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Document 61997CC0185

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 2. April 1998.
    Belinda Jane Coote gegen Granada Hospitality Ltd.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Employment Appeal Tribunal, London - Vereinigtes Königreich.
    Richtlinie 76/207/EWG des Rates - Weigerung eines Arbeitgebers, einem entlassenen Arbeitnehmer Arbeitszeugnisse auszustellen.
    Rechtssache C-185/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 I-05199

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1998:163

    61997C0185

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 2. April 1998. - Belinda Jane Coote gegen Granada Hospitality Ltd. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Employment Appeal Tribunal, London - Vereinigtes Königreich. - Richtlinie 76/207/EWG des Rates - Weigerung eines Arbeitgebers, einem entlassenen Arbeitnehmer Arbeitszeugnisse auszustellen. - Rechtssache C-185/97.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-05199


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 In einem Rechtsstreit zwischen Frau Coote und der Granada Hospitality Ltd hat das Employment Appeal Tribunal folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1. Sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen(1) verpflichtet, die erforderlichen Vorschriften in ihr nationales Recht aufzunehmen, damit bei folgendem Sachverhalt eine Klage vor einem Gericht erhoben werden kann:

    i) Die Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt;

    ii) die Klägerin erhob während ihres Beschäftigungsverhältnisses gegen die Beklagte eine Klage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, über die ein Vergleich geschlossen wurde;

    iii) die Klägerin versuchte, nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses erfolglos eine neue Vollzeittätigkeit zu finden;

    iv) die Beklagte hat die Schwierigkeiten der Klägerin, eine neue Beschäftigung zu finden, dadurch verursacht oder zu ihnen beigetragen, daß sie sich auf entsprechendes Ersuchen geweigert hat, für mögliche Arbeitgeber Arbeitszeugnisse auszustellen;

    v) die Weigerung des Arbeitgebers, Arbeitszeugnisse auszustellen, erfolgte nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses;

    vi) der einzige oder entscheidende Grund für die Weigerung des Arbeitgebers, der Klägerin ein Arbeitszeugnis auszustellen, war, daß sie zuvor gegen die Beklagte eine Klage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erhoben hatte?

    2. Sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen verpflichtet, die erforderlichen Vorschriften in ihr nationales Recht aufzunehmen, damit bei dem in Frage 1 bezeichneten Sachverhalt eine Klage auch dann erhoben werden kann, wenn

    i) die Entscheidung der Beklagten, kein Arbeitszeugnis auszustellen, vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin erfolgte,

    ii) die tatsächliche ein- oder mehrmalige Weigerung, ein Arbeitszeugnis auszustellen, aber nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin erfolgte?

    2 Das Employment Appeal Tribunal möchte daher, kurz gesagt, wissen, ob die Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 76/207 (im folgenden: Richtlinie) verpflichtet sind, die erforderlichen Vorschriften einzuführen, damit ein Arbeitnehmer seinen ehemaligen Arbeitgeber klageweise in Anspruch nehmen kann, wenn er der Überzeugung ist, daß die Weigerung des Arbeitgebers, ihm für die Suche nach einer neuen Beschäftigung Arbeitszeugnisse auszustellen, darin begründet ist, daß der Arbeitgeber ihm vorwirft, eine Klage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegen ihn erhoben zu haben.

    3 Mit dieser Frage veranlasst das Employment Appeal Tribunal den Gerichtshof, sich erneut mit einem Rechtstext zu beschäftigen, der ihm vertraut ist, wie die umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Text zeigt. Diese Vertrautheit bedeutet jedoch nicht, daß die Antwort offenkundig ist, zumal aus der Prüfung der Gründe, aus denen wir befasst worden sind, hervorgeht, daß die Vorlagefragen eigentlich zwei Probleme umfassen, die meiner Ansicht nach zu unterscheiden sind. Ich halte es daher für angebracht, zunächst auf die wesentlichen Elemente des Rechtsstreits vor dem nationalen Gericht einzugehen.

