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Document 61996CJ0223

    Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 5. Juni 1997.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik.
    Vertragsverletzung - Richtlinie 91/156/EWG.
    Rechtssache C-223/96.

    Sammlung der Rechtsprechung 1997 I-03201

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1997:287

    61996J0223

    Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 5. Juni 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung - Richtlinie 91/156/EWG. - Rechtssache C-223/96.

    Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-03201


    Leitsätze
    Entscheidungsgründe
    Kostenentscheidung
    Tenor

    Schlüsselwörter


    Vertragsverletzungsverfahren - Vorprozessuales Verfahren - Mit Gründen versehene Stellungnahme - Inhalt - Verweisung auf ein Schreiben der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats, in dem die Vertragsverletzung eingeräumt wird - Unerheblichkeit

    (EG-Vertrag, Artikel 169)

    Leitsätze


    Die mit Gründen versehene Stellungnahme, die die Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens abgibt, muß eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, daß der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung verstossen hat. Wenn eine mit Gründen versehene Stellungnahme, mit der die Kommission einem Mitgliedstaat eine unvollständige Umsetzung einer Richtlinie und die Nichtmitteilung der Umsetzungsbestimmungen zur Last legt, diesen Erfordernissen entspricht, ist es unerheblich, daß die Kommission als Beleg für diese Vertragsverletzung auf ein Schreiben der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats Bezug nimmt, in dem diese die Unvollständigkeit der Umsetzung der Richtlinie einräumen.

    Entscheidungsgründe


    1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 26. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle (ABl. L 78, S. 32) verstossen hat, daß sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen oder diese Maßnahmen nicht mitgeteilt hat.

    2 Die Richtlinie 91/156 bezweckt, die Beseitigung und die Verwertung der Abfälle sicherzustellen und den Erlaß von Maßnahmen zu fördern, die das Entstehen von Abfällen begrenzen sollen, und zwar insbesondere durch die Förderung sauberer Technologien sowie wiederverwertbarer und wiederverwendbarer Erzeugnisse.

    3 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 91/156 haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um der Richtlinie spätestens zum 1. April 1993 nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon zu unterrichten. Die Richtlinie 91/156 wurde am 25. März 1991 bekanntgemacht.

    4 Bei Ablauf der festgesetzten Frist hatten die französischen Behörden der Kommission keine Mitteilung oder sonstige Auskunft über Umsetzungsmaßnahmen zukommen lassen. Die Kommission richtete daher am 9. August 1993 ein Aufforderungsschreiben an die französische Regierung und bat diese, sich binnen zwei Monaten zum Fehlen der erforderlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 91/156 im innerstaatlichen Recht zu äussern.

    5 Mit Schreiben vom 4. November 1993 und vom 1. April 1994 übermittelten die französischen Behörden der Kommission eine Tabelle mit einer Bestandsaufnahme der verschiedenen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 91/156 sowie den Entwurf eines Dekrets; durch Artikel 8 dieses Dekrets wurde Artikel 12 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 (ABl. L 194, S. 39) in der Fassung der Richtlinie 91/156 nur teilweise umgesetzt.

    6 Die Kommission war der Auffassung, daß die Französische Republik die Richtlinie 91/156 nicht vollständig umgesetzt habe, und richtete mit Schreiben vom 3. August 1995 eine mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 EG-Vertrag an die französische Regierung.

    7 Mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 antwortete die französische Regierung auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme, mit Ausnahme eines Teils des Artikels 12 der Richtlinie 75/442 in der Fassung der Richtlinie 91/156, dessen Umsetzung im Gange sei, sei die Richtlinie 91/156 im französischen Recht durch das Gesetz Nr. 92-646 vom 13. Juli 1992 (JORF vom 14. Juli 1992) und durch die Durchführungsverordnungen zu diesem Gesetz, die der Kommission mitgeteilt und veröffentlicht worden seien, umgesetzt worden.

    8 Bei Klageerhebung hatte die Kommission keine Mitteilung über die Verabschiedung des Entwurfs des Dekrets zur Umsetzung des Artikels 12 der Richtlinie 75/442 in der Fassung der Richtlinie 91/156 erhalten.

