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Documento 61995CC0185

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 3. Februar 1998.
    Baustahlgewebe GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Rechtsmittel - Zulässigkeit - Dauer des Verfahrens - Beweisaufnahme - Akteneinsicht - Wettbewerb - Kartelle - Geldbußen.
    Rechtssache C-185/95 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 I-08417

    Identificatore ECLI: ECLI:EU:C:1998:37

    61995C0185

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 3. Februar 1998. - Baustahlgewebe GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Zulässigkeit - Dauer des Verfahrens - Beweisaufnahme - Akteneinsicht - Wettbewerb - Kartelle - Geldbußen. - Rechtssache C-185/95 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-08417


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt die Baustahlgewebe GmbH, eine Gesellschaft deutschen Rechts (im folgenden: BStG oder Rechtsmittelführerin), die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 6. April 1995, Baustahlgewebe/Kommission(1) (im folgenden: angefochtenes Urteil oder Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag(2) (im folgenden: streitige Entscheidung oder Entscheidung) teilweise abgewiesen und die Höhe der verhängten Geldbusse auf 3 Mio. ECU festgesetzt hat.

    I - Sachverhalt und Verfahren

    2 Die Entscheidung betrifft Betonstahlmatten. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Bewehrungen aus glatten oder gerippten kaltgezogenen Stahldrähten, die durch rechteckiges Punktschweissen zu einem Netz verbunden werden. Dieses Erzeugnis wird in fast allen Anwendungsgebieten des bewehrten Stahlbetonbaus eingesetzt.

    3 Der streitigen Entscheidung zufolge gibt es verschiedene Typen von Betonstahlmatten:

    - Lager- oder Standardmatten,

    - Listenmatten,

    - Zeichnungsmatten(3).

    4 In den Randnummern 2 und 3 des Urteils hat das Gericht den Sachverhalt wie folgt geschildert:

    "2 Von 1980 an soll es in diesem Sektor auf dem deutschen, dem französischen und dem Benelux-Markt zu einer Reihe von Absprachen und Praktiken gekommen sein, die zu der Entscheidung führten.

    3 Für den deutschen Markt erteilte das Bundeskartellamt am 31. Mai 1983 die Erlaubnis zur Bildung eines Strukturkrisenkartells der deutschen Betonstahlmattenhersteller, die nach einmaliger Verlängerung im Jahr 1988 ablief. Das Kartell bezweckte einen Kapazitätsabbau und sah ausserdem Lieferquoten und eine Preisregelung vor, die allerdings nur für die ersten beiden Jahre der Anwendung des Kartellvertrags genehmigt wurde (vgl. Punkte 126 und 127 der Entscheidung)."

    5 Mit der streitigen Entscheidung setzte die Kommission gegen vierzehn Hersteller von Betonstahlmatten eine Geldbusse fest, weil sie nach Artikel 1 der Entscheidung "... gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen [haben], indem sie sich in dem Zeitraum vom 27. Mai 1980 bis zum 5. November 1985 in einem oder mehreren Fällen an einer oder mehreren Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen (Absprachen) beteiligten, die in der Festsetzung von Verkaufspreisen, der Einschränkung des Absatzes, der Aufteilung der Märkte sowie in Maßnahmen zur Anwendung dieser Absprachen und zu deren Kontrolle bestanden".

    6 Bezueglich des Sachverhalts ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, daß der Rechtsmittelführerin in der streitigen Entscheidung insbesondere vorgeworfen wird:

    Zum deutschen Markt

    - "[Sie] habe sich an Absprachen mit dem französischen Unternehmen Tréfilunion über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich beteiligt. Diese Absprachen seien am 7. Juni 1985 während eines Gesprächs zwischen Herrn Michäl Müller(4) und Herrn Marie, Direktor bei der Tréfilunion, getroffen worden ..." Das Gericht fährt fort: "In der Entscheidung wird ausgeführt ..., daß die während dieses Treffens gegenseitig gemachten Zugeständnisse auch eingehalten worden seien, was sich aus der Tatsache ergebe, daß weder Tréfilunion oder die anderen französischen Hersteller Beschwerde bei der Kommission gegen das deutsche Strukturkrisenkartell geführt hätten, noch das Werk Gelsenkirchen (Deutschland) der Klägerin Exporte von Listenmatten nach Frankreich aufgenommen habe", und "... jede zukünftige Exporttätigkeit [sollte] mit einer bestimmten Lieferquote verknüpft werden"(5);

    - "... im Rahmen der Absprachen zum Schutz des deutschen Strukturkrisenkartells gegen unkontrollierte Einfuhren von Betonstahlmatten ... habe [sie] sich an einer Absprache mit Sotralentz über die Kontingentierung der Ausfuhren dieses Unternehmens nach Deutschland beteiligt"(6);

    - "sie habe sich an Absprachen über den deutschen Markt beteiligt, die zum einen eine Regulierung der Ausfuhren von Benelux-Herstellern nach Deutschland und zum anderen die Respektierung der auf dem deutschen Markt geltenden Preise bezweckt hätten"(7);

    - sie habe, um "ausländische Importe nach Deutschland einzuschränken oder zu regulieren", am 24. November 1976 und am und 22. März 1982 zwei Lieferverträge mit der Bouwstaal Rörmond BV (später Tréfilarbed Bouwstaal Rörmond) und der Arbed SA Afdeling Nederland geschlossen. "In diesen Verträgen habe BStG den ausschließlichen Vertrieb einer bestimmten jährlichen Menge von Betonstahlmatten aus dem Werk Rörmond in Deutschland zu einem nach bestimmten Kriterien festzusetzenden Preis übernommen. Bouwstaal Rörmond und Arbed SA Afdeling Nederland hätten sich verpflichtet, während der Dauer dieser Verträge weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen."(8) "In der Entscheidung ... wird festgestellt, daß diese Alleinvertriebsverträge nicht die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 67/67/EWG der Kommission vom 22. März 1967 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. 1967, Nr. 57, S. 849) erfuellt hätten, zumindest seit dem Bestehen der Absprachen über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Benelux. Seit diesem Zeitpunkt seien diese Vereinbarungen als Teil einer globalen Marktaufteilungsabsprache zu betrachten ..."(9);

    - "sie habe sich an einer Absprache mit Tréfilarbed über die Abstellung der Reimporte von Betonstahlmatten des Werkes St. Ingbert über Luxemburg nach Deutschland beteiligt"(10).

    Zum Benelux-Markt

    - "[Sie] habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern, die nach Benelux exportierten, und den übrigen Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt über die Respektierung der festgesetzten Preise für den Benelux-Markt beteiligt. Diese Absprachen seien in Sitzungen getroffen worden, die zwischen August 1982 und November 1985 in Breda und Bunnik stattgefunden hätten ..."(11). "In der Entscheidung wird der Klägerin ausserdem vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern und Benelux-Herstellern ($Gesprächskreis von Breda`) beteiligt, die die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf die deutschen Ausfuhren nach Belgien und in die Niederlande sowie die Übermittlung der Exportzahlen bestimmter deutscher Hersteller an die belgisch-niederländische Gruppe vorgesehen hätten"(12).

    7 Die von der Kommission gegen BStG festgesetzte Geldbusse belief sich auf 4,5 Mio. ECU.

    8 Am 20. Oktober 1989 erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Mit Beschlüssen vom 15. November 1989 verwies der Gerichtshof diese Rechtssache und zehn andere, mit ihr in Zusammenhang stehende Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften(13) an das Gericht.

    9 BStG beantragte die Nichtigerklärung der sie betreffenden Bestimmungen der Entscheidung, hilfsweise die Herabsetzung der Geldbusse auf eine angemessene Summe, und die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten des Verfahrens. Ausserdem beantragte BStG die Genehmigung der Einsichtnahme in eine Reihe von Unterlagen bezueglich des Verfahrens vor der Kommission sowie in Dokumente betreffend die Beziehungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und den Vertretern der deutschen Kartellgemeinschaft hinsichtlich des Strukturkrisenkartells.

    10 Die Kommission beantragte, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    11 Die Rechtsmittelführerin stützte ihre Klage auf drei Klagegründe: Verletzung der Verteidigungsrechte, Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages und Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates(14).

    II - Das angefochtene Urteil

    12 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht Artikel 1 der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt, "... soweit darin die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache mit Sotralentz SA, die die Kontingentierung der Ausfuhren von Sotralentz SA auf den deutschen Markt bezweckte, und das Bestehen einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und Tréfilunion SA, die die Verknüpfung ihrer zukünftigen Exporte mit der Festsetzung von Quoten bezweckte, festgestellt werden". Demzufolge hat das Gericht die Höhe der Geldbusse von 4,5 Mio. ECU auf 3 Mio. ECU herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen.

    III - Das Rechtsmittel

    13 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt BStG zum einen, das Urteil des Gerichts aufzuheben, soweit es eine Geldbusse in Höhe von 3 Mio. ECU festsetzt, ihre Klage abweist und sie zur Tragung eines Teils der Kosten verurteilt, sowie zum anderen, die Artikel 1, 2 und 3 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Rechtsmittelführerin betreffen und soweit sie nicht schon durch dieses Urteil für nichtig erklärt worden sind.

    14 Hilfsweise beantragt BStG, die Geldbusse auf eine angemessene Summe herabzusetzen. Ausserdem beantragt sie, der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen(15).

    15 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    16 Zur Begründung ihres Rechtsmittels rügt BStG im wesentlichen, das Gericht habe

    - durch die überlange Verfahrensdauer ihren Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb "angemessener Zeit" verletzt;

    - gegen den sogenannten Grundsatz der "Mündlichkeit" verstossen, weil das Urteil erst 22 Monate nach Abschluß der mündlichen Verhandlung ergangen sei;

    - die anerkannten Grundsätze des Beweisverfahrens verkannt;

    - die Präklusionsvorschriften der Verfahrensordnung falsch angewandt;

    - ihren Antrag auf Einsichtnahme in die Akten der Kommission zurückgewiesen;

    - Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages falsch angewandt;

    - gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 über die Festsetzung von Geldbussen verstossen(16).

    17 Ich werde in dieser Reihenfolge einen Rechtsmittelgrund nach dem anderen prüfen, wobei die Bedeutung des ersten Grundes eine eingehendere Betrachtung rechtfertigt.

    IV - Prüfung der Rechtsmittelgründe

    A - Erster Rechtsmittelgrund: Nichteinhaltung einer "angemessenen Zeit"

    18 BStG trägt vor, die Zeit, die das Gericht gebraucht habe, um über ihre Klage zu entscheiden, sei überlang, so daß ein Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im folgenden: Konvention) vorliege. Der in dieser Vorschrift aufgestellte Grundsatz des "dü proceß" umfasse den Anspruch eines jeden darauf, daß seine Sache innerhalb einer "angemessenen Frist" gehört werde.

    19 Die Dauer des Verfahrens sei keineswegs auf die Umstände des Falles zurückzuführen, sondern müsse vielmehr dem Gericht angelastet werden. Eine solche Verzögerung stelle einen Verfahrensfehler dar, der die Aufhebung des Urteils und der streitigen Entscheidung sowie die Einstellung des Verfahrens rechtfertige. Hilfsweise macht die Rechtsmittelführerin geltend, daß die überlange Verfahrensdauer jedenfalls einen "Strafmilderungsgrund" darstelle.

    20 Die Kommission trägt vor, die Dauer des Verfahrens sei nicht überlang.

    21 Bevor der Gerichtshof die Dauer eines Verfahrens beurteilt, das als lang erscheinen kann, da zwischen Klageerhebung und Urteil des Gerichts nahezu fünfeinhalb Jahre verstrichen sind, von denen die Beratung fast 22 Monate beansprucht hat, muß er über die Zulässigkeit des von BStG erhobenen Rechtsmittelgrundes befinden und vor allem dessen Tragweite sorgfältig prüfen.

    22 Ich weiß, daß Sie mit den Bestimmungen der Konvention vertraut sind. Die Anträge von BStG sind auf Maßnahmen gerichtet, die der Gerichtshof bei der Ausübung seiner Befugnisse im Rechtsmittelverfahren gewöhnlich anordnet. Dagegen glaube ich, eine Schwierigkeit zu erkennen, wenn von der Befugnis des Gerichtshofes zur Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbusse Gebrauch gemacht wird, um die Anwendung von Artikel 6 der Konvention zu sichern.

    1. Zulässigkeit des Rechtsmittelgrundes

    a) Die geltend gemachte Rechtsnorm

    23 Eine der Fragen, die sich aus diesem Rechtsmittelgrund ergeben, bezieht sich auf Ihre Befugnis, über den ihm zugrunde liegenden Grundsatz zu entscheiden.

    24 Bezueglich der Grundsätze der Konvention hat der Gerichtshof noch vor kurzem darauf hingewiesen, daß "nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759, Randnr. 33) ... die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen [gehören], deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei lässt sich der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Insoweit kommt der Konvention besondere Bedeutung zu. Daraus folgt, wie der Gerichtshof ebenfalls festgestellt hat, daß in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind (vgl. u. a. Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 41)."(17)

    25 Mit Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union(18) ist die Bindung der Europäischen Union an die Konvention bekräftigt worden, so daß heute gesichert ist, daß es auch Aufgabe des Gerichtshofes ist, die Wahrung der in der Konvention anerkannten Rechte zu sichern.

    26 Aus Ihrer Rechtsprechung ergibt sich, daß die Konvention Grundsätze aufstellt, bezueglich deren Sie sich nicht darauf beschränken, unmittelbar zu gewährleisten, daß sie im Gemeinschaftsrecht nicht beeinträchtigt werden. Sie lassen sich von ihnen leiten, um Grundprinzipien zu entwickeln, die an der Spitze der Normenhierarchie auf diesem Gebiet stehen.

    27 Ausserdem ist zu bemerken, daß die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten zu einem bedeutenden Teil zur Ausarbeitung dieser Grundprinzipien beitragen.

    28 Wie die Verfassungsüberlieferungen kann die Konvention nicht nur für Grundrechte, sondern auch für andere allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts Anregungen geben(19).

    29 Bisher hat sich Ihre Rechtsprechung auf diesem Gebiet vor allem anläßlich von Rechtsstreitigkeiten entwickelt, in denen die Wahrung der Grundsätze der Konvention bei bestimmten gemeinschaftlichen Verwaltungsverfahren z. B. im Bereich des öffentlichen Dienstes(20) oder des Wettbewerbsrechts(21) oder bei der Auslegung von Gemeinschaftsbestimmungen im Licht dieser Grundsätze(22) in Frage gestellt wurde. Insbesondere Artikel 6 der Konvention fand in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen Anwendung(23).

    30 Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, sich zu vergewissern, ob ein Mitgliedstaat oder ein Gemeinschaftsorgan in einer beanstandeten Regelung den Grundsatz des "fairen Prozesses" gewahrt hat. Dieses Rechtsmittel betrifft die Frage, ob ein gerichtliches Verfahren vor dem Gericht erster Instanz mit dem Recht auf eine Entscheidung innerhalb einer "angemessenen Frist", das dem genannten Grundsatz unterfällt, vereinbar ist(24). Das Gericht ist nämlich wie die nationalen Gerichte oder die anderen Gemeinschaftsorgane den Grundsätzen der Konvention unterworfen.

    31 In Artikel 6 der Konvention ist das "Recht auf einen fairen Prozeß" verankert, das, soweit vorliegend von Belang, das Recht eines jeden darauf, "daß seine Sache ... innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird", umfasst; dieses Recht muß in Anspruch genommen werden können, wenn ein Gericht "über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage" zu entscheiden hat. Es ist unbestreitbar und wird von der Kommission auch nicht bestritten, daß der vorliegende Fall angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wie der Berichte der Europäischen Kommission für Menschenrechte in den "strafrechtlichen" Bereich fällt(25).

    32 Der Grundsatz, auf den sich BStG beruft, gehört somit zu denen, deren Wahrung zu sichern Aufgabe des Gerichtshofes ist.

    33 Der Vollständigkeit halber stelle ich klar, daß - auch wenn Sie dies noch nicht bestätigt haben(26) - meiner Meinung nach nicht bestreitbar ist, daß Artikel 6 auf juristische Personen anwendbar ist, da sich aus der Spruchpraxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte eindeutig ergibt, daß die Formel "jedermann" natürliche wie juristische Personen bezeichnet(27).

    34 Überdies unterscheiden sich juristische Personen nicht so stark von natürlichen Personen, daß für sie in dem Verfahren, an dem sie beteiligt sind, eingeschränkte Garantien im Hinblick auf die Erfordernisse einer zuegigen Rechtspflege bestehen müssten.

    35 Auch wenn Art und Umfang des Schadens, der aus der Dauer eines Verfahrens erwächst, je nachdem sehr unterschiedlich sein können, ob die verwirkte Strafe in einer Freiheitsstrafe oder einer Geldbusse besteht oder ob die Höhe der Geldbusse die Mittel des Betroffenen berührt, die zur Befriedigung seines Grundbedarfs bestimmt sind, kann eine überlange Dauer bis zum Erlaß des Urteils keinesfalls geduldet werden. Diesen Unterschieden ist meiner Meinung nach nur bei der Beurteilung der "Angemessenheit" der streitigen Zeitdauer Rechnung zu tragen. Ausserdem kommen sie in den Sanktionen oder Entschädigungsleistungen zum Ausdruck, die an dem festgestellten Verstoß ausgerichtet werden.

    36 Jedes Rechtssubjekt muß also innerhalb einer "angemessenen Frist" eine Entscheidung erhalten können.

    b) Natur des geltend gemachten Rechtsmittelgrundes

    37 Nach Artikel 168a EG-Vertrag "... [kann] ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof nach Maßgabe der Satzung eingelegt werden ..." Artikel 51 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes bestimmt: "Das beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel ist auf Rechtsfragen beschränkt. Es kann nur auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden."

    38 Die Beurteilung, ob eine bestimmte Zeitdauer überlang ist, könnte in mancher Hinsicht als eine Tatsachenfrage angesehen werden, die als solche nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fallen dürfte.

    39 Ich glaube dennoch, daß es sich um eine Rechtsfrage handelt, denn der Gerichtshof wird sich nicht darauf beschränken, eine Reihe von Tatsachen festzustellen. Er wird sie voneinander unterscheiden, indem er ihren jeweiligen Einfluß auf die Dauer des streitigen Zeitraums beurteilt, nachdem er sie entweder als Faktoren eingeteilt hat, die Unzulänglichkeiten im Funktionieren der Rechtspflege kennzeichnen können, oder ihnen den Charakter von Rechtfertigungsgründen zuerkannt hat, die den Umfang des verstrichenen Zeitraums rechtfertigen können. Indem der Gerichtshof die streitige Zeitdauer so für angemessen oder unangemessen befindet, nimmt er eine rechtliche Qualifizierung vor, aus der er Rechtsfolgen ableitet.

    40 Überdies ist der fragliche Zeitablauf dem Gericht selbst anzulasten, so daß von Ihnen nicht verlangt wird, eine von diesem vorgenommene Beurteilung oder rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts zu überprüfen und Ihre eigene Beurteilung oder Qualifizierung an deren Stelle zu setzen.

    41 Hinzu kommt jedenfalls, daß, wenn der Gerichtshof nicht verpflichtet wäre, die ordnungsgemässe Anwendung von Artikel 6 der Konvention durch das Gericht zu kontrollieren, dies faktisch auf die Annahme hinausliefe, daß das Gericht dieser Vorschrift nicht unterworfen ist.

