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Document 61996TJ0041

Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 26. Oktober 2000.
Bayer AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Paralleleinfuhren - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Begriff der Vereinbarung zwischen Unternehmen - Beweis für das Vorliegen einer Vereinbarung - Arzneimittelmarkt.
Rechtssache T-41/96.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 II-03383

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2000:242

61996A0041

Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 26. Oktober 2000. - Bayer AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Paralleleinfuhren - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Begriff der Vereinbarung zwischen Unternehmen - Beweis für das Vorliegen einer Vereinbarung - Arzneimittelmarkt. - Rechtssache T-41/96.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite II-03383


Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Wettbewerb - Kartelle - Vereinbarungen zwischen Unternehmen - Begriff - Bilaterale oder multilaterale Verhaltensweisen - Einbeziehung - Einseitiges Verhalten - Ausschluss - Anscheinend einseitiges Verhalten - Notwendigkeit, den Beweis für eine Zustimmung der übrigen Unternehmen zu diesem Verhalten zu erbringen

(EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

2 Wettbewerb - Kartelle - Vereinbarungen zwischen Unternehmen - Begriff - Willensübereinstimmung bezüglich des künftigen Marktverhaltens - Einbeziehung - Ausdrucksform des Willens - Unbeachtlich

(EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

3 Wettbewerb - Kartelle - Vereinbarungen zwischen Unternehmen - Beweis für das Vorliegen einer Vereinbarung - Vorliegen einer Willensübereinstimmung

(EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

4 Wettbewerb - Gemeinschaftsvorschriften - Sachlicher Anwendungsbereich - Verhalten, das den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt, aber nicht die Merkmale eines Kartells oder des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung aufweist - Ausschluss

(EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 und 86 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG und 82 EG])

Leitsätze


1 Schon nach dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 Unterabsatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 Unterabsatz 1 EG) betrifft das dort aufgestellte Verbot ausschließlich ein bilateral oder multilateral koordiniertes Vorgehen in Form von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Daher fällt eine Entscheidung eines Unternehmens, die ein einseitiges Verhalten dieses Unternehmens darstellt, nicht unter das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag.

Ein anscheinend einseitiges Verhalten eines Unternehmens im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu seinen Handelspartnern kann in Wirklichkeit Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sein, wenn erwiesen ist, dass diese Partner dem Verhalten des Unternehmens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben.

Die Fälle, in denen ein Unternehmen eine wirklich einseitige Maßnahme trifft, d. h. ohne ausdrückliche oder stillschweigende Mitwirkung eines anderen Unternehmens tätig wird, sind somit von denen zu unterscheiden, in denen nur scheinbar Einseitigkeit vorliegt. Während Erstere nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, sind Letztere als Vereinbarung zwischen Unternehmen anzusehen und können daher in den Anwendungsbereich dieses Artikels gehören. Dies ist u. a. bei wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen und Maßnahmen der Fall, die vom Hersteller scheinbar einseitig im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern getroffen werden, jedoch deren zumindest stillschweigende Zustimmung finden.

Die Kommission darf bei einem anscheinend einseitigen Verhalten eines Herstellers im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern nur dann davon ausgehen, dass es in Wirklichkeit Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ist, wenn sie das Vorliegen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der übrigen Partner zum Verhalten des Herstellers nachweist.

(vgl. Randnrn. 64, 66, 71-72, 111)

2 Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Klausel Ausdruck des Willens der Vertragsparteien ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten; sie muss kein nach nationalem Recht verbindlicher und wirksamer Vertrag sein. Folglich ist der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt.

(vgl. Randnrn. 67-69)

3 Der Beweis für eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) muss auf der direkten oder indirekten Feststellung des subjektiven Elements beruhen, das den Begriff der Vereinbarung kennzeichnet, d. h. einer Willensübereinstimmung zwischen Wirtschaftsteilnehmern in Bezug auf die Umsetzung einer Politik, die Verfolgung eines Zieles oder ein bestimmtes Marktverhalten, unabhängig davon, wie der Wille der Parteien, sich auf dem Markt gemäß dieser Vereinbarung zu verhalten, zum Ausdruck kommt. Die Kommission verkennt den Begriff der Willensübereinstimmung, wenn sie die Ansicht vertritt, dass die Fortsetzung von Geschäftsbeziehungen der Großhändler zu einem Hersteller, wenn dieser einseitig eine neue Politik einführe, einer Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik gleichkomme, auch wenn ihr tatsächliches Verhalten dieser Politik eindeutig widerspreche.

(vgl. Randnr. 173)

4 Ein Unternehmen kann nur dann mit Sanktionen gemäß dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft belegt werden, wenn es eine Zuwiderhandlung gegen die Verbote in den Artikeln 85 Absatz 1 oder 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG und 82 EG) begangen hat. Die Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 hängt von mehreren Voraussetzungen ab: a) dem Vorliegen einer Vereinbarung zwischen mindestens zwei Unternehmen oder eines ähnlichen Sachverhalts wie eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise von Unternehmen, die b) den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen geeignet sind und c) eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Folglich können im Rahmen dieses Artikels die Auswirkungen des Verhaltens eines Unternehmens auf den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur dann geprüft werden, wenn das Vorliegen einer Vereinbarung, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag bereits erwiesen ist. Daraus folgt, dass diese Bestimmung nicht auf die generelle "Beseitigung" der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel abzielt; ihr Ziel ist enger gefasst, denn sie verbietet nur Hindernisse für den Wettbewerb, die aufgrund einer Willensübereinstimmung von mindestens zwei Parteien geschaffen wurden.

Demzufolge hängt das Recht eines mit einem seinen Interessen abträglichen Ereignis - wie Parallelimporte - konfrontierten Herstellers, die ihm am besten erscheinende Lösung zu wählen, nach den Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags nur von der Beachtung der Verbote in den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag ab. Sofern er keine beherrschende Stellung missbraucht und keine Willensübereinstimmung mit seinen Großhändlern besteht, kann ein Hersteller somit die Lieferpolitik verfolgen, die er für erforderlich hält, selbst wenn die Umsetzung dieser Politik aufgrund ihrer natürlichen Zielsetzung - wie insbesondere Parallelimporte zu erschweren - zu Wettbewerbsbeschränkungen führen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

(vgl. Randnrn. 174, 176)

Parteien


In der Rechtssache T-41/96

Bayer AG mit Sitz in Leverkusen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Sedemund, Köln, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. May, 398, route d'Esch, Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

European Federation of Pharmaceutical Industries' Associations mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: zunächst Solicitor C. Walker, dann Solicitor T. Woodgate, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. May, 398, route d'Esch, Luxemburg,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und K. Wiedner, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte; Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. mit Sitz in Mülheim an der Ruhr (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. A. Rehmann und U. Zinsmeister, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Bonn und Schmitt, 7, Val Ste Croix, Luxemburg,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 96/478/EG der Kommission vom 10. Januar 1996 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/34.279/F3 - Adalat) (ABl. L 201, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin P. Lindh und der Richter J. Pirrung und M. Vilaras,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe


Sachverhalt

1 Die klagende Bayer AG (im Folgenden: Bayer oder Bayer-Konzern) ist die Muttergesellschaft eines der größten europäischen Chemie- und Pharmakonzerne; sie ist in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft mit nationalen Tochtergesellschaften vertreten. Sie erzeugt und vermarktet seit vielen Jahren unter dem Warenzeichen "Adalat" oder "Adalate" eine Arzneimittelreihe mit dem Wirkstoff Nifedipin, die zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen dient.

2 Der Preis von Adalat wird in den meisten Mitgliedstaaten direkt oder indirekt von den nationalen Gesundheitsbehörden festgesetzt. Von 1989 bis 1993 lagen die von den spanischen und französischen Gesundheitsbehörden festgesetzten Preise um durchschnittlich 40 % unter den Preisen im Vereinigten Königreich.

3 Wegen dieser Preisunterschiede begannen Großhändler in Spanien ab 1989, Adalat in das Vereinigte Königreich auszuführen. Ab 1991 taten es ihnen Großhändler in Frankreich gleich. Nach Angaben der Klägerin sanken die Verkäufe von Adalat durch ihre britische Tochtergesellschaft, Bayer UK, von 1989 bis 1993 aufgrund der Parallelimporte um fast die Hälfte, was für die britische Tochtergesellschaft einen Umsatzverlust von 230 Millionen DM und für Bayer einen Ertragsverlust von 100 Millionen DM bedeutet habe.

4 Angesichts dieser Situation änderte der Bayer-Konzern seine Lieferpolitik und begann, die immer größeren Bestellungen der Großhändler in Spanien und Frankreich bei ihren dortigen Tochtergesellschaften nicht mehr in vollem Umfang zu erfuellen. Diese Änderung erfolgte für Bestellungen bei Bayer Spanien im Jahr 1989 und für Bestellungen bei Bayer Frankreich im vierten Quartal 1991.

5 Nach Beschwerden einiger betroffener Großhändler leitete die Kommission ein Verwaltungsverfahren zur Untersuchung etwaiger Verstöße des Bayer-Konzerns gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) in Frankreich und Spanien ein.

6 Am 10. Januar 1996 erließ die Kommission die Entscheidung 96/478/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/34.279/F3 - Adalat) (ABl. L 201, S. 1; im Folgenden: Entscheidung), die Gegenstand dieser Klage ist.

7 Artikel 1 der Entscheidung lautet: "Das Verbot, die Erzeugnisse Adalate und Adalate 20 mg LP aus Frankreich und die Erzeugnisse Adalat und Adalat-Retard aus Spanien nach anderen Mitgliedstaaten zu exportieren, das im Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen seit 1991 zwischen Bayer Frankreich und seinen Großhändlern und seit mindestens 1989 zwischen Bayer Spanien und seinen Großhändlern vereinbart ist, stellt einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages seitens der Bayer AG dar."

8 Artikel 2 der Entscheidung lautet:

"Die Bayer AG muss den in Artikel 1 festgestellten Verstoß abstellen und insbesondere

- binnen zweier Monate nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung ihren Großhändlern in Frankreich und in Spanien ein Rundschreiben des Inhalts zustellen, dass Ausfuhren nach anderen Mitgliedstaaten gestattet sind und keinerlei Sanktionen nach sich ziehen,

- diese Klarstellung binnen zweier Monate nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung in die allgemeinen Verkaufsbedingungen für Frankreich und Spanien aufnehmen."

9 In Artikel 3 der Entscheidung wird gegen die Bayer AG eine Geldbuße in Höhe von 3 000 000 ECU verhängt.

10 In Artikel 4 wird bezüglich der in Artikel 2 genannten Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 ECU für jeden Tag des Verzugs bei der Durchführung der Entscheidung festgesetzt.

Verfahren und Anträge der Beteiligten

11 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 22. März 1996 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

12 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat sie einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs von Artikel 2 der Entscheidung gestellt. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 3. Juni 1996 ist der Vollzug von Artikel 2 der Entscheidung ausgesetzt worden; die Kostenentscheidung blieb vorbehalten.

13 Am 1. August 1996 hat ein deutscher Verband von Arzneimittelimporteuren, der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. (BAI), die Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

14 Am 26. August 1996 hat die European Federation of Pharmaceutical Industries' Associations (EFPIA), ein europäischer Wirtschaftsverband, der die Interessen von sechzehn nationalen Wirtschaftsverbänden des Arzneimittelsektors vertritt, die Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beantragt.

15 Mit Beschlüssen vom 8. November 1996 hat der Präsident der Fünften erweiterten Kammer des Gerichts die beiden Antragsteller als Streithelfer zugelassen. Die Streithelfer haben ihre Streithilfeschriftsätze am 12. Februar 1997 eingereicht. Die Parteien haben ihre Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen am 11. April 1997 eingereicht.

16 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und im Rahmen der in Artikel 64 der Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen schriftlich eine Reihe von Fragen an die Klägerin und die Kommission zu stellen, die diese in der Sitzung beantworten sollten.

17 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 28. Oktober 1999 mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. Die Kommission hat in der Sitzung beantragt, zur Untermauerung einiger ihrer Antworten auf Fragen des Gerichts einige Anlagen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der Klägerin im Verwaltungsverfahren übersandt wurden, zu den Akten zu geben. Da die Klägerin dem nicht widersprochen und angegeben hat, dass die fraglichen Unterlagen keine sie betreffenden vertraulichen Informationen enthielten, haben alle Beteiligten einschließlich der Streithelfer eine Kopie dieser Anlagen erhalten und hatten in der Sitzung Gelegenheit, sich zu ihnen zu äußern.

18 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbuße in Höhe von 3 000 000 ECU aufzuheben;

- äußerst hilfsweise, die Geldbuße herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19 Die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die durch ihre Streithilfe verursachten Kosten aufzuerlegen.

20 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21 Der BAI als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung

22 Die Entscheidung betrifft Adalat, ein zu den so genannten "Kalziumantagonisten" gehörendes Arzneimittel, das zur Behandlung bestimmter kardiovaskulärer Erkrankungen (Koronarinsuffizienz, arterielle Hypertonie und Angina pectoris) dient (Randnr. 8 der Entscheidung). Sie bezieht sich jedoch nur auf zwei Darreichungsformen der Adalat-Reihe, und zwar auf die 10-mg-Kapsel (im Vereinigten Königreich und in Spanien unter der Bezeichnung "Adalat", in Frankreich unter der Bezeichnung "Adalate" vermarktet) und die 20-mg-Retardtablette (im Vereinigten Königreich und in Spanien unter der Bezeichnung "Adalat Retard", in Frankreich unter der Bezeichnung "Adalate 20 mg LP" vermarktet) (Randnr. 4).

23 Zum räumlichen Markt heißt es in der Entscheidung, es handele sich vorliegend um nationale Märkte (Randnrn. 150 bis 152), da zur Zeit des in der Entscheidung beurteilten Sachverhalts das Geschäft der pharmazeutischen Industrie in einem im Wesentlichen nationalen Umfeld stattgefunden habe, in dem die Zulassung zur Vermarktung eines Medikaments ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten gewesen sei. Ferner werde der Absatz der Medikamente durch die Verwaltungs- und insbesondere die Versorgungspolitik in den Mitgliedstaaten beeinflusst, speziell in Frankreich und Spanien, wo die Preise direkt von der zuständigen nationalen Verwaltung festgesetzt würden. Schließlich führten die unterschiedlichen Preisfestsetzungsmechanismen und Erstattungsmodalitäten zu starken Disparitäten bei den Arzneimittelpreisen in den Mitgliedstaaten.

24 Zum Produktmarkt wird in der Entscheidung (Randnr. 153) ausgeführt, er werde nach dem Kriterium der identischen therapeutischen Anwendung verschiedener konkurrierender Erzeugnisse definiert.

25 Schließlich geht zum relevanten Markt für das in der Entscheidung untersuchte Verhalten aus Randnummer 154 hervor, dass in erster Linie der Markt des Vereinigten Königreichs herangezogen wurde, "da sich die Vereinbarung unmittelbar auf diesem Markt auswirkt, indem sie ihn vor Paralleleinfuhren schützt", und in zweiter Linie "die Ausgangsmärkte der Paralleleinfuhren - Frankreich und Spanien -", "da diese Märkte durch die Behinderung der Parallelausfuhren künstlich geschlossen sind".

26 Zu den Marktanteilen, die Bayer bei der Vermarktung von Adalat besitzt, heißt es in der Entscheidung (Randnr. 23), sie seien durch Bezugnahme auf die wichtigsten therapeutischen Indikationen des Erzeugnisses angegeben. Nach Ansicht der Kommission hat Adalate in Frankreich einen Marktanteil von 5,1 % im Bereich der Koronarinsuffizienz und von 4,1 % im Bereich der Hypertonie. In Spanien betrage der Marktanteil von Adalat bei Koronarinsuffizienz 7,4 % und bei Hypertonie 8,7 %. Im Vereinigten Königreich lägen die Marktanteile bei 19,6 % im Bereich der Koronarinsuffizienz und bei 16,6 % im Bereich der Hypertonie. In der Gemeinschaft (der Zwölf) schließlich belaufe sich der Marktanteil von Adalat auf 7,6 % bei Koronarinsuffizienz und 5,8 % bei Hypertonie (Randnrn. 24 bis 27).

27 In der Entscheidung werden das Verhalten des Bayer-Konzerns angesichts des Tatbestands der Parallelexporte von Adalat aus Spanien und Frankreich in das Vereinigte Königreich sowie die Reaktionen der Großhändler und Kunden von Bayer Spanien und Bayer Frankreich darauf beschrieben.

28 Zur rechtlichen Würdigung dieser Verhaltensweisen heißt es in der Entscheidung (Randnrn. 155 bis 199), Bayer Frankreich und Bayer Spanien hätten gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen, indem sie im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen mit ihren Großhändlern ein Ausfuhrverbot durchgesetzt hätten; letztere hätten die tatsächlichen Beweggründe von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gekannt und ihr Verhalten auf die Anforderungen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien ausgerichtet. Dies stelle eine Vereinbarung dar, die den Wettbewerb spürbar einschränke und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtige.

