kommission nicht berechtigt gewesen, eine Pauschalkürzung in der genannten Höhe vorzunehmen, da die Kontrollen der Kommission nicht repräsentativ gewesen seien. So gäbe es in Belgien z. B. 54 Zollstellen, von denen 15 regelmäßig im Rahmen der Vorfinanzierung tätig würden. Die Kommission habe jedoch nur vier Zollstellen kontrolliert. Die beanstandeten Mängel dürften daher nicht auf die anderen Zollstellen hochgerechnet werden. Die Kommission habe jedenfalls keinen Nachweis für die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens erbracht.

143 Die Beanstandungen seien auch nicht in den kontrollierten Zollstellen gleichzeitig parallel zu bemerken gewesen. Es habe sich also nicht um systematische Mängel des Kontrollsystems gehandelt.

144 In den einzelnen Zollstellen sei auch nur Ware einzelner Unternehmen geprüft worden, ohne die übrigen Erzeugnisse ebenfalls einer Kontrolle zu unterziehen. Im Getreidesektor sei nur hinsichtlich einiger Haushaltsposten - Malz (Postennummer 1001) und anderes Getreide (Postennummer 1003) - untersucht worden, bezüglich anderer gar nicht.

145 Auch bei der Risikoermittlung sei die Kommission von fehlerhaften Tatsachenfeststellungen ausgegangen und habe so keine Kausalität zwischen Mangel und zu befürchtendem Schaden nachweisen können. Somit sei ein schwerwiegender Verfahrensfehler festzustellen, da das von der Kommission behauptete Schadensrisiko nicht ausreichend begründet sei.

146 Das Vorgehen der Kommission sei daher insgesamt als Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70, gegen ihre eigenen im Belle-Bericht niedergelegten Grundsätze der Zusammenarbeit und Schadensermittlung sowie gegen ihre Begründungspflicht anzusehen.

147 Nach Auffassung der Kommission erfolgten die von ihr vorgenommen Kürzungen rechtmäßig. Die von ihr festgestellten Mängel des belgischen Kontrollsystems hätten eine pauschale Kürzung gerechtfertigt. Insbesondere die Hochrechnung der Unzulänglichkeiten auf das gesamte System sei nicht zu beanstanden. Die von ihr durchgeführten Überprüfungen seien insgesamt repräsentativ. Im Rindfleischsektor seien Unternehmen kontrolliert worden, die 22,8 % der Vorfinanzierung für 1993 erhalten hätten. Auch bei der Auswahl der Zollstellen seien diejenigen ausgewählt worden, die über 25 % der Vorfinanzierung abgewickelt hätten. Auch im Getreidesektor seien durch die Kontrollen 32,3 % der Ausgaben betroffen gewesen. Da zudem die geltenden belgischen Vorschriften für das gesamte Territorium gültig gewesen seien, sei auch hier eine Hochrechnung rechtmäßig.

148 Unzureichende Warenkontrollen seien in den jeweiligen Zollstellen gleichermaßen zu beanstanden gewesen; auch wegen der Austauschmöglichkeiten der Waren habe ein adäquates Schadensrisiko bestanden. Im übrigen habe Belgien Gelder zurückfordern müssen, da bei den Kontrollen Fleisch gefunden worden sei, das nicht für den menschlichen Verzehr geeignet gewesen sei.

149 Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei im vorliegenden Fall eine Pauschalkürzung möglich, da das belgische Kontrollsystem nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt habe. Darüber hinaus habe Belgien nicht den Nachweis erbringen können, daß die Voraussetzungen für eine Übernahme der Ausgaben durch den EAGFL vorgelegen hätten.

150 Zu diesem Prüfungspunkt ist zu bemerken, daß der EAGFL nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes nur die nach Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Interventionen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte finanziert. Die Kommission hat dabei das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Regeln der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nachzuweisen.

151 Die Kommission konnte im vorliegenden Fall das Vorliegen mehrerer solcher Verstöße nachweisen. Die belgische Regierung hingegen vermochte nicht den Nachweis zu erbringen, daß die Feststellungen der Kommission unzutreffend waren. Somit bleiben ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob ein angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt worden war.