    42 Auch aufgrund dieser Überlegung halte ich den Rechtsmittelgrund der überlangen Verfahrensdauer für zulässig.

    c) Beantragte Maßnahme

    43 Bezueglich der von der Rechtsmittelführerin für den Fall beantragten Maßnahme, daß ein Verstoß des Gerichts gegen Artikel 6 der Konvention festgestellt wird, stelle ich nur fest, daß sie grundsätzlich zu den traditionellen Befugnissen des Gerichtshofes gehört. Artikel 54 der Satzung sieht vor, daß der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts aufhebt. Nach dieser Vorschrift kann er sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

    44 Der Gerichtshof kann somit die gegen eine der Parteien festgesetzte Geldbusse herabsetzen oder gänzlich aufheben oder, wenn er nicht über die insoweit erforderlichen Sachverhaltsangaben verfügt, die Rechtssache zu diesem Zweck an das Gericht zurückverweisen.

    45 Dennoch stellt sich an dieser Stelle die Frage nach der Tragweite des von BStG erhobenen Rechtsmittelgrundes.

    2. Zur Tragweite des Rechtsmittelgrundes

    46 Zunächst liegt auf der Hand, daß, falls Sie der Auffassung sein sollten, daß die Zeit, die das Gericht bis zur Entscheidung über die Klage gebraucht hat, nicht "angemessen" im Sinne von Artikel 6 der Konvention ist, der Rechtsstreit nicht dahin gelöst werden kann, daß die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wird. Sie könnten nämlich nach Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht zulassen, daß zu der seit der Anrufung des Gerichts bereits verstrichenen Zeit noch die Zeit hinzukommt, die für eine neue Prüfung der Rechtssache erforderlich wäre. Die Abhilfe wäre genaugenommen schlimmer als das Übel.

    47 Ausserdem ist schwer zu erkennen, daß eine erneute Prüfung der Sache im Hinblick auf die Rüge der überlangen Verfahrensdauer zweckdienlich wäre. Sind Verfahrensfehler unterlaufen, die zur Aufhebung des mit Rechtsmittel angefochtenen Urteils führen, so wird die erneute Prüfung der Rechtssache durch den Zusammenhang gerechtfertigt, der zwischen dem Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften und dem Verfahren besteht. Wie wir gesehen haben, ist die Befugnis des Gerichtshofes nach Artikel 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes vom Vorliegen eines Fehlers abhängig, "durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden". Diese Verfahrensfehler verstossen zumeist gegen die Grundsätze, die den Schutz des einzelnen gewährleisten sollen. Unter diesen Umständen genügt ein neues Verfahren vor dem Erstgericht, bei dem die Verfahrensvorschriften diesmal eingehalten werden, zweifellos am besten den von den Parteien erhobenen Rügen.

    48 Wir haben aber söben gesehen, daß eine erneute Prüfung der Rechtssache, die durch die Aufhebung eines übermässig langen Verfahrens gerechtfertigt wäre, nicht etwa den Schaden beseitigen würde, da dieser in gewisser Weise endgültig eingetreten ist, sondern vielmehr geeignet wäre, ihn zu verschlimmern.

    49 Der Gerichtshof bleibt daher die einzige Instanz, die in zweckdienlicher Weise Konsequenzen aus dem Verstoß gegen Artikel 6 der Konvention durch das Gericht ziehen kann.

    50 Sollte der streitige Zeitraum mit den Erfordernissen der Konvention nicht in Einklang stehen, so wäre daher zu prüfen, ob dem Antrag von BStG auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbusse stattgegeben werden könnte.

    51 Vorab sind, worauf ich bereits hingewiesen habe, die Lösungen zu untersuchen, die in den nationalen Rechtsordnungen für vergleichbare Probleme entwickelt wurden, um festzustellen, ob eine gemeinsame Rechtstradition besteht, von der sich der Gerichtshof leiten lassen könnte.

    52 Auch wenn alle Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten das Recht auf eine Entscheidung innerhalb einer "angemessenen Frist" anerkennen, greifen sie im Fall des Verstosses gegen diesen Grundsatz nicht auf gleiche Lösungen zurück. Die Vorgehensweise der Strafgerichte ist nach Mitgliedstaaten unterschiedlich. Ausserdem handeln die Gerichte oft im Wege des Richterrechts, ohne sich dabei auf Verfassungs- oder manchmal auch nur auf Gesetzesvorschriften stützen zu können. In manchen Staaten wird das Strafverfahren für unzulässig erklärt (Bundesrepublik Deutschland, Königreich Belgien und Königreich der Niederlande) oder eingestellt (Königreich Belgien und Irland). Die Strafe kann auch gemildert (Bundesrepublik Deutschland, Königreich Belgien, Königreich Spanien, Republik Finnland, Großherzogtum Luxemburg, Königreich der Niederlande und Königreich Dänemark bei Freiheitsstrafen) oder ausgesetzt werden (Bundesrepublik Deutschland und Königreich Belgien). Im Königreich Spanien kann die verfolgte Person ein Gnadengesuch stellen, wenn der Grundsatz der "angemessenen Frist" nicht gewahrt wurde.

    53 In den meisten Mitgliedstaaten wirkt sich die Feststellung eines solchen Verstosses jedoch nicht auf die Gültigkeit der betreffenden Verfahren aus. Sie eröffnet nur die Möglichkeit einer Schadensersatzklage beim zuständigen Gericht.

    54 Die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs scheint somit die Lösung für die Fälle der Überschreitung der "angemessenen Frist" zu sein, die von den Mitgliedstaaten am ehesten geteilt wird.

    55 Der Weg, der darin besteht, aus der Überschreitung dieser Frist Konsequenzen für die Strafe oder die Strafverfolgung selbst zu ziehen, wird von den Mitgliedstaaten, die ihn beschreiten, nicht nur nicht in der gleichen Weise ausgestaltet, sondern er erscheint mir im übrigen nicht als eine geeignete Lösung.

    56 Auch wenn der erhobene Rechtsmittelgrund eine Rechtsfrage betrifft, gehört er meiner Ansicht nach nämlich nicht zu den Gründen, mit denen die von der Kommission verhängte Sanktion, wie sie vom Gericht zum Teil aufrechterhalten worden ist, in Frage gestellt werden kann.

    57 Soweit die verhängten Sanktionen auf gemeinschaftsrechtliche Gründe gestützt werden, beruht ihr Infragestellen in erster Linie auf einer Überprüfung dieser Gründe. Weil das Gericht das auf den Rechtsstreit anwendbare Recht falsch anwendet, sind Sie berechtigt, das Ihnen unterbreitete Urteil vollständig oder teilweise aufzuheben und somit die festgesetzte Geldbusse aufzuheben oder herabzusetzen(28). Die Auslegung des Rechts, die der Gerichtshof bei seiner gerichtlichen Nachprüfung vornimmt, wirkt sich in einer abweichenden Beurteilung des Grades der Verantwortlichkeit der betreffenden Partei aus und kann geeignet sein, die verhängte Sanktion in Frage zu stellen. Es besteht daher ein Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und der letztendlich verhängten Sanktion.

    58 Dies ist vorliegend nicht der Fall, da weder die Feststellung des BStG vorgeworfenen Sachverhalts noch die Beurteilung ihrer Verantwortlichkeit bei der Durchführung der Absprachen oder die Anwendung des einschlägigen Rechts durch die - auch noch so lange - Zeit beeinträchtigt werden, die das Gericht auf die Prüfung der streitigen Entscheidung verwendet hat.

    59 Ausserdem würde, da diese Rüge in keinem Zusammenhang mit einer unzutreffenden Auslegung des auf den Rechtsstreit anwendbaren Gemeinschaftsrechts steht, eine erneute Prüfung der Rechtssache dem Rechtsmittelgrund des Verstosses gegen die "angemessene Frist" in keiner Hinsicht genügen. Das Fehlen eines Zusammenhangs schließt es aus, daß Sie sich - in Ermangelung einer Vorschrift, die Sie ausdrücklich dazu ermächtigt - für befugt halten, sich auf den Verstoß gegen die "angemessene Frist" zu stützen, um durch Abänderung des angefochtenen Urteils die gegen BStG festgesetzte Geldbusse herabzusetzen oder aufzuheben. Meiner Ansicht nach wäre es schwierig, die Kriterien dafür festzulegen, ob die Geldbusse aufzuheben oder herabzusetzen wäre, oder die Kriterien, die im Fall der Herabsetzung für die Bestimmung des Umfangs erforderlich sind, es sei denn, daß auf Methoden der Schadensschätzung zurückgegriffen würde, um den Betrag des zugefügten Schadens von der Geldbusse in Abzug zu bringen.

    60 Eine solche Vorgehensweise würde jedoch auf zwei grössere Schwierigkeiten stossen. Da ihr der Ausgleichsgedanke zugrunde liegt, würde sie dazu verpflichten, von einer Strafe den Betrag einer Entschädigung abzuziehen. Es kann aber befremdlich erscheinen, wenn von einem Betrag, der in erster Linie anhand der Schwere eines Verhaltens festgesetzt worden ist, ein Betrag abgezogen wird, der nach einem Schaden bemessen wird. Diese Vorgehensweise verliehe dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren, das gegen eine Entscheidung, in der eine Sanktion ausgesprochen wird, gerichtet ist, eine doppelte Rechtsnatur. Vor allem kann der Gerichtshof nicht über einen Schaden befinden, ohne über die für dessen Bemessung erforderlichen Angaben zu verfügen, es sei denn, daß er die Wiedereröffnung der Verhandlung anordnet.

    61 Aufgrund all dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, daß der von BStG erhobene Rechtsmittelgrund nicht stichhaltig ist, und schlage Ihnen daher vor, ihn ohne weitere Prüfung zurückzuweisen.

    62 Jedoch halte ich es nicht für zulässig und noch nicht einmal für rechtlich vertretbar, festzustellen, daß Artikel 6 der Konvention eine Rechtsnorm aufstellt, deren Wahrung zu sichern der Gerichtshof zur Aufgabe hat, und ihm gleichzeitig vorzuschlagen, sich nicht zu dem auf diese Vorschrift gestützten Rechtsmittelgrund zu äussern, ohne - und sei es nur hilfsweise - spezielle Ausführungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten zu machen, die meiner Ansicht nach die Unzulänglichkeit der Vorschriften beheben können.

    3. Zur Haftungsklage als geeignetem Rechtsbehelf

    63 Da das Rechtsmittel der Wirksamkeit der "angemessenen Frist" nicht genügt, glaube ich, daß in der Schadensersatzklage das Mittel zu finden ist, mit dem vermieden werden kann, daß dieser Grundsatz der Konvention ohne Bedeutung bleibt, wenn er gegen ein Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht wird.

    64 Ich weise auf die Punkte hin, die es Ihnen meiner Meinung nach gegebenenfalls erlauben würden, einen auf einen Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz der "angemessenen Frist" gestützten Schadensersatzantrag als zulässig zu behandeln.

    65 Die Schadensersatzklage gibt es sowohl in der gemeinsamen Rechtstradition der Mitgliedstaaten als auch im Gemeinschaftsrecht. Die nationalen Rechtsordnungen kennen, wie wir gesehen haben, grundsätzlich einen Ersatz des Schadens, der einem einzelnen aufgrund des Verstosses gegen die "angemessene Frist" entstanden ist. Nach Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages kann die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft aufgrund der durch ihre Organe verursachten Schäden eingreifen. Generalanwalt Gulmann hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache SGEEM und Etroy/BEI(29) die Ansicht vertreten, daß der Begriff "Organ" in Artikel 215 auf Artikel 4 des Vertrages verweist, in dem die Organe der Gemeinschaft aufgeführt werden(30). Der Gerichtshof ist darüber noch hinausgegangen, indem er entschieden hat, daß dieser Begriff nicht so zu verstehen ist, daß er nur die in dieser Vorschrift aufgeführten Organe umfasst(31). Infolgedessen kann der Gerichtshof und damit auch das Gericht wohl nicht vom Anwendungsbereich des Artikels 215 ausgenommen werden(32).

    66 In verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht jedoch eine ernste Schwierigkeit darin, daß das Gericht nach Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses 88/591 in der durch Artikel 1 des Beschlusses des Rates vom 8. Juni 1993(33) geänderten Fassung selbst zuständig ist, um über solche Klagen zu entscheiden, wenn sie von natürlichen oder juristischen Personen erhoben werden.

    67 Ohne auch insoweit die Beurteilung vorwegzunehmen, ob der Zeitraum bis zum Erlaß des Urteils des Gerichts unangemessen war und zu welchem Anteil das Gericht im vorliegenden Fall verantwortlich wäre, kann es nicht in Frage kommen, daß einer gerichtlichen Instanz die Aufgabe anvertraut wird, über die Pflichtwidrigkeit oder Rechtswidrigkeit ihres eigenen Verhaltens zu befinden. Es besteht kein Zweifel, daß damit gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit des Gerichts verstossen würde, wie er in Artikel 6 Absatz 1 der Konvention aufgestellt wird. Dieser Verstoß kann in meinen Augen schwerlich dadurch vermieden werden, daß die Rechtssache an einen anderen Spruchkörper verwiesen wird, da, wenn man der Ansicht des Gerichtshofs in Straßburg folgt, die Änderung der Zusammensetzung eines Gerichts nicht ausreichen kann, um jeden Eindruck der Parteilichkeit auszulöschen, der sich aus einer Entscheidung dieses Gerichts über sich selbst ergeben würde(34).

    68 Ausserdem ergibt sich aus den Begründungserwägungen der Beschlüsse 88/591 und 93/350, daß die Ergänzung des Gerichtshofes um das Gericht erster Instanz den Rechtsschutz des einzelnen verbessern soll. Wodurch könnte dieses Erfordernis mehr beeinträchtigt werden als dadurch, daß ein Rechtsstreit durch eine der an ihm beteiligten Parteien entschieden wird?

    69 Artikel 3 des Beschlusses ist daher im Licht des in der Konvention verankerten Grundsatzes der Unparteilichkeit auszulegen. Dies gilt um so mehr, als schwer vorstellbar ist, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber es hätte zulassen können, daß der Anwendungsbereich des genannten Beschlusses den Fall umfasst, daß das Gericht seine eigene Haftung prüft.

    70 Die insoweit bestehende Zuständigkeit des Gerichtshofes führt zwar zwangsläufig zu einer Prüfung des streitigen Grundes durch ein einziges Gericht, während anerkannt ist, daß der zweistufige Instanzenzug in dem Sinne, in dem er in der Gemeinschaftsrechtsordnung wie im allgemeinen verstanden wird, von einer ordnungsgemässen Rechtspflege zeugt. Aber diese verfahrensmässige Schutzvorkehrung, die durch eine Kontrolle des vom Gericht angewandten Rechts die Gefahr von Rechtsirrtümern verringern soll, darf dem einzelnen nicht die wesentliche Garantie der Unparteilichkeit des angerufenen Gerichts nehmen. Es kann nicht bestritten werden, daß der zweistufige Instanzenzug nur ein Aspekt des gerichtlichen Rechtsschutzes ist. Die Wahrung des Grundsatzes der Unparteilichkeit, der es ausschließt, daß ein Gericht sein eigenes Verhalten beurteilt, muß daher vorliegend Vorrang haben.

    71 Demgemäß ist die Zuständigkeit des Gerichts für Klagen, die gemäß Artikel 178 des Vertrages von natürlichen oder juristischen Personen erhoben werden, im Interesse des Schutzes des einzelnen so zu verstehen, daß sie nicht die Schadensersatzklagen umfasst, die gegen richterliche Amtshandlungen gerichtet sind, die das Gericht selbst vorgenommen hat.

    72 Für eine Klage wie die vorliegende bleibt Artikel 178 des Vertrages somit unberührt, so daß der Gerichtshof für Streitsachen über den in Artikel 215 Absatz 2 vorgesehenen Schadensersatz zuständig bleibt.

    73 Artikel 215 Absatz 2 stellt den Grundsatz der ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft auf unter Bezugnahme auf die "allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind". Wie wir gesehen haben, ermöglicht die Mehrheit der Mitgliedstaaten den Ersatz der Schäden, die durch Verstösse gegen das Recht auf eine Entscheidung innerhalb einer "angemessenen Frist" verursacht worden sind.

    74 Daher ist, wozu Artikel 215 Absatz 2 Sie ermächtigt, von dieser gemeinsamen Tradition auszugehen, um einen wesensgleichen Modus für die Beilegung der Streitigkeiten anzuerkennen, der auf seinem Gebiet den mit dem Rechtsmittel abgedeckten Bereich ergänzt. Es geht also nur darum, den Unzulänglichkeiten dieses Rechtsbehelfs abzuhelfen, um einer speziellen Rüge auf einem Gebiet zu genügen, das im übrigen mehr mit dem Funktionieren der Rechtspflege als mit der Ausübung der Rechtsprechungstätigkeit zusammenhängt.

    75 Schließlich hängt die Zulässigkeit einer solchen Klage von den Voraussetzungen des allgemeinen Rechts wie der Einhaltung der fünfjährigen Verjährungsfrist des Artikels 43 der EG-Satzung des Gerichtshofes ab. Nach dieser Vorschrift wird die Frist mit dem "... Eintritt des Ereignisses, das [den Ansprüchen] zugrunde liegt", in Gang gesetzt, im vorliegenden Fall mit der Entscheidung, die das Ende des für "unangemessen" gehaltenen Zeitraums darstellt.

    76 Dies ist der Weg, der in Frage kommen könnte, um die Wirksamkeit der Bestimmungen des Artikels 6 der Konvention über die "angemessene Frist" zu gewährleisten.

    B - Zweiter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den sogenannten Grundsatz der "Mündlichkeit"

    77 BStG macht geltend, das Gericht habe, indem es sein Urteil 22 Monate nach Abschluß der mündlichen Verhandlung gefällt habe, gegen den sogenannten Grundsatz der "Mündlichkeit" verstossen. Dabei handele es sich um einen ungeschriebenen tragenden Grundsatz des gemeinschaftlichen Prozeßrechts, der durch die Prozessordnungen der Mitgliedstaaten gestützt werde.

    78 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, aus dem Grundsatz der Mündlichkeit ergebe sich, daß bei gerichtlichen Entscheidungen nur das berücksichtigt werden dürfe, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Das Mündlichkeitsprinzip gebe den Parteien Gelegenheit, ihre Standpunkte anschaulich und in knapper Form vorzutragen, was es den Richtern ermögliche, sich unmittelbar eine persönliche Meinung zu der Rechtssache und zum Vorbringen der Parteien zu bilden. In den zwei Jahren zwischen mündlicher Verhandlung und Verkündung des angefochtenen Urteils seien die Eindrücke, die die Verhandlung hinterlassen habe, aber verblasst. BStG ist daher der Ansicht, daß dieser Verfahrensfehler zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsse.

    79 Die Kommission vertritt die Auffassung, daß es den Primat der Mündlichkeit im Gerichtsverfassungsrecht der Gemeinschaft nicht gebe und daß der Rechtsmittelgrund zurückzuweisen sei.

    80 Das Mündlichkeitsprinzip erscheint so, wie es in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gewährleistet wird, als ein Grundsatz mit mehreren Facetten.

    81 Im engen Sinne wird der Grundsatz als das Recht einer Partei verstanden, in einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden, in der sie oder ihr Vertreter sich äussern und auf die Fragen des Gerichts antworten kann. Die Gerichtsverfassungen der Mitgliedstaaten sehen Regelungen vor, in denen der mündliche und der schriftliche Charakter der Gerichtsverfahren in unterschiedlichen Verhältnissen gemischt werden, aber alle kennen den Grundsatz der Mündlichkeit. Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Gericht, das sich auch in ein mündliches Verfahren gliedert(35).

    82 Im weiteren Sinne umfasst das Mündlichkeitsprinzip die Unmittelbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, wonach der Richter persönlich und unmittelbar Kontakt zu allen an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Personen haben muß(36).