Begründetheit der Klage

29 Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf den Klagegrund einer Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, die sie daraus ableitet, dass ihr in der Entscheidung angesprochenes Verhalten von ihr einseitig geplant und umgesetzt worden sei und nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle, da es zwischen ihr und ihren Großhändlern keine Vereinbarung über die Ausfuhren der in das Vereinigte Königreich gelieferten Erzeugnisse gegeben habe. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Ermessensfehler begangen, als sie diese Bestimmung auf ein nach Artikel 47 der Akte über den Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften, der den Schutz von Patenten betreffe, rechtmäßiges Verhalten angewandt habe. Äußerst hilfsweise beruft sie sich auf den Klagegrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit, der darin bestehen soll, dass aufgrund einer neuartigen Anwendung von Artikel 85 des Vertrages eine Geldbuße verhängt worden sei, sowie in einer Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

Zum Hauptklagegrund einer Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, die darin bestehen soll, dass die Kommission die Anwendbarkeit dieses Artikels auf den vorliegenden Sachverhalt bejaht habe

I - Vorbringen der Beteiligten

30 Die Klägerin führt aus, der im vorliegenden Fall relevante Sachverhalt lasse sich wie folgt zusammenfassen: Ein nicht marktbeherrschender Hersteller nehme in einem Mitgliedstaat, in dem die Preise durch die staatlichen Gesundheitsbehörden weit unter den Preisen in anderen Mitgliedstaaten festgesetzt worden seien, Aufträge von Großhändlern nur noch im Umfang ihres normales Absatzes in ihren traditionellen Liefergebieten an. Der Grund für die teilweise Nichtannahme von Lieferaufträgen bestehe darin, dass die Großhändler ihre normalen Bestellmengen überproportional erhöhten, um durch den Export des Überschusses von Preisunterschieden zu profitieren. Eine solche Praxis sei unerwünscht, weil sie zu großen Umsatzverlusten der eigenen Tochtergesellschaften in anderen Ländern führe und damit deren wirtschaftliche Existenz gefährde. Um eine Verletzung von Artikel 85 des Vertrages zu vermeiden, sei dem Vertriebspersonal strikte Anweisung gegeben worden, das Problem allein durch einseitige Kontingentierung der Bestellmengen zu lösen und sich gegenüber den Großhändlern ausschließlich auf "mangelnde Vorräte" zu berufen. Trotzdem hätten die Großhändler im Laufe der Zeit die tatsächlichen Motive des Herstellers erkannt. Da dieser nur Aufträge in Höhe der früheren Bestellmengen akzeptiere, passten die Großhändler ihre Bestellungen zum Schein entsprechend an, beschafften sich aber gleichzeitig dadurch größere Lieferungen für den Export, dass sie andere Großhändler beauftragten, die Produkte für sie zu kaufen. Tatsächlich würden die Parallelexporte in noch stärkerem Umfang fortgesetzt.

31 Adalat unterliege in den meisten Mitgliedstaaten einer direkten oder indirekten Preisfestsetzung durch die staatlichen Gesundheitsbehörden, die aufgrund der Anwendung sehr unterschiedlicher Kriterien zu enormen Preisunterschieden von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat führe. Insbesondere hätten die staatlichen Gesundheitsbehörden in Spanien und Frankreich die Preise im fraglichen Zeitraum von 1989 bis 1993 um durchschnittlich 40 % unter dem Preisniveau im Vereinigten Königreich festgelegt, wo die Preise der pharmazeutischen Produkte einer abweichenden, auf den Gewinnen der Arzneimittelhersteller beruhenden staatlichen Kontrolle unterlägen.

32 Wegen solcher Preisunterschiede hätten die spanischen Großhändler, die traditionell auf die Versorgung von Apotheken in ihren spanischen Vertriebsgebieten eingerichtet seien und Adalat von der spanischen Tochtergesellschaft der Klägerin bezögen, 1989 begonnen, dieses Produkt in großem Umfang in das Vereinigte Königreich zu exportieren, und damit weit höhere Gewinne erzielt als bei der Versorgung ihrer traditionellen Kunden in Spanien (z. B. habe ein einziger Großhändler plötzlich eine fast der Hälfte des gesamten Verbrauchs in Spanien entsprechende Menge bestellt, vgl. Randnr. 114 der Entscheidung). Aufgrund der immensen Gewinne durch den Export seien die spanischen Großhändler teilweise sogar dazu übergegangen, die von ihnen normalerweise belieferten spanischen Apotheken überhaupt nicht mehr zu versorgen und fast ihre gesamten Bezugsmengen an Adalat in das Vereinigte Königreich weiterzuverkaufen. Dies habe in einigen Regionen von Spanien zu erheblichen Versorgungslücken in den Apotheken geführt, die Bayer dazu gezwungen hätten, zum Schutz der Patienten die von den spanischen Großhändlern vernachlässigten Apotheken direkt zu beliefern.

33 Eine ähnliche Entwicklung habe ab September/Oktober 1991 in Frankreich eingesetzt, als auch die französischen Großhändler begonnen hätten, Adalat in großen Mengen in das Vereinigte Königreich zu exportieren.

34 Angesichts dieser Situation und im Hinblick auf die langfristigen Probleme für Bayer UK habe sie gegen die Parallelimporte vorgehen wollen und sich auf höchster Entscheidungs- und Verantwortungsebene mit ihnen befasst. Nach eingehenden Erörterungen und einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung der verschiedenen denkbaren Maßnahmen unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis der Kommission und der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsprechung habe man es für angebracht gehalten, statt der vollständigen Einstellung der Lieferungen an die Großhändler und des Übergangs zum Eigenvertrieb ein "milderes" Mittel zu wählen und lediglich die Liefermengen zu reduzieren. So sei beschlossen worden, Bestellungen der Großhändler nur noch auf der Basis ihrer Vorjahresbestellungen anzunehmen, wobei die Mengen entsprechend dem Anstieg des Verbrauchs jährlich um ca. 10 % hätten erhöht werden können.

35 Es treffe zu, dass sie über ein internes Informationssystem verfüge, mit dem sie versuche, Parallelimporte festzustellen; sowohl die Angaben in der Entscheidung zu dessen Umfang als auch die Behauptungen zu dessen tatsächlicher Anwendung gegenüber den französischen und spanischen Großhändlern, aus denen die Kommission zu Unrecht das Vorliegen eines "Ausfuhrverbots" abgeleitet habe, seien jedoch falsch. So habe das System lediglich darin bestanden, die Liefermengen jedes Großhändlers in den Vorjahren zu ermitteln und auf der Grundlage dieser "Referenzmengen", die auch unter Berücksichtigung der Inflation und des Anstiegs der allgemeinen Preisindizes jährlich im angemessenen Umfang von etwa 10 % erhöht worden seien, im Voraus die jährlichen und monatlichen Liefermengen festzulegen.

36 Sie habe ferner entgegen der Behauptung der Kommission keine von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängige Lieferpolitik verfolgt; das eingeführte System habe keine nachträgliche Prüfung umfasst, ob die gelieferten Mengen ausgeführt worden seien.

37 Schließlich habe es den Großhändlern freigestanden, die gelieferten Erzeugnisse auszuführen, wie sich daraus ergebe, dass sie gewusst hätten, dass Bayer keine Kontrolle des endgültigen Verbleibs der gelieferten Erzeugnisse vornehme, so dass sie keine Sanktionen hätten fürchten müssen, falls das Vereinigte Königreich das Endbestimmungsland der Erzeugnisse gewesen sei. Die Großhändler hätten von dieser Freiheit de facto Gebrauch gemacht, denn sie hätten die ihnen und anderen Großhändlern oder lokalen Vertretern gelieferten Erzeugnisse in großem Umfang ausgeführt.

38 Die Kommission habe das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Bayer und ihren Großhändlern nicht nachgewiesen; ein Wille zum Abschluss einer Vereinbarung habe weder auf ihrer Seite bestanden, da sie es als rechtmäßig angesehen habe, eine einseitige Politik begrenzter Lieferungen zu verfolgen, um Parallelexporte zu erschweren, noch auf Seiten der Großhändler, die durch ihr Verhalten bewiesen hätten, dass sie eine solche Politik völlig ablehnten. Die Auffassung der Kommission laufe darauf hinaus, dass die Voraussetzung für das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages selbst dann erfuellt sei, wenn der Besteller sein Verhalten nur zum Schein ändere und sein tatsächliches Verhalten ganz eindeutig beweise, dass er die angebliche Vereinbarung gerade nicht treffen wolle. Eine solche Annahme stehe im Widerspruch zum Wortlaut und zur Zweckbestimmung von Artikel 85, da die Willensübereinstimmung als Kernelement der Vereinbarung bei einem solchen Vereinbarungsbegriff nicht mehr erforderlich sei.

39 Im Übrigen könne sich die Kommission zur Rechtfertigung dieses neuen Ansatzes angesichts der Unterschiede zwischen dem Sachverhalt des vorliegenden Falles und denjenigen früherer Entscheidungen zur Verhinderung von Parallelexporten nicht auf Präzedenzfälle in der Entscheidungspraxis oder der Rechtsprechung berufen.

40 Bisher sei unstreitig, dass die teilweise oder vollständige Lieferverweigerung eine einseitige Handlung darstelle, die nicht unter Artikel 85 des Vertrages fallen könne. Da es an einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fehle, könne diese Bestimmung im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Mit der von der Kommission vertretenen Auffassung werde der Anwendungsbereich von Artikel 85 des Vertrages auf eine einseitige Lieferverweigerung ausgedehnt, die nur unter Artikel 86 des Vertrages fallen könne; damit werde die systematische Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Artikel 85 und Artikel 86 aufgehoben.

41 Mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission einen neuen Versuch eingeleitet, die Durchführbarkeit einer auf einer besonderen und neuartigen rechtlichen Regelung für Parallelimporte und deren Wettbewerbsproblematik beruhenden Politik zu testen. Diese Politik gehe über den Rahmen des gegenwärtigen Vertrages hinaus, der zwar auf die Herstellung eines Binnenmarktes abziele, aber nicht so weit gehe, dass er über die Wettbewerbsvorschriften ein einseitiges Verhalten ohne Vorliegen einer beherrschenden Stellung allein deshalb verbiete, weil mit diesem Verhalten Parallelexporte behindert werden sollten.

42 Außerdem habe die in der Entscheidung enthaltene Grundsatzentscheidung eine weit über den vorliegenden Fall hinausreichende Bedeutung und führe für nicht marktbeherrschende Unternehmen zu einem weitgehenden Kontrahierungszwang, da ein Hersteller die Ausführung von Lieferaufträgen aus den genannten Gründen nicht verweigern könnte, ohne gegen Artikel 85 des Vertrages zu verstoßen. Dieses Ergebnis stehe in völligem Widerspruch zu Wortlaut und Systematik der Artikel 85 und 86 des Vertrages.

43 Schließlich habe die Kommission außer Acht gelassen, dass der Wettbewerb für pharmazeutische Produkte durch die unterschiedlichen Preisregelungen in den Mitgliedstaaten stark verfälscht werde. Diese Regelungen seien mit Artikel 30 EG-Vertrag (jetzt Artikel 28 EG) kaum vereinbar. Auch die sehr unterschiedlichen nationalen Systeme der direkten und indirekten Preisfestsetzung für pharmazeutische Produkte verfälschten in hohem Maß den Wettbewerb und verstießen daher gegen Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Buchstabe g EG).

44 Zudem liege auf pharmazeutischem Gebiet die Herstellung eines Binnenmarktes in der Gemeinschaft noch in weiter Ferne, aber die Unternehmen würden so behandelt, als wäre er schon vollendet, obwohl die Gemeinschaft noch keine wirksame Maßnahme ergriffen habe, um die nationalen Preisfestsetzungssysteme zu harmonisieren, damit die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht würden.

45 Auch die These der Kommission, dass eine gemeinschaftliche Regelung nicht erforderlich sei, weil die Parallelimporte langfristig zur Harmonisierung der Arzneimittelpreise führen würden, sei falsch.

46 Die Klägerin benennt mehrere Zeugen zum Beweis dafür, dass erstens das Verhalten einiger spanischer Großhändler, die ihre gesamten Adalatbestände ausgeführt hätten, die Versorgung zahlreicher spanischer Apotheken gefährdet habe, dass zweitens der Entscheidung, den Bestellungen nicht mehr in vollem Umfang nachzukommen, eine sorgfältige rechtliche Prüfung der Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit dem Gemeinschaftsrecht vorausgegangen sei und dass drittens die Kommission Ermittlungen eingestellt habe, die den zur vorliegenden Klage führenden Ermittlungen vorausgegangen seien und bei denen das Verhalten von Bayer gegenüber Parallelimporteuren bereits geprüft worden sei.

47 Die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Klägerin schließt sich deren Vorbringen an.

48 Nach Ansicht der Kommission besteht der Verstoß in der Vereinbarung zwischen der Klägerin und den spanischen und französischen Großhändlern über das Verbot, Adalat in andere Mitgliedstaaten zu exportieren.

49 Bayer Frankreich und Bayer Spanien hätten ein Ausfuhrverbot vorgesehen und durchgesetzt, zu dessen Durchführung der Bayer-Konzern ein Kontrollsystem für Parallelimporte eingeführt habe, das darin bestanden habe, die exportierenden Großhändler zu ermitteln, die Lieferungen drastisch zu reduzieren, den Endbestimmungsmarkt der Liefermengen zu überprüfen und Sanktionen in Form der anschließenden Kürzung von Lieferungen an die exportierenden Großhändler zu verhängen. Es sei erwiesen, dass Bayer dieses System angewandt habe und dass die Großhändler die Beweggründe der Klägerin gekannt und das Ausfuhrverbot akzeptiert hätten, da sie sonst damit hätten rechnen müssen, dass ihre Bestellungen nur in Höhe des Bedarfs für den Heimatmarkt oder gar in einer von der Klägerin festgelegten geringeren Höhe erfuellt würden.

50 Es treffe nicht zu, dass Bayer generell beschlossen habe, allen Großhändlern Mengen zu liefern, die zumindest der Referenzmenge, d. h. der um 10 % erhöhten Vorjahresmenge, entsprochen hätten. So seien die Lieferkürzungen gegenüber den Bestellungen nicht bei allen Händlern in der angeblich gleichen Referenzhöhe vorgenommen worden (vgl. Randnr. 96 der Entscheidung). Bei einigen Händlern sei die Bestellmenge auf das Vorjahresniveau ohne 10%igen Zuschlag reduziert worden (im Fall von CERP Lorraine, vgl. Randnrn. 87 und 165 der Entscheidung, und von Hefame, vgl. Randnrn. 122 bis 124 und 168 der Entscheidung), während die Kürzung in anderen Fällen so stark gewesen sei, dass die betreffenden Großhändler sogar Schwierigkeiten gehabt hätten, ihren Heimatmarkt ausreichend zu versorgen (im Fall von Hufasa, vgl. Randnrn. 114, 127 und 166 der Entscheidung, und von Cofares, vgl. Randnrn. 121 und 169 der Entscheidung).

51 Die Großhändler hätten die Beschränkungen infolgedessen als Reaktion auf die Exporte angesehen und seien aufgrund der möglichen Vergeltungsmaßnahmen sehr darauf bedacht gewesen, das Ausfuhrverbot formell einzuhalten. Sie hätten mit der Klägerin vereinbart, Adalat nicht zu exportieren, um im Gegenzug weiter mit ausreichenden Mengen beliefert zu werden.

52 Zur Durchführung dieses Ausfuhrverbots habe die Klägerin auf die Zustimmung der Großhändler gezählt; der Willensübereinstimmung stehe nicht entgegen, dass beide Parteien nicht dasselbe Interesse am Abschluss der Vereinbarung gehabt hätten. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages setze lediglich voraus, dass beide Parteien ein Interesse an ihrem Abschluss hätten, ohne dass es sich dabei um dasselbe Interesse handeln müsse. Da die Großhändler ein Interesse daran gehabt hätten, Lieferkürzungen abzuwenden, und die Klägerin daran interessiert gewesen sei, Parallelexporte zu verhindern oder zumindest einzuschränken, habe eine Willensübereinstimmung über die Verhinderung oder zumindest die Einschränkung der Parallelexporte vorgelegen.

