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Document 61997CC0225

    Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 19. Januar 1999.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Dienstleistungsverkehr - Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge - Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikationssektor.
    Rechtssache C-225/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1999 I-03011

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:7

    61997C0225

    Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 19. Januar 1999. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Dienstleistungsverkehr - Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge - Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikationssektor. - Rechtssache C-225/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-03011


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 Mit der vorliegenden Klage bittet die Kommission den Gerichtshof, festzustellen, daß die Französische Republik die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (im folgenden: die Richtlinie)(1) nur teilweise und auf jeden Fall nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

    Die Richtlinie

    2 Die Richtlinie, die nach Ansicht der Kommission nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde, soll innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnungen Möglichkeiten einer raschen und wirksamen Nachprüfung schaffen, um etwaigen Verstössen gegen das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet der Auftragsvergabe vorzubeugen oder sie zu korrigieren(2). Sie regelt näher die "Befugnisse", die zu diesem Zweck denjenigen Stellen zuerkannt werden müssen, die in den genannten Nachprüfungsverfahren zu entscheiden haben. Artikel 2 Absatz 1 überlässt es insoweit den Mitgliedstaaten, zwischen zwei verschiedenen, aber hinsichtlich ihrer praktischen Wirkungen gleichwertigen Lösungen zu wählen(3): zum einen die Option "Aussetzung/Aufhebung" nach Buchstaben a und b der Vorschrift, zum anderen die Befugnis, so schnell wie möglich "andere Maßnahmen" zu ergreifen, die das gleiche Ergebnis anstreben, darunter "eine Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrags in bestimmter Höhe für den Fall ..., daß der Rechtsverstoß nicht beseitigt oder verhindert wird"(4). Die letztgenannte Möglichkeit, die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c geregelt ist, hat der französische Gesetzgeber bei der Umsetzung gewählt.

    3 Kapitel 2 der Richtlinie regelt das Bescheinigungsverfahren und ist im Rahmen der vorliegenden Klage ebenfalls von Bedeutung. Es sieht im wesentlichen vor(5), daß die Mitgliedstaaten den auftraggebenden Stellen die Möglichkeit geben, "ein Bescheinigungsverfahren ... in Anspruch zu nehmen", dessen Hauptmerkmale in den Artikeln 4 bis 7 genannt werden. Dieses Verfahren gestattet es den betroffenen Stellen, "[die] Vergabeverfahren und -praktiken, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 90/531/EWG fallen, regelmässig von einem Prüfer untersuchen [zu] lassen, um eine Bescheinigung darüber zu erhalten, daß diese Verfahren und Praktiken zu dem gegebenen Zeitpunkt mit dem Gemeinschaftsrecht über die Auftragsvergabe und mit den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übereinstimmen"(6).

    4 In Kapitel 4 der Richtlinie wird ein freiwilliges Schlichtungsverfahren eingeführt. Dieses Verfahren kann nach Artikel 9 von "[jedem in Anspruch genommen werden], der ein Interesse an einem bestimmten Auftrag im Sinne der Richtlinie 90/531/EWG hat oder hatte und der meint, daß ihm im Zusammenhang mit dem Verfahren für die Vergabe dieses Auftrags durch einen Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften für die Auftragsvergabe oder gegen einzelstaatliche Vorschriften zur Umsetzung dieses Gemeinschaftsrechts ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht". Der Auftraggeber ist jedoch nicht verpflichtet, an dem Verfahren teilzunehmen(7). Aufgabe der Schlichter - vorausgesetzt, daß der Auftraggeber der Einleitung des in Rede stehenden Verfahrens zugestimmt hat - ist es, sich zu bemühen, "unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts so rasch wie möglich eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen"(8) und "der Kommission über ihre Schlußfolgerungen und über alle Ergebnisse, zu denen sie gelangt sind", zu berichten(9).

    5 Die in der Richtlinie für deren Umsetzung vorgesehene Frist endete am 1. Januar 1993.

    Die französischen Umsetzungsvorschriften

    6 Die Richtlinie wurde durch das Gesetz Nr. 93-1416 vom 29. Dezember 1993 über die Nachprüfung des Abschlusses bestimmter Lieferungs- und Arbeitsverträge auf den Gebieten der Wasserversorgung, der Energie, des Verkehrs und des Fernmeldewesens(10) in französisches Recht umgesetzt. Der Text des Gesetzes wurde der Kommission mit Schreiben vom 14. Januar 1994 mitgeteilt.

    Für die Durchführung von Artikel 2 der Richtlinie hat der französische Gesetzgeber die in dessen Absatz 1 Buchstabe c eröffnete Möglichkeit gewählt, wonach die Gerichte befugt sind, "eine Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrags in bestimmter Höhe für den Fall [zu erlassen], daß der Rechtsverstoß nicht beseitigt oder verhindert wird"(11).