    Das Ausgangsverfahren und das nationale Recht

    4 Frau Coote war bei der Granada Hospitality Ltd (im folgenden: Granada) von Dezember 1992 bis September 1993 beschäftigt. Im Jahr 1993 erhob sie Klage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die sie darauf stützte, daß sie wegen ihrer Schwangerschaft entlassen worden war. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen zwischen Frau Coote und ihrem ehemaligen Arbeitgeber geschlossenen Vergleich beigelegt. Im Juli 1994 versuchte Frau Coote, über Stellenvermittlungsbüros wieder eine Beschäftigung zu finden. Diese Rückkehr auf den Arbeitsmarkt stieß auf Schwierigkeiten, die Frau Coote auf die Tatsache zurückführt, daß ihr ehemaliger Arbeitgeber sich geweigert hatte, ihr für eines dieser Stellenvermittlungsbüros Arbeitszeugnisse auszustellen, was Granada bestreitet. Frau Coote erhob daraufhin beim Industrial Tribunal Klage, mit der sie geltend machte, daß sie durch die Weigerung von Granada, Arbeitszeugnisse auszustellen, in ihren Rechten verletzt worden sei. Die Klage wurde abgewiesen, weil sich das Industrial Tribunal für unzuständig hielt, da die von Frau Coote geltend gemachte angebliche Diskriminierung, wenn sie denn vorläge, nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt wäre.

    5 An dieser Stelle ist es erforderlich, sich mit den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über das Verbot der Diskriminierung von Arbeitnehmern aus Gründen des Geschlechts und mit deren Auslegung durch die nationalen Gerichte zu befassen. Section 4 des Sex Discrimination Act zeigt die Besonderheit, daß mit dieser Vorschrift die Benachteiligung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber, die erfolgt, weil der Arbeitnehmer Klage auf Feststellung erhoben hat, daß er Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geworden ist, in allen Punkten der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gleichgestellt wird. Die Vergeltungsmaßnahme eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer, der sich auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts berufen hat, gilt mit anderen Worten selbst als eine Verletzung dieses Verbotes.

    6 Es handelt sich hier um eine eindeutige Schutzvorschrift. Zum einen stellt sie durch Zusicherung der Straffreiheit für denjenigen, der es wagt, seinem Arbeitgeber mit der Behauptung gegenüberzutreten, daß dieser Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts vornimmt, sicher, daß er seinen Wagemut nicht zu bedauern hat. Zum anderen ist sie geeignet, den Arbeitgeber davon abzuhalten, der Versuchung zu erliegen, Repressalien anzuwenden. Angesichts dieser Vorschrift des nationalen Rechts hätte Frau Coote unter der Voraussetzung, daß Granada die Arbeitszeugnisse nachweislich verweigerte und daß diese Verweigerung nachweislich eine Vergeltungsmaßnahme war, mit ihrer Klage obsiegen müssen, ohne daß das Gericht sich zu der Auslegung der Richtlinie hätte Fragen stellen müssen. Wenn dies nicht der Fall war, hat es seinen Grund darin, daß sich für das nationale Gericht das Problem des zeitlichen Anwendungsbereichs des Sex Discrimination Act stellte. Der Sex Discrimination Act wird nämlich von den Gerichten des Vereinigten Königreichs ebenso wie der Race Relations Act, der Diskriminierungen aufgrund der Rasse verbietet, dahin gehend ausgelegt, daß er keine Anwendung auf Diskriminierungen findet, die ein Arbeitgeber gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern vornimmt. Frau Coote, die im Jahr 1993 entlassen wurde, ist es daher versagt, sich auf den Sex Discrimination Act für eine Klageerhebung im Jahr 1994 zu berufen. Weil das nationale Gericht sich die Frage stellte, ob die Richtlinie ordnungsgemäß durch ein nationales Gesetz umgesetzt worden ist, das die Diskriminierung nur zu Beginn und während des Arbeitsverhältnisses verbietet und das für den Arbeitnehmer nur dann die Klagemöglichkeit einräumt, wenn die Diskriminierung unter diesen Voraussetzungen stattfindet, hat es das Ersuchen vorgelegt.

    7 Die Tatsache, daß die Frage nach dem zeitlichen Anwendungsbereich der Verbote, die der nationale Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinie erlassen muß, im Mittelpunkt der dem nationalen Gericht zur Entscheidung vorgelegten Streitfragen steht, wird durch den Wortlaut der Vorlagefragen bestätigt. Obwohl sie nur auf die Fälle abstellen, in denen die tatsächliche Weigerung, ein Arbeitszeugnis auszustellen, nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses stattfand, unterscheiden sie nämlich zwischen der Möglichkeit, daß der Arbeitgeber die Entscheidung, die Ausstellung der Arbeitszeugnisse zu verweigern, nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses desjenigen traf, der diese Arbeitszeugnisse benötigte, und der Möglichkeit, daß die Entscheidung vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgte.