53 Der Umstand, dass die Großhändler nicht völlig auf die Exporte verzichtet hätten, könne im vorliegenden Fall keine Zweifel am Vorliegen einer Vereinbarung oder ihrer Zustimmung hinsichtlich des Exportverbots begründen. Es sei zwar richtig, dass die spanischen und französischen Großhändler gern weiterhin in das Vereinigte Königreich exportiert hätten; sie hätten die Bestellmengen jedoch auf einen Umfang reduziert, der bei Bayer den Eindruck habe erwecken sollen, dass sie deren erklärtem Willen entsprochen hätten, sich auf den Bedarf ihrer traditionellen Märkte zu beschränken.

54 Die Entscheidung füge sich nahtlos in die Entscheidungspraxis der Kommission und in die Rechtsprechung des Gerichtshofes ein; der Begriff der Vereinbarung sei u. a. in den Urteilen des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87 (Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45, abgekürzte Veröffentlichung; im Folgenden: Urteil Sandoz) und vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87 (Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261, abgekürzte Veröffentlichung) ähnlich ausgelegt worden.

55 Die Kommission habe die Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen der Artikel 85 und 86 des Vertrages nicht in Frage gestellt; der vorliegende Sachverhalt falle unter den Vereinbarungen betreffenden Artikel 85, da die Großhändler selbst entschieden hätten, sich dem Willen der Klägerin zu beugen und als Bedingung für eine ausreichende Belieferung eine Einschränkung der Exporte zu akzeptieren. Folglich gingen die rechtspolitischen Ausführungen der Klägerin von falschen Prämissen aus und müssten daher nicht weiter behandelt werden.

56 Die Auffassung der Klägerin, wonach der pharmazeutische Sektor ein besonderer Markt sei, auf den die Wettbewerbsregeln nur eingeschränkt Anwendung fänden, könne nicht geteilt werden. Zwar griffen viele Mitgliedstaaten nach wie vor in den Markt für pharmazeutische Erzeugnisse ein, und aufgrund der verschiedenen Vorgehensweisen gebe es dort unterschiedliche Durchschnittspreise und Verbrauchsgewohnheiten. Wie die Rechtsprechung entschieden habe, könne die Kommission jedoch gegen Preiskontrollsysteme als solche nicht mittels der Vorschriften über den freien Warenverkehr vorgehen, sondern lediglich mögliche diskriminierende Auswirkungen gemäß Artikel 30 des Vertrages bekämpfen. Aus diesem Grund habe die Kommission in der Folge lediglich solche staatlichen Maßnahmen angegriffen, die die heimische pharmazeutische Industrie oder Forschung klar bevorzugt hätten.

57 Die Tatsache, dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Preisregulierungssysteme bestuenden, bedeute nicht, dass das Ziel der Errichtung eines Binnenmarktes nicht auch für den Pharmabereich gelte. Da die Preisregulierungssysteme den Unternehmen jedenfalls genügend Entscheidungsspielraum ließen, dürften die Parallelimporte weder durch staatliche Maßnahmen noch durch wettbewerbswidriges Verhalten der Unternehmen behindert werden. Wenn staatliche Maßnahmen zur Behinderung von Parallelexporten verboten seien, müsse dies auch für Maßnahmen von Unternehmen gelten, die wie im vorliegenden Fall dasselbe Ziel verfolgten. Folglich sei die Verhinderung der Parallelimporte von Arzneimitteln als solche ein Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages, wie u. a. das Urteil Sandoz beweise.

58 Zudem habe der Gerichtshof bereits in seinen Urteilen vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 15/74 (Centrafarm und de Peijper, Slg. 1974, 1147) und vom 20. Januar 1981 in den Rechtssachen 55/80 und 57/80 (Musik-Vertrieb membran und K-tel International, Slg. 1981, 147) klargestellt, dass die Regeln zur Durchsetzung des freien Warenverkehrs in einem Sektor unabhängig davon angewandt werden könnten, ob die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften harmonisiert worden seien. Ausfuhrverbote könnten daher auch im Pharmabereich bekämpft werden, wie die Rechtsprechung des Gerichtshofes eindeutig zeige. Zu Artikel 30 des Vertrages sei dabei u. a. auf die Urteile des Gerichtshofes vom 20. Mai 1976 in der Rechtssache 104/75 (de Peijper, Slg. 1976, 613), vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139) und vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 187/80 (Merck, Slg. 1981, 2063) und zu Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf das Urteil Sandoz zu verweisen.

59 Die Kommission gehe davon aus, dass die Parallelimporte langfristig zur Harmonisierung der Arzneimittelpreise führten, und sie halte es nicht für akzeptabel, dass Parallelimporte behindert würden, damit Pharmaunternehmen in Ländern, in denen keine Preiskontrolle bestehe, weit überhöhte Preise verlangen könnten, um geringere Gewinne in Mitgliedstaaten auszugleichen, die stärker in das Preisniveau eingriffen.

60 Der BAI weist darauf hin, dass auf dem Arzneimittelmarkt die Apotheken weder wirtschaftlich noch logistisch in der Lage seien, ein vollständiges Sortiment der gängigsten Arzneimittel in ausreichender Menge vorrätig zu halten, und dass der Großhandel aufgrund seiner Marktstellung und -funktion ein solches Sortiment unterhalten müsse, damit er in der Lage sei, einer Apotheke alle nachgefragten Arzneimittel schnell zu liefern, denn sonst werde sich die Apotheke einem anderen Großhändler zuwenden, der über die benötigten Bestände verfüge. Unter diesen Umständen und angesichts der Struktur des Arzneimittelmarktes und des Vertriebskontrollsystems, das Bayer eingeführt habe, hätten die Großhändler nicht anders gekonnt, als sich zu beugen und die Bestellungen und damit die Ausfuhren erheblich zu reduzieren, ohne dass der Hersteller ihnen ausdrücklich habe drohen müssen.

61 Was den Beweis für das Ausfuhrverbot anbelange, so könne nicht bestritten werden, dass es Sanktionen gegen exportierende Großhändler gegeben habe, denn Bayer habe den Vertrieb ihrer Produkte laufend kontrolliert und sich ständig dem Marktgeschehen angepasst. So beweise die in Randnummer 87 der Entscheidung enthaltene Tabelle der Bestellungen von "Adalat 20 mg LP" eindeutig, dass ein Großhändler, der exportiert habe, mit einer anschließenden Reduzierung der Liefermengen habe rechnen müssen und dass Bayer jeweils auf die Höhe der Bestellungen der Großhändler reagiert und gegen exportierende Großhändler durch eine drastische Reduzierung der Liefermengen vorgegangen sei.

II - Würdigung durch das Gericht

A. Vorbemerkungen

62 Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht, wenn es mit einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages befasst ist, grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Artikel 85 Absatz 1 erfuellt sind (vgl. in diesem Sinne die Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 34, und vom 17. November 1987 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 62).

63 In Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages heißt es:

"Mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken ..."

64 Nach dem Wortlaut dieses Artikels betrifft das dort aufgestellte Verbot ausschließlich ein bilateral oder multilateral koordiniertes Vorgehen in Form von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen.

65 Im vorliegenden Fall wird in der Entscheidung festgestellt, dass eine "Vereinbarung zwischen Unternehmen" im Sinne dieses Artikels vorliege. Die Klägerin macht jedoch geltend, dass sich die Entscheidung gegen ihr einseitiges Verhalten richte, das nicht in den Anwendungsbereich dieses Artikels falle. Sie behauptet, die Kommission habe den Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in einer über die bisherige Rechtsprechung hinausgehenden Weise ausgelegt und unter Verstoß gegen die genannte Bestimmung des Vertrages auf den vorliegenden Fall angewandt. Die Kommission ist der Ansicht, dass sie bei der Bewertung dieses Begriffes voll und ganz der Rechtsprechung gefolgt sei und ihn in angemessener Form auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt habe. Somit ist zu prüfen, ob die Kommission angesichts der Definition dieses Begriffes in der Rechtsprechung durch die in ihrer Entscheidung geschilderten Verhaltensweisen die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages als erfuellt ansehen durfte.

B. Zum Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages

66 Nach der Rechtsprechung fällt eine Entscheidung eines Herstellers, die ein einseitiges Verhalten des Unternehmens darstellt, nicht unter das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (vgl. in diesem Sinne die Urteile des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 38, und vom 17. September 1985 in den Rechtssachen 25/84 und 26/84, Ford-Werke und Ford of Europe/Kommission, Slg. 1985, 2725, Randnr. 21, und das Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 56).

67 Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86; Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 256).

68 Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Klausel Ausdruck des Willens der Vertragsparteien ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (vgl. u. a. die Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 86); sie muss kein nach nationalem Recht verbindlicher und wirksamer Vertrag sein (Urteil Sandoz, Randnr. 13).

69 Folglich ist der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, wie er in der Rechtsprechung ausgelegt worden ist, durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt.

70 Unter bestimmten Umständen sind auch Maßnahmen, die ein Hersteller dem Anschein nach einseitig im Rahmen ständiger Beziehungen zu seinen Vertriebshändlern trifft oder durchsetzt, als Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen worden (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und 36/78 bis 82/78, BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435, Randnrn. 28 bis 30, AEG/Kommission, Randnr. 38, Ford-Werke und Ford of Europe/Kommission, Randnr. 21, vom 22. Oktober 1986 in der Rechtssache 75/84, Metro/Kommission, "Metro II", Slg. 1986, 3021, Randnrn. 72 und 73, Sandoz, Randnrn. 7 bis 12, und vom 24. Oktober 1995 in der Rechtssache C-70/93, Bayerische Motorenwerke, Slg. 1995, I-3439, Randnrn. 16 und 17).

71 Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Fälle, in denen ein Unternehmen eine wirklich einseitige Maßnahme trifft, d. h. ohne ausdrückliche oder stillschweigende Mitwirkung eines anderen Unternehmens tätig wird, von denen zu unterscheiden sind, in denen nur scheinbar Einseitigkeit vorliegt. Während Erstere nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fallen, sind Letztere als Vereinbarung zwischen Unternehmen anzusehen und können daher in den Anwendungsbereich dieses Artikels gehören. Dies ist u. a. bei wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen und Maßnahmen der Fall, die vom Hersteller scheinbar einseitig im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern getroffen werden, jedoch deren zumindest stillschweigende Zustimmung finden.

72 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich aber auch, dass die Kommission bei einem anscheinend einseitigen Verhalten eines Herstellers im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern nur dann davon ausgehen darf, dass es in Wirklichkeit Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ist, wenn sie das Vorliegen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der übrigen Partner zum Verhalten des Herstellers nachweist (vgl. in diesem Sinne die Urteile BMW Belgium u. a./Kommission, Randnrn. 28 bis 30, AEG/Kommission, Randnr. 38, Ford-Werke und Ford of Europe/Kommission, Randnr. 21, Metro II, Randnrn. 72 und 73, Sandoz, Randnrn. 7 bis 12, und Bayerische Motorenwerke, Randnrn. 16 und 17).

C. Zur Anwendung des Begriffes der Vereinbarung auf den vorliegenden Fall

73 Im vorliegenden Fall ist die Kommission mangels eines unmittelbaren schriftlichen Beweises für den Abschluss einer Vereinbarung zwischen den Parteien über die Begrenzung oder Verringerung der Ausfuhren davon ausgegangen, dass sich die diese Vereinbarung stützende Willensübereinstimmung aus den in der Entscheidung geschilderten Verhaltensweisen der Klägerin und der Großhändler ergebe.

74 So führt die Kommission in der Entscheidung (Randnr. 155) aus, dass "Bayer Frankreich und Bayer Spanien ... gegen Artikel 85 Absatz 1 [des Vertrages] verstoßen" hätten und dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieses Artikels vorlägen, da diese Tochtergesellschaften "im Rahmen ihrer fortlaufenden Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden ... ein Ausfuhrverbot ... durchgesetzt haben". Sie fügt hinzu (Randnr. 156): "Die Analyse des Verhaltens von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gegenüber ihren jeweiligen Großhändlern ermöglicht in diesem Fall den Nachweis eines Ausfuhrverbots, das Bayer Frankreich und Bayer Spanien im Rahmen ihrer fortlaufenden Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden durchgesetzt haben." Sie hält es für erwiesen (Randnr. 176), dass die Großhändler "ein Verhalten gezeigt [haben], das eine konkludente Einwilligung in das Exportverbot darstellt".

75 Wenn die Kommission in der Entscheidung vom "Ausfuhrverbot" spricht, fasst sie dieses somit als einseitige Forderung auf, die Gegenstand einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Großhändlern war. Vom Vorliegen einer gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßenden Vereinbarung ist die Kommission deshalb ausgegangen, weil sie es als erwiesen ansieht, dass die Klägerin eine Vereinbarung mit ihren Großhändlern in Spanien und Frankreich anstrebte und erzielte, die zur Verhinderung oder Begrenzung von Parallelimporten diente.

76 Die Klägerin räumt ein, dass sie eine einseitige Politik zur Verringerung der Parallelimporte eingeführt hat. Sie bestreitet jedoch, ein Ausfuhrverbot vorgesehen und durchgesetzt zu haben. Insoweit behauptet sie, mit den Großhändlern nie gesprochen, geschweige denn eine Vereinbarung geschlossen zu haben, um sie an der Ausfuhr der gelieferten Mengen zu hindern oder diese zu begrenzen. Ferner trägt sie vor, die Großhändler hätten sich ihrer einseitigen Politik nicht angeschlossen und dies auch nie beabsichtigt.

77 Unter diesen Umständen ist zur Klärung der Frage, ob die Kommission das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen den Parteien über die Begrenzung der Parallelimporte rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, zu prüfen, ob die Kommission - wie die Klägerin geltend macht - den jeweiligen Willen von Bayer und den Großhändlern falsch bewertet hat.

1. Zum angeblichen Willen der Klägerin, ein Ausfuhrverbot durchzusetzen

a) Vorbemerkungen

78 In der Entscheidung wird es als erwiesen angesehen, dass die französische und die spanische Tochtergesellschaft der Klägerin den französischen und spanischen Großhändlern ein Ausfuhrverbot auferlegt hätten, das dadurch umgesetzt worden sei, dass die exportierenden Großhändler ermittelt und die ihnen gelieferten Mengen fortlaufend reduziert worden seien, wenn sich herausgestellt habe, dass sie diese Erzeugnisse ganz oder zum Teil exportiert hätten. Gemäß dem zweiten Absatz von Randnummer 156 der Entscheidung ergibt sich das Ausfuhrverbot "aus den nachstehenden sich untereinander ergänzenden Tatsachen: einem System für das Aufspüren exportierender Großhändler (a) und aufeinander folgende Reduzierungen der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gelieferten Mengen, wenn die Großhändler die Gesamtheit oder einen Teil dieser Erzeugnisse exportieren (b)".

79 In der Entscheidung (Randnrn. 160 bis 170) zählt die Kommission die Gründe auf, aus denen sie es als erwiesen ansieht, dass die Klägerin "aufeinander folgende Reduzierungen der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gelieferten Mengen" vorgenommen habe, "wenn die Großhändler die Gesamtheit oder einen Teil dieser Erzeugnisse [exportierten]", und dass folglich "die Lieferung ... von der Einhaltung eines Exportverbots abhängig [war]". Insbesondere führt die Kommission aus (Randnr. 160, erster Absatz): "Wenn die Großhändler einen Teil der gelieferten Erzeugnisse exportieren, setzen sie sich einer Reduzierung der Lieferungen bei späteren Bestellungen durch Bayer Frankreich und Bayer Spanien aus." Sie fügt hinzu (Randnr. 163): "Aus den der Kommission vorliegenden Informationen geht hervor, dass die Lieferung der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien genehmigten Mengen von der Einhaltung eines Exportverbots abhängig ist. Die Reduzierung der Liefermengen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien erfolgt je nachdem, wie sich die Großhändler gegenüber diesem Exportverbot verhalten. Verstoßen die Großhändler gegen das Exportverbot, so führt das für sie zu einer weiteren automatischen Reduzierung der Lieferungen."

80 Die Kommission zieht daraus folgenden Schluss (Randnr. 170): "Alle diese Verhaltensweisen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien weisen darauf hin, dass diese ihren Großhändlern ständig mit einer Reduzierung der Liefermengen gedroht haben; diese Drohung ist wiederholt wahr gemacht worden, wenn die Großhändler sich nicht an das Exportverbot gehalten haben."

b) Zum Umfang des von der Klägerin eingeführten Vertriebskontrollsystems für Adalat

81 Die Klägerin räumt ein, dass sie zur Durchführung ihrer Politik, die darin bestanden habe, Bestellungen nur nach Maßgabe des herkömmlichen Bedarfs der Großhändler zu erfuellen, über ein allgemeines Vertriebskontrollsystem für Adalat verfügt habe. Sie räumt ferner ein, dass sie ein Interesse daran gehabt habe, die exportierenden Großhändler zu kennen, um die genannte Politik richtig durchführen zu können. Sie macht aber geltend, dieses Informationssystem habe es ihr nicht ermöglicht, Kontrollen nach der Lieferung vorzunehmen, um festzustellen, ob die gelieferten Erzeugnisse tatsächlich exportiert worden seien. Das System habe nur darin bestanden, die den Großhändlern in den Vorjahren gelieferten Mengen zu ermitteln und auf dieser Grundlage im Voraus festzulegen, welche Mengen sie jedem Großhändler liefern wollte. Die These der Kommission, dass Bayer bei den Lieferungen an jeden Großhändler überprüft habe, ob die nach der neuen Politik gelieferten Mengen nicht letztlich in das Vereinigte Königreich exportiert worden seien, und ein System zur Verhängung von Sanktionen gegen Großhändler eingeführt habe, die nach der Umsetzung dieser Politik weiterhin exportiert hätten, treffe daher sachlich nicht zu.