    Zu diesem Zweck sieht Artikel 1 des Gesetzes Nr. 93-1416 vor, daß der Präsident des zuständigen Gerichts auf Antrag jeder Person, die am Abschluß des Vertrages interessiert ist und meint, durch den Rechtsverstoß eines Auftraggebers geschädigt worden zu sein, diesem aufgeben kann, seine Verpflichtungen innerhalb einer vom Präsidenten festgesetzten Frist zu erfuellen. Weiterhin ist ein vorläufiges Zwangsgeld ("astreinte provisoire") für den Fall eines anhaltenden Verstosses vorgesehen, der mit dem Ablauf der festgesetzten Frist beginnt. Das Gericht kann jedoch "die voraussichtlichen Folgen einer solchen Maßnahme für alle beteiligten Interessen, insbesondere das öffentliche Interesse, in Betracht ziehen und entscheiden, die Maßnahme nicht zu bewilligen, wenn ihre negativen Folgen ihre Vorteile überwiegen könnten"(12). In Absatz 4 des Artikels 1 heisst es, daß "der Betrag des vorläufigen Zwangsgeldes unter Berücksichtigung des Verhaltens derjenigen Person, an die die Aufforderung gerichtet war, sowie der bei der Erfuellung der Aufforderung aufgetretenen Schwierigkeiten erhoben wird".

    Artikel 1 Absatz 6 sieht als dann wie folgt ein endgültiges Zwangsgeld vor: "Wenn der festgestellte Verstoß im Zeitpunkt der Einziehung des vorläufigen Zwangsgeldes noch nicht beseitigt war, kann das Gericht ein endgültiges Zwangsgeld verhängen ..."

    Das - vorläufige oder endgültige - Zwangsgeld ist unabhängig von der Schadensersatzforderung und kann ganz oder teilweise rückgängig gemacht werden, wenn feststeht, daß der Verstoß oder die verspätete Befolgung der gerichtlichen Aufforderung nicht dem Auftraggeber angelastet werden kann(13).

    Artikel 4 des Gesetzes Nr. 93-1416 enthält Bestimmungen, die denen des Artikels 1 entsprechen, weist die entsprechenden Befugnisse jedoch dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts zu.

    7 Die in Rede stehenden französischen Vorschriften enthalten keinerlei Bestimmungen über die Durchführung der Kapitel 2 und 3 der Richtlinie, die jeweils das Bescheinigungs- und das Schlichtungsverfahren betreffen.

    Vorgerichtliches Stadium

    8 Mit Mahnschreiben vom 8. September 1995 teilte die Kommission den französischen Behörden mit, die vom Gesetz Nr. 93-1416 eingeführte Zwangsgeldregelung stelle keine korrekte Umsetzung von Kapitel 1 der Richtlinie dar; überdies enthalte dieses Gesetz keine Bestimmungen über die Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie über das Bescheinigungs- und das Schlichtungsverfahren.

    Da die Antwort der französischen Behörden ihrer Meinung nach nicht zufriedenstellend war, ließ die Kommission der französischen Regierung am 8. November 1996 eine mit Gründen versehene Stellungnahme zugehen.

    Auch die Antwort auf diese Stellungnahme wurde von der Kommission nicht für zufriedenstellend erachtet, weshalb sie den Gerichtshof gemäß Artikel 169 EG-Vertrag mit der vorliegenden Klage befasst hat.

    Zur Begründetheit

    9 Das klagende Organ hält die Umsetzung der Richtlinie in französisches Recht aus zwei Gründen für nicht korrekt: Das vom Gesetz Nr. 93-1416 eingeführte Zwangsgeldsystem stelle keine ordnungsgemässe Durchführung von Artikel 2 der Richtlinie dar; überdies habe der französische Gesetzgeber die Vorschriften der Richtlinie über das Bescheinigungs- und das Schlichtungsverfahren nicht umgesetzt.

    Zur Angemessenheit des Zwangsgeldsystems

    10 Frankreich hat sich bei der Umsetzung der Richtlinie für die Lösung c entschieden und damit sozusagen den Weg der "finanziellen Abschreckung" anstatt desjenigen der Aussetzung/Aufhebung gewählt(14). In der Tat räumt das Gesetz Nr. 93-1416 dem Präsidenten des zuständigen Gerichts die Befugnis ein, den Urheber des Verstosses aufzufordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen, sowie diese Aufforderung mit der Verhängung eines Zwangsgeldes zu versehen, das zunächst vorläufiger Natur ist und später, im Zeitpunkt der Erhebung, endgültig werden kann(15).

    11 Die Kommission beanstandet grundsätzlich nicht, daß die französischen Behörden von der Wahlmöglichkeit zu c Gebrauch gemacht haben, ist jedoch der Auffassung, daß das Gesetz Nr. 93-1416 die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie nicht korrekt umgesetzt habe. Der französische Gesetzgeber habe es nämlich unterlassen, das Zwangsgeldsystem in angemessener Weise abschreckend zu gestalten, wie dies Artikel 2 Absatz 5 der Richtlinie ausdrücklich vorschreibe. Das klagende Organ ist, genauer gesagt, der Auffassung, diese Vorschrift hätte durch eine besondere Bestimmung umgesetzt werden müssen, während die französische Gesetzgebung demgegenüber die Festsetzung der Geldbusse auf einen Betrag, der deren abschreckende Natur gewährleiste, in vollem Umfang in das Ermessen des Richters gestellt habe. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, daß die nationalen Gerichte in jedem Fall gehalten seien, die innerstaatlichen Vorschriften im Licht der mit der Richtlinie verfolgten Ziele auszulegen und somit - in dem uns beschäftigenden Fall - den Betrag der Geldbusse so hoch festzusetzen, daß er deren abschreckende Natur hinreichend gewährleiste. Die Klägerin beruft sich zu diesem Punkt auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, der zufolge es für die Erfuellung der Anforderungen an eine korrekte Umsetzung nicht genüge, daß die nationalen Gerichte eine bestimmte Haltung einnähmen, auch wenn diese Sinn und Wortlaut der fraglichen Richtlinie entspreche(16).