    Fällt die Ausstellung von Arbeitszeugnissen in den Anwendungsbereich der Richtlinie?

    8 Ich glaube, daß wir uns, wenn wir dem nationalen Gericht eine Antwort geben wollen, die sich wirklich mit seinen Bedenken befasst, zunächst mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Ausstellung von Arbeitszeugnissen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Ich selbst bin davon überzeugt, daß dies tatsächlich der Fall ist, was jedoch nicht bedeutet, daß ich den Erklärungen der Kommission zu dieser Frage in allen Punkten zustimme.

    9 Die Kommission trägt vor, daß die Ausstellung von Arbeitszeugnissen sowohl in den Anwendungsbereich des Artikels 3 der Richtlinie als auch in den des Artikels 5 falle.

    10 Artikel 3 Absatz 1 lautet wie folgt: "Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, daß bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt." Die Kommission beruft sich für ihre Ansicht, daß die Ausstellung von Arbeitszeugnissen hierunter falle, weil sie geeignet sei, den Zugang zur Beschäftigung zu erleichtern, auf das Urteil Meyers(2).

    11 Ich bin der Meinung, daß die Verknüpfung mit Artikel 3 eine sehr weite Auslegung dieser Vorschrift voraussetzen würde, deren Zweckmässigkeit mir zweifelhaft erscheint, da sie nicht erforderlich ist, um die Ausstellung von Arbeitszeugnissen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen zu lassen. Ich denke, daß man sich auf einem viel sicheren Terrain bewegt, wenn man die Ausstellung von Arbeitszeugnissen in den Anwendungsbereich des Artikels 5 der Richtlinie fallen lässt, der sich auf die Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen bezieht.

    12 Niemand kann in der Tat bestreiten, daß die Beurteilung der Qualität der Arbeitsleistungen durch den Arbeitgeber - denn gerade hierum geht es bei der Frage der Arbeitszeugnisse, die dazu verhelfen können, eine neue Beschäftigung zu finden - genau in den Rahmen der Beziehungen fällt, die zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bestehen. Ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, daß es sich sozusagen um eine zusätzliche Leistung neben dem Arbeitsentgelt in dem Sinne handelt, daß der Arbeitnehmer verlangen kann, für seine guten und treuen Dienste eine finanzielle Gegenleistung und - in Form des Lobes - zugleich eine immaterielle Gegenleistung zu erhalten, meine aber, daß die Leistung, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer dadurch erbringt, daß er ihn mit einem Arbeitszeugnis ausstattet, nicht von den Beziehungen des Arbeitsverhältnisses und vor allem nicht von den Entlassungsbedingungen gelöst werden kann, die nach dem Urteil Burton(3) weit auszulegen sind.

    Beseitigte die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses den von der Richtlinie gewährleisteten Schutz?

    13 Hinsichtlich des Problems, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung des Arbeitgebers bezueglich der Ausstellung von Arbeitszeugnissen erfolgte, bin ich der Meinung, daß dieser Zeitpunkt keine Rolle spielt, da es um den Anwendungsbereich des Artikels 5 geht. Wenn es zutrifft, daß in den meisten Fällen die Arbeitszeugnisse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden, d. h. nach dem Ausscheiden oder der Entlassung, ist es auch überhaupt nicht ausgeschlossen, daß sie während des Bestehens des Arbeitsvertrags ausgestellt werden. Zu denken ist etwa an den Fall des Arbeitnehmers, der, weil der Ehepartner eine Beschäftigung in einer anderen Region gefunden hat oder von seinem Arbeitgeber unter Beibehaltung seines Beschäftigungsverhältnisses in eine andere Region versetzt worden ist, seinen Umzug in diese Region vorbereitet und daher anfängt, den dortigen Arbeitsmarkt zu erkunden. Dieser Arbeitnehmer wird sicherlich seinen gegenwärtigen Arbeitgeber ersuchen, ihm für seinen möglichen zukünftigen Arbeitgeber Arbeitszeugnisse auszustellen.