82 Die Kommission stützt sich zur Beschreibung des von der Klägerin eingeführten Vertriebskontrollsystems für Adalat auf das in Randnummer 109 der Entscheidung wiedergegebene Dokument von Bayer Spanien, das ihre Bediensteten in den Geschäftsräumen von Bayer Frankreich gefunden haben. Es besteht aus einer Reihe von Transparentfolien, die ein Vertreter der spanischen Tochtergesellschaft bei einem Vortrag in den Räumen von Bayer Frankreich zur Erläuterung des in Spanien eingeführten Vertriebskontrollsystems für Adalat benutzte. Nach Ansicht der Kommission enthält es eine vollständige Beschreibung des Systems, anhand dessen die Klägerin ermittelt habe, welche ihrer Kunden Exporte vornähmen.

83 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass diese Transparentfolien das von ihr angewandte System zutreffend beschreiben. Da es sich um ein Dokument handelt, das seinem Wesen nach ausschließlich innerhalb des Bayer-Konzerns verwendet werden sollte, ist davon auszugehen, dass es veranschaulicht, wie Bayer den Parallelimporten begegnen wollte.

84 In diesen Transparentfolien wird einleitend das Problem geschildert und ausgeführt, die Bestellmengen von Adalat hätten innerhalb weniger Wochen um bis zu 300 % zugenommen, diese Zunahme habe zu Bestandslücken geführt, gefährde einen einheitlichen Vertrieb im gesamten Land und schaffe allgemeine Unzufriedenheit sowohl unter den Großhändlern als auch in der "internen und externen Verkaufsorganisation" und bei den Apothekern; schließlich störe sie den Produktionsrhythmus aufgrund des dringenden Bedarfs an Adalat.

85 Ferner zeigen die Folien, dass die geeignetste Lösung zur Bewältigung der durch den plötzlichen immensen Anstieg der Bestellungen von Adalat entstandenen Probleme nach Ansicht der Klägerin darin bestand, unter Berücksichtigung einer Reihe von Erwägungen, zu denen u. a. die "Identifizierung möglicher Exporteure" gehörte, im Voraus eine Liefergrenze für jeden Großhändler festzulegen. Darüber hinaus geht aus ihnen hervor, dass sich der Bayer-Konzern im Rahmen der Durchführung dieses Kontrollsystems in Spanien darauf eingestellt hatte, die den Großhändlern zugeteilten Liefermengen mit ihnen zu erörtern. Zu diesem Zweck hatte der Konzern vorgesehen, dass auf den unteren Ebenen seiner Vertriebsabteilung stets dasselbe Argument - "Bestandslücken" - gebraucht und ein Verantwortlicher für direkte Kontakte zu den Großhändlern bestimmt werden sollte, die voraussichtlich auf einer Überprüfung der festgelegten Obergrenzen bestehen würden.

86 Die Folien belegen, dass das eingeführte System es ermöglichte, zur Durchsetzung der für jeden Kunden festgelegten Obergrenze eine über die zugeteilte Menge hinausgehende Kundenbestellung automatisch zu stoppen, damit sie "manuell" überprüft werden konnte. Ferner wird erläutert, dass dieses System neben anderen Vorteilen die "Kenntnis verdächtiger Großhändler" gestattete. Schließlich geht in Bezug auf die weitere Behandlung der manuell überprüften Bestellungen aus den Folien hervor, dass nach dem System eher die Menge reduziert als der Auftrag storniert werden sollte.

87 Die praktische Anwendung des Kontrollsystems wird anhand ausgewählter Beispiele in der Tabelle mit der Überschrift "Das Ergebnis" veranschaulicht, die auf den Folien zu finden ist und am Ende von Randnummer 109 der Entscheidung wiedergegeben wird. Dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass Bayer Spanien monatliche und jährliche Obergrenzen für die Bestellungen jedes Großhändlers festlegte und anhand jedes Lieferscheins prüfte, ob der Großhändler diese Obergrenzen überschritten hatte.

88 Die Transparentfolien enthalten jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Bayer Ausfuhren verbieten oder die von den überprüften Großhändlern tatsächlich exportierten Mengen kontrollieren und darauf reagieren wollte.

89 Der Inhalt dieses internen Dokuments kann daher entgegen der Auslegung durch die Kommission nicht als Beleg dafür angesehen werden, dass die Strategie der Klägerin darauf beruhte, den Endbestimmungsmarkt der gelieferten Erzeugnisse zu überprüfen und gegen die exportierenden Großhändler Sanktionen zu verhängen.

90 Sodann ist auf die verschiedenen französischen und spanischen Großhändler einzugehen, die die Kommission als Beispiele dafür anführt, dass die Lieferkürzungen nicht einseitig im Voraus festgelegt worden seien, sondern die Reaktion auf das Bestellverhalten der Großhändler dargestellt hätten, was beweise, dass es eine Politik systematischer Kontrollen der Exporte und der Verhängung von Sanktionen gegen Großhändler, die die gelieferten Erzeugnisse exportiert hätten, gegeben habe.

91 Im Fall von CERP Lorraine verweist die Kommission auf die in Randnummer 87 der Entscheidung wiedergegebene Tabelle der Bestellungen dieses französischen Großhändlers. Die Tabelle zeige, dass dieser Großhändler, obwohl er zwischen Juni 1991 und Februar 1992 pro Monat durchschnittlich 50 000 bis 70 000 Packungen Adalat bestellt und im Juli 1991 von Bayer Frankreich 69 000 Packungen erhalten habe, im September 1991 nur noch 35 000, in den drei folgenden Monaten je 15 000 und im Februar 1992 nur 7 500 Packungen erhalten habe. Diese Verringerung der Lieferungen beweise, dass Bayer nicht stets denselben Maßstab - die anhand der Bestellungen des Vorjahrs festgelegten Referenzmengen - herangezogen habe.

92 Aus Randnummer 87 der Entscheidung geht hervor, dass Bayer ab September 1991 ihre Lieferungen an diesen Großhändler gegenüber den Vormonaten beträchtlich verringerte und sich auf Versorgungsprobleme auf dem französischen Markt berief. Von etwaigen Exporten der gelieferten Mengen ist dagegen keine Rede. Die Kommission kann sich somit zur Stützung ihrer These einer bedingten Belieferung nicht auf diese Tabelle von Bestellungen berufen. In dieser Randnummer der Entscheidung wird vielmehr auch ein Schreiben von Bayer Frankreich an CERP Lorraine wiedergegeben, dem die Kommission den Hinweis von Bayer Frankreich entnimmt, "dass sich der (durchschnittliche) monatliche Bedarf von CERP Lorraine auf 9 000 Packungen pro Monat belief. Deshalb wäre Bayer [Frankreich] nicht in der Lage, der gestiegenen Nachfrage im Jahr darauf nachzukommen." Dies ist als Bestätigung für das Vorbringen der Klägerin anzusehen, dass ihre neue Lieferpolitik auf dem herkömmlichen Bedarf jedes Großhändlers beruht habe, der im Fall von CERP Lorraine um das Sieben- bis Achtfache unter den Mengen gelegen habe, die in den Monaten vor der Einführung der neuen Politik bestellt worden seien. Die These der Klägerin wird durch Randnummer 165 der Entscheidung untermauert, in der es heißt, dass Bayer Frankreich die Bestellungen von CERP Lorraine genauestens kontrolliert und eine Belieferung nur im Vorjahresumfang akzeptiert habe.

93 Der Fall des französischen Großhändlers OCP ist ebenso zu beurteilen. In Randnummer 91 der Entscheidung wird die Situation bei diesem Großhändler geschildert, der Bayer Frankreich einen Bestellplan vorgelegt hatte, wonach im März, April und Mai 1992 je 50 000 Packungen Adalat geliefert werden sollten. Es wird ein Fernschreiben dieses Großhändlers an Bayer Frankreich erwähnt, in dem er ihr vorwarf, im Februar nur 15 000 und im März nur 5 000 Packungen geliefert zu haben. Da aber kein Ausfuhrverbot angesprochen oder in Bezug genommen wird, kann sich die Kommission zur Stützung ihrer These der bedingten Belieferung nicht auf dieses Fernschreiben berufen.

94 Der spanische Großhändler Hefame soll nach den Angaben der Kommission ebenfalls als Parallelexporteur ermittelt worden sein. In Randnummer 120 der Entscheidung, in der die Erklärungen wiedergegeben sind, die Hefame unzufriedenen Kunden im Vereinigten Königreich geliefert haben soll, verweist sie insbesondere auf die Bemerkung, dass "der Parallelexport ... zu hoch [ist] und die Multinationale kontrolliert" (was sich der Kommission zufolge auf Bayer bezieht); dies beweise, dass die Klägerin sehr wohl kontrolliert und genau darüber Bescheid gewusst habe, welche Großhändler Parallelexporte durchführten, und gegen diese entsprechende Sanktionen verhängt habe. Das Dokument zeigt zwar, dass Bayer die Lieferungen an Hefame eingeschränkt hatte und damit dessen Kunden vor Probleme stellte; es ist jedoch nicht geeignet, die These der Kommission zu untermauern, dass die Lieferungen vom Endbestimmungsland der gelieferten Erzeugnisse abhängig gewesen seien, da es nichts enthält, was als Beweis für einen Versuch von Bayer ausgelegt werden kann, die Ausfuhren der gelieferten Erzeugnisse zu untersagen und eine solche Praxis mit Sanktionen zu belegen. Vielmehr dürfte die Tatsache, dass sich Bayer auf die Einführung einer Politik von Lieferbegrenzungen auf den nationalen Bedarf beschränkte, durch folgende Sätze in dem in Randnummer 120 der Entscheidung wiedergegebenen Dokument bestätigt werden: "Ich verstehe, dass Sie über diese Nachricht nicht glücklich sind, aber in einem Jahr hat sich alles verändert, und der Parallelexport ist zu hoch und die Multinationale kontrolliert." "Schon seit einiger Zeit haben wir ernsthafte Schwierigkeiten, ausreichende Mengen von [Adalat], ... und ... aus Spanien zu erhalten. ... Es scheint so, dass einmal mehr Bayer und ... alles daran setzen, die Verfügbarkeit ihrer Erzeugnisse strikt nach ihrem vorgeblichen Bedarf für Spanien auszurichten, womit sie den freien Handel innerhalb der EU behindern. Gibt es einen Weg für Sie, Maßnahmen gegen diese Unternehmen einzuleiten?"

95 In den Randnummern 122 bis 124 der Entscheidung werden die von Hefame mit einigen kleinen Großhändlern getroffenen Vereinbarungen dargestellt. In einer dieser Vereinbarungen, die sich bei den Akten der Kommission befindet, verpflichtete sich ein kleiner Großhändler "zur Unterstützung durch Einbringung der Erzeugnisse oder der verfügbaren Mengen dieser Erzeugnisse, um zusammen mit den von Hefame eingebrachten Erzeugnissen die normale und übliche Belieferung der Auslandskunden von Hefame in der erforderlichen Menge zu ermöglichen". Die Kommission trägt vor, Hefame habe diese Vereinbarungen getroffen, weil er gewusst habe, dass er als von der Klägerin ermittelter Parallelexporteur keine weiteren Lieferungen von Adalat erhalten würde. Dies zeige, dass die Lieferungen nicht anhand im Voraus festgelegter Grenzwerte erfolgt seien, da einige unverdächtige Großhändler problemlos höhere Mengen erhalten hätten, und dass die Klägerin zwischen Großhändlern, die im Verdacht gestanden hätten, Parallelexporte vorzunehmen, und denen, die nicht als Parallelexporteure bekannt gewesen seien, klar getrennt habe. Schließlich gehe aus der Entscheidung (Randnr. 124) hervor, dass die Klägerin eine solche Aufteilung unter Großhändlern schnell unterbunden habe, da sie auch die kleinen Großhändler als Parallelexporteure ermittelt und auch deren Liefermengen entsprechend gekürzt habe.

96 Diese Auszüge aus Dokumenten zeigen, dass es Vereinbarungen des genannten Großhändlers mit anderen lokalen Großhändlern gab, mit denen versucht wurde, zusätzliche Packungen Adalat neben denen zu bekommen, die unmittelbar von der Klägerin geliefert worden waren. Sie ergeben jedoch keinen Beweis für die Behauptung, dass die Klägerin ihre Lieferpolitik bei jedem Großhändler von dessen tatsächlichem Verhalten in Bezug auf das Endbestimmungsland der gelieferten Erzeugnisse abhängig machte. Entgegen den Ausführungen der Kommission geht aus den in Randnummer 122 der Entscheidung wiedergegebenen Dokumenten nicht hervor, dass die Lieferungen nach der neuen Politik nicht anhand im Voraus auf der Grundlage des früheren Bedarfs festgelegter Grenzwerte erfolgten. Zudem führt die Kommission in den Randnummern 124 und 168 der Entscheidung selbst aus, bei der praktischen Umsetzung ihrer neuen Politik der Orientierung am früheren Bedarf habe Bayer festgestellt, dass die kleinen Großhändler sich, gemessen an ihrem "normalen" Bedarf auf dem örtlichen Markt, ungewöhnlich große Mengen liefern ließen, und beschlossen, sie nur noch in Höhe ihres herkömmlichen Bedarfs zu beliefern.

97 Zum Fall von Cofares zitiert die Kommission in Randnummer 121 der Entscheidung eine Erklärung, die dieser Großhändler abgegeben habe, als die Kommission in seinen Geschäftsräumen Nachprüfungen anstellte.

98 Diese Erklärung bezieht sich zum einen allgemein auf die Schwierigkeiten, die mehrere Hersteller bei der Lieferung zum Export bestimmter Erzeugnisse gemacht hätten, und zum anderen speziell auf die Gespräche zwischen Cofares und Bayer Spanien über den Umfang des Bedarfs von Cofares auf dem nationalen Markt. In ihr ist zwar von Versorgungsschwierigkeiten die Rede, nicht aber davon, dass Bayer ein Ausfuhrverbot auferlegt oder den Versuch gemacht habe, das tatsächliche Bestimmungsland der in Spanien ausgelieferten Erzeugnisse zu ermitteln, um entsprechend zu reagieren, falls sie exportiert würden. Die Kommission kann die Erklärung somit ebenfalls nicht zur Stützung ihrer These der bedingten Belieferung heranziehen.

99 In Bezug auf Hufasa wird in Randnummer 127 der Entscheidung der Bericht dieses Großhändlers über eine Sitzung mit den Führungskräften von Bayer Spanien wiedergegeben, bei der Hufasa versuchte, zusätzliche Lieferungen zu erhalten; diesem Dokument misst die Kommission besonderen Beweiswert für das Ausfuhrverbot bei (vgl. Randnrn. 166 und 167 der Entscheidung).

100 Das Dokument von Hufasa enthält jedoch keinen Hinweis auf ein von der Klägerin auferlegtes Ausfuhrverbot oder darauf, dass sie eine Politik systematischer nachträglicher Kontrolle der tatsächlichen Bestimmungsländer der gelieferten Erzeugnisse verfolgt hätte. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ergibt sich aus diesem Dokument kein Anhaltspunkt für ein angebliches Bedürfnis von Hufasa, Bayer klar zu machen, dass sie keine Exporte vornehme.

101 Zudem werden in der Entscheidung selbst Tatsachen geschildert (Randnrn. 96 und 159), die die These der Klägerin zur eingeführten Lieferpolitik bestätigen. So widerspricht die Entscheidung in Randnummer 96, in der es heißt, Bayer Frankreich akzeptiere immer eine als normal geltende Abweichung von ca. 10 % vom französischen Bedarf, selbst der These der Kommission, dass Bayer nie so vorgegangen sei. Gleiches gilt für Randnummer 159, wo es unter Bezugnahme auf die Randnummern 78 und 79 heißt, dass "die Kommission über Listen mit der Angabe der monatlich bestellten Mengen nebst der Steigerung ihres Volumens im Vergleich zu den für das Vorjahr erstellten Statistiken [verfügt]".