    83 Der Begriff "Unmittelbarkeit" (oder, z. B., "immédiateté" im französischen Recht, "immediacy" im englischen Recht, "inmediación" im spanischen Recht und "imediação" im portugiesischen Recht) trägt den Erfordernissen des Mündlichkeitsprinzips in vollem Umfang Rechnung, wenn dieses eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Richter und dem einzelnen verlangt. Diese räumliche "Unmittelbarkeit", die besagt, daß der Richter zwischen sich und dem einzelnen oder seinem Vertreter keinen Vermittler einschalten kann, bedingt, daß sich ein Richter, der bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war, an der Entscheidung über die Rechtssache nicht beteiligen darf. Nach Artikel 33 § 2 der Verfahrensordnung nehmen "an der Beratung ... nur die Richter teil, die bei der mündlichen Verhandlung zugegen waren".

    84 Der Aspekt des Mündlichkeitsprinzips, um den es im vorliegenden Fall geht, betrifft eher die zeitliche "Unmittelbarkeit". Dem Gericht wird vorgeworfen, es habe zwischen mündlicher Verhandlung und Urteil zuviel Zeit verstreichen lassen, so daß die Zweckdienlichkeit der mündlichen Verhandlung mit der Auslöschung der Erinnerung an sie im Geist der Richter gewissermassen entfallen sei.

    85 Aufgrund seiner zeitlichen Dimension könnte dieser Rechtsmittelgrund seinem Charakter nach in den Bereich der "angemessenen Frist" fallen. Die Zeit, die ein Gericht für den Erlaß seiner Entscheidung benötigt, ist im übrigen ein Faktor, der vom Gerichtshof in Straßburg für die Beurteilung der "Angemessenheit" einer Frist herangezogen wird. Er stellt einen Aspekt des von diesem Gerichtshof u. a. aufgestellten Kriteriums der Auswirkung des Verhaltens der zuständigen Behörden - vorliegend der Gerichtsbehörden - auf die Dauer der beanstandeten Frist dar(37).

    86 Die beiden Rechtsmittelgründe sind dennoch nicht vergleichbar, denn der Verstoß gegen das Gebot der "Unmittelbarkeit" der gerichtlichen Entscheidung berührt für sich genommen den Rechtsstreit in der Sache. Der Verstoß gegen den Grundsatz führt zur Unergiebigkeit der mündlichen Verhandlung und der mit ihr verbundenen Vorzuege, da den Richtern, die verhandelt haben, der Inhalt der Verhandlung, der ein ergänzendes, von den Akten untrennbares Element darstellt, entgeht. Bei einem Urteil, das unter diesen Umständen erlassen wird, kann es somit dazu kommen, daß wesentliche Aspekte der Rechtssache verkannt werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der zuegigen Sachbehandlung hat dagegen keine Auswirkung auf die gefundene Lösung. Daher verschmilzt der daraus resultierende Schaden nicht mit der ausgesprochenen Sanktion.

    87 Daraus folgt, daß der Verstoß gegen diese beiden Grundsätze nicht die gleiche Folge herbeiführen kann. Anders als dies im Fall der "angemessenen Frist" möglich ist, kann das Verfahren ebenso wie bei anderen Verfahrensfehlern, die die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigen können, aufgehoben und von neuem begonnen werden, wenn diese Interessen nicht in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt sind.

    88 Bevor jedoch über den geltend gemachten Rechtsmittelgrund entschieden wird, wird der Gerichtshof über das Bestehen und gegebenenfalls über die Bedeutung des Grundsatzes der "Unmittelbarkeit" im Gemeinschaftsrecht zu befinden haben, was voraussetzt, daß sein Platz in der Gemeinschaftsrechtsordnung genauer bestimmt wird.

    89 In keiner Verfahrensvorschrift ist vorgesehen, daß die Urteile des Gerichts innerhalb eines bestimmten Zeitraums, geschweige denn innerhalb eines Zeitraums ergehen sollen, der als angemessen qualifiziert werden könnte, wobei zu beachten ist, daß die Verwendung dieses Adjektivs nicht mit derjenigen durcheinandergebracht wird, die die allgemeinere Frist des Artikels 6 der Konvention qualifiziert.

    90 So wichtig der Grundsatz der "Unmittelbarkeit" auch sein mag, kann er wohl nicht zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zählen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat(38).

    91 Wie ich bereits gesagt habe, unterscheidet die Konvention die Frage der Zeit, die ein Gericht für den Erlaß seiner Entscheidung benötigt, nicht von der allgemeinen Problematik der "angemessenen Frist". Ausserdem betreffen die in Artikel 6 der Konvention aufgestellten Erfordernisse die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nur insoweit, als ihr öffentlicher Charakter zukommt(39). Um die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung geht es vorliegend aber nicht.

    92 In der weit überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten wird den Gerichten die Verpflichtung auferlegt, ihre Entscheidungen innerhalb einer bestimmten Frist zu erlassen, die im allgemeinen nicht lange nach dem Abschluß der Verhandlung abläuft (Bundesrepublik Deutschland, Republik Österreich, Königreich Belgien, Republik Finnland, Königreich der Niederlande und Königreich Dänemark), zum Teil sogar ausnahmslos noch am Tag des Abschlusses der mündlichen Verhandlung (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Königreich Spanien, Griechische Republik, Irland, Portugiesische Republik und Königreich Schweden).

    93 Zweierlei ist jedoch klarzustellen. Erstens, die Vorschriften, mit denen der Grundsatz der "Unmittelbarkeit" durchgeführt wird, haben - anders als der Grundsatz der zuegigen Sachbehandlung in einigen Mitgliedstaaten - keinen Verfassungs-, sondern Gesetzesrang. Sie sind im allgemeinen in den Zivil-, Straf- oder Verwaltungsprozessordnungen enthalten. Zweitens, ihre Wirksamkeit ist nicht systematisch gewährleistet, da es neben den Mitgliedstaaten, die keine Frist bestimmen, Mitgliedstaaten gibt, die einen Verstoß gegen die festgesetzte Frist zumindest nicht mit der Ungültigkeit des betreffenden Verfahrens ahnden (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Königreich Belgien und Königreich Dänemark).

    94 Hinzu kommt, daß sich die Frage der "Unmittelbarkeit" vorliegend nicht in bezug auf ein nationales Gericht stellt. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erlauben es für sich allein nicht, eine gemeinsame übergesetzliche Tradition zu kennzeichnen, die einen allgemeinen Rechtsgrundsatz rechtfertigt, der für ihre eigenen, auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts angerufenen Gerichte gilt. Unter diesen Umständen können sie, da sie auf keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift oder Rechtsnorm aus internationalen Übereinkünften über den Schutz der Menschenrechte wie der Konvention gestützt sind, erst recht keinen Grundsatz tragen, wonach ein Gemeinschaftsgericht wie das Gericht erster Instanz eine Urteilsfrist einzuhalten hätte. Wir haben gesehen, daß keine derartige Vorschrift die Aufstellung eines solchen Grundsatzes erlaubt.

    95 Gewiß ist darauf zu achten, daß das Fehlen einer Rechtsnorm, die die Einhaltung einer bestimmten Frist vorschreibt, nicht darauf hinausläuft, daß jede Grenze für die Dauer der Beratung abzulehnen oder jeder Rechtsbehelf gegen Verfahren, die als endlos qualifiziert werden könnten, zurückzuweisen sei. Insoweit genügt der Hinweis, daß die Aufgabe, diesem Erfordernis zu genügen, gerade dem bereits geprüften Grundsatz der zuegigen Sachbehandlung zukommt.

    96 Daher muß ich zu dem Ergebnis kommen, daß der auf das Mündlichkeitsprinzip gestützte Rechtsmittelgrund unzulässig ist.

    C - Dritter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Beweisgrundsätze

    97 BStG beanstandet die Begründung, mit der das Gericht in der Meinung, die bestrittenen Tatsachen stuenden hinreichend fest, viermal Rügen der Rechtsmittelführerin sowie die von ihr angebotene Vernehmung von Zeugen und ihren Antrag auf Anordnung des persönlichen Erscheinens zurückgewiesen hat(40).

    98 BStG führt aus, das Gericht habe die Beweisgrundsätze grundlegend verkannt, und zwar sowohl hinsichtlich der Erhebung von Beweisen als auch hinsichtlich der Beweiswürdigung. Es habe sich damit begnügt, zu prüfen, ob es der Kommission "rechtlich gelungen" sei, den Beweis zu bestimmten Tatsachenbehauptungen zu führen, um die streitige Entscheidung zu belegen. Das Gericht habe nicht geprüft, ob sich die von der Kommission angeführten Beweismittel auch anders verstehen ließen, und erst recht nicht, ob die von der Rechtsmittelführerin angebotenen Beweismittel die Beweise der Kommission zu erschüttern vermochten.

    99 Der Rechtsmittelgrund von BStG gliedert sich in fünf Teile:

    - Das Gericht habe einen falschen Beurteilungsmaßstab bei der Beweiswürdigung angewandt, indem es nicht geprüft habe, ob sich die von der Kommission angeführten Indizien nicht auch anders als durch das Bestehen einer Absprache erklären ließen;

    - durch seine Weigerung, den angebotenen Beweisen nachzugehen, habe das Gericht gegen die ihm obliegende "richterliche Aufklärungspflicht" und den Grundsatz des "fair trial" verstossen;

    - das Gericht habe auch nicht den Grundsatz der "freien Beweiswürdigung" beachtet, indem es sich nicht eingehend mit dem Tatsachenvortrag der Rechtsmittelführerin und den von ihr angebotenen Beweisen auseinandergesetzt habe;

    - das Gericht habe nicht den Grundsatz "in dubio pro reo" angewandt;

    - die Beweisanträge von BStG seien ohne zureichende Begründung unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zurückgewiesen worden.

    100 Die Kommission hält es für erforderlich, darauf hinzuweisen, daß ein Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden könne, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften bezögen und jede Tatsachenwürdigung ausschlössen, und daß der Beurteilungsmaßstab, den das Gericht bei der Tatsachenwürdigung angewandt habe, naheliegenderweise in die letztgenannte Kategorie falle. Sie tritt der von der Rechtsmittelführerin vertretenen Auffassung entgegen, das Gericht müsse stets in die Beweisaufnahme eintreten, wenn ein entsprechender Antrag gestellt werde, und weist darauf hin, daß die vom Gericht angeordneten prozeßleitenden Maßnahmen in Form von Fragen an die Rechtsmittelführerin zeigten, daß das Gericht die Prüfung ihrer Beweismittel nicht unterlassen habe.

    101 BStG erwidert, der Gerichtshof sei befugt, über ein auf einen Verfahrensfehler gestütztes Rechtsmittel zu erkennen, und könne die allgemeinen Beweisregeln und -grundsätze sowie die Vorschriften über das Beweisverfahren überprüfen. Die prozeßleitenden Maßnahmen könnten die Beweisaufnahme nicht ersetzen, und die ungerechtfertigte Ablehnung eines Beweisantrags stelle eine nach dem Gemeinschaftsrecht verbotene vorweggenommene Beweiswürdigung dar.

    1. Zum Beurteilungsmaßstab des Gerichts

    102 Ich stelle zunächst fest, daß die Rechtsmittelführerin zu Unrecht vorträgt, das Gericht habe die von ihr dargelegten Tatsachen nicht ausreichend geprüft. Aus Randnummer 61 des angefochtenen Urteils zur Absprache von 1985 zwischen BStG und Tréfilunion, den Randnummern 84 bis 86 zu den Quoten- und Preisabsprachen mit den Benelux-Herstellern, den Randnummern 111 bis 113 zu den Absprachen zwischen BStG und Tréfilarbed sowie den Randnummern 125 und 126 zu den Quoten- und Preisabsprachen über den Benelux-Markt ergibt sich nämlich, daß das Gericht das Vorbringen von BStG umfassend dargestellt hat.

    103 BStG hat der Kommission entgegnet, daß es vorliegend nicht um die Beweiswürdigung selbst gehe, sondern um den Maßstab für die Beurteilung der Beweise durch das Gericht und den Umfang seiner Prüfung(41).

    104 Ich glaube nicht, daß die von der Rechtsmittelführerin vorgenommene Unterscheidung gerechtfertigt ist. Das Infragestellen des Maßstabs, dessen Anwendung dem Gericht vorgeworfen wird, läuft mittelbar darauf hinaus, seine Beurteilungsbefugnis anzuzweifeln. Ein solches Anzweifeln liegt vor, wenn die Schlußfolgerungen beanstandet werden, die das Gericht aus den ihm unterbreiteten Indizien gezogen hat. Die Rechtsmittelführerin macht aber nichts anderes, wenn sie behauptet, daß das Gericht nicht andere, günstigere Fallgestaltungen in Betracht gezogen habe, da das Gericht diese Fallgestaltungen gerade in Ausübung seiner Beurteilungsbefugnis zugunsten einer anderen Auffassung verworfen hat.

    105 Daher ist Ihre ständige Rechtsprechung anzuwenden, wonach aus Artikel 49 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes, Artikel 168a des Vertrages und Artikel 51 derselben Satzung sowie aus Artikel 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes folgt, daß der Gerichtshof weder für die Feststellung der Tatsachen zuständig noch grundsätzlich befugt ist, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht diese Feststellung gestützt hat. Nach dieser auf die genannten Vorschriften gestützten Rechtsprechung ist es allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen(42). Diese Beurteilung stellt daher, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt(43).

    106 Zur Begründung dieser Rüge legt BStG in keiner Weise dar, daß das Gericht den ihm vorliegenden Beweismitteln einen Sinn beigemessen hätte, der ihnen offensichtlich nicht zukommt. Ausserdem bezeichnet sie in diesem Teil ihrer Argumentation nicht die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, die eine solche Verfälschung erkennen ließen.

    107 Darüber hinaus weise ich darauf hin, daß das Vorbringen von BStG auch so verstanden werden kann, daß es auf das Erfordernis einer umfassenderen Begründung des Urteils hinausläuft, die Ausführungen zu alternativen, für die Rechtsmittelführerin günstigen Erklärungen für die dem Gericht vorliegenden Tatsachen enthält. Das Gericht sei verpflichtet, darzulegen, daß es nicht unterlassen habe, den Sachverhalt unter Berücksichtigung der von einer Partei gegebenen Erklärungen zu prüfen.

    108 Es ist offenkundig, daß das Gericht verpflichtet ist, seine Urteile mit Gründen zu versehen(44). In den Urteilen müssen daher klar die Gründe für die Überzeugung des Gerichts und die Überlegungen dargelegt werden, auf denen diese Überzeugung beruht, so daß die Parteien die Einzelheiten dieser Überlegungen erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann.

    109 Stützt sich die Begründung des Urteils, wie im vorliegenden Fall, jedoch auf genaue Tatsachenangaben und nicht auf Vermutungen, so ginge es meiner Ansicht nach zu weit, wenn man vom Gericht verlangen würde, daß es die Gründe aufführt, aus denen es die Umstände, die von einer Partei vorgetragen worden sind, um die betreffenden Tatsachen in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, für nicht überzeugend hält. Aus dem Umstand, daß das Gericht die von einer Partei vorgebrachten Erklärungen nicht ausdrücklich abgehandelt hat, kann nicht gefolgert werden, daß diese Gesichtspunkte ungeprüft geblieben sind, da sich die Argumentation des Gerichts auf genaue Angaben stützt und stillschweigend, aber zwangsläufig die Auffassung der Rechtsmittelführerin ausschließt.

    110 BStG begnügt sich insoweit damit, die Begründung des Urteils durch das Gericht allgemein zu beurteilen, ohne einen Anhaltspunkt für ihre Auffassung beizubringen(45).

    111 Daher ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes unzulässig.

    2. Zum Verstoß gegen die richterliche "Aufklärungspflicht" und den Grundsatz des "fair trial"

    112 Nach Ansicht von BStG ist das Gericht nach diesen Grundsätzen verpflichtet, den Beweisanträgen stattzugeben, es sei denn, daß es sich um bestimmte, eng begrenzte Fälle handele, deren Vorliegen hier nicht dargetan sei. Die Zurückweisung ihrer Anträge auf Zeugenvernehmung und auf Anordnung des persönlichen Erscheinens laufe im Ergebnis auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung hinaus, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sei. Hinzu komme, daß der gerichtliche Untersuchungsgrundsatz auch ohne Beweisanträge verlange, daß das Gericht die Beweisaufnahme auf alle Beweismittel erstrecke, und daß diese Amtsaufklärungspflicht ausserdem bedeute, daß sich das Gericht um den bestmöglichen Beweis bemühen müsse.

    113 Ich weise zunächst darauf hin, daß der Gerichtshof prüfen kann, ob die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden sind(46).

    114 Mit Ausnahme des auf Artikel 6 der Konvention gestützten Grundsatzes werden für die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Grundsätze keine bestimmten Rechtsnormen angeführt, die eine Bestimmung des Inhalts und der Tragweite dieser Grundsätze sowie ihrer Bindungswirkung ermöglichten. Daher hat sich meine Untersuchung auf die Vorschriften der Konvention zu beschränken.

    115 Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d bestimmt: "Jeder Angeklagte hat insbesondere die folgenden Rechte: ... d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken"(47).

    116 Diese Vorschrift enthält in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine absolute Verpflichtung des Gerichts, den auf Vernehmung von Zeugen gerichteten Beweisanträgen der Parteien stattzugeben.

    117 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Urteil Vidal/Belgien vom 22. April 1992 entschieden: "[Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d] überlässt es [den nationalen Gerichten], wiederum als allgemeine Regel, zu entscheiden, ob die Ladung von Zeugen in der $autonomen` Auslegung, die diesem Begriff im Konventionssystem gegeben werden muß, angebracht erscheint ...; diese Bestimmung verlangt nicht die Anwesenheit und Befragung jedes Entlastungszeugen: Ihr wesentlicher Zweck, der sich aus der Wortfolge $unter denselben Bedingungen` ergibt, ist die Herstellung der vollen $Waffengleichheit` in diesem Bereich ..."(48)

    118 Das Recht, die Vernehmung eines Zeugen zu erwirken, wird somit offenbar beeinflusst durch die "Fairneß" des Verfahrens, die als beeinträchtigt angesehen werden kann, wenn die von einem Angeklagten beantragte Zeugenaussage abgelehnt wird, obwohl sie dem betreffenden Gericht Anhaltspunkte hätte liefern können, die die Aussage eines Belastungszeugen hätten aufwiegen können.

    119 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die vom Gericht angeordneten Vernehmungen keine willkürlich selektive Beurteilung der für seine Entscheidung zweckdienlichen Zeugenaussagen erkennen lassen.

    120 Bezueglich des Vorbringens von BStG, Beweisanträge der Parteien könnten nur unter sehr engen Voraussetzungen abgelehnt werden, ist auf Artikel 66 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts hinzuweisen: "Le Tribunal, l'avocat général entendu, fixe les mesures [d'instruction] qu'il juge convenir par voie d'ordonnance articulant les faits à prouver"(49) ["Das Gericht bezeichnet nach Anhörung des Generalanwalts durch Beschluß die Beweismittel und die zu beweisenden Tatsachen"]. Damit wird eindeutig bekräftigt, daß der erstinstanzliche Richter für die Entscheidung über die Erheblichkeit der ihm unterbreiteten Beweisangebote zuständig ist(50).

    121 Ausserdem kann man dem Gericht nicht vorschreiben, systematisch die von den Parteien vorgeschlagenen Zeugen zu vernehmen, ohne den zuegigen Fortgang des Verfahrens zu beeinträchtigen, dem oft Verzögerungsmanöver drohen, und ohne die Befugnis des Gerichts zur Würdigung der ihm vorgelegten Beweise zu verkennen, die die Befugnis einschließt, eine Beweisaufnahme abzulehnen, wenn es die in den Akten enthaltenen Angaben für ausreichend hält.