    14 Es wäre völlig ungerechtfertigt, die Anwendung des Verbotes der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auf die Entscheidung, ob ein Arbeitszeugnis ausgestellt wird, von dem Zeitpunkt abhängig zu machen, in dem diese Entscheidung getroffen wird oder in dem sie entweder durch Aushändigung des Arbeitszeugnisses oder durch die ausdrückliche Verweigerung der Ausstellung konkrete Formen annimmt. Ausser in dem oben genannten Fall, in dem der Arbeitnehmer plant, seinen Arbeitgeber zu wechseln, ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer wirklich ein Arbeitszeugnis braucht, genau der, in dem er sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber begibt, weil sein Arbeitsvertrag beendet ist. Ihm in diesem Moment den Schutz zu nehmen, den ihm die Richtlinie sichern will, weil es sich um eine Diskriminierung handele, die einem ehemaligen Arbeitgeber anzulasten sei, mit dem er in keinen Vertragsbeziehungen mehr stehe, wäre besonders sachfremd und widerspräche dem Geist der Richtlinie. Es ist daran zu erinnern, daß die Richtlinie in Artikel 3 den Arbeitnehmer auch vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts schützen will, die ein zukünftiger Arbeitgeber vornehmen würde, mit dem er naturgemäß noch keinerlei Vertragsbeziehungen hat.

    15 Der Gerichtshof hat im übrigen bezueglich des gleichen Entgelts stets entschieden, daß das Verbot für den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer aufgrund des Geschlechts zu diskriminieren, nicht mit der Beendigung des Arbeitsvertrags seine Wirkungen verliert. Besonders deutlich ist in dieser Hinsicht das Urteil Kowalska(4), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß Artikel 119 des Vertrages auf Leistungen anzuwenden ist, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es bei der Richtlinie über die Gleichbehandlung anders sein soll.

    16 Ich bin daher der Ansicht, daß ein Arbeitgeber, wenn es um die Ausstellung von Arbeitszeugnissen für einen seiner Arbeitnehmer geht, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vornehmen darf, und zwar während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem er in dieser Hinsicht eine Entscheidung trifft, und unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem er um die Arbeitszeugnisse ersucht wird.

    17 Zur Vermeidung eventueller Mißverständnisse möchte ich in drei Punkten eine Klarstellung vornehmen. Erstens möchte ich darauf hinweisen, daß das Verbot der Diskriminierung für den Fall, daß der Arbeitgeber Arbeitszeugnisse ausstellt, selbstverständlich in keiner Weise die Pflicht zur Ausstellung von Arbeitszeugnissen präjudiziert. Wie die Kommission eingeräumt hat, begründet die Richtlinie selbst keinerlei derartige Pflichten. Der Arbeitgeber muß mit anderen Worten nur dann den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, wenn er entweder durch eine gesetzliche Vorschrift oder durch eine vertragliche Regelung ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet ist, Arbeitszeugnisse auszustellen, oder wenn er einer Übung folgt, die dahin geht, der Bitte um ein Arbeitszeugnis nachzukommen.

    18 Wie jedoch bereits im Urteil Garland(5) entschieden worden ist, das sich mit Vergünstigungen im Reiseverkehr befasst, die der Arbeitgeber seinen ehemaligen Arbeitnehmern eingeräumt hat, ohne hierzu vertraglich verpflichtet zu sein, kann es nicht darum gehen, den Arbeitgeber von der Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung freizustellen, wenn er seinen Arbeitnehmern auf rein freiwilliger Grundlage Vergünstigungen gewährt, da das Verbot jeder Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts für alle Arbeitsverhältnisse gilt.

    19 Um keine mögliche Fallkonstellation ausser acht zu lassen, füge ich hinzu, daß, wenn ein Arbeitgeber nur einen einzigen Arbeitnehmer hat, die Verweigerung der Ausstellung von Arbeitszeugnissen aus Gründen des Geschlechts ebenfalls eine Verletzung des Verbotes der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wäre.

    20 Zweitens ist klarzustellen, daß die Tatsache, daß die Ausstellung von Arbeitszeugnissen für ehemalige Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, in keiner Weise den eventuellen Regelungen des nationalen Rechts über den Umfang der Verpflichtung zur Ausstellung derartiger Arbeitszeugnisse entgegensteht. Dies gilt etwa für eine Regelung, die aus praktischen Gründen die Dauer dieser Verpflichtung z. B. dadurch begrenzt, daß sie bestimmt, daß der Anspruch auf Erteilung von Arbeitszeugnissen innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisse geltend zu machen ist.