    Welches ist letztlich die Auffassung der Kommission? Der Gesetzgeber hätte den Abschreckungscharakter des Zwangsgeldes unmittelbar gewährleisten müssen und ihn nicht einer Ermessensentscheidung des Gerichts überlassen dürfen. Für die Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliche Rechtsnormen hätte es in jedem Fall entweder einer besonderen Bestimmung bedurft, aus der sich eindeutig ergeben hätte, daß der Betrag des Zwangsgeldes dem Erfordernis der abschreckenden Wirkung angemessen sei, oder es hätten die notwendigen Vorschriften erlassen werden müssen, um das den Gerichten für die Bemessung dieses Betrages eingeräumte Ermessen einzuschränken, indem für das Zwangsgeld wenigstens ein Mindestbetrag festgesetzt oder indem eine andere geeignete Begrenzung vorgenommen worden wäre, die die innerstaatliche Rechtsordnung zu einem solchen Zweck festlegen könne.

    12 Die beklagte Regierung entgegnet im wesentlichen, das Zwangsgeld stelle von Natur aus ein geeignetes Abschreckungsmittel dar. Ferner fordere keine Bestimmung der Richtlinie die Festsetzung von Mindestgrenzen für die gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c zu entrichtenden Beträge; ebensowenig werde die gesetzliche Vorausbestimmung dieser Beträge verlangt. Diese Möglichkeit sei vielmehr in dem von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag in Betracht gezogen, dann jedoch im endgültigen Text nicht beibehalten worden(17).

    13 Das Vorbringen der Kommission verblüfft mich. Vor allem überzeugt mich die Auffassung nicht, der französische Gesetzgeber hätte bei der Umsetzung der Richtlinie klarstellen müssen, daß das Zwangsgeld abschreckenden Charakter haben müsse. Eine solche spezifische Hervorhebung wäre meines Erachtens völlig überfluessig. Zwangsgelder verfolgen ihrem Wesen nach hauptsächlich den Zweck, den Widerstand des sich verweigernden Pflichtigen zu brechen, und zwar gerade durch die Forderung, einen bestimmten Geldbetrag für jeden Tag zu entrichten, um den sich die Erbringung der geschuldeten Leistung verzögert. Das Zwangsgeld ist somit ein typisches Druckmittel, um den Pflichtigen zu zwingen, der gerichtlichen Aufforderung nachzukommen; seine abschreckende Funktion liegt gerade in seiner besonderen Funktionsweise. Deshalb würde eine ausdrückliche Bestimmung, die lediglich klarstellen sollte, daß das Zwangsgeld einen abschreckenden Charakter haben müsse, der abschreckenden Natur nichts hinzufügen, die dieses Rechtsinstrument als indirektes - und besonders wirksames - Druckmittel zur Befolgung der richterlichen Anordnungen ohnehin kennzeichnet.

    14 Eine andere, schwierigere Frage ist die, ob der französische Gesetzgeber den abschreckenden Charakter des Zwangsgeldes dadurch hätte sicherstellen sollen, daß er in seinen Durchführungsvorschriften den Betrag unmittelbar festgesetzt oder Kriterien oder andere Berechnungsweisen angeordnet hätte, um das richterliche Ermessen bei der Bestimmung dieses Betrages zu begrenzen. Dies ist meines Erachtens der zentrale Punkt der von der Kommission geltend gemachten Beanstandung. In der Tat ist gemäß Artikel 2 Absatz 5 "der gemäß Absatz 1 Buchstabe c zu zahlende Betrag ... so hoch anzusetzen, daß er ausreicht, um den Auftraggeber davon abzuhalten, einen Rechtsverstoß zu begehen oder darauf zu beharren"(18). Das gesamte Problem liegt aber darin, von wem dieser Betrag "anzusetzen" ist, damit seine abschreckende Natur gewährleistet wird, ob von den Gerichten im Rahmen der Ausübung ihrer Ermessensbefugnis, wie die französische Regierung behauptet, oder ob die abschreckende Wirkung nicht auf anderem Wege als dem der gesetzlichen Vorausbestimmung der Parameter, aufgrund deren der Richter den geschuldeten Betrag festsetzt, gewährleistet werden könnte.

    Meines Erachtens trifft die erste Lösung zu, die der französische Gesetzgeber bei der Umsetzung gewählt hat. Die von der Klägerin vertretene gegenteilige Auffassung findet keinerlei Stütze im Wortlaut. In der Tat fordert Artikel 2 Absatz 5 nicht, daß der Gesetzgeber und nicht der Richter die Höhe der zu entrichtenden Beträge festsetzt. Im übrigen erkennt auch die Kommission an, daß die Richtlinie diese Lösung nicht unmittelbar fordert. Vielmehr enthielt gerade der ursprüngliche Vorschlag eine derartige Regelung, die dann aber im endgültigen Text nicht beibehalten wurde. Dieser Aspekt ist sicherlich nicht für sich allein ausschlaggebend. Wie sich mir jedoch klar aus der Auslegung der Richtlinie zu ergeben scheint, geht die einzige unabdingbare Forderung, die sie bei der Umsetzung an die Mitgliedstaaten stellt, dahin, daß eine wirksame Regelung geschaffen wird, d. h. ein Mechanismus, der es gestattet, begangene Verstösse unverzueglich abzustellen und ausserdem, was etwaige neue Verstösse angeht, die erforderliche abschreckende Wirkung zu erzielen. Worauf es mit anderen Worten für die korrekte Umsetzung der in der Richtlinie vorgesehenen Option c ankommt, ist, daß die Mitgliedstaaten sozusagen ein Instrument der "finanziellen Abschreckung einführen, das dem Erfordernis der Wirksamkeit in bezug auf die Erreichung der söben in Erinnerung gerufenen Ziele genügt".