    122 In dieser Hinsicht erscheint es gerechtfertigt, wenn das Gericht seine Entscheidung über die Beweisanträge davon abhängig macht, daß die betreffende Partei Gründe darlegt, die die beantragte Vernehmung rechtfertigen können(51).

    123 Im übrigen hat das Gericht prozeßleitende Maßnahmen in Form von schriftlich zu beantwortenden Fragen getroffen(52). Es wird nicht bestritten, daß von den sieben an die Rechtsmittelführerin gerichteten Fragen fünf ausdrücklich ihre Beweisangebote betrafen und zumindest in einem Fall darauf abzielten, daß die Rechtsmittelführerin angibt, "... aus welchen konkreten und auf Tatsachen beruhenden Gründen sie den ersichtlichen Inhalt der angeführten Dokumente bestreitet"(53).

    124 Dieser Umstand bestätigt, falls dies erforderlich wäre, daß es das Gericht nicht unterlassen hat, die ihm vorgelegten Beweisangebote zu prüfen.

    125 Meiner Ansicht nach konnte es das Gericht somit im Interesse einer geordneten Rechtspflege und unter Einhaltung der anwendbaren Vorschriften ablehnen, den Anträgen auf Anordnung des persönlichen Erscheinens und auf Vernehmung stattzugeben, ohne der Entscheidung in der Sache vorzugreifen, da es sich vor jeder Gefahr einer willkürlichen Vorgehensweise geschützt hat, indem es die Gründe zur Kenntnis genommen hat, die die Beweisangebote rechtfertigten; Voraussetzung ist allerdings, daß das Gericht die Entscheidung in der Sache rechtlich hinreichend begründet hat, wozu ich bei der Prüfung des Rechtsmittelgrundes des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages noch kommen werde.

    3. Zum Grundsatz der "freien Beweiswürdigung" und zum Grundsatz "in dubio pro reo"

    126 Mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wirft BStG dem Gericht vor, es habe auf eine weitere Aufhellung des Sachverhalts verzichtet und die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft. Mit dem vierten Teil macht BStG ausserdem geltend, das Gericht habe den Zweifel, der sich aus ihren Erklärungen für die von der Kommission vorgelegten Indizien ergebe, nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt.

    127 Die Rechtsmittelführerin versucht in Wirklichkeit in Frage zu stellen, wie das Gericht den Wert der ihm vorgelegten Beweise beurteilt hat. Wie ich ausgeführt habe(54), stellt diese Beurteilung, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt. BStG trägt aber für ihre Behauptungen nichts vor, was dartun könnte, daß die Schlußfolgerungen, zu denen das Gericht aufgrund der ihm vorgelegten Beweise bei seinen Überlegungen gelangt ist, offensichtlich falsch sind.

    128 Ausserdem ist es, wie ich bereits aufgezeigt habe, Sache des Gerichts, aufgrund derselben Beurteilungsbefugnis, auf die sich die Rechtsmittelführerin beruft, zu entscheiden, ob diese Beweise ausreichen, um die Tatsachen so festzustellen, daß kein Zweifel mehr besteht.

    129 Überdies hat BStG keine Argumente zum Nachweis dafür vorgetragen, daß das Gericht bei seiner Beurteilung einen Rechtsfehler begangen hat, und nicht die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, genau bezeichnet. Die Rechtsmittelführerin macht keinen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift geltend und beschränkt sich darauf, die Sachverhaltswürdigung durch das Gericht zu beanstanden.

    130 Daher sind der dritte und der vierte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes unzulässig.

    4. Zur Begründung der Zurückweisung der Beweisangebote

    131 Die Antwort auf das Vorbringen, das Gericht habe die Zurückweisung der Beweisangebote von BStG unzureichend begründet, hängt eng mit der dem Gericht zugestandenen Freiheit zusammen, den Wert der ihm zur Verfügung stehenden Beweise zu beurteilen. Ist das Gericht, anders ausgedrückt, der Auffassung, daß der Beweiswert des Akteninhalts ausreicht, um zu einer Überzeugung zu gelangen, so ist es vor allem verpflichtet, die Gründe darzulegen, die die Entscheidung in der Sache rechtfertigen. Wenn diese Voraussetzung erfuellt ist, kann das Gericht meiner Ansicht nach die ihm vorliegenden Beweisangebote mit einer summarischen Begründung zurückweisen.

    132 Daraus ist zu folgern, daß das Gericht nicht gegen die Begründungspflicht verstösst, wenn es nur angibt, daß es den von der Rechtsmittelführerin angebotenen Beweis durch Zeugenvernehmung oder durch Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erhebt, sofern es darauf achtet, zuvor die Gründe darzulegen, aus denen es der Auffassung ist, daß der Kommission der Beweis der Handlungen, die BStG zur Last gelegt werden, rechtlich gelungen ist. Ich werde diese letztgenannte Begründung, soweit sie beanstandet wird, im Rahmen der Stellungnahme zum sechsten Rechtsmittelgrund prüfen, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages geltend gemacht wird.

    133 Der fünfte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen, womit dieser Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.

    D - Vierter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Präklusionsvorschriften

    134 BStG wirft dem Gericht vor, es habe Artikel 48 § 1 seiner Verfahrensordnung falsch ausgelegt, als es die Beweisangebote der Rechtsmittelführerin in den Randnummern 94, 120 und 138 des Urteils als verspätet zurückgewiesen habe.

    135 Die Kommission entgegnet, das Gericht handle im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung, wenn es davon ausgehe, daß die erstmalige Benennung von Beweismitteln in der Erwiderung eine Verspätung darstelle und als solche zu begründen sei.

    136 Das Gericht hat in den von BStG genannten Randnummern die angebotene Zeugenvernehmung und die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Rechtsmittelführerin mit der Begründung abgelehnt, daß diese in der Erwiderung formulierten Beweisangebote verspätet seien, da die Rechtsmittelführerin keinen Umstand geltend gemacht habe, der sie daran gehindert hätte, sie in der Klageschrift zu formulieren.

    137 Artikel 48 § 1 der Verfahrensordnung lautet: "Die Parteien können in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen. Sie haben die Verspätung zu begründen"(55).

    138 Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß die Parteien verpflichtet sind, die Umstände darzulegen, die die Benennung ihrer Beweismittel in der Erwiderung rechtfertigen. Dieses Begründungserfordernis soll es dem Gericht ermöglichen, die Stichhaltigkeit der zur Erklärung dieser Verspätung geltend gemachten Gründe zu beurteilen und so in voller Kenntnis der Sache über die Zulässigkeit der Beweismittel zu entscheiden. Diese werden nämlich nicht nur in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens bezeichnet, sondern können zu neuen Verzögerungen in dessen Ablauf führen, da neue Beweisaufnahmen angeordnet werden können, falls das Gericht dies für erforderlich hält.

    139 Das Gericht hat somit Artikel 48 § 1 zutreffend angewandt, indem es die Zurückweisung des Beweismittels der Vernehmung von BStG mit dem Fehlen einer Begründung für dessen verspätete Benennung begründet hat.

    140 Die Rechtsmittelführerin bestreitet auch weder, daß die streitigen Beweismittel erstmals in der Erwiderung benannt worden sind, noch die fehlende Begründung für diese Verspätung. Sie begründet diese Verspätung erst in der Rechtsmittelschrift, unter Verstoß gegen Artikel 48 § 1, der verlangt, daß die Verspätung vor dem Gericht zu begründen ist.

    141 BStG vertritt ausserdem die Auffassung, daß dieser Vorschrift ein anderer als ihr tatsächlicher Anwendungsbereich zukomme, indem sie sie einschränkend auslegt. Die Rechtsmittelführerin schlägt nämlich vor, daß nur solche Beweisangebote unzulässig seien, die die Entscheidung des Rechtsstreits verzögern könnten, was ihrer Ansicht nach bei den streitigen Beweisangeboten nicht der Fall gewesen sei. Sodann schlägt sie vor, daß diese Vorschrift nur dazu dienen solle, neue Beweismittel für neue Tatsachen zurückzuweisen.

    142 Abgesehen davon, daß BStG solche Argumente nicht in dem Versuch, ihre Verspätung zu rechtfertigen, vor dem Gericht vorgebracht hat, weshalb dies vor dem Gerichtshof offensichtlich nicht zulässig ist, ergibt sich diese Auslegung von Artikel 48 § 1 nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, deren Anwendung offenbar nicht von einer konkreten Beurteilung der Auswirkungen des Beweisangebots auf den zuegigen Fortgang des Verfahrens abhängig ist. Artikel 48 § 1 beschränkt auch nicht die Verpflichtung zur Begründung der Verspätung auf Beweismittel für neue Tatsachen. Es liegt auf der Hand, daß die Rechtsmittelführerin diese Unterscheidungen trifft, um den Verstoß gegen diese Vorschrift zu beseitigen, den ihr das Gericht entgegengehalten hat.

    143 Schließlich ist BStG hilfsweise der Ansicht, daß die richterliche Fürsorgepflicht und der strafähnliche Charakter der verhängten Sanktionen eine Verpflichtung des Gerichts rechtfertigten, den Hinweisen von Amts wegen nachzugehen, auch wenn die Beweisangebote verspätet seien. Artikel 48 § 1 sei somit Verfahren ohne Strafzweck vorbehalten.

    144 Wie ich bereits aufgezeigt habe(56), führt die Rechtsmittelführerin für die Grundsätze, auf die sie sich beruft, um die Zurückweisung von Beweisangeboten durch das Gericht auf einer anderen Grundlage als Artikel 48 zu beanstanden, keine bestimmte Rechtsnorm an. Das Infragestellen der Rechtmässigkeit dieser Vorschrift setzt aber zumindest voraus, daß Ihnen genaue und mit Argumenten untermauerte Belege angegeben werden. Da dies nicht der Fall ist, genügt es, noch einmal darauf hinzuweisen, daß nicht nach Verfahren zu unterschieden werden braucht, wenn in der Vorschrift nicht unterschieden wird.

    145 Daher ist der Rechtsmittelgrund des Verstosses gegen die Präklusionsvorschriften unzulässig.

    E - Fünfter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen das Recht auf Akteneinsicht

    146 Das Gericht soll gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstossen haben, indem es den Antrag der Rechtsmittelführerin auf Akteneinsicht zurückgewiesen habe.

    147 Um zunächst den Antrag auf Vorlage aller Verfahrensakten zurückzuweisen, war das Gericht, nachdem es darauf hingewiesen hatte, daß

    "die Klägerin nicht bestreitet, während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission alle Aktenunterlagen erhalten zu haben, die sie direkt oder indirekt betreffen und auf die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt war",

    und festgestellt hatte, daß

    "sie keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen [hat], daß andere Unterlagen für ihre Verteidigung von Bedeutung gewesen wären,

    ... der Ansicht, daß der Klägerin Gelegenheit gegeben wurde, so wie sie es wünschte, ihren Standpunkt zu sämtlichen Beschwerdepunkten, die die Kommission in der an sie gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte ihr gegenüber formuliert hatte, und zu den zur Stützung dieser Beschwerdepunkte bestimmten Beweiselementen, die die Kommission in dieser Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt hatte oder die dieser beigefügt waren, geltend zu machen, und daß daher die Verteidigungsrechte gewahrt wurden ..."

    Das Gericht hat weiter ausgeführt:

    "Daraus ergibt sich, daß die Anwälte der Klägerin sowohl bei der Vorbereitung der Klageschrift als auch während des Verfahrens vor dem Gericht in der Lage gewesen sind, die Rechtmässigkeit der Entscheidung in voller Kenntnis der Umstände zu prüfen und die Verteidigung der Klägerin in vollem Umfang zu gewährleisten"(57).

    148 Um sodann den Antrag auf Vorlage der vom Bundeskartellamt übermittelten Unterlagen und der Unterlagen betreffend die trilateralen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und den Vertretern der deutschen Strukturkrisenkartellgemeinschaft zurückzuweisen, hat das Gericht festgestellt, daß

    - "die Klägerin nicht vorgebracht hat, daß sie, ohne über diese Unterlagen zu verfügen, nicht imstande gewesen sei, sich gegen die ihr zur Last gelegten Beschwerdepunkte zu verteidigen, und daß sie kein Indiz vorgetragen hat, das dartun könnte, in welcher Hinsicht diese Schriftstücke für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung sein konnten",

    - und daß "... es sich [in jedem Fall] um Unterlagen in bezug auf das Strukturkrisenkartell handelt, das als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist ..., und daß die Unterlagen, die sich auf dieses Kartell beziehen, daher Beweismittel darstellen, die mit dem Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nichts zu tun haben"(58).

    149 BStG führt aus, daß der Grundsatz, wonach die Kommission verpflichtet sei, den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung zusammengetragen habe, nicht nur für das Verwaltungsverfahren, sondern auch für das Verfahren vor dem Gericht gelte. Das vom Gericht genannte Erfordernis, daß Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, daß andere Unterlagen für die Verteidigung der Rechtsmittelführerin von Bedeutung gewesen wären, berücksichtige nicht, daß sie nicht beurteilen könne, ob ein Schriftstück von Bedeutung sei, wenn sie weder über dessen Existenz noch über dessen Inhalt informiert sei. Aufgrund des Raumes, den das Strukturkrisenkartell im angefochtenen Urteil einnehme, stelle die Entscheidung über die Zurückweisung des Antrags auf Vorlage der das Kartell betreffenden Unterlagen eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar.

    150 Ich habe bereits dargelegt, weshalb es mir unabdingbar erscheint, das Recht eines von einem Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages betroffenen Unternehmens, im Verwaltungsverfahren in sämtliche Akten Einsicht zu nehmen, zu einem fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zu erheben(59).

    151 Der Zugang zu den belastenden und entlastenden Unterlagen ermöglicht nicht nur die Nachprüfung, daß die Kommission die letztgenannten nicht unbeachtet gelassen hat, sondern vor allem, daß sie sie zutreffend gewürdigt hat.

    152 Die Einhaltung dieses Grundsatzes im Verwaltungsverfahren wird nunmehr erleichtert durch die Methode, die von der Kommission im XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik vom 5. Mai 1994 im Hinblick auf eine grössere Transparenz festgelegt worden ist:

    "Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übersendet die Kommission eine Kopie sämtlicher Dokumente, auf die sie sich bei der Ermittlung einer Zuwiderhandlung stützt. Ausserdem übersendet sie die Dokumente, die nach einem gründlichen Aktenstudium die Auffassung der Kommission in einem Fall zu widerlegen scheinen und die als $exkulpatorische` Dokumente bezeichnet werden. Wenn ein Unternehmen daraufhin einen begründeten Antrag stellt, daß die Kommission seine Akte wiederaufnehmen möge, um zu ermitteln, ob darin Dokumente enthalten sind, die das Unternehmen als zweckdienlich für seine Verteidigung ansieht, wird die Kommission diesem Antrag stattgeben und die diesbezueglichen Dokumente zugänglich machen"(60).

    153 Im vorliegenden Fall glaube ich nicht, daß durch die Entscheidung des Gerichts, dem Antrag auf Akteneinsicht nicht stattzugeben, im gerichtlichen Verfahren gegen die mit der Transparenz des Verwaltungsverfahrens in Zusammenhang stehenden Gebote verstossen wurde.

    154 Wie das Gericht in der oben zitierten Randnummer 34 des Urteils angegeben hat, hat BStG alle Unterlagen erhalten, auf die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt war und die sie in der einen oder anderen Weise betreffen konnten. Ausserdem hat das Gericht in Ausübung seiner unumschränkten Befugnis zur Sachverhaltsfeststellung in Randnummer 23 darauf hingewiesen, daß im Begleitschreiben des Generaldirektors für Wettbewerb vom 12. März 1987 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte klargestellt wurde, daß "... die für den Fall wichtigsten Dokumente beigefügt würden und daß zur Verhinderung der Preisgabe von Berufsgeheimnissen nur die Dokumente übersandt würden, die das betreffende Unternehmen direkt oder indirekt beträfen", und daß "... die Unternehmen Gelegenheit hätten, zur Ausarbeitung ihrer Stellungnahme andere Dokumente der Kommission mit deren Genehmigung einzusehen".

    155 Zur Erklärung, weshalb sie damals keinen Antrag auf Genehmigung gestellt hatte, trägt BStG vor, sie sei im Verwaltungsverfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe keine Akteneinsicht genommen, da die ihr übermittelten Beschwerdepunkte nicht sie verantwortlich gemacht hätten.

    156 Das Gericht stellt aber, nachdem es darauf hingewiesen hat, daß aus dem Schreiben vom 12. März 1987 hervorgehe, daß "... die Unternehmen, die Adressaten der Mitteilung waren, nach Auffassung der Kommission gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hatten"(61), fest, daß "... die Klägerin einer der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte war ..., daß sie in der Sachverhaltsdarstellung und in der rechtlichen Beurteilung der Mitteilung der Beschwerdepunkte mehrmals namentlich bezeichnet wurde und daß sie zahlreiche Anlagen erhielt, auf die die Kommission ihre Beschwerdepunkte stützte"(62). Hinzu komme, daß die Rechtsmittelführerin der Kommission ein Schreiben übersandt habe, in dem sie schriftliche Bemerkungen zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht und eine mündliche Anhörung beantragt habe.

    157 Aus diesen zahlreichen Feststellungen ergibt sich, daß BStG in der Mitteilung der Beschwerdepunkte direkt erwähnt wurde. Das Gericht konnte daher entscheiden, daß die Tatsache, daß sie keinen Anwalt beauftragt hatte, das Ergebnis einer Entscheidung ihrerseits war, und daß das Verwaltungsverfahren durch keinen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte beeinträchtigt war. Ich füge dem hinzu, daß die Rechtsmittelführerin nicht bestreitet, daß sie nicht versucht hatte, den Standpunkt der Kommission in Erfahrung zu bringen, und dies trotz der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Angaben über den Grad ihrer Verwicklung in die Durchführung der angeführten Zuwiderhandlungen. Infolgedessen konnte das Gericht ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte entscheiden, daß kein Anlaß bestand, der Kommission die Vorlage der verlangten Dokumente aufzugeben, da die Rechtsmittelführerin kein Indiz dafür vorgetragen hatte, daß andere Dokumente für ihre Verteidigung erforderlich seien.

    158 Ich bin insoweit der Auffassung, daß das Gericht aufgrund der festgestellten Wirksamkeit des Rechts auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren die Übermittlung von Schriftstücken während des gerichtlichen Verfahrens davon abhängig machen kann, daß "... Anhaltspunkte dafür ..., daß andere Unterlagen für ihre Verteidigung von Bedeutung gewesen wären", vorgetragen werden(63). Von dem beschuldigten Unternehmen kann selbstverständlich nicht verlangt werden, daß es die Auswirkungen darlegt, die das verlangte Dokument auf die Entscheidung gehabt haben könnte, da dies voraussetzt, daß es die Einzelheiten des Inhalts dieses Dokuments kennt. Ein solches Erfordernis würde bedeuten, daß ihm die Beweislast für einen Beweis auferlegt würde, der nicht geführt werden kann(64). Das Unternehmen muß dem Gericht nur Angaben liefern, die für die Zweckdienlichkeit des Dokuments für das Verfahren sprechen.

    159 Das Recht auf Akteneinsicht kann nämlich aus Gründen einer geordneten Rechtspflege nicht absolut sein. Das betreffende Unternehmen kann daher nicht die unterbliebene Übermittlung irgendeines Aktenstücks rügen, ohne dieses zuvor bezeichnet und die geringsten Angaben zur Zweckdienlichkeit gemacht zu haben, die das Dokument für es haben kann(65).