    9 In ihrer beim Gerichtshof eingereichten Klagebeantwortung vertritt die Französische Republik in erster Linie die Auffassung, daß die Klage wegen der ungenauen Formulierung der vorgebrachten Rügen sowohl im vorprozessualen Verfahren als auch in der Klageschrift unzulässig sei. Sie ist der Ansicht, daß die Kommission die Vorschriften der Richtlinie 91/156, die im französischen Recht nicht oder nur mangelhaft umgesetzt seien, genau hätte bezeichnen müssen.

    10 Die Kommission trägt vor, in ihren Antwortschreiben vom 4. November 1993 und vom 1. April 1994 hätten die französischen Behörden die Vorschrift der Richtlinie 91/156, die noch nicht vollständig umgesetzt worden sei, nämlich den geänderten Artikel 12 der Richtlinie 75/442, genannt und im übrigen den Dekretsentwurf übersandt. Die mit Gründen versehene Stellungnahme sei daher hinreichend genau, da sie ausdrücklich auf das Schreiben vom 4. November 1993 und auf den Dekretsentwurf Bezug nehme. Darüber hinaus zeige das Schreiben der französischen Regierung vom 25. Oktober 1995, daß es kein Mißverständnis in bezug auf den Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme gegeben habe, da die französischen Behörden auf die Aufforderung der Kommission anspielten, "alle Maßnahmen zu ergreifen, um Artikel 12 der Richtlinie nachzukommen". Die französische Regierung sei daher in der Lage gewesen, sich gegen die Rügen der Kommission zu verteidigen.

    11 Die französische Regierung meint dagegen, daß das Vorbringen der Kommission ihre Auffassung stütze, da die Kommission sich nicht auf die Schreiben des beklagten Mitgliedstaats beziehen dürfe, um zu rechtfertigen, daß sie den Gegenstand der Vertragsverletzungsklage ganz richtig definiert habe.

    12 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die mit Gründen versehene Stellungnahme eine detaillierte und zusammenhängende Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, daß der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung verstossen hat (Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-247/89, Kommission/Portugal, Slg. 1991, I-3659, Randnr. 22).

    13 Der Text der zu den Akten gegebenen mit Gründen versehenen Stellungnahme zeigt, daß diese den Erfordernissen der Rechtsprechung entspricht. Die Kommission hat darin nämlich den rechtlichen Rahmen und den Sachverhalt dargelegt, aufgrund deren sie zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/156 verstossen hatte, nämlich die Richtlinie vollständig umzusetzen und die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie mitzuteilen. Dabei ist es unerheblich, daß die Kommission als Beleg für diese Vertragsverletzung auf ein Schreiben der französischen Behörden Bezug genommen hat, in dem diese die Unvollständigkeit der Umsetzung der Richtlinie 91/156 einräumten.

    14 Was den verfahrenseinleitenden Schriftsatz angeht, ist darauf hinzuweisen, daß eine beim Gerichtshof eingereichte Klageschrift gemäß Artikel 19 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 38 § 1 Buchstaben c und d der Verfahrensordnung u. a. den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muß (Urteil vom 13. März 1992 in der Rechtssache C-43/90, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-1909, Randnr. 7).

    15 Aus dem Wortlaut der Klageschrift ergibt sich, daß diese der Rechtsprechung des Gerichtshofes entspricht. Die Kommission hat darin nämlich den Streitgegenstand, den rechtlichen Rahmen und den Verlauf des vorprozessualen Verfahrens, die Rechtsgrundlage der Klage, die Anträge sowie die Klagegründe dargestellt.

    16 Unstreitig ist die Umsetzung der Richtlinie 91/156 nicht innerhalb der festgesetzten Frist erfolgt. Die in diesem Zusammenhang erhobene Klage der Kommission ist daher begründet.

    17 Somit ist festzustellen, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 91/156 verstossen hat, daß sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen hat.

    Kostenentscheidung


    Kosten

    18 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat die Verurteilung der Französischen Republik beantragt. Da diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

    Tenor


    Aus diesen Gründen

    hat

    DER GERICHTSHOF

    (Fünfte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle verstossen, daß sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen hat.

    2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

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