    Wenn dies zutrifft, hat der französische Gesetzgeber Artikel 2 der Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt, indem er auf die Rechtsfigur des Zwangsgeldes zurückgegriffen hat, die in der französischen Rechtsordnung eines der traditionell wirksamsten Mittel darstellt, um der Missachtung richterlicher Anordnungen vorzubeugen(19). Ich glaube auch nicht, daß die abschreckende Wirkung des Zwangsgeldes, auf die die Kommission zu Recht Wert legt, notwendigerweise von der vorherigen Festsetzung seines Betrages bei der Umsetzung der Richtlinie abhängt(20). Diese Auffassung wird, wie mir scheint, durch die Erfahrungen derjenigen Rechtsordnungen widerlegt, in denen der Rückgriff auf Zwangsgelder häufig ist: Niemand zweifelt an der abschreckenden Wirkung des Rechtsinstituts, obwohl die Festsetzung des zu zahlenden Betrages vielfach in das Ermessen der Gerichte gestellt anstatt gesetzlich geregelt wird(21).

    15 Sicherlich hängt das ordnungsgemässe Funktionieren der "Option c" - insbesondere die tatsächliche Abschreckungswirkung des Zwangsgeldes - auf diese Weise davon ab, daß das mit der Festsetzung des zu zahlenden Betrages betraute Gericht von seinem Ermessen einen verständigen Gebrauch macht. Wir haben es aber mit einer Richtlinie zu tun, deren Bestimmungen, soweit sie den vorliegenden Rechtsstreit betreffen, meines Erachtens dann nicht korrekt umgesetzt wurden, wenn den Gerichten nicht gestattet wird, sie im Rahmen eines angemessenen Ermessensspielraums anzuwenden. Die Typologie der Verstösse kann nämlich verschiedenartig sein. Im übrigen kann auch das Verhalten der einzelnen Auftraggeber Unterschiede aufweisen: Gut- oder Bösgläubigkeit, Bemühungen zur Beseitigung oder zur Vermeidung eines Verstosses usw. Es scheint mir aber auf der Hand zu liegen, daß derartige Aspekte bei der Bemessung des zu zahlenden Betrages nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c berücksichtigt werden müssen. Und die für die Vornahme dieser Handlung am meisten qualifizierte Person kann nur der Richter in Ausübung seiner Ermessensbefugnis sein. Eine gesetzliche Vorausbestimmung des Zwangsgeldbetrags würde schlecht zu den Erfordernissen einer in dieser Weise ausgestalteten Beurteilung passen. Es trifft zu, daß eine etwaige gesetzliche Bestimmung, die den Richter ermächtigen würde, den zu zahlenden Betrag im Rahmen einer Mindest- und einer Hoechstgrenze festzusetzen, dem Erfordernis genügen würde, das Zwangsgeld unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls zu bemessen. Diese Lösung würde aber mit Sicherheit nicht die Ermessensbefugnis des Richters bei der konkreten Bemessung des Zwangsgeldes, sei es auch innerhalb des vom Gesetzgeber gezogenen Rahmens, beseitigen. Ausserdem müssten diese Grenzen hinreichend weit gezogen sein, um dem Richter die Möglichkeit zu gewährleisten, die unterschiedlichen Sachverhalte zu berücksichtigen, mit denen er es jeweils zu tun haben kann. Und es wäre für den Gerichtshof bestimmt nicht leicht, die Ausübung des Ermessens durch den nationalen Gesetzgeber bei der Festlegung dieser Schwellen im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie zu überprüfen.

    Weiterhin ist es bezeichnend, daß die in Rede stehende Richtlinie den Organen, die über etwaige Klagen zu befinden haben, für die Ausübung der ihnen durch Artikel 2 zuerkannten Befugnisse einen weiten Ermessensspielraum zugestanden hat. Nach Absatz 4 dieses Artikels "[können] die Mitgliedstaaten ... vorsehen, daß die zuständige Instanz bei der Prüfung der Frage, ob vorläufige Maßnahmen zu ergreifen sind, deren voraussehbare Folgen für alle möglicherweise geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigen kann und daß sie beschließen kann, diese Maßnahmen nicht zu ergreifen, wenn deren nachteilige Folgen die damit verbundenen Vorteile überwiegen könnten"(22). Diese Bestimmung wäre nicht gerechtfertigt, wenn den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie eine Regelung aufgezwungen würde, bei der die innerstaatlichen Stellen sich darauf zu beschränken hätten, die vom Gesetzgeber im voraus angeordneten Lösungen mechanisch anzuwenden.

    16 Die Kommission wendet indessen ein, das Gesetz Nr. 93-1416 - soweit es bestimme, daß es den Gerichten im Rahmen ihres Ermessensspielraums zukomme, den Betrag des Zwangsgeldes festzusetzen, ohne daß es irgendeine Rechtsvorschrift zu diesem Punkt enthalte - übertrage praktisch diesen Gerichten die ordnungsgemässe Umsetzung der Richtlinie. Auch wenn man davon ausgehe, daß die französischen Gerichte von ihrem Ermessen einen ordnungsgemässen Gebrauch machten und die Vorschriften des innerstaatlichen Gesetzes richtlinienkonform auslegten, so wären damit nach Ihrer Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine angemessene Umsetzung doch nicht erfuellt. Hierzu erinnere ich an folgende Textstelle der Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Kommission/Griechenland(23): "Eine nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften in einem Sinne auslegt, der als mit den Anforderungen einer Richtlinie in Einklang stehend angesehen wird, genügt nicht, um diesen Vorschriften die Qualität von Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verleihen."