152 Die Kommission hat insbesondere in ausreichendem Maß ihre Kontrollen vorgenommen und jeweils einen repräsentativen Anteil der betroffenen Zollstellen und Unternehmen überprüft. Aufgrund der Stichprobenkontrollen der Kommission durfte sie Rückschlüsse auf das Kontrollsystem in Belgien in seiner Gänze ziehen. Untersuchungsgegenstand war das gesamte Kontrollsystem, und der Umfang der von den Kommissionsüberprüfungen betroffenen Umsätze ist als solcher repräsentativ, um eine Hochrechnung auf das Ganze zu ermöglichen. Bei der Frage, ob die Stichproben repräsentativ sind, kommt es nicht allein auf die Anzahl der geprüften Zollstellen an; es reicht aus, daß wenn die überprüften Vorfinanzierungen vom Prozentsatz ihres Betrages bzw. Umfangs her so hoch sind, repräsentative Rückschlüsse auf die Gesamtsituation möglich sind. Da im vorliegenden Fall keine konkreten (einzelnen) Zahlungs- oder Ausfuhrerklärungen beanstandet wurden, jedoch das Kontrollsystem in Belgien insgesamt Mängel aufwies, durfte die Kommission rechtsfehlerfrei einen Ausgabenbetrag nicht anerkennen, den sie durch eine Hochrechnung ihrer Ergebnisse ermittelt hat.

153 Den belgischen Behörden wurde dabei ausreichend die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Vorgehensweise der Kommission ist auch im Hinblick auf die im Belle-Bericht aufgestellten Leitlinien bestandskräftig. Sie vermochte ihre Schadensrisikoermittlung anhand der Tragweite der festgestellten Mängel zu begründen. Der Nachweis eines konkreten Schadenseintritts ist nach den bestehenden Regelungen und der Rechtsprechung des Gerichtshofes dazu nicht erforderlich (siehe oben, Nummern 48 bis 54).

154 Eine pauschale Kürzung der angemeldeten Ausgaben ist somit rechtmäßig.

155 Die belgische Regierung hat hilfsweise vorgetragen, die Kommission hätte die streitige Berichtigung nicht auf alle Sektoren beziehen dürfen, für die Erstattungen im Rahmen der Vorfinanzierung gezahlt worden seien, sondern nur auf jene, die auch überprüft worden seien.

156 Erstens sei eine Pauschalberichtigung auch auf Ausfuhrerstattungen für Weichweizen ausgedehnt worden, obwohl für die Jahre 1993 und 1994 von den überprüften Unternehmen keine Erstattungsanträge gestellt worden seien. Kontrollmängel hätten hier also nicht festgestellt werden können. Wolle die Kommission auch hierfür Kürzungen vornehmen, hätte sie in diesem Bereich bei anderen Unternehmen kontrollieren müssen.

157 Dies ergebe sich auch aus dem Belle-Bericht, wonach Pauschalberichtigungen sich nur auf den Ausgabensektor beziehen dürften, der die Region oder den Verwaltungsbezirk betreffe, in dem Mängel festgestellt worden seien, es sei denn, es sei nachgewiesen, daß der gleiche Mangel auch in anderen Regionen oder dem gesamten Gebiet des Mitgliedstaats zu finden sei. Im vorliegenden Fall hätten die Feststellungen bezüglich anderer Haushaltsposten nicht auch auf den Sektor Weichweizen übertragen werden dürfen. Die behaupteten Mängel seien nicht systematisch und bedeuteten kein Schadensrisiko für den EAGFL.

158 Zudem hätte auf Anfrage der Kommission dargelegt werden können, daß für diesen Sektor (Weichweizen) ein besonderes Kontrollsystem bestehe.

159 Letztlich müßten auch die Stichprobenkontrollen der Kommission repräsentativ erfolgen, was vorliegend nicht geschehen sei, da der Sektor Weichweizen immerhin 27 % der gesamten Ausgaben für die Vorfinanzierung für Getreide ausmache.

160 Die Kommission weist zunächst darauf hin, die vorgenommene Berichtigung betreffe nur die Vorauszahlungen, die von Belgien im Rahmen der Vorfinanzierung geleistet worden seien. Auch nach dem Belle-Bericht sei dieses Vorgehen gerechtfertigt, da die Ausfuhrerstattungen die Sektoren Getreide und Rindfleisch betroffen hätten. Die Überprüfungen der Kommission seien nicht auf einzelne Unternehmen gerichtet gewesen, sondern hätten das gesamte Kontrollsystem in den genannten Sektoren beleuchten sollen.