    160 Ausserdem muß das Unternehmen von der Existenz eines solchen Schriftstücks wissen, was mit dem Grundsatz der Einsicht in sämtliche Akten gerade gewährleistet werden soll(66).

    161 Im Urteil BPB Industries und British Gypsum/Kommission (a. a. O.) waren die nicht bekanntgegebenen Unterlagen bezeichnet worden, so daß sich die Feststellung auf die Frage beschränkte, ob sie "... zu den Kategorien von Schriftstücken gehörten, deren Übermittlung die Kommission wegen ihres vertraulichen Charakters ablehnen darf"(67).

    162 In der vorliegenden Rechtssache ergibt sich aus Randnummer 23 des angefochtenen Urteils, daß diejenigen der verlangten Unterlagen, die die Rechtsmittelführerin direkt oder indirekt betrafen, bereits übermittelt worden waren, während die anderen unter die Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung fielen.

    163 Unter diesen Umständen ist klar, daß BStG nicht die Übermittlung der bereits mitgeteilten Schriftstücke beanspruchen konnte. Was die nicht bekanntgegebenen Unterlagen angeht, so genügt der Hinweis, daß die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens nicht versucht hat, deren Gegenstand oder die Gründe in Erfahrung zu bringen, die ihre vertrauliche Behandlung rechtfertigten, obwohl sie grundsätzlich von der Nichtbekanntmachung dieser Unterlagen wusste und die Kommission sie über ihr Recht informiert hatte, vorbehaltlich einer Genehmigung von ihnen Kenntnis zu nehmen.

    164 Bezueglich des Antrags auf Einsichtnahme in die vom Bundeskartellamt an die Kommission übermittelten Unterlagen und der Unterlagen betreffend die trilateralen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und den Vertretern der deutschen Strukturkrisenkartellgemeinschaft ist festzustellen, daß die Gründe für die Zurückweisung des Antrags von BStG nicht als zu weitgehend erscheinen(68).

    165 In der streitigen Entscheidung werden sehr genau die Verbindungen zwischen dem Strukturkrisenkartell und den festgestellten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen dargestellt(69), aus denen sich ergibt, wie das Gericht in den Randnummern 55 ff. seines Urteils bekräftigt, daß das Kartell als solches nicht Bestandteil der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlungen ist. Da die Rechtsmittelführerin nicht in der Lage war, ein bestimmtes Dokument zu bezeichnen, da diese Dokumente offenbar nicht in die Akten der Kommission aufgenommen und der Rechtsmittelführerin daher nicht bereits übermittelt worden waren, musste sie zumindest die Gründe kennzeichnen, aus denen sie es für zweckmässig hielt, von diesen Schriftstücken, die in keinem anderen unmittelbaren Zusammenhang mit den vorgeworfenen Tatsachen standen als in der Entscheidung beschrieben, Kenntnis zu nehmen. Aus den gleichen Gründen, wie sie in bezug auf die Verfahrensunterlagen dargelegt wurden, erscheint es mir sachgerecht, dieses Erfordernis als Vorbedingung für die von BStG beantragte Übermittlung vorzusehen. Das Gericht konnte somit feststellen, daß es in der Darlegung der Gründe, mit denen die Einsichtnahme in diese Dokumente gerechtfertigt wurde, an diesem Erfordernis mangelte.

    166 Der Rechtsmittelgrund des Verstosses gegen das Recht auf Akteneinsicht ist daher zurückzuweisen.

    F - Sechster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages

    167 BStG trägt vor, das angefochtene Urteil verstosse gegen Artikel 85 des Vertrages, da von ihr vorgetragene Tatsachen überhaupt nicht subsumiert würden und Tatbestandsmerkmale der Absätze 1 und 3 dieser Vorschrift verkannt würden.

    1. Zur Abgrenzung des Marktes

    168 BStG macht geltend, das Gericht habe den Teil des Urteils, in dem der relevante Markt bestimmt werde, unzureichend begründet. Entgegen den Ausführungen des Gerichts habe sie nie behauptet, daß sie auf ihren Maschinen auch Standardmatten herstellen könne oder daß Listenmatten und Lagermatten austauschbar seien. Demgemäß habe sie kein Interesse daran gehabt, sich an Absprachen über Standardmatten zu beteiligen.

    169 Die Rechtsmittelführerin führt weiter aus, daß sie für die Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten gar kein geeigneter Partner für Absprachen gewesen sei, da weniger als 2 % ihrer Herstellung in andere Mitgliedstaaten gegangen sei und diese Exporte zu 99 % aus Listenmatten bestanden hätten. Das Gericht habe diesen Punkt nicht aufgegriffen und habe sich auch nicht mit den Argumenten auseinandergesetzt, daß die Märkte für Listenmatten ausserhalb Deutschlands und die grenzueberschreitenden Lieferströme geringfügig gewesen seien.

    170 Die Kommission ist der Ansicht, BStG versuche zu Unrecht, Tatsachenfeststellungen vom Gerichtshof nachprüfen zu lassen.

    171 Zu der Frage, ob BStG imstande war, andere Typen von Betonstahlmatten herzustellen, stellt das Gericht fest, daß "... bestimmte von der Entscheidung betroffene Unternehmen, zu denen die Klägerin gehört, fähig sind, verschiedene Typen von Betonstahlmatten herzustellen, woraus sich vernünftigerweise schließen lässt, daß in dem Industriezweig eine gewisse Fähigkeit vorhanden ist, die Produktionsanlagen anzupassen, um die verschiedenen in Rede stehenden Arten von Betonstahlmatten herzustellen"(70).

    172 Man kann bedauern, daß das Gericht nicht die Einzelheiten genannt hat, auf die es seine Behauptung, die Rechtsmittelführerin sei fähig, verschiedene Typen von Betonstahlmatten herzustellen, stützt. Die Befugnis zur Feststellung und Würdigung der Tatsachen, die Sie dem Gericht zugestehen, geht nicht so weit, daß es ihm erlaubt wäre, blosse Behauptungen aufzustellen.

    173 Bei der Begründung des Gerichts in Randnummer 41 des Urteils handelt es sich jedoch um eine rein zusätzliche Erwägung, wie sich aus dem Wort "... weiter ..." ergibt. Der Beweis, daß BStG imstande war, andere Typen von Betonstahlmatten als Listenmatten herzustellen, ist für ihr Interesse, sich an Absprachen über Lagermatten zu beteiligen, nicht entscheidend, da das Gericht, wie ich feststellen werde, die Substituierbarkeit der beiden Mattentypen dargetan hat. Somit kann dies nicht als Argument angeführt werden, um die Rechtmässigkeit des Urteils in Frage zu stellen(71).

    174 Zur Substituierbarkeit der Erzeugnisse führt das Gericht mittels Tatsachenfeststellungen und -würdigungen, die der Nachprüfung durch den Gerichtshof entzogen sind, aus: "Bezueglich der Preise von Lagermatten und Listenmatten, auf die sich die Klägerin bezieht, stellt das Gericht fest, daß sie nicht sehr weit auseinanderliegen"(72). Ausserdem stellt es fest, daß "... die Verwendung von Lagermatten auf Baustellen, auf denen normalerweise Zeichnungsmatten verwendet werden müssten, tatsächlich möglich ist, wenn der Lagermattenpreis so niedrig ist, daß er dem Bauherrn eine bedeutende Einsparung verschafft, die die zusätzlichen Kosten deckt und die technischen Nachteile ausgleicht, die mit dem Wechsel des verwendeten Materials verbunden sind ..."(73)

    175 Das Gericht hat somit hinreichend klar die Gründe dargelegt, aufgrund deren es den Eindruck hatte, daß bestimmte Umstände in Zusammenhang mit den Preisen die Wirtschaftsteilnehmer veranlassen konnten, Lagermatten anstelle von Listenmatten zu verwenden, wodurch ein gemeinsamer Markt für beide Erzeugnisse abgegrenzt und gerade das Interesse gekennzeichnet wird, das die Rechtsmittelführerin an einer Beteiligung an den Absprachen innerhalb dieses Marktes haben konnte.

    176 Das Gericht hat auch das tatsächliche Bestehen dieses Interesses bekräftigt, indem es klargestellt hat, daß eine solche, für die Substituierbarkeit günstige Preissituation "... während eines Teils des von den Absprachen erfassten Zeitraums bestanden hat"(74).

    177 Hinzu kommt, daß die Ausführungen im Urteil über die Herstellung anderer Mattentypen durch die Rechtsmittelführerin und zur Substituierbarkeit von Lager- und Listenmatten entgegen deren Vorbringen nicht damit gerechtfertigt werden, daß die Rechtsmittelführerin all dies eingeräumt habe.

    Allenfalls kommt das Gericht in Randnummer 38 seines Urteils zu dem Ergebnis, daß die Ansichten der Kommission und von BStG bezueglich der Beschreibung des relevanten Marktes übereinstimmen, obwohl sich aus dem Wortlaut des Urteils ergibt, daß sich die Auffassungen der Parteien deutlich unterscheiden.

    Das Gericht stellt nämlich fest, daß BStG zwischen Lagermatten, Letter- oder teilstandardisierten Matten, Listenmatten und Zeichnungsmatten unterscheidet und vorträgt, daß die ersten beiden Typen ganz ähnlich seien und daß die letzten beiden Typen ebenfalls ähnlich seien, sich aber wesentlich von den ersten beiden unterschieden. Daraus folgert das Gericht, daß die streitige Entscheidung im Ergebnis nichts anderes besagt, wenn sie ausführt, daß "eine weitgehende Substituierbarkeit ... hauptsächlich zwischen Lagermatten und Listenmatten [besteht]" und "man hinsichtlich des relevanten Produktmarktes allgemein vom Markt für Betonstahlmatten sprechen [kann], innerhalb dessen ein Untermarkt für Zeichnungsmatten besteht"(75).

    Mir scheint aber, daß die von BStG vorgenommene Abgrenzung zwischen einer Gruppe, die aus Lagermatten und teilstandardisierten Matten besteht, und einer Gruppe, die aus Listenmatten und Zeichnungsmatten besteht, nicht mit der Abgrenzung übereinstimmt, die die Kommission zwischen Listenmatten und Zeichnungsmatten vornimmt. Somit hat das Gericht sein Urteil an dieser Stelle widersprüchlich begründet.

    178 Meiner Meinung nach kann jedoch aus dieser schwachen Begründung keine Schlußfolgerung in bezug auf die Gültigkeit des angefochtenen Urteils gezogen werden, da die Urteilsgründe, die sich auf die mögliche Substituierung der fraglichen Erzeugnisse beziehen, ausreichen, um das Interesse der Rechtsmittelführerin am Zustandekommen von Absprachen über den betreffenden Markt zu rechtfertigen(76).

    179 Was die angeblich unzureichende Begründung im Hinblick auf den geringen Anteil der Produktion von BStG, der zur Ausfuhr bestimmt gewesen sei, auf die Tatsache, daß die exportierten Erzeugnisse praktisch ausschließlich aus Listenmatten bestanden hätten, sowie auf die Bedeutungslosigkeit der Märkte für Listenmatten ausserhalb Deutschlands und der internationalen Handelsströme betrifft, so ist zu bemerken, daß das Gericht den bereits erbrachten Beweis der Substituierbarkeit der verschiedenen Arten von Betonstahlmatten ergänzt hat.

    180 In Randnummer 136 hat das Gericht festgestellt, daß "... ein Zusammenhang zwischen den Preisen verschiedener Typen von Betonstahlmatten besteht, da der Preis von Lagermatten den Preis von Listen- und Zeichnungsmatten beeinflusst ..., [und daß die Klägerin] als Exporteur von Listenmatten ... zwangsläufig wünschen musste, das Niveau der Lagermattenpreise innerhalb einer gewissen Bandbreite im Verhältnis zu den Listenmattenpreisen aufrechtzuerhalten".

    181 Vor allem hat das Gericht im Hinblick auf die erhobenen Rügen weiter ausgeführt, daß "... [die] Exporte [von BStG von Listenmatten], in absoluten Zahlen ausgedrückt, nicht so gering waren, da sie sich ... im Jahr 1985 auf 18 000 Tonnen beliefen, von denen 5 128 Tonnen für die sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestimmt waren, was einen Exportumsatz im Gebiet der Gemeinschaft von 4 969 032 DM ergab".

    182 Aus alledem ergibt sich eindeutig, daß das Gericht die Begründungspflicht nicht verletzt hat und daß der betreffende Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes unbegründet ist.

    2. Zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf die BStG und Tréfilunion vorgeworfene Absprache

    183 In den Randnummern 67 und 68 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, daß "... der Kommission der Beweis für die in Punkt 140 Absatz 1 der Entscheidung dargelegten Tatsachen rechtlich gelungen ist, nämlich für die Zusage von Tréfilunion, keine Beschwerde gegen das Strukturkrisenkartell zu führen, und für den Verzicht der Klägerin auf die Ausfuhr von Listenmatten nach Frankreich für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten", und es hat festgestellt, daß "... die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten hat, daß diese Vereinbarungen einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellten ..."

    184 BStG trägt vor, aus dem Urteil des Gerichts ergebe sich nicht, weshalb die Vereinbarungen mit Tréfilunion einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellten. Die Rechtsmittelführerin wirft dem Gericht vor, es habe den Sachverhalt nicht unter die Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 subsumiert.

    185 Das Gericht habe sich nicht mit ihrem Argument auseinandergesetzt, daß die Zusage von Tréfilunion, bei der Kommission keine Beschwerde gegen die Rechtsmittelführerin zu führen, in den politischen Bereich falle und keine Beschränkung des Wettbewerbs darstelle. Das Gericht habe sich auch nicht zu der Frage geäussert, ob auch die von Herrn Müller geäusserte Bereitschaft, zwei bis drei Monate keine Listenmatten aus Gelsenkirchen nach Frankreich zu exportieren, eine solche Beschränkung herbeiführen oder obendrein den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne.

    186 Die Kommission vertritt die Ansicht, das Gericht habe die streitigen Tatsachen ordnungsgemäß unter die anwendbare Vorschrift subsumiert. Sie fügt hinzu, daß ein Teil des Vorbringens der Rechtsmittelführerin neue Tatsachenbehauptungen enthalte und daß eine Auseinandersetzung mit diesen Behauptungen nicht dem Rechtsmittelverfahren vorbehalten sein könne; dies wird von BStG bestritten.

    187 Die von der Rechtsmittelführerin im Rahmen des behaupteten Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 erhobene Rüge ist so zu verstehen, daß mit ihr die unzureichende Begründung des Urteils durch das Gericht oder, was auf das gleiche hinausläuft, die unzureichende Bescheidung von Anträgen geltend gemacht wird.

    188 Das Gericht stellt fest, daß "... in der Entscheidung (Punkt 140) der Klägerin vorgeworfen wird, sie habe mit Tréfilunion eine generelle Verhaltensabstimmung herbeigeführt, die darauf abgezielt habe, die gegenseitige Penetration ihrer Erzeugnisse in Deutschland und Frankreich zu begrenzen, und die sich in drei Punkten konkretisiert habe: Tréfilunion führe nicht Beschwerde bei der Kommission gegen das deutsche Krisenkartell; das Werk Gelsenkirchen der Klägerin exportiere zwei bis drei Monate lang keine Listenmatten nach Frankreich; schließlich hätten sich die beiden Parteien dahin geeinigt, daß ihre zukünftige Exporttätigkeit mit bestimmten Quoten verknüpft werde"(77).

    189 Das Gericht zieht aus der Untersuchung zweier interner Vermerke - eines Vermerkes von Herrn Marie, Direktor bei der Tréfilunion, vom 16. Juli 1985 und eines Vermerkes von Herrn Müller vom 27. August 1985 - die Schlußfolgerung, daß "... der Kommission rechtlich der Beweis für eine Verhaltensabstimmung der Klägerin mit Tréfilunion über die ersten beiden Punkte gelungen ist". Es ist der Auffassung, daß "... die Zusage von Herrn Marie, keine Beschwerde gegen das deutsche Kartell zu führen, als ein Verhalten gegenüber einem Konkurrenten anzusehen ist, das eine Gegenleistung für Zugeständnisse dieses Konkurrenten im Rahmen einer gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossenden Absprache war"(78).

    190 Indem das Gericht festgestellt hat, welche Rolle die Zusage von Herrn Marie, keine Beschwerde gegen das Strukturkrisenkartell zu führen, beim Abschluß der Absprache gespielt hat, ist es somit ausdrücklich auf die Rüge eingegangen, die BStG gegen die streitige Entscheidung erhoben hatte. Aus den verwendeten Begriffen ergibt sich, daß das fragliche Verhalten für sich keine wettbewerbswidrige Handlung ist, sondern daß es einen Bestandteil der Absprache darstellt, aufgrund dessen Zugeständnisse in der Form einer befristeten Beschränkung der Ausfuhren gemacht werden konnten.

    191 Was die unzureichende Begründung des Gerichts zum Fehlen wettbewerbsbeschränkender Auswirkungen und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten angeht, die aus dem Zugeständnis von Herrn Müller, nicht zu exportieren, resultieren sollen, so ist darauf hinzuweisen, daß BStG diese Rügen nicht vor dem Gericht vorgebracht hat, so daß das Gericht die Begründung des Urteils auf die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Rügen beschränken konnte.

    192 Aus Randnummer 61 des Urteils, in der die von BStG vor dem Gericht erhobenen Rügen zusammengefasst werden, ergibt sich nämlich, daß sich diese darauf beschränkt haben, die Beweiskraft der beiden Vermerke von Herrn Marie und Herrn Müller für den Beweis des Abschlusses einer Absprache anzuzweifeln. Ausser dem Argument, daß die Nichteinlegung einer Beschwerde keine wettbewerbsbeschränkende Auswirkung habe, zu dem das Gericht, wie wir gesehen haben, Stellung genommen hat, sind daher keine anderen Argumente oder Klagegründe geltend gemacht worden, mit denen sich das Gericht hätte auseinandersetzen müssen; dies wird durch eine Prüfung der Klageschrift und der Erwiderung von BStG bestätigt.

    193 Ausserdem kann BStG, wenn dies ihre Absicht sein sollte, vor dem Gerichtshof keine neuen Angriffsmittel vorbringen. Ihre Rechtsprechung weist regelmässig auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts hin, wonach neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Sie haben ausgeführt: "Könnte eine Partei vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, könnte sie den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem Rechtsstreit befassen, der weiter reicht als derjenige, den das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels ist der Gerichtshof daher nur befugt, die vom Gericht vorgenommene Würdigung des im ersten Rechtszug erörterten Vorbringens zu überprüfen ..."(79)

    194 Es genügt daher, festzustellen, wie ich dies eben getan habe, daß diese Gründe im ersten Rechtszug nicht erörtert worden sind.

    195 Der zweite Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes ist daher zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig.

    3. Zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf die BStG und den Benelux-Herstellern vorgeworfenen Quoten- und Preisabsprachen

    196 BStG wirft dem Gericht vor, es habe rechtsfehlerhaft angenommen, daß die Kommission ihre Beteiligung an Preis- und Quotenabsprachen mit den Benelux-Herstellern über den deutschen Markt rechtlich hinreichend nachgewiesen habe. Das Gericht habe wesentlichen und relevanten Sachvortrag der Rechtsmittelführerin ausser acht gelassen, obgleich er die Interpretation der Dokumente, auf die sich die streitige Entscheidung stütze, erschüttern könne. Ausserdem habe das Gericht die ihm vorgelegten Beweismittel verfälscht.

    197 Wie die Kommission zutreffend vorträgt, versucht BStG, die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht in Form einer Rechtsfrage in Frage zu stellen.