    Hierzu bedarf es zweierlei Überlegungen. Vor allen Dingen sind die Gerichte ebenso wie die anderen staatlichen Organe gehalten, die nationalen Rechtsvorschriften im Licht der mit der betreffenden Richtlinie verfolgten Ziele auszulegen(24). Auch der französische Richter ist daher Adressat der streitigen Richtlinie. Man kann sogar sehr wohl der Meinung sein, soweit Artikel 2 Absatz 5 fordere, den zu entrichtenden Betrag in angemessener Höhe festzusetzen, um eine abschreckende Wirkung zu gewährleisten, wende er sich gerade an die Gerichte, da diese Bestimmung die Art der Befugnisse klarstelle, die ihnen übertragen werden sollten.

    Überdies glaube ich nicht, daß der von der Kommission angeführte Präzedenzfall für den vorliegenden Sachverhalt relevant ist. In der Rechtssache Kommission/Griechenland gab es nämlich keine Umsetzungsvorschrift; die griechische Regierung verteidigte sich gerade mit der Behauptung, die Rechtsprechung des Staatsrats biete in jedem Fall "einen den Anforderungen der Richtlinie genügenden Rechtsschutz"(25). Generalanwalt und Gerichtshof haben es daher in jenem Fall zu Recht ausgeschlossen, daß diese Sachlage mit den grundlegenden Erfordernissen in Einklang stehe, denen die Umsetzungsmaßnahmen genügen müssten, nämlich "[denjenigen] der Rechtssicherheit und einer angemessenen Publizität"(26). Anders ist es jedoch im vorliegenden Fall. Die Richtlinie wurde eigens durch einen Akt der Gesetzgebung umgesetzt, und den französischen Organen kann nicht vorgeworfen werden, daß sie es unterlassen hätten, in das Umsetzungsgesetz eine Bestimmung aufzunehmen, die der Wortlaut der Richtlinie nicht fordert und die auch nicht für die Verfolgung der dort genannten Ziele wesentlich ist. Was sodann die Erfordernisse der Rechtssicherheit betrifft, so scheinen sie mir im vollen Umfang erfuellt zu sein, da - wie von der Rechtsprechung des Gerichtshofes gefordert(27) - die einzelnen in die Lage versetzt werden, Existenz und Umfang der subjektiven Rechte zu erkennen, die sie aufgrund der Richtlinie geltend machen können. Das bedeutet in unserem Fall, daß diesen grundlegenden Erfordernissen Genüge getan ist, wenn die betroffenen Unternehmen in der Lage sind, zu erkennen, daß es Rechtsbehelfe gibt, um Verstösse gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der Auftragsvergabe geltend zu machen, und daß die Gerichte in diesem Zusammenhang Zwangsgelder für den Fall verhängen könnten, daß der Auftraggeber den richterlichen Anordnungen nicht nachkommt. Die vorherige Kenntnis des Betrages eines etwaigen Zwangsgeldes ist in der Richtlinie nicht vorgesehen und würde auch, genau genommen, kein Erfordernis der Rechtssicherheit erfuellen. Eine solche vorherige Kenntnis hätte jedenfalls nur Hinweischarakter und wäre unvollständig, da die Bemessung des Betrages - aus den oben angeführten Gründen - Veränderungen unterliegen kann, die von zahlreichen Faktoren abhängen, die sich nicht vorhersehen lassen.

    17 Die Kommission beanstandet das Gesetz Nr. 93-1416 ferner unter dem Gesichtspunkt, daß das Rechtsinstitut des vom französischen Gesetzgeber zum Zweck der Umsetzung der Richtlinie eingeführten Zwangsgeldes von den Vorschriften des allgemeinen französischen Rechts, insbesondere vom Gesetz von 1991 über die Neuordnung der zivilrechtlichen Vollstreckungsverfahren(28), abweiche. So hätten die französischen Behörden Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie verletzt, wonach "die Mitgliedstaaten ... dafür [sorgen], daß die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und sonstigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Auftragsvergabeverfahrens einen Schaden geltend machen können".

    Auch diese Rüge kann jedoch keinen Erfolg haben. Wie die französische Regierung zutreffend bemerkt, unterscheidet sich der im Gesetz Nr. 93-1416 geregelte Gegenstand von demjenigen, der in den Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 91-650 fällt. Letzteres bezieht sich auf die Erfuellung im voraus bestimmter Verpflichtungen und ermächtigt die Gerichte, abgesehen vom Erlaß sonstiger Maßnahmen, eben gerade zur Verhängung von Zwangsgeldern. Das Gesetz Nr. 91-650 konnte daher nicht einfach als Grundlage der Umsetzung der in Rede stehenden Richtlinie angesehen werden. Dieses Gesetz gestattet es weder den ordentlichen noch den Verwaltungsgerichten, in den Ablauf des Auftragsvergabeverfahrens einzugreifen. Der Erlaß des Gesetzes Nr. 93-1416 entspricht daher nicht der Absicht des französischen Gesetzgebers, ein von den für den nationalen Zivilprozeß geltenden Regeln abweichendes, weniger zwingendes Verfahren zu schaffen. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen beiden Regelungen besteht darin, daß beide den Rückgriff auf Zwangsgelder vorsehen. Hiervon abgesehen bestehen zwischen diesen Regelungen keine anderen Ähnlichkeiten. Ich vermag daher keinerlei Verletzung des genannten Artikels 1 Absatz 2 zu erblicken, die darin liegen würde, daß der nationale Gesetzgeber - angesichts der Unanwendbarkeit der Vorschriften des Gesetzes Nr. 91-650 - angemessene Umsetzungsvorschriften erlassen hat, die den besonderen Erfordernissen der von der fraglichen Richtlinie geregelten Rechtsstreitigkeiten Rechnung tragen.