161 Gegenstand der Untersuchungen seien somit die von den Zollstellen durchgeführten Kontrollen gewesen. Wenn aber das gesamte Kontrollsystem im Sektor Getreide Mängel zeige, könne eine Berichtigung auch für den Haushaltsposten Weichweizen erfolgen.

162 Das Vorbringen Belgiens, für die Vorfinanzierung für Weichweizen würden besondere Kontrollbestimmungen gelten, sei als verspätet zurückzuweisen, da es zum ersten Mal in der Erwiderung im Rahmen dieser Klage vorgebracht worden sei.

163 Die Argumentation der belgischen Regierung vermag auch in diesem Punkt nicht zu überzeugen. Zum einen bezieht sich die genannte Passage des Belle-Berichts auf geographische und administrative Bereiche und nicht auf unterschiedliche Haushaltsposten, so daß hieraus nicht auf ein rechtswidriges Handeln der Kommission geschlossen werden kann. Zum anderen bezogen sich die Kontrollen der Kommission sowohl auf den Getreide- wie auch den Rindfleischsektor. Da hierbei erhebliche Mängel vorgefunden wurden, war die Kommission grundsätzlich berechtigt, Pauschalkürzungen vorzunehmen, insbesondere auch, wenn keine konkreten Verluste zum Schaden des EAGFL durch ungerechtfertigte Zahlungen im Rahmen der Ausfuhrerstattungen nachzuweisen waren.

164 Zum Zeitpunkt des Erlasses des Zusammenfassenden Berichts bzw. der angegriffenen Entscheidung mußte die Kommission mangels anderer Informationen davon ausgehen, daß die festgestellten Mängel des Kontrollsystems den gesamten Getreidesektor betrafen. Daß hier für Weichweizen eventuell andere Bestimmungen gälten, hat die belgische Regierung erst in der Erwiderung im prozessualen Verfahren vorgebracht. Dieser Vortrag ist damit aber nach Artikel 42 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes(27) als verspätet zurückzuweisen.

165 Da also die Überprüfungen der Kommission den Getreidesektor insgesamt betrafen und Mängel im diesbezüglichen Kontrollsystem festgestellt wurden, war eine Berichtigung hinsichtlich aller gemeldeter Ausgaben gerechtfertigt.

166 Zweitens beanstandet Belgien (hilfsweise) die Berichtigung für den Rindfleischsektor. Die Kommission habe nur hinsichtlich der Kontrollen für das Regime der Sondererstattungen nach den Verordnungen Nr. 32/82 und Nr. 1964/82 - vergleiche hierzu Nummer 34 - auf Mängel hingewiesen. In diesem Bereich würden aber besondere Kontrollanforderungen bestehen. Aus in diesem Bereich festgestellten Mängeln könne man aber nicht ohne weiteres auch auf Kontrollmängel in anderen Bereichen des Rindfleischsektors schließen, so daß eine finanzielle Berichtigung einer gesonderten Prüfung und Begründung bedurft hätte. So seien insbesondere die Kontrollen für Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch von weiblichen Tieren grundlegend unterschiedlich von denjenigen, die im Rahmen der Sondererstattungen vorzunehmen seien.

167 Nach Ansicht der Kommission sei auch hier kein Rechtsfehler zu finden. Ihre Überprüfungen hätten sich auf das gesamte Kontrollsystem im Bereich Rindfleisch bezogen. Vor allem die aufgetretenen Unzulänglichkeiten der Kontrollen vor Ort, wie mangelnde Personalausstattung der Zollstellen und fehlendes (Prüf-)Material, seien unabhängig von der Art des Erstattungssystems. Diese Mängel seien bei jeder Kontrolle, gleich in welchem Zusammenhang, aufgetreten. In den kontrollierten Zollstellen hätten auch andere Exporteure ihre Geschäfte getätigt, so daß sich die festgestellten Mängel auch auf diese ausgewirkt hätten. Die Überprüfungen der Kommission seien auch auf eine Einhaltung der Vorschriften der Verordnung Nr. 565/80 gerichtet gewesen, die die Vorfinanzierung für Fleisch weiblicher Rinder und Vorderviertel männlicher Rinder betreffe.

