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Document 61996CC0395
Opinion of Mr Advocate General Fennelly delivered on 29 October 1998. # Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P) and Dafra-Lines A/S (C-396/96 P) v Commission of the European Communities. # Competition - International maritime transport - Liner conferences - Regulation (EEC) No 4056/86 - Article 86 of the EC Treaty (now Article 82 EC) - Collective dominant position - Exclusivity agreement between national authorities and liner conferences - Liner conference insisting on application of the agreement - Fighting ships - Loyalty rebates - Rights of defence - Fines - Assessment criteria. # Joined cases C-395/96 P and C-396/96 P.
Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 29. Oktober 1998.
Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P) und Dafra-Lines A/S (C-396/96 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Internationaler Seeverkehr - Linienkonferenzen - Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Kollektive beherrschende Stellung - Vereinbarung zwischen nationalen Verwaltungen und Linienkonferenzen, die ein Ausschließlichkeitsrecht vorsieht - Linienkonferenz, die auf die Anwendung der Vereinbarung dringt - "Kampfschiffe" - Treuerabatte - Rechtliches Gehör - Geldbußen - Beurteilungskriterien.
Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P.
Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 29. Oktober 1998.
Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P) und Dafra-Lines A/S (C-396/96 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Internationaler Seeverkehr - Linienkonferenzen - Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Kollektive beherrschende Stellung - Vereinbarung zwischen nationalen Verwaltungen und Linienkonferenzen, die ein Ausschließlichkeitsrecht vorsieht - Linienkonferenz, die auf die Anwendung der Vereinbarung dringt - "Kampfschiffe" - Treuerabatte - Rechtliches Gehör - Geldbußen - Beurteilungskriterien.
Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P.
Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-01365
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1998:518
Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 29. Oktober 1998. - Compagnie maritime belge transports SA (C-395/96 P), Compagnie maritime belge SA (C-395/96 P) und Dafra-Lines A/S (C-396/96 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Internationaler Seeverkehr - Linienkonferenzen - Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Kollektive beherrschende Stellung - Vereinbarung zwischen nationalen Verwaltungen und Linienkonferenzen, die ein Ausschließlichkeitsrecht vorsieht - Linienkonferenz, die auf die Anwendung der Vereinbarung dringt - "Kampfschiffe" - Treuerabatte - Rechtliches Gehör - Geldbußen - Beurteilungskriterien. - Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P.
Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-01365
I - Einleitung
1 Das vorliegende Rechtsmittel gibt dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit, über die Anwendung der den Wettbewerb betreffenden Artikel des EG-Vertrags auf Reedereien nachzudenken, die in Schiffahrtskonferenzen zusammengeschlossen sind. Das Rechtsmittel betrifft den Vorwurf des Mißbrauchs einer kollektiven beherrschenden Stellung durch Gesellschaften, die in einer Linienkonferenz, der Central and West Africa Conference (nachstehend: Cewal) zusammengeschlossen sind, die den Seefrachtverkehr zwischen Zaïre und bestimmten Häfen Nordeuropas betreibt. Die Rechtsmittelführerinnen wenden sich gegen die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung durch die Kommission. Außerdem wirft das Rechtsmittel Fragen bezüglich des Einwands der Ermunterung eines Staats zum Eingreifen, der maßgebenden Verfahren nach der anwendbaren Regelung zur Durchführung der Wettbewerbsregeln im Schiffsfrachtverkehr und der Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag auf die unter dem Namen "Kampfschiffe" bekannte Methode der Preisfestsetzung auf. Die Rechtsmittelführerinnen erheben außerdem mehrere verfahrensrechtliche Rügen bezüglich der Art und Weise, in der die Kommission und das Gericht erster Instanz das Verfahren durchgeführt haben.
II - Rechtlicher und tatsächlicher Kontext
A - Angefochtene Entscheidung
2 In Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr (nachstehend: Verordnung von 1986)(1) wird der Ausdruck "Linienkonferenz" definiert als "Gruppe von zwei oder mehr Unternehmen der Seeschiffahrt, die internationale Liniendienste für die Beförderung von Ladung in einem bestimmten Fahrtgebiet oder in bestimmten Fahrtgebieten innerhalb fester geographischer Grenzen zur Verfügung stellt und die eine Vereinbarung oder Abmachung gleich welcher Art getroffen hat, in deren Rahmen sie auf der Grundlage einheitlicher oder gemeinsamer Frachtraten und etwaiger sonstiger vereinbarter Bedingungen hinsichtlich der Bereitstellung von Liniendiensten arbeitet".
3 Das vorliegende Rechtsmittel richtet sich gegen die Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal) (nachstehend: Entscheidung)(2), die aufgrund der Verordnung von 1986 erlassen wurde. Die Kommission beschreibt hier Cewal als Linienkonferenz, deren Mitglieder "... im Liniendienst regelmäßig zwischen Zaïre(3), Angola und der europäischen Nordseeküste (ohne Vereinigtes Königreich) verkehren"(4). Aufgrund ihr im Juli 1997 zugegangener Beschwerden untersuchte die Kommission verschiedene angeblich wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Mitglieder von Cewal und anderer Linienkonferenzen, die zwischen Europa und West- bzw. Zentralafrika verkehrten. In der Entscheidung stellte sie fest, daß drei Linienkonferenzen gegen Artikel 85 verstoßen und die Mitglieder von Cewal entgegen Artikel 86 eine kollektive beherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt hätten. Gegen vier der Mitglieder von Cewal (nämlich Compagnie maritime belge, Dafra-Lines, Deutsche Afrika-Linien und Nedlloyd Lijnen) wurden Geldbußen verhängt, die höchste von ihnen (9,6 Mio. ECU entsprechend 95 % der Gesamtgeldbuße) gegen Compagnie maritime belge (nachstehend: CMB).
4 Diese vier Mitglieder von Cewal erhoben beim Gericht gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung. Mit seinem Urteil vom 8. Oktober 1996 (nachstehend: angefochtenes Urteil) setzte das Gericht zwar die vier Geldbußen um 10 % herab(5), wies jedoch die Klagen im übrigen ab(6). CMB und Dafra-Lines (nachstehend: Dafra) haben das beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel auf die Randnummern des angefochtenen Urteils beschränkt, in denen das Gericht die Feststellungen der Kommission zum Mißbrauch einer kollektiven beherrschenden Stellung entgegen Artikel 86, auf die sich im wesentlichen die von der Kommission wegen dieser Mißbräuche verhängten Geldbußen bezogen, bestätigt hat(7).
5 Gemäß dem Verhaltenskodex für Linienkonferenzen, der im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung erlassen wurde (nachstehend: Unctad-Verhaltenskodex), folgt die Aufteilung der Frachten auf die Linienkonferenzen dem sog. Schlüssel "40 : 40 : 20" (nachstehend: Unctad-Schlüssel "40 : 40 : 20"), wonach die Reeder des Ausgangs- und Ziellandes einer bestimmten Linienstrecke jeweils 40 % und die Reedereien dritter Länder, die der Konferenz angehören, einen Anteil von 20 % der Konferenzfracht erhalten. Einige afrikanische Staaten hatten, wie ich noch ausführlich darlegen werde, die Anwendung des Unctad-Schlüssels "40 : 40 : 20" auf alle Frachten und nicht nur auf Konferenzfrachten verlangt. Für die Linien zwischen Nordeuropa und Zaïre konkretisierte sich die Aufteilung der Frachten nach dem Unctad-Schlüssel "40 : 40 : 20" Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Maßnahmen, darunter im Jahre 1985 als wichtigster für die Zwecke dieses Rechtsmittels eine Vereinbarung zwischen dem Office zaïrois de gestion du fret maritime (Zaïrisches Verwaltungsamt für Seefrachten; nachstehend: Ogefrem) und Cewal (nachstehend: Ogefrem-Vereinbarung). Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Ogefrem-Vereinbarung haben Cewal und Ogefrem darauf zu achten, daß "alle Frachten, die im Tätigkeitsbereich der Linienkonferenz Cewal transportiert werden, den dieser Linienkonferenz angehörenden Reedereien zugeteilt werden"; hiervon können gemäß Absatz 2 der Vorschrift Ausnahmen nur "mit dem ausdrücklichen Einverständnis der beiden betroffenen Parteien" gemacht werden. Entgegen diesen Bestimmungen entschied Cewal 1986 einseitig, einem konkurrierenden Reederei-Konsortium, Grimaldi & Cobelfret (nachstehend: G & C) einen Anteil von etwa 2 % am Frachtaufkommen nach und von Zaïre zu überlassen; dieser Anteil scheint im Lauf der folgenden Jahre angestiegen zu sein, jedoch nicht so stark, daß die beherrschende Stellung von Cewal gefährdet gewesen wäre(8).
6 Für die Rechtsmittel, die CMB und Dafra (nachstehend: Rechtsmittelführerinnen oder, wo angemessen, Klägerinnen, wie in Nummer 4 dieser Schlußanträge erläutert)(9) eingelegt haben, sind einzig die Feststellungen der Kommission zu Artikel 86 und zu den verhängten Geldbußen von Belang. Nach der Feststellung der Kommission kann man "die von Cewal-Mitgliedern zwischen Zaïre und den nordeuropäischen Häfen befahrenen Strecken insgesamt als einen gesonderten Markt ansehen"(10). Die Kommission verwies weiter auf die Vorteile von Cewal aus der Ogefrem-Vereinbarung, das Streckennetz, die Flottenkapazität, die Häufigkeit der Fahrten sowie auf die Erfahrungen von Cewal aus mehreren Jahrzehnten in diesem Verkehr und stellte fest, daß die Mitglieder von Cewal wegen ihres sehr hohen Marktanteils und wegen anderer Faktoren kollektiv eine sehr beherrschende Stellung auf dem Markt innehatten.
7 Die Kommission stellte fest, daß Cewal "unter Anwendung der folgenden drei Einsatzmittel ... ihre beherrschende Stellung mißbraucht [hat], um ihren Hauptwettbewerber G & C auszuschalten"(11). Die Mitglieder von Cewal sollen ihre Stellung laut Artikel 2 der Entscheidung mißbraucht haben, indem sie:
- "an der Durchführung der vorerwähnten Kooperationsvereinbarung mit Ogefrem teilgenommen und wiederholt durch verschiedene Maßnahmen auf dessen strikte Einhaltung gedrungen haben",
- "ihre Preise in Abweichung vom geltenden Frachttarif geändert haben, um für Schiffe, die am selben Tag oder in zeitlicher Nähe dazu ausliefen, gemeinsame Preise anbieten zu können, die den Preisen des außerhalb der Konferenz stehenden Anbieters entsprachen oder niedriger lagen (Maßnahme, die als $Kampfschiffeinsatz` bezeichnet wird) ..."
und
- "hundertprozentige Treuevereinbarungen (auch in bezug auf fob-Waren [free on board](12)) geschlossen haben, die über das von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 erlaubte Maß hinausgingen und die von der oben beschriebenen Verwendung schwarzer Listen $unzuverlässiger` Verlader(13) begleitet wurden".
In Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung forderte die Kommission die Mitglieder von Cewal auf, "die in Artikel 2 aufgeführten Zuwiderhandlungen abzustellen", und empfahl ihnen in Artikel 5, die Bestimmungen in ihren Treuevereinbarungen so abzuändern, "daß sie mit Artikel 5 Absatz 2 [der Verordnung von 1986] vereinbar sind". In Artikel 6 wurden die Geldbußen verhängt, von denen bereits in Nummer 3 dieser Schlußanträge die Rede war.
B - Verordnung von 1986
8 Die Verordnung Nr. 17/62(14) gilt nicht für Transporte. Die Verordnung von 1986 regelte daher "... die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr"(15). Nach ihrer sechzehnten Begründungserwägung sollte die Verordnung "... die Verfahren, die Entscheidungsbefugnisse und die Sanktionen, die erforderlich sind, um die Beachtung der Verbote gemäß Artikel 85 Absatz 1 und Artikel 86 zu gewährleisten, sowie die Einzelheiten der Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 umfassen".
9 Artikel 3 der Verordnung von 1986 sieht eine "Freistellung von Absprachen zwischen Verkehrsunternehmen über die Linienschiffahrt" vor (nachstehend: Freistellung), die wie folgt lautet:
"Unter der in Artikel 4 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzung sind von dem durch Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ausgesprochenen Verbot solche Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen allen oder einzelnen Mitgliedern einer oder mehrerer Linienkonferenzen freigestellt, durch die die Beförderungspreise und -bedingungen festgelegt und gegebenenfalls eines oder mehrere der nachstehenden Ziele verfolgt werden:
a) Abstimmung der Fahrpläne für die Schiffe oder von deren Abfahrt- oder Anlaufzeiten,
b) Festsetzung der Häufigkeit der Abfahrten oder des Anlaufens,
c) Abstimmung oder Aufteilung der Fahrten oder des Anlaufens unter den Mitgliedern der Konferenz,
d) Regulierung der von den einzelnen Mitgliedern angebotenen Transportkapazität,
e) Aufteilung der Lademenge oder der Einnahmen unter den Mitgliedern."
Die Freistellung wird gemäß Artikel 4 ausdrücklich "nur unter der Bedingung gewährt", daß die Vereinbarungen oder sonstigen Verhaltensweisen "innerhalb der Gemeinschaft bestimmte Häfen, Verkehrsnutzer oder Beförderungsunternehmen nicht dadurch benachteiligen, daß sie in dem von den Vereinbarungen ... erfaßten Gebiet für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland oder dem Be- und Entladehafen unterschiedliche Fracht[rat]en und Beförderungsbedingungen vorsehen, es sei denn, daß diese wirtschaftlich gerechtfertigt werden können". Wird hiergegen verstoßen, so ist die Vereinbarung oder, falls trennbar, ihr rechtswidriger Teil "aufgrund des Artikels 85 Absatz 2 des Vertrages nichtig".
10 Auf der anderen Seite verknüpft Artikel 5 mit dieser Freistellung eine Reihe von "Auflagen". Für "Treueabmachungen" bestimmt Artikel 5 Nummer 2, daß die einer Konferenz angehörenden Linienreedereien "berechtigt [sind], Treueabmachungen mit Verkehrsnutzern zu schließen und zu unterhalten, deren Form und Inhalt Gegenstand von Konsultationen zwischen der Konferenz und den Verkehrsnutzerorganisationen sind". Solche Treueabmachungen müssen aber mehrere Voraussetzungen erfuellen, darunter gemäß Artikel 5 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer i diejenige, daß "hundertprozentige Treueabmachungen ... angeboten werden [können], ... jedoch nicht einseitig auferlegt werden [dürfen]". Gemäß Artikel 5 Nummer 4 ("Bekanntgabe von Tarifen") werden Tarife "den Verkehrsnutzern auf Antrag jederzeit zu angemessenen Gebühren zur Verfügung gestellt oder liegen in den Büros der Linienreedereien und bei ihren Agenten zur Ansicht aus".
11 Artikel 7 behandelt die Nichterfuellung "einer Auflage, die nach Artikel 5 mit der nach Artikel 3 vorgesehenen Freistellung verbunden ist ..." Nach Artikel 7 Absatz 1 kann die Kommission zur Beendigung dieser Nichtbeachtung nach dem in Abschnitt II der Verordnung von 1986 festgelegten Verfahren:
"- Empfehlungen an die Beteiligten zu richten,
- im Fall der Nichtbeachtung dieser Empfehlungen seitens der Beteiligten und nach Maßgabe der Schwere der betreffenden Verstöße beschließen, daß sie entweder bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen oder vorzunehmen haben, oder ihnen die gewährte Gruppenfreistellung unter gleichzeitiger Gewährung einer Einzelfreistellung gemäß Artikel 11 Absatz 4 dieser Verordnung entziehen oder aber ihnen die gewährte Gruppenfreistellung vollständig entziehen".
12 Artikel 8 schließlich trägt die Überschrift "Mit Artikel 86 unvereinbare Wirkungen". Gemäß Artikel 8 Absatz 1 ist "[d]er Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages ... verboten, ohne daß ein entsprechender vorheriger Beschluß erforderlich ist". Artikel 8 Absatz 2 behandelt besondere Fälle, in denen die Kommission zu der Feststellung gelangt, daß "... das Verhalten von Konferenzen, die gemäß Artikel 3 freigestellt sind, dennoch Wirkungen hat, die mit Artikel 86 des Vertrages nicht vereinbar sind ...". In diesem Fall kann die Kommission "... die Gruppenfreistellung zurückziehen und gemäß Artikel 10 alle geeigneten Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 des Vertrages abzustellen".
III - Überblick über das Rechtsmittel
13 Das vorliegende Rechtsmittel beschränkt sich darauf, erstens, die kollektive beherrschende Stellung, die die Mitglieder von Cewal innehaben sollen, zweitens, jede der drei Feststellungen des Mißbrauchs dieser Stellung und drittens, die verhängten Geldbußen anzugreifen. Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, die gegen sie verhängten Geldbußen müßten herabgesetzt werden und das von der Kommission durchgeführte Geldbußenverfahren sei ein Strafverfahren und verletze daher die Artikel 6 Absatz 3 und 7 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nachstehend: EMRK). Schließlich habe das Gericht mit der Neuformulierung einiger der in der Entscheidung dargestellten Zuwiderhandlungen gegen Artikel 7 Absatz 1 EMRK verstoßen.
14 Die Kommission beantragt mit Unterstützung ihrer Streithelferin G & C, das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. Da aber G & C zugleich geltend macht, einige Aspekte der Rechtsmittel seien unzulässig, sollte ihre Streithilfe, da sie über die von der Kommission beantragte Entscheidung hinausgeht, insoweit gemäß Artikel 93 § 5 Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichtshofes für unzulässig erklärt werden.
IV - Zur Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung
A - Einleitung
15 Die Kommission hat festgestellt, daß die Mitglieder von Cewal gemeinsam über eine beherrschende Stellung "im Sinne von Artikel 86 auf ihren Schiffahrtsstrecken zwischen Nordeuropa und Zaïre verfügt[en]" (Randnr. 61 der Entscheidung). Obwohl ich in diesem Zusammenhang keinen sinnvollen Unterschied zwischen "gemeinsam" und "kollektiv" sehe, werde ich den letztgenannten Ausdruck verwenden, da er vom Gerichtshof häufiger verwendet wird. In dieser Rechtsmittelsache geht es weder um die Festlegung des relevanten Marktes noch um die maßgeblichen Feststellungen von Marktanteilen. Die Rechtsmittelführerinnen wenden sich lediglich dagegen, daß ihre Marktstellung eine kollektive sein soll.
B - Rechtsargumentation der Rechtsmittelführerinnen
16 Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen ist die Feststellung einer kollektiven Beherrschung durch unabhängige Unternehmen von folgenden drei Voraussetzungen abhängig:
- Die betreffenden Unternehmen müssen durch ausreichende wirtschaftliche Verbindungen miteinander verbunden sein;
- diese Verbindungen müssen so gestaltet sein, daß sie dasselbe Verhalten auf dem Markt zeigen;
- kollektiv müssen sie eine Marktposition mit solcher Wirtschaftsmacht innehaben, daß sie in der Lage sind, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt zu verhindern.
Außerdem sind die Rechtsmittelführerinnen der Meinung, daß die erforderlichen wirtschaftlichen Verbindungen nicht durch Rückgriff auf Tatsachen belegt werden dürfen, die eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 darstellen.
17 Im Kern machen die Rechtsmittelführerinnen geltend:
- Entscheidung und angefochtenes Urteil haben sich fehlerhaft auf ein abgestimmtes Verhalten der Mitglieder von Cewal gestützt, das zwar unter Artikel 85 fällt, aber nicht einfach "wiederverwendet" werden kann, um auf dieser Grundlage eine kollektive Beherrschung im Sinne von Artikel 86 festzustellen;
- Die Entscheidung enthält keine ausreichende Begründung, um die Anwendbarkeit von Artikel 86 auf die Mitglieder von Cewal als Kollektiv zu rechtfertigen, und das Gericht hat unzulässigerweise die unangemessene Begründung der Kommission ergänzt.
18 Die Rechtsmittelführerinnen rügen, daß das Gericht zum ersten dieser Gesichtspunkte nicht Stellung genommen habe. Es trifft zu, daß das angefochtene Urteil zwar (Randnr. 54) die Rüge der Klägerinnen vermerkt hat, daß "sich die Kommission darauf beschränkt [habe], die angeblich einen Verstoß gegen Artikel 85 begründenden, jedoch nach der Verordnung Nr. 4056/86 freigestellten Tatsachen $wiederzuverwenden`, um sie nach Artikel 86 zu verurteilen", in seiner Würdigung der Frage kollektiver Beherrschung (Randnrn. 59 bis 68) auf diese Rüge aber nicht ausdrücklich eingegangen ist. Es darf aber nicht vergessen werden, daß das Gericht das Hauptvorbringen der Klägerinnen, daß nämlich "... sich der Begriff der kollektiven beherrschenden Stellung nur auf kollektive Mißbräuche durch Unternehmen beziehe, von denen jedes eine beherrschende Stellung innehabe" (Randnr. 60, Hervorhebung von mir), durchaus erörtert und ganz zu Recht zurückgewiesen hat. Dies aber wird mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen.
C - Zur Natur kollektiver Beherrschung
19 Die einzig wesentliche Frage, die zu diesem Punkt mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, ist die, ob es zulässig ist, sich auf ein abgestimmtes oder kollusives und daher nach Artikel 85 verbotenes Verhalten (soweit nicht freigestellt) zu stützen, um den Nachweis einer kollektiven beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 zu führen. Die Rechtsmittelführerinnen sind der Auffassung, daß Kommission und Gericht im Widerspruch zur Rechtsprechung lediglich bestimmte Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen der Mitglieder von Cewal "wiederverwendet" hätten, während die für die Feststellung einer kollektiven Beherrschung erforderlichen wirtschaftlichen Verbindungen "anderer Natur" sein müßten. Die Kommission meint für ihr Teil, daß grundsätzlich ein und dasselbe Verhalten von Unternehmen sowohl eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Artikels 85 als auch einen gegen Artikel 86 verstoßenden Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könnte. Der entscheidende Punkt an dieser Stelle ist aber nicht der Mißbrauch, sondern das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung.
20 Das Problem der sogenannten "Wiederverwendung" kann nicht ohne Prüfung der Natur einer kollektiven oder gemeinsamen Beherrschung gelöst werden, wie sie Schritt für Schritt in der Rechtsprechung herausgearbeitet worden ist. Es bringt zugleich den Unterschied zwischen den Artikeln 85 und 86 und die Frage auf den Plan, inwieweit diese Artikel, wie der Gerichtshof gesagt hat, "[a]uf verschiedenen Ebenen ... das gleiche Ziel der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt an[streben]"(16).
21 Artikel 85 hat es mit abgestimmten oder vereinbarten Verhaltensweisen wirtschaftlich unabhängiger Unternehmen zu tun und gilt potentiell für alle Märkte einschließlich derjenigen, auf denen normale Wettbewerbsbedingungen vorherrschen. Artikel 86 hingegen betrifft nur solche Märkte, auf denen die Wettbewerbsbedingungen aufgrund der beherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen nicht mehr normal sind. Das Verhalten, das Artikel 86 unter dem Stichwort "Mißbrauch" verbietet, ist vorwiegend einseitig festgelegt(17).
22 Gleichwohl verfolgen diese Artikel, die beide unmittelbare Wirkung haben(18), das gemeinsame Ziel, "... den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschung [zu schützen]"(19); zwischen den Artikel 85 und 86 steht keine wasserdichte Trennwand. Wie der Gerichtshof im Urteil Ahmed Saeed geäußert hat, können "... die Artikel 85 und 86 durchaus nebeneinander anwendbar sein"(20). So hat der Gerichtshof entschieden, daß, wenn es in der wirtschaftlichen Realität einem Flugunternehmen in beherrschender Stellung gelungen ist, die Anwendung von Tarifen durch andere Unternehmen durchzusetzen, sowohl Artikel 85 als auch Artikel 86 anwendbar sind, zumindest in dem Sinne, daß die Beteiligung an einer nach Artikel 85 verbotenen Absprache zugleich ein gegen Artikel 86 verstoßender Mißbrauch sein kann.
23 Bemerkenswert ist weiterhin, daß Generalanwalt Lenz in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Ahmed Saeed die Auffassung vertreten hat, daß bereits nach dem Wortlaut des Artikels 86 eine marktbeherrschende Stellung "auch von mehreren Unternehmen gemeinsam innegehabt werden kann", und daraus gefolgert hat, daß "... die Mitglieder eines Kartells bzw. die Teilnehmer an gemeinschaftsrechtswidrigen Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag eine gemeinsame beherrschende Stellung einnehmen"(21). Artikel 86 behandelt jedoch ausdrücklich nicht eine beherrschende Stellung eines oder mehrerer Unternehmen, sondern die "mißbräuchliche Ausnutzung ... durch ein oder mehrere Unternehmen". Der Wortlaut ist daher schwerlich maßgebend(22). Generalanwalt Lenz hat offensichtlich nicht sagen wollen, daß ein bloßes Kartell mit einem bedeutenden Marktanteil ausreiche, um eine kollektive Beherrschung anzunehmen. Diese Feststellung hat den Ausdruck "Wiederverwendung" entstehen lassen. Im Urteil SIV u. a./Kommission(23) hat das Gericht das Vorbringen des Vertreters der Kommission in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen, es genüge, "die einen Verstoß gegen Artikel 85 begründenden Tatsachen in der Weise $wiederzuverwenden`, daß daraus die Feststellung abgeleitet wird, daß die an einer Vereinbarung oder rechtswidrigen Verhaltensweise Beteiligten zusammen einen bedeutenden Marktanteil halten [und] allein aufgrund dieser Tatsache eine kollektiv beherrschende Stellung haben ..."(24). Dies führte zu dem Ausdruck "Wiederverwendung". Es liegt daher auf der Hand, daß die Feststellung einer kollektiven Beherrschung durch unabhängige Unternehmen durch mehr als eine kartellähnliche Absprache über Preisfestsetzung oder auch anderes kollusives Marktverhalten getragen werden muß. Das Urteil Flachglas stellt den ersten nachhaltigen Versuch dar, die Merkmale einer kollektiven beherrschenden Stellung unabhängiger Unternehmen herauszuarbeiten.
24 Am anderen Ende der Leiter finden wir das abgestimmte oder koordinierte Verhalten innerhalb eines Konzerns. Ein solches Verhalten unter der Kontrolle einer Muttergesellschaft fällt normalerweise nicht unter Artikel 85. Die einzelnen Einheiten werden vielmehr als ein einziges Unternehmen behandelt, wenn "... die Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, und ... [wenn] diese Vereinbarungen oder Verhaltensweisen dem Zweck dienen, die interne Aufgabenverteilung zwischen den Unternehmen zu regeln".(25) Diese Unterscheidung ist freilich nicht immer eindeutig getroffen worden. Der Gerichtshof hat sein Urteil Bodson(26) als Beleg für eine kollektive beherrschende Stellung angeführt, obwohl dieser Ausdruck dort nicht erscheint. In der Rechtssache Bodson ist es nicht als ein entscheidender Faktor für den Nachweis des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung angesehen worden, daß die Inhaber ausschließlicher Gemeindekonzessionen für Bestattungen dem gleichen Unternehmensverband angehörten. Vielmehr kam es "auf die Art der Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe an" und wäre zu prüfen gewesen, "ob die Unternehmen auf dem Markt eine gemeinsame, von der Mutterfirma bestimmte Linie verfolgen"(27).
25 Die beiden in dieser Passage genannten Faktoren, also die Beziehungen zwischen den Unternehmen und die Verfolgung einer gemeinsamen Linie auf dem Markt, kehren in der Rechtsprechung zur Definition der kollektiven beherrschenden Stellung ständig wieder. Bereits 1975 hatte der Gerichtshof im Urteil Suiker Unie u. a./Kommission(28) "persönliche oder finanzielle Verflechtungen" zwischen bestimmten Zuckererzeugern und dem wichtigsten Zuckererzeuger auf dem belgischen Markt sowie den Umstand berücksichtigt, daß sie sich der von diesem Erzeuger "festgelegten Absatzpolitik" angeschlossen hatten, um daraus den Schluß zu ziehen, daß die Marktanteile aller Erzeuger zusammenzurechnen seien, um das Ausmaß der beherrschenden Stellung des wichtigsten von ihnen zu bestimmen.