    18 Schließlich bleibt die letzte der von der Kommission gegen das Gesetz Nr. 93-1416 erhobenen Rügen zu prüfen, nämlich diejenige, die die Unterscheidung zwischen vorläufigem und endgültigem Zwangsgeld betrifft. Genauer gesagt hält das klagende Organ die - in dem streitigen Gesetz vorgesehene - Befugnis der Gerichte, zunächst ein vorläufiges und dann im Zeitpunkt der Zahlung ein endgültiges Zwangsgeld zu verhängen, für nicht mit der Richtlinie vereinbar. Diese Möglichkeit werde in der Richtlinie weder vorgesehen noch erlaubt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe sich nämlich auf die Bestimmung beschränkt, daß die Zahlung "von einer endgültigen Entscheidung abhängig gemacht werden [kann], aus der hervorgeht, daß der Rechtsverstoß tatsächlich begangen worden ist"(29). Keine Rechtsvorschrift erkenne eine - im französischen Umsetzungsgesetz dagegen vorgesehene - Befugnis an, den Betrag dieser Summe zu ändern, ebensowenig die Möglichkeit, ihn unter Berücksichtigung des Verhaltens des Adressaten der Anordnung festzusetzen. Hieraus ergebe sich eine Einschränkung der abschreckenden Wirkung des von den französischen Stellen eingeführten Mechanismus.

    Diesem Vorbringen kann ich mich nicht anschließen. Es trifft zwar zu, daß die Unterscheidung zwischen einem vorläufigen und einem endgültigen Zwangsgeld in der Richtlinie nicht wörtlich vorgesehen ist; sie ist aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Das einzige Kriterium, das für die Beurteilung der Ordnungsmässigkeit des Mechanismus, für den sich der nationale Gesetzgeber entschieden hat, herangezogen werden muß, ist das seiner Wirksamkeit. Und ich glaube nicht, daß die Aufgliederung in vorläufige und endgültige Zwangsgelder einen ungünstigen Einfluß auf deren abschreckende Wirkung ausübt. Meines Erachtens ist eher das Gegenteil der Fall(30). In der Tat hält die Bestimmung, nach der der Richter im Zeitpunkt der Beitragsliquidierung unter Berücksichtigung des Verhaltens des Pflichtigen ein endgültiges Zwangsgeld festsetzt, den säumigen Auftraggeber sogar sozusagen unter richterlicher Aufsicht fest: Bei anhaltendem Verstoß könnte dessen Verhalten nämlich den Richter veranlassen, den zuvor als vorläufiges Zwangsgeld festgesetzten Betrag zu erhöhen. Was umgekehrt die Möglichkeit betrifft, daß der Richter bei der Bemessung des endgültigen Zwangsgeldes diesen Betrag senkt, um dem Verhalten des Pflichtigen Rechnung zu tragen, so scheint mir eine derartige Bestimmung eine korrekte Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit darzustellen(31). Dieser fundamentale Grundsatz würde missachtet, wenn das Gericht den vom Auftraggeber zu zahlenden Betrag endgültig festsetzen müsste, ohne dessen Mitwirkung bei der Erfuellung seiner Verpflichtungen, die unverzuegliche Beseitigung des Verstosses und alle sonstigen den konkreten Fall kennzeichnenden Besonderheiten berücksichtigen zu können.

    Zum Bescheinigungsverfahren

    19 Die Kommission macht geltend, Frankreich habe keinerlei Maßnahmen zur Umsetzung des das Bescheinigungsverfahren regelnden Kapitels 2 der Richtlinie getroffen. Die französische Regierung wendet ihrerseits ein, daß das Gesetz Nr. 93-1416 keine speziellen Bestimmungen zu diesem Punkt enthält, meint jedoch, derartige Bestimmungen seien im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Für eine ordnungsgemässe Umsetzung von Kapitel 2 der Richtlinie genüge es nämlich, daß die Auftraggeber in die Lage versetzt würden, von der gerade in diesem Kapitel 2 vorgesehenen Möglichkeit Kenntnis zu nehmen, ihre eigenen Vergabeverfahren dem in Rede stehenden Bescheinigungsverfahren zu unterziehen. Eine solche Kenntnisnahme sei aber dadurch ermöglicht worden, daß die französischen Behörden die Richtlinie in einer besonders weit verbreiteten, auf das Gebiet der Auftragsvergabe spezialisierten Zeitschrift(32) veröffentlicht hätten. Aussteller von Bescheinigungen seien bisher nicht genannt worden, da Anträge von Auftraggebern auf Ausstellung einer Bescheinigung noch nicht gestellt worden seien.