168 Zu diesem Vorwurf ist zu sagen, daß - da sich die Überprüfungen der Kommission auf den gesamten Sektor Rindfleisch bezogen und aus diesem Grund als repräsentativ anzusehen sind - die finanzielle Berichtigung zu Recht für den gesamten Sektor erfolgte. Darüber hinaus wurden Mängel in dem Kontrollsystem festgestellt, die sich auf jedes Kontrollverfahren negativ auswirken mußten. Personal- und Materialmangel lassen erhebliche Zweifel daran entstehen, daß wirksame Kontrollen durchgeführt werden konnten. Diese Zweifel konnten durch den Vortrag der belgischen Regierung nicht ausgeräumt werden, so daß eine finanzielle Berichtigung für den geprüften Sektor Rindfleisch gerechtfertigt erscheint.

169 Drittens macht die belgische Regierung in der Klageschrift (hilfsweise) geltend, sie habe schon im Schlichtungsverfahren darauf hingewiesen, eine Berichtigung im Getreidesektor dürfe sich nicht auf Ausgaben beziehen, die nicht dem System der Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattungen zuzurechnen seien. Da die Überprüfungen der Kommission nur diese Vorfinanzierung betroffen hätten, hätten andere Bereiche nicht in die Berichtigung eingerechnet werden dürfen. In der Erwiderung wird weiter ausgeführt, die Überprüfungen hätten sich nur auf die Vorfinanzierung-Verarbeitung bezogen. Aus diesem Grund habe Belgien die Rechnungslisten für nicht zur Verarbeitung bestimmtes Getreide abgeschlossen. Diese die Vorfinanzierung-Lagerung betreffenden Summen seien von Belgien irrtümlich nicht im Schlichtungsverfahren angezeigt worden. Diese Informationen seien aber der Kommission während des Schlichtungsverfahrens zugänglich gewesen, wie ein Dokument des belgischen Amtes für Intervention und Erstattung (BBIR) vom 25. September 1996 zeige.

170 Die Kommission führt hierzu aus, die vorgenommene Berichtigung sei in bezug auf das System der Vorfinanzierung erfolgt. Sie habe sich dabei an den von den belgischen Behörden zur Verfügung gestellten Daten und Unterlagen orientiert. Die Überprüfungen hätten sowohl das System Vorfinanzierung-Verarbeitung wie auch das System Vorfinanzierung-Lagerung betroffen. Sowohl das Unternehmen Boortmalt, das von letzterem Gebrauch machte, als auch das Zollager Sobelgra, das zur Zollstelle Antwerpen gehöre, seien kontrolliert worden. Das Argument Belgiens, das System Vorfinanzierung-Lagerung hätte nicht mitberücksichtigt werden dürfen, sei in dieser Form erstmals in der Erwiderung vorgebracht worden und somit als verspätet zurückzuweisen.

171 Dem Vorbringen der Kommission ist im Ergebnis zuzustimmen. Ausweislich der zu den Akten gereichten Unterlagen wurden Überprüfungen in den genannten Bereichen der Vorfinanzierung vorgenommen. Die Berichtigung durfte sich also auf beide Systeme beziehen. Das weitere Vorbringen der belgischen Regierung bezüglich der geforderten Nichtbeachtung des Systems Vorfinanzierung-Lagerung ist als verspätet zurückzuweisen, da es erst in der Erwiderung des prozessualen Verfahrens eingeführt wurde und somit weder bei Erlaß der angegebenen Entscheidung noch bei der gerichtlichen Entscheidung gemäß Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung zu beachten war bzw. ist.

172 Im übrigen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, so daß die Kommission im vorliegenden Fall keine Kenntnis von den Unterlagen des BBIR haben mußte.

173 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß auch die drei Punkte des Hilfsvorbringens der belgischen Regierung zurückzuweisen sind. Eine pauschale Berichtigung konnte somit von der Kommission rechtmäßig vorgenommen werden.

3. Dritter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des Rechtssatzes "patere legem quam ipse fecisti" sowie der Begründungspflicht

174 Mit diesem Klagegrund rügt die belgische Regierung im wesentlichen, die Kommission habe sich sowohl im Zusammenfassenden Bericht als auch in der angegriffenen Entscheidung über die von ihr im Belle-Bericht aufgestellten Leitlinien - siehe oben, Nummern 44 bis 47 - hinweggesetzt, ohne dies ausreichend zu begründen. Die Kommission sei somit rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis einer 10%igen Pauschalkürzung für die Sektoren Getreide und Rindfleisch gekommen.