26 Das Urteil Almelo u. a.(29) bringt allerdings die bisher erhellendste Darlegung zu der Frage der kollektiven beherrschenden Stellung. Der Gerichtshof hat hier entschieden, daß "[e]ine solche kollektive beherrschende Stellung ... voraus[setzt], daß die Unternehmen der betreffenden Gruppe so eng miteinander verbunden sind, daß sie auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen können"(30). Sowohl im Urteil Centro Servizi Spediporto als auch im Urteil DIP hat der Gerichtshof ebenfalls bemerkt, daß das Fehlen von Wettbewerb zwischen den angeblich in kollektiver beherrschender Stellung befindlichen Unternehmen ein kennzeichnendes Merkmal sei(31). Erst kürzlich hat der Gerichtshof im Urteil Frankreich u. a./Kommission untersucht, ob ein geplanter Zusammenschluß zu einer kollektiv beherrschenden Stellung auf dem Gemeinschaftsmarkt für Erzeugnisse auf Kalibasis für die Landwirtschaft hätte führen können(32). Der Gerichtshof hat bei seiner Prüfung als Kriterium herangezogen, ob der Zusammenschluß "zu einer Situation führt, in der ein wirksamer Wettbewerb auf dem relevanten Markt von den zusammengeschlossenen Unternehmen und einem oder mehreren dritten Unternehmen, die insbesondere aufgrund der zwischen ihnen bestehenden verbindenden Faktoren zusammen die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen, erheblich behindert wird"(33). Anhand dieses Kriteriums hat der Gerichtshof entschieden, daß bestimmte Rügen der Klägerinnen bezüglich des von der Kommission dargestellten "Gewebes struktureller Verflechtungen"(34) begründet seien.
27 Mir scheint allerdings, daß alle jüngeren Stellungnahmen des Gerichtshofes auf eine stillschweigende Bestätigung der nachstehenden Feststellung des Gerichts im Urteil Flachglas(35) hinauslaufen:
"Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß zwei oder mehr unabhängige wirtschaftliche Einheiten auf einem spezifischen Markt durch wirtschaftliche Bande so miteinander verknüpft sind, daß sie infolgedessen eine beherrschende Stellung im Verhältnis zu den anderen Marktteilnehmern einnehmen."
Allerdings dürfte die Wendung "durch wirtschaftliche Bande miteinander verknüpft" jetzt im Licht der Formel im Urteil Frankreich u. a./Kommission(36) zu verstehen sein, die auf "verbindende Faktoren" zwischen den Unternehmen abstellt, was mir aber nichts anderes als "wirtschaftliche Bande" zu bedeuten scheint.
28 Die Rechtsmittelführerinnen stellen sich allerdings auf den Standpunkt, daß man sich zum Nachweis des Vorliegens diesem Kriterium genügender "wirtschaftlicher Verbindungen" nicht wiederum auf die Tatsachen stützen dürfe, die Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 darstellen. Ich kann mich diesem Standpunkt nicht anschließen. In meinen Augen ist dieses doppelte Kriterium - Vorliegen ausreichender wirtschaftlicher Verbindungen, um eine einzige Markteinheit annehmen zu können - im Grunde genommen ein einziges und dessen zweiter Gesichtspunkt der wichtigste. Nachzuweisen ist eine einzige beherrschende Stellung, d. h., mehrere Unternehmen müssen als eine Einheit und daher einseitig auf dem Markt tätig werden. Die Natur dieser Beziehungen oder wirtschaftlichen Verbindungen bedarf keiner und schon gar keiner erschöpfenden Beschreibung. Sie können sich in der Verwendung von Musterlieferbedingungen zeigen, die von einem gemeinsamen Handelsverband erstellt werden (Almelo), in gegenseitigem Anteilsbesitz, in gemeinsamer Geschäftsführung oder sogar in Familienbanden mit wirtschaftlichen Folgen. Sie können sich genausogut in der Verfolgung einer gemeinsamen Marktstrategie oder Absatzpolitik zeigen (Bodson, Suiker Unie). Sie können nur im Hinblick auf ihr Ergebnis definiert werden, nämlich als Herbeiführung einer Lage, in der eine Mehrzahl unabhängiger Unternehmen als einheitliche Markteinheit auftritt.
29 Außerdem, das sei erneut gesagt, kann eine dürftige Beweislage bezüglich einer Abstimmung nicht durch Rückgriff auf Artikel 86 gebessert werden. Ich habe mich bereits festgelegt, daß abgestimmtes Verhalten allein nicht zur Feststellung einer beherrschenden Stellung führen kann. Ich bin aber nicht damit einverstanden, daß der Rückgriff auf eine solche Beweislage ausgeschlossen werden kann, und zwar weder durch den Vertrag noch durch irgendein Rechtsprinzip oder Denkgesetz.
30 Eine aufmerksame Durchsicht des Urteils Almelo dürfte diesen Standpunkt bestätigen. Die regionalen Stromversorger in den Niederlanden, um deren Verbindungen es ging, waren an lokale Verteiler durch dieselbe Art vertikaler Exklusivverträge gebunden, die allesamt als Verstoß gegen Artikel 85 angesehen wurden. Auf diese Verträge verwies Generalanwalt Darmon bei der Frage "von Verbindungen, aufgrund deren die betroffenen Unternehmen kollektiv den Markt beherrschen können"(37). Während sowohl Generalanwalt wie Gerichtshof bedacht waren, dem vorlegenden Gericht die letzte Entscheidung in dieser Frage zu überlassen, scheint doch der Gerichtshof implizit dem Standpunkt des Generalanwalts in bezug auf die mögliche Relevanz der durch solche Verträge geschaffenen wirtschaftlichen Verbindungen beigepflichtet zu haben.
31 Im vorliegenden Fall hat das Gericht erster Instanz sich zu Beginn seiner Prüfung der kollektiven beherrschenden Stellung der Mitglieder von Cewal zutreffend die Frage gestellt, ob "... die betreffenden Unternehmen so eng miteinander verbunden sind, daß sie auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen [können]" (Randnr. 62). Das angefochtene Urteil führte dann "unter Berücksichtigung der gesamten Entscheidung" die Gründe für seine Schlußfolgerung auf, daß "die Stellung der Cewal-Mitglieder auf dem relevanten Markt als eine kollektive Stellung zu beurteilen war" (Randnr. 66). Die Randnummern 63 bis 65 lauten wie folgt:
"63 In der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung hat sich die Kommission ausdrücklich auf die Verordnung Nr. 4056/86 bezogen. (Das Gericht verweist dann auf die Definition einer $Linienkonferenz` in der Verordnung von 1986, vgl. Nr. 2 dieser Schlußanträge]. Die Klägerinnen, die sich mehrfach auf die Verordnung Nr. 4056/86 berufen haben, bestreiten nicht, daß die Cewal eine Linienkonferenz im Sinne dieser Bestimmung ist.
64 Außerdem bleibt Artikel 86 des Vertrages nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 4056/86 weiterhin anwendbar. Aufgrund der engen Beziehungen, die zwischen den Reedern einer Linienkonferenz bestehen, sind diese zusammen in der Lage, auf dem relevanten Markt gemeinsame Praktiken anzuwenden, die so geartet sind, daß sie einseitige Verhaltensweisen darstellen. Diese Verhaltensweisen können einen Verstoß gegen Artikel 86 darstellen, wenn auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung erfuellt sind.
65 Im vorliegenden Fall ist angesichts der Angaben in der angefochtenen Entscheidung festzustellen, daß die Reeder eine gemeinsame Einheit, die Linienkonferenz Cewal, gegründet haben. Nach der Entscheidung bildete diese Struktur den Rahmen für verschiedene Ausschüsse, denen die Mitglieder der Konferenz angehörten, wie das Zaïre Pool Committee und das Special Fighting Committee, die an verschiedenen Stellen in der Entscheidung, insbesondere in den Randnummern 26, 29, 31 und 32, erwähnt sind, und das in Randnummer 74 genannte Zaïre Action Committee. Außerdem hat diese gemeinsame Struktur gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 4056/86 ihrem Wesen nach den Zweck, einheitliche Frachtraten und sonstige gemeinsame Beförderungsbedingungen festzulegen und anzuwenden, deren Bestehen die Kommission in Randnummer 61 ausdrücklich festgestellt hat. Somit tritt die Cewal auf dem Markt als eine Einheit auf. Schließlich ist festzustellen, daß in den den Cewal-Mitgliedern zur Last gelegten Praktiken, wie sie in der Entscheidung beschrieben sind - deren Qualifikation im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen ist -, der Wille zum Ausdruck kommt, gemeinsam in gleicher Weise auf dem Markt vorzugehen, um auf eine als bedrohlich angesehene Entwicklung der Wettbewerbssituation des Marktes, auf dem sie tätig sind, einseitig zu reagieren. Diese in der Entscheidung genau beschriebenen Praktiken waren Bestandteile einer Gesamtstrategie, zu deren Verwirklichung die Cewal-Mitglieder ihre Kräfte vereint haben."
32 Meines Erachtens ist jeder der in diesen Randnummern angeführten Punkte geeignet, eine "wirtschaftliche Verbindung" darzustellen. Insbesondere hat das Gericht ganz zu Recht auf die Definition einer Linienkonferenz abgestellt, die "Gesamtstrategie" und den Willen der Cewal-Mitglieder erwähnt und wiederholt mit jeweils anderen Worten die Schaffung einer "gemeinsamen Einheit" beschworen. Geht man davon aus, daß das Gericht von Rechts wegen befugt war, diese Tatsachen als wirtschaftliche Verbindungen zu werten, so ist seine Schlußfolgerung in dieser Frage mit den vorliegenden Rechtsmitteln meines Erachtens zu Recht nicht angegriffen worden; eine solche Feststellung beruht auf einer tatsächlichen Wertung des Gerichts und kann, soweit die Tatsachen nicht verfälscht wurden, vor dem Gerichtshof nicht in Frage gestellt werden.
33 Darüber hinaus ist der Versuch der Rechtsmittelführerinnen, dieses Verständnis kollektiver Beherrschung in Zusammenhang mit Linienkonferenzen zu bekämpfen, etwas unrealistisch. Zur Rechtfertigung der angeblich fehlenden Mißbräuchlichkeit ihrer Treuerabatte haben sie wiederholt vorgebracht, daß Linienkonferenzen normalerweise eine beherrschende Stellung einnehmen.
34 Schließlich haben die Rechtsmittelführerinnen vorgebracht, sowohl das angefochtene Urteil wie die Entscheidung müßten wegen der Feststellung kollektiver Beherrschung aufgehoben werden, weil weder das Gericht noch die Kommission in ihrer Entscheidung das Fehlen eines internen Nicht-Preis-Wettbewerbs unter Cewal-Mitgliedern belegt hätten. Diese zum erstenmal in der Sitzung erhobenen Rüge ist im Hinblick auf die Artikel 42 § 2 und 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes offensichtlich unzulässig. Obwohl sich aus der zuvor erörterten Rechtsprechung, insbesondere den Urteilen Centro Servizi Spediporto, DIP und Frankreich u. a./Kommission, eindeutig ergibt, daß fehlender Wettbewerb zwischen mehreren Unternehmen, die eine kollektive beherrschende Stellung innehaben sollen, ein maßgebliches Kennzeichen für kollektive Beherrschung ist, würde es meines Erachtens auf keinen Fall genügen, wenn solche Unternehmen sich gegenüber einem Vorwurf der Kommission, daß sie eine einheitliche Marktstrategie für den Preiswettbewerb entwickelt hätten, damit verteidigten, daß das Vorliegen anderer Formen des Wettbewerbs unter ihnen - wie etwa Wettbewerb bezüglich der Qualität der erbrachten Dienste - die Feststellung kollektiver Beherrschung aufgrund von Verbindungen wegen ihrer gegenseitigen Preisstrategie entkräften müsse, es sei denn, ein verläßlicher Rückgriff auf ihre gemeinsame Preispolitik als Grundlage für die Feststellung einer einzigen Markteinheit würde durch Ausmaß und Intensität dieser alternativen Formen des Wettbewerbs ausgeschlossen. Da die Mitglieder der Gruppe selbst am leichtesten Zugang zu den ein solches Vorbringen stützenden Informationen hätten, müßten sie Beweismaterial vorlegen, um die auf ihre gemeinsame Preispolitik gestützte Feststellung einer Beherrschung zu widerlegen. Weder vor dem Gericht noch jetzt vor dem Gerichtshof gab es Beweise dafür, daß Cewal-Mitglieder bezüglich der Qualität der Dienste für die Verlader untereinander in aktivem Wettbewerb gestanden hätten.
35 Folglich würde ich das Vorbringen zurückweisen, daß die Kommission oder das Gericht erster Instanz durch die Anführung von Tatsachen, die auch ein abgestimmtes Verhalten im Sinne von Artikel 85 darstellten könnten, auf Beweismaterial zurückgegriffen hätten, das als solches nicht habe verwendet werden dürfen, um das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 festzustellen.
D - Zur Hinlänglichkeit der Begründung
36 Die Rechtsmittelführerinnen haben vor dem Gericht die Frage einer ausreichenden Begründung weder durch Hinweis auf Artikel 190 des Vertrages noch in anderer Weise ausdrücklich vorgebracht. Sie haben vielmehr vorgebracht, die in der Entscheidung genannten Gründe, die in der Tat auf das Vorliegen der Konferenzvereinbarung beschränkt waren, reichten für die Feststellung einer kollektiven Beherrschung nicht aus. Das Gericht hat dieses Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen als Rüge der "unzureichenden Begründung" verstanden (Randnr. 59).
37 Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in dieser Instanz geht dahin, daß das Gericht nicht auf ihre Argumente eingegangen sei, sondern die Begründung der Kommission ergänzt habe, d. h. andere Gründe für die Feststellung einer kollektiven Beherrschung als die angeführt habe, auf die sich die Kommission gestützt habe. Sie rügen namentlich, daß das Gericht auf "[die] gesamte Entscheidung" abgestellt (Randnr. 66) und festgestellt habe, daß "zwischen den Reedern über die unstreitig zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen, mit denen die Cewal-Konferenz gegründet wurde, hinaus Verbindungen bestanden haben, die so geartet waren, daß sie auf dem Markt einheitlich vorgegangen sind" (Randnr. 67).
38 Die Kommission meint hingegen, daß das Gericht sich auf nichts gestützt habe, was nicht in der Entscheidung zu finden sei, daß mit den Worten "über ... hinaus" gemeint sei, daß die Konferenzabsprachen so geartet gewesen seien, daß das Verhalten der Cewal-Mitglieder als kollektives zu untersuchen sei, und daß es keinen Einwand dagegen geben könne, daß das Gericht auf andere Teile der Entscheidung abgestellt habe, um damit zu belegen, daß andere von der Kommission behandelte Umstände deren Schlußfolgerung bestärkten.
39 Vor einer Betrachtung der maßgebenden Rechtsprechung ist es wohl angebracht, kurz auf die Struktur der Teile der Entscheidung einzugehen, die sich mit der kollektiven Beherrschung befassen. Die Randnummern 49 bis 51 befassen sich mit der Anwendbarkeit von Artikel 86 auf Linienkonferenzen. In Randnummer 49 heißt es:
"Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 sieht bei Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch Linienkonferenzen die Möglichkeit der Zurücknahme der Gruppenfreistellung vor. Außerdem hat das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Gemeinschaften die Linienkonferenzen als Beispiele für Vereinbarungen zwischen voneinander unabhängigen Wirtschaftseinheiten angeführt, die wirtschaftliche Bindungen herbeiführen, mit denen diese Einheiten gemeinsam eine beherrschende Stellung gegenüber den übrigen Marktteilnehmern erlangen können(38). Bei der Vereinbarung zwischen den Mitgliedern von Cewal handelt es sich um eine Vereinbarung dieser Art."
In Randnummer 52 heißt es (unter Bezugnahme auf Randnrn. 8 bis 12 der Entscheidung), daß der "zugrunde zu legende Dienstleistungsmarkt" aus den Seeverkehrs-Liniendiensten besteht. In den Randnummern 53 bis 56 wird der räumlich relevante Markt erörtert mit dem Ergebnis, daß "... die von Cewal-Mitgliedern zwischen Zaïre und den nordeuropäischen Häfen befahrenen Strecken insgesamt ... einen gesonderten Markt [darstellen]". In den Randnummern 57 bis 60 wird die beherrschende Stellung von Cewal im Hinblick auf ihren Marktanteil erörtert. In Randnummer 61 heißt es:
"Hieraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß Cewal über eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 auf ihren Schiffahrtsstrecken zwischen Nordeuropa und Zaïre verfügt. Angesichts der Tatsache, daß ihre Mitglieder durch ein Konferenzabkommen aneinander gebunden sind, welches unter ihnen sehr enge Bindungen herstellt, was z. B. durch die Anwendung eines gemeinsamen Tarifs zum Ausdruck kommt, wird diese beherrschende Stellung gemeinsam ausgeübt."
40 Somit wird nur in Randnummer 61 (und teilweise in Randnr. 49) die gemeinsame oder kollektive Natur der beherrschenden Stellung von Cewal erörtert und das Ergebnis auf der Grundlage erzielt, daß die Cewal-Mitglieder "durch ein Konferenzabkommen aneinander gebunden sind ...".
41 Diese Argumentation, die die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung stützen soll, ist für sich genommen recht karg. Sie berücksichtigt die vom Gericht in Randnummer 67 des angefochtenen Urteils angeführten Tatsachen nicht ausdrücklich und behauptet nicht einmal, daß die Cewal-Mitglieder als eine oder einheitliche Einheit auf dem Markt aufgetreten seien. Allen Randnummern der Entscheidung, die der Marktanalyse gelten, ist indessen klar zu entnehmen, daß Cewal als eine solche betrachtet wird, d. h. zum Beispiel "in der Lage [ist], unabhängig von [ihren] Wettbewerbern und [ihren] Kunden zu handeln ..."(39). Das vom Gericht zusätzlich angeführte Material ist weitgehend späteren Teilen der Entscheidung entnommen (Randnr. 63 ff.), die der Feststellung des Mißbrauchs dienen.
42 Der Erörterung bedarf gewiß die Frage, ob es zulässig ist, die Feststellung einer kollektiv beherrschenden Stellung durch Bezugnahme auf Material in derselben Entscheidung zu ergänzen, das sich auf die Feststellung des Mißbrauchs dieser Stellung bezieht. Hierbei kann ich nur sagen, daß es hilfreicher gewesen wäre, wenn die Kommission sich bei ihrem Versuch des Nachweises einer einheitlichen oder einzigen Markteinheit dem Problem wirtschaftlicher Verbindungen nachdrücklicher zugewandt hätte.
43 Die klassische Äußerung zur Pflicht der Gemeinschaftsorgane, in ihren Entscheidungen die wichtigsten der sie tragenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzuführen, findet sich im Urteil Remia/Kommission(40):
"[Zwar hat] die Kommission nach Artikel 190 EWG-Vertrag ... die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen anzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind. Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß den Gerichtshof in die Lage versetzen, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen die notwendigen Hinweise geben, aus denen er erkennen kann, ob die Entscheidung materiell rechtmäßig ist oder nicht."
44 Eine Durchsicht der Rechtsprechung zeigt, daß Rügen unzureichender Begründung von Entscheidungen zwar häufig erhoben wurden, aber nur selten erfolgreich waren(41). Waren sie dies aber, so ist die Beanstandung der Begründung häufig tatsächlich eine Feststellung, daß die Entscheidung in der Sache fehlerhaft war. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Rüge ist die Rechtssache Leeuwarder(42), in der der Gerichtshof die Begründung in bezug auf die Marktanalyse als wirklich fehlerhaft betrachtete.
45 Die Funktion der Begründung wird im zweiten Satz des Auszugs aus dem Urteil Remia erläutert. Es ist ein zweckbestimmtes und nicht lediglich "formales" Erfordernis(43). Es soll sicherstellen, daß die betroffenen Personen und in der Folge auch der Gerichtshof ausreichend über die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung informiert werden, damit sie ihre Interessen verteidigen können. In der Rechtssache Belgien/Kommission hat der Gerichtshof zum Beispiel festgestellt, daß ein in der Entscheidung der Kommission weggelassener tatsächlicher Umstand sowohl im Urteil des Gerichts und in den Schlußanträgen des Generalanwalts in einem Verfahren auf Nichtigerklärung bezüglich einer früheren Entscheidung der Kommission über den gleichen Gegenstand als auch in der Mitteilung der Kommission über die Wiedereröffnung des Verwaltungsverfahrens behandelt worden war. Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof entschieden, daß "die Beteiligten ... von ihnen Kenntnis nehmen und sich vor dem Gerichtshof zu ihnen äußern [konnten]"(44). Der Gerichtshof wird annehmen, daß die Interessen einer betroffenen Person ausreichend gewahrt sind, wenn sie eigenständig Zugang zu der Information hatte, auf die die Kommission sich gestützt hat(45), zum Beispiel aufgrund ihrer Beteiligung am Verwaltungsverfahren(46).
46 Auch wenn die Entscheidung einer streng logischen Überprüfung nicht standhalten sollte, ist doch die grundlegende Frage die der Fairneß. Die Rechtsmittelführerinnen können nicht ernsthaft behaupten, sie seien dadurch, daß das Gericht Material in der Entscheidung zum Thema des Mißbrauchs herangezogen habe, um damit die Feststellung kollektiver Beherrschung zu stützen, benachteiligt worden, da das gesamte fragliche Material in der Entscheidung greifbar vorhanden war und jedenfalls während des Verwaltungsverfahrens erörtert worden ist(47).
E - Ergebnis
47 Demgemäß schlage ich vor, diesen gegen die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung gerichteten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
V - Die Cewal angelasteten mißbräuchlichen Verhaltensweisen
48 Ich prüfe nun der Reihe nach die Argumente der Rechtsmittelführerinnen zu den angeblich von den Cewal-Mitgliedern an den Tag gelegten mißbräuchlichen Verhaltensweisen.
A - Zum Mißbrauch im Rahmen der Ogefrem-Vereinbarung
i) Hintergrund
49 In Artikel 2 der Entscheidung hat die Kommission festgestellt, daß Cewal zur Ausschaltung der Wettbewerber u. a. ihre kollektive beherrschende Stellung dadurch mißbraucht habe, daß sie "an der Durchführung der vorerwähnten Kooperationsvereinbarung mit Ogefrem teilgenommen und wiederholt durch verschiedenen Maßnahmen auf dessen strikte Einhaltung gedrungen(48) [habe]". Diese Feststellung muß im Kontext der Randnummern 20 bis 27 und 63 bis 72 der Entscheidung verstanden werden, denen zu entnehmen ist, daß die Kommission das Verhalten von Cewal im Rahmen der Ogefrem-Vereinbarung so bewertete, daß damit der Wettbewerb auf dem Seefrachtmarkt zwischen Zaïre und Nordeuropa verhindert und/oder geschwächt werden sollte. Die Kommission verweist zunächst in Randnummer 63 der Entscheidung auf den Grundsatz, daß beherrschende Unternehmen keine Verhaltensweisen an den Tag legen dürfen, die gegen die Aufrechterhaltung des bestehenden oder die Entfaltung neuen Wettbewerbs auf dem von ihnen beherrschten Markt gerichtet sind(49). In Randnummer 64 bringt sie ihre auch in Artikel 2 der Entscheidung erkennbare Auffassung zum Ausdruck, daß Cewal ihre beherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt habe, indem sie an der Durchführung des Abkommens mit Ogefrem aktiv mitgewirkt und wiederholt auf die strenge Einhaltung dieses Abkommens gedrungen habe, "um die Ausschaltung ihres einzigen Wettbewerbers in diesem Verkehr zu erwirken". Die bestehende beherrschende Stellung von Cewal sei durch das Abkommen mit Ogefrem "verstärkt" worden (Randnr. 65), und Cewal habe wiederholt Druck auf Ogefrem ausgeübt, um die Einhaltung des Abkommens sicherzustellen und dadurch die Ausschaltung ihres Hauptwettbewerbers zu erreichen (Randnr. 66).
50 Den Einwand von Cewal, sie sei zu diesen Praktiken verpflichtet gewesen, weil ihr diese Pflichten von Behörden auferlegt worden seien, hat die Kommission zurückgewiesen, ebenso auch deren Verteidigung, die beanstandete Verhaltensweise falle nicht unter Artikel 86, weil die Ogefrem-Vereinbarung als Festlegung von Pflichten betrachtet werden müsse, die durch eine Behörde oder sogar durch eine staatliche Maßnahme begründet worden seien. Nach Auffassung der Kommission war dies "eine Vereinbarung, die den Unterzeichnern Verpflichtungen hinsichtlich der Steuerung des betreffenden Verkehrs auferlegt" und "eine Kündigung innerhalb einer bestimmten Frist freistellt" (Randnr. 70). Schließlich hob die Kommission hervor, daß "die Bestimmungen von Zaïre den Konferenzmitgliedern nicht auferlegen, Systeme zu errichten, deren Aufgabe es ist, die Frachten zu den eigenen Schiffen zu leiten und unabhängige Reedereien vom Frachtverkehr auszuschließen", und kam zum Ergebnis, daß "die Vereinbarung und das Bestehen von Cewal auf deren Einhaltung nicht das Ergebnis von Verpflichtungen sind, die von staatlichen Behörden auferlegt wurden" (Randnrn. 71 und 72).
51 In ihrer Klageschrift vor dem Gericht machten die Rechtsmittelführerinnen geltend, das ihnen von der Kommission angelastete Verhalten könne keine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages sein. Sie brachten u. a. vor, daß die Ogefrem-Vereinbarung ein Konzessionsvertrag sei, mit dem die zaïrischen Behörden ihnen ein ausschließliches Recht übertragen hätten, daß Artikel 86 des Vertrages nicht verletzt werde, wenn sie Anstrengungen unternähmen, um die Beachtung dieses Rechts sicherzustellen, und daß auf jeden Fall die Ermunterung zu einem Eingreifen der Regierung kein Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 sein könne. In ihrer Erwiderung machten sie ferner geltend, daß die Entscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletze, weil die Kommission ihnen ursprünglich in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte auch den Erwerb des fraglichen ausschließlichen Rechts mittels des Abschlusses der Ogefrem-Vereinbarung als Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung vorgeworfen, diesen Vorwurf aber in der Entscheidung nicht aufrechterhalten habe.
52 In ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht führte die Kommission aus, die Ogefrem-Vereinbarung sei synallagmatisch, d. h. ihrer Natur nach konsensuell, und bestand darauf, daß der einzige von ihr festgestellte Mißbrauch von Cewal ihre unbeeinflußten Bemühungen mit eingeschlossen habe, das ihr mit der Vereinbarung gewährte ausschließliche Recht aufrechtzuerhalten. In ihrer Gegenerwiderung machte sie geltend, das Vorbringen der Klägerinnen, ihnen sei das rechtliche Gehör versagt worden, sei als neues Vorbringen gemäß Artikel 48 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig und im übrigen unbegründet, da zwischen Mitteilung der Beschwerdepunkte und Entscheidung kein wesentlicher Unterschied bestanden habe, da die Klägerinnen in der Entscheidung eines Teils des ihnen in der Mitteilung angelasteten Sachverhalts für schuldig befunden worden seien.