102 Schließlich kann die Kommission im vorliegenden Fall dem Vorbringen der Klägerin, dass die Liefermengen im Voraus anhand des früheren Bedarfs des Betreffenden zuzüglich 10 % und unabhängig von etwaigen Ausfuhren der Erzeugnisse festgelegt worden seien, nicht entgegenhalten, dass diese Politik nicht stets genau oder automatisch angewandt worden sein könne. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, da ihre neue Lieferpolitik mit mehrmonatiger Verzögerung umgesetzt worden sei, sei es möglich, dass bei Großhändlern, die nach der Beschlussfassung erhebliche Mengen von Produkten erhalten hätten, anschließend die Lieferungen auf ein Niveau gekürzt worden seien, das nach den internen Statistiken des Bayer-Konzerns ihrem herkömmlichen Bedarf entsprochen habe. Dies sei u. a. bei CERP Lorraine der Fall gewesen (vgl. Randnr. 87 der Entscheidung), der Anfang 1991 Bestellungen von über 60 000 Packungen Adalat pro Monat in vollem Umfang erhalten habe, später aber nur 9 000, was seinen Bestellungen vor dem Auftreten der Parallelimporte entspreche. Auch dass die von der Klägerin nicht als Exporteure eingestuften Großhändler leichter als die als Exporteure bekannten Großhändler zusätzliche Mengen bekommen konnten - was für sich genommen von der Klägerin offenbar nicht bestritten wird -, kann an der vorstehenden Einschätzung nichts ändern, dass es an Beweisen für die angebliche Politik der Kontrolle tatsächlich vorgenommener Exporte und der Verhängung von Sanktionen gegen die Exporteure fehlt.

103 Zu den angeblich beweiskräftigen Unterlagen, die in Bezug auf Frankreich in den Randnummern 83 bis 85 und 96 bis 103 der Entscheidung und in Bezug auf Spanien in den Randnummern 110 bis 131 aufgeführt sind und auf die in Randnummer 160 der Entscheidung zur Stützung der These der Kommission verwiesen wird, genügt die Feststellung, dass sie ebenso wie die Dokumente in den Randnummern, auf die oben näher eingegangen wurde, nicht belegen, dass Bayer eine Lieferpolitik verfolgte, die von der tatsächlichen Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhing.

104 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts zur Stützung ihrer These, dass die Belieferung von der Einhaltung des Ausfuhrverbots abhängig gewesen sei, auf die Randnummern 80, 110, 140 und 147 der Entscheidung verwiesen.

105 In diesen Randnummern der Entscheidung werden Schriftwechsel zwischen den Verantwortlichen der britischen und der französischen Tochtergesellschaft, zwischen der spanischen Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft des Bayer-Konzerns und zwischen der britischen Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft sowie ein interner Vermerk des Vorstands von Bayer Frankreich wiedergegeben. Alle diese Unterlagen betreffen die praktische Umsetzung der neuen Lieferpolitik und des Vertriebskontrollsystems für Adalat durch den Bayer-Konzern, die zur Bekämpfung der Parallelimporte dienten. Die Unterlagen beweisen, dass der Bayer-Konzern ein Interesse an der Ermittlung der Großhändler mit Exportabsichten hatte. Da die Unterlagen keinen Hinweis darauf enthalten, dass die Absicht bestand, das Verhalten jedes Großhändlers zu kontrollieren und Sanktionen zu verhängen, wenn sich herausstellte, dass er die gelieferten Erzeugnisse exportiert hatte, kann sich die Kommission zur Stützung ihrer These nicht auf sie berufen.

106 Schließlich können die auf die subjektive Einschätzung der Situation durch die Großhändler gestützten Argumente der Kommission nichts an den vorstehenden Schlussfolgerungen in Bezug auf den angeblichen Willen der Klägerin ändern, ein Ausfuhrverbot durchzusetzen und bei dessen Nichteinhaltung Sanktionen zu verhängen.

107 Die Kommission trägt vor, die Großhändler hätten die Beweggründe der Klägerin gekannt und die Liefereinschränkungen von Bayer deshalb als Reaktion auf die Ausfuhren angesehen. Die Großhändler hätten großes Interesse an der formalen Einhaltung des Ausfuhrverbots gehabt und dieses Verbot somit akzeptiert, um ihre ausreichende Versorgung mit Adalat sicherzustellen. Großhändler, die das Ausfuhrverbot nicht befolgt hätten, seien Drohungen und Sanktionen von Bayer ausgesetzt gewesen.

108 Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission jedoch nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ein System zur Kontrolle des Endbestimmungslandes der nach der neuen Politik gelieferten Erzeugnisse und der vom Bestimmungsland abhängigen Belieferung eingeführt hat. Das Argument, die Großhändler hätten großes Interesse an der formalen Einhaltung des Ausfuhrverbots gehabt, um ihre ausreichende Versorgung mit Adalat sicherzustellen, greift daher nicht durch. Zudem hat die Kommission keinen rechtlich hinreichenden Nachweis dafür erbracht, dass Großhändler, die sich zum Export von Adalat-Packungen entschlossen hatten, von Bayer deshalb mit Sanktionen belegt und bedroht worden wären. Die Kommission hat auch nicht einmal ansatzweise nachgewiesen, dass Bayer von den Großhändlern "gefordert" hätte, die gelieferten Erzeugnisse nicht auszuführen, oder dass ein Großhändler Bayer "Zusagen" in Bezug auf die Ausfuhren gegeben hätte. Wie die Klägerin vorträgt, brauchten die Großhändler vielmehr mangels einer Überprüfung des Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse keine Sanktionen zu befürchten und taten dies auch nicht, wie die in Randnummer 185 der Entscheidung zitierte Erklärung eines Großhändlers zeigt: "Wichtig ist, was man erhält, nicht, was bestellt wird." Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass die Großhändler die Absicht der Klägerin kannten, Parallelimporte zu verhindern, den angeblichen Zusammenhang zwischen den Lieferbeschränkungen und dem Ausfuhrverhalten der Großhändler nicht belegen.

109 Nach dem Vorstehenden hat die Kommission weder rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass Bayer Frankreich und Bayer Spanien ihren jeweiligen Großhändlern ein Ausfuhrverbot auferlegt haben, noch dass Bayer eine systematische Kontrolle des tatsächlichen Endbestimmungslandes der nach der Einführung ihrer neuen Lieferpolitik gelieferten Adalat-Packungen vorgenommen, exportierende Großhändler bedroht und mit Sanktionen belegt oder die Lieferungen von Adalat von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängig gemacht hat.

110 Schließlich geht aus den in der Entscheidung wiedergegebenen Unterlagen auch nicht hervor, dass die Klägerin versucht hätte, mit den Großhändlern eine Vereinbarung über die Umsetzung ihrer auf die Verringerung der Parallelimporte gerichteten Politik zu erzielen.

2. Zum angeblichen Willen der Großhändler, sich der auf die Verringerung der Parallelimporte gerichteten Politik der Klägerin anzuschließen

a) Vorbemerkungen

111 Die Klägerin räumt ein, im vorliegenden Fall einseitig eine neue Lieferpolitik beschlossen und umgesetzt zu haben, um den Großhändlern ihre Parallelexporte zu erschweren. Wie bereits ausgeführt, kann nach der Rechtsprechung ein anscheinend einseitiges Verhalten eines Herstellers im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern in Wirklichkeit Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages sein, wenn erwiesen ist, dass die übrigen Vertragspartner dem Verhalten des Herstellers ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben.

112 Die Kommission trägt vor, die Klägerin habe bei der Durchführung ihrer Politik der Lieferbeschränkungen auf die Zustimmung der Großhändler gezählt.

113 Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist daher zu prüfen, ob die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass sich die Großhändler der einseitigen Politik von Bayer zur Verhinderung von Parallelimporten ausdrücklich oder stillschweigend angeschlossen haben.

b) Zum Beweis für eine "konkludente Einwilligung" der Großhändler

114 Die Kommission führt in Randnummer 176 der Entscheidung aus, die Großhändler hätten "ein Verhalten gezeigt, das eine konkludente Einwilligung in das Exportverbot darstellt"; dieses Verhalten wird in den Randnummern 181 bis 185 näher beschrieben. Sie zieht diesen Schluss aus einer Reihe von Gesichtspunkten, die sie für erwiesen hält.

115 Erstens weist die Kommission darauf hin (Randnr. 180), dass die Großhändler zum einen das Ausfuhrverbot gekannt hätten, was "in der Rechtssache Sandoz entscheidend" gewesen sei, nach der "[a]llein die Tatsache, dass [die Großhändler] angesichts dieses Exportverbots nicht reagiert haben, ... zu dem Schluss geführt [hat], dass sie dieses akzeptierten und dass die für die Existenz einer Vereinbarung erforderlichen Elemente vorhanden waren"; zum anderen sei das Ausfuhrverbot wie in der genannten Rechtssache Teil der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Bayer Frankreich und Bayer Spanien und deren jeweiligen Großhändlern gewesen.

116 Zweitens trägt sie vor (Randnr. 180), als zusätzliches Element zu den Faktoren, die in der Rechtssache, die zum Urteil Sandoz geführt habe, als relevant festgehalten worden seien, beweise das "Verhalten der Großhändler ..., dass sie nicht nur verstanden haben, dass ein Exportverbot für die gelieferten Waren galt, sondern darüber hinaus, dass sie ihr Verhalten an dieses Verbot [angepasst haben]".

117 Die Kommission sieht diese "Ausrichtung des Verhaltens der Großhändler auf die Anforderungen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien" als erwiesen an und geht dabei von der Feststellung aus, dass die Großhändler, nachdem sie die eigentlichen Absichten von Bayer Frankreich und Bayer Spanien durchschaut hätten, "zumindest zum Schein ... deutlich [gemacht haben], dass sie die Bedingung des Exportverbots, das ihr Lieferant im Rahmen ihrer Handelsbeziehungen festgesetzt hat, akzeptieren" (Randnr. 181). Sie hätten sich nämlich bei der Gestaltung ihrer Bestellungen an die Forderung von Bayer Frankreich und Bayer Spanien angepasst, wie die verschiedenen Systeme belegten, die sie verwandt hätten, um beliefert zu werden, insbesondere das System der Aufteilung der Bestellungen für die Ausfuhr auf die verschiedenen Vertretungen sowie die an kleine Großhändler weitergegebenen Bestellungen (Randnr. 182).

118 Der Entscheidung zufolge (Randnrn. 183 und 184) haben die Großhändler "begonnen, die ihnen auferlegten nationalen $Quoten` einzuhalten. Durch Verhandeln haben sie jedoch versucht, diese $Quoten` so weit wie möglich zu erhöhen, wobei sie sich der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gemachten Vorgabe unterworfen und sich strikt an die für die Versorgung des nationalen Marktes als normal angesehenen Zahlen gehalten haben." Diese Haltung beweise, dass sie "die eigentlichen Gründe von Bayer Frankreich und Bayer Spanien sowie die von diesen Gesellschaften eingeführten Mechanismen, mit denen Parallelexporten gegengesteuert werden sollte, kannten: Sie [passten] sich an das von ihrem Vertragspartner eingeführte System an, um dessen Anforderungen einzuhalten."

119 Erstens hat die Kommission jedoch, wie bereits ausgeführt, weder rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass Bayer eine Politik systematischer Überwachung des Endbestimmungslandes der gelieferten Adalat-Packungen vorgenommen oder die sie exportierenden Großhändler bedroht und mit Sanktionen belegt hat, noch dass Bayer Frankreich und Bayer Spanien ihren jeweiligen Großhändlern ein Ausfuhrverbot auferlegt haben oder dass die Lieferungen von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängig gemacht wurden.

120 Zweitens gibt es in den Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass Bayer Frankreich oder Bayer Spanien von den Großhändlern irgendein Verhalten in Bezug auf das Endbestimmungsland der gelieferten Adalat-Packungen gefordert oder eine bestimmte Form der Auftragserteilung vorgeschrieben hätten; ihre Politik bestand nur darin, durch vorherige Festlegung der zu liefernden Mengen anhand des herkömmlichen Bedarfs die Lieferungen einseitig zu begrenzen.

121 Schließlich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Klägerin versucht hat, für die Umsetzung ihrer Politik das Einverständnis oder die Zustimmung der Großhändler zu erlangen. Sie hat nicht einmal vorgetragen, dass Bayer von den Großhändlern verlangt habe, die Methode der Auftragserteilung zu ändern.

122 Folglich sind die Ausführungen in den Randnummern 181 bis 185 der Entscheidung, auf deren Grundlage die Kommission die Ansicht vertritt, dass sich die Großhändler dem angeblichen Ausfuhrverbot angeschlossen hätten, nicht stichhaltig, da sie auf unbewiesenen tatsächlichen Angaben beruhen.

123 Da die Kommission im vorliegenden Fall die Existenz der Willensübereinstimmung mit keinem Schriftstück belegen kann, in dem ausdrücklich von einer Vereinbarung zwischen Bayer und ihren Großhändlern über die Ausfuhren die Rede ist, macht sie geltend, der Rechtsprechung gefolgt zu sein und das tatsächliche Verhalten der Großhändler geprüft zu haben, um das Vorliegen von deren Zustimmung festzustellen. In Randnummer 180 der Entscheidung führt sie aus, im vorliegenden Fall beweise das "Verhalten der Großhändler ..., dass sie nicht nur verstanden haben, dass ein Exportverbot für die gelieferten Waren galt, sondern darüber hinaus, dass sie ihr Verhalten an dieses Verbot [angepasst haben]". Nach Ansicht der Klägerin ist dagegen gerade dieses Verhalten der beste Beweis für das Fehlen einer Willensübereinstimmung.

124 Unter diesen Umständen des vorliegenden Falles ist daher zu prüfen, ob die Kommission aus dem tatsächlichen Verhalten der Großhändler nach der Einführung der neuen Politik von Lieferbeschränkungen durch die Klägerin auf eine Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik schließen durfte.

i) Das Verhalten der französischen Großhändler

125 Zunächst ist auf Randnummer 96 der Entscheidung hinzuweisen, in der die Kommission allgemein beschreibt, wie sich die drei französischen Großhändler organisiert hätten, um beliefert zu werden:

"Die drei Großhändler haben dieselbe Methode verwendet: Sie geben keine Bestellungen für den Export mehr auf und organisieren sich intern, um die offiziell für den französischen Markt bestimmten Bestellungen zu erhöhen.

Bayer Frankreich akzeptiert immer eine als normal geltende Abweichung von ca. 10 % vom französischen Bedarf. Die Großhändler sind mit einer Reihe örtlicher, auf das ganze Land verteilter Vertretungen organisatorisch verbunden, die normalerweise auf lokaler Ebene die Versorgung übernehmen.

Die Frankreich-Bestellungen jeder dieser Vertretungen nehmen zu und enthalten gegenüber Bayer Frankreich keinerlei Hinweis auf die Endbestimmung. Es geht darum, Bayer Frankreich glauben zu lassen, dass die Nachfrage in Frankreich zugenommen hat, indem sie auf die verschiedenen Vertretungen aufgeteilt wird. Die in Wirklichkeit für die Ausfuhr bestimmten Mengen werden anschließend intern auf der Ebene des Großhändlers für die Ausfuhr umgeleitet."

126 In den Randnummern 97 bis 101 der Entscheidung, in denen die Strategie des Großhändlers CERP Rouen zur Umgehung der von Bayer eingeführten Politik der Lieferbeschränkungen dargestellt wird, sind mehrere Schreiben wiedergegeben, die zwischen Oktober 1991 und Januar 1992 von der zentralen Einkaufsabteilung von CERP Rouen an die Direktoren der lokalen Vertretungen des Konzerns gerichtet wurden, um zusätzliche Adalat-Packungen zu erlangen, die die innerhalb des Konzerns mit der Ausfuhr in das Vereinigte Königreich betraute Vertretung von Boulogne benötigte. Entgegen der Behauptung der Kommission sind die Auszüge aus diesen Schriftstücken jedoch kein Beweis dafür, dass sich der betreffende Großhändler bereit erklärt hätte, nicht mehr zu exportieren, seine Bestellungen zu verringern oder seine Ausfuhren einzuschränken, oder dass er versucht hätte, bei Bayer diesen Eindruck zu erwecken. Sie veranschaulichen nur die Reaktion eines Unternehmens, das versucht, seine Ausfuhren so weit wie möglich fortzusetzen. Eine Absicht, sich der auf die Behinderung der Ausfuhren abzielenden Politik von Bayer - die der Großhändler genau kannte, wie Randnummer 94 der Entscheidung zeigt - anzuschließen, wird weder direkt erwähnt, noch gibt es dafür ein Indiz.