    21 Schließlich ist drittens klarzustellen, daß der Arbeitgeber in der Beurteilung der erbrachten Arbeitsleistungen völlig frei bleibt, sofern er sich an die Grenzen dessen hält, was das Gebot der Objektivität verlangt.

    22 Wenn es nur darum gehen würde, die Bedenken des nationalen Gerichts hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs des Verbotes der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, das die Richtlinie aufstellt, auszuräumen, könnte ich meine Ausführungen hier beenden, da ich zu dem Schluß gekommen bin, daß die Ausstellung von Arbeitszeugnissen für einen Arbeitnehmer - die in den Anwendungsbereich der Richtlinie, wie er in ihrem Artikel 5 definiert ist, fällt - unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem die Ausstellung während oder nach Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen erfolgt, von diesem Verbot erfasst wird. Aber die Frage des nationalen Gerichts gestattet mir dies so, wie sie formuliert ist, nicht, da sie den Umstand in den Vordergrund stellt, daß die Weigerung, Arbeitszeugnisse auszustellen, eine Vergeltungsmaßnahme für eine gerichtliche Klage darstellte, die von der Betroffenen erhoben worden war, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung durchzusetzen, und da sie dahin geht, ob bei einem solchen Sachverhalt die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen in ihr nationales Recht aufzunehmen, damit der Arbeitnehmer, der sich geschädigt fühlt, seine Rechte vor Gericht geltend machen kann.

    Die Verweigerung von Arbeitszeugnissen als Vergeltungsmaßnahme

    23 Besteht mit anderen Worten die in Artikel 6 der Richtlinie geregelte Verpflichtung zur Einräumung der Klagemöglichkeit auch in dem Fall, daß der Arbeitnehmer behauptet, Opfer nicht einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sondern einer Vergeltungsmaßnahme zu sein, die ihren Grund in der Tatsache hat, daß er von seiner Klagemöglichkeit Gebrauch gemacht hat, um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, unter der er zu leiden hatte, geltend zu machen?

    24 Diese Frage kann meines Erachtens nur verneint werden. Die Prüfung der Vorschriften der Richtlinie lässt nämlich klar erkennen, daß dem Gemeinschaftsgesetzgeber zwar vollständig bewusst gewesen ist, daß die Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter bestimmte Arbeitgeber in einer Weise verunsichern kann, daß sie zu Repressalien greifen, daß er aber nur eine einzige Vergeltungsmaßnahme in Betracht ziehen wollte, nämlich die schwerwiegendste, wenn auch vielleicht nicht seltenste, die "Entlassung".

    25 Diese Erwägung hat ihren Ausdruck in Artikel 7 der Richtlinie gefunden, der wie folgt lautet: "Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um Arbeitnehmer vor jeder Entlassung zu schützen, die eine Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder gerichtliche Klage auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellt."

    26 Man kann der Meinung sein, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber sich als ängstlich erwiesen hat, weil er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtete, den Schutz vor anderen Formen von Vergeltung sicherzustellen, die die Arbeitgeber in ihrer Empörung darüber, daß sie vor einem Gericht für ihr Verhalten im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einstehen mussten, anzuwenden versucht sein könnten.

    27 Es ist jedoch nicht aufgrund dieser Feststellung und des verständlichen Bedauerns, das diese Feststellung hervorruft, möglich, durch rechtliche Konstruktionen aus der Richtlinie Verpflichtungen der Mitgliedstaaten herzuleiten, die darin nicht enthalten sind.

    28 Eine andere Vergeltungsmaßnahme als die der Entlassung gewährt keine Klagemöglichkeit, es sei denn, es stellt sich heraus, daß der Arbeitgeber aufgrund des Geschlechts des Arbeitnehmers, der die "Vermessenheit" besaß, sich auf sein Recht auf Gleichbehandlung zu berufen, zu Vergeltungsmaßnahmen greift.

    29 In diesem Fall sähe man sich in der Tat einer Diskriminierung gegenüber, die ihren Grund unmittelbar im Geschlecht hat und die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erfolgt; Artikel 6 der Richtlinie fände dann Anwendung.

    30 Dies scheint jedoch - leider - nicht die Situation von Frau Coote gewesen zu sein, oder zumindest hat sie sich nicht darauf berufen, daß die von ihrem ehemaligen Arbeitgeber ausgeuebten Repressalien selektiv waren und nur die Frauen betrafen.