    198 Meiner Meinung nach genügt das Vorbringen der Rechtsmittelführerin nicht den Voraussetzungen, die nach Ihrer ständigen Rechtsprechung für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln verlangt werden(80).

    199 Aus den bereits oben, Nummer 105, zitierten Vorschriften des Vertrages, der EG-Satzung des Gerichtshofes und dessen Verfahrensordnung ergibt sich, daß ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, und die Argumente genau angeben muß, auf die dieser Antrag speziell gestützt wird. Sie haben entschieden, daß dieser Anforderung ein Rechtsmittel nicht entspricht, das sich darauf beschränkt, die vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente zu wiederholen oder wörtlich wiederzugeben. Ein solches Rechtsmittel stellt nämlich in Wirklichkeit einen Antrag auf blosse Überprüfung der beim Gericht eingereichten Klage dar, was nach Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fällt.

    200 In den Randnummern 77 bis 79 der Rechtsmittelschrift gibt BStG aber lange Passagen der Antworten wieder, die sie auf die Fragen des Gerichts vom 22. April 1993 gegeben hatte und in denen sie ihre eigene Interpretation bestimmter Schriftstücke darlegt, die die Grundlage für die streitige Entscheidung darstellen. In diesen bereits dem Gericht vorgelegten Ausführungen erläutert BStG im wesentlichen, daß die fraglichen Dokumente zeigten, daß Herr Müller als Vertreter des Fachverbands und des Aufsichtsgremiums der Strukturkrisenkartellgemeinschaft, nicht aber als Vorsitzender der Geschäftsleitung von BStG gehandelt habe. BStG bestreitet darin auch, daß die vorgelegten Schriftstücke erkennen ließen, daß sie in das Zustandekommen einer Absprache verwickelt gewesen sei.

    201 Die Rechtsmittelführerin beschränkt sich somit auf die Behauptung, das Gericht habe die so dargelegten Argumente nicht berücksichtigt, ohne daß sie sich auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt bezieht.

    202 Aus den einschlägigen Vorschriften ergibt sich auch, daß es allein Sache des Gerichts ist, den Beweiswert der ihm vorgelegten Beweismittel zu beurteilen, sofern die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden sind.

    203 Bei der Prüfung der anderen Rechtsmittelgründe haben wir gesehen, daß das Gericht die Beweisregeln und -grundsätze beachtet hat. Bezueglich des vorliegenden Rechtsmittelgrundes behauptet BStG jedoch, das Gericht habe die ihm zur Verfügung stehenden Beweise verfälscht. Festzustellen ist, daß sie dies nicht darlegt, da sie sich damit begnügt, ihr ursprüngliches Vorbringen wörtlich wiederzugeben.

    204 Ausserdem hat das Gericht entgegen der Behauptung von BStG sehr wohl ihre Argumente geprüft. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, die Randnummern 84 bis 87 des angefochtenen Urteils zu betrachten, in denen die Rügen zusammengefasst werden, die von der Rechtsmittelführerin für diesen Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes vorgebracht werden. Deren Prüfung bestätigt, daß mit ihnen noch einmal Gründe aufgenommen werden, die sie im ersten Rechtszug geltend gemacht hatte. Ich weise auch darauf hin, daß sich das Gericht in Randnummer 92 seines Urteils ausdrücklich mit dem Vorbringen von BStG auseinandergesetzt hat, Herr Müller habe als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten oder des Aufsichtsgremiums des Kartells gehandelt, und daß es in den Randnummern 90 ff. die Gründe darlegt, aufgrund deren es der Auffassung ist, daß BStG in die Absprachen mit den Benelux-Herstellern verwickelt sei.

    205 Somit ist festzustellen, daß BStG kein ernstzunehmendes Argument vorbringt, mit dem dargetan werden könnte, daß dem Gericht bei seiner Beurteilung ein Rechtsfehler unterlaufen ist, und daß BStG sich davor hütet, die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, genau zu bezeichnen. In Wirklichkeit macht die Rechtsmittelführerin nicht die Verletzung einer Rechtsvorschrift geltend und beschränkt sich darauf, die Tatsachenwürdigung durch das Gericht in Frage zu stellen.

    206 Der dritte Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes ist daher unzulässig.

    4. Zur Nichtanwendung der Verordnung Nr. 67/67 auf die Alleinvertriebsverträge zwischen BStG auf der einen und Bouwstaal Rörmond BV sowie Arbed SA Afdeling Nederland auf der anderen Seite

    207 BStG trägt vor, das beanstandete Urteil sei unzureichend begründet. Zum einen habe das Gericht nicht dargetan, daß die Verträge mit Bouwstaal Rörmond BV und Arbed SA Afdeling Nederland ein Verbot von Parallelimporten enthielten. Insoweit lasse Randnummer 103 des Urteils erkennen, daß das Gericht selbst Bedenken gehabt habe.

    208 Zum anderen habe sich das Gericht nicht zur Duldung der streitigen Verträge durch die Kommission geäussert, der die Verträge anläßlich der Neuordnung der luxemburgischen und saarländischen Stahlindustrie vorgelegt worden seien.

    209 Die Kommission macht geltend, das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, daß in diesen Verträgen kein Verbot von Parallelimporten enthalten gewesen sei, betreffe die Tatsachenwürdigung durch das Gericht und sei daher nicht rechtsmittelfähig. Ausserdem stelle der Rechtsmittelgrund der Duldung der streitigen Verträge durch die Kommission ein neues Angriffsmittel dar, das unzulässig sei.

    210 Meiner Meinung nach ist der Kommission beizupflichten.

    211 Ich habe auf die in Ihrer ständigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze hingewiesen, aus denen sich die Kriterien für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln ergeben, wonach die Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Würdigung von Tatsachen ausgeschlossen ist(81).

    212 Die Kritik von BStG am Urteil des Gerichts setzt aber gerade an der Würdigung von Tatsachen an und ist nicht mit dem Fall vergleichbar, daß die Subsumtion des Sachverhalts beanstandet wird.

    213 Es wird nämlich nicht bestritten, daß ein Alleinvertriebsvertrag, der Klauseln enthält, die Paralleleinfuhren verbieten oder vergleichbare Auswirkungen haben, nicht unter die Verordnung Nr. 67/67 fallen kann. Vielmehr geht es darum, ob die fraglichen Verträge in diese Kategorie fallen, weil sie Paralleleinfuhren untersagen.

    214 Von diesen beiden Fragekreisen betrifft aber nur der erste die Subsumtion des Sachverhalts. Mit dieser Operation legt das Gericht dar, daß der Sachverhalt aufgrund der ihm zuerkannten Merkmale in eine bestimmte rechtliche Kategorie fällt, aus der sich Rechtsfolgen ergeben. Würdigt der Richter zuvor den Sachverhalt, nimmt er dagegen eine konkrete und detaillierte Prüfung der Tatsachen vor, um zu bestimmen, wodurch sie gekennzeichnet sind. Die Vorgehensweise des Richters setzt also eine sachbezogene Prüfung der Aktenstücke in dem Sinne voraus, daß die spezifischen Umstände der ihm vorliegenden Rechtssache berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall hat das Gericht den Wortlaut der Verträge und die Bedingungen ihrer Durchführung untersucht, um ihre charakteristischen Merkmale zu bestimmen.

    215 Ich meine daher, daß die Feststellung des Gerichts, daß, wenn Bouwstaal Rörmond oder Arbed SA Afdeling Nederland nach den Verträgen während deren Laufzeit weder direkt noch indirekt Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland tätigen, "... die Bedeutung der Wendung $weder direkt noch indirekt` ... über eine blosse Verpflichtung des Lieferanten, Erzeugnisse zum Zweck des Weiterverkaufs nur an BStG zu liefern, [hinausgeht]"(82), eine Tatsachenwürdigung darstellt.

    216 Das Gericht führt aus: "Diese Beurteilung stützt sich auf zwei Faktoren. Erstens bestand auf seiten von Tréfilarbed Rörmond ein ausdrücklicher Verzicht auf alle Arten von Lieferungen ..., auch auf die Lieferungen, deren Zweck nicht der Weiterverkauf sein würde. Zweitens konnte das Wort $indirekt` vom Weiterverkäufer dahin ausgelegt werden, daß der Lieferant verpflichtet sei, das Erforderliche zu tun, um Lieferungen aus anderen Ländern nach Deutschland zu verhindern, d. h., die anderen Alleinvertriebshändler zu überwachen, um ihnen den Export nach Deutschland zu verbieten"(83).

    217 Das Gericht führt weiter aus, daß "... die genannten Vertragsklauseln unter Berücksichtigung der Beschwerden der Klägerin in ihrem Schreiben vom 26. September 1979 ... [ausgelegt werden können], in dem sie Arbed indirekte Lieferungen nach Deutschland $über die Firma Eurotrade, Alkmaar`, vorgeworfen hat", und folgert, daß "... das Bestehen eines absoluten Gebietsschutzes, der gegen Geist und Wortlaut der Verordnung Nr. 67/67 verstösst, erwiesen ist"(84).

    218 Wie die Rechtsmittelführerin bemerkt, kann der Eindruck entstehen, daß sich das Urteil auf einen zweifelhaften Grund stützt, wenn das Gericht in Randnummer 103 ausführt, daß "... das Wort $indirekt` vom Weiterverkäufer dahin ausgelegt werden [konnte], daß der Lieferant verpflichtet sei, das Erforderliche zu tun, um Lieferungen aus anderen Ländern nach Deutschland zu verhindern ..."(85)

    219 Es könnte erneut festgestellt werden, daß die beanstandete Begründung nicht die einzige ist, mit der die Würdigung der vorliegenden Tatsachen durch das Gericht gestützt werden soll. Daraus würde folgen, daß, wenn dieser Teil der Begründung nicht stichhaltig wäre, die Darlegung der anderen für die Einführung eines Gebietsschutzes charakteristischen Anhaltspunkte ausreichen würde, um die Begründungspflicht als erfuellt anzusehen. Der Umstand, daß dieser Begründung keine tragende Bedeutung zukommt, würde es nicht erlauben, einschneidende Konsequenzen aus ihrer zweifelhaften Formulierung zu ziehen.

    220 Ich glaube jedoch, daß der Sinn der beanstandeten Begründung durch die übrigen Erwägungen des Urteils erhellt und verstärkt wird und daß er das erste Element einer allgemeineren Beweisführung darstellt. Die relative Unsicherheit, mit der das Wort "indirekt" behaftet ist, wird nämlich zum grossen Teil durch den Inhalt der Randnummer 105 des Urteils beseitigt, in der Vorwürfe erwähnt werden, die die Rechtsmittelführerin wegen indirekter Lieferungen nach Deutschland gegenüber Arbed erhoben hatte. Damit bestätigt sich durch einen Hinweis auf die aus diesen Verträgen hervorgegangene Praxis die Vermutung, die das Gericht aufgrund des Wortlauts dieser Verträge aufgestellt hat, und infolgedessen, daß von den Vertragspartnern tatsächlich das Ziel des Gebietsschutzes verfolgt wurde. Die Klausel, wonach "indirekte" Lieferungen nach Deutschland verboten waren, stellt somit nur ein Indiz unter weiteren Anhaltspunkten dar.

    221 Man sieht, die beanstandete Begründung steht offenbar im Einklang mit der vom Gericht zu beachtenden Begründungspflicht, wenn sie mit den anderen Teilen der Argumentation verbunden wird.

    222 Schließlich ergibt sich aus Randnummer 98 des angefochtenen Urteils, daß die Rechtsmittelführerin bereits im ersten Rechtszug vorgetragen hatte, daß die streitigen Verträge nicht Paralleleinfuhren verhindern sollten. Es ist klar, daß BStG mit der Rüge, die mit derjenigen identisch ist, die sie vor dem Gericht erhoben hat, die Tatsachenwürdigung in Frage stellen will, die das Gericht daraufhin vorgenommen hat.

    223 Der Teil des Vorbringens der Rechtsmittelführerin, der sich auf die Frage bezieht, ob überhaupt eine Begründung vorhanden ist, ist daher unbegründet, während der den Inhalt dieser Begründung betreffende Teil, mit dem die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage gestellt werden soll, als unzulässig zurückzuweisen ist.

    224 Ich komme auch zu dem Ergebnis, daß der Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist, mit dem die Duldung geltend gemacht wird, die die Kommission gegenüber den Alleinvertriebsverträgen zu erkennen gegeben habe, da das Gericht nicht gegen seine Begründungspflicht verstossen hat.

    225 Zwar trifft es zu, daß BStG im ersten Rechtszug vorgetragen hat, daß "nach Auskunft des Vertragspartners der Klägerin ... die Verträge ... im Rahmen der Neuordnung der luxemburgischen und saarländischen Stahlindustrie mehrfach Gegenstand des Abstimmungsverfahrens mit der Kommission gewesen [sind], ohne daß die Kommission jemals Bedenken bezueglich ihrer Rechtmässigkeit geäussert hätte"(86), und daß sich das Gericht hierzu nicht geäussert hat.

    226 Um den Umfang der Begründungspflicht des Gerichts beurteilen zu können, ist es erforderlich, die genaue Natur der betreffenden Bemerkungen zu bestimmen.

    227 Handelte es sich um einen Klagegrund, so konnte er im Laufe des Verfahrens - was bei seiner Geltendmachung in der Erwiderung der Fall war - nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß gleichzeitig bewiesen wurde, daß er auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wurde, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, was unwahrscheinlich ist und jedenfalls in keiner Weise dargetan wurde. Dennoch bleibt es dabei, daß sich das Gericht in diesem Fall zumindest zur Zulässigkeit des Klagegrundes hätte äussern müssen.

    228 Mir scheint jedoch, daß die Rüge von BStG eher als ein Argument zur Stützung eines bereits in der Klageschrift erhobenen Klagegrundes denn als ein Klagegrund im eigentlichen Sinne anzusehen ist(87).

    229 Das Gericht ist zwar verpflichtet, sich zu allen Klagegründen und Argumenten der Parteien zu äussern; ich bin jedoch der Meinung, daß diese Verpflichtung nicht besteht, wenn die geltend gemachten Argumente nicht bestimmte Mindestanforderungen erfuellen.

    230 Es scheint mir den Grundsätzen eines sachgerechten Rechtsschutzes zuwiderzulaufen, wenn man vom Gericht verlangte, daß es sich mit jedem einzelnen Argument der Parteien auseinandersetzt, wenn sich herausstellt, daß diese Argumente reine, unsubstantiierte Behauptungen sind, für die offenbar kein Beweis angeboten wird. Würde dies unter dem Vorwand verlangt, die Parteien vor einer Rechtsverweigerung oder einem Begründungsmangel zu schützen, so bestuende die Gefahr, daß einer Zunahme von Rügen ohne Gehalt Vorschub geleistet wird, von denen manche nur mit dem Bestreben der Parteien gerechtfertigt werden könnten, das Urteil des Gerichts zu schwächen, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, gegebenenfalls seine Gültigkeit in Frage zu stellen.

    231 So, wie das Argument von BStG formuliert ist, erfuellt es die Kriterien für diese Art von Rügen. Zum einen stellt es sich als eine blosse Behauptung dar, die durch eine ungenaue Verweisung auf Informationen gekennzeichnet ist, über die die Rechtsmittelführerin, wie sie selbst einräumt, nicht verfügt, da sie sich in Händen ihres Vertragspartners befinden. Zum anderen bietet BStG keineswegs an, diese Behauptung zu beweisen. Daher ist angesichts dieser Kriterien festzustellen, daß der Inhalt des Arguments es nicht rechtfertigte, es vom Klagegrund der Anwendung der Verordnung Nr. 67/67, mit dem sich das Gericht auseinandergesetzt hat, zu trennen.

    232 Daher schlage ich Ihnen vor, festzustellen, daß das Argument von BStG vom Gericht nicht gesondert abgehandelt werden musste, und die Rüge des Begründungsmangels als unbegründet zurückzuweisen.

    233 Der vierte Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes ist daher insgesamt zurückzuweisen.

    5. Zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf die Quoten- und Preisabsprachen über den Benelux-Markt

    234 Das Gericht hat entschieden, daß "... der Kommission der Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an den Absprachen über den Benelux-Markt in bezug auf die Preise und an den Absprachen über die mengenmässigen Beschränkungen der deutschen Ausfuhren in die Benelux-Länder sowie über die Mitteilung der Exportzahlen rechtlich gelungen ist"(88).

    235 BStG trägt vor, das Gericht habe Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fehlerhaft angewandt, indem es wesentlichen Vortrag von ihr ausser acht gelassen habe. Das Gericht habe die Tatsache übergangen, daß ihre Mitarbeiter an den Sitzungen der Hersteller nur als Vertreter der Strukturkrisenkartellgemeinschaft oder des Fachverbands und nicht als Vertreter von BStG teilgenommen hätten. An Preisabsprachen über Lager- oder teilstandardisierte Matten habe sie kein Interesse gehabt. Ausserdem hätten deutsche Vertreter nur an wenigen Sitzungen teilgenommen.

    236 Zudem sei die Begründung des Urteils in sich widersprüchlich. Die blosse Teilnahme an einer Sitzung, bei der andere Unternehmen eine Preisabsprache getroffen hätten, könne dann kein Verstoß gegen die vorgenannte Vorschrift sein, wenn das Unternehmen nicht selbst die Produkte, die Gegenstand der Absprache seien, in den Markt liefere. Als Exporteur von Listenmatten in die Benelux-Länder sei BStG keine Teilnahme an Preisabsprachen über Standardmatten vorzuwerfen.

    237 Die Kommission ist der Ansicht, daß mit den von BStG erhobenen Rügen die Würdigung der vorgelegten Beweise durch das Gericht in Frage gestellt werden solle, was vorbehaltlich des Falles der Verfälschung dieser Beweismittel keine Rechtsfrage sei, die der Kontrolle des Gerichtshofes unterliege. Eine solche Verfälschung sei nicht dargetan. Schließlich sei die Begründung des Urteils des Gerichts nicht widersprüchlich.

    238 Ich beschränke mich erneut darauf, auf meine vorstehenden Ausführungen über die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts zur Beurteilung der ihm vorgelegten Tatsachen und Beweismittel zu verweisen, die auf Ihrer ständigen Rechtsprechung aufbauen(89).

    239 Bezueglich der Diskussion um die Eigenschaft von Herrn Müller führt das Gericht aus, daß es "... aus den gleichen Gründen, wie sie oben in Randnummer 92 dargelegt sind, dem Argument der Klägerin nicht folgen [kann], daß Herr Michäl Müller, der Vorsitzende ihrer Geschäftsleitung, nur als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten oder des Aufsichtsgremiums des Kartells und nicht als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klägerin gehandelt habe"(90).

    240 Das Gericht ist der Auffassung, daß "... dieses Argument durch keinen Beweis untermauert wird". Es führt weiter aus, daß "... Herr Müller bei der Anhörung versicherte, daß $im Auftrag des Verbandes ... während der Laufzeit des Kartells mit irgendeiner Marktrelevanz nirgends, weder hinsichtlich des deutschen Marktes noch hinsichtlich anderer Märkte gehandelt worden [sei]`"(91).

    241 Es ist zu bemerken, daß das Gericht die Beweislastregeln zutreffend angewandt hat, indem es festgestellt hat, daß die Rechtsmittelführerin ihren Vortrag nicht belegt habe. Da nämlich nicht bestritten ist, daß Herr Müller, der Vertreter von BStG, an den Sitzungen teilgenommen hatte, deren Zweck die Festsetzung von Preisen war(92), war das Gericht zu Recht der Auffassung, daß BStG zu beweisen hatte, daß Herr Müller in anderer Eigenschaft auftrat.