53 Das Gericht hielt im angefochtenen Urteil zunächst fest, daß es im vorliegenden Fall um die Frage gehe, ob die Cewal-Mitglieder ihre beherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt hätten, und daß, "[d]a es nur um ein einseitiges Verhalten der Cewal geht, ... es für die Anwendung des Artikels 86 des Vertrages nicht auf die genaue Bestimmung der Natur der zwischen der Cewal und dem Ogefrem geschlossenen Vereinbarung an[kommt]" (Randnr. 103). Unter Hinweis auf das Urteil Bodson(50) stellte es fest, daß selbst wenn man annähme, daß diese Vereinbarung eine Konzessionierung wäre, "... damit doch nicht schon ein mißbräuchliches Verhalten der Cewal auszuschließen [wäre]". Es hatte sich nämlich aufgrund von Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Ogefrem-Vereinbarung davon überzeugt, daß Cewal Ausnahmen von diesem ihr mit der Vereinbarung gewährten Ausschließlichkeitsrecht hätte einräumen können. Selbst wenn man die Vereinbarung als öffentlich-rechtliche Konzession ansehen wolle, habe es keine Kollision "zwischen dem Vertrag" und "der Systematik der Vereinbarung" gegeben, weil diese "eine Regelung über die Zulassung von Wettbewerb enthielt", so daß Cewal-Mitglieder "... ihre Durchführung den Anforderungen des Artikels 86 des Vertrages [hätten anpassen können]" (Randnr. 104).
54 Das Gericht entschied folglich, daß "in der Entscheidung zu Recht das Verhalten der Cewal bei der Durchführung der Vereinbarung geprüft wird" (Randnr. 105). Da die Feststellung, daß "beim Ogefrem Schritte unternommen [worden waren], um eine Verdrängung [von G & C] vom Markt zu erreichen", nicht in Frage zu stellen war, prüfte das Gericht dann, wie dieses Verhalten zu beurteilen war. Es verwies zunächst auf die "besondere Verantwortung" eines Unternehmens in beherrschender Stellung, daß "es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt"(51), um dann klarzustellen, daß diesem zwar nicht "das Recht [genommen wird], seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind"(52), daß dies aber nicht "auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch" abzielen dürfe. Das Gericht wandte diese Grundsätze auf das Verhalten von Cewal an und entschied, daß "[e]in Unternehmen in beherrschender Stellung, dem ein Ausschließlichkeitsrecht zusteht, von dem mit seiner Zustimmung Abweichungen möglich sind, von dem ihm in der Vereinbarung eingeräumten Vetorecht hinsichtlich des Marktzugangs Dritter angemessenen Gebrauch machen [muß]"; das könne aufgrund der feststehenden Tatsachen "von den Cewal-Mitgliedern nicht gesagt werden". Damit habe "die Kommission zu Recht den Standpunkt eingenommen, daß die Cewal-Mitglieder gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hätten, indem sie aktiv an der Durchführung der Vereinbarung mit dem Ogefrem mitgewirkt und wiederholt deren strikte Einhaltung im Rahmen eines Planes zur Verdrängung des einzigen unabhängigen Reeders eingefordert hätten, dessen Marktzugang vom Ogefrem zugelassen worden sei" (Randnr. 109). Als "unerheblich" behandelt wurde der Vortrag der Klägerinnen, daß es keinen Mißbrauch darstellen könne, wenn eine Regierung zum Tätigwerden angehalten werde, "da ein solches Verhalten im vorliegenden Fall nicht gerügt worden ist" (Randnr. 110). Schließlich wurde die Rüge bezüglich des Unterschieds zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung in der Frage der Mißbräuchlichkeit des Abschlusses der Ogefrem-Vereinbarung als unzulässig zurückgewiesen, aber zugleich festgestellt, daß dieser Unterschied den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör nicht verletzt haben könne (Randnr. 113).
ii) Zusammenfassung des Rechtsmittelvorbringens
55 Mit diesem Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen vier Hauptrügen geltend. Zunächst macht sie erstens geltend, das Gericht habe ihr Recht auf ein ausgewogenes Verfahren verletzt, indem es den Ogefrem-Vorwurf in der Entscheidung durch eine völlig neue Beanstandung in Zusammenhang mit ihrem angeblichen Versäumnis angemessener Ausübung eines Vetorechts ersetzt habe. Es bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen der Ermunterung einer Behörde zum Eingreifen und der förmlichen Einlegung eines "Vetos", um diese Behörde am Handeln zu hindern, da sich die Geltung eines Vetorechts auf einen Sachverhalt beziehe, in dem der Vetoberechtigte etwas "blockieren" könne. Zweitens rügen die Rechtsmittelführerinnen, die Neuformulierung des Vorwurfs habe es dem Gericht ermöglicht, sowohl die Doppelnatur der ursprünglich gegen sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen und in der Entscheidung (wenn auch in anderer Form) aufrechterhaltenen Beanstandung zu übergehen als auch ihr Vorbringen, daß die bloße Ermunterung einer Regierung zum Tätigwerden keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könne, als unerheblich zu behandeln. Drittens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe, wenn es schon der Auffassung gewesen sei, daß den Cewal-Mitgliedern nicht vorgeworfen werde, die Vereinbarung nicht beendet oder eine Regierung zum Tätigwerden angehalten zu haben, nicht, ohne sich selbst zu widersprechen, entscheiden dürfen, die Kommission habe zu Recht die Feststellung getroffen, daß die aktive Beteiligung an der Durchführung der Vereinbarung einen Mißbrauch darstelle.
56 Die Kommission kann keinerlei Verstoß gegen das Recht der Rechtsmittelführerinnen auf ein ausgewogenes Verfahren erkennen. Die Bezugnahme des Gerichts auf "die Benutzung des Vetorechts" stelle lediglich eine andere Deutung der Feststellung in der Entscheidung dar, daß zum Mißbrauch die aktiven Bemühungen von Cewal gehört hätten, die Einhaltung der Klauseln der Ogefrem-Vereinbarung durch Ogefrem sicherzustellen. Weder der Abschluß der Vereinbarung noch deren Nichtbeendigung durch Cewal seien Teil des beanstandeten Mißbrauchs gewesen. Die von den Rechtsmittelführerinnen herangezogene "Act of State"-Doktrin sei nicht erheblich gewesen, da die Vereinbarung nach der Feststellung des Gerichts den Cewal-Mitgliedern die Einhaltung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln erlaubt habe, während die "Noerr-Pennington"-Doktrin(53) ebenfalls unerheblich gewesen sei, da ein Vorwurf der Ermunterung einer Regierung zum Eingreifen nicht erhoben worden sei.
iii) Untersuchung der Rügen der Rechtsmittelführerinnen
a) Anspruch auf ein ausgewogenes Verfahren
57 Meines Erachtens haben die Rechtsmittelführerinnen das angefochtene Urteil dahin mißverstanden, daß es den neuen Vorwurf erhebe, ein Vetorecht nicht angemessen ausgeübt zu haben. In Randnummer 109 (vgl. Nr. 54 dieser Schlußanträge) hat das Gericht die zentralen Feststellungen der Kommission bezüglich mißbräuchlicher Verhaltensweisen in Zusammenhang mit der Ogefrem-Vereinbarung ausdrücklich bestätigt. Im Verlauf seiner voraufgegangenen Untersuchung, insbesondere in Randnummer 105, faßte das Gericht entsprechend der Darstellung in der Entscheidung das Verhalten von Cewal bei der Durchführung der Ogefrem-Vereinbarung zusammen und erinnerte sodann an die feststehenden Grundsätze, die das Verhalten beherrschender Unternehmen eingrenzen sollen.
58 Die Hinweise des Gerichts auf ein "Vetorecht" berühren die Einstufung des Mißbrauchs nicht, der weiterhin in der aktiven Bemühung um strenge Durchsetzung des Ausschließlichkeitsrechts von Cewal zu sehen ist. Das Gericht war indessen, auch ohne dies auszusprechen, bereit, die Ogefrem-Vereinbarung als staatliche Konzession zu betrachten, und wies aufgrund dieser Annahme darauf hin, daß sie einen Mechanismus enthalte, mit dessen Hilfe sich jeder Konflikt zwischen dem Vertrag und der als staatliche Konzession verstandenen Vereinbarung lösen lasse. Der Hinweis auf das "Vetorecht" stellt daher keine Beschreibung eines Mißbrauchs dar, vielmehr ist er eine Antwort auf die von den Klägerinnen vorgetragene Rechtsauffassung, daß ihnen ihr Verhalten in gewisser Weise durch die Klauseln der angeblichen staatlichen Konzession vorgeschrieben gewesen sei.
59 Die erste Rüge der Rechtsmittelführerinnen, daß das Gericht ihnen durch die Neueinführung eines Vorwurfs, sich bei der Ausübung eines Vetorechts nicht angemessen verhalten zu haben, ein ausgewogenes Verfahren versagt habe, ist daher meines Erachtens zurückweisen.
b) Die Rüge der Ermunterung der Regierung zum Eingreifen
- Einleitung
60 Das Fehlen einer Verletzung des Anspruchs der Rechtsmittelführerinnen auf ein ausgewogenes Verfahren reicht indessen für sich nicht aus, ihr Rechtsmittel scheitern zu lassen, da sie auch die Richtigkeit der Einstufung ihres Verhaltens als mißbräuchlich angegriffen haben. Die Vorgehensweise des Gerichts wirft in Zusammenhang mit dieser zweiten Rüge die Frage auf, ob es richtig war, die genaue Natur der Vereinbarung als unerheblich zu betrachten, und demnach, ob es richtig war, die Möglichkeit auszuschließen, daß das beanstandete Verhalten vielleicht einer Beeinflussung der Regierung durch Cewal gleichkommen könnte.
61 Das angefochtene Urteil sah vollkommen von der Natur der Ogefrem-Vereinbarung ab. Das Gericht war davon überzeugt, daß den Cewal-Mitgliedern ohne Rücksicht auf die genaue Rechtsnatur der Vereinbarung bei deren Durchführung ein Ermessensspielraum und selbständige Entscheidungsbefugnis zustand.
62 Es ist anerkannt, daß beherrschenden Unternehmen, da ihre Marktpräsenz bereits zu einer Schwächung des Wettbewerbs führt, ein Verhalten nicht erlaubt ist, das, wenn es von einem nichtbeherrschenden Unternehmen ausginge, nicht zu beanstanden wäre(54). Dies gilt erst recht dann, wenn die Unternehmen wie im vorliegenden Fall eine monopolähnliche Stellung einnehmen(55). Gleichwohl ist der aktuelle Umfang dieser besonderen Verantwortung "... anhand der speziellen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln ..., die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen [lassen]"(56).
- Die Erheblichkeit der "Act of State"-Doktrin
63 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, ihr Verhalten könne als bloßer Versuch eingestuft werden, bei der Nutzung einer staatlichen Konzession Einfluß auf die Behörden von Zaïre zu nehmen. In der mündlichen Verhandlung zog die Kommission nicht in Zweifel, daß ein Verhalten, das sich in der bloßen Ermutigung der Regierung eines Drittlandes erschöpfe, in einer bestimmten Weise tätig zu werden, nicht als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung gewertet werden könne. Die Kommission bestand allerdings darauf, daß die Klägerinnen im vorliegenden Fall an einem Handelsvertrag mit gegenseitigen Pflichten und Rechten beteiligt gewesen seien und daß ein Bestehen auf der Einhaltung seiner Klauseln über bloße Einflußnahme hinausgehe.
64 Das Gericht stellte in Randnummer 110 des angefochtenen Urteils fest:
"Der Vortrag der Klägerinnen, daß es keinen Mißbrauch darstellen könne, wenn eine Regierung zum Tätigwerden angehalten werde, ist unerheblich, da ein solches Verhalten im vorliegenden Fall nicht gerügt worden ist."
Ich glaube nicht, daß sich das Problem so einfach lösen läßt. Der Mißbrauch, dessen Cewal für schuldig befunden wurde, bestand in Versuchen, die Ogefrem-Vereinbarung durchzusetzen. Die Rechtsmittelführerinnen (die früheren Klägerinnen) entgegnen, daß diese Versuche keinen Mißbrauch darstellen könnten, weil sie lediglich eine Ermunterung der Regierung zum Tätigwerden gewesen seien. Es könne an ihrer wahren Natur nichts ändern, daß die Kommission sie nicht als solche bezeichnet habe.
65 Demgemäß schlage ich vor, die Rüge der Rechtsmittelführerinnen zu untersuchen, daß das Gericht das Vorbringen, die Ogefrem-Vereinbarung sei (in der ungewöhnlichen Formulierung der Kommission) synallagmatisch, d. h. ihrer Natur nach konsensuell, nicht gewürdigt habe. Die entscheidenden Feststellungen hierzu finden sich in den Randnummern 70 bis 72 der Entscheidung, die wie folgt lauten:
"(70) Das unter Randnummer 24 erwähnte Abkommen zwischen Ogefrem und Cewal kann nicht als eine nationale Vorschrift eingestuft werden, die Cewal eine Vorgehensweise der beanstandeten Art vorschreiben könnte. Wie aus der Bezeichnung und dem Inhalt dieses Abkommens hervorgeht, handelt es sich hierbei nicht um eine staatliche Vorschrift, sondern um eine Vereinbarung, die den Unterzeichnern Verpflichtungen hinsichtlich der Steuerung des betreffenden Verkehrs auferlegt und ihnen die Kündigung innerhalb einer bestimmten Frist freistellt. Die Vereinbarung wurde jedenfalls von Cewal akzeptiert, die bei Ogefrem nachdrücklich auf deren Einhaltung gedrungen hat, um die Ausschaltung ihres wichtigsten Wettbewerbers zu erreichen.
(71) Ferner ist hervorzuheben, daß die Bestimmungen von Zaïre den Konferenzmitgliedern nicht auferlegen, Systeme zu errichten, deren Aufgabe es ist, die Frachten zu den eigenen Schiffen zu leiten und unabhängige Reedereien vom Frachtverkehr auszuschließen.
(72) Hieraus ergibt sich, daß die Vereinbarung und das Bestehen von Cewal auf deren Einhaltung nicht das Ergebnis von Verpflichtungen sind, die von staatlichen Behörden auferlegt wurden."
66 Die Rechtsmittelführerinnen berufen sich insbesondere auf bestimmte Grundsätze, die in der Antitrust-Rechtsprechung der Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt worden sind. Dieser Teil des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen hängt von ihrem Nachweis ab, daß die Ogefrem-Vereinbarung einen Akt darstellt, mit dem die Regierung von Zaïre ihre souveräne Staatsgewalt ausgeübt hat.
67 Die Rechtsmittelführerinnen machten vor dem Gericht geltend, die bloße Ermunterung einer Regierung zum Tätigwerden könne keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen. Aufgrund der "Act of State"-Doktrin, die auf die Comitas-Lehre des Völkerrechts zurückgeht, sollen Gerichte der Vereinigten Staaten entschieden haben, daß (selbst rechtswidrige) Maßnahmen der Ermunterung oder Beeinflussung einer fremden souveränen Macht nicht unter die Antitrust-Bestimmungen fallen(57). Angesichts meines Verständnisses der Natur der Ogefrem-Vereinbarung brauche ich diese Doktrin nicht weiter zu erörtern. Natürlich ist klar, daß es nicht gegen Artikel 86 verstößt, wenn ein Mitgliedstaat durch die Gewährung ausschließlicher Rechte ein Monopol im Rechtssinne schafft(58). Zweifellos ist es daher nur eine Begleiterscheinung, wenn ein Tätigwerden, um einen Mitgliedstaat zu überzeugen, ein solches Monopol zu schaffen, auch nicht unter Artikel 86 fällt. Freilich hat der Gerichtshof ebenfalls entschieden, daß "auch solche Unternehmen den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags, insbesondere jenen des Artikels 86, unterliegen"(59). Man darf davon ausgehen, daß diese Grundsätze bei weiter Auslegung auch für die Schaffung rechtlicher Monopole durch ausländische Regierungen gelten. Artikel 9 der Verordnung von 1986 könnte dann für die Lösung von Konflikten mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln Bedeutung gewinnen.
68 Die "Act of State"-Doktrin findet allerdings keine Anwendung, wenn die Ogefrem-Vereinbarung kein einseitiger Akt einer souveränen Staatsmacht ist, sondern, wie dies die Kommission angenommen hat, in Wirklichkeit seinem Inhalt nach ein konsensuales Rechtsgeschäft. Insoweit scheint es mir keinen Unterschied zu machen, das, wie die Rechtsmittelführerinnen zweifellos zu Recht behaupten, Ogefrem kein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 ist. Erstens besteht der behauptete Mißbrauch nicht im Abschluß der Vereinbarung, sondern in den Handlungen, mit denen auf der Durchführung der mit ihr geschaffenen Ausschließlichkeit bestanden wurde. Zweitens ist die Anwendung des Artikels 86 auf ein Unternehmen in der Stellung von Cewal nicht davon abhängig, daß die Ogefrem-Vereinbarung eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 wäre.
69 Vor diesem Hintergrund fasse ich die Rechtsauffassung der Rechtsmittelführerinnen zur Natur der Vereinbarung als "Act of State" zusammen, wie sie sie in ausführlichen Darlegungen vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof vorgetragen haben.
70 Zunächst legen die Rechtsmittelführerinnen großen Wert auf den 1983 in Kraft getretenen Unctad-Verhaltenskodex von 1974, auf den ich in Nummer 5 dieser Schlußanträge hingewiesen habe. Die Ratsverordnung (EWG) Nr. 954/79 vom 15. Mai 1979(60) behandelte seine Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten. Der Kodex sah in Artikel 2 eine Aufteilung der Konferenzfracht zwischen jeweils zwei der Konferenz angehörenden Staaten nach dem Schlüssel "40 : 40 : 20" vor. Dieser Frachthandel sollte auf die nationalen Reedereien der zwei Staaten, zwischen denen die Fracht abgewickelt wurde, zu jeweils 40 % und auf die der Konferenz angehörenden Reedereien dritter Länder zu 20 % entfallen. Es ist allgemein bekannt, daß zwischen den OECD-Staaten und einer Reihe afrikanischer Staaten, darunter Zaïre, schon früh ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über die richtige Auslegung des Kodex entstanden. Die erstgenannten Staaten standen auf dem Standpunkt, daß sowohl der klare Wortlaut des Kodex als auch sein Kontext belegten, daß er nur für Konferenzfrachten gelte, die anderen hingegen waren der Meinung, daß er für alle Frachten gelte.
71 Die Rechtsmittelführerinnen haben in aller Ausführlichkeit die Schritte einer Reihe afrikanischer Staaten und insbesondere von Zaïre dargestellt, um zum Schutz ihrer nationalen Reedereien ihre Auslegung durchzusetzen. Zaïre schuf 1980 den Ogefrem als öffentliches Amt. Er wurde aufgrund der "Ordonnance présidentielle Nr. 80-256" ab 1983 tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die Kontrolle der Fracht und das Aushandeln der Frachtpreise, der Schutz der Rentabilität der nationalen Reederei, Compagnie Maritime Zaïroise (nachstehend: CMZ) und die Wahrnehmung der Frachtschiffahrtsinteressen von Zaïre.
72 Eine weitere gesetzgeberische Maßnahme, der "Arrêté d'exécution Nr. 001-83" vom 17. Januar 1983, wandte den Unctad-Schlüssel "40 : 40 : 20" auf die Aufteilung sämtlicher Frachten an. Cewal und andere europäische Frachtinteressengruppen, die Mitgliedstaaten und die Kommission unternahmen ausgedehnte, aber erfolglose politische und sonstige Versuche, um eine Umkehrung oder Abänderung dieser Politik herbeizuführen.
73 Ab 1984 erlegte Ogefrem Cewal eine Reihe weiterer finanzieller und verwaltungsmäßiger Lasten auf; dazu gehörten die Zahlung einer Hinterlegungssumme von 10 000 USD an Ogefrem und einer Gebühr von 3 % des Frachtsatzes zum angeblichen Schutz des 40-%-Anteils von CMZ an der Fracht.
74 Angesichts dieser Umstände meint Cewal, die Ogefrem-Vereinbarung sei ihr "aufgezwungen" worden. Sie führt die Klauseln der Vereinbarung an, um insbesondere zu belegen, daß sie u. a. "das Ergebnis" der "Ordonnance 80-256" sei, und behauptet, sie habe dem Zwang einer Regierung, deren Politik für ihren Frachthandel lebenswichtig gewesen sei, zum Abschluß der Vereinbarung, die diese Politik durchführen sollte, nicht widerstehen können.
75 Die Kommission bestreitet zwar die meisten der dargestellten Tatsachen nicht, bleibt aber dabei, daß die Ogefrem-Vereinbarung ihrer Art nach kein aufgezwungener "Act of State" gewesen sei, sondern eine Vereinbarung mit gegenseitigen Pflichten und beiderseitigen Vorteilen darstelle.
76 Sie meint zunächst, daß den Rechtsmittelführerinnen in bezug auf den Kodex ein grundlegender Denkfehler unterlaufe. Die Anwendung des Unctad-Schlüssels "40 : 40 : 20" auf alle Linienfrachten und der Anteil der Konferenzfrachtlinien seien völlig getrennte Fragen, so daß es keine gedankliche Verbindung zwischen der Beteiligung afrikanischer Reedereien an ihrem vollen Marktanteil und irgendeiner Ausschließlichkeit für die Konferenzen gebe. Die Garantie von 40 % aller Frachten zugunsten dieser Reedereien bedeute kurz gesagt nicht, daß die verbleibenden 60 % den Mitgliedern von Konferenzlinien zugewiesen seien.
77 Unter den Klauseln der Ogefrem-Vereinbarung verweist die Kommission auf die Möglichkeit einseitiger Beendigung durch jede Partei mit einjähriger Kündigungsfrist, die Schiedsklausel und den offensichtlich erfolgreichen Versuch von Cewal, die Gebühr von 3 % auf 0,5 % herunterzuhandeln. Sie widerspricht der Deutung der Vereinbarung als staatlicher Konzession, da dies Vorschriften im Gesetzeswege über die Übertragung eines ausschließlichen Rechts und dessen Begründung in einem Verwaltungsverfahren voraussetze.
- Die wahre Natur der Ogefrem-Vereinbarung
78 Es muß davon ausgegangen werden, daß es in Übereinstimmung mit mehreren anderen afrikanischen Staaten die Politik von Zaïre war, den Unctad-Schlüssel "40 : 40 : 20", falls nötig, durch Gesetz, auf den gesamten Frachtverkehr und nicht nur auf Konferenzfrachten anzuwenden. Zu diesem Zweck wurde Ogefrem mit weiten Befugnissen zur Regulierung und Beaufsichtigung des Seefrachtverkehrs nach und von Zaïre ausgestattet. Mit der Kommission bin ich allerdings der Meinung, daß dieses Verständnis des Unctad-Schlüssels "40 : 40 : 20" auf Seiten von Zaïre den Versuch von Cewal nicht rechtfertigt, Nichtkonferenzfracht auszuschließen. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ist in dieser Hinsicht sehr widersprüchlich. Sie bestehen darauf, daß die Regierung von Zaïre mit ihrem Versuch, den Schlüssel auf alle Frachten anzuwenden, einen Fehler begangen habe. Sie versuchen aber ebenfalls unermüdlich, diese Auslegung zu ihren eigenen Gunsten durchzusetzen. Zu ihren Aktionen gehörte nämlich auch der Versuch, Nichtkonferenzreedereien vom Zaïre-Markt auszuschließen.
79 Aber auch die von den Rechtsmittelführerinnen geschilderten Schwierigkeiten im Umgang mit Ogefrem belegen lediglich eine gewisse Unterschiedlichkeit der Verhandlungsmacht. Trotz vieler vorgebrachter Probleme wollte Cewal die Konferenzlinie, für die sie, wie sie einräumt, de facto ein Monopol besaß, fortführen. Sie hatte bereits, wenn auch widerwillig, 40 % der Fracht an CMZ abgegeben, die Mitglied der Cewal-Konferenz wurde.
80 Als nächstes haben wir uns mit dem in französischer Sprache abgefaßten Wortlaut der Ogefrem-Vereinbarung zu befassen. Ich bin nicht damit einverstanden, daß die einleitende Anführung mehrerer Gesetzes- und Verwaltungsbestimmungen von Zaïre bereits ausreiche, ihr die Rechtsnatur eines staatlichen Aktes von Zaïre zu verleihen. So wird zum Beispiel eine Resolution der Ministerkonferenz von Zentral- und Westafrika angeführt, mit der die Reedereien der Mitgliedstaaten dieser Konferenz aufgefordert werden, in Abstimmung mit den Linienkonferenzen für Zentral- und Westafrika tätig zu werden, um die Frachtsätze zu stabilisieren und ihre Satzungen mit dem Verhaltenskodex für Linienkonferenzen in Einklang zu bringen. Ebensowenig schränkt die Anführung der eigenen Hauptziele von Ogefrem die Natur der Vereinbarung ein. In der Einleitung werden Stellung und Ziele von Ogefrem dargestellt. Sie belegen nicht, daß die "Kooperations"-Vereinbarung inhaltlich ein staatlicher Akt in der Art der gesetzlichen Übertragung eines Monopolrechts wäre.
81 In ihrem Regelungsteil ist die Ogefrem-Vereinbarung genau das, nämlich eine Vereinbarung. Die Ausschließlichkeitsklausel in Artikel 1 ist des Pudels Kern. Sie erhebt nicht den Anspruch, irgendeine gesetzliche oder Verwaltungsbefugnis auszuüben. Wie die Kommission sehe ich nicht, daß hier eine besondere Rechtsgrundlage für die Übertragung eines Rechts im Wege staatlicher Konzessionierung namhaft gemacht würde. Sie wird vielmehr in den schlichten Worten einer gemeinsamen oder gegenseitigen Verpflichtung zum Ausdruck gebracht. Die restliche Regelung in der Vereinbarung begründet jeweils Verpflichtungen allgemeiner Art bezüglich der Erstellung und des Austauschs von Statistiken (Artikel 6), des Abzugs vereinbarter Prozentsätze der Frachtpreise zugunsten von Ogefrem (Artikel 7), der Erstellung einer Frachtbuchhaltung (Artikel 8 und 9) sowie der Einhaltung ausgehandelter Frachtsätze (Artikel 10). Die Vereinbarung wurde gemäß Artikel 11 auf die Dauer eines Jahres mit automatischer Verlängerung mangels Kündigung einer der beiden Parteien mit einjähriger Frist getroffen. Artikel 12 trifft eine Regelung, wonach jede Meinungsverschiedenheit obligatorisch einem Schiedsgericht von drei Personen vorzulegen ist, von denen je eine von jeder der Parteien und die dritte von diesen beiden zu bestimmen ist.
82 Meines Erachtens verleiht weder der Inhalt der Ogefrem-Vereinbarung noch der von den Rechtsmittelführerinnen dargestellte rechtliche Hintergrund noch die Umstände ihres Abschlusses ihr die Natur eines Aktes souveräner Staatsmacht zur Übertragung irgendeiner Form staatlicher Konzession, wie es die Rechtsmittelführerinnen für sich in Anspruch nehmen. Folglich bedarf es für die Zwecke dieses Rechtsmittels keiner Festlegung der Rolle, die der "Act of State"-Doktrin im Gemeinschaftsrecht zugestanden werden könnte.