175 Für die belgische Regierung ergibt sich schon aus ihrem Vortrag zu den beiden ersten Klagegründen, daß eine 10%ige Berichtigung nicht gerechtfertigt sein könne. So seien weder Mängel bezüglich des gesamten Kontrollsystems oder wesentlicher Einzelheiten, noch sei die Gefahr sehr hoher Verluste zum Schaden des EAGFL nachgewiesen worden. Die Kommission habe in ihren Überlegungen auch nicht mitberücksichtigt, daß Belgien versucht habe, wirksame Maßnahmen zu treffen, um die gerügten Mißstände zu beheben. So sei ein verbessertes System der Kontrollberichte eingeführt worden. Die Arbeitsweise der Kontrolleure sei zu verbessern versucht worden. Bezüglich der Warenkontrollen und der Anwendung der Äquivalenzregel seien zusätzliche Bestimmungen erlassen worden und für den Rindfleischsektor seien die jeweiligen Dienstanweisungen aktualisiert worden. Zudem seien bei der Auslegung von Gemeinschaftsbestimmungen, wie das Vorbringen im ersten und zweiten Klagegrund (Äquivalenzregel, Warenkontrollen) zeige, Probleme aufgetreten, da deren Wortlaut zum Teil unklar sei und mehrere Möglichkeiten der Auslegung bestuenden.

176 Letztlich hätte die finanzielle Berichtigung auf die überprüften Gebiete beschränkt bleiben müssen und hätte sich nicht auf das gesamte belgische Staatsgebiet beziehen dürfen.

177 Die Kommission weist darauf hin, daß sie nicht die höchstmögliche Berichtigung vorgenommen habe, da sie unter Umständen auch die Übernahme sämtlicher Ausgaben hätte verweigern können. Eine 10%ige Kürzung sei im übrigen auch für Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande im Getreidesektor beschlossen worden. Lediglich im Rindfleischsektor falle die Kürzung für die anderen betroffenen Mitgliedstaaten geringer aus.

178 Für Belgien sei festzustellen gewesen, daß die Mängel das Kontrollsystem als Ganzes bzw. wesentliche Einzelheiten hiervon betroffen hätten. Durch das Fehlen von Kontrollen bzw. das Auftreten von Unzulänglichkeiten bei den Kontrollen habe nicht gewährleistet werden können, daß die Ausgaben auch gerechtfertigt seien.

179 Für den Rindfleischsektor habe eine erhebliche Gefahr des Warenaustausches mit der Folge bestanden, daß Waren in geringerer Menge und Gewicht als angemeldet hätten ausgeführt werden können.

180 Im Getreidesektor sei ein ähnliches Risiko aufgetreten, wobei erschwerend hinzugekommen sei, daß die jeweiligen Zollstellen nicht über die tatsächlichen Lagerbestände informiert gewesen seien.

181 Die wesentlichen Beanstandungen seien im Zusammenfassenden Bericht aufgeführt, um die vorgenommene Berichtigung zu begründen.

182 Im Rahmen der Vorfinanzierung habe es sich 1993 insgesamt um Ausgaben in Höhe von 1 600 Mio. ECU gehandelt, was 15,8 % der Gesamtausgaben für Ausfuhrerstattungen entsprochen habe. Belgien sei einer von sechs Mitgliedstaaten gewesen, auf die hiervon ein größerer Teil entfalle. Seien also erhebliche Mängel zu konstatieren, berge dies die Gefahr sehr hoher Verluste. Da an einer Berichtigung in Höhe von 10 % keine Zweifel bestanden hätten, seien auch keine mildernden Umstände in Betracht gezogen worden. Diese hätten im übrigen auch nicht vorgelegen. Schon in den Zusammenfassenden Berichten der Vorjahre (1987, 1988, 1989, 1990 und 1992) seien die gleichen Mängel, wie die bei den Überprüfungen 1994 zutage getretenen, angemahnt worden.

183 Auch die von Belgien angeführten Verbesserungen seien jedenfalls im November 1994 noch nicht spürbar gewesen. Ebensowenig hätten Auslegungsschwierigkeiten vorgelegen, da die Kommission schon in den vorausgegangenen Jahren im Rahmen ihrer Zusammenfassenden Berichte und Rundschreiben auf die jeweilige Auslegung und Anwendung der Vorschriften hingewiesen habe.

