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Document 61996TO0084

    Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 8. Oktober 1996.
    Cipeke - Comércio e Indústria de Papel Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Sozialpolitik - Europäischer Sozialfonds - Entscheidung, mit der die teilweise Erstattung eines Zuschusses zu einer Maßnahme der beruflichen Bildung angeordnet wird - Vorläufiger Rechtsschutz - Antrag auf Aussetzung des Vollzugs - Keine Dringlichkeit.
    Rechtssache T-84/96 R.

    Sammlung der Rechtsprechung 1996 II-01313

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:1996:141

    BESCHLUß DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

    8. Oktober 1996 ( *1 )

    In der Rechtssache T-84/96 R

    Cipeke — Comércio e Industria de Papel, Ld.a, Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz in Lissabon, Prozeßbevollmächtiger: Rechtsanwalt Miguel Ferrão Castelo Branco, Lissabon; Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts François Brouxel, 6, rue Zithe, Luxemburg,

    Antragstellerin,

    gegen

    Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Maria Teresa Figueira und Knut Simonsson, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter. Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Kirchberg,

    Antragsgegnerin,

    wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 12. Dezember 1995, mit der die Erstattung eines Betrages von 4267218 ESC angeordnet wird, der als Zuschuß des Europäischen Sozialfonds zu einer Maßnahme der beruflichen Bildung gezahlt wurde,

    erläßt

    DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

    folgenden

    Beschluß

    Rechtlicher Rahmen

    1

    Gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a des Beschlusses 83/516/EWG des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 38) beteiligt sich dieser an der Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung und Berufsberatung.

    2

    Die Genehmigung eines Finanzierungsantrags gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses 83/516 durch die Kommission hat nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 1; Verordnung) zur Folge, daß ein Vorschuß in Höhe von 50 v. H. des Zuschusses zu dem Zeitpunkt gezahlt wird, an dem der Beginn der Maßnahme vorgesehen ist. Nach Artikel 5 Absatz 4 enthalten Anträge auf Restzahlung einen ins einzelne gehenden Bericht über den Inhalt, die Ergebnisse und die finanziellen Einzelheiten der betreffenden Maßnahme.

    3

    Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung kann die Kommission, wenn ein Zuschuß des Europäischen Sozialfonds (Fonds) nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird, ihn aussetzen, kürzen oder streichen, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Nach Artikel 6 Absatz 2 ist ein Betrag, der nicht unter den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurde, zu erstatten; der betroffene Mitgliedstaat haftet subsidiär für die ohne Rechtsgrund empfangenen Beträge, sofern es sich um Maßnahmen handelt, bei denen er gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 die ordnungsgemäße Verwirklichung gewährleistet.

    Sachverhalt und Verfahren

    4

    Die Cipeke — Comércio e Industria de Papel, Ld.a (Antragstellerin), eine Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung, ist auf dem Gebiet des Handels und der Herstellung von Papier sowie der graphischen Kunst tätig. Zur Durchführung einer Maßnahme der beruflichen Bildung im Jahr 1987 schloß sie wie andere Unternehmen dieser Branche mit einem Träger, der Partex Companhia Portuguesa de Serviços, SA, eine Vereinbarung zu dem Zweck, in diesem Jahr eine gemeinsame Bildungsmaßnahme durchzuführen.

    5

    Auf den eingereichten Finanzierungsantrag hin stellte das Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds; DAFSE) in Lissabon im Namen der Portugiesischen Republik einen Antrag auf Zuschuß des Fonds zugunsten der Gruppe von Unternehmen, zu der die Antragstellerin gehörte.

    6

    Am 30. April 1987 genehmigte die Kommission diesen Finanzierungsantrag. Vorbehaltlich bestimmter Änderungen stimmte sie dem Bildungsvorhaben, für das der Zuschuß beantragt wurde, zu; der Vorgang wurde unter dem Aktenzeichen FSE 871012 PI geführt. Sie setzte den Zuschuß des Fonds auf insgesamt 300665191 ESC fest.

    7

    Da sich der Gesamtbetrag der genehmigten Ausgaben der Antragstellerin auf 71309280 ESC belief, erhielt sie einen Vorschuß von 32089174 ESC, wovon 17649046 ESC aus Mitteln des Fonds gezahlt wurden.

    8

    Nach Abschluß der Bildungsmaßnahme legte die Antragstellerin der DAFSE gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung einen quantitativen und qualitativen Bewertungsbericht, wonach sich die Ausgaben für die Maßnahme auf 46006289 ESC beliefen, sowie einen Antrag auf Restzahlung von 9316486 ESC vor.