83 Demgemäß schlage ich vor, die zweite Rüge des Rechtsmittelgrundes in Zusammenhang mit dem Ogefrem-Vereinbarung zurückzuweisen.
c) Der angebliche Widerspruch im angefochtenen Urteil
84 Die dritte und vierte Rüge der Rechtsmittelführerinnen gehen, wenn meinem Standpunkt bezüglich der Natur der Ogefrem-Vereinbarung zu folgen ist, unvermeidlich fehl. Die Rechtsmittelführerinnen werfen dem Gericht eine widersprüchliche Begründung vor, weil es festgestellt habe, daß Cewal nicht vorgeworfen worden sei, eine Regierung zum Tätigwerden anzuhalten (Randnr. 110 des Urteils), und zur gleichen Zeit, daß die Kommission "zu Recht den Standpunkt eingenommen [hat], daß die Cewal-Mitglieder gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hätten, indem sie aktiv an der Durchführung der Vereinbarung mit dem Ogefrem mitgewirkt und wiederholt deren strikte Einhaltung ... eingefordert hätten ..." (Randnr. 109 des Urteils). In dieser Feststellung liegt kein Widerspruch. Das Gericht hat in der letztgenannten Randnummer das auf Ausschließung gerichtete Verhalten von Cewal nicht als "Ermunterung eines Staates zum Eingreifen" in dem von den Rechtsmittelführerinnen gemeinten Sinne behandelt. Außerdem dürfte meine eigenen Untersuchung der Natur der Ogefrem-Vereinbarung wohl gezeigt haben, daß sie tatsächlich ihrer Art nach keine staatliche Maßnahme war, und damit sollte jeder denkbare Widerspruch beseitigt sein.
d) Zur Zulässigkeit des Ogefrem-Verhaltens nach Artikel 86
85 Ein ähnliches Schicksal muß die vierte Rüge der Rechtsmittelführerinnen erleiden, wonach Artikel 86 einem Unternehmen, dem ein Ausschließlichkeitsrecht übertragen worden sei, nicht verbiete, auf dessen Beachtung zu bestehen. Die Rechtsmittelführerinnen verweisen auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß "das Bestehen eines Monopols zugunsten eines Unternehmens, dem ein Staat ausschließliche Rechte im Sinne von Artikel 90 EWG-Vertrag gewährt hat, als solches nicht mit Artikel 86 unvereinbar ist"(61). Da wir es nicht mit einem Monopol zu tun haben, stellt sich diese Frage erst gar nicht. Außerdem darf hier auf die Feststellung des Gerichts verwiesen werden (Randnummern 104 und 108), daß die Cewal-Mitglieder auch nach den Klauseln der Ogefrem-Vereinbarung über einen Mechanismus zur Zulassung von Wettbewerb verfügten. Sie zogen es aber beständig vor, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.
86 Demgemäß möchte ich auch die vierte Rüge und damit den gesamten Rechtsmittelgrund in Zusammenhang mit der Feststellung eines Mißbrauchs in bezug auf die Ogefrem-Vereinbarung zurückweisen.
B - Die Verwendung von "Kampfschiffen"
i) Einleitung
87 Das Rechtsmittel gegen die Feststellung des Mißbrauchs in Zusammenhang mit "Kampfschiffen" hat einen prozeß- und einen materiell-rechtlichen Aspekt.
88 Die prozessuale Rüge weist zwei alternative Aspekte auf. Die Rechtsmittelführerinnen rügen zunächst, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren sei verletzt worden, weil die Kommission in der Entscheidung eine Feststellung bezüglich der Preispraktiken der "Kampfschiffe" getroffen habe, die von der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgewichen sei, und daß das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, weil es diesem Klagegrund nicht stattgegeben habe.
89 Die Kommission entgegnet, daß diese Rüge unzulässig war und ist, weil sie nicht in der Klageschrift, sondern erst in der Erwiderung der Klägerinnen vor dem Gericht vorgebracht worden sei.
90 Auf diesen Hinweis antworten die Rechtsmittelführerinnen unter Hinweis auf die Ausnahme in Artikel 48 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts, der materielle Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdegründe und der Entscheidung sei erst in der Klagebeantwortung der Kommission vor dem Gericht sichtbar geworden. Folglich sei er erst während des Verfahren zutage getreten.
91 Das Gericht hat indessen entschieden, daß diese Gesichtspunkte nicht neu und mit der Entscheidung in vollem Umfang vereinbar seien (Randnr. 140).
92 Alternativ machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es mit seiner Feststellung, es bestehe kein Unterschied zwischen der Entscheidung und der Klagebeantwortung der Kommission, einen neuen Gesichtspunkt in ihre Rüge eingeführt habe, der nach ihrer Meinung nicht in der Mitteilung der Beschwerdegründe enthalten gewesen sei. Damit seien sie berechtigt gewesen, diese Rüge erstmals in ihrer Erwiderung zu erheben.
ii) Die auf das Verfahren gestützten Rechtsmittelgründe
a) Hintergrund
93 In Randnummer 12 der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschrieb die Kommission das angebliche "Kampfschiff"-Verhalten von Cewal ab Frühjahr 1988 als Maßnahme mit dem Ziel, den Wettbewerb des unabhängigen Unternehmens (d. h. G & C) auszuschalten. Die kennzeichnenden Merkmale des beschriebenen Verhaltens waren:
- das Cewal-Sekretariat informierte die Cewal-Mitglieder über die nächsten geplanten Abfahrtszeiten von G & C;
- etwa alle zwei Monate fanden Sitzungen eines besonderen "Kampfschiff-Ausschusses" statt, um sowohl die Abfahrten der Konferenzmitglieder, die gleichzeitig mit oder in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Abfahrten von G & C stattfinden sollten, als auch die "Kampfpreise" festzulegen, die in Abweichung von den normalen Konferenzfrachtsätzen in Anlehnung an die Frachtsätze von G & C für diese Fahrten angeboten werden sollten;
- die Verluste aus der Anwendung dieser Frachtsätze wurden auf die Konferenz-Mitglieder umgelegt.
In Randnummer 23 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwies die Kommission auf die Verwendung einer Methode von "Kampfschiffen", zu der die Programmierung von Cewal-Abfahrten in der Nähe der Abfahrtszeiten von G & C-Fahrten, die Festlegung eines Rotationssystems, um eine "Aufteilung der mit der Maßnahme verbundenen Verluste"(62) sicherzustellen, vertrat die Auffassung, daß die "Kampfsätze" nicht aufgrund wirtschaftlicher Kriterien (z. B. anhand der Kosten), sondern allein festgelegt wurden, um niedriger auszufallen als die von G & C angekündigten, und beschrieb dieses Verhalten als "Festlegung von Vernichtungspreisen zur Verdrängung eines Wettbewerbers vom Markt"(63).
94 In Randnummer 73 der Entscheidung stellte die Kommission fest, daß Cewal die Methode der "Kampfschiffe" als weiteres Mittel zur Ausschaltung ihres Hauptwettbewerbers eingesetzt habe. Zu dieser Praktik gehörte:
"... Als Kampfschiffe wurden Cewal-Schiffe verwendet, deren Abfahrt sich den Abfahrten von G & C-Schiffen am meisten näherte und die die Fracht zu $Kampfpreisen` beförderten. Diese von den üblichen Cewal-Tarifen abweichenden Kampfpreise wurden nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (d. h. gemäß den Kosten), sondern in gleicher Höhe oder unterhalb der von G & C angebotenen Preise festgesetzt, wobei die daraus entstehenden Einnahmeverluste auf sämtliche Cewal-Mitglieder umgelegt wurden. Die Umlage der mit dem Einsatz von Kampfschiffen verbundenen Einnahmeverluste wurde von den Cewal-Mitgliedern im Grundsatz anerkannt" (Hervorhebung von mir).
In Randnummer 74 der Entscheidung wird eine maßgebende Definition der Praktik von "Kampfschiffen" im Schrifttum zitiert, zu der u. a. die besondere Planung der Abfahrtszeit von Kampfschiffen am gleichen Tag wie die Abfahrten des "Eindringlings" gehört. Allerdings wies die Kommission darauf hin, daß angesichts der Häufigkeit der Abfahrten von Cewal-Schiffen der Einsatz von Kampfschiffen ohne Änderung der Fahrtenpläne möglich war.
95 Von "Vernichtungspreisen"(64) ist daher nicht die Rede, da die Kommission die fragliche Praktik von der einseitigen Festsetzung von "extrem niedrigen Preisen" unterschieden hat. Diese Formulierung spiegelt sich auch in der formellen Feststellung des Artikels 2 wider, daß Cewal "ihre Preise in Abweichung vom geltenden Frachttarif geändert [hat], um für Schiffe, die am selben Tag oder in zeitlicher Nähe dazu ausliefen, gemeinsame Preise anbieten zu können, die den Preisen des außerhalb der Konferenz stehenden Anbieters entsprachen oder niedriger lagen (Maßnahme, die als $Kampfschiffeinsatz` bezeichnet wird) ...".
96 In ihrer Erwiderung vor dem Gericht machten die Klägerinnen ursprünglich geltend, es gebe keinen Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung, wohl aber habe die Kommission in der Klagebeantwortung ihr angeblich mißbräuchliches Verhalten bezüglich der Bezeichnung und nicht der Planung von "Kampfschiff"-Einsätzen neu definiert, indem sie von Verlusten auf "Ertragseinbußen" umgeschwenkt sei und sich nicht mehr auf den klar umrissenen Begriff der "Vernichtungspreise" gestützt habe. Zu diesen beiden angeblichen Unterschieden führten sie zwei Rechtsargumente an. Erstens müßten die entsprechenden Teile der Entscheidung, wenn diese zu Recht auf das gestützt sei, was sie als "neue" Definition der "Kampfschiffe" betrachteten, für nichtig erklärt werden, weil hier Cewal für eine Praktik verurteilt werde, die ihr in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht vorgeworfen worden sei. Anderenfalls müsse die Entscheidung, wenn sie denn wirklich auf eine "neue" Definition gestützt sei, gleichwohl für nichtig erklärt werden, weil der Voraussetzung einer Begründung nach Artikel 190 des Vertrages nicht genügt worden sei.
97 In ihrer Gegenerwiderung bestritt die Kommission zunächst die Zulässigkeit der Geltendmachung des angeblichen Unterschieds zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung, weil sie erstmals (entgegen Artikel 48 der Verfahrensordnung des Gerichts) in der Erwiderung erfolgt sei. Außerdem seien die Zeitplanung für besondere Fahrten, um sie auf die von Außenseitern abzustimmen, das Angebot niedrigerer Frachtsätze oder die Hinnahme von Verlusten wesentliche Merkmale entweder einer "Kampfschiff"-Praktik oder eines Verhaltens, das einen gegen Artikel 86 verstoßenden Mißbrauch darstelle. Wegen des Fehlens eines Zusammenhangs zwischen der Praktik der Kampfschiffe und den im Urteil AKZO verurteilten Preispraktiken verwies die Kommission auf Randnummer 80 der Entscheidung, wo die Heranziehung dieses Urteils als anderer Fall ausdrücklich unterschieden werde.
b) Das angefochtene Urteil
98 Das Gericht prüfte die Gründe der Entscheidung und die Einlassung der Kommission (Randnummern 138 bis 140), stellte fest, daß "... diese Gesichtspunkte [der Klagebeantwortung], mit denen gegenüber der Entscheidung keineswegs eine neue Definition der $Kampfschiff`-Praxis eingeführt wird, mit der Entscheidung in vollem Umfang vereinbar sind" (Randnr. 140) und entschied: "Da die Argumentation der Klägerinnen unter einer falschen Prämisse steht, sind beide gegen den Begriff der $Kampfschiffe` angeführten Angriffsmittel zurückzuweisen" (Randnummer 140, Hervorhebung von mir).
c) Das Rechtsmittelvorbringen
99 Der erste dem Gerichtshof vorliegende Rechtsmittelgrund betrifft eine angebliche Abweichung der Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Zu prüfen ist daher zunächst die Zulässigkeit dieses Rechtsmittelgrundes.
100 In ihrer Rechtsmittelbeantwortung weist die Kommission mit Unterstützung ihrer Streithelferin darauf hin, daß das Gericht die ausdrückliche Rüge der Klägerinnen, die Definition des beanstandeten Verhaltens, auf die sie sich in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht gestützt habe, weiche von der in der Entscheidung ab, eindeutig zurückgewiesen habe. Die Kommission bestreitet dann die Zulässigkeit jeder Rüge vor dem Gericht und folglich im vorliegenden Rechtsmittel, mit der geltend gemacht werde, daß Entscheidung und Mitteilung der Beschwerdepunkte widersprüchlich seien. Es habe nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts keine Rechtfertigung für das Vorbringen dieser Rüge in der Erwiderung vor dem Gericht gegeben, da ein angeblicher Widerspruch zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung schwerlich erst im Verlauf des Verfahrens vor dem Gericht habe zutage treten können. Diese Rüge müsse daher, weil gemäß Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes "[d]as Rechtsmittel ... den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern kann", auch vor dem Gerichtshof unzulässig sein.
101 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, erst beim Lesen der Klagebeantwortung der Kommission vor dem Gericht sei ihnen klar geworden, daß die Kommission ihre ursprünglich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobene Beanstandung nicht kostendeckender Frachtsätze geändert habe. Es wird sofort deutlich werden, weshalb ich dieses Vorbringen hervorhebe. Sie verweisen zunächst auf ihre ursprüngliche Klage vor dem Gericht, wo sie als Beleg dafür, daß sie keine Verluste erlitten hätten, vorgebracht hätten, daß die Kommission den ursprünglich in Randnummer 23 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Vorwurf, die Cewal-Mitglieder hätten Verluste erlitten, in der Entscheidung fallengelassen habe. Sie verweisen ebenfalls auf ihr alternatives Vorbringen in ihrer Erwiderung vor dem Gericht, daß die Entscheidung, wenn sie so zu verstehen sei, daß sie auf eine in ihren Augen "neue" Definition gestützt sei, insoweit für nichtig erklärt werden müsse, weil hier die Cewal-Mitglieder für eine Praktik verurteilt würden, die ihnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht vorgeworfen worden sei. Da mit ihrer alternativen Rüge ein Verstoß der Kommission gegen ein wesentliches Verfahrenserfordernis beanstandet worden sei, hätte dies vom Gericht von Amts wegen im öffentlichen Interesse berücksichtigt werden müssen(65). Das Gericht habe sich aber mit der Zulässigkeit dieser Rüge nicht einmal befaßt.
d) Prüfung
102 Ich sollte wohl zunächst die Rüge untersuchen, mit der das Gericht das hauptsächliche Verfahrensargument der Rechtsmittelführerinnen bezüglich der angeblichen Neuinterpretation der Entscheidung, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vorgenommen haben soll, zurückgewiesen hat. Hat sich kurz gesagt der Rückgriff auf Ertragseinbußen in der Entscheidung so sehr von der Behauptung von Verlusten in der Mitteilung der Beschwerdegründe entfernt, daß die Interessen der Klägerinnen inhaltlich beeinträchtigt worden wären?
103 Meines Erachtens hat das Gericht in Randnummer 141 des angefochtenen Urteils ganz zu Recht die Entscheidung so verstanden, daß sie eher auf Ertragseinbußen als auf Nettoverluste gestützt war. Das ergibt sich aus den Randnummern 73 und 74 der Entscheidung, in denen sich die Kommission jeweils auf Einnahmeverluste bzw. auf die Hinnahme von "Einnahmeverlusten" durch die Cewal-Mitglieder sowie die "Verluste durch $Kampfschiffe`" bezieht. Die Kommission durfte in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht in Abrede stellen, daß die Entscheidung auf wirkliche Verluste aufgrund der fraglichen Frachtsätze gestützt sei.
104 Die Rechtsmittelführerinnen richten nun aber ihre Rüge auf einen angeblich kennzeichnenden Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Klagebeantwortung, die sie bereits alternativ vor dem Gericht erhoben hatten, da nach ihrem ursprünglichen Standpunkt ein solcher Unterschied nicht bestand. Ich stimme mit dem auch vor dem Gerichtshof wiederholten Vorbringen der Kommission in ihrer Gegenerwiderung vor dem Gericht überein, daß, soweit die Rechtsmittelführerinnen in ihrer Erwiderung vor dem Gericht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör infolge eines angeblichen Unterschieds zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Klagebeantwortung gerügt haben, diese Rüge ein unzulässiges "neues rechtliches Angriffsmittel" war, das gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts "im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden [kann], es sei denn, daß [es] auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt [wird], die erst während des Verfahrens zutage getreten sind". Ich stimme daher der Kommission auch darin zu, daß sie auch vor dem Gerichtshof gemäß Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes unzulässig ist. Da sich indessen das Gericht trotz Artikel 48 § 2 Absatz 3 seiner Verfahrensordnung, wonach "[d]ie Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorbringens dem Endurteil vorbehalten [bleibt]", mit der Zulässigkeit dieses Vorbringens nicht befaßt hat, sollte der Gerichtshof die Gründe erläutern, die für die Unzulässigkeit maßgebend sind.
105 Ich pflichte der Kommission auch darin bei, daß die Rechtsmittelführerinnen nicht damit gehört werden können, sie hätten den angeblichen Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung erst beim Lesen der Klagebeantwortung vor dem Gericht bemerkt.
106 Der Gerichtshof hat allerdings zu prüfen, ob "rechtliche oder tatsächliche Gründe ... erst während des Verfahrens zutage getreten sind" und die Rechtsmittelführerinnen daher den fraglichen Unterschied erst in ihrer Erwiderung vor dem Gericht geltend machen durften. Nach meiner Überzeugung gab es solche Gründe nicht. In Randnummer 80 der Entscheidung wird überdeutlich, daß die Kommission die Entscheidung auf eine rechtliche Einstufung des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen gestützt hat, die sich von der Situation unterschied, die der Gerichtshof im Urteil AKZO behandelt hat. Die Rechtsmittelführerinnen hatten jedes Recht, sowohl die Entscheidung als auch jede Beeinträchtigung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör in der Verwaltungsphase des Verfahrens vor der Kommission in ihrer Klageschrift vor dem Gericht anzugreifen.
107 In meinen Augen ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht überzeugend und unlogisch. Das Vorbringen bezüglich einer Verletzung des rechtlichen Gehörs findet sich erstmals in der Erwiderung vor dem Gericht und ist daher prima facie unzulässig. Dagegen machen sie geltend, daß sie vor der Klagebeantwortung der Kommission die Natur des ihnen vorgeworfenen Mißbrauchs wegen der Unterschiede zwischen der Klagebeantwortung und der Entscheidung nicht richtig eingeschätzt hätten. Das Gericht hat entschieden, und ich stimme ihm bei, daß ein solcher Unterschied nicht bestand. Die Rechtsmittelführerinnen können daher nicht auf einem angeblichen Unterschied dieser Art beharren, um die Verspätung einer erstmals in der Erwiderung erhobenen Rüge zu rechtfertigen, derzufolge der Unterschied nicht, wie von ihnen zuerst behauptet, zwischen Entscheidung und Klagebeantwortung, sondern zwischen Mitteilung der Beschwerdepunkte und Entscheidung bestanden habe. Diese Rüge ist eindeutig unzulässig.
108 In ihrer Erwiderung vor dem Gerichtshof machen die Rechtsmittelführerinnen gegenüber dem Einwand der Kommission, daß ihr Vorbringen bezüglich eines möglichen Unterschieds zwischen Mitteilung der Beschwerdepunkte und Entscheidung unzulässig sei, geltend, daß die Rüge einer angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge einer unzureichenden Begründung "... einen Mangel dar[stellt], den der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen prüfen kann und muß"(66). Der Gerichtshof habe ferner entschieden, daß "ein solcher Mangel ... in jedem Stadium des Verfahrens geprüft werden kann" und daß "dem Kläger die Berufung auf ihn nicht allein aus dem Grund versagt sein [kann], daß er ihn nicht in seiner Beschwerde gerügt hat"(67).
109 Im vorliegenden Fall beruht andererseits die angebliche Beeinträchtigung der Rechtsmittelführerinnen während des Verwaltungsverfahrens darauf, daß die Entscheidung nicht auf das in ihren Augen einzig richtige rechtliche Verständnis des Begriffs der, wie es noch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hieß, "Vernichtungspreise" gestützt worden ist. Bestenfalls könnte sich eine Beeinträchtigung daraus ergeben, daß die Rechtsmittelführerinnen die Verwendung des Ausdrucks "Vernichtungspreise" in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur als Hinweis auf nicht kostendeckende Preise verstanden und sich daher bei der Vorbereitung ihrer Stellungnahme zu dieser Mitteilung nur auf das Vorbringen solcher rechtlicher Argumente beschränkten, die auf ihren Standpunkt abgestimmt waren, ihre Kampfpreise seien kostendeckend. Es wird indessen nicht behauptet, die Kommission habe neues und für die Rechtsmittelführerinnen abträgliches Material eingeführt, auf das sie nicht hätten eingehen können. Ganz im Gegenteil bedeuten alle angeblichen Abweichungen (Festlegung statt besonderer Planung von Abfahrtszeiten; gleiche oder niedrigere statt nur niedrigerer Preise; Ertragseinbußen statt Verluste, und Nichtverwendung des Ausdrucks "Vernichtungspreise") bedeuten eine geringere Schwere des angeblich mißbräuchlichen Verhaltens. Auf dieser Grundlage machten die Rechtsmittelführerinnen im Verwaltungsverfahren geltend, daß ihnen kein Mißbrauch vorgeworfen werden könne. Es stellt keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn ihnen dies dann trotzdem vorgeworfen wurde. In Wirklichkeit haben die Rechtsmittelführerinnen nicht schlüssig dargelegt, daß sie bei der ausführlichen Darstellung ihrer Hauptargumentation vor dem Gericht wie auch vor dem Gerichtshof, daß ihr Verhalten nämlich, da sie keine nicht kostendeckenden Frachtsätze verlangt hätten, nicht als mißbräuchlich hätte eingestuft werden dürfen, benachteiligt worden wären.
110 Unter diesen Umständen handelt es sich hier nicht um einen Fall, in dem der Gerichtshof von Amts wegen die Beeinträchtigung berücksichtigen dürfte, die die Verwendung des Ausdrucks "Vernichtungspreise" für die Rechtsmittelführerinnen bei der Vorbereitung ihrer ursprünglichen Einlassung auf die von der Kommission übersandte Mitteilung der Beschwerdegründe hätte bedeuten können.
iii) Die Mißbräuchlichkeit des beanstandeten Verhaltens
a) Die aufgeworfenen Fragen
111 In Randnummer 139 des angefochtenen Urteils heißt es: "Die Kommission hat ... drei Umstände berücksichtigt, aus denen sich die $Kampfschiff`-Praxis der Cewal-Mitglieder zur Verdrängung der Wettbewerber Grimaldi und Cobelfret, ergebe, nämlich: Bestimmung derjenigen Schiffe der Mitglieder der Konferenz zu $Kampfschiffen`, deren Abfahrtzeiten den Abfahrtzeiten von Schiffen (von G & C) am nächsten gelegen hätten, ohne daß die vorgesehenen Fahrpläne hätten geändert zu werden brauchen; gemeinsame Festsetzung der Kampfpreise, die von den üblichen Tarifen der Cewal-Mitglieder in der Weise abwichen, daß sie gleich hoch oder aber niedriger als die von (G & C) angebotenen Preise gewesen seien; Übernahme der sich hieraus ergebenden Einnahmeverluste durch die Cewal-Mitglieder."
112 Vermutlich betrifft die Frage von größter allgemeiner Bedeutung, die dieses Rechtsmittel aufwirft, die Richtigkeit des vom Gericht bestätigten Standpunktes der Kommission, daß die von den Cewal-Mitgliedern verwendete Methode des Einsatzes von "Kampfschiffen", obwohl sie nicht zu Nettoverlusten führte, gleichwohl einen gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßenden Mißbrauch darstellte und nicht, wie die Klägerinnen meinten, eine vernünftige Reaktion eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf den Wettbewerb, der durch einen neuen Wettbewerber auf dem Markt entsteht. Die Kommission stützt die Entscheidung (Randnrn. 72 und 73) nicht auf Verluste, sondern auf Einnahmeverluste der Cewal-Mitglieder infolge des beanstandeten Verhaltens. Der maßgebende Aspekt des Rechtsmittels der Rechtsmittelführerinnen kann daher auf der Grundlage behandelt werden, daß die Kampfpreise von Cewal anders als der im Urteil AKZO erörterte Verkauf unter Kosten kostendeckend waren, allerdings zu einer "Ertragseinbuße" der Konferenzmitglieder führten(68).
113 Die einschlägigen Abschnitte des angefochtenen Urteils finden sich in den Randnummern 146 bis 148:
"146 Wie bereits ausgeführt, nimmt zwar nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und das Unternehmen hat auch in angemessenem Umfang die Möglichkeit, so vorzugehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält; jedoch ist ein derartiges Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt (insbesondere Urteil BPB Industries and British Gypsum/Kommission, Randnr. 69).[(69)]
147 Unter Berücksichtigung insbesondere der als Fußnote 2 zu Randnummer 32 der Entscheidung angeführten Protokolle des Special Fighting Committee, namentlich des Protokolls vom 18. Mai 1989, in dem davon die Rede ist, sich des unabhängigen Reeders zu $entledigen`, hat die Kommission rechtlich hinreichend dargetan, daß mit dieser Praxis der einzige Wettbewerber der Cewal auf dem relevanten Markt verdrängt werden sollte. Außerdem kann zwar die von den Cewal-Mitgliedern verwendete Bezeichnung der Praxis allein diese noch nicht als einen Verstoß gegen Artikel 86 qualifizieren, jedoch hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, daß die Verwendung einer in diesem Tätigkeitsbereich allgemein bekannten Bezeichnung durch Unternehmen des internationalen Seeverkehrs und die Gründung eines Special Fighting Committee bei der Konferenz die Absicht erkennen ließ, eine Praktik zur Untergrabung des freien Wettbewerbs anzuwenden.
148 Da mit der Praktik der einzige Wettbewerber verdrängt werden sollte, können sich die Klägerinnen auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätten sich darauf beschränkt, auf eine Verletzung des der Cewal rechtmäßig eingeräumten Monopols durch (G & C) zu reagieren, ihre Diskriminierung durch das Ogefrem auszugleichen, sich an einem vom Wettbewerber ausgelösten Preiskrieg zu beteiligen oder einer Erwartung ihrer Kunden zu entsprechen. Denn diese Umstände, ihren Nachweis unterstellt, könnten die von den Cewal-Mitgliedern ergriffenen Gegenmaßnahmen nicht angemessen und verhältnismäßig machen."
114 Die Rechtsmittelführerinnen machen im wesentlichen geltend, das Gericht habe rechtlich fehlerhaft verkannt, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen als Reaktion auf den von einem Neuankömmling auf dem Markt entfachten Preiskrieg befugt sei, einen Plan zur Ausschaltung dieses Neuankömmlings durch selektive Preisnachlässe zu entwickeln, solange nur die von ihm angebotenen Preise nicht mißbräuchlich in dem vom Gerichtshof im Urteil AKZO entwickelten Sinne seien. Das Gericht habe die Entscheidung fehlerhaft allein aufgrund von der Kommission gefundener belastender Dokumente aufrechterhalten, die nur belegten, daß Cewal-Mitglieder ihren Wettbewerber auszuschalten wünschten, was für sich genommen nicht wettbewerbswidrig sei.
115 Die Kommission ist der Auffassung, daß die "Kampfschiff"-Praktik, die die Rechtsmittelführerinnen nach ihrer Feststellung angewandt haben, sich von der "klassischen" Vernichtungspreispraktik (ein vom Gericht in der Tat nicht verwendeter Terminus) unterscheidet, die ihrer Meinung nach wie im Fall AKZO zu Verlusten führt. Ein beherrschendes Unternehmen, das vom veröffentlichten Tarif seiner Preise abweiche, indem es sie von Fall zu Fall als Teil einer Strategie zur Verdrängung eines Wettbewerbers vom Markt herabsetze, treibe keinen normalen Wettbewerb mehr. Daß die von Cewal angebotenen Kampfpreise lediglich eine Reaktion auf den Preiswettbewerb eines neuen Wettbewerbers gewesen seien, rechtfertige sie nicht, insbesondere wenn beherrschende Unternehmen wie Cewal auf dem Markt nahezu eine Monopolstellung hätten. Nach Auffassung der Kommission hätte ein normaler Preiswettbewerb für Cewal-Mitglieder darin bestanden, ihre veröffentlichten Konferenzfrachtsätze insgesamt herabzusetzen.
b) Prüfung
- Der Mißbrauch durch eine Mehrheit
116 In Randnummer 80 der Entscheidung stellte die Kommission fest, daß "... der Mißbrauch aus der Absicht mehrerer Unternehmen [entsteht], einen ungewöhnlich niedrigen Preis festzusetzen, um damit einen Wettbewerber auszuschalten". Im vorliegenden Fall ist aber die Relevanz des abgestimmten Verhaltens auf die Rolle begrenzt, die kollektive beherrschende Stellung zu schaffen, die Cewal einseitiges Handeln ermöglicht. Die Mehrseitigkeit des in Rede stehenden Preisverhaltens hat keine Bedeutung für die Feststellung des Mißbrauchs. Folglich hat das Gericht meines Erachtens zu Recht den Hinweis der Kommission in Randnummer 80 beiseite gelassen.