184 Wie bereits in Nummer 49 ausgeführt, ist es ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß der EAGFL nur die nach den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Interventionen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte übernimmt. Da der jeweilige Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, obliegt es ihm, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun.

185 Was die Höhe der finanziellen Berichtigung angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes eindeutig, daß die Kommission sogar die Zahlung der gesamten entstandenen Kosten ablehnen könnte, wenn sie feststellt, daß keine ausreichenden Kontrollmechanismen bestehen.

186 Im übrigen hat der Mitgliedstaat nachzuweisen, daß die Kriterien willkürlich und unbillig sind, die von der Kommission zur differenzierten Behandlung der Fälle von Unregelmäßigkeiten - entsprechend dem Ausmaß des Fehlens von Kontrollen und dem Grad des dem EAGFL erwachsenen Risikos - angewandt worden sind. Einen solchen Nachweis konnte die belgische Regierung aber nicht erbringen.

187 Die von der Kommission festgestellten Mängel bezogen sich zumindest auf wesentliche Teile des Kontrollsystems bzw. auf die Durchführung der Kontrollen, die von wesentlicher Bedeutung sind, um die Rechtmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten.

188 Auch die Gefahr entsprechend hoher Verluste zum Schaden des EAGFL konnte die Kommission nachweisen. Angesichts der hohen Summen an Ausgaben im Bereich der Vorfinanzierung und der festgestellten Mängel mußte die Kommission zu Recht von einem erheblichen Risiko ausgehen.

189 Eine pauschale Berichtigung in Höhe von 10 % war nach alldem gerechtfertigt. Das Vorbringen der belgischen Regierung ist insoweit zurückzuweisen.

4. Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Begründungspflicht

190 Im Rindfleischsektor hatte die Kommission für Belgien eine 10%ige Kürzung vorgenommen, für Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande jedoch nur eine 5%ige.

191 Die belgische Regierung sieht hierin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Die Liste der wesentlichen Beanstandungen für Belgien sei zwar länger als die der anderen Mitgliedstaaten, da sie aber auf falschen Tatsachenfeststellungen beruhe, sei sie rechtsfehlerhaft.

192 Für die Niederlande seien ähnliche Mängel festgestellt worden, der Berichtigungssatz sei aber niedriger. Die Situation dieser beiden Mitgliedstaaten sei vergleichbar, habe aber zu einer unterschiedlichen Bewertung geführt. Auch bei den anderen Mitgliedstaaten habe es sich um vergleichbare Mängel gehandelt, dennoch seien die Sanktionen gegen Belgien höher.

193 Nach Auffassung der Kommission genüge schon ein Blick auf die Mängelliste, die für Belgien länger sei als für die anderen Mitgliedstaaten, um zu sehen, daß hier in noch gravierenderem Maße gegen die Gemeinschaftsvorschriften verstoßen worden sei.

194 So seien neben Mängeln der Durchführungen der Kontrollen insbesondere Unzulänglichkeiten in der Personal- sowie Materialausstattung vorzufinden gewesen. Diese Probleme seien in den anderen Mitgliedstaaten nicht festzustellen gewesen.

195 Insbesondere was die Kontrollen im Rahmen der Verordnungen Nr. 32/82 und Nr. 1964/82 betreffe, seien diese in den anderen überprüften Mitgliedstaaten wesentlich effizienter gewesen. Dort seien Kontrolleure bei der Entbeinung zugegen gewesen, die die Fleischstücke abstempelten, die die Ausfuhr überwachten, das Gewicht feststellten sowie die Verplombung angebracht hätten. Eine solche Kontrolldichte sei in Belgien nicht festzustellen gewesen.

196 Hierzu ist zu bemerken, daß eine verbotene Ungleichbehandlung nur dann vorliegen könnte, wenn gleiche Sachverhalte ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt würden. Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Wie die belgische Regierung selbst eingeräumt hat, ist die diesen Mitgliedstaat betreffende Mängelliste länger als die der anderen überprüften Mitgliedstaaten. Darüber hinaus hat sich herausgestellt, daß die Mängel bzw. Unzulänglichkeiten im belgischen Kontrollsystem ein größeres Ausmaß erreichten als in den anderen von der angegriffenen Entscheidung betroffenen Mitgliedstaaten. Da somit schon keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen, kann kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gegeben sein.