    9

    Nach der genannten Bestimmung bestätigte die Portugiesische Republik, daß die im Zahlungsantrag enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig seien, und übermittelte den Antrag der Kommission.

    10

    Die Kommission wies nach Prüfung des Antrags mit Schreiben vom 10. Januar 1990 darauf hin, daß ein bestimmter Betrag der Ausgaben nicht zuschußfähig sei, und kürzte mit Schreiben vom 2. März 1990 den zunächst bewilligten Zuschuß des Fonds.

    11

    Mit Schreiben vom-15. März 1990 unterrichtete das DAFSE die Antragstellerin über diese Entscheidung der Kommission und verpflichtete sie zur Erstattung von 2084518 ESC, wovon 1146485 ESC auf den Zuschuß des Fonds entfielen.

    12

    Mit Klageschrift, die am 13. Juni 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, erhob die Antragstellerin gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 15. März 1990.

    13

    Mit Urteil vom 4. Juni 1992 in der Rechtssache C-189/90 (Cipeke/Kommission, Slg. 1992, I-3573) gab der Gerichtshof der Klage statt und erklärte die Entscheidung der Kommission für nichtig.

    14

    Mit Schreiben vom 24. März 1994 teilte die Kommission dem DAFSE mit, sie sei nach erneuter Prüfung des Vorgangs zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Gesamtbetrag der nicht zuschußfähigen Ausgaben insgesamt auf 19725390 ESC belaufe. Sie forderte das DAFSE daher zur Stellungnahme gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung auf.

    15

    Die Antragstellerin erlangte von diesem Schreiben Kenntnis. Mit Datum vom 26. April 1994 sandte sie an das DAFSE ein Einspruchsschreiben, in dem sie behauptete, daß die Begründung der Entscheidung der Kommission widersprüchlich und ohne Grundlage sei.

    16

    Mit Entscheidung vom 12. Dezember 1995 kürzte die Kommission den Zuschuß des Fonds in der Akte FSE 871012 P1 endgültig auf 170845433 ESC und verlangte die Erstattung eines Betrages von 4267218 ESC an die Kommission.

    17

    Das DAFSE teilte diese Entscheidung der Kommission der Antragstellerin mit Schreiben vom 21. März 1996 mit und verlangte, dem Fonds den Betrag von 4267218 ESC zu erstatten.

    18

    Daraufhin hat die Antragstellerin mit Klageschrift, die am 29. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die Nichtigerklärung dieser ihr mit Schreiben des DAFSE vom 21. März 1996 mitgeteilten Entscheidung der Kommission vom 12. Dezember 1995 über die teilweise Erstattung des Zuschusses des Fonds (Entscheidung) beantragt.

    19

    Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 185 EG-Vertrag den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht, der auf die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung gerichtet ist.

    20

    Die Kommission hat mit am 23. August 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz schriftliche Erklärungen eingereicht.

    21

    Die Parteien haben in der Sitzung vom 16. September 1996 mündlich verhandelt.

    Entscheidungsgründe

    22

    Nach den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch die Beschlüsse 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) und 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die sonstigen erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

    23

    Gemäß Artikel 104 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Gemäß Artikel 104 § 2 müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen in dem Sinne vorläufig sein, daß sie die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen dürfen (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 28. August 1996 in der Rechtssache T-112/96 R, Séché/Kommission, Sig. 1996, II-1121, Randnr. 11).

    Vorbringen der Parteien

    Erfolgsaussichten der Klage

    24

    Als einzige Rüge macht die Antragstellerin einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag geltend. Die Begründung der Entscheidung, die insbesondere im Schreiben der Kommission vom 24. März 1994 enthalten sei, sei widersprüchlich, mehrdeutig, zusammenhanglos und ohne Grundlage.

    25

    Erstens liege dieser Begründung ein Tatsachenirrtum zugrunde. Die Kommission sei nämlich bei der Berechnung des zu erstattenden Betrages davon ausgegangen, daß die Antragstellerin den ganzen ihr zugeteilten Zuschuß erhalten habe. Sie habe aber nur den Vorschuß erhalten und aus diesem Grund die Restzahlung von 9316486 ESC verlangt.

    26

    Zweitens habe sich die Kommission zur Ermittlung der nicht zuschußfähigen Ausgaben auf hypothetische Berechnungen gestützt. Anders ausgedrückt, sie habe nicht objektiv und klar angegeben, wie diese Ausgaben berechnet worden seien. Das habe sie zu dem Schluß veranlaßt, daß die Ausgaben für die Vorbereitung der von der Antragstellerin veranstalteten Kurse viel niedriger als die im Rahmen des Vorgangs FSE 871012 PI für die anderen Zuschußempfänger ermittelten Ausgaben gewesen seien.