127 Die Prüfung der in den Randnummern 102 und 103 der Entscheidung behandelten Unterlagen, die die Fälle CERP Lorraine und OCP betreffen, bestätigt diese Analyse nur. Im Übrigen beweist Randnummer 102, dass es CERP Lorraine trotz der Schwierigkeiten aufgrund der Haltung von Bayer gelang, beträchtliche Mengen für die Ausfuhr zu erhalten. Diese Randnummer enthält einen Auszug aus einem internen Bericht von CERP Lorraine, in dem der Verfasser ausführt:

"Obwohl ich kurzfristig keine positive Lösung hinsichtlich der Bayer-Lieferungen sehe (es gelingt uns, einige minimale Mengen des Erzeugnisses über die Vertretungen zu erhalten), bin ich der Ansicht, dass das Budget am Ende des Geschäftsjahrs realisiert werden können müsste."

128 Die in den Randnummern 105, 106 und 107 wiedergegebenen Unterlagen sprechen gegen die von der Kommission vertretene These, denn sie zeigen, dass die Großhändler CERP Lorraine und CERP Rouen ihre Bestellungen nicht wirklich an die neue Politik der Lieferbeschränkungen von Bayer anpassten. Darin heißt es, Bayer habe die von CERP Lorraine gewünschten Lieferungen von Adalat behindert (Randnr. 105), die Nachfrage von CERP Rouen habe sich Anfang 1992 auf "bis zu 50 000 Packungen pro Monat" belaufen, sei aber nur "bis zu 7 000 Packungen" befriedigt worden (Randnr. 106), und OCP habe Bayer eine Schätzung mit Bestellungen von 50 000 Packungen pro Monat für Februar und März 1992 übersandt, aber nur 15 000 Packungen im Februar und 5 000 Packungen im März erhalten (Randnrn. 91 und 107).

129 Folglich können die in den Randnummern 96 bis 107 der Entscheidung wiedergegebenen Auszüge die These von der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der französischen Großhändler zu der von Bayer eingeführten Politik nicht stützen. Sie lassen keine Bereitschaft erkennen, sich der von Bayer eingeführten Politik der Verhinderung von Parallelexporten anzuschließen. Sie zeugen vielmehr vom festen und dauerhaften Willen dieser Großhändler, sich einer ihren Interessen grundlegend zuwiderlaufenden Politik zu widersetzen.

ii) Das Verhalten der spanischen Großhändler

130 Auch in Bezug auf die spanischen Großhändler enthalten die Randnummern 113 bis 130 der Entscheidung keinen Gesichtspunkt, der die von der Kommission vertretene These einer stillschweigenden Zustimmung stützen könnte.

131 Die Randnummern 115, 118, 119 und 120 sprechen vielmehr gegen diese These. Aus ihnen ergibt sich zum einen, dass Bayer Spanien dauerhaft an ihrer Politik der Lieferbeschränkungen auf den herkömmlichen Bedarf festhielt und dass zum anderen die Großhändler sehr über die Verluste verärgert waren, die entstanden, weil sie die zur Befriedigung der Nachfrage ihrer britischen Kunden erforderlichen Mengen nicht erhalten konnten. Insbesondere ist auf Randnummer 115 hinzuweisen, in der Auszüge aus Schreiben wiedergegeben sind, die zwischen CERP Rouen und seiner spanischen Tochtergesellschaft Comercial Genové ausgetauscht wurden: "Ich möchte wöchentlich für Adalate und ... die Kopie der Bestellscheine bei den Herstellern sowie die Lieferscheine für diese Bestellungen erhalten. Ich versuche, eine umfassende Akte hinsichtlich der Hersteller zusammenzustellen ..." "Im Hinblick auf Ihr Fax von heute zu den Herstellern ... und Bayer versichere ich Ihnen, dass ich alles versuche, um eine über unserem Bedarf liegende Versorgung zu erhalten. Diese Hersteller weigern sich, irgendwelche Argumente in Betracht zu ziehen. Sie wissen, dass die Mengen, die sie uns liefern, für die Deckung des Bedarfs des spanischen Marktes völlig ausreichen ..." Auch die Zitate in Randnummer 118 - "[Sie liefern] nicht so viel ..., wie wir benötigen. Wir haben lediglich Bestände für unseren Markt." - und in Randnummer 119 - "[Bayer liefert] uns die bestellten Mengen nicht" - zeigen, dass die Großhändler ihre Bestellpolitik entgegen der Behauptung der Kommission nicht an die neue Situation anpassten und weiterhin ihren herkömmlichen Bedarf übersteigende Mengen anforderten.

132 Zu prüfen ist die Sachlage bei jedem der von der Entscheidung betroffenen spanischen Großhändler.

133 Zu Cofares, dem größten spanischen Großhändler, heißt es in Randnummer 121 der Entscheidung, der Beweis für seine Zustimmung bestehe in der Erklärung, die Vertreter dieses Unternehmens bei einer Nachprüfung der Kommission in dessen Geschäftsräumen abgegeben hätten. Der Vertreter von Cofares habe sich wie folgt geäußert: "Die Ausfuhrtätigkeit von Cofares ist aufgrund der Schwierigkeiten, die bestimmte Hersteller (unter ihnen Bayer) für den Wareneingang für die Ausfuhr machen, in der Gesamtfakturierung kaum spürbar. Als Bayer für Cofares ein Adalat-Kontingent festsetzte, das zunächst überhaupt nicht ausreichte, um den Bedarf seines nationalen Marktes zu decken, warnte er sie in seiner Eigenschaft als Verkaufsdirektor vor einer möglichen Klage wegen derartiger Verkaufsbeschränkungen. Von diesem Zeitpunkt an lieferte Bayer Cofares eine ausreichende Menge für den nationalen Verbrauch des genannten Erzeugnisses."

134 Entgegen der Behauptung der Kommission kann daraus nicht entnommen werden, "dass Cofares der Forderung von Bayer Spanien nachgekommen ist, sich auf seinen nationalen Markt zu beschränken".

135 Der erste Satz, wonach der geringe Anteil der Ausfuhren am Umsatz auf die Schwierigkeiten zurückzuführen sei, die bestimmte Hersteller bei der Lieferung von Waren für die Ausfuhr machten, ist als solcher kein unmittelbarer Beweis für eine Vereinbarung zwischen diesem Großhändler und Bayer Spanien, die erhaltenen Adalat-Packungen nicht zu exportieren. Aus der Tatsache, dass die Ausfuhren gering waren, kann nicht geschlossen werden, dass es keine Ausfuhren gab oder dass sie eingestellt worden waren. Sie kann vielmehr als Beleg dafür dienen, dass Cofares zumindest teilweise weiterhin exportierte. Dass aus der Entscheidung, anders als bei den übrigen Großhändlern, nicht hervorgeht, dass Cofares eine Strategie zur Umgehung der Politik von Bayer verfolgte, kehrt die Beweislast für seine Zustimmung zur neuen Politik von Bayer nicht um; diese verbleibt bei der Kommission. Da es sich (nach den Angaben in Randnr. 112 der Entscheidung) um den größten spanischen Großhändler mit einem Marktanteil von 20,6 % handelte, durfte die Kommission die in Randnummer 121 wiedergegebene Erklärung nicht als Beweis dafür ansehen, dass Cofares der Forderung von Bayer Spanien nachgekommen ist, sich auf seinen nationalen Markt zu beschränken, ohne geprüft zu haben, ob Cofares traditionell viel exportierte, und ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Cofares schlicht beschlossen hatte, sich mit Ausfuhren nur ganz am Rande zu befassen; das konnte die vernünftigste Entscheidung sein, nachdem sich herausstellte, wie schwierig die Erlangung über den üblichen Bedarf hinausgehender Mengen des Erzeugnisses war. Dies gilt um so mehr, als in der Entscheidung nicht auf die relative Bedeutung von Adalat für den Gesamtabsatz von Cofares eingegangen wird.

136 Im Übrigen ist dieser Erklärung des Vertreters von Cofares statt eines Anhaltspunkts für eine angebliche Zustimmung zu einem angeblichen Ausfuhrverbot eher zu entnehmen, dass die Politik der Lieferbeschränkungen von Bayer zusammen mit den Schwierigkeiten, die andere Hersteller machten, diesen Großhändler veranlasst hatte, erst nach ausreichender Versorgung des inländischen Marktes an die Ausfuhr zu denken. Diese Auslegung erscheint vor allem deshalb plausibler als die der Kommission, weil die Großhändler verpflichtet sind, einen ausreichenden und zuverlässigen Vertrieb der Erzeugnisse auf dem Inlandsmarkt zu gewährleisten, und weil es sich um den wichtigsten inländischen Großhändler handelt.

137 Nach Randnummer 137 der Entscheidung zeigen die von Cofares auf Ersuchen der Kommission gelieferten Exportzahlen für die Jahre 1989 bis 1993, dass sich die Exporte "auf einem minimalen Niveau" gehalten hätten; dies beweise, dass "Cofares ... die von Bayer Spanien auferlegte Regelung akzeptiert und ... sich strikt auf den spanischen Inlandsmarkt [beschränkt]" habe.

138 Aus der Prüfung dieser Zahlen ergibt sich jedoch eher das Gegenteil, denn es handelt sich zwar um einen minimalen Prozentsatz des Gesamtabsatzes von Cofares, doch nahm der auf Ausfuhren von Adalat entfallende Prozentsatz im Lauf der Jahre unregelmäßig, aber stetig zu, wie die Tatsache zeigt, dass der niedrigste Prozentsatz der fünf fraglichen Jahre genau im ersten Jahr, 1989, lag. Schließlich konnte die Kommission schwerlich zu dem oben genannten Schluss kommen, ohne die Angaben für die Jahre vor 1989, d. h. für den Zeitraum unmittelbar vor der Einführung der Politik von Lieferbeschränkungen durch Bayer Spanien, zu kennen. Ohne diese Informationen lässt sich nicht ermitteln, ob Cofares seine Tendenz, das fragliche Erzeugnis zu exportieren, nach der Einführung der genannten Politik von Bayer geändert hat.

139 In Bezug auf den Abschnitt der Erklärung, der die Gespräche zwischen dem Vertreter von Cofares und Bayer Spanien betrifft, ist zu prüfen, ob die Tatsache, dass sich die Parteien auf eine Erhöhung der diesem Großhändler von Bayer ursprünglich zur Deckung seines Inlandsbedarfs zugeteilten Liefermengen einigten, ohne direkte oder indirekte Bezugnahme auf die Freiheit, die erhaltenen Mengen auszuführen, die Zustimmung des Großhändlers zu der auf die Erschwerung von Parallelexporten abzielenden Politik der Klägerin belegt. Randnummer 143 der Entscheidung enthält einen Auszug aus einem Schriftstück, auf das, obwohl es von der Kommission im Rahmen dieser Frage nicht unmittelbar herangezogen wurde, hinzuweisen ist, da es sich um ein internes Memorandum von Bayer Spanien handelt, in dem ebenfalls auf das Kontingent Bezug genommen wird, das Cofares zur Deckung seines Bedarfs auf dem Inlandsmarkt von der Klägerin ursprünglich zugestanden wurde.

140 Aus diesem internen Memorandum geht hervor, dass Bayer Spanien und Cofares über die Mindestmengen sprachen, die geliefert werden mussten, damit dieser Großhändler den wachsenden und sich ausweitenden Bedarf auf dem Inlandsmarkt befriedigen konnte, und dass sie sich über die diesem Bedarf entsprechenden Zahlen einigten. Es dürfte unstreitig sein, dass Bayer Spanien Cofares die Lieferung zumindest der genannten Mengen zusicherte. Ferner ist klar ersichtlich, dass Bayer Spanien angesichts ihrer rechtlichen und moralischen Verpflichtung, den ausreichenden Vertrieb ihrer Erzeugnisse auf dem spanischen Markt sicherzustellen, zu einer Änderung des ursprünglich festgelegten verringerten Lieferumfangs bereit war, wenn Probleme bei der Versorgung des Inlandsmarktes auftraten.

141 In diesem internen Memorandum gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Freiheit von Cofares eingeschränkt worden wäre, die nach den Gesprächen über den Umfang des Inlandsbedarfs erhaltenen Erzeugnisse zu exportieren. Das Vorbringen der Kommission, Cofares sei erst beliefert worden, nachdem er der Klägerin zugesichert habe, dass die Lieferungen allein für den Inlandsmarkt bestimmt seien, entbehrt daher der Grundlage. Schließlich hat Bayer Spanien während der Verhandlungen ausgeführt, dass die von den Großhändlern nicht belieferten spanischen Apotheken unmittelbar vom Hersteller beliefert würden. Dieser Umstand ist aber kein Anhaltspunkt dafür, dass die Großhändler, wenn sie beschlossen, die Erzeugnisse selbst um den Preis der Vernachlässigung von Teilen des Inlandsmarktes zu exportieren, von Bayer Spanien daran gehindert oder mit Sanktionen belegt wurden; er deutet eher darauf hin, dass sie dabei vom Hersteller gedeckt wurden.

142 Unter diesen Umständen kann weder das in Randnummer 143 der Entscheidung behandelte Schriftstück noch die in Randnummer 121 der Entscheidung wiedergegebene Erklärung des Vertreters von Cofares als Beweis für die angebliche "Forderung" von Bayer Spanien, sich auf den nationalen Markt zu beschränken, oder für die Erfuellung dieser Forderung durch Cofares angesehen werden.

143 Sodann wird in der Entscheidung (Randnr. 122) geschildert, wie der spanische Großhändler Hefame ein System eingeführt habe, um sich Adalat-Packungen für den Export zu verschaffen. Sie enthält eingehende Angaben zu einer Mustervereinbarung namens "Protokoll über die Zusammenarbeit für die Auslandsmärkte", die Hefame mit mehreren kleinen Großhändlern traf, um größere Mengen für die Ausfuhr interessanter Arzneimittel, darunter Adalat, zu erlangen. In diesem Schriftstück gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass Hefame mit seinem Verhalten der neuen Politik von Bayer zuzustimmen gedachte.

144 Die Beschreibung des Verhaltens der spanischen Tochtergesellschaften von CERP Rouen - Comercial Genové, Hufasa und Disdasa - in den Randnummern 125 bis 129 der Entscheidung bestätigt, dass es keinen Beweis für eine Willensübereinstimmung oder eine Zustimmung zur Politik der Verhinderung von Parallelimporten gibt.

145 Die Kommission selbst führt in Randnummer 126 der Entscheidung aus: "Bei Comercial Genové wurden Unterlagen gefunden, aus denen hervorgeht, dass CERP Rouen seine spanischen Tochtergesellschaften - Comercial Genové, Hufasa und Disdasa - benutzt hat, um der britischen Nachfrage nachzukommen. CERP Rouen hat sich somit wie ein internationaler Konzern verhalten, der alle Möglichkeiten sowohl in Frankreich als auch in Spanien nutzt, um die Lieferung der erforderlichen Mengen für seine britischen Kunden zu erreichen. In diesem System sind die spanischen Tochtergesellschaften genau wie die übrigen französischen Regionalvertretungen benutzt worden: Sie wurden gebeten, ihre Bestellungen für den spanischen Markt in plausibler Art und Weise zu erhöhen, und die auf diese Weise zusammengetragenen Mengen sind den britischen Kunden für Rechnung von CERP Rouen geliefert worden."

146 Anschließend wird in der Entscheidung auf den Großhändler Hufasa eingegangen (Randnr. 127) und ein Bericht über ein Treffen zwischen diesem und Bayer Spanien wiedergegeben, der belegen soll, dass "Hufasa ... vollständig auf die Argumente von Bayer ein[geht]: Man muss sich auf den Inlandsverkauf konzentrieren". Dabei beruft sich die Kommission u. a. auf folgendes Zitat: "[Wir waren] zu einer Einigung mit Bayer gekommen ..., um die wichtigsten Lieferungen von Adalat beizubehalten; es ist besser, keine Zahlen auftauchen zu lassen, die nicht als für Hufasa möglich akzeptiert werden und das Interesse an einem bedeutenden Exportvolumen verraten könnten."

147 Diesem Bericht zufolge fand ein Gespräch zwischen einem Vertreter von Hufasa und leitenden Mitarbeitern von Bayer Spanien statt, in dessen Verlauf die Mitarbeiter von Bayer die Lieferung der bestellten Mengen mit der Begründung ablehnten, dass sie 50 % des Inlandsmarktes darstellten und weit über den Bestellungen anderer Unternehmen desselben Gebietes lägen; der Vertreter von Hufasa reagierte darauf mit dem Hinweis, dass sein Unternehmen vor allem deshalb größere Mengen von Adalat benötige, weil der Bedarf für den Inlandsmarkt anhand eines atypischen Jahres geschätzt worden sei, in dem sich das Unternehmen in einer Krise befunden habe, die zu einem ungewöhnlich niedrigen Umfang der Käufe von Adalat geführt habe. Im Anschluss an dieses Gespräch soll sich Bayer verpflichtet haben, die Obergrenze für die Belieferung zu überprüfen und auf das Niveau eines anderen, nicht namentlich genannten Großhändlers anzuheben.