117 Das vorliegende Rechtsmittel weist unter dem Blickwinkel der Wettbewerbsregeln gewisse neue Merkmale auf. Zum ersten Mal hat sich der Gerichtshof mit der "Kampfschiff"-Praktik, aber insbesondere auch mit den Umständen auseinanderzusetzen, unter denen eine Preisstrategie, die nicht als nicht kostendeckend anzusehen ist, trotzdem als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung zu gelten hat. Es ist nur natürlich, das letztgenannte Problem mit Vorsicht anzugehen. Preiswettbewerb ist der Kern eines freien und offenen Wettbewerbs, dessen Verwirklichung auf dem Binnenmarkt das Ziel der Gemeinschaftspolitik ist. Er fördert schlagkräftigere Unternehmen und nutzt kurz- wie langfristig dem Verbraucher. Beherrschende Unternehmen haben nicht nur das Recht, sondern sollten ermutigt werden, Preiswettbewerb zu treiben. Üblicherweise versetzt ihre Marktmacht sie eher in die Lage, die Preise über Wettbewerbsniveau zu halten. Es ist daher zunächst der Sachverhalt, der Anlaß für die Feststellung eines Mißbrauchs war, und sodann die Anwendung der maßgebenden Rechtsgrundsätze zu untersuchen.
118 Struktur und rechtliche sowie wirtschaftliche Merkmale des besonderen Marktes bedürfen sorgfältiger Untersuchung, wobei natürlich bedacht sein will, daß die Feststellung der beherrschenden Stellung selbst nicht in Frage steht. Es geht hier, wie der Vertreter der Kommission in der Sitzung ausführte, um eine Linienkonferenz, bei der Preisfestsetzungsabsprachen zwischen einzelnen Reedereien ganz ausnahmsweise eine Gruppenfreistellung (in einer Ratsverordnung) vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 erhalten haben. Linienkonferenzen führen definitionsgemäß zu einer graduellen Abstimmung zwischen mehreren Reedereien. So konnte die Kommission auf Sitzungen von Konferenzausschüssen verweisen, um den Zweck eines besonderen Verhaltensschemas zu beweisen, oder auf die Vereinbarung eines Einnahmenpools, um die Überkreuzsubventionierung von Frachtsätzen zu belegen. Andererseits verweisen die Rechtsmittelführerinnen auf den allgemein anerkannten Stabilisierungseffekt, der sich von seiten der Reeder gesehen aus der Anwesenheit von Linienkonferenzen im internationalen Seefrachtverkehr ergibt, sowie auf die Notwendigkeit, die Nachteile zu berücksichtigen, die sie im Wettbewerb mit Nicht-Konferenz-Reedereien erwarten, wie etwa das Erfordernis regelmäßiger Fahrten. Damit komme ich zur Erörterung der Aspekte der "Kampfschiff"-Praktik, wie sie die Kommission festgestellt und das Gericht zusammengefaßt hat. Der Sachverhalt ist unstreitig - nicht so die rechtlichen Folgerungen.
- Die Verdrängungsabsicht
119 Der Kern des festgestellten mißbräuchlichen Verhaltens der Cewal-Mitglieder liegt in einer Strategie selektiver und zielgerichteter Anwendung niedrigerer Frachtsätze als Reaktion auf die neue Wettbewerbsbedrohung durch G & C in der eingestandenen Absicht der Verdrängung dieses Wettbewerbers. Obwohl die Rechtsmittelführerinnen sowohl die Entscheidung als auch das angefochtene Urteil beanstanden, weil sie die Feststellung einer Verdrängungsabsicht auf die Beschreibung ihres eigenen Verhaltens durch Cewal-Mitglieder in mehreren Sitzungen des "Special Fighting Committee", das die Durchführung der "Kampfschiff"-Praktik von Cewal überwachte, gestützt hätten, haben sie nicht versucht, die ihnen zugeschriebene Verdrängungsabsicht zu bestreiten. Ein solcher Versuch wäre in der Tat unvereinbar mit dem von ihnen beanspruchten Recht, sich wegen einer solchen Verdrängungsabsicht auf die Ogefrem-Vereinbarung zu berufen. Sie machen statt dessen geltend, daß eine solche Absicht, soweit keine Vernichtungspreise im Sinne des Urteils AKZO praktiziert würden, keine ausreichende Grundlage für die Annahme des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung sein könne und lediglich ein normales Wettbewerbsverhalten als Antwort auf einen von einem neuen Wettbewerber eröffneten Preiskrieg darstelle.
120 Die Rechtsmittelführerinnen rügen Randnummer 147 des angefochtenen Urteils wegen der Schlußfolgerung, daß die Protokolle des "Special Fighting Committee" vom 8. Mai 1989, auf die sich die Entscheidung stütze und in denen davon die Rede sei, sich G & C zu "entledigen", in Verbindung mit der bloßen Verwendung der im internationalen Seefrachtverkehr wohlbekannten Bezeichnung "Kampfschiff" die Feststellung der Kommission, daß die Cewal-Mitglieder die Absicht gehabt hätten, G & C zu verdrängen, hinreichend stützten. Die Feststellung eines Mißbrauchs könne nur durch ordnungsgemäßen Nachweis von Tatsachen abgesichert werden(70). Weder das angefochtene Urteil noch die Entscheidung selbst sind aber allein auf die Bezeichnung dieses Verhaltens gestützt. Wie das Gericht festgestellt hat, haben die Rechtsmittelführerinnen die drei von der Kommission in der Entscheidung zum Nachweis der Anwendung einer "Kampfschiff"-Praktik herangezogenen Kriterien - nämlich die Bestimmung von Kampfschiffen, die Festsetzung von Kampfpreisen unterhalb der normalen Cewal-Sätze und die Umlegung der sich ergebenden Ertragseinbußen - nicht beanstandet. Folglich ist der Angriff der Rechtsmittelführerinnen auf die Feststellung in Randnummer 147 des angefochtenen Urteils bezüglich ihrer Absicht, "eine Praktik zur Untergrabung des freien Wettbewerbs anzuwenden", unbegründet.
- Anwendung von Sätzen, die vom Tarif der Konferenz abweichen
121 Selektive Preisabschläge sind ein wichtiges Element bei der Feststellung von Mißbrauch. Zusammen mit der Verdrängungsabsicht von Cewal bedeutete dies, daß für Abschläge nur Abfahrten ausgesucht wurden, die dem Wettbewerb von G & C ausgesetzt waren. In Randnummer 81 der Entscheidung stellte die Kommission unter Hinweis auf die Mißbräuchlichkeit des Rückgriffs beherrschender Unternehmen auf "Verhaltensweisen ..., die von den üblichen Mitteln des Leistungswettbewerbs abweichen", unbestritten fest, "daß dies bei den Kampfschiffen um so mehr der Fall [ist], als die Konferenzmitglieder an die Einhaltung des gemeinsamen Cewal-Tarifs gebunden sind". Entgegen ihren Pflichten nach Artikel 5 Nummer 4 der Verordnung von 1986 machte Cewal ihren Konferenztarif nicht allgemein zugänglich. Mit diesem Hinweis unterstrich indessen die Kommission lediglich erneut den zentralen Aspekt der von ihr als mißbräuchlich betrachteten Praktik, nämlich den selektiven im Gegensatz zu einem allgemeinen Preisabschlag. Wäre eine allgemeine und nicht selektive Preisabschlagspolitik befolgt worden, so wäre es, unterstellt, die ermäßigten Sätze wären immer noch kostendeckend, entschieden schwieriger gewesen, einen Mißbrauch festzustellen. Der Plan oder die Absicht des beherrschenden Unternehmens hätte dann in Verbindung mit ermäßigten, aber noch kostendeckenden Preisen gesehen werden müssen und ein besonderer Plan für die Umlegung von Ertragseinbußen wäre nicht notwendig gewesen. Ohne zusätzliche Gesichtspunkte wie etwa hohe Marktzugangsschranken wäre nicht ohne weiteres sichtbar gewesen, warum eine solche Reaktion auf den Marktauftritt eines neuen Wettbewerbers anders zu behandeln gewesen wäre als ein Leistungswettbewerb.
- Umlage der Einnahmeverluste
122 Die Feststellung der Kommission, daß die infolge der Kampfpreise "entstehenden Einnahmeverluste" auf "sämtliche Cewal-Mitglieder umgelegt wurden", ist von den Rechtsmittelführerinnen nicht bestritten worden, die lediglich meinten, daß diese Risikoumlage durch die Ausnahme gedeckt sei. Natürlich kann es keine Ausnahme für die Umlage von Kosten mißbräuchlichen Verhaltens geben. Nach Auffassung der Kommission ergab sich die Mißbräuchlichkeit des Verhaltens der Cewal-Mitglieder nicht nur aus ihrer Absicht der Beseitigung der Wettbewerbsbedrohung durch G & C, sondern insbesondere daraus, daß die Cewal-Mitglieder in der Lage waren, die "niedrigeren Kampftarife durch die von der Konferenz auf den anderen Fahrten angewandten normalen Sätze" auszugleichen, und daß dieses wettbewerbswidrige Verhalten "zur Ausschaltung eines Unternehmens vom Markt führen kann, das vielleicht ebenso leistungsstark wie [Cewal] ist, aber aufgrund seiner geringeren Finanzmöglichkeiten nicht dem Wettbewerbsdruck standhalten kann, der von dem abgestimmten und mißbräuchlichen und mißbräuchlichen Vorgehen einer in einer Konferenz zusammengeschlossenen mächtigen Vereinigung von Reedern ausgeht"(71).
- Die Rechtsprechung zu "Vernichtungspreisen"
123 Trotz des Versuchs der Kommission, diesen Fall völlig von den klassischen Fällen von nicht kostendeckenden "Vernichtungspreisen" wie in der Rechtssache AKZO zu unterscheiden, bedarf es doch der Prüfung, ob die Feststellung der Kommission, daß die "Kampfschiff"-Praktik trotz des Fehlens nicht kostendeckender Preise mißbräuchlich gewesen sei, vom Gericht zu Recht aufrechterhalten wurde. Der übliche Ausdruck "Vernichtungspreise" hat natürlich keinen besonderen rechtlichen Stellenwert. Für Artikel 86 maßgebend ist allein die Prüfung, ob ein Mißbrauch vorliegt.
124 Ausgangspunkt für die Erörterung des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung ist das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Hoffmann-La Roche(72):
"Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ist ein objektiver Begriff ... [der] die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung [erfaßt], die ... die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung ... behindern ..."
125 In der Rechtssache AKZO hatte die Kommission geltend gemacht(73), daß "bei Artikel 86 nicht die Kosten das entscheidende Kriterium für die Feststellung des mißbräuchlichen Charakters der von einem beherrschenden Unternehmen praktizierten Preisunterbietungen [sind]"(74). Eine Preisunterbietung könne wettbewerbswidrig sein, "gleichgültig, ob das angreifende Unternehmen seine Preise über oder unter den eigenen Kosten - in der einen oder anderen Bedeutung des Begriffs - festsetze"(75). Gleichwohl könne "eine eingehende Untersuchung der Kosten des beherrschenden Unternehmens" nur "von erheblicher Bedeutung" sein, wenn der Verdrängungseffekt einer Preisunterbietungskampagne nicht offensichtlich sei(76).
126 Es ist, wie die Rechtsmittelführerinnen betonen, bemerkenswert, daß der Gerichtshof im Urteil AKZO dem Denkansatz der Kommission nicht gefolgt ist; allerdings muß gesagt werden, daß er ihn auch nicht ausdrücklich verworfen hat. Unter Hinweis auf das Urteil Hoffmann-La Roche hat der Gerichtshof entschieden, daß Artikel 86 es einem beherrschenden Unternehmen verbiete, einen Mitbewerber zu verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greife, und daß folglich "nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden [kann]"(77). In den folgenden Randnummern stellte der Gerichtshof die folgenden Grundsätze für nicht kostendeckende Preisgestaltung durch beherrschende Unternehmen auf:
"71 Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen variieren) liegen und mit deren Hilfe ein beherrschendes Unternehmen versucht, einen Konkurrenten auszuschalten, sind als mißbräuchlich anzusehen. Ein beherrschendes Unternehmen hat nämlich nur dann ein Interesse, derartige Preise zu praktizieren, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung seine Preise wieder anzuheben, denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich.
72 Auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten - das heißt Fixkosten plus variable Kosten -, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat. Diese Preise können nämlich Unternehmen vom Markt verdrängen, die vielleicht ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, wegen ihrer geringeren Finanzkraft jedoch nicht dem auf sie ausgeübten Konkurrenzdruck standhalten können."
127 Bei Verkäufen unter den durchschnittlichen variablen Kosten (oder kurzfristigen Grenzkosten, Urteil AKZO, Randnr. 70) wird vermutet, daß sie mißbräuchlich sind. So ist es normalerweise vernünftig, über den durchschnittlichen variablen Kosten zu verkaufen, weil dies einen Kapitalertrag bringt, auch wenn der Markt keinen höheren Preis zuläßt, nicht aber, unter den durchschnittlichen variablen Kosten zu verkaufen. Grenzkosten sind nicht nötig, und die Wirtschaft hat kein Interesse, sie aufzubringen, nur um einen Verlust zu erzielen. Ein beherrschendes Unternehmen kann allerdings diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß diese Preisgestaltung nicht Teil eines Plans zur Verdrängung seines Wettbewerbers war.
128 Außerdem gelten zwar Preise über den durchschnittlichen variablen Kosten (aber unter den durchschnittlichen Gesamt- oder langfristigen Grenzkosten, vgl. Urteil AKZO, Randnr. 71) nicht vermutungweise als Vernichtungspreise, sie "müssen" aber als mißbräuchlich betrachtet werden, wenn sie nachweislich Teil eines Plans zur Verdrängung eines Wettbewerbers sind. Aufgrund des Sachverhalts beurteilte der Gerichtshof später in seinem Urteil die Senkung der Preise als tiefer angesetzt, als erforderlich gewesen wäre, um Aufträge zu erhalten, und ihre selektive Anwendung nur auf Kunden des Wettbewerbers, so daß die Verluste aus diesen durch Gewinne aus anderen Verkäufen ausgeglichen werden konnten, als Nachweis der erforderlichen Absicht(78). Obwohl es einem beherrschenden Unternehmen nicht verboten sei, seine Preise "selbst an die Preise [des Wettbewerbers] defensiv anzupassen, um Kunden zu behalten, die von Anfang an zu [seinem] Kundenkreis gehört haben"(79), dürfe es nicht versuchen, die Kundschaft, die es seinem Wettbewerber durch nicht kostendeckende Preise abgeworben habe, durch selektiv angebotene Preissenkungen an sich zu binden, "ohne diesen Vorteil auch ihren eigenen Abnehmern zugutekommen zu lassen"(80).
129 Mit dem Urteil Tetra Pak II hat der Gerichtshof ein Urteil des Gerichts bestätigt, in dem die Betrachtungsweise des Urteils AKZO auf einen Sachverhalt angewandt worden war, der durch mißbräuchliche Verhaltensweisen auf einem anderen als dem von Tetra Pak beherrschten Markt, auf dem das Unternehmen eine führende Position einnahm, gekennzeichnet war(81). Die Rechtsmittelführerinnen beanstandeten in dieser Rechtssache - weitgehend mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des United Staates Supreme Court(82) - die Weigerung des Gerichts, von der Kommission den Nachweis einer "vernünftigen Aussicht, die so erlittenen Verluste wieder auszugleichen"(83), zu verlangen. Der Gerichtshof bestätigte die Feststellung, daß die Rechtsmittelführerin nicht kostendeckende Vernichtungspreise angewandt hatte, entschied aber, daß "es unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht angebracht wäre, zusätzlich den Nachweis zu verlangen, daß Tetra Pak eine wirkliche Chance hatte, ihre Verluste wieder auszugleichen"(84). Ich komme (in Nummer 136) auf die Bedeutung dieser Wendung unter den Umständen des vorliegenden Rechtsmittels zurück.
130 Die Kategorien mißbräuchlicher Preispraktiken mit Verdrängungsabsicht sind im Urteil AKZO nicht erschöpfend umschrieben worden. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil die Anwendung von Artikel 86 auf Fälle, in denen ein beherrschendes Unternehmen selektiv gezielte Preisabschläge vornimmt, zugleich aber die Preise über seinen Gesamtkosten hält, nicht definitiv ausgeschlossen. Ich stimme mit dem Standpunkt von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Tetra Pak II überein, der Gerichtshof habe im Urteil AKZO festgestellt, daß "nicht jeder Preiswettbewerb zulässig [sei]", und anschließend "zwei Fälle von Verdrängungspreisen, die gegen Artikel 86 verstießen" benannt(85). Vor seinem Urteil AKZO hatte der Gerichtshof nämlich im Urteil Ahmed Saeed entschieden, daß es einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, wenn ein auf einer bestimmten Strecke beherrschendes Luftfahrtunternehmen anderen auf dieser Strecke tätigen Unternehmen "überhöhte oder, um an der Vereinbarung nicht beteiligte Unternehmen vom Markt auszuschließen, bermäßig niedrige Tarife" aufzwingt(86). Zu den genannten Kriterien für die Beurteilung, ob der Tarif übertrieben ist, gehörte, ob er "in einem angemessenen Verhältnis zu den langfristig voll zugewiesenen Kosten des Luftfahrtunternehmens [steht], wobei die Bedürfnisse der Verbraucher, die Notwendigkeit einer angemessenen Kapitalverzinsung, die Wettbewerbslage einschließlich der Tarife andere dieselbe Strecke bedienender Luftfahrtunternehmen und die Notwendigkeit der Vermeidung von Dumpingpreisen zu berücksichtigen sind"(87). Im vorliegenden Fall vertritt die Kommission ausdrücklich den Standpunkt (vgl. insbesondere Randnr. 73 der Entscheidung), daß die Kampfpreise von Cewal nicht im Hinblick auf ihre Kosten, sondern mit Blick auf die von G & C angebotenen Sätze festgelegt wurden. Es bedarf folglich der Prüfung, ob der vorliegende Fall, in dem kein nicht kostendeckender Verkauf festgestellt und außerdem die selektiv gesenkten Sätze (mit Ausnahme eines Falles) so festgelegt wurden, daß sie denen des Wettbewerbers entsprachen, ohne sie zu unterschreiten, so gelagert ist, daß ein Mißbrauch festgestellt werden kann.
- Die Mißbräuchlichkeit der "Kampfschiff"-Praktik
131 Der Mißbrauch, dessen man die Rechtsmittelführerinnen für schuldig befunden hat, ist eindeutig in der nicht erschöpfenden Aufzählung des Artikels 86 Buchstaben a bis d nicht enthalten(88). Im Urteil Continental Can hat der Gerichtshof (im Kontext des Erwerbs durch einen Wettbewerber) bestätigt, daß nach Artikel 86 verbotene Praktiken nicht nur Verhaltensweisen sind, "die [den Verbrauchern] durch einen Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs ... [unmittelbar] Schaden zufügen", sondern auch solche, die die beherrschende Stellung des Unternehmens "dergestalt verstärk[en], daß der erreichte Beherrschungsgrad den Wettbewerb wesentlich behindert, daß also nur noch Unternehmen auf dem Markt bleiben, die in ihrem Marktverhalten von dem beherrschenden Unternehmen abhängen"(89)Im Urteil AKZO hat der Gerichtshof im Hinblick auf die besonderen Pflichten beherrschender Unternehmen festgestellt (Randnr. 70), daß "... nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden [kann]". Es würde indessen meines Erachtens die Verfolgung des Ziels von Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages, ein System zu schaffen, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt, möglicherweise merklich beeinträchtigen, wenn der Gerichtshof eine Schwelle wie die Durchschnittsgesamtkosten (oder die langfristigen Grenzkosten) als absoluten Maßstab betrachten würde, an dem alle möglichen mißbräuchlichen oder auf Verdrängung gerichteten Preispraktiken zu messen wären. Im Urteil Tetra Pak II hat der Gerichtshof die in dieser Rechtssache vom Gericht vertretene Auffassung gebilligt, daß "der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Verantwortung, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung [trägt], anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln [ist], die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen [lassen]"(90).
132 Ich würde es andererseits für richtig halten, nicht diskriminierende Preisabschläge eines beherrschenden Unternehmens, die nicht zu Verkäufen unter Kosten führen, normalerweise nicht als wettbewerbswidrig zu betrachten(91). Erstens kommen sie, auch wenn sie nur kurzlebig sind, den Verbrauchern zugute, und zweitens sollten die Wettbewerber des beherrschenden Unternehmens, wenn sie gleich effektiv oder effektiver sind, in der Lage sein, mit den gleichen Bedingungen in Wettbewerb zu treten. Das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft sollte nicht weniger effektiven Unternehmen einen sicheren Hafen ..... gegen scharfen Wettbewerb seitens selbst beherrschender Unternehmen bieten(92). Andere Erwägungen mögen indessen gelten, wenn ein Unternehmen, dessen beherrschende Stellung sich einem Monopol nähert, insbesondere auf einem Markt, auf dem Preisabschläge relativ kostenunabhängig durchzuführen sind, eine Politik selektiver Preisabschläge mit der nachweisbaren Absicht ins Werk setzt, sämtlichen Wettbewerb zu beseitigen. Würde man unter solchen Umständen jeden Verkauf über Kosten automatisch für annehmbar halten, würde dies dem betreffenden Unternehmen ermöglichen, jeden Wettbewerb durch Verfolgung einer selektiven Preispolitik zu beseitigen, was ihm langfristig Preiserhöhungen und die Abschreckung potentieller Marktneulinge erlauben würde, die befürchten müßten, die gleiche zielgerichtete Behandlung zu erfahren(93).
133 Es gibt bestimmte Märkte wie etwa den Seefrachtverkehr mit speziellen Merkmalen, bei denen Kosten eine unzuverlässige Richtschnur für die Angemessenheit von Wettbewerbsstrategien beherrschender Unternehmen sind. Ist die Abfahrt eines Schiffes erst einmal für einen bestimmten Tag vorgesehen, dann können, soweit Lademöglichkeit vorhanden ist, die Kosten des Transports eines zusätzlichen Containers, der infolge eines herabgesetzten Frachtsatzes verladen wird, gegen Null streben(94). Allgemein werden Frachtsätze weitgehend nicht durch die Grenzkosten der Reederei für diese Dienstleistung, sondern durch die Preiselastizität der Nachfrage nach der verfrachteten Ware bestimmt(95).
134 Die grundlegende Frage in der vorliegenden Rechtssache lautet daher, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt die abträglichen potentiellen Auswirkungen des Verhaltens der Cewal-Mitglieder - als Reaktion auf die wettbewerbliche Bedrohung infolge des Auftretens von G & C - auf die Struktur des Wettbewerbs im betreffenden Markt wegen des Umfangs ihrer gemeinsamen Marktmacht so einzuschätzen sind, daß sie auf einen Mißbrauch hinauslaufen.
135 Einige spezifische Merkmale der "Kampfschiff"-Praktik und ihres Einsatzes im vorliegenden Fall dürfen in Erinnerung gerufen werden. Cewal hatte nicht nur eine beherrschende Stellung inne, sondern de facto, wie sie selbst sagt, ein Monopol. Diese Praktik ging auf den grundlosen Anspruch von Cewal zurück, ein Monopol auf dem relevanten Markt aufrechtzuerhalten, das es mit der Ogefrem-Vereinbarung durchzusetzen versucht hatte, und war unbestreitbar geplant, um den Wettbewerber auszuschalten und nicht nur, um dem Wettbewerb die Stirn zu bieten. Zugleich war Cewal in der Lage, ein System selektiver Festlegung von Abfahrtszeiten zwecks Senkung der Frachtsätze einzuführen. Die hieraus folgende Ertragseinbuße wurde auf die Konferenzmitglieder umgelegt. Sowohl wegen der Selektivität der Abschläge und ihres sehr großen Marktanteils konnten die Mitglieder die Ertragseinbuße zeitlich verlagern und verkraften. Außerdem dürfte, wie die Kommission andeutet (Randnr. 82 der Entscheidung), allein der Umstand, daß Cewal die Kampffrachtsätze kostendeckend oder darüber festsetzen konnte, nahelegen, daß die normalen Sätze weit über den Kosten lagen, oder daß, wie ich meinen möchte, die Grenzkosten jedenfalls sehr niedrig waren.
136 Die Umlage der Ertragseinbußen ist für mich Anlaß, kurz zu der Notwendigkeit Stellung zu nehmen, eine Absicht oder Möglichkeit des Wiederausgleichs nachzuweisen. Der Vorgang der Aufteilung von Verlusten ist im wesentlichen eine Form der Schadloshaltung. Der strategische Plan der Kampfpreise birgt unausgesprochen die Implikation, daß die Sätze für jede gegenwärtige oder zukünftige Abfahrt nur gesenkt werden, wenn dies nicht erforderlich ist, um dem Wettbewerb zu begegnen. Außerdem wären sie eindeutig nicht mehr gerechtfertigt, sobald der Wettbewerber erst verdrängt wäre. Soweit dies erforderlich ist, bin ich daher der Meinung, daß der vorliegende Fall den Test des Wiederausgleichs besteht. Zugleich möchte ich sagen, daß ein Erfordernis dieser Art Teil des Tests für mißbräuchlich niedrige Preisgestaltung durch beherrschende Unternehmen sein sollte. Das ist im ersten Absatz des Zitats aus dem Urteil AKZO mit verstanden (vgl. Nummer 126 dieser Schlußanträge) und gehört zum Test nach dem Urteil Hoffmann-La Roche (vgl. Nummer 124 dieser Schlußanträge). Der Grund dafür, beherrschende Unternehmen an dem Versuch zu hindern, die Aufrechterhaltung von Wettbewerb insbesondere durch die Verdrängung eines Wettbewerbers zu beeinträchtigen, ist, daß sie dann in die Lage versetzt würden, mißbräuchlich hohe Preise zu verlangen. Damit würde ein uneffizientes Monopol erneut geschaffen und Verbraucher hätten nur einen kurzfristigen Nutzen. Wenn dieses Ergebnis nicht Teil der Strategie eines beherrschenden Unternehmens ist, dann ist es wahrscheinlich auf normalen Wettbewerb ausgerichtet.
137 Unter all diesen Umständen hat das Gericht mit seiner Feststellung, daß die Gegenmaßnahmen der Cewal-Mitglieder gegen den Marktzugang von G & C "nicht angemessen und verhältnismäßig"(96) waren, keinen Rechtsfehler begangen. Artikel 86 kann meines Erachtens nicht so verstanden werden, daß er es Monopolisten oder Quasi-Monopolisten erlaubte, ihre herausragende Marktmacht, die ihnen ihre beherrschende Stellung vermittelt, in der Weise auszunutzen, daß damit der Marktzugang neuer oder zusätzlicher Wettbewerber verhindert würde. Hat ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen, deren Verhalten kollektiv zu würdigen ist, eine beherrschende Stellung von so überragender Bedeutung inne, daß sie an ein Monopol grenzt, wie dies im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Eintritts von G & C in den relevanten Markt der Fall war, dann wäre es mit der für ein solches beherrschendes Unternehmen geltenden, recht schweren besonderen Pflicht, die Struktur des ohnehin schon geschwächten Wettbewerbs nicht weiter zu beeinträchtigen, nicht vereinbar, auf einen selbst aggressiven Preiswettbewerb eines Marktneulings mit einer Politik gezielter selektiver Preisabschläge zu reagieren, die diesen Wettbewerber verdrängen soll. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerinnen macht meines Erachtens der bloße Umstand, daß diese Preise nicht auf einem Niveau festgesetzt sind, das tatsächlich (oder möglicherweise) unter den durchschnittlichen Gesamtkosten (oder langfristigen Grenzkosten) liegt, die Anwendung einer solchen Preispolitik nicht zu einer rechtmäßigen.