    27

    Drittens habe die Antragstellerin entgegen der Behauptung der Kommission insbesondere in ihrem Schreiben vom 24. März 1994 die seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften über die Maßnahmen der beruflichen Bildung beachtet. Dies werde durch die Tatsache bestätigt, daß alle in der Entscheidung als nicht zuschußfähig angesehenen Ausgaben in dem ursprünglichen Vorhaben, das der Kommission vorgelegt und von dieser genehmigt worden sei, vorgesehen gewesen seien.

    28

    Die Kommission hält dem Vorbringen der Antragstellerin nur die in ihrem Schreiben vom 24. März 1994 aufgeführten Gründe der Entscheidung entgegen.

    Dringlichkeit

    29

    Die Antragstellerin macht geltend, die Erstattung des vom DAFSE geforderten Betrages würde ihr einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen.

    30

    Sie sei nicht in der Lage, diesem Erstattungsbescheid nachzukommen. Sie verfüge nämlich wegen des Defizits in den Bilanzen der drei letzten Jahre, Folge insbesondere der Verschlechterung ihrer Marktposition, nicht über genügend flüssige Mittel, um ihre Schulden kurzfristig zu begleichen. Überdies hätten es die Banken, an die sie sich gewandt habe, abgelehnt, ihr in irgendeiner Form einen Kredit oder eine Bürgschaft zu geben. Die Erstattung des geforderten Betrages würde also zwangsläufig zur Schließung ihres Unternehmens führen.

    31

    Zudem sei der Erstattungsbescheid des DAFSE 30 Tage nach Eingang, d. h. am 22. April 1996, vollstreckbar geworden; die Erstattung werde also im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben und führe zwangsläufig zur Schließung ihres Unternehmens.

    32

    Die Kommission erwidert, die Antragstellerin habe nicht dargetan, daß die Erstattung zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen werde. Sie stütze sich nämlich auf tatsächliche Feststellungen, die sich ausschließlich aus einem für steuerliche Zwecke erstellten Schriftstück ergäben. Dieses Schriftstück beweise weder die angebliche Unmöglichkeit, den Betrag zu erstatten oder seine Erstattung zu gewährleisten, noch den von der Antragstellerin in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung erwähnten möglichen Konkurs. Insbesondere sei es kein Beleg für die behauptete Unmöglichkeit, Mittel zur Zahlung zu finden, mit denen die Antragstellerin ihre Schuld begleichen könnte, insbesondere indem sie Gegenstände ihres Aktivvermögens veräußere oder als Sicherheit anbiete.

    33

    Überdies habe diese es unterlassen, als Vorsichtsmaßnahme einen bestimmten Betrag für diesen Zweck zurückzustellen, obwohl sie bereits seit Jahren gewußt habe, daß sie diesen Betrag, der ihr im Jahr 1987 ohne Rechtsgrund als Zuschuß des Fonds gezahlt worden sei, der Kommission werde erstatten müssen. Sie sei also bewußt die Gefahr eingegangen, in eine schwierige wirtschaftiche Lage zu geraten. Die Kommission verweist insoweit auf den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 1. Februar 1984 in der Rechtssache 1/84 R (Ilford/Kommission, Slg. 1984, 423).

    34

    Jedenfalls sei nicht bewiesen, daß der Vollzug der angefochtenen Entscheidung der alleinige oder hauptsächliche Grund für einen möglichen Konkurs der Antragstellerin sei. Es seien nämlich vielmehr die Marktbedingungen, die sie in die im Antrag auf einstweilige Anordnung genannte schwierige Lage gebracht hätten.

    Rechtliche Würdigung

    35

    In der vorliegenden Rechtssache begehrt die Antragstellerin die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission, aufgrund der Feststellung der fehlenden Zuschußfähigkeit bestimmter Ausgaben, die die Antragstellerin im Rahmen der Bildungsprogramme, für die sie eine Finanzierung des Fonds erhalten hatte, getätigt hatte, einen Teil des im voraus bewilligten Zuschusses zu erstatten.

    36

    Der Bescheid über die teilweise Erstattung wurde der Antragstellerin mit Schreiben des DAFSE vom 21. März 1996 zugesandt. Diese wurde darin zur Zahlung eines Betrages von 4267218 ESC aufgefordert.