148 Dieser Bericht ist ein klarer Beweis dafür, dass die wahren Absichten und das tatsächliche Verhalten der spanischen Tochtergesellschaften von CERP Rouen alles andere als deren Willen zeigen, sich der Politik von Bayer, Parallelimporte zu verhindern, zu beugen oder anzupassen. Es genügt insoweit, den Abschnitt des Schriftstücks zu zitieren und im Kontext der von CERP Rouen verfolgten Konzernstrategie zu sehen, der den oben genannten Ausführungen folgt: "[Ich] war ... der Ansicht, dass es wichtiger war, eine Menge von Adalat für Exporte mit sehr glaubwürdigen Zahlen zu erhalten, als eine sehr hohe Zahl in den Bestellungen aufrechtzuerhalten, die dann aber doch nicht geliefert würden. Wichtig ist, was man erhält, nicht, was bestellt wird. Dies ist sicher der Grund, aus dem ... weniger als vorgesehen bestellt." Zudem trifft es zwar zu, dass Hufasa, wie der wiedergegebene Bericht zeigt, hart mit Bayer Spanien verhandelt hat, um sie davon zu überzeugen, dass der herkömmliche Inlandsbedarf von Hufasa höher ist und gedeckt werden muss; dies kann jedoch nicht zur Stützung der Behauptung der Kommission dienen, dass "Hufasa ... vollständig auf die Argumente von Bayer ein[geht]: Man muss sich auf den Inlandsverkauf konzentrieren."

149 Schließlich spricht der Vertreter von Hufasa in diesem Bericht zwar von einer "Einigung mit Bayer ..., um die wichtigsten Lieferungen von Adalat beizubehalten", zu der der spanische Großhändler mit Bayer Spanien gelangt sein soll, doch ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Äußerung und ihrem Kontext, dass sich die Parteien darauf beschränkten, über die genaue Ermittlung der von dem Großhändler herkömmlich nachgefragten Mengen - dem Kriterium, an dem die Klägerin ihre neue Lieferpolitik ausrichten wollte - und die Erhöhung der Zahlen des Inlandsbedarfs und damit der Mengen zu verhandeln, auf die Hufasa nach diesem Kriterium Anspruch haben sollte. Da der Satz "Dies ließ sie vermuten, dass ein bedeutender Teil der Erzeugnisse für die Ausfuhr bestimmt ist" nur eine subjektive Einschätzung des Vertreters von Hufasa ist, kann er nicht als Beleg für eine Absicht von Bayer herangezogen werden, die Frage der Ausfuhren oder der tatsächlichen Bestimmungsländer der gelieferten Erzeugnisse anzuschneiden. Im Übrigen kann er jedenfalls nichts am allgemeinen Sinn des Berichtes ändern, in dem nur die Schwierigkeiten zum Ausdruck kommen, auf die Bayer Spanien bei der Umsetzung ihrer neuen Politik der Lieferkürzungen stieß, und in dem es sonst keinen Beweis dafür gibt, dass Bayer Spanien und Hufasa eine Vereinbarung zur Begrenzung oder Verhinderung von Parallelexporten der gelieferten Adalat-Packungen getroffen hätten. Die fehlende Willensübereinstimmung in Bezug auf die Ausfuhren wird im Übrigen durch den Wortlaut dieser Randnummer der Entscheidung selbst bestätigt, in der die Kommission ausführt: "Der Bericht ist allerdings eindeutig: Diese Verhandlungen bei Bayer Spanien über Argumente des Inlandsmarktes sind [für Hufasa] nur ein Mittel, um die für den Export bestimmten Mengen zu erhalten."

150 In den Randnummern 128 und 129 der Entscheidung werden ein Schreiben von CERP Rouen an seine Tochtergesellschaften und ein Schreiben seiner Tochtergesellschaft Comercial Genové an ihn wiedergegeben, die ebenfalls die Vorgehensweise dieses Konzerns zur Erlangung größerer Mengen des Produkts der Klägerin in Spanien betreffen und die Probleme bei der Erlangung zusätzlicher Adalat-Packungen deutlich machen. Die Kommission kann auch diese Unterlagen nicht zum Beweis dafür heranziehen, dass sich die Tochtergesellschaften von CERP Rouen in Spanien der neuen Politik von Bayer Spanien anschließen wollten, um die Parallelexporte der gelieferten Erzeugnisse, in welcher Weise auch immer, einzuschränken.

151 Aus der Prüfung der Einstellung und des tatsächlichen Verhaltens der Großhändler folgt, dass die Behauptung der Kommission, sie hätten sich der auf die Verringerung der Parallelimporte abzielenden Politik der Klägerin angeschlossen, der Grundlage entbehrt.

152 Das Argument, die betreffenden Großhändler hätten ihre Bestellungen auf einen bestimmten Umfang herabgesetzt, um bei Bayer den Eindruck zu erwecken, deren erklärtem Willen folgend nur den Bedarf ihres herkömmlichen Marktes zu decken, und sie seien so vorgegangen, um Sanktionen von Bayer zu vermeiden, ist zurückzuweisen, da die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Klägerin von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf das Bestimmungsland bei Ausfuhren der gelieferten Adalat-Packungen verlangte oder mit ihnen aushandelte und dass sie die exportierenden Großhändler mit Sanktionen belegte oder ihnen damit drohte.

153 Aus den gleichen Gründen kann die Kommission weder behaupten, dass Bayer die Verringerung der Bestellungen nur als Zeichen der Erfuellung ihrer Forderungen durch die Großhändler habe auffassen können, noch geltend machen, dass sich die Großhändler, weil sie den Forderungen der Klägerin nachgekommen seien, zusätzliche zur Ausfuhr bestimmte Mengen bei anderen Großhändlern hätten beschaffen müssen, die in den Augen der Klägerin "unverdächtig" gewesen und deren höhere Bestellungen deshalb ohne weiteres erfuellt worden seien.

154 Aus den oben geprüften Randnummern der Entscheidung geht zudem klar hervor, dass die Großhändler weiterhin versuchten, Adalat-Packungen für die Ausfuhr zu erlangen, und diese Aktivitäten fortsetzten, auch wenn sie es dabei für sinnvoller hielten, verschiedene Systeme zur Belieferung zu nutzen, und zwar zum einen das System der Aufteilung der zur Ausfuhr bestimmten Bestellungen auf verschiedene Vertretungen und zum anderen das System der indirekten Aufgabe der Bestellungen über kleine Großhändler. Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass die Großhändler ihre Bestellpolitik geändert und verschiedene Systeme zur Aufteilung oder Diversifikation der Bestellungen durch indirekte Aufgabe eingeführt haben, weder als Beweis für ihren Willen, Bayer zufrieden zu stellen, noch als Antwort auf ein Verlangen oder Ersuchen von Bayer verstanden werden. Diese Tatsache kann vielmehr als Beleg für die Entschlossenheit der Großhändler angesehen werden, die Parallelexporte von Adalat fortzusetzen.

155 Mangels eines Beweises dafür, dass die Klägerin von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf Ausfuhren der gelieferten Adalat-Packungen verlangte, ist deren angebliche Zustimmung dadurch als widerlegt anzusehen, dass sie Maßnahmen ergriffen, um zusätzliche Mengen zu erhalten. Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, unter den Umständen des vorliegenden Falles sei es normal, dass einige Großhändler versucht hätten, auf Umwegen zusätzliche Lieferungen zu erhalten, da sie sich gegenüber Bayer hätten verpflichten müssen, nicht zu exportieren und folglich geringere, nicht für den Export geeignete Mengen zu bestellen.

156 Schließlich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Großhändler die Ziele von Bayer verfolgen oder ihr dies vorspiegeln wollten. Die vorstehend geprüften Unterlagen zeigen vielmehr, dass das Verhalten der Großhändler auf die Umgehung der neuen Politik von Bayer abzielte, die Lieferungen auf den Umfang herkömmlicher Bestellungen zu beschränken.

157 Die Kommission hat daher zu Unrecht die Ansicht vertreten, dass das tatsächliche Verhalten der Großhändler ihre Zustimmung zu der auf die Verhinderung von Parallelimporten gerichteten Politik der Klägerin rechtlich hinreichend beweise.

3. Zu den von der Kommission herangezogenen Präjudizien

158 Nach Ansicht der Kommission steht die Entscheidung voll und ganz im Einklang mit ihrer Praxis und der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff der Vereinbarung; sie führt aus, im vorliegenden Fall sei wie in einigen früheren Fällen ein Ausfuhrverbot verhängt worden, das sich in ein Geflecht fortlaufender wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Lieferanten und seinen Kunden eingefügt habe, wie die Tatsache zeige, dass die Großhändler Bestellungen aufgegeben hätten, regelmäßig beliefert worden seien und entsprechende Rechnungen erhalten hätten, und es habe ein stillschweigendes Einverständnis der Großhändler gegeben, das durch die Verringerung der Bestellungen belegt werde.

159 Sie kann jedoch die vorstehende Analyse, aus der das Gericht geschlossen hat, dass im vorliegenden Fall die Zustimmung der Großhändler zur neuen Politik von Bayer nicht erwiesen ist und dass die Kommission folglich die Existenz einer Vereinbarung nicht dargetan hat, anhand der herangezogenen Präjudizien nicht entkräften.

160 Die Kommission beruft sich erstens auf die Rechtssache, die zum Urteil Sandoz führte; dort hätten die Händler wie im vorliegenden Fall stillschweigend in das Ausfuhrverbot eingewilligt, um ihre Geschäftsbeziehungen beizubehalten (Randnr. 11 des Urteils), und, obwohl sie kein Interesse an der Aufgabe der Ausfuhren gehabt hätten, das Ausfuhrverbot des Herstellers akzeptiert, um weiterhin Waren zu erhalten.

161 Diese Rechtssache betraf das Vorgehen der Kommission gegen eine Tochtergesellschaft des multinationalen pharmazeutischen Unternehmens Sandoz wegen der Aufnahme des ausdrücklichen Vermerks "Ausfuhr verboten" in ihre den Kunden (Großhändler, Apotheken und Krankenhäuser) übersandten Rechnungen. Sandoz hatte nicht bestritten, dass sich dieser Vermerk auf ihren Rechnungen befand, aber das Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in Abrede gestellt. Der Gerichtshof wies die Klage ab, nachdem er auf alle Argumente der Klägerin eingegangen war. Seines Erachtens stellte die Übersendung der Rechnungen mit dem genannten Vermerk kein einseitiges Verhalten dar, sondern fügte sich in den allgemeinen Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden ein. Er kam nach Prüfung der Vorgehensweise des Unternehmens vor der Zulassung eines neuen Kunden zum Vertrieb seiner Produkte und unter Berücksichtigung der wiederholten, einheitlichen und systematischen Praktiken bei jedem Verkaufsvorgang zu diesem Ergebnis (Randnr. 10 des Urteils). In diesem Stadium seiner Erwägungen (Randnr. 11) ging der Gerichtshof wie folgt auf die Frage der Zustimmung der Geschäftspartner zu dem in der Rechnung erwähnten Ausfuhrverbot ein:

"Zudem wurde den Kunden von Sandoz PF nach jeder einzelnen Bestellung oder nach der Lieferung der Erzeugnisse das gleiche Rechnungsformular übersandt. Die wiederholten Bestellungen von Erzeugnissen und die anschließende widerspruchslose Zahlung der in den Rechnungen, die den Vermerk $Ausfuhr verboten` trugen, angegebenen Preise durch den Kunden stellten dessen stillschweigende Zustimmung zu den in die Rechnung aufgenommenen Klauseln und zur Art der den Geschäftsbeziehungen zwischen Sandoz PF und ihrer Kundschaft zugrunde liegenden wirtschaftlichen Bindungen dar. Die ursprüngliche Zulassung durch Sandoz PF beruhte somit auf der stillschweigenden Einwilligung der Kunden zum Verhalten von Sandoz PF ihnen gegenüber."

162 Erst nach diesen Feststellungen kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Kommission zu der Annahme berechtigt war, dass "die gesamten fortlaufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Sandoz PF und ihren Kunden, deren Bestandteil die Klausel $Ausfuhr verboten` war, einer im Voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterlagen, die für die zahllosen Einzelbestellungen von Sandoz-Erzeugnissen galt. Eine solche Vereinbarung fällt unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages."

163 Die beiden Rechtssachen ähneln sich zwar darin, dass sie das Verhalten pharmazeutischer Konzerne betreffen, die Parallelimporte von Arzneimitteln verhindern wollen, doch die sie kennzeichnenden konkreten Umstände weichen stark voneinander ab. Erstens hatte der Hersteller in der Rechtssache Sandoz im Gegensatz zum vorliegenden Fall in alle seine Rechnungen ausdrücklich eine wettbewerbsbeschränkende Klausel aufgenommen, die, da sie immer wieder in den Schriftstücken aller Geschäftsvorgänge auftauchte, Bestandteil der vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und seinen Großhändlern war. Zweitens zeigte deren tatsächliches Verhalten in Bezug auf die Klausel, an die sie sich de facto widerspruchslos hielten, dass sie ihr und der Art der zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen stillschweigend zustimmten. Der Sachverhalt des vorliegenden Falles weist dagegen keinen der beiden Hauptumstände der Rechtssache Sandoz auf; es gibt weder eine förmliche Ausfuhrverbotsklausel noch deren formale oder tatsächliche Hinnahme oder Billigung.

164 Zweitens führt die Kommission das Urteil Tipp-Ex/Kommission an, in dem der Gerichtshof ihr Vorgehen gegen eine Vereinbarung zur Verhinderung von Ausfuhren bestätigte und in dem es im Gegensatz zum Urteil Sandoz keine schriftliche Festlegung des Ausfuhrverbots gab. Sie trägt vor, auch Tipp-Ex habe wie die Klägerin im vorliegenden Fall vor dem Gerichtshof geltend gemacht, es handele sich um eine einseitige Maßnahme, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 falle, und es habe, da der Vertriebshändler die Lieferungen an den Parallelexporteur tatsächlich vorgenommen habe, kein gemeinsames Interesse an einer Einstellung der Parallelexporte bestanden.

165 In dieser Rechtssache ging es um einen Alleinvertriebsvertrag zwischen Tipp-Ex und ihrem französischen Vertriebshändler DMI, der der Forderung des Herstellers nachgekommen war, die einem Kunden abverlangten Preise so weit anzuheben, dass ihm jedes wirtschaftliche Interesse an Parallelimporten genommen wurde. Zudem war erwiesen, dass der Hersteller nachträgliche Kontrollen vornahm, um den Alleinvertriebshändler zu veranlassen, sich auch tatsächlich so zu verhalten (Randnr. 58 der Entscheidung 87/406/EWG der Kommission vom 10. Juli 1987 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [ABl. L 222, S. 1]). Die Randnummern 18 bis 21 des Urteils zeigen die vom Gerichtshof angestellten Erwägungen, der nach der Feststellung des Vorliegens einer mündlichen Alleinvertriebsvereinbarung für Frankreich zwischen Tipp-Ex und DMI und nach der Schilderung des wesentlichen Sachverhalts die Reaktion und damit das Verhalten des Vertriebshändlers im Anschluss an die Drohung des Herstellers mit Sanktionen prüfen wollte. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Vertriebshändler "mit einer 10- bis 20%igen Anhebung der Preise [reagierte], die [er] ausschließlich der Firma ISA France eingeräumt hatte. Nachdem diese das ganze Jahr 1980 über den Bezug von der Firma DMI eingestellt hatte, weigerte sich diese Anfang 1981, die Firma ISA France selbst und direkt mit Tipp-Ex-Produkten zu beliefern." Erst nach diesen Feststellungen zum Verhalten des Herstellers und des Vertriebshändlers kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vorlag: "Es steht somit fest, dass die Firma DMI dem Verlangen der Klägerin nachgekommen ist, keine Ware an Kunden abzugeben, die Tipp-Ex-Produkte in andere Mitgliedstaaten weiterverkaufen" (Randnr. 21 des Urteils).