    Diese Rüge der Kommission greift meines Erachtens durch. Wie das klagende Organ ausführt, fordern die Bestimmungen des Kapitels 2 der Richtlinie für ihre Umsetzung den Erlaß angemessener Vorschriften, namentlich zu dem Zweck, das gewählte Bescheinigungsverfahren, die Modalitäten der Benennung der die Bescheinigungen erteilenden Personen, die von diesen zu erfuellenden beruflichen Voraussetzungen usw. genauer zu bestimmen. Solche Vorschriften fehlen aber im Gesetz Nr. 93-1416 vollständig. Überdies braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes die Vorschriften einer Richtlinie "mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit [durchgeführt werden müssen], die ... notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen"(33). Somit "müssen die Mitgliedstaaten, um die volle Anwendung der Richtlinien in rechtlicher und nicht nur in tatsächlicher Hinsicht zu gewährleisten, einen eindeutigen gesetzlichen Rahmen auf dem betreffenden Gebiet bereitstellen"(34). Die blosse Veröffentlichung der Richtlinie in einer Zeitschrift, mag diese auch unter Auftraggebern weit verbreitet sein, genügt nicht den strengen Anforderungen der söben in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung.

    Zum Schlichtungsverfahren

    20 Schließlich trägt die Kommission vor, die französischen Organe hätten es unterlassen, die Vorschriften des Kapitels 4 der Richtlinie über das Schlichtungsverfahren in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die französische Regierung bestreitet nicht, daß keine Umsetzungsbestimmungen erlassen worden sind, macht jedoch geltend, im vorliegenden Fall habe es keiner ausführlichen Umsetzungsvorschrift bedurft. Nach der Richtlinie seien die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet, der Kommission die ihnen von den Betroffenen zugeleiteten Anträge auf Schlichtung zu übermitteln(35); diese seien dank der Veröffentlichung der Richtlinie in der vorgenannten Zeitschrift "Marchés publics" ausreichend über die Möglichkeit unterrichtet, das in Rede stehende Verfahren in Anspruch zu nehmen.

    Das Vorbringen der französischen Regierung kann meines Erachtens keinen Erfolg haben. In der Tat befreit die begrenzte Rolle, die Kapitel 2 der Richtlinie den Mitgliedstaaten im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zuweist, die nationalen Behörden nicht von der Verpflichtung, die für die Umsetzung dieser Vorschriften geeigneten Maßnahmen zu treffen. Dies gilt um so mehr, als - wie die beklagte Regierung selbst einräumt - die Umsetzung u. a. den Betroffenen gestatten soll, von der Existenz dieses Verfahrens und der Möglichkeit seiner Inanspruchnahme Kenntnis zu erlangen. Diesem grundlegenden Publizitätserfordernis ist - aus den gleichen Gründen, wie sie für das Bescheinigungsverfahren dargelegt wurden - mit der Veröffentlichung der Richtlinie in der genannten Ausgabe der Zeitschrift "Marchés publics" nicht Genüge getan; die Veröffentlichung erfuellt daher nicht die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Bedingungen.

    Ergebnis

    21 Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

    1. Die Französische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor verstossen, indem sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um den Kapiteln 2 und 4 dieser Richtlinie nachzukommen.

    2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

    (1) - ABl. L 76, S. 14.

    (2) - Siehe fünfte Begründungserwägung. Artikel 1 bestimmt: "Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Entscheidungen von Auftraggebern wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere des Artikels 2 Absatz 8, auf Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich der Auftragsvergabe oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, hinsichtlich a) der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 90/531/EWG fallenden Auftragsvergabeverfahren und b) der Beachtung von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a) derselben Richtlinie im Falle der Auftraggeber, auf die die besagte Bestimmung Anwendung findet, nachgeprüft werden können ..."

    (3) - Die sogenannte Option "Aussetzung/Aufhebung" ist in Artikel 2 wie folgt geregelt:"(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit entwedera) so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Auftragsvergabeverfahren oder die Durchführung jeder Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;b) die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in der Vergabebekanntmachung, in der regelmässigen Bekanntmachung, in der Bekanntmachung eines Qualifikationssystems, in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, in den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann ..."

    (4) - Hervorhebung durch mich.

    (5) - Siehe Artikel 3.

    (6) - Siehe Artikel 4.

    (7) - Siehe Artikel 10 Absatz 1.

    (8) - Siehe Artikel 10 Absatz 4.

    (9) - Siehe Artikel 10 Absatz 5.

    (10) - JORF vom 1. Januar 1994, S. 10.

    (11) - Hervorhebung durch mich.

    (12) - Siehe Artikel 1 Absatz 3 (freie Übersetzung).

    (13) - Siehe Artikel 1 Absatz 7.

    (14) - Siehe oben, Nr. 2.

    (15) - Siehe oben, Nr. 6.

    (16) - Siehe Urteil vom 19. September 1996 in der Rechtssache C-236/95 (Kommission/Griechenland, Slg. 1996, I-4459) sowie die unter Randnr. 13 dieses Urteils angeführte Rechtsprechung.

    (17) - Siehe Artikel 11 Absatz 2 des Vorschlags der Kommission: "Die für die Festsetzung des nach Absatz 1 zu zahlenden Geldbetrags zuständige Nachprüfungsinstanz legt die Höhe dieses Betrags so fest, daß der Auftraggeber davon abgehalten wird, den Rechtsverstoß zu begehen oder fortzusetzen. Der Geldbetrag deckt mindestens die Kosten der Erstellung eines Angebots oder der Teilnahme an dem Vergabeverfahren, die der die Nachprüfung beantragenden Person entstanden sind. Die Höhe dieser Kosten wird auf 1 % des Auftragswerts angesetzt, es sei denn, die die Nachprüfung beantragende Person weist nach, daß ihre Kosten höher waren. Die Anordnung zur Zahlung eines Geldbetrags nach Maßgabe dieses Artikels steht weiteren Forderungen der betroffenen Person nach Erstattung der Kosten entgegen, die die Nachprüfungsinstanz in der Zahlungsanordnung berücksichtigt hat" (ABl. 1990, C 216, S. 8; Hervorhebung durch mich).