138 Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Feststellung der Kommission, daß die Cewal-Mitglieder eine Strategie zu dem alleinigen Zweck entwickelt hätten, G & C als ihren einzigen Wettbewerber zu verdrängen, gebilligt. Die Kommission hat nachgewiesen, daß die Rechtsmittelführerinnen versucht haben, durch die Bekämpfung der Frachtfahrten von G & C mit Kampfpreisen, die den von G & C für ihre Fahrten angebotenen gleichkamen oder sie unterboten, G & C den größtmöglichen Schaden zuzufügen und zugleich den hierbei erlittenen Einnahmeverlust durch das Inswerksetzen ihres Einnahmenpools möglichst gering zu halten. Meines Erachtens hat sich die Kommission ganz offenbar zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß G & C, selbst wenn sie als Reederei ebenso leistungsstark wie die Cewal-Mitglieder wäre, nicht "dem Wettbewerbsdruck standhalten [könnte], der von dem abgestimmten und mißbräuchlichen Vorgehen einer in einer Konferenz zusammengeschlossenen mächtigen Vereinigung von Reedern ausgeht" (Randnr. 82). Die "Kampfschiff"-Praktik sollte mit anderen Worten G & C mit den geringstmöglichen Kosten für die Cewal-Mitglieder aus dem Markt drängen, diesen ihre frühere Stellung als Quasi-Monopolist und damit die Möglichkeit wiederverschaffen, mit ihren Frachtsätzen wieder zum Niveau der veröffentlichten Konferenztarife zurückzukehren.
139 Demgemäß schlage ich vor, das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts, mit der die Einstufung der "Kampfschiff"-Praktik der Cewal-Mitglieder als mißbräuchlich seitens der Kommission aufrechterhalten wurde, insgesamt zurückzuweisen.
C - Die hundertprozentigen Treueabmachungen
i) Einleitung
140 Die Rüge der Rechtsmittelführerinnen gegen das Urteil des Gerichts, soweit mit diesem die Feststellungen der Kommission zum dritten Mißbrauchstatbestand gebilligt wurden, zerfällt in zwei Teile. Sie machen erstens geltend, das Gericht habe das Recht falsch angewandt, weil es bei seiner Feststellung, daß die Treueabmachungen aufgezwungen worden seien, Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung von 1986 falsch ausgelegt habe, der solche Abmachungen freistelle. Zweitens sei die Kommission aufgrund der Verordnung von 1986 und insbesondere durch deren Artikel 8 daran gehindert gewesen, Geldbußen wegen Mißbrauchs zu verhängen, ohne vorher die Freistellung zu entziehen.
ii) Inhalt der Entscheidung
141 Bevor ich diese Rechtsmittelgründe eingehender behandle, halte ich es für notwendig, die maßgebenden Passagen der Entscheidung der Kommission in Erinnerung zu rufen.
142 Gemäß Artikel 2 der Entscheidung haben die Cewal-Mitglieder "ihre gemeinsame beherrschende Stellung mißbraucht, indem sie ... hundertprozentige Treueabmachungen (auch in bezug auf fob-Waren) geschlossen haben, die über das von Artikel 5 Absatz 2 [der Verordnung von 1986] erlaubte Maß hinausgingen und die von der [in der Entscheidung] beschriebenen Verwendung schwarzer Listen $unzuverlässiger` Verlader begleitet wurden". Zu dieser Feststellung sind zwei allgemeine Hinweise von Bedeutung angezeigt. Erstens werden die Cewal-Mitglieder nicht dreier selbständiger Mißbräuche beschuldigt, vielmehr werden die Elemente des "Treffens" von Abmachungen, des Einschlusses von fob-Ladungen und die Verwendung schwarzer Listen zusammengenommen als "einseitige Auferlegung einer Treueabmachung" (Randnr. 85) behandelt. Zweitens (und wichtiger) ist der wesentliche Kern des Mißbrauchs ebenso wie bei den beiden anderen Sachverhalten in der Feststellung zu sehen, daß dies "[i]m Hinblick auf die Ausschaltung des wichtigsten unabhängigen Wettbewerbers" (Artikel 2 der Entscheidung) geschah. Die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen hierzu finden sich in den Randnummern 28, 29 und 84 bis 88 der Entscheidung.
143 Laut Entscheidung konnten die Verlader von Frachten zwischen Europa und Zaïre nur ausnahmsweise auf unabhängige Reedereien zurückgreifen. Da sie in Wirklichkeit keine andere Wahl gehabt hätten, als für den überwiegenden Teil ihrer Ladungen die Dienste von Cewal in Anspruch zu nehmen, sei das Angebot von Rabatten nur bei hundertprozentiger Treue (einschließlich der fob-Ladungen) einem Aufzwingen dieser Abmachungen gleichgekommen (Randnrn. 84 bis 86 der Entscheidung). Die Kommission stellte ferner fest, daß Cewal die auferlegten Pflichten durch Verwendung schwarzer Listen verschärfte, um den Verladern "... Sanktionen hinsichtlich des Angebots und der Qualität der Dienstleistung" aufzuerlegen (Randnr. 86). Die Kommission stützte sich insoweit auf Auszüge aus den Protokollen des Zaïre Pool Committee, denen zu entnehmen war, daß Cewal schwarze Listen als Teil einer Strategie benutzte, mit der sichergestellt werden sollte, daß Verlader, die die Dienste des einzigen Wettbewerbers in Anspruch nahmen, keine Treuerabatte nach der Abmachung und auch nicht die üblichen Leistungen erhielten (Randnr. 29). Die Kommission hielt das Gesamtverhalten von Cewal für mißbräuchlich, so daß die Berufung auf eine Freistellung nach der Verordnung von 1986 "... der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages auf die Vereinbarung nicht entgegen[stand]" (Randnr. 87).
144 Das Gericht hat dargelegt, daß die Kommission diesen Mißbrauch in "der Auferlegung von hundertprozentigen Treueabmachungen, ... der Einbeziehung der auf fob-Basis verkauften Waren und der Führung von schwarzen Listen untreuer Verlader, um diese zu bestrafen," gesehen habe(97). Das Gericht war mit der Kommission der Meinung, daß "den Verladern dadurch, daß ihnen die Cewal-Mitglieder, die im maßgeblichen Zeitraum mehr als 90 % der Marktanteile hielten, nur hundertprozentige Treueabmachungen anboten, nur die Wahl zwischen der Gewährung eines Rabatts - für den Fall, daß sie die Beförderung der Gesamtheit dieser Waren durch die Cewal akzeptierten - und dem völligen Verzicht auf Rabatt - in allen anderen Fällen - gelassen [wurde], was letztlich bedeutet, daß diese Abmachungen aufgezwungen wurden"(98). Somit entschied es, daß diese Verhaltensweise von Cewal nicht nach Artikel 85 freigestellt gewesen sei, weil nach Artikel 5 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung von 1986 hundertprozentige Treueabmachungen zwar angeboten, aber nicht einseitig auferlegt werden dürften. Es billigte ferner die Feststellung der Kommission, daß sich diese Vereinbarungen auf fob-Verkäufe erstreckten, so daß "... der Verkäufer eine Treuepflicht auf sich nimmt, obwohl er für den Versand der Waren gar nicht verantwortlich ist"(99). Es entschied schließlich, daß Cewal eine schwarze Liste untreuer Verlader "nicht nur zu statistischen Zwecken" aufgestellt habe und daß das Aufstellen solcher Listen nicht "durch irgendeine Bestimmung der Verordnung [von 1986] freigestellt ist"(100). Daher war für das Gericht, das insoweit auf das Urteil Hoffmann-La Roche verwies, die Kommission zu Recht zu der Schlußfolgerung gelangt, daß "diese Praxis insgesamt eine Beschränkung der Freiheit der Verkehrsnutzer und damit eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des einzigen Wettbewerbers der Cewal auf dem Markt bewirkte"(101).
iii) Erster Teil der Rüge: Fehlerhafte Auslegung der Verordnung von 1986 - "Aufzwingen" von Treue
145 Die Rechtsmittelführerinnen legen das angefochtene Urteil in dem Sinne aus, daß die Treueabmachungen mangels Beweisen für Drohungen gegenüber den oder anderen ähnlichen Druck auf die Verlader allein aufgrund der kollektiven beherrschenden Stellung von Cewal auferlegt worden seien. Da Konferenzlinien nahezu unausweichlich eine beherrschende Stellung innehätten, müsse die Verordnung von 1986 so verstanden werden, daß sie die Verwendung von hundertprozentigen Treueabmachungen unter den besonderen Umständen der Seefrachtwirtschaft erlaube und unterstütze, so daß selbst, wie dies in der zehnten Begründungserwägung der Verordnung von 1986 angedeutet sei, die Durchsetzung der Treuepflicht erlaubt sei, was den Austausch von Informationen über, d. h. die Erstellung schwarzer Listen von Verladern erforderlich mache. Außerdem beanstanden sie die Feststellung, daß diese Abmachungen auch für fob-Ladungen auferlegt worden seien.
146 Ich halte es nicht für hilfreich, sich länger mit den Einzelheiten dieses Vorbringens zu befassen. Es beruht meines Erachtens auf einem grundlegenden Mißverständnis der Entscheidung der Kommission und des angefochtenen Urteils. Es berücksichtigt die zwei entscheidenden Gesichtspunkte der Entscheidung nicht, die ich in Nummer 142 dieser Schlußanträge erläutert habe. Die Rechtsmittelführerinnen betonen ohne erkennbaren Nutzen, die wörtliche, teleologische und systematische Auslegung von Artikel 5 Nummer 2 der Verordnung von 1986 zeige, daß hundertprozentige Treueabmachungen selbst bei einer beherrschenden Konferenzfrachtlinie erlaubt seien; das aber ist gar nicht zweifelhaft. Die vom Gericht in der in Nummer 144 dieser Schlußanträge zitierten Passage gebilligte Feststellung, daß die Abmachungen aufgezwungen waren, ist keineswegs, wie die Rechtsmittelführerinnen behaupten, aus der beherrschenden Stellung von Cewal abgeleitet worden. Kernpunkt ist nicht die beherrschende Stellung, sondern die Gewährung von Rabatten für hundertprozentige Treue ohne jede Alternative, so daß ein Verlader bei nur einem einzigen Fall von "Untreue" seinen gesamten Rabatt verlieren muß. Die Rechtsmittelführerinnen haben sich mit diesem Aspekt der Begründung nicht befaßt. Dieses Fehlverständnis des angefochtenen Urteils reicht bereits aus, den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes zu entscheiden; ein Rechtsmittelgrund, der auf ein falsches Verständnis des angefochtenen Urteils baut, muß zurückgewiesen werden. Mit zwei zu diesem Teil hilfsweise vorgebrachten Rügen werde ich mich allerdings jetzt befassen.
a) Erste Hilfsrüge - fob-Verkäufe
147 Die erste hilfsweise vorgebrachte Rüge der Rechtsmittelführerinnen gegenüber der Feststellung des Aufzwingens von Treueabmachungen richtet sich gegen die Äußerung des Gerichts (Randnr. 184), daß der Verkäufer eine Treuepflicht auf sich nehme, obwohl er für den Versand der Waren gar nicht verantwortlich sei. Sie sind der Auffassung, daß bei Verladung von fob-Waren der Verlader nicht der Verkäufer oder Exporteur, sondern der Importeur sei, und wollen nicht verstanden haben, daß die Ausdehnung der Treueabmachungen auf fob-Verkäufe ihnen von der Kommission ebenfalls angelastet worden sei. Dieses Vorbringen ist aus mehreren Gründen zurückzuweisen.
148 Erstens wurde die Einbeziehung von fob-Waren entgegen der Behauptung der Rechtsmittelführerinnen nicht nur, wie sie meinen, in Nummer 85 der Entscheidung erwähnt, sondern insgesamt dreimal, Artikel 2 eingeschlossen. Außerdem mußten die Rechtsmittelführerinnen (und damaligen Klägerinnen) den Satz "... die sich damit der Kontrolle der Exporteure entziehen" so verstehen, daß mit der Ausdehnung den Verladern der Rabatt entzogen werden sollte, falls sie nicht sicherstellten, daß auch die Importeure der Konferenz die Treue hielten. Gleichwohl vertraten sie vor dem Gericht die Rechtsauffassung, daß diese Abmachungen unvermeidbar, und nicht, daß sie nicht getroffen worden waren. Daher ist dieses Vorbringen, wie die Kommission bemerkt, unzulässig, weil es zum ersten Mal in der Rechtsmittelinstanz erfolgt. Zweitens berücksichtigt dieses Vorbringen den Kern der Feststellung der Kommission nicht, die das Gericht gebilligt hat. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerinnen nicht um einen selbständigen Mißbrauchsvorwurf. Vielmehr ist es Teilmerkmal der allgemeinen Schlußfolgerung, daß die Treueabmachungen aufgezwungen wurden, und weiterhin der Feststellung, daß "diese Praxis insgesamt" (Randnr. 186 des angefochtenen Urteils) eine Beschränkung der Freiheit der Verkehrsnutzer und damit eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des einzigen Wettbewerbers der Cewal bewirkte. Drittens beruhen diese Schlußfolgerungen des Gerichts auf den wettbewerblichen Auswirkungen dieser Praktiken auf den Markt und nicht auf der rechtlichen Durchsetzbarkeit einer bestimmten Auslegung der Treueabmachungen. Die Feststellung des Gerichts ist daher grundsätzlich eine tatsächliche und keine rechtliche und kann folglich mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen werden. Ich schlage aus diesen Gründen vor, dieses Vorbringen als unzulässig zu behandeln.
b) Zweite Hilfsrüge - Schwarze Listen
149 Die zweite hilfsweise vorgebrachte Rüge richtet sich gegen die Feststellungen des Gerichts, daß die Erstellung schwarzer Listen untreuer Verlader durch Cewal nicht nach der Verordnung von 1986 freigestellt werden könne.
150 Die Rechtsmittelführerinnen machen ferner geltend, das Gericht habe ihr Vorbringen nicht berücksichtigt, daß alle Kunden, die Treueabmachungen getroffen hätten, ihre Rabatte auch dann erhalten hätten, wenn sie Frachten über G & C verschifft hätten. Dies war ihre Stellungnahme zum Standpunkt der Kommission, daß die Verwendung von schwarzen Listen (Randnr. 88 der Entscheidung) in direktem Widerspruch zu dieser Aussage von Cewal stehe. Die Kommission macht demgegenüber geltend, daß das Gericht mit seinem Hinweis in Randnummer 185 des angefochtenen Urteils auf die Protokolle des Zaïre Pool Committee, in denen "das Bestehen schwarzer Listen" festgehalten sei, den von ihr in der Entscheidung vertretenen Standpunkt gebilligt habe. Mit diesem Verständnis des angefochtenen Urteils stimme ich überein. Ich bin überzeugt, daß das Gericht hierbei nicht nur an den von der Kommission in Randnummer 88 der Entscheidung aufgezeigten Widerspruch dachte, sondern auch an die tatsächliche Feststellung der Kommission in Randnummer 29 der Entscheidung aufgrund der vorgenannten Protokolle, daß diese Verlader, die mit G & C zusammenarbeiteten, "keine Treuerabatte" und "auch nicht [die] üblichen Leistungen" erhielten. Diese Auffassung wird meines Erachtens durch den nachfolgenden Satz in Randnummer 185 des angefochtenen Urteils belegt, in dem das Gericht entschied, daß die schwarzen Listen nicht nur "zu statistischen Zwecken" aufgestellt wurden. Das ist eine tatsächliche Feststellung. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob Cewal letztlich den Rabatt allen Verladern gewährte, die mit G & C arbeiteten, wenn erst bewiesen ist, daß die schwarzen Listen Teil einer Strategie waren, die sie davon abbringen sollte.
151 Die Rechtsmittelführerinnen machen ferner geltend, daß die Verwendung solcher Listen nicht als Mißbrauch betrachtet werden könne. Sie berufen sich auf die zehnte Begründungserwägung der Verordnung von 1986, die Konferenzen ausdrücklich gestatte, "gegen solche Benutzer Strafen zu verhängen, die die Treuepflicht, die die Gegenleistung für Nachlässe ... ist, mißbräuchlich umgehen". In ihren Augen ist es mißbräuchlich, wenn man trotz Abschlusses einer Treueabmachung mit einer Konferenz, um Rabatte zu erhalten, zugleich Frachten bei unabhängigen Reedern verlädt. Folglich stelle es keinen Mißbrauch dar, wenn man versuche, die Einhaltung selbst hundertprozentiger Treueabmachungen zu überwachen. Meines Erachtens werden bei dieser Rüge Schlüsselmerkmale der schwarzen Listen verkannt, wie sie sowohl in der Entscheidung wie im Urteil festgestellt wurden. Die Kommission hat in Randnummer 86 der Entscheidung klar den Standpunkt vertreten, daß die den Verladern mit den Treueabmachungen auferlegten Verpflichtungen durch die Verwendung schwarzer Listen "verschärft wurden", die "... Sanktionen hinsichtlich des Angebots und der Qualität der Dienstleistung [mit sich brachten]". Die Kommission führte in einer Fußnote zu Randnummer 29 der Entscheidung Beweismaterial für die unmittelbare Verdrängungsfunktion der schwarzen Listen an. Das Gericht billigte die (in Randnr. 182 des angefochtenen Urteils zusammengefaßte) Feststellung der Kommission ausdrücklich und verwies hierbei sogar auf die genannte Fußnote (Randnr. 185).
152 Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden, das Gericht habe zu Unrecht (in Randnr. 185 des angefochtenen Urteils) festgestellt, daß die Aufstellung schwarzer Listen "[nicht] durch irgendeine Bestimmung der Verordnung [von 1986] freigestellt ist". Die Aufstellung von Listen untreuer Verlader kann jedoch bestenfalls, wie die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung ausführt, unter die in der Verordnung von 1986 vorgesehene Ausnahme für hundertprozentige Treueabmachungen fallen, wenn diese Abmachungen in den Worten der zehnten Begründungserwägung "... die Freiheit der Benutzer und somit den Wettbewerb in der Verkehrswirtschaft nicht einseitig einschränken". Da ich mit der auch vom Gericht gebilligten Auffassung der Kommission übereinstimme, daß die Treueabmachungen den Verladern von Cewal aufgezwungen wurden, bin ich auch der Meinung, daß das Gericht mit seiner Feststellung, daß die Aufstellung solcher Listen durch keine Bestimmung der Verordnung von 1986 freigestellt sei, keinen Rechtsfehler begangen hat. Meines Erachtens können die Wirkungen der mißbräuchlichen Auferlegung von Treueabmachungen seitens einer Konferenz durch die Aufstellung schwarzer Listen untreuer Kunden eindeutig verschärft werden, weil diese Kunden ohne solche Listen zumindest tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich von der Möglichkeit Gebrauch machen könnten, zumindest gelegentlich die Dienste unabhängiger Reedereien in Anspruch zu nehmen. Daher haben sich Kommission und Gericht meines Erachtens zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß die Gesamtwirkung der Aufstellung von schwarzen Listen zu dem Mißbrauch in Gestalt der wirksamen Auferlegung von Treueabmachungen durch die Cewal-Mitglieder beigetragen hat.
153 Soweit schließlich die Rechtsmittelführerinnen erstmals in ihrer Erwiderung vor dem Gerichtshof geltend machen, daß die Kommission in Zusammenhang mit der potentiellen Rolle der schwarzen Liste bei der Ermöglichung der Auferlegung nichtfinanzieller Sanktionen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe, weil diese Möglichkeit in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt gewesen sei, ist diese Rüge gemäß Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes unzulässig, da es sich um ein rechtliches Angriffsmittel handelt, das bereits vor dem Gericht hätte geltend gemacht werden können.
154 Demgemäß ist meines Erachtens das Urteil des Gerichts insoweit aufrechtzuerhalten, als dort entschieden wurde, daß die hundertprozentigen Treueabmachungen aufgezwungen waren (Randnr. 183). Ich bin ferner der Meinung, daß Kommission und Gericht zu Recht diese Verhaltensweise "insgesamt" (Randnr. 186) ihrem Schluß zugrunde gelegt haben, daß sie nicht "nach Artikel 85 des Vertrages freigestellt gewesen [ist]" (Randnr. 183).
155 Es ist an dieser Stelle wichtig, die Einzelverstöße gegen die "Verpflichtung" in Zusammenhang mit der Gruppenfreistellung abzuschichten, die Gegenstand der Empfehlung der Kommission nach Artikel 7 der Verordnung von 1986 waren (Artikel 5 der Entscheidung), die vom Gericht gebilligt und mit dem vorliegenden Rechtsmittel auch nicht angefochten wurde.
156 Das Aufzwingen der hundertprozentigen Treueabmachungen, ging, wie die Kommission in Artikel 2 der Entscheidung feststellte, über Artikel 5 Nummer 2 der Verordnung von 1986 hinaus. Treueabmachungen sind als Teil eines Systems entweder sofortiger oder nachträglicher Rabatte zulässig. Wie der zehnten Begründungserwägung der Verordnung von 1986 zu entnehmen ist, sollten sie "... nur unter Bedingungen zugelassen werden, die die Freiheit der Benutzer und somit den Wettbewerb in der Verkehrswirtschaft nicht einseitig einschränken". Da die gleiche Begründungserwägung das Recht der Konferenz anführt, "gegen solche Benutzer Strafen zu verhängen, ... die die Treuepflicht mißbräuchlich umgehen", wird deutlich, daß diese Pflicht die Gegenleistung "... für Nachlässe, ermäßigte Frachtsätze oder von der Konferenz gewährte Provisionen ist". Es wird mit Nachdruck nicht zugelassen, daß Rabatte gewährt werden, um Wettbewerber vom Markt zu drängen, was einem zentralen Anliegen entspricht, das, wie ich bereits ausgeführt habe, den Kern der von der Kommission getroffenen Feststellungen aller drei Arten des Mißbrauchs bildete. Dieser Zweck wird in dem Auszug aus dem Protokoll des Zaïre Pool Committee in der zweiten Fußnote der Randnummer 29 der Entscheidung in beredter Weise zum Ausdruck gebracht, wenn es dort heißt: "... the defensive strategie [which] should be based on deterring the customers by instituting a blacklist of unfaithful shippers/consignees whose other northbound shipments by conference's vessels would no longer benefit from normal adequate conference treatment" ("... die defensive Strategie, die auf eine Abschreckung der Kunden durch Aufstellung einer schwarzen Liste untreuer Verlader/Empfänger gerichtet sein sollte, deren andere Frachten nach Norden auf Konferenzschiffen keine normale angemessene Konferenzbehandlung mehr erfahren würden"). Das Aufzwingen der Treueabmachungen konnte daher keine Freistellung nach der Verordnung von 1986 erfahren.
iv) Zweiter Teil der Rüge: Keine Verhängung von Geldbußen durch die Kommission vor Rücknahme der Freistellung
157 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, daß ihr Verhalten, wenn ihre Treueabmachungen im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung von 1986 "einseitig auferlegt" worden seien, lediglich gegen eine "Auflage ... für die Freistellung aufgrund von Artikel 3" verstoßen habe. In diesem Fall müsse die Kommission das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 einschlagen. Dann aber wäre sie verpflichtet, die Gruppenfreistellung nach Artikel 3 zu entziehen, bevor sie Geldbußen verhängen dürfe. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht den Unterschied zwischen der Nichterfuellung einer "Bedingung", die automatisch zur Nichtgeltung dieser Gruppenfreistellung führe, und dem Verstoß gegen eine "Auflage" verkannt. Die Verordnung von 1986 sei eine Maßnahme nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages gewesen, um den Anwendungsbereich von Artikel 85 wie von Artikel 86 im Seefrachtverkehr festzulegen, und sie kenne tatsächlich zwei Arten des Mißbrauchs, nämlich solche Mißbräuche im Rahmen von Verhaltensweisen, für die Linienkonferenzen den Vorteil der Gruppenfreistellung genössen, und andere Mißbräuche. Im erstgenannten Fall verpflichte Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung von 1986 die Kommission, diese Freistellung zu entziehen, bevor sie Geldbußen verhänge.
158 Die Kommission verweist darauf, daß nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung von 1986 "[d]er Mißbrauch einer beherrschenden Stellung ... verboten [ist], ohne daß ein entsprechender vorheriger Beschluß erforderlich ist". Daraus folge, daß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung von 1986 dahin ausgelegt werden müsse, daß es im Ermessen der Kommission stehe, welche Maßnahmen sie ergreife, wenn prima facie freigestelltes Verhalten als mißbräuchlich anzusehen sei(102). Alternativ bekräftigt die Kommission den von ihr in Randnummer 87 der Entscheidung vertretenen Standpunkt, daß die Verordnung, selbst wenn die Verhaltensweisen der Cewal-Mitglieder in bezug auf ihre Treueabmachungen trotz der Verstöße gegen mehrere "Auflagen" nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung von 1986 "durch Artikel 6 der ... Verordnung [von 1986] gruppenweise freigestellt wären"(103), könne "eine Gruppenfreistellung zur Vermeidung der Anwendung von Artikel 86 nicht in Betracht gezogen werden", die "der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages entgegen[stuende]". Sie stütze sich dabei auf den anerkannten und vom Gericht bestätigten Grundsatz, daß es keine gleichlaufende Freistellung von Artikel 85 und Artikel 86 geben könne.
159 Der Standpunkt des Gerichts, daß die Verordnung von 1986 nicht als Freistellungstatbestand für Verhalten verstanden werden könne, das gegen Artikel 86 des Vertrages oder Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung von 1986 verstoße, ist ganz offensichtlich richtig. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Ahmed Saeed entschieden, daß "... für die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung keine wie auch immer geartete Freistellung gewährt werden [kann]"(104). Wie die Kommission in ihrer Erwiderung richtig bemerkt, ist dieser Grundsatz unlängst im Urteil British Gypsum(105) unzweideutig bestätigt worden, in dem der Gerichtshof der von seinem Generalanwalt geäußerten Meinung gefolgt ist, daß eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages "nicht gleichzeitig die Freistellung vom Verbot des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung" bewirke. Selbst wenn die Treueabmachungen von Cewal unter die Gruppenfreistellung gefallen wären, wären sie nicht von der unmittelbaren Anwendung von Artikel 86 des Vertrages freigestellt gewesen(106).
160 Soweit die Rechtsmittelführerinnen die Auffassung vertreten, es könne Einfluß auf die Anwendung des vorgenannten Grundsatzes haben, daß die fragliche Freistellung im vorliegenden Fall durch eine nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages erlassene Ratsverordnung gewährt worden sei, beruht sie auf einem Mißverständnis. Die Verordnung von 1986 ist auf die Artikel 84 Absatz 2 und 87 des Vertrages gestützt. Zum erstgenannten Artikel hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich(107) entschieden, daß Artikel 84 Absatz 2, weit davon entfernt, die Anwendbarkeit des Vertrages auf die Seeschiffahrt (und die Luftfahrt) auszuschließen, lediglich vorsehe, daß die in dem Titel über die Verkehrspolitik getroffenen Sonderbestimmungen nicht automatisch auch für diese Verkehrsart gelten und diese daher "... aus den gleichen Gründen wie die übrigen Verkehrsarten den allgemeinen Vertragsvorschriften [unterliegt]"(108), was naturgemäß die Wettbewerbsvorschriften einschließt(109). Dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Ahmed Saeed, wonach trotz fehlenden Erlasses von Durchführungsvorschriften gemäß Artikel 87 "... das Verbot des Artikels 86 EWG-Vertrag uneingeschränkt für den ganzen Luftfahrtsektor gilt"(110), ist klar zu entnehmen, daß mit Artikel 87 und insbesondere durch die Befugnis des Rates nach Absatz 2 Buchstabe c, "gegebenenfalls den Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 für die einzelnen Wirtschaftszweige näher zu bestimmen", nicht bezweckt wurde, dem Rat die inhaltliche Gestaltung des Anwendungsbereichs des Artikels 86 zu ermöglichen; vielmehr sollte ihm die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, ausführliche Verfahrensvorschriften für die Anwendung dieser Wettbewerbsvorschriften zu erlassen. Eine Durchsicht der Verordnung von 1986 läßt meines Erachtens klar erkennen, daß der Rat genau dieses Ziel im Auge gehabt hat.