166 Folglich bestand in der Rechtssache, die zum Urteil Tipp-Ex/Kommission führte, im Gegensatz zum vorliegenden Fall kein Zweifel daran, dass die Politik der Verhinderung von Parallelexporten vom Hersteller unter Mitwirkung der Vertriebshändler durchgeführt worden war. Wie in dem Urteil ausgeführt wird, kam dieser Wille bereits in den mündlichen und schriftlichen Verträgen zwischen den Parteien zum Ausdruck (vgl. Randnrn. 19 und 20 des Urteils für den Vertriebshändler DMI und Randnrn. 22 und 23 für den Vertriebshändler Beiersdorf), und wenn es noch gewisse Zweifel gegeben haben sollte, so zeigte die Analyse des Verhaltens der vom Hersteller unter Druck gesetzten Vertriebshändler eindeutig, dass sie die wettbewerbsbeschränkenden Absichten von Tipp-Ex billigten. Die Kommission hatte nicht nur nachgewiesen, dass die Vertriebshändler auf die Drohungen und Pressionen des Herstellers reagiert hatten, sondern auch, dass zumindest einer von ihnen dem Hersteller die Beweise für seine Mitwirkung übersandt hatte. Schließlich weist die Kommission im vorliegenden Fall selbst darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil Tipp-Ex/Kommission zur Prüfung des Vorliegens einer Vereinbarung die Reaktion der Vertriebshändler auf das gegen die Parallelexporte gerichtete Verhalten des Herstellers analysiert und aus der Reaktion des Vertriebshändlers geschlossen habe, dass es zwischen ihm und Tipp-Ex eine Vereinbarung über die Verhinderung der Parallelexporte geben müsse.

167 Dieses Urteil bestätigt somit ebenso wie das Urteil Sandoz nur die Rechtsprechung, nach der anscheinend einseitige Verhaltensweisen eines Herstellers nur dann Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages sein können, wenn das spätere Verhalten der Großhändler oder Kunden als de-facto-Zustimmung ausgelegt werden kann. Da diese Voraussetzung hier nicht erfuellt ist, kann sich die Kommission nicht auf die angebliche Ähnlichkeit beider Rechtssachen berufen, um ihre These der Existenz einer Zustimmung in der vorliegenden Rechtssache zu untermauern.

168 Aus den gleichen Gründen können sich weder die Kommission noch der BAI zur Stützung ihrer These der Existenz einer Zustimmung der Großhändler im vorliegenden Fall mit Erfolg auf die Erwägungen des Gerichtshofes in seinen Urteilen BMW Belgium u. a./Kommission, AEG/Kommission sowie Ford-Werke und Ford of Europe/Kommission berufen.

169 Im Urteil BMW Belgium u. a./Kommission prüfte der Gerichtshof zur Klärung der Frage, ob eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zwischen BMW Belgium und ihren belgischen Vertragshändlern vorlag, die Handlungen, aus denen sich das Vorliegen einer Vereinbarung ergeben konnte - konkret waren dies Rundschreiben an die belgischen Vertragshändler -, "sowohl unter Berücksichtigung ihres Inhalts als auch des tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie zu sehen sind, und des Verhaltens der Parteien" und kam zu dem Ergebnis, dass sich die fraglichen Rundschreiben "als Äußerung des Willens darstellen, jegliche Ausfuhr neuer BMW-Fahrzeuge aus Belgien zu unterbinden" (Randnr. 28). Er fügte hinzu: "Durch Versendung dieser Rundschreiben an alle belgischen Vertragshändler förderte BMW Belgium den Abschluss von Vereinbarungen mit diesen Händlern, die auf die völlige Einstellung dieser Exporte abzielten" (Randnr. 29). Aus Randnummer 30 des Urteils geht hervor, dass der Gerichtshof Wert darauf legte, das Vorliegen einer Zustimmung der Vertragshändler zu bestätigen.

170 Im Urteil AEG/Kommission, in dem der Wille des Herstellers und der Vertriebshändler nicht offensichtlich war und in dem sich die Klägerin ausdrücklich auf den einseitigen Charakter ihres Verhaltens berief, vertrat der Gerichtshof die Ansicht, dass im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems eine Praxis, bei der der Hersteller in der Absicht, ein hohes Preisniveau aufrechtzuerhalten oder bestimmte moderne Vertriebsarten auszuschließen, Händlern, die den qualitativen Anforderungen der Vertriebsbindung genügen, die Zulassung verweigert, "keine einseitige Handlung des Unternehmens dar[stellt], die sich, wie AEG meint, dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag entzieht. [Sie] fügt sich vielmehr in die vertraglichen Beziehungen ein, die das Unternehmen mit seinen Wiederverkäufern unterhält" (Randnr. 38). Anschließend legte der Gerichtshof Wert darauf, mit folgenden Ausführungen die Zustimmung der Vertriebshändler festzustellen: "Denn im Fall der Aufnahme eines Händlers in die Vertriebsbindung gründet sich die Zulassung darauf, dass die Vertragsparteien die von AEG verfolgte Politik, nach der unter anderem Händler, die die Zulassungsvoraussetzungen erfuellen, aber nicht bereit sind, dieser Politik zuzustimmen, vom Händlernetz ausgeschlossen werden, ausdrücklich oder stillschweigend akzeptieren" (Randnr. 38). Diese Vorgehensweise wurde in den übrigen vom Gerichtshof entschiedenen Fällen selektiver Vertriebsbindung bestätigt (vgl. die Urteile Ford-Werke und Ford of Europe/Kommission, Randnr. 21, Metro II, Randnrn. 72 und 73, und Bayerische Motorenwerke, Randnrn. 16 und 17).

171 Nach alledem kann sich die Kommission im vorliegenden Fall zum Nachweis des Vorliegens einer Vereinbarung nicht auf die von ihr angeführten Präjudizien stützen.

4. Zur These der Kommission, dass zum Beweis der Existenz einer Vereinbarung die Feststellung ausreiche, dass die Parteien ihre Geschäftsbeziehungen beibehielten

172 Aus den Ausführungen der Kommission ergibt sich, dass sie - auch wenn dies nicht klar zum Ausdruck kommt (vgl. die in den Randnrn. 155 und 156 zusammengefasste und in den Randnrn. 171 bis 188 näher dargelegte Struktur der Entscheidung) - die Ansicht vertritt, die bloße Feststellung der Tatsache, dass die Großhändler ihre Geschäftsbeziehungen zu Bayer nicht abgebrochen hätten, nachdem diese ihre neue Politik zur Einschränkung der Ausfuhren betrieben habe, erlaube es ihr, das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages als erwiesen anzusehen.

173 Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beweis für eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages muss auf der direkten oder indirekten Feststellung des subjektiven Elements beruhen, das den Begriff der Vereinbarung kennzeichnet, d. h. einer Willensübereinstimmung zwischen Wirtschaftsteilnehmern in Bezug auf die Umsetzung einer Politik, die Verfolgung eines Zieles oder ein bestimmtes Marktverhalten, unabhängig davon, wie der Wille der Parteien, sich auf dem Markt gemäß dieser Vereinbarung zu verhalten, zum Ausdruck kommt (vgl. in diesem Sinne u. a. die Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 86). Die Kommission verkennt den Begriff der Willensübereinstimmung, wenn sie die Ansicht vertritt, dass die Fortsetzung von Geschäftsbeziehungen zu einem Hersteller, wenn dieser einseitig eine neue Politik einführe, einer Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik gleichkomme, auch wenn ihr tatsächliches Verhalten dieser Politik eindeutig widerspreche.

174 Überdies kann ein Unternehmen nach der Systematik des Vertrages nur dann mit Sanktionen gemäß dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft belegt werden, wenn es eine Zuwiderhandlung gegen die Verbote in den Artikeln 85 Absatz 1 oder 86 des Vertrages begangen hat. Die Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 hängt von mehreren Voraussetzungen ab: a) dem Vorliegen einer Vereinbarung zwischen mindestens zwei Unternehmen oder eines ähnlichen Sachverhalts wie eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise von Unternehmen, die b) den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen geeignet sind und c) eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Folglich können im Rahmen dieses Artikels die Auswirkungen des Verhaltens eines Unternehmens auf den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur dann geprüft werden, wenn das Vorliegen einer Vereinbarung, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages bereits erwiesen ist (Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique minière, Slg. 1966, 282, 302 ff.). Daraus folgt, dass diese Bestimmung nicht auf die generelle "Beseitigung" der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel abzielt; ihr Ziel ist enger gefasst, denn sie verbietet nur Hindernisse für den Wettbewerb, die aufgrund einer Willensübereinstimmung von mindestens zwei Parteien geschaffen wurden.

175 Dieser Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ist der Gerichtshof im Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P (Viho/Kommission, Slg. 1996, I-5457, Randnrn. 15 bis 17) gefolgt, in dem er ein Urteil des Gerichts bestätigt und entschieden hat, dass es nicht zur Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag führt, selbst wenn man ihn in Verbindung mit den Artikeln 2 und 3 Buchstaben c und g EG-Vertrag liest, wenn die Politik einer Muttergesellschaft, die hauptsächlich in einer Aufteilung verschiedener nationaler Märkte auf ihre Tochtergesellschaften besteht, Auswirkungen außerhalb des Bereichs des Konzerns haben kann, die die Wettbewerbsposition Dritter zu beeinträchtigen geeignet sind. Ein solches einseitiges Verhalten könnte jedoch unter Artikel 86 EG-Vertrag fallen, wenn dessen Tatbestandsmerkmale erfuellt sind.

176 Entgegen der offenbar von der Kommission und dem BAI vertretenen Auffassung hängt demzufolge das Recht eines wie im vorliegenden Fall mit einem seinen Interessen abträglichen Ereignis konfrontierten Herstellers, die ihm am besten erscheinende Lösung zu wählen, nach den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages nur von der Beachtung der Verbote in den Artikeln 85 und 86 ab. Sofern er keine beherrschende Stellung missbraucht und keine Willensübereinstimmung mit seinen Großhändlern besteht, kann ein Hersteller somit die Lieferpolitik verfolgen, die er für erforderlich hält, selbst wenn die Umsetzung dieser Politik aufgrund ihrer natürlichen Zielsetzung - wie insbesondere Parallelimporte zu erschweren - zu Wettbewerbsbeschränkungen führen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

177 Die Kommission leitet in diesem Zusammenhang aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1996 in den Rechtssachen C-267/95 und C-268/95 (Merck und Beecham, Slg. 1996, I-6285) ab, dass Parallelimporte unter allen Umständen geschützt werden müssten. Sie trägt vor, in diesem Urteil habe der Gerichtshof den Spekulationen über die Tragweite der im Urteil Merck vom 14. Juli 1981 gewählten Lösung ein Ende bereitet und ausgeführt (Randnr. 36), dass eine Preiskontrolle in einigen Mitgliedstaaten keine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs rechtfertige und dass die Möglichkeit, Parallelimporte zu verhindern, zu einer unerwünschten Abschottung der nationalen Märkte führen würde. Auch im Pharmabereich dürften Parallelimporte daher weder durch nationale Maßnahmen noch durch Vereinbarungen zwischen Unternehmen behindert werden.

178 Der Gerichtshof hat sich in diesem Urteil jedoch auf die Beantwortung der Fragen beschränkt, wann bestimmte Übergangsregelungen in der Akte über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (Artikel 47 und 209 der Beitrittsakte) ausliefen, die es erlaubten, Parallelimporte pharmazeutischer Erzeugnisse aus diesen Ländern in andere Teile der Gemeinschaft zu verhindern, welche rechtliche Regelung nach Ablauf der einschlägigen Übergangsfristen für Parallelimporte gilt und ob die Tragweite der im Urteil Merck vom 14. Juli 1981 herausgearbeiteten Lösung zu überprüfen ist. Die Ausführungen des Gerichtshofes in seinem Urteil vom 5. Dezember 1996 in der Rechtssache Merck und Beecham betreffen dagegen nicht die hier in Rede stehende Frage, die nicht unter den in den Artikeln 30, 34 und 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG, 29 EG und 30 EG) behandelten Grundsatz des freien Warenverkehrs fällt, und gehen entgegen der Behauptung der Kommission nicht von einem generellen Verbot der Verhinderung von Parallelexporten aus, das nicht nur für die Mitgliedstaaten, sondern auch - und in allen Fällen - für Unternehmen gelten würde.

179 In Wirklichkeit stützt dieses Urteil die These der Kommission nicht, sondern bestätigt nur, dass sie nach der Systematik des Vertrages nicht versuchen darf, zu einem Ergebnis wie der Harmonisierung der Preise auf dem Arzneimittelmarkt zu kommen, indem sie den Anwendungsbereich von Abschnitt 1 (Vorschriften für Unternehmen) des Kapitels 1 von Titel VI des Vertrages erweitert oder verzerrt, zumal der Vertrag ihr spezielle Wege zur Verfügung stellt, um eine solche Harmonisierung anzustreben, wenn feststeht, dass die starken Disparitäten bei den Arzneimittelpreisen in den Mitgliedstaaten durch die bestehenden Unterschiede bei den staatlichen Preisfestsetzungsmechanismen und den Erstattungsmodalitäten herbeigeführt werden, wie es hier der Fall ist (vgl. Randnrn. 151 und 152 der Entscheidung). Wie der Gerichtshof in Randnummer 47 des Urteils Merck und Beecham ausgeführt hat, sind nach ständiger Rechtsprechung Verzerrungen, die durch eine unterschiedliche Preisregelung in einem Mitgliedstaat verursacht werden, durch Maßnahmen der Gemeinschaftsbehörden auszuschalten (vgl. die Urteile des Gerichtshofes vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 16/74, Centrafarm und de Peijper, Slg. 1974, 1183, Randnr. 17, in den Rechtssachen Musik-Vertrieb membran und K-tel International, Randnr. 24, vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Bristol-Myers Squibb u. a., Slg. 1996, I-3457, Randnr. 46, und in den Rechtssachen Merck und Beecham, Randnr. 47).

180 Die von der Kommission vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages würde zu einer paradoxen Situation führen, in der die Lieferverweigerung im Rahmen von Artikel 85 Absatz 1 strenger geahndet würde als im Rahmen von Artikel 86, denn das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 würde den Hersteller treffen, der beschließt, künftige Lieferungen zu verweigern oder einzuschränken, ohne jedoch die Geschäftsbeziehungen zu seinen Kunden ganz abzubrechen, während im Rahmen von Artikel 86 selbst die völlige Lieferverweigerung nur verboten ist, wenn sie missbräuchlich ist. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes wird die Bedeutung der Wahrung der Unternehmensfreiheit bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages indirekt anerkannt, wenn ausdrücklich eingeräumt wird, dass selbst ein Unternehmen in beherrschender Stellung in bestimmten Fällen die Belieferung verweigern oder seine Liefer- oder Vertriebspolitik ändern kann, ohne unter das Verbot des Artikels 86 zu fallen (vgl. in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 182 bis 191).

181 Schließlich kann sich die Kommission zur Stützung ihrer These nicht auf ihre - im Übrigen durch nichts gedeckte - Überzeugung berufen, dass die Parallelimporte langfristig zur Harmonisierung der Arzneimittelpreise führen würden. Gleiches gilt für ihre Äußerung, es sei "nicht akzeptabel, dass Parallelimporte behindert werden sollen, damit Pharmaunternehmen in Ländern, in denen keine Preiskontrolle besteht, weit überhöhte Preise verlangen können, um geringere Gewinne in Mitgliedstaaten, die in die Preise stärker eingreifen, auszugleichen".

182 Die Kommission war demnach nicht berechtigt, eine Vereinbarung zwischen den Großhändlern und dem Hersteller aufgrund der bloßen Feststellung als erwiesen anzusehen, dass die früheren Geschäftsbeziehungen fortbestanden.

D. Ergebnis

183 Nach alledem hat die Kommission den vorliegenden Sachverhalt falsch beurteilt und bei seiner rechtlichen Würdigung einen Fehler begangen, indem sie eine Willensübereinstimmung zwischen Bayer und den in der Entscheidung genannten Großhändlern als erwiesen ansah, aus der auf die Existenz einer zur Verhinderung oder Begrenzung der Ausfuhren von Adalat aus Frankreich und Spanien in das Vereinigte Königreich dienenden Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages geschlossen werden konnte.

184 Folglich ist der mit dieser Klage geltend gemachte Hauptklagegrund begründet. Die Entscheidung ist daher für nichtig zu erklären, ohne dass die von der Klägerin benannten Zeugen gehört oder die hilfsweise angeführten Klagegründe der fehlerhaften Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf Verhaltensweisen, die nach Artikel 47 der Akte über den Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften rechtmäßig seien, und einer fehlerhaften Anwendung von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 bei der Verhängung einer Geldbuße gegen die Klägerin geprüft zu werden brauchen.

Kostenentscheidung


Kosten

185 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Klägerin beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, hat die Beklagte ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin einschließlich der Kosten zu tragen, die der Klägerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

186 Nach Artikel 87 § 4 Absatz 3 kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in § 4 Absatz 1 genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall tragen die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Klägerin und der BAI als Streithelfer zur Unterstützung der Beklagten ihre eigenen Kosten.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 96/478/EG der Kommission vom 10. Januar 1996 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/34.279/F3 - Adalat) wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin einschließlich der Kosten, die der Klägerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

3. Die European Federation of Pharmaceutical Industries' Associations und der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. tragen ihre eigenen Kosten.

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