    242 Das Gericht konnte somit in Ausübung seiner unumschränkten Beurteilungsbefugnis der Meinung sein, daß dieser Beweis nicht erbracht war, so daß es nicht Aufgabe des Gerichtshofes ist, diese Würdigung in Frage zu stellen.

    243 In gleicher Weise hat sich das Gericht ausdrücklich zum Interesse von BStG am Zustandekommen von Absprachen über den Benelux-Markt geäussert. So hat es, wie ich im übrigen schon zum Teil geprüft habe(93), entschieden, daß es "... auch dem Argument der Klägerin nicht folgen [kann], daß sie wegen der geringen Mengen von Listenmatten, die sie exportiert habe, kein Interesse an einer Beteiligung an den Preisabsprachen gehabt habe. Denn erstens ist festzustellen, daß diese Exporte, in absoluten Zahlen ausgedrückt, nicht so gering waren, da sie sich ... im Jahr 1985 auf 18 000 Tonnen beliefen, von denen 5 128 Tonnen für die sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestimmt waren, was einen Exportumsatz im Gebiet der Gemeinschaft von 4 969 032 DM ergab. Zweitens ist daran zu erinnern, daß ein Zusammenhang zwischen den Preisen verschiedener Typen von Betonstahlmatten besteht, da der Preis von Lagermatten den Preis von Listen- und Zeichnungsmatten beeinflusst ... Als Exporteur von Listenmatten musste die Klägerin zwangsläufig wünschen, das Niveau der Lagermattenpreise innerhalb einer gewissen Bandbreite im Verhältnis zu den Listenmattenpreisen aufrechtzuerhalten. Drittens ist schließlich festzustellen, daß die Absprachen, an denen sich die Klägerin beteiligt hat, auf Gegenseitigkeit beruhten. BStG respektierte die Preise und Quoten auf dem Benelux-Markt, und die Benelux-Hersteller taten das gleiche auf dem deutschen Markt"(94).

    244 Aus dieser sorgfältigen Begründung ergibt sich eindeutig, daß das Gericht hinreichend geprüft und dargelegt hat, inwiefern die Rechtsmittelführerin ein Interesse daran haben konnte, sich an Preisabsprachen über Lager- oder teilstandardisierte Matten zu beteiligen. Seine Würdigung kann wiederum nicht in Frage gestellt werden, ohne daß die einschlägigen Vorschriften über die Zuständigkeit berührt werden.

    245 Schließlich ergibt sich aus dem Urteil, daß das Gericht sehr wohl die Zahl der Sitzungen berücksichtigt hat, an denen Vertreter der Rechtsmittelführerin teilgenommen hatten, da es ausführt, daß BStG "...ihre Teilnahme an bestimmten Sitzungen einräumt ..."(95), und feststellt, daß "... die Klägerin an sechs Sitzungen ... teilgenommen hat ..."(96), so daß nicht behauptet werden kann, das Gericht habe diesen Umstand übergangen. In Wirklichkeit war das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zur Tatsachenwürdigung offenbar nicht der Auffassung, daß die Anzahl der Sitzungen, an denen Mitarbeiter von BStG teilnehmen konnten, geeignet war, die Verantwortlichkeit des Unternehmens zu verringern. Insoweit könnte, wie bei den vorstehend von BStG geltend gemachten Punkten, nur die Verfälschung der dem Gericht zur Prüfung unterbreiteten Beweismittel die Zuständigkeit des Gerichtshofes begründen.

    246 Die Rechtsmittelführerin legt aber nicht dar und behauptet auch nicht, daß eine solche Verfälschung stattgefunden hat. Dies ergibt sich daraus, daß sie in ihrer Rechtsmittelschrift einfach nur einen Teil der Antworten auf die Fragen des Gerichts wiedergibt(97), das diese Antworten im übrigen in Randnummer 125 seines Urteils zum Teil zusammengefasst hat. Dem wiedergegebenen Text wird nur das Argument hinzugefügt, das Gericht habe den Vortrag der Rechtsmittelführerin ignoriert, womit bestätigt wird, daß ihr Begehren schlicht auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klageschrift abzielt, wofür der Gerichtshof nach Artikel 49 seiner Satzung nicht zuständig ist.

    247 BStG bringt somit keine ernstzunehmenden Argumente vor, mit denen dargetan werden könnte, daß die Würdigung durch das Gericht rechtsfehlerhaft sei, und hütet sich davor, die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung sie beantragt, genau zu bezeichnen. Sie macht nämlich keine Verletzung einer Rechtsvorschrift geltend und beschränkt sich darauf, die Tatsachenwürdigung durch das Gericht in Frage zu stellen.

    248 Was die von BStG angeführte widersprüchliche Begründung des Urteils angeht, so ist zu bemerken, daß die unmittelbar beanstandete Passage und die von BStG vorgebrachten Argumente, wie ich sogleich feststellen werde, keinen Widerspruch in der Argumentation des Gerichts erkennen lassen.

    249 Das Gericht ist in der von der Rechtsmittelführerin zitierten Randnummer 132 des Urteils "... der Auffassung, daß angesichts des offensichtlich wettbewerbsfeindlichen Charakters des Zweckes der Sitzungen, der durch die Fernschreiben von Herrn Peters an Tréfilunion belegt wird, die Klägerin dadurch, daß sie an den Sitzungen teilgenommen hat, ohne sich offen von ihrem Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gegeben hat, daß sie dem Ergebnis der Sitzungen zustimme und sich daran halten werde ... Diese Beurteilung wird nicht dadurch widerlegt, daß in den betreffenden Sitzungen gegen die deutschen Hersteller von den anderen Herstellern Vorwürfe erhoben wurden. Aus dem Inhalt der Fernschreiben von Herrn Peters ... ergibt sich nämlich, daß die Klägerin als das Unternehmen angesehen wurde, das bestimmte deutsche Hersteller dazu bewegen sollte und auch tatsächlich bewogen hat, die Preise auf dem Benelux-Markt zu respektieren."

    250 Diese Passage, in der die Verantwortlichkeit von BStG aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen gefolgert wird, wird von der Rechtsmittelführerin auf der Grundlage beanstandet, daß sie kein Interesse an Absprachen über Waren habe, die sie nicht herstelle, und daß Herr Müller an diesen Sitzungen nur in seiner Eigenschaft als Vertreter des Strukturkrisenkartells teilgenommen habe.

    251 Diese Rügen zielen somit nicht darauf ab, einen inneren Widerspruch in der Argumentation des Gerichts aufzuzeigen, sondern wiederum darauf, zu erreichen, daß die Würdigung des Sachverhalts oder der Beweismittel, die das Gericht zu diesen beiden Punkten an anderen Stellen seines Urteils vorgenommen hat, durch den Gerichtshof überprüft wird.

    252 Es ist nicht zweckdienlich, auf diese Argumente erneut einzugehen, da diese bereits oben widerlegt worden sind. Es genügt die Feststellung, daß sie der Argumentation des Gerichts in Randnummer 132 seines Urteils nicht widersprechen und auch keinen Widerspruch in dieser Argumentation erkennen lassen. Das Vorbringen von BStG ist daher zurückzuweisen.

    253 Aufgrund all dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, daß der sechste Klagegrund zurückzuweisen ist.

    G - Siebter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17

    254 BStG beruft sich insbesondere auf Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der vorsieht:

    "Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbussen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

    a) gegen Artikel 85 Absatz (1) .... des Vertrages verstossen ...

    Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse ist neben der Schwere des Verstosses auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."

    255 BStG trägt für den Rechtsmittelgrund des Verstosses gegen diese Vorschrift folgende Argumente vor:

    - Die Kommission habe keine individuelle Abwägung zwischen mildernden und strafschärfenden Umständen der Zuwiderhandlungen vorgenommen;

    - die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Strukturkrisenkartell sei zu ihren Lasten als Zuwiderhandlung angesehen worden;

    - ihre Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Strukturkrisenkartells und der zu dessen Schutz getroffenen Maßnahmen sei nicht berücksichtigt worden;

    - auch nach ihrer Reduzierung sei die gegen sie verhängte Geldbusse immer noch unverhältnismässig, da mehrere mildernde Umstände ausser acht gelassen worden seien.

    1. Zur fehlenden individuellen Abwägung zwischen mildernden und strafschärfenden Umständen

    256 BStG wirft dem Gericht vor, die Begründung der streitigen Entscheidung in bezug auf die Festsetzung der Höhe der Geldbusse für ausreichend gehalten zu haben. Das Gericht habe zu Unrecht angenommen, daß die Kommission die Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlungen individuell abgewogen habe.

    257 Die Kommission entgegnet, diese Rüge sei unzulässig, da sie darauf hinauslaufe, vor dem Gerichtshof die Argumente zu wiederholen, die BStG im ersten Rechtszug vorgebracht habe.

    258 Sie haben sich wiederholt zu Rechtsmittelgründen geäussert, mit denen geltend gemacht wurde, das Gericht habe die Begründung einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung, mit der eine Geldbusse verhängt wurde, fehlerhaft gewürdigt, ohne sie als unzulässig zu behandeln(98).

    259 Aus Ihrer Rechtsprechung ergibt sich nämlich, daß die Beurteilung der Begründung von Entscheidungen der Kommission betreffend Verfahren nach Artikel 85 des Vertrages durch das Gericht eine Rechtsfrage ist, die Ihrer Prüfung unterliegt. Die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

    260 Vorliegend wirft BStG der Entscheidung vor, sie kennzeichne nicht das ihr vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten und bezeichne auch nicht deutlich die verschiedenen belastenden oder entlastenden Umstände, die die betreffenden Tatsachen auszeichneten und die von der Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse berücksichtigt worden seien.

    261 Zur Stützung ihrer Rügen zitiert die Rechtsmittelführerin Punkt 203 der Entscheidung, der wie folgt lautet: "Bei der Festsetzung der einzelnen Geldbussen hat die Kommission das Ausmaß und die Dauer der Mitwirkung der beteiligten Unternehmen sowie ihre finanzielle und wirtschaftliche Stellung berücksichtigt." BStG will damit das Fehlen einer individuellen Abwägung zwischen den für die Sanktion berücksichtigten mildernden und strafschärfenden Umständen durch die Kommission veranschaulichen.

    262 Die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig erkennen lassen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die ergriffene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann.

    263 Ich weise sogleich darauf hin, daß die streitige Entscheidung wie das angefochtene Urteil keineswegs gegen die Begründungspflicht verstossen.

    264 Erstens werden offenbar in jeder Randnummer des Urteils, in der die von der Rechtsmittelführerin bestrittenen Zuwiderhandlungen geprüft werden, sorgfältig die Teile der Entscheidung zusammengefasst, die BStG betreffen. Das Gericht bezieht sich genau auf die zweckdienlichen Passagen der Entscheidung, in denen offenkundig das Verhalten von BStG und die Rolle betrachtet werden, die sie beim Zustandekommen oder beim Funktionieren jeder einzelnen Absprache gespielt hatte(99). Es ist übrigens bezeichnend, daß BStG es nicht für erforderlich gehalten hat, bei diesen Passagen im einzelnen auf die Gesichtspunkte hinzuweisen, die die Darlegung der Gründe der Entscheidung durch die Kommission schwächen könnten, was somit darauf hinweist, daß keine ernstzunehmende Unzulänglichkeit festzustellen ist.

    265 Zweitens hat das Gericht zur Begründung seiner Auffassung, daß die Entscheidung, insgesamt gesehen, der Rechtsmittelführerin die Angaben mitgeteilt hat, aufgrund deren diese erkennen konnte, ob sie begründet war, und das Gericht in die Lage versetzt hat, seine Kontrolle ihrer Rechtmässigkeit auszuüben, folgendes klargestellt:

    "Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin die Entscheidung in einer Weise interpretiert, die einen ihrer Teile künstlich isoliert, obwohl jeder Teil der Entscheidung, da diese ein Ganzes darstellt, im Licht der anderen Teile gesehen werden muß. Insgesamt gesehen hat die Entscheidung der Klägerin die erforderlichen Angaben mitgeteilt, so daß diese die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihr vorgeworfen wurden, sowie die spezifischen Umstände ihres Verhaltens, insbesondere auch die in bezug auf die Dauer ihrer Beteiligung an den verschiedenen Zuwiderhandlungen, erkennen konnte. Das Gericht stellt ausserdem fest, daß die Kommission in dem Teil der Entscheidung über die rechtliche Beurteilung die verschiedenen Kriterien für die Bewertung der Schwere der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen und die verschiedenen Umstände, die die wirtschaftlichen Folgen der Zuwiderhandlungen abgeschwächt haben, dargelegt hat"(100).

    266 Das Gericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die streitige Entscheidung nicht auf der Grundlage einer Interpretation in Frage gestellt werden kann, bei der Teile der Entscheidung isoliert betrachtet werden. Die von der Rechtsmittelführerin in ihren Schriftsätzen zitierten Punkte 197 ff. der Entscheidung reichen nicht aus, um das Fehlen einer individualisierten Begründung darzutun, da die Entscheidung, wie ich gerade festgestellt habe, für jede einzelne Zuwiderhandlung - auch wenn dies an verschiedenen Stellen erfolgt - die BStG zuzurechnenden Tatsachen gekennzeichnet hat. Im Hinblick auf das Gebot der Klarheit, das für eine Beweisführung in bezug auf die Verantwortlichkeit mehrerer Handlungsträger und das Vorliegen zahlreicher Zuwiderhandlungen gilt, müssen die verschiedenen belastenden oder entlastenden Umstände des Verhaltens der Rechtsmittelführerin nämlich nicht in einer einzigen Passage der streitigen Entscheidung zusammengefasst werden. Infolgedessen hat das Gericht zutreffend bemerkt, daß die verschiedenen Kriterien für die Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlungen und die verschiedenen mildernden Umstände dargelegt wurden, was von BStG nicht substantiiert bestritten worden ist.

    267 Was drittens die zu Lasten von BStG berücksichtigten erschwerenden Umstände angeht, so hat das Gericht festgestellt, daß "... die Klägerin nichts vorgebracht hat, was die Beweise widerlegen könnte, die die Kommission vorgelegt hat, um die aktive Rolle zu belegen, die die Klägerin bei den Absprachen gespielt hat, wie sie sich aus dem Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 (... Punkte 93 und 94 der Entscheidung) und dem Fernschreiben von Herrn Peters vom 4. März 1984 über die Sitzung vom 28. Februar 1984 (... Punkt 96 der Entscheidung) ergibt"(101).

    268 Das Gericht bezieht sich somit auf bestimmte Passagen der streitigen Entscheidung, in denen Verhaltensweisen der Rechtsmittelführerin gekennzeichnet werden, die geeignet sind, eine grössere Härte bei der Festsetzung der verhängten Sanktion zu rechtfertigen. In diesen Ausführungen hebt die Kommission gleichzeitig die Rolle von BStG als treibende Kraft bei den Zuwiderhandlungen und die Art und Weise hervor, in der Herr Müller seine dreifache Eigenschaft eingesetzt hat. Punkt 207 der Entscheidung, worin die Kommission erklärt, daß gegen Unternehmen, deren leitende Persönlichkeiten in den Unternehmensvereinigungen wie Fachverband Betonstahlmatten leitende Stellungen und wichtige Funktionen innehatten, höhere Geldbussen als gegen die übrigen Unternehmen festgesetzt werden müssen, ergänzt in zweckdienlicher Weise die fraglichen Passagen.

    269 Ich weise darauf hin, daß die Rechtsmittelführerin diese verschiedenen Gesichtspunkte nicht erwähnt, wenn sie unter alleiniger Anführung der Punkte 197 ff. die unzureichende Begründung der Entscheidung beanstandet.

    270 Viertens hat das Gericht die Rügen von BStG bezueglich der mildernden Umstände geprüft. Es führt nämlich aus, daß "... darauf hinzuweisen [ist], daß die Kommission in ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichts angegeben hat, daß der Klägerin kein individueller mildernder Umstand zugute gekommen sei ..."(102).

    271 Hinzu kommt, daß die Kommission dargelegt hat, weshalb sie bei der Bemessung der Geldbussen die charakteristischen Merkmale und die wirtschaftliche Bedeutung der betroffenen Branche berücksichtigt hatte(103). Aufgrund der Tatsache, daß dieser Umstand einen Kontext darstellt, der den verschiedenen Zuwiderhandlungen gemein ist, und daß er keine Wirkungen hervorgebracht hat, die auf bestimmte Unternehmen beschränkt waren, war die Kommission nicht verpflichtet, eine individuelle Abwägung vorzunehmen.

    272 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Rüge, das Gericht habe die Begründung der Entscheidung betreffend die Umstände der Zuwiderhandlungen fehlerhaft beurteilt, zurückzuweisen ist.

    2. Zur nachteiligen Berücksichtigung der Beteiligung von BStG am Strukturkrisenkartell

    273 BStG trägt vor, die Begründung des Urteils sei in sich widersprüchlich. Während es in den Randnummern 55 ff. und 140 heisse, daß das Kartell als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung der Kommission festgestellten Zuwiderhandlungen sei, weise das Gericht in Randnummer 148 darauf hin, daß die Rechtsmittelführerin das Kartell benutzt habe, um den deutschen Markt zu schützen. Ausserdem räume die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache Boël/Kommission(104) gegenüber dem Gericht ein, daß sie das Bestehen des Kartells zu Lasten von BStG als eine Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.

    274 Zudem sei durch die negative Bewertung des Strukturkrisenkartells der Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt worden, da die Kommission dadurch, daß sie das Kartell geduldet habe, einen Vertrauenstatbestand gesetzt habe, auf den sich die Rechtsmittelführerin habe verlassen können.

    275 Die Kommission vertritt die Ansicht, das Gericht habe die in der streitigen Entscheidung getroffene Wahl, das Bestehen des Strukturkrisenkartells nicht als einen mildernden Umstand für BStG zu werten, gerechtfertigt.

    276 Mit dieser Rüge möchte die Rechtsmittelführerin darlegen, daß die Kommission und das Gericht BStG in Wirklichkeit die Beteiligung am Krisenkartell zur Last gelegt hätten, obwohl die Kommission über das Bestehen des Kartells unterrichtet gewesen sei und es überdies geduldet habe.

    277 In den Randnummern 55 und 140 des Urteils bekräftigt das Gericht, daß das Krisenkartell als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen sei. Nichts anderes sagt es, wenn es in Randnummer 148 ausführt, daß "... die Klägerin das Kartell benutzt hat, um den deutschen Markt durch Maßnahmen, die mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar waren, gegen die Konkurrenz der Hersteller anderer Mitgliedstaaten zu schützen". Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß BStG im einen wie im anderen Fall nicht die Bildung des Kartells und auch nicht ihre Beteiligung an ihm, sondern seine Benutzung als Instrument für wettbewerbswidrige Praktiken vorgeworfen wird.

    278 Dieser Punkt wird durch den Umstand bekräftigt, daß der Zweck des Kartells nach der Entscheidung der Kommission rein auf den deutschen Markt beschränkt war, da es den Abbau von Produktionskapazitäten der deutschen Wirtschaftsteilnehmer sowie eine Preisregelung und die Festsetzung von Lieferquoten für den deutschen Markt vorsah(105). Die BStG vorgeworfenen Zuwiderhandlungen bestehen aber in Verhaltensweisen, mit denen die Ausfuhren von Betonstahlmatten aus Deutschland in andere Mitgliedstaaten beschränkt und Preise auf anderen Märkten als dem deutschen Markt festgesetzt werden sollten. Was die Vereinbarungen über die Kontingentierung der Ausfuhren aus den anderen Mitgliedstaaten nach Deutschland und die Einhaltung der deutschen Marktpreise betrifft, so hat BStG nicht dargetan, daß die Kommission sie als Bestandteile des Kartellvertrags angesehen hat.