161 Ich wende mich damit der Frage zu, ob die Kommission, wie die Rechtsmittelführerinnen meinen, daran gehindert war, Geldbußen wegen Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung zu verhängen, ohne zuvor die Freistellung zugunsten von Cewal nach Artikel 3 zurückzunehmen.
162 Es muß hier an die Eigenart des den Rechtsmittelführerinnen angelasteten Mißbrauchs erinnert werden, nämlich die Gewährung von Preisabschlägen für hundertprozentige Treue (einschließlich der fob-Verkäufe) ohne jede Alternative, verstärkt durch die Führung schwarzer Listen "[i]m Hinblick auf die Ausschaltung des wichtigsten unabhängigen Wettbewerbers" von Cewal (Hervorhebung von mir).
163 Meines Erachtens wurde und konnte dieses Verhalten nicht von der Anwendung des Artikels 86 freigestellt werden. Außerdem durfte es, soweit dies hier von Bedeutung ist, auch nicht als Verstoß gegen eine einfache Pflicht nach Artikel 5 der Verordnung von 1986 nach Art der in Randnummer 178 des angefochtenen Urteils erwähnten Verstöße dargestellt werden. Es ist sprachlich abwegig, wenn man sagt, das Verbot einseitigen Aufzwingens hundertprozentiger Treueabmachungen umschreibe eine Verpflichtung. Es wird lediglich umschrieben, was nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i nicht erlaubt ist.
164 Artikel 8 liefert indessen sowohl mit seinem unmittelbaren und klaren Wortlaut als auch aufgrund seiner Struktur seine eigene Antwort auf die Rüge der Rechtsmittelführerinnen. Artikel 8 Absatz 1 sagt so nachdrücklich, daß "... ein entsprechender vorheriger Beschluß [nicht] erforderlich ist", um den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung zu verbieten, daß schon eine sehr klare Regelung notwendig wäre, um dem widersprechen zu können. Außerdem steht dieser Wortlaut in vollem Einklang mit den Grundsätzen, die für die Wirksamkeit von Artikel 86 und die Unmöglichkeit einer Freistellung gelten.
165 Aber auch Absatz 2 Artikel 8 der Verordnung von 1986 widerspricht Absatz 1 in keiner Weise und schränkt ihn auch nicht ein. Er ermächtigt die Kommission, "von sich aus oder auf Antrag eines Mitgliedstaats oder einer natürlichen oder juristischen Person" die in Artikel 3 ausdrücklich ausgesprochene Gruppenfreistellung zurückzuziehen. Er sieht keine Beschränkung der Befugnis der Kommission vor, unter den insbesondere in Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung von 1986 näher umrissenen Umständen Geldbußen zu verhängen. Der den Rechtsmittelführerinnen angelastete Mißbrauch bezieht sich auf das mißbräuchliche Aufzwingen hundertprozentiger Treueabmachungen und nicht auf die Nutzung der Freistellung nach Artikel 3. Ich sehe keinen Grund für die Annahme, daß die Verurteilung der erstgenannten Handlung von dem extremen Schritt des Widerrufs der Freistellung abhängig sein sollte.
166 Ich schlage daher vor, den Rechtsmittelgrund in Zusammenhang mit dem Aufzwingen hundertprozentiger Treueabmachungen insgesamt zurückzuweisen.
VI - Die Geldbußen
A - Einleitung
167 Die Rechtsmittelführerinnen erheben hilfsweise eine Reihe von Rügen in mehreren Richtungen, die allesamt die Entscheidung des Gerichts betreffen, die gegen sie verhängten Geldbußen im wesentlichen aufrechtzuerhalten. Da die höchste Geldbuße gegen CMB verhängt wurde (vgl. Nummern 3 und 4 dieser Schlußanträge), werden nicht alle der von dieser Rechtsmittelführerin erhobenen Rügen auch von Dafra geltend gemacht.
B - Die Zuständigkeit des Gerichtshofes
168 Die Rechtsmittelführerinnen sind der Auffassung, daß der Gerichtshof bei Aufhebung des angefochtenen Urteils aufgrund seiner Befugnis nach Artikel 54 Absatz 1 seiner Satzung, "... den Rechtsstreit selbst endgültig [zu] entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist", das Recht zur unbeschränkten Nachprüfung nach Artikel 172 des Vertrages und Artikel 21 der Verordnung von 1986 ausüben kann. Auch wenn der Gerichtshof meinem Vorschlag folgen sollte, alle Rechtsmittelgründe in Zusammenhang mit den Fragen des Mißbrauchs zurückzuweisen, sollte er meines Erachtens gleichwohl die Geldbuße, die auf einen dieser Rechtsmittelgründe gestützt wird, insgesamt aufheben.
169 Was die hilfsweise geltend gemachten Rügen der Rechtsmittelführerinnen bezüglich der Geldbußen betrifft, sei zunächst darauf hingewiesen, daß das Recht zu unbeschränkter Nachprüfung bei nach der Verordnung von 1986 verhängten Geldbußen nach Artikel 172 des Vertrages, das ursprünglich nach Artikel 21 dieser Verordnung dem Gerichtshof zustand, nunmehr vom Gericht ausgeübt wird. Diese Zuständigkeit ist dem Gericht gemäß Artikel 168a des Vertrages und Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften(111) übertragen worden. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Zuständigkeit des Gerichtshofes zur Überprüfung der in Ausübung dieser Befugnis getroffenen Feststellungen des Gerichts sowohl nach Artikel 168a des Vertrages als auch nach Artikel 51 seiner Satzung eindeutig auf die Prüfung beschränkt ist, ob bei der Aufrechterhaltung oder Nichtigerklärung von Feststellungen der Kommission in bezug auf Geldbußen Rechtsfehler zu beanstanden sind. So hat der Gerichtshof im Urteil Ferriere Nord/Kommission aus Anlaß einer gegen die Gerechtigkeit einer Geldbuße gerichteten Rüge entschieden, daß es nicht seine Sache sei, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels "... die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über den Betrag der gegen Unternehmen wegen ihres Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen"(112). Zu seiner Zuständigkeit gehöre indessen die Prüfung, "ob das Gericht auf alle von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Argumente für eine Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße rechtlich hinreichend geantwortet hat"(113).
170 Sollte der Gerichtshof allerdings zu dem Ergebnis kommen, daß ein das angefochtene Urteil nur teilweise berührender Rechtsfehler zu beanstanden sei, so würde sich die Frage des Umfangs oder der Natur seiner Restzuständigkeit stellen. Gemäß Artikel 54 Absatz 1 seiner Satzung kann der Gerichtshof, wenn er ein Rechtsmittel für begründet hält, die Entscheidung des Gerichts aufheben, aber dann auch "... den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist ...". Meines Erachtens lebt, wenn diese Umstände eintreten, die in Artikel 172 des Vertrages geregelte unbeschränkte Nachprüfungsbefugnis bei Geldbußen, die ursprünglich dem Gerichtshof zustand, dann aber dem Gericht übertragen wurde, wieder auf. Begeht das Gericht bei Ausübung seiner Befugnis nach Artikel 172 des Vertrages einen Rechtsfehler, dann ist es wichtig, daß dem Gerichtshof sowohl im Interesse der Verfahrensökonomie als auch der Rechte der Rechtsmittelführerinnen, wenn er es für angemessen hält, selbst endgültig zu entscheiden, die Befugnis zu Gebote steht, Geldbußen unbeschränkt nachzuprüfen.
C - Die Rügen der Rechtsmittelführerinnen
171 Die folgenden Rügen werden von beiden Rechtsmittelführerinnen vorgebracht:
1) Natur (und Schwere) der Zuwiderhandlungen seien nicht so geartet gewesen, daß sie als schwer oder gar vorsätzlich hätten eingestuft werden können;
ii) die Kommission habe durch die Verhängung der Geldbußen gegen sie statt gegen Cewal ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt;
iii) die Geldbußen seien aus mehreren Gründen auf eine Fehleinschätzung des Grades ihrer Beteiligung am Frachthandel auf der Cewal-Linie gestützt worden;
iv) ihre Zusammenarbeit mit der Kommission sei nicht als mildernder Umstand berücksichtigt worden;
v) die relativ kurze Dauer der Zuwiderhandlungen sei nicht gebührend berücksichtigt worden;
vi) entgegen der Auffassung der Kommission habe ihnen das beanstandete Verhalten nicht erlaubt, einen hohen Marktanteil aufrechtzuerhalten;
vii) die Neuigkeit der Zuwiderhandlungen sei nur unzureichend als mildernder Umstand berücksichtigt worden;
viii) schließlich habe der Regelungskontext des Ogefrem ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
CMB bringt weiterhin vor, die gegen sie verhängte Geldbuße sei beispiellos hoch ausgefallen und unsachgemäß verhängt worden, um einen politischen Ausgleich für die Geldbuße zu schaffen, die die Kommission in einer anderen Entscheidung gegen eine andere Linienkonferenz festgesetzt habe. Schließlich machen die Rechtsmittelführerinnen mit einer selbständigen Rüge geltend, daß der in Artikel 7 der Entscheidung für den Fall der Nichtzahlung der Geldbußen binnen drei Monaten nach Mitteilung der Entscheidung festgesetzte Zinssatz (13,25 %) übertrieben hoch sei.
D - Prüfung
172 Da ich mit der Kommission darin übereinstimme, daß zahlreiche Argumente der Rechtsmittelführerinnen zu den einzelnen die Geldbußen betreffenden Rügen im Kern Tatsachenfeststellungen des Gerichts in Frage stellen sollen oder offensichtlich unbegründet sind, werde ich sie nicht alle im einzelnen untersuchen.
i) Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
173 Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden, das Gericht habe rechtsfehlerhaft das Recht der Kommission bestätigt, gegen sie individuelle Geldbußen festzusetzen, obwohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Verhängung von Geldbußen gegen Cewal und nicht gegen eines ihrer Mitglieder angedroht worden sei. In Randnummer 232 seines Urteils habe das Gericht wie folgt entschieden:
"Was zweitens die Bemessung der Geldbuße angeht, konnte die Kommission gegen die Mitglieder der Cewal eine Geldbuße verhängen, nicht aber gegen die Konferenz selbst, da diese keine Rechtspersönlichkeit besitzt. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist neben der Cewal auch an jedes der Mitglieder der Konferenz gerichtet worden. Unter diesen Umständen mußten die Klägerinnen, selbst wenn in der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Hinblick auf die mißbräuchlichen Praktiken nur von der Möglichkeit der Festsetzung einer Geldbuße gegen Cewal die Rede war, angesichts der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Cewal wissen, daß gegen sie und nicht gegen die Konferenz möglicherweise eine Geldbuße verhängt werden würde."
174 Die Rechtsmittelführerinnen sind der Auffassung, daß die Kommission, wenn sie nicht beabsichtigt hätte, Cewal Geldbußen aufzuerlegen, weil diese keine Rechtspersönlichkeit habe, ihnen hätte sagen müssen, daß die Geldbußen ihnen auferlegt werden würden. Sie verweisen auf folgende Nachteile, die ihnen aus dieser Unterlassung entstanden sein sollen:
- Wenn die Geldbuße gegen Cewal verhängt worden wäre, hätte sie nur auf den Umsatz von Cewal und nicht auf den ihrer Mitglieder bezogen werden können, und dieser sei, da er sich nur auf die Zaïre-Linien beziehe, niedriger als ihr Umsatz gewesen;
- zwar wäre die Geldbuße letztlich von den Cewal-Mitgliedern einzeln entrichtet worden, ihre Zahlungen hätten aber mit ihrem Anteil am Pool übereingestimmt(114);
- CMB sei nicht bewußt gewesen, daß sie wegen ihrer besonders aktiven Rolle bei den Mißbräuchen mit einem unverhältnismäßigen Anteil an der Geldbuße haftbar gemacht werden würde.
Damit habe die Kommission das grundlegende Erfordernis einer Mitteilung der Beschwerdepunkte, daß es die Parteien über die gegen sie erhobenen Vorwürfe und insbesondere darüber informiere, wer von ihnen die finanzielle Belastung der zu verhängenden Geldbuße zu tragen habe, mißachtet(115).
175 Die Kommission behauptet nicht, daß den Cewal-Mitgliedern Geldbußen angedroht worden seien, meint aber, es habe den Rechtsmittelführerinnen klar sein müssen, "daß in der gesamten Mitteilung der Beschwerdegründe $Cewal` die Gruppe von Unternehmen bedeuten [sollte], die die Konferenz bildeten". Außerdem habe das Gericht zu Recht entschieden, daß die Verhängung einer Geldbuße gegen Cewal keinen Sinn gemacht hätte, da sie keine Rechtspersönlichkeit besessen habe. Es sei "unglaubwürdig", daß sie "so unbedarft gewesen sein sollten, von der Verhängung einer Geldbuße gegen sie überrascht zu werden ...". Da vorgesehen gewesen sei, daß gegen Cewal-Mitglieder wegen der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte behaupteten Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Geldbußen verhängt würden, sei den Mitgliedern von Cewal zugleich mitgeteilt worden, daß gegen sie Einzelbußen verhängt werden würden.
176 Meines Erachtens durfte das Gericht nicht davon ausgehen, daß die Kommission berechtigt war, den Mitgliedern von Cewal eine Geldbuße aufzuerlegen, weil Cewal keine Rechtspersönlichkeit besaß und sie selbst Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte waren. Dieser Rechtsfehler beruht auf der irrigen Annahme, die Rechtsmittelführerinnen hätten wissen müssen, daß sie Gefahr liefen, eine Geldbuße zahlen zu müssen.
177 Bekanntlich ist den Rechtsmittelführerinnen eine Abschrift der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt worden, allerdings erst drei Monate nach ihrer Übermittlung an Cewal. Das wirkliche Problem ist aber, ob die Rechtsmittelführerinnen wirklich durch die Abschrift der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie nebst einem Begleitschreiben, das dem Inhalt dieser Mitteilung nichts hinzufügte, erhielten, ordnungsgemäß darüber unterrichtet wurden, daß ihnen individuell Geldbußen, die laut Mitteilung ausdrücklich nur für Cewal vorgesehen waren, auferlegt werden könnten - mit all den Folgerungen, die sich daraus bezüglich der Bemessung der Geldbuße ergeben konnten.
178 Zunächst einmal halte ich es für unannehmbar, daß die Kommission in einer so wichtigen Frage Vermutungen anstellen dürfen sollte. Der Gerichtshof hat ständig entschieden, daß "in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden [müssen]"(116). Die grundlegende Verfahrensgarantie, die die Mitteilung der Beschwerdepunkte bietet, ist "... Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts, dem zufolge in allen Verfahren ... rechtliches Gehör gewährt werden ... muß"(117). Auch wenn sie im strafrechtlichen Sinne keine Strafen sind(118), erfuellen Geldbußen doch eine Bußfunktion. Die Kommission ist daher streng verpflichtet, den Unternehmen klar mitzuteilen, daß ihnen Geldbußen drohen.
179 Zweitens sollte bedacht werden, daß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung von 1986 wie sein Gegenstück Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17/62 der Kommission die Befugnis verleiht, Geldbußen gegen Unternehmen und "Unternehmensvereinigungen" zu verhängen. Eine Linienkonferenz wie Cewal ist eindeutig eine solche Unternehmensvereinigung. Ebenso eindeutig gelten die Wettbewerbsartikel des Vertrages allgemein für Unternehmensvereinigungen(119) und sind diese den Untersuchungsbefugnissen der Kommission einschließlich der Festsetzung von Geldbußen unterworfen(120). Die Kommission führte als einen ihrer Gründe für die Verhängung von Geldbußen gegen die Cewal-Mitglieder an, daß Cewal keine Rechtspersönlichkeit besitze. Sie hat nicht gesagt, und ebensowenig das Gericht, daß Geldbußen gegen Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit nicht verhängt werden dürften, was natürlich möglich ist(121). Vom Standpunkt der Cewal-Mitglieder aus betrachtet genügt es festzustellen, daß es keinen Grund gab, die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht für bare Münze zu nehmen und als Ausdruck der Absicht zu verstehen, eine Geldbuße gegen Cewal zu verhängen; für mich gibt es keinen Grund, die Kommission von einer, wie ich meine, strengen Pflicht zu entbinden. In der Rechtssache AWS Benelux/Kommission hat das Gericht Geldbußen aufgehoben, weil "die Kommission in diesem Verfahrensstadium ihre Haltung zur Frage der Zurechnung der angeblichen Zuwiderhandlung trotz dieser Aufforderung [durch die Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens] nicht klargelegt hat"(122), auch wenn sein Urteil auf eine fehlende Begründung der Entscheidung und nicht auf einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte gestützt war.
180 Drittens ist die Unterlassung, den einzelnen Mitgliedern von Cewal die drohenden Geldbußen bekanntzugeben, nicht ein nur formaler Mangel. Insbesondere CMB kann hier einen konkreten Nachteil belegen. Die Rechtsmittelführerinnen haben in ihrer Erwiderung, ohne in diesem Punkt Widerspruch seitens der Kommission zu finden, darauf hingewiesen, daß die Gesamtgeldbuße sehr viel niedriger ausgefallen wäre, wenn der Umsatz der Cewal-Mitglieder auf den betreffenden Linien (1991: 22 171 Mio. ECU) als maßgebliche Umsatzziffer für die Bemessung des höchsten Bußgeldbetrages (10 %) herangezogen worden wäre, der nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung von 1986 hätte festgesetzt werden dürfen. Tatsächlich wären sie wohl kaum über ein Viertel des aktuellen Betrages hinaus gelangt. Soweit die Kommission beabsichtigte, Geldbußen auf der Grundlage individueller Verantwortlichkeit zu verhängen, hätte diesen Unternehmen zumindest mitgeteilt werden müssen, daß ihnen unabhängig von Cewal Geldbußen drohten.
181 Da die Kommission gegen ein grundlegendes Erfordernis verstoßen hat, schlage ich vor, das Urteil des Gerichts, soweit es die Entscheidung in bezug auf die gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbußen aufrechterhalten hat, aufzuheben und weiterhin die Entscheidung in bezug auf diese Geldbußen für nichtig zu erklären.
ii) Andere Rügen
182 Unabhängig hiervon haben die Rechtsmittelführerinnen eine lange Reihe von Rügen bezüglich der verhängten Geldbußen in mehrere Richtungen erhoben. Zu allermeist handelt es sich um eine Wiederholung des Vorbringens vor dem Gericht und ausführliche Darlegungen zu den Tatsachen. Es würde diese ohnehin umfangreichen Schlußanträge ungebührlich verlängern, wenn ich alle diese Punkte ausführlich behandeln würde. Da ich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur zweiten Rüge für durchschlagend halte, glaube ich mich auf eine punktuelle Behandlung aller dieser Rügen beschränken zu dürfen, zumal ich mich bei ihrer Prüfung habe überzeugen können, daß sie ausnahmslos unbegründet sind.
183 Die richtige Vorgehensweise besteht meines Erachtens darin, jeden erkennbaren Rechtsfehler im angefochtenen Urteil zu behandeln. Ansonsten sollte der Gerichtshof die im Urteil Ferriere Nord(123) festgelegte Prüfung vornehmen. Es bedarf keiner erneuten Würdigung jeder ihrer Rügen im Detail.
184 Der Gerichtshof sollte sich davon überzeugen, daß das Gericht seiner ihm vom Vertrag zugewiesenen Aufgabe unbeschränkter Nachprüfung gerecht geworden ist und alle gegen die Geldbußen gerichteten tatsächlichen und rechtlichen Argumente gebührend gewürdigt hat. Für mich ergibt sich aus den Randnummern 208 bis 251 des angefochtenen Urteils, daß das Gericht Verhängung, Höhe und Bemessung der Geldbußen mit angemessener Sorgfalt überprüft hat. Ich möchte hier ganz kurz zwei Fragen, die Schwere und die Neuigkeit, anschneiden, die als erschwerende bzw. mildernde Umstände bei der Verhängung einer Geldbuße anerkannt sind. Im übrigen befaßt sich das Vorbringen weitgehendst mit der auf der Bewertung der Tatsachen beruhenden Ermessensausübung bei der Verhängung von Geldbußen (z. B. mit angeblicher Diskriminierung bei der Verhängung von Geldbußen gehen einzelne Cewal-Mitglieder).
185 Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden erstens die Feststellung, daß die Zuwiderhandlungen von besonderer Schwere gewesen seien. Das angefochtene Urteil hat dieses Vorbringen zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, daß "... diese Praktiken angewandt worden sind, um den einzigen auf dem Markt tätigen Wettbewerber zu verdrängen ..." (Randnr. 231). Die Rechtsmittelführerinnen streiten die Vorsätzlichkeit ihrer Handlungen nicht ab, sondern stützen sich einmal mehr auf den angeblich nicht mißbräuchlichen Druck auf Ogefrem, die Kampfschiff-Praktik und die Treuerabatte. Meines Erachtens geht dieser Rechtsmittelgrund fehl.
186 Die Rechtsmittelführerinnen machen zweitens geltend, das Gericht habe die angebliche Neuigkeit jeder der Mißbrauchstatbestände unter den Aspekten nicht gebührend berücksichtigt, die sich im Zusammenhang mit dem Sachvorbringen zu jedem Tatbestand ergäben. Hierzu gehörten insbesondere: Der Ogefrem-Mißbrauch sei der erste Fall eines Mißbrauchs in der Form der Ausübung von Druck auf eine fremde Regierung; der Mißbrauch durch "Kampfschiffe" bedeute eine Ausweitung des Verständnisses von Vernichtungspreisen; die Treuerabatte hätten ein neues Auslegungsproblem in Zusammenhang mit der Verordnung von 1986 auftreten lassen.
187 Zur Frage der Neuigkeit hat das Gericht zu Recht betont, daß "der Zweck der beanstandeten mißbräuchlichen Praktiken, den einzigen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, wettbewerbsrechtlich nichts Neues [ist]" (Randnr. 248). Dieser Schluß hat sich nicht als rechtsfehlerhaft erwiesen. Ich glaube, daß das Gericht, das seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung selbst herausgestellt hat, das Vorbringen in rechtlich angemessener Weise gewürdigt hat. Hinzu kommt, daß das Gericht jede Neuigkeit in Zusammenhang mit den einzelnen Mißbrauchstatbeständen wegen ihrer offensichtlichen Verdrängungsabsicht und wettbewerbswidrigen Zielsetzung meines Erachtens zu Recht verneint hat(124).
188 Bei der weiteren Folgerung des Gerichts (Randnr. 248), daß mit dem Begriff der kollektiven beherrschenden Stellung kein Neuland betreten werde, habe ich etwas gezögert. Die für die Ablehnung der Neuigkeit angeführte Flachglas-Entscheidung der Kommission(125) wurde zeitlich nach dem größten Teil der mißbräuchlichen Praktiken veröffentlicht, um die es im vorliegenden Fall geht. Auf der anderen Seite wiegt die Hoffnung oder Annahme einer Gruppe von Unternehmen, die ein auf Verdrängung und Vernichtung gerichtetes Verhalten an den Tag legen, daß das Gemeinschaftsrecht nicht kollektiv auf sie Anwendung finden werde, leicht gegenüber der Ungeheuerlichkeit des fraglichen Mißbrauchs. Ich bin daher nicht der Meinung, daß das Gericht insoweit einen Rechtsfehler begangen hat, und würde diesen Rechtsmittelgrund zurückweisen.
iii) Der Zinssatz
189 Schließlich rügen die Rechtsmittelführerinnen die Zurückweisung ihres Vorbringens durch das Gericht, die Kommission habe zu Unrecht in Artikel 7 der Entscheidung den Zinssatz für den Fall verspäteter Zahlung der Geldbußen nach Maßgabe des Satzes festgelegt, den "der Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit in seinen Ecu-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats des Erlasses dieser Entscheidung berechnet, zuzüglich 3,5 %, entsprechend 13,25 %". Sie halten diesen Satz für ungewöhnlich hoch. Vor dem Gericht brachten sie vor, im Hinblick auf die Zinssätze (vermutlich für Einlagen) für Ecu zur maßgeblichen Zeit wäre es angemessener gewesen, die vom Gericht herangezogenen Zinssätze anzuwenden. Das Gericht entschied, daß die Klägerinnen "... nichts dafür vorgetragen [haben], daß die Kommission fehlerhaft gehandelt hat ..." (Randnr. 250).
190 Ich bin nicht überzeugt, daß diese Äußerung belegt, daß das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, soweit es die zusätzlichen 3,5 % betrifft, rechtlich gebührend behandelt hat. Selbstverständlich verfügt die Kommission bei der Festlegung des angemessenen Zinssatzes über ein Ermessen. Ein richtiger Zinssatz stellt sicher, daß Unternehmen keine Verzögerungstaktiken zum Einsatz bringen. Andererseits sollte der festgelegte Zinssatz nicht so hoch sein, daß er die Unternehmen effektiv zwingen würde, Geldbußen sofort zu zahlen, selbst wenn sie der Auffassung wären, daß ihnen gute rechtliche Gründe zu Gebot stuenden, um die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission anzugreifen(126). Die Kommission ist meines Erachtens befugt, bei der Festlegung des Satzes für Verzugszinsen eine Bezugsgröße zu wählen, der über dem üblichen durchschnittlichen Marktzins liegt, soweit dies erforderlich ist, um hinhaltenden Maßnahmen vorzubeugen. Nicht annehmbar ist aber die Hinzufügung von 3,5 % Prozentpunkten zu einem bereits hohen Satz, ohne daß hierfür eine Erklärung gegeben würde.
191 Mit der Aufrechterhaltung der Entscheidung der Kommission in diesem Punkt - ohne nachzuprüfen, ob die Kommission einen rechtlichen oder anderen überzeugenden Grund für die Anwendung dieses Zinszuschlags hatte - hat das Gericht meiner Überzeugung nach rechtsfehlerhaft entschieden und sollte sein Urteil in diesem Punkt aufgehoben werden.
E - Zusammenfassung der Vorschläge
192 Aus den erörterten Gründen (Nummern 173 bis 181 dieser Schlußanträge) bin ich der Auffassung, daß die CMB und Dafra gemäß Artikel 6 der Entscheidung auferlegten Geldbußen für nichtig erklärt werden sollten, da das Gericht die Rüge, daß die Kommission den Anspruch der Rechtsmittelführerinnen auf rechtliches Gehör in Zusammenhang mit der Verhängung dieser Geldbußen verletzt habe, zu Unrecht zurückgewiesen hat. Obwohl ich alle anderen Rügen in bezug auf diese Geldbußen zurückweisen würde, bin ich der Überzeugung, daß das Gericht außerdem rechtsfehlerhaft die Höhe des Zinssatzes nach Artikel 7 der Entscheidung bei verspäteter Zahlung der verhängten Geldbußen bestätigt hat.
VII - Die EMRK
193 Die Rechtsmittelführerinnen machen außerdem mit zwei selbständigen Rechtsmittelgründen geltend, daß die "zahlreichen Schwankungen und Änderungen in den Beschuldigungen" gegen sie, die, wie sie meinen, sowohl dem Gericht als auch der Kommission anzulasten sind, sowie der Rückgriff des Gerichts auf das, was sie als neue Mißbräuche bezeichnen, darauf zurückzuführen seien, daß das Gericht die in den Artikeln 6 Absatz 3 und 7 Absatz 1 der EMRK anerkannten Grundsätze verkannt habe(127).