    (18) - Hervorhebungen durch mich.

    (19) - Siehe z. B. G. Couchez, Voies d'exécution, Paris 1994, S. 5, der den indirekten, aber besonders wirksamen Zwangscharakter dieses Rechtsinstituts betont.

    (20) - Selbstverständlich fehlt es nicht an Fällen, in denen der Gesetzgeber die Modalitäten der Festsetzung des Betrages der "astreinte" genau geregelt hat. Dies trifft z. B. für Artikel 16 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), zu, der die Kommission ermächtigt, "Zwangsgelder in Höhe von fünfzig bis eintausend Rechnungseinheiten für jeden oder für die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1), mit der der Gesetzgeber von der Rechtstechnik der Festsetzung eines Hoechstbetrags des Zwangsgeldes Gebrauch gemacht hat (Artikel 15). Es wäre jedoch falsch, hieraus abzuleiten, daß die "astreinte" nur dann wirksam sei, wenn auf die Methode der gesetzlichen Festsetzung eines Mindest- und/oder Hoechstbetrags zurückgegriffen wurde.

    (21) - Zu der durch das Einheitliche Benelux-Gesetz über die "astreinte" in das belgische Recht eingeführten Regelung (am 26. November 1973 unterzeichnetes Abkommen, Tractatenblad 1974, S. 6) siehe die Ausführungen von J. van Compernolle, L'astreinte, Brüssel 1992, S. 47. Zur Festsetzung der "astreinte" bemerkt der Autor: "... le juge dispose de la plus grande liberté d'appréciation en ce qui concerne la fixation du montant ... Tenant compte de toutes les circonstances de la cause, en ce compris le comportement du débiteur et ses capacités financières, le juge fixera librement le montant jugé apte à exercer sur le débiteur une pression suffisante pour le contraindre à exécuter la condamnation principale ... Le juge exerce, à cet égard, un souverain pouvoir d'appréciation" (Hervorhebung durch mich).

    (22) - Hervorhebungen durch mich.

    (23) - Rechtssache C-236/95 (a. a. O., Nr. 26 der Schlussanträge).

    (24) - Siehe Urteile vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891) und vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87 (Beentjes, Slg. 1988, 4635).

    (25) - Siehe Urteil Kommission/Griechenland (a. a. O., Randnr. 8).

    (26) - Siehe Nr. 24 der Schlussanträge des Generalanwalts. Der Gerichtshof hat unter Randnr. 13 des Urteils an seine ständige Rechtsprechung erinnert, nach der "es ... für die Erfuellung des Erfordernisses der Rechtssicherheit von besonderer Bedeutung [ist], daß die Rechtslage für den einzelnen hinreichend bestimmt und klar ist und ihn in die Lage versetzt, von allen seinen Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen"; siehe Urteile vom 23. Mai 1985 in der Rechtssache 29/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 1661, Randnr. 23), vom 9. April 1987 in der Rechtssache 363/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 1733, Randnr. 7) und vom 30. Mai 1991 in der Rechtssache C-59/89 (Kommission/Deutschland, Slg. 1991, 2607, Randnr. 18).

    (27) - Siehe die in der vorstehenden Fußnote angeführten Urteile.

    (28) - Gesetz Nr. 91-650 vom 9. Juli 1991 (JORF vom 14. Juli 1991, S. 9228).

    (29) - Siehe Artikel 2 Absatz 5.

    (30) - Siehe in diesem Sinne A. Frignagni, "La penalità di mora e le astreintes nei diritti che si ispirano al modello francese", Riv. dir. civ., 1981, I, S. 511: "Die Möglichkeit, den Satz des Zwangsgelds zu erhöhen, verfolgt hauptsächlich den Zweck, den Widerstand des Schuldners leichter zu brechen. Dies macht es im übrigen erforderlich, den Betrag endgültig einzuziehen."

    (31) - Nicht zufällig, wie ich glaube, bestimmt Artikel 15 Absatz 3 der oben (Fußnote 20) angeführten Verordnung über die Kontrolle von Zusammenschlüssen folgendes: "Sind die in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen der Verpflichtung nachgekommen, zu deren Erfuellung das Zwangsgeld festgesetzt worden ist, so kann die Kommission die endgültige Höhe des Zwangsgelds auf einen Betrag festsetzen, der unter dem Betrag liegt, der sich aus der ursprünglichen Entscheidung ergeben würde" (Hervorhebung durch mich). Ich meine nicht, daß diese Bestimmung - die eine folgerichtige Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit darstellt - die abschreckende Wirkung des Zwangsgeldes verringert.

    (32) - Die beklagte Regierung nimmt Bezug auf die Ausgabe der Zeitschrift Marchés publics von April/Mai 1992.

    (33) - Siehe Urteil Kommission/Deutschland (a. a. O., Randnr. 24).

    (34) - Siehe Randnr. 28 des in der vorstehenden Fußnote angeführten Urteils.

    (35) - Siehe Artikel 9 Absatz 2.

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