    31 Ich räume gerne ein, daß man sich, wenn es Artikel 7 nicht gäbe, der, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs sehr zutreffend ausgeführt hat, eine klare politische Entscheidung umsetzt, hätte fragen können, ob Artikel 6 nicht dahin gehend auszulegen ist, daß, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Von Colson und Kamann(6) entschieden hat, die diskriminierten Arbeitnehmer nicht nur auf Zahlung einer wirksamen Entschädigung klagen können, sondern daß auch die Erhebung der Klage keine Repressalien nach sich ziehen darf.

    32 Derartige Überlegungen würden zu dem rechtswissenschaftlichen Bereich gehören, der, viele Möglichkeiten bietend, auf den Begriff der praktischen Wirksamkeit abstellt. Man hätte die Meinung vertreten können, daß die Wirksamkeit der in Artikel 6 vorgesehenen Klagemöglichkeit deutlich verstärkt wäre, wenn über dem wagemutigen Kläger nicht die Drohung mit Vergeltungsmaßnahmen schweben würde, und man hätte hieraus für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung ableiten können, dem Opfer dieser Maßnahmen eine Klagemöglichkeit einzuräumen. Die Vorschrift des Artikels 7 lässt meiner Ansicht nach jedoch keinen Raum für eine solche Konstruktion.

    33 Es gibt auch keinen Raum für eine Auslegung, bei der aus den Vergeltungsmaßnahmen eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie wird, dessen Absatz 1 lautet: "Der Grundsatz des Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf."

    34 Ich bin in der Tat überzeugt, daß unter "mittelbar" in diesem Artikel eine Situation zu verstehen ist, in der es, obwohl eine bestimmte Regelung oder Maßnahme sich nicht ausdrücklich auf Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts bezieht, tatsächlich doch möglich ist, den Schleier der Erscheinung zu zerreissen und das fragliche Geschlecht mit Sicherheit zu identifizieren.

    35 Die Klarstellung "insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand" lässt meiner Ansicht nach in dieser Hinsicht keinerlei Zweifel. Es scheint aber, daß diese Konstellation im Fall von Frau Coote nicht gegeben ist. Die Fragen, die vorgelegt worden sind, legen das Gewicht auf die Tatsache, daß, sofern die Arbeitszeugnisse tatsächlich verweigert wurden, dies deshalb geschah, weil Frau Coote eine Klage gegen ihren Arbeitgeber erhoben hat, und nicht, weil sie eine Frau ist.

    36 Man kann daher nicht der Ansicht sein, daß die Richtlinie von den Mitgliedstaaten verlangt, die erforderlichen Vorschriften in ihr nationales Recht aufzunehmen, damit in einem Fall wie dem des moralisch eindeutig verwerflichen Verhaltens, das der ehemalige Arbeitgeber von Frau Coote gezeigt hat, Klage vor einem Gericht erhoben werden kann.

    Ergebnis

    37 Ich schlage daher vor, die vom Employment Appeal Tribunal zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    1. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen erstreckt sich auf die Ausstellung von Arbeitszeugnissen durch den Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer. Hierbei ist ohne Bedeutung,

    - ob die tatsächliche Verweigerung der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses während des Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Beendigung stattgefunden hat;

    - ob der Arbeitgeber seine Entscheidung vor oder nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses getroffen hat.

    2. Die Mitgliedstaaten sind nach der Richtlinie 76/207 jedoch nicht verpflichtet, die erforderlichen Vorschriften in ihr nationales Recht aufzunehmen, damit ein Arbeitnehmer Klage vor einem Gericht gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber erheben kann, der den Antrag auf ein ihn betreffendes Arbeitszeugnis abgelehnt hat, wenn sich diese Ablehnung als eine Vergeltungsmaßnahme für eine Klage erweist, die von dem Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber auf Einhaltung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen erhoben worden ist.

    (1) - ABl. L 39, S. 40.

    (2) - Urteil vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache 116/94 (Slg. 1995, I-2131).

    (3) - Urteil vom 16. Februar 1982 in der Rechtssache 19/81 (Slg. 1982, 555, Randnr. 9).

    (4) - Urteil vom 27. Juni 1990 in der Rechtssache C-33/89 (Slg. 1990, I-2591).

    (5) - Urteil vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 12/81 (Slg. 1982, 359).

    (6) - Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Slg. 1984, 1891). "Aus [Artikel 6] folgt, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür Sorge zu tragen, daß die Betroffenen sich vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf diese Maßnahmen berufen können."

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