197 Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Begründungspflicht liegt ebenfalls nicht vor, da die belgischen Behörden frühzeitig von den Vorwürfen der Kommission Kenntnis hatten und ihnen die Möglichkeit eingeräumt worden war, dazu Stellung zu nehmen.

198 Somit ergibt sich aus dem Vorstehenden, daß die Klage der belgischen Regierung insgesamt als unbegründet abzuweisen ist.

Kosten

199 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Belgien beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

F - Ergebnis

200 Aus den vorstehenden Gründen wird vorgeschlagen, wie folgt zu entscheiden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

(1) - ABl. L 139, S. 30.

(2) - Zu den Anforderungen an die durchzuführenden Kontrollen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, siehe unten, Nrn. 34 bis 43.

(3) - Zum System der Vorfinanzierung, siehe unten, Nrn. 25 bis 33.

(4) - Entscheidung der Kommission vom 1. Juli 1994 zur Schaffung eines Schlichtungsverfahrens im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL - Abteilung Garantie (ABl. L 182, S. 45).

(5) - Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 125, S. 1). Zum Inhalt des Artikels 5 der Verordnung Nr. 729/70 siehe Nr. 21.

(6) - Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972 über den Rechnungsabschluß des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie (ABl. L 186, S. 1).

(7) - Dieser Rechtssatz - übersetzt: "Erdulde das Gesetz, das Du selbst erlassen hast" - meint die Bindung eines Organs an die von ihm erlassenen Normen.

(8) - Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24).

(9) - Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. L 281, S. 1).

(10) - Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 62, S. 5).

(11) - Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1).

(12) - Verordnung (EWG) Nr. 32/82 der Kommission vom 7. Januar 1982 zur Festlegung der Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch (ABl. L 4, S. 11).

(13) - Verordnung (EWG) Nr. 1964/82 der Kommission vom 20. Juli 1982 zur Festlegung der Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von bestimmten Arten von entbeintem Rindfleisch (ABl. L 212, S. 48).

(14) - Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates vom 12. Februar 1990 über die Kontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden (ABl. L 42, S. 6), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 163/94 des Rates vom 24. Januar 1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 über die Kontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden (ABl. L 24, S. 2).

(15) - Verordnung (EWG) Nr. 2030/90 der Kommission vom 17. Juli 1990 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 über die Warenkontrolle der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden (ABl. L 186, S. 6).

(16) - Vgl. Urteile vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-2/93 (Exportslachterijen van Oordegem, Slg. 1994, I-2283, Randnrn. 17 und 18) und vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-235/97 (Frankreich/Kommission, Slg. 1998, I-7555, Randnr. 45).

(17) - So zuletzt im Urteil vom 22. April 1999 in der Rechtssache C-28/94 (Niederlande/Kommission, Slg. 1999, I-1973, Randnr. 40), mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen.

(18) - Urteile vom 1. Oktober 1998 in der Rechtssache C-242/96 (Italien/Kommission, Slg. 1998, I-5863, Randnr. 58) und vom 12. Juni 1990 in der Rechtssache 8/88 (Deutschland/Kommission, Slg. 1990, I-2321, Randnr. 23).

(19) - Urteil vom 21. Januar 1999 in der Rechtssache C-54/95 (Deutschland/Kommission, Slg. 1999, I-35, Randnr. 35).

(20) - Vgl. Urteile in der Rechtssache C-242/96 (Italien/Kommission, zitiert in Fußnote 18) und 8/88 (Deutschland/Kommission, zitiert in Fußnote 18).

(21) - Diese Lager befinden sich beide in ca. 15 km Entfernung von der Zollstelle Dendermonde.

(22) - Hervorhebungen durch den Verfasser.

(23) - Siehe hierzu Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87, oben Nr. 32.

(24) - Urteil in der Rechtssache C-28/94 (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 81), sowie Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-54/91 (Deutschland/Kommission, Slg. 1993, I-3399, Randnr. 10).

(25) - Urteil in der Rechtssache C-28/94 (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 82), und Urteil vom 1. Oktober 1998 in der Rechtssache C-27/94 (Niederlande/Kommission, Slg. 1998, I-5581, Randnr. 36).

(26) - Es handelt sich hierbei im wesentlichen um die bereits geprüften tatsächlichen Feststellungen der Kommission.

(27) - Diese Vorschrift lautet: "§1 Die Parteien können in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen. Sie haben die Verspätung zu begründen. §2 Im übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. ..."

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