    37

    Folglich ist der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung auf die Aussetzung des Vollzugs dieser Verpflichtung zur Zahlung gerichtet.

    38

    Zur Entscheidung über einen solchen Antrag ist zunächst die Dringlichkeit der verlangten Maßnahme zu prüfen.

    39

    Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Dringlichkeit einstweiliger Anordnungen zu prüfen, ob die Durchführung der streitigen Rechtsakte vor der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache dem Antragsteller schwere und selbst bei Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung nicht wiedergutzumachende Schäden oder aber solche Schäden verursachen kann, die trotz ihres vorläufigen Charakters außer Verhältnis zum Interesse des Antragsgegners daran stehen, daß seine Rechtsakte auch dann vollzogen werden, wenn sie bereits Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sind. Es ist Sache des Antragstellers, zu beweisen, daß diese Voraussetzungen vorliegen (vgl. zuletzt Beschluß Séché/Kommission, Randnr. 16).

    40

    Wenn Gegenstand der beantragten vorläufigen Maßnahmen die Aussetzung einer Zahlungsverpflichtung ist, liegt eine Dringlichkeit nur dann vor, wenn die Erfüllung der Verpflichtung — selbst durch Stellung einer Bankbürgschaft — die Existenz des betreffenden Unternehmens gefährden würde (vgl. insbesondere Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 21. Dezember 1994 in der Rechtssache T-295/94 R, Buchmann/Kommission, Slg. 1994, II-1265, Randnrn. 23 f., und in der Rechtssache T-301/94 R, Laakmann Karton/Kommission, Slg. 1994, II-1279, Randnr. 22).

    41

    Folglich ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Antragstellerin dargetan hat, daß die Erfüllung der Verpflichtung zur Erstattung von 4267218 ESC wirklich zur Schließung des Unternehmens führen könnte.

    42

    Die Antragstellerin hat zum Nachweis der Dringlichkeit der begehrten Maßnahme in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung und in der Sitzung geltend gemacht, daß sie nicht über genügend flüssige Mittel verfüge, um ihre Schulden kurzfristig zu begleichen, und daß sie folglich bei Erstattung des verlangten Betrages Gefahr laufe, in Konkurs zu fallen. Als Beleg hat sie ihre Einkommensteuererklärungen und ihre Geschäftsbücher für die Jahre 1993 bis 1995 vorgelegt. Außerdem hat sie auf die in der Sitzung gestellten Fragen geantwortet, daß es ihr nach informellen Kontakten mit bestimmten Bankinstituten nicht möglich gewesen sei, in irgendeiner Form einen Kredit oder eine Bürgschaft zu erhalten.

    43

    Auf der Grundlage dieser Behauptungen und der vorgelegten Unterlagen ist festzustellen, daß sich zum einen aus den Geschäftsbüchern der Antragstellerin ergibt, daß sie in den Jahren 1993, 1994 und 1995 tatsächlich Verluste in Höhe von 7309464 ESC, 3008201 ESC und 3412990 ESC erlitt, jedoch zum anderen für die angebliche Verweigerung eines Kredits oder einer Bankbürgschaft durch die angesprochenen Banken kein Beweis vorgelegt worden ist.

    44

    Die Dringlichkeit einer Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung müßte also ausschließlich auf den Umstand gestützt werden, daß das Unternehmen, das den Antrag auf einstweilige Anordnung stellt, von 1993 bis 1995 Verluste erlitt.

    45

    Diese Feststellung reicht für den Nachweis des Bestehens der von der Antragstellerin geltend gemachten Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens nicht aus. Mit ihr kann nicht nachgewiesen werden, daß die Erfüllung der Verpflichtung zur Erstattung von 4267218 ESC zu ihrem Untergang führen könnte. Die Steuererklärungen und die Geschäftsbücher sind nämlich Urkunden, die ein statisches Bild der Lage des Unternehmens zeichnen, das insbesondere bei Fehlen jeglichen Hinweises auf dessen Marktstellung nicht ausreicht, um seine tatsächliche wirtschaftliche Lage und insbesondere seine Unfähigkeit zur Einholung von Krediten bei Bankinstituten erschöpfend zu beschreiben.

    46

    Da die Antragstellerin keine hinreichenden Gründe für die Dringlichkeit vorgebracht hat, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen wäre, ob das Vorbringen, auf das die Klage gestützt ist, glaubhaft gemacht ist.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

    beschlossen:

     

    1)

    Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

     

    2)

    Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

     

    Luxemburg, den 8. Oktober 1996

    Der Kanzler

    H. Jung

    Der Präsident

    A. Saggio


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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