194 Aus den in den Abschnitten V und VI dargelegten Gründen, mit denen die einzelnen von den Rechtsmittelführerinnen behaupteten Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör verneint wurden, bin ich nicht der Meinung, daß - abgesehen von der Unterlassung der Kommission, ihre Absicht mitzuteilen, gegen die Cewal-Mitglieder Geldbußen zu verhängen - Kommission oder Gericht die - wohl auch nach meinem Verständnis sowohl den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts als auch Artikel 6 Absatz 3 der EMRK zu entnehmende - Verpflichtung verletzt haben, daß eine Person, der ein Verhalten vorgeworfen wird, das zwar nicht strafrechtlich relevant ist, sie aber möglicherweise Geldbußen aussetzt, eindeutig über die Natur der gegen sie erhobenen Anschuldigung(en) aufgeklärt werden muß.
195 Was den Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege angeht, stehe ich aus den in Abschnitt VI dieser Schlußanträge angeführten Gründen für die Zurückweisung der zahlreichen Darlegungen der Rechtsmittelführerinnen, daß die Mißbräuchlichkeit ihres Verhaltens neu und daher vernünftigerweise von ihnen nicht vorauszusehen gewesen sei, auf dem Standpunkt, daß kein Verstoß des Gerichts gegen diesen Grundsatz und somit gegen Artikel 7 Absatz 1 der EMRK vorliegt.
VIII - Kosten
196 Da die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall meines Erachtens mit all ihren Darlegungen zur Unrichtigkeit der Bestätigung der Entscheidung durch das Urteil des Gerichts als auch mit den meisten Rügen bezüglich der Geldbußen unterlegen sind, möchte ich sie für die Zwecke der Artikel 69 und 122 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes als unterliegende Partei behandeln und daher dem Gerichtshof vorschlagen, ihnen sowohl die Kosten der Rechtsmittelgegnerin als auch die der Streithelfer aufzuerlegen.
IX - Ergebnis
197 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor,
- das Urteils des Gerichts erster Instanz insoweit aufzuheben, als es die gegen die Rechtsmittelführerinnen festgesetzten Geldbußen sowie den ergänzenden Satz für die Verzugszinsen bestätigt;
- die Artikel 6 und 7 der Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/32.448 und IV/32.450: Cewal) für nichtig zu erklären, soweit sie die Rechtsmittelführerinnen betreffen.
Ferner schlage ich dem Gerichtshof vor,
- das Rechtsmittel im übrigen zurückzuweisen;
- den Rechtsmittelführerinnen die Kosten der Rechtsmittelgegnerin und der Streithelfer Grimaldi und Cobelfret aufzuerlegen.
(1) - ABl. L 378, S. 4.
(2) - ABl. 1993, L 34, S. 20.
(3) - Jetzt Demokratische Republik Kongo.
(4) - Randnr. 1 der Entscheidung. Die Begründung umfaßt insgesamt 119 Randnummern, die ich im folgenden einfach als "Randnummern" der Entscheidung bezeichne.
(5) - Die Geldbuße gegen CMB wurde um 960 000 ECU, die übrigen Geldbußen wurden um 20 000 ECU im Falle von Dafra-Lines und Deutsche Afrika-Linien und um 10 000 ECU im Fall von Nedlloyd Lijnen herabgesetzt.
(6) - Vgl. Urteil in den Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93 (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201).
(7) - Im folgenden gelten alle Hinweise auf "die Artikel 85 und 86" den Artikeln 85 und 86 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
(8) - In Randnummer 14 der veröffentlichten Fassung der Entscheidung (zitiert in Fußnote 2) hat die Kommission gemäß Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung von 1986 bezüglich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen einige Zahlen bezüglich der Frachtanteile ausgelassen, die Cewal 1989 und 1991 ihrer eigenen Aussage nach innegehabt hat. In ihren Rechtsmittelschriften beziehen sich die Rechtsmittelführerinnen auf die nicht veröffentlichten Angaben, ohne sie in Zweifel zu ziehen.
(9) - Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß nach Artikel 1 der Entscheidung die Kommission festgestellt hat, daß die Vereinbarungen, die über die Aufteilung von Frachten zwischen Westafrika und Nordeuropa von drei Linienkonferenzen, nämlich Cewal, Cowac und Ukwal, getroffen wurden und mit denen diese den Frachtverkehr räumlich aufgeteilt hatten, gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstießen und nicht unter die Ausnahme nach Artikel 85 Absatz 3 oder nach Artikel 3 der Verordnung von 1986 fielen.
(10) - Randnr. 56 der Entscheidung.
(11) - Randnr. 62 der Entscheidung.
(12) - Bei fob-Verkäufen hat der Verkäufer nur die Kosten für die Verbringung der Waren an Bord eines Schiffes zu tragen.
(13) - Das sind Listen von Verladern, die, wenn auch nur gelegentlich, die alternativen Dienste von G & C in Anspruch nahmen, vgl. insbesondere Randnr. 29 und die zugehörige Fußnote 2 der Entscheidung.
(14) - Verordnung des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1963, Nr. 13, S. 204).
(15) - Artikel 1 Absatz 1.
(16) - Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72 (Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 25; nachstehend: Continental Can).
(17) - Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 39; nachstehend: Hoffmann-La Roche).
(18) - Bereits 1974 hat der Gerichtshof im ersten Urteil BRT (Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, Slg. 1974, 51, Randnr. 16) entschieden: "Da die in den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 enthaltenen Verbote ihrer Natur nach geeignet sind, in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen zu erzeugen, lassen sie unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben."
(19) - Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages.
(20) - Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Slg. 1989, 803, Randnr. 37; nachstehend: Ahmed Saeed).
(21) - A. a. O., Nr. 27 der Schlußanträge.
(22) - Vgl. den Leitartikel von Professor Arnull, (1998) 23 E.L.Rev., Juni 1998, S. 199.
(23) - Urteil vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 (SIV/Kommission, Slg. 1992, II-1403; nachstehend: Flachglas).
(24) - A. a. O., Randnr. 360.
(25) - Urteil vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 15/74 (Centrafarm, Slg. 1974, 1147, Randnr. 41). Im Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P (Viho/Kommission, Slg. 1996, I-5457) hat der Gerichtshof mit seinem Abstellen (Randnr. 16) nur auf die Frage, ob Tochtergesellschaften "ihr Vorgehen auf dem Markt ... wirklich autonom bestimmen können", implizit den in der Lehre bisweilen vertretenen Standpunkt abgelehnt, daß im Licht des Urteils Centrafarm beide in Randnummer 41 dieses Urteils genannten Kriterien erfuellt sein müßten, ehe mehrere Unternehmen als ein einheitliches Unternehmen betrachtet werden könnten.
(26) - Urteil vom 4. Mai 1988 in der Rechtssache 30/87 (Bodson, Slg. 1988, 2479).
(27) - A. a. O., Randnr. 20.
(28) - Urteil vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 377 und 378; nachstehend: Suiker Unie).
(29) - Urteil vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92 (Almelo u. a., Slg. 1994, I-1477, Randnrn. 41 und 42).
(30) - A. a. O., Randnr. 42. Dieses Kriterium wurde erneut herangezogen in den Urteilen vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94 (Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883, Randnr. 33) und vom 17. Oktober 1995 in den Rechtssachen C-140/94 bis C-142/94 (DIP u. a., Slg. 1995, I-3257, Randnr. 26; nachstehend: DIP).
(31) - Vgl. Randnrn. 34 bzw. 27 dieser Urteile. Wie ich in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache DIP (Nr. 65) bereits ausführen konnte, deutete nichts in dem Vorbringen vor dem Gerichtshof darauf hin, daß einige oder alle der ansässigen Händler, die angeblich eine kollektive beherrschende Stellung innehatten, "auf ihren jeweiligen Märkten so handeln oder solche besonderen geschäftlichen Eigenschaften besitzen, daß sie gegenüber ihren Lieferanten, Wettbewerbern oder Kunden in der Lage sind, tatsächlich als eine einzige Wirtschaftseinheit aufzutreten".
(32) - Urteil vom 31. März 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-68/94 und C-30/95 (Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375).
(33) - A. a. O., Randnr. 221 (Hervorhebung von mir). [Restliche Fußnote betrifft nur englische Originalfassung der Schlußanträge.]
(34) - Randnr. 232.
(35) - Urteil Flachglas (zitiert in Fußnote 23, Randnr. 358).
(36) - Zitiert in Fußnote 32.
(37) - A. a. O., Nrn. 117 und 118 seiner Schlußanträge.
(38) - Hier wird in der Entscheidung das Urteil Flachglas zitiert.
(39) - Randnr. 60 der Entscheidung.
(40) - Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84 (Remia/Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 26). Vgl. die Erörterung in meinen Schlußanträgen zum Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93 (Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723), Nrn. 107 bis 109.
(41) - Vgl. z. B. Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 14; nachstehend: Michelin), vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 19), vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 250/84 (Eridania u. a., Slg. 1986, 117, Randnr. 17) und vom 2. Februar 1988 in den Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Van der Kooy u. a., Slg. 1988, 219, Randnr. 71.
(42) - Urteil vom 13. März 1985 in den Rechtssachen 296/82 und 318/82 (Königreich der Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnrn. 19 bis 26); vgl. vor allem Randnr. 24, in der der Gerichtshof in bezug auf die Pflicht nachzuweisen, daß die betreffende staatliche Beihilfe den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigte, festgestellt hat, daß die Entscheidung der Kommission in dieser Sache u. a. "nicht die geringste Aussage zur Situation des betroffenen Marktes ..." enthielt.
(43) - Urteil vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 24/62 (Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 143, 155).
(44) - Urteil Belgien/Kommission (zitiert in Fußnote 40, Randnr. 89). in gleichem Sinne meine Schlußanträge zu diesem Urteil (Nr. 109).
(45) - Urteil vom 28. Oktober 1981 in den verbundenen Rechtssachen 275/80 und 24/81 (Krupp/Kommission, Slg. 1981, 2489, insbesondere Randnr. 13).
(46) - Urteil vom 4. Juli 1996 in der Rechtssache C-50/94 (Griechenland/Kommission, Slg. 1996, I-3331, Randnr. 9)
(47) - Diese Sache dürfte daher nicht einmal zu der Kategorie gehören, die von Generalanwalt Léger in seinen Schlußanträgen zum Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P (BPB Industries und British Gypsum, Slg. 1995, I-865; nachstehend: British Gypsum) erörtert wurde, dessen Argumentation insoweit u. a. der Gerichtshof übernommen hat (vgl. Randnr. 11); sie betraf Fälle, in denen Begründungspunkte durch "Klarstellungen" der Kommission im schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter "bestätigt" werden. Der Generalanwalt meinte hierzu: "Einen Punkt $klarzustellen` setzt eindeutig voraus, daß dieser Punkt in der Entscheidung enthalten ist, und genau dies ist hier der Fall" (Nr. 24 der Schlußanträge).
(48) - Das Wort "requesting" (= darauf dringend) ist tatsächlich infolge eines Versehens in der veröffentlichten englischen Fassung des Artikels 2 weggelassen worden. Den anderen veröffentlichten maßgebenden Fassungen ist jedoch klar zu entnehmen, daß die englische Fassung so gelesen werden muß, als wäre dieses Wort vorhanden. Außerdem ist in der den Rechtsmittelführerinnen zugestellten englischen Fassung der Entscheidung (vgl. Kommissionsdokument C[92] 3253 final vom 23. Dezember 1992), die ihren dem Gericht eingereichten Schriftsätzen beigefügt war, das Wort "requesting" vorhanden.
(49) - Sie bezieht sich hierbei auf das Urteil Hoffmann-La Roche.
(50) - Zitiert in Fußnote 26.
(51) - Randnr. 106, dort Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91 (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 114).
(52) - Randnr. 107, dort Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89 (BPB Industries and British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, Randnr. 69).
(53) - Ein weiterer Grundsatz des Rechts der Vereinigten Staaten zum Schutz der bloßen Informierung staatlicher Behörden mit der Absicht der Einflußnahme auf Legislative oder Exekutive.
(54) - Urteile Hoffmann-La Roche (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 120) und Michelin (zitiert in Fußnote 41, Randnr. 57).
(55) - Urteil Hoffmann-La Roche (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 39).
(56) - Urteil vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnr. 24; nachstehend: Tetra Pak II).
(57) - Die Rechtsmittelführerinnen zitieren z. B. das Urteil American Banana v United Fruit 213 US 347, 358 (1909) sowie das Urteil des Federal Court of California in der Sache Occidental Petroleum Corp. v Buttes Gas & Oil Co 331 F Supp. 92, 109-13 (C.D.CAL 1971), bestätigt per curiam, 461 F.2d 1261 (9th CIR), certiorari versagt, 409 US 950 (1972).
(58) - Vgl. u. a. Urteile vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 17; nachstehend: Télémarketing) und vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-266/96 (Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Randnr. 40).
(59) - Urteil Télémarketing (zitiert in Fußnote 58, Randnr. 17).
(60) - Verordnung (EWG) Nr. 954/79 des Rates vom 15. Mai 1979 über die Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen durch die Mitgliedstaaten oder über den Beitritt der Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (ABl. L 121, S. 1).
(61) - Urteil Télémarketing (zitiert in Fußnote 58, Randnr. 17). Die Rechtsmittelführerinnen berufen sich ferner auf das Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409).
(62) - In der französischsprachigen Originalfassung lautet diese Beschreibung "fixation des prix prédatoires en vue d'éliminer un concurrent du marché".
(63) - In der französischsprachigen Originalfassung lautet diese Beschreibung "un partage des pertes liées à l'opération".
(64) - In der Entscheidung wird das Urteil vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86 (AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359; nachstehend: AKZO) zitiert.
(65) - Die Rechtsmittelführerinnen beziehen sich u. a. auf das Urteil vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-166/95 P (Kommission/Daffix, Slg. 1997, I-983).
(66) - Urteil Kommission/Daffix (zitiert in Fußnote 65, Randnr. 24).
(67) - A. a. O., Randnr. 25.
(68) - Vgl. Randnummer 139 des angefochtenen Urteils.
(69) - Das Gericht verweist hier auf sein eigenes Urteil British Gypsum (zitiert in Fußnote 47).
(70) - Sie verweisen auf Urteile vom 5. Dezember 1963 in den Rechtssachen 23/63, 24/63 und 52/63 (Usines Émile Henricot u. a./Hohe Behörde, Slg. 1963, 467) und Suiker Unie (zitiert in Fußnote 28, Randnrn. 203, 482 und 541).
(71) - Siehe Randnummer 82 der Entscheidung.
(72) - Zitiert in Fußnote 17, Randnr. 91.
(73) - Entscheidung 85/609/EWG der Kommission vom 14. Dezember 1985 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/30.698 - ECS/AKZO) (ABl. L 374, S. 1).
(74) - Vgl. Randnr. 77 der Entscheidung 85/609/EWG und Urteil AKZO, Randnr. 64.
(75) - Vgl. Randnr. 79 der Entscheidung 85/609/EWG und Urteil AKZO, Randnr. 64.
(76) - Vgl. Randnr. 80 der Entscheidung 85/609/EWG und Urteil AKZO, Randnr. 65.
(77) - Urteil AKZO, Randnr. 70.
(78) - Urteil AKZO, Randnrn. 102 und 115.
(79) - Urteil AKZO, Randnr. 156.
(80) - Urteil AKZO, Randnr. 155.
(81) - Urteil Tetra Pak II (zitiert in Fußnote 56).
(82) - Brooke Group v Brown & Williamson Tobacco 509. US 209 (1993).
(83) - Urteil Tetra Pak II (zitiert in Fußnote 56, Randnr. 39).
(84) - Urteil Tetra Pak II (zitiert in Fußnote 56, Randnr. 44, Hervorhebung von mir). Der Gerichtshof ist anscheinend nicht so weit gegangen wie Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer, der es (in Nr. 78 seiner Schlußanträge) nicht für angebracht hielt, "daß der Gerichtshof die Aussicht auf Wiedereinbringung der Verluste als weitere Voraussetzung für das Vorliegen von mit Artikel 86 unvereinbaren Verdrängungspreisen einführt", und zwar u. a. deshalb, weil "[d]ie Wiedereinbringung der Verluste ... das vom beherrschenden Unternehmen angestrebte Ergebnis [ist], aber die Verdrängungspreise ... für sich allein eine wettbewerbsfeindliche Praktik dar[stellen], unabhängig davon, ob sie ihr Ziel erreichen oder nicht".
(85) - Nummer 73 der Schlußanträge (Hervorhebung von mir).
(86) - Urteil Ahmed Saeed (zitiert in Fußnote 20, Randnr. 43, Hervorhebung von mir).
(87) - A. a. O., Randnr. 43. Im Urteil Ahmed Saeed konnte sich der Gerichtshof indessen insoweit auf die Richtlinie 87/601/EWG des Rates vom 14. Dezember 1987 über Tarife im Fluglinienverkehr zwischen Mitgliedstaaten stützen (ABl. L 374, S. 12). Vergleichbare Rechtsvorschriften für Konferenzfrachten im internationalen Seefrachtverkehr gibt es nicht.
(88) - Urteil Continental Can (zitiert in Fußnote 16, Randnr. 26).
(89) - A. a. O.
(90) - Urteil Tetra Pak II (zitiert in Fußnote 56, Randnr. 24).
(91) - In der Wissenschaft wird das Unter-Kosten-Erfordernis bei Vernichtungspreisen ausgiebig erörtert; eine recht übergreifende Zusammenfassung bei Mastromanolis, "Predatory Pricing Strategies in the European Union: A Case for Legal Reform", [1998] E.C.L.R. 211, insbesondere S. 216 bis S. 218. So äußerten z. B. Areeda und Turner "Predatory Pricing and Related Practices under Section 2 of the Sherman Act", [1975] Harv. L. Rev. S. 697, in einem Aufsatz, der breite wissenschaftliche Diskussion ausgelöst und die Entwicklung der Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten beeinflußt hat, die Auffassung, daß "[V]erdrängung durch Fordern von Preisen in Höhe der Durchschnittskosten ebenfalls Leistungswettbewerb [ist] - nur die Wettbewerber werden verdrängt, die bei wettbewerbswirksamen Preisen nicht überleben können" (S. 706). Diese Auffassung wurde unlängst erneut vertreten in Areeda und Hovenkamp, Antitrust Law, Band III, § 748: "Selbst starke Preisabschläge sind, wenn sie nicht zu Vernichtungspreisen führen, zunächst einmal nicht gesetzwidrig" (S. 462). Vgl. insbesondere Scherer, "Predatory Pricing and the Sherman Act: A comment", [1976] 89 Harv. L. Rev. S. 868, der meinte, "... Über-Kosten-Preise, die zu niedrig sind, als daß kleine Wettbewerber auf dem Markt vordringen und dabei Skalenerträge erzielen könnten, [sollten] als potentiell verdrängend beurteilt werden." Im Vereinigten Königreich hat der Ausschuß für Monopole und Fusionen (Monopoly and Mergers Commission) die Auffassung vertreten, daß, sollte ein beherrschendes Unternehmen in der Lage sein, "... den Marktzugang von Neuankömmlingen und den damit verbundenen Preiswettbewerb mit verhältnismäßig niedrigen Eigenkosten infolge selektiver Preisabschläge unter Kontrolle zu bringen", dies belege, wie "... ausgeprägt selektive Preisabschläge von etablierten Unternehmen verwendet werden können, um ihre beherrschende Stellung aufrechtzuerhalten"); nach seiner Meinung könne dieses Verhalten wie ein gegen das Gemeininteresse verstoßendes "Marktzugangshindernis" (barrier to entry) wirken; vgl. Report of the Monopolies and Mergers Commission on the Supply of Concrete and Roofing Tiles (1981-1982) H.C., Abschnitt 10.57.
(92) - Korah, An Introductory Guide to EC Competition Law and Practice, London 1994, 5. Aufl., S. 106, warnt gegen die Verwendung von Wettbewerbsregeln, "... um kleinere und mittlere Unternehmen auf Kosten effektiver oder größerer Unternehmen zu schützen".
(93) - Vgl. hierzu die Erörterung der Gefahren selektiver Preisabschläge bei Andrews, "Is Meeting Competition a Defence to Predatory Pricing? - The Irish Sugar Decision Suggests a New Approach", (1998) E.C.L.R. 49.
(94) - Temple Lang, "European Community Antitrust Law: Innovation Markets and High Technology Industries", in: (1996) Fordham Corporate Law Institute, 519, hat darauf hingewiesen, daß "... beherrschende Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen veräußern, deren variable Kosten nahezu Null betragen, was bei High-Tech-Industrien verhältnismäßig häufig vorkommt, würden, wenn man die AKZO-Kriterien nicht ergänzt, viel Spielraum für die Verdrängung von Wettbewerbern vom Markt mit Mitteln haben, die normalerweise als auf Vernichtung gerichtet gelten würden" (S. 575, Fußnote 117). Er schlägt folgenden Test vor: "Für Industrien, bei denen die Grenzkosten zusätzlicher Produktion annähernd Null sind, sollte als Test geprüft werden, ob ein Unternehmen für Waren oder Dienstleistungen einen Preis verlangt, der, obzwar höher als die durchschnittlichen variablen Kosten für die Leistung gerade der Waren oder Dienstleistungen, für die dieser Preis bezahlt wird, doch so niedrig ist, daß seine Gesamteinnahmen für diese Waren oder Dienstleistungen insgesamt niedriger als die durchschnittlichen variablen Kosten für ihre Lieferung wären, wenn es denselben Anteil seines Outputs zum gleichen Preis auf Dauer verkaufen würde, selbst wenn keine Absicht der Verdrängung eines Wettbewerbers nachweisbar wäre."
(95) - Vgl. etwa Rakovsky, "Sea Transport under EEC Competition Law", (1992) Fordham Corporate Law Institute, 845, 847, und Pirrong, "An Application of Core Theory to the Analysis of Ocean Shipping Markets", (1992), 35, J. Law & Economy, 89, 107.
(96) - Randnummer 148 des angefochtenen Urteils.
(97) - Randnr. 173.
(98) - Randnr. 183.
(99) - Randnr. 184.
(100) - Randnr. 185.
(101) - Randnr. 186.
(102) - Hierzu betonte der Vertreter der Kommission in der Sitzung, daß für sie die Rücknahme einer Gruppenfreistellung "ultima ratio" und die Verhängung einer Geldbuße weniger belastend sei.
(103) - In den Verhandlungen sowohl vor dem Gericht als auch vor dem Gerichtshof wurde trotz des Hinweises der Kommission auf die "gruppenweise Freistellung durch Artikel 6 [der Verordnung von 1986]" davon ausgegangen, daß, soweit es um die Befugnisse der Kommission nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung geht, keine Unterscheidung zwischen einer Freistellung nach Artikel 3 und einer nach Artikel 6 getroffen werden sollte.
(104) - Urteil Ahmed Saeed (zitiert in Fußnote 20, Randnr. 32).
(105) - Zitiert in Fußnote 47.
(106) - Vgl. Nummer 67 der Schlußanträge von Generalanwalt Léger, dessen Argumentation in dieser Hinsicht u. a. vom Gerichtshof ausdrücklich in Randnummer 11 seines Urteils gebilligt wurde. Der Generalanwalt stützte seine Ansicht auf Randnummer 25 des Urteils des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-51/89 (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990, II-309; nachstehend: Tetra Pak I).
(107) - Urteil vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73 (Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359).
(108) - A. a. O., Randnr. 32. Diese Auffassung wurde in der Folge vom Gerichtshof im Urteil vom 30. April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209/84 bis 213/84 (Asjes u. a., Slg. 1986, 1425; nachstehend: Nouvelles Frontières) bestätigt; vgl. insbesondere Randnr. 42.
(109) - Urteil Nouvelles Frontières (zitiert in Fußnote 108, Randnr. 45).
(110) - Urteil Ahmed Saeed (zitiert in Fußnote 20, Randnr. 33).
(111) - ABl. L 319, S. 1.
(112) - Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg., 1997, I-4411, Randnr. 31; nachstehend: Ferriere Nord).
(113) - A. a. O.
(114) - CMB weist in ihrer Rechtsmittelschrift darauf hin, daß die gegen sie verhängte Geldbuße deshalb nicht 95 % des Gesamtbetrages hätte ausmachen können.
(115) - Die Rechtsmittelführerinnen führen u. a. die Urteile vom 23. Februar 1994 in den verbundenen Rechtssachen T-39/92 und T-40/92 (CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49) und vom 28. April 1994 in der Rechtssache T-38/92 (AWS Benelux/Kommission, Slg. 1994, II-211) an.
(116) - Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 und 103/80 (Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 14).
(117) - A. a. O., Randnr. 10.
(118) - Vgl. hierzu Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung von 1986.
(119) - Vgl. z. B. Urteil vom 3. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82 (IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnr. 20).
(120) - Vgl. Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung von 1986 und z. B. Urteil vom 22. Oktober 1997 in den verbundenen Rechtssachen T-213/95 und T-18/96 (SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnrn. 253 und 254). Vgl. hierzu auch die kürzlich veröffentlichte Mitteilung der Kommission "Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden", ABl. 1998, C 9, S. 3 (insbesondere Unterabsatz 5 Buchstabe c).
(121) - Im Urteil IAZ/Kommission (zitiert in Fußnote 119) hat der Gerichtshof entschieden, daß gegen einen gemeinnützigen Verband (ANSEAU), dem 31 Wasserversorgungsunternehmen angeschlossen waren und der "für die Wahrung der gemeinsamen Interessen dieser Unternehmen" zu sorgen hatte (Slg. 1983, 3369, 3374), eine Geldbuße wegen Empfehlungen verhängt werden dürfe, die sicherstellen sollten, daß die Mitgliedsunternehmen nur "genehmigte" Waschmaschinen an das Wassernetz anschließen. Die Hauptbuße wurde in der Tat gegen den Verband verhängt. In der Rechtssache 246/86 (Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117) wurden gegen Belasco, eine Vereinigung belgischer Dachbahnenhersteller, und sieben ihrer Mitgliedsunternehmen Geldbußen wegen Durchführung einer Vereinbarung über Preislisten und Verkaufsbedingungen verhängt. Die Geldbuße gegen Belasco betrug auf der Grundlage ihres Jahresumsatzes 15 000 ECU; vgl. Randnrn. 65 und 66 des Urteils.
(122) - Urteil AWS Benelux/Kommission (zitiert in Fußnote 115, Randnr. 27).
(123) - Zitiert in Fußnote 112.
(124) - Für dieses Ergebnis möchte ich das Urteil Tetra Pak II (zitiert in Fußnote 56) als besondere Stütze anführen. Es betraf die Anwendung von Artikel 86 auf Mißbräuche eines beherrschenden Unternehmens auf einem benachbarten Markt, auf dem es eine führende, wenn auch keine beherrschende Stellung innehatte. Tetra Pak meinte, die Neuigkeit dieser Anwendung sei ein mildernder Umstand. Der Gerichtshof hat indessen die Zurückweisung dieses Vorbringens durch das Gericht gebilligt, da dieses sein Urteil zu Recht darauf gestützt hatte, daß Tetra Pak "... nicht im unklaren darüber sein [konnte], daß die betreffenden Verhaltensweisen gegen die Vorschriften des Vertrages verstießen", sowie auf die "Offensichtlichkeit und [die besondere] Schwere der sich aus den fraglichen Mißbräuchen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen"; Urteil Tetra Pak II, Randnr. 48.
(125) - Entscheidung 89/93/EWG der Kommission vom 7. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag (IV/31.906, Flachglas) (ABl. 1989, L 33, S. 44).
(126) - Im Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 141) hat der Gerichtshof das Vorbringen der Klägerin, "eine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen finde im Gemeinschaftsrecht keine Grundlage", zurückgewiesen und diese Zinsen als notwendig erachtet, um "... die Erhebung von offensichtlich unbegründeten Klagen [zu vermeiden], deren ausschließliches Ziel darin bestuende, die Zahlung der Geldbuße zu verzögern". Vgl. auch Urteil CB und Europay/Kommission (zitiert in Fußnote 115, Randnrn. 48 und 49).
(127) - Artikel 6 Absatz 3 bestimmt, soweit hier von Belang, daß "jede angeklagte Person mindestens ..." das Recht hat, "innerhalb möglichst kurzer Frist ... über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden", während nach Artikel 7 Absatz 1 "[n]iemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden [darf], die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war".