    279 Das Gericht hat ausserdem u. a. darauf hingewiesen, daß in der Entscheidung ausgeführt werde:

    - In Punkt 126 erster Absatz: "Die Absprachen, die den deutschen Markt betreffen, sind vor dem Hintergrund der Gründung und der Funktionsweise des Strukturkrisenkartells Betonstahlmatten zu betrachten";

    - in Punkt 175, daß bestimmte "... Klauseln [des Kartellvertrags] darüber hinaus zum Zweck oder zumindest zur Folge [hatten], daß das Strukturkrisenkartell als Instrument zur Erreichung von bilateralen Absprachen zwischen deutschen Herstellern einerseits und Herstellern aus anderen Mitgliedstaaten andererseits benutzt wurde"(106).

    280 Somit ist weder in der Argumentation der Kommission noch in der Begründung, mit der das Gericht diese übernimmt, ein Widerspruch zu erkennen.

    281 Die von BStG angeführte Einlassung der Kommission in einer anderen Rechtssache, sie habe in Punkt 174 der Entscheidung das Kartell "zu Lasten" der Rechtsmittelführerin berücksichtigt, reicht nicht aus, um alle anderen, zum Teil in den vorstehenden Absätzen wiedergegebenen Angaben der Entscheidung zu widerlegen, die das Gegenteil besagen. Dies gilt um so mehr, als die zitierte Passage zwar die wettbewerbswidrigen Wirkungen des Kartells beschreibt, die die Kommission nie bestritten hat, sich aus ihr aber nicht ergibt, daß das Kartell eine der festgestellten Zuwiderhandlungen darstellt(107).

    282 Unter diesen Umständen kann die Rechtsmittelführerin meiner Meinung nach nicht behaupten, das Kartell sei als Bestandteil der ihr vorgeworfenen Zuwiderhandlungen berücksichtigt worden.

    283 Das Vorbringen bezueglich der von der Kommission zum Ausdruck gebrachten Duldung des Kartells, die, wenn sie sich bewahrheitete, die Verantwortlichkeit von BStG verringern würde, ist daher ebenfalls nicht mehr relevant. Da nämlich das Kartell als solches nicht mißbilligt wurde, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, sie stelle die ihr insoweit zugeschriebene Duldung in Frage und verstosse damit gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

    3. Zu der von BStG geltend gemachten Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Strukturkrisenkartells und der auf dessen Schutz gerichteten Verhaltensweisen

    284 BStG wirft dem Gericht vor, es habe sich mit dem Argument, daß sie keine Kenntnis von der Widerrechtlichkeit des Krisenkartells gehabt habe, nicht auseinandergesetzt und festgestellt, daß die vorgeworfenen Zuwiderhandlungen "vorsätzlich" begangen worden seien im Sinne von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17. Genauso wenig habe sie Kenntnis davon gehabt, daß Verhaltensweisen, die wie die vorliegend beanstandeten zur Verteidigung des Kartells bestimmt gewesen seien, nicht erlaubt gewesen seien.

    285 Die Kommission entgegnet, das Vorbringen von BStG sei unzulässig, da es erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werde.

    286 Das letztgenannte Argument der Rechtsmittelführerin wurde dem Gericht ganz offensichtlich nicht unterbreitet, so daß es unzulässig ist.

    287 Die erstgenannte Rüge ist zulässig. Aus dem Urteil ergibt sich nämlich, daß BStG vor dem Gericht die Ansicht vertrat, daß das Kartell erlaubt sei, womit sie sich auf ihre Unkenntnis von dessen Widerrechtlichkeit berufen hat(108).

    288 Die Rüge ist aber unbegründet, da das Gericht, wie wir gesehen haben, zuvor mit einer rechtlich hinreichenden Begründung den Klagegrund der Berücksichtigung des deutschen Strukturkrisenkartells als Bestandteil der in der streitigen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen zurückgewiesen hat. Da dieser Gesichtspunkt daher für die Qualifizierung des Sachverhalts nicht mehr zweckdienlich war, war die Frage, ob BStG von der Widerrechtlichkeit des Kartells Kenntnis hatte, für die Beurteilung der Frage, ob die ihr vorgeworfenen Zuwiderhandlungen "vorsätzlich" begangen wurden, nicht relevant.

    4. Zur Unverhältnismässigkeit der Geldbusse

    289 Abschließend trägt BStG vor, auch nach ihrer Reduzierung um ein Drittel sei die vom Gericht verhängte Geldbusse noch immer unverhältnismässig, da das Gericht verschiedene Milderungsgründe ausser acht gelassen habe. Für ihren Antrag auf Herabsetzung des Betrages der Geldbusse beruft sich die Rechtsmittelführerin auf

    - den Grundsatz, daß die Strafe der Schuld angemessen sein müsse, der dadurch verletzt werde, daß die Geldbusse auf nahezu ein Drittel ihres Eigenkapitals festgesetzt werde, was ihren finanziellen Bewegungsspielraum erheblich einenge;

    - die von den nationalen Behörden zum Ausdruck gebrachte Duldung des Strukturkrisenkartells;

    - das Erfordernis, bei der Berechnung der Geldbusse nur den Umsatz in Zusammenhang mit den vorgeworfenen Absprachen und nicht den Gesamtumsatz zu berücksichtigen;

    - das Erfordernis, die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht als Milderungsgrund anzusehen;

    - den Fehler, der darin bestehe, die Geldbusse anhand ihres Marktanteils festzusetzen;

    - den Gleichheitssatz, wonach die gegen sie verhängte Geldbusse im Vergleich zu den anderen aufgrund der Entscheidung der Kommission verhängten Geldbussen nicht unverhältnismässig höher ausfallen dürfe.

    290 Diese Rügen laufen darauf hinaus, die Auslegung und die Anwendung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 durch die Kommission oder das Gericht in Frage zu stellen.

    291 Der erste Unterabsatz dieser Vorschrift enthält die Voraussetzungen, die erfuellt sein müssen, damit die Kommission Geldbussen verhängen kann. Darunter befindet sich die Voraussetzung bezueglich des vorsätzlichen oder fahrlässigen Charakters der Zuwiderhandlung oder der Handlung, die zu ihr geführt hat. Der zweite Unterabsatz bestimmt die Grundsätze für die Festsetzung der Höhe der Geldbusse, die anhand der Schwere und der Dauer des Verstosses zu erfolgen hat.

    292 Sie haben entschieden, daß "die Schwere der Zuwiderhandlungen ... anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln [ist], zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten ..."(109)

    293 Mit dieser Begründung weisen Sie darauf hin, daß es unter den Gesichtspunkten, die für die Bemessung der Schwere der Zuwiderhandlung verwendet werden können, keine Kriterien gibt, die stets zu berücksichtigen wären oder denen nicht Rechnung getragen werden dürfte. Sie sind also offenbar der Auffassung, daß es Sache der Kommission ist, in jeder Sache die anzuwendenden Beurteilungskriterien für die Schwere der Zuwiderhandlung zu bestimmen, natürlich unter dem Vorbehalt, daß die Gründe, aufgrund deren ihr die gewählten Kriterien angemessen erscheinen, hinreichend beschrieben werden.

    294 Daher fallen die meisten Argumente von BStG in die Beurteilungsbefugnis des Gerichts und können Ihrer Nachprüfung nur unterzogen werden, wenn ein Rechtsfehler zu erkennen ist wie derjenige, der darin bestuende, daß Umstände berücksichtigt werden, die für die Kennzeichnung der Schwere einer Zuwiderhandlung offensichtlich ungeeignet sind(110).

    295 Ich prüfe die verschiedenen Rügen der Rechtsmittelführerin im Licht dieser sich aus dem Gesetz und der Rechtsprechung ergebenden Grundsätze.

    a) Überlange Dauer der Verfahren

    296 Da die Rüge, die Kommission habe bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse nicht die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens berücksichtigt, nicht im ersten Rechtszug erörtert worden ist, ist sie als unzulässig zurückzuweisen. Aus den bereits dargelegten Gründen(111) kann dieser Punkt nicht erstmals vor dem Gerichtshof geltend gemacht werden.

    297 Bezueglich der Berücksichtigung der Dauer des Gerichtsverfahrens genügt es, den Gerichtshof auf meine Ausführungen zum Rechtsmittelgrund der Nichteinhaltung der "angemessenen Frist" zu verweisen. Dort habe ich die Auffassung vertreten, daß die Dauer des Verfahrens nicht geeignet war, sich in irgendeiner Weise strafmildernd auszuwirken, denn es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Verhalten, das die Zuwiderhandlung begründet, und der Zeit, die bis zur Entscheidung über dieses Verhalten verstreicht. Der Schweregrad der zur Last gelegten Handlungen bleibt der gleiche, ob man ihn nun vor oder nach dem Verfahren beurteilt, so daß seine Abschwächung aus Gründen, die mit dem Ablauf des gerichtlichen Verfahrens zusammenhängen, nicht zu rechtfertigen ist(112).

    298 Vor einer Entscheidung über die anderen Rügen von BStG ist darauf hinzuweisen, daß die Prüfung einzelner Rügen ergibt, daß sich BStG darauf beschränkt, die vor dem Gericht vorgebrachten Argumente zu wiederholen, und nichts dafür vorträgt, daß dem Gericht bei seiner Beurteilung ein Rechtsfehler unterlaufen ist(113).

    b) Unverhältnismässigkeit der Höhe der Geldbusse im Hinblick auf das Eigenkapital

    299 Die Rechtsmittelführerin wiederholt mit Blick auf das Gericht das Argument, daß sie vor dem Gericht gegenüber der Kommission geltend gemacht hatte(114).

    300 Das Gericht hat bemerkt, daß "... die Tatsache, daß sie nur ein geringes Gesellschaftskapital besitzt, eine wirtschaftliche Entscheidung der Klägerin darstellt, die keinen Einfluß auf die Höhe der Geldbusse haben kann, die auf dem Umsatz beruht"(115). Das Gericht hat somit geprüft, weshalb das Verhältnis zwischen dem Gesellschaftskapital und der Höhe der Geldbusse bei deren Festsetzung nicht in Betracht gezogen wurde. Die Rechtsmittelführerin trägt kein rechtliches Argument vor, das geeignet wäre, die Beurteilung des Gerichts in Frage zu stellen. Die Rüge ist für unzulässig zu erklären.

    c) Nichtberücksichtigung des Strukturkrisenkartells als Milderungsgrund

    301 Dieses Argument von BStG wurde ebenfalls vor dem Gericht geltend gemacht und von diesem ausdrücklich damit widerlegt, daß "... die Kommission, abgesehen von der Beurteilung des Gerichts in Randnummer 122, das Bestehen des Strukturkrisenkartells zu Recht nicht als allgemeinen mildernden Umstand gegenüber der Klägerin berücksichtigt hat. Zum einen ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin von der Möglichkeit des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag, der Kommission den Kartellvertrag anzuzeigen, um eine Erklärung über die Nichtanwendbarkeit von Absatz 1 zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht hat, und zum anderen darauf, daß die Klägerin das Kartell benutzt hat, um den deutschen Markt durch Maßnahmen, die mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar waren, gegen die Konkurrenz der Hersteller anderer Mitgliedstaaten zu schützen"(116). Da die Rechtsmittelführerin keine rechtlichen Gesichtspunkte gegen das Urteil des Gerichts vorbringt, ist das Argument von BStG unzulässig.

    d) Verstoß gegen den Gleichheitssatz

    302 Die Rüge des Verstosses gegen den Gleichheitssatz, der in der verglichen mit den anderen Geldbussen unverhältnismässigen Höhe der gegen BStG verhängten Geldbusse bestehen soll, ist gleichfalls zurückzuweisen.

    303 Das Gericht hat diesen Punkt geprüft und sodann zurückgewiesen. Es hat wegen der Festsetzung der Höhe der Geldbusse auf einen Prozentsatz von 3,15 des Umsatzes darauf hingewiesen, daß "... der Klägerin, abgesehen von der Entscheidung in Randnummer 122, kein mildernder Umstand zugute kommt, daß hingegen bei ihr - wie auch bei Tréfilunion, der gegenüber ein höherer Prozentsatz, 3,60 %, angewandt wurde - ein erschwerender Umstand berücksichtigt wurde, der ... der Anzahl und der Bedeutung der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen entspricht"(117).

    304 Es ist festzustellen, daß BStG gegen die Gründe des Urteils keine Verletzung des anwendbaren Rechts vorbringt und sich damit begnügt, die im ersten Rechtszug vorgebrachte Argumentation zu wiederholen.

    e) Ungerechtfertigte Berücksichtigung des Marktanteil-Kriteriums bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse

    305 BStG wendet sich gegen die Heranziehung dieses Kriteriums mit der Begründung, die finanziellen Ressourcen eines Unternehmens seien nicht proportional zu seiner Marktposition. Mit dieser Rüge bezieht sich die Rechtsmittelführerin auf einen Urteilsgrund, mit dem das Gericht den Umstand, daß die Rechtsmittelführerin keiner mächtigen Wirtschaftseinheit angehört habe, nicht als mildernden Umstand berücksichtigt hat. Das beanstandete Kriterium stammt offenbar aus dem Urteil selbst und wurde somit nicht als solches vor dem Gericht erörtert. Wie ich jedoch zuvor ausgeführt habe(118), fällt die Auswahl der Kriterien für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen in die Beurteilungsbefugnis des Gerichts.

    306 Sonst wird für diese Rüge kein Rechtsfehler behauptet. Daher ist die Rüge unzulässig.

    f) Nicht gerechtfertigte Berücksichtigung des Gesamtumsatzes

    307 BStG wirft der Kommission und dem Gericht vor, die gegen sie verhängte Geldbusse auf der Grundlage ihres Gesamtumsatzes berechnet zu haben, anstatt sie anhand des Umsatzes zu bemessen, der von den Absprachen betroffen gewesen sei.

    308 Das Gericht hat darauf hingewiesen, daß die Kommission nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 "... Geldbussen in Höhe von ... bis einer Million ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des ... erzielten Umsatzes festsetzen kann", und sodann entschieden, daß "... die Kommission, die nicht den Gesamtumsatz der Klägerin, sondern nur den Umsatz an Betonstahlmatten in den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft berücksichtigt und die 10%-Grenze nicht überschritten hat, angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung somit nicht gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verstossen hat"(119).

    309 Das Gericht hat somit zunächst in Ausübung seiner Befugnis zur Sachverhaltsfeststellung darauf hingewiesen, daß nur der Umsatz an Betonstahlmatten der Berechnung der Geldbusse zugrunde gelegt worden sei. Sodann hat es die vorgenannte Vorschrift zutreffend angewandt, indem es darauf hingewiesen hat, daß diese eine doppelte mögliche Grenze vorsieht, die zum einen durch die Bezugnahme auf einen absoluten Betrag und zum anderen auf höchstens 10 % des Gesamtumsatzes gekennzeichnet ist, um schließlich festzustellen, daß die Kommission das anwendbare Recht eingehalten habe, indem sie sich auf einen geringeren Umsatz bezogen und jedenfalls nicht den erlaubten Prozentsatz überschritten habe.

    310 Dem ist hinzuzufügen, daß sich aus Artikel 15 Absatz 2 keineswegs ergibt, daß der darin erwähnte Umsatz nur den Umsatz betrifft, der mit der vorgeworfenen Zuwiderhandlung in Zusammenhang steht.

    311 Die von der Rechtsmittelführerin erhobene Rüge ist daher unbegründet. Somit ist der siebte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

    H - Zum Hilfsantrag auf Herabsetzung der Geldbusse auf einen angemessenen Betrag

    312 Insoweit genügt der Hinweis auf Ihre ständige Rechtsprechung, wonach "... es nicht Sache des Gerichtshofes ist, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über den Betrag der gegen Unternehmen wegen ihres Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbussen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen ..."(120). Der Antrag ist daher unzulässig.

    Ergebnis

    313 Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich Ihnen daher vor,

    - das Rechtsmittel vollständig zurückzuweisen;

    - der Rechtsmittelführerin gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    (1) - T-145/89, Slg. 1995, II-987.

    (2) - IV/31.553 - Betonstahlmatten (ABl. L 260, S. 1).

    (3) - Siehe I A Nr. 3 der streitigen Entscheidung. Dem Gericht zufolge kennt die Klägerin eine vierte Kategorie von Betonstahlmatten, die der Letter- oder teilstandardisierten Matten, die den Lagermatten ähnlich seien (Randnr. 38 des Urteils).

    (4) - Geschäftsführer von BStG und Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten (Randnr. 25). Dieser Fachverband ist "... die Vereinigung der deutschen Betonstahlmattenhersteller. In ihm sind beinahe alle Betonstahlmattenhersteller zusammengeschlossen" (Punkt 18 Fußnote 2 der streitigen Entscheidung).

    (5) - Randnr. 59.

    (6) - Randnr. 69.

    (7) - Randnr. 83.

    (8) - Randnr. 95.

    (9) - Randnr. 96.

    (10) - Randnr. 110.

    (11) - Randnr. 123.

    (12) - Randnr. 124.

    (13) - ABl. L 319, S. 1.

    (14) - Verordnung vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

    (15) - Rechtsmittelschrift, S. 2 f.

    (16) - Rechtsmittelschrift, Randnr. 6.

    (17) - Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-299/95 (Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe insbesondere die Urteile vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73 (Nold/Kommission, Slg. 1974, 491, Randnr. 13), vom 28. Oktober 1975 in der Rechtssache 36/75 (Rutili, Slg. 1975, 1219, Randnr. 32), vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 63/83 (Kirk, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22), vom 1. April 1987 in der Rechtssache 257/85 (Dufay/Parlament, Slg. 1987, 1561, Randnr. 10) und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-404/92 P (X/Kommission, Slg. 1994, I-4737, Randnr. 17).

    (18) - Diese Vorschrift lautet: "Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben."

    (19) - Die Unterscheidung zwischen Grundrechten und anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist schwierig, vor allem wenn die einen wie die anderen von der Konvention geschützt werden, denn diese verfolgt den Schutz der "Menschenrechte und Grundfreiheiten" und greift diese Unterscheidung nicht auf. Die Grenze, anhand deren sich die erstgenannten von den zweitgenannten unterscheiden lassen, kann folgender Gedanke erhellen: "Verglichen mit den allgemeinen Grundsätzen ist der Begriff $Grundrechte` dagegen vor allem den $Menschenrechten` vorbehalten, d. h. den objektiven Rechten, die der menschlichen Person inhärent und im wesentlichen von individuellem Charakter sind." J.-P. Puissochet, "La Cour de justice et les principes généraux du droit", Xe congrès de l'Union des avocats européens sur La protection juridictionnelle des droits dans le système communautaire, Les annonces de la Seine, 10. Oktober 1996, Nr. 69, S. 3. Zur Konvention und den nationalen Verfassungsüberlieferungen sowie zu anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen als den Grundrechten vgl. Urteile vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84 (Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18), vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens u. a., Slg. 1987, 4097, Randnr. 14) und vom 12. Dezember 1996 in den Rechtssachen C-74/95 und C-129/95 (X, Slg. 1996, I-6609, Randnr. 25).

    (20) - Vgl. z. B. Urteile Dufay/Parlament und X/Kommission (a. a. O.).

    (21) - Vgl. z. B. Urteile vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 85/87 (Dow Benelux/Kommission, Slg. 1989, 3137, Randnrn. 22 ff.) und vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87 (Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 30).

    (22) - Vgl. z. B. Urteil Johnston (a. a. O., Randnr. 18) zu dem in einer Gemeinschaftsrichtlinie verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und Urteil ERT (a. a. O., Randnrn. 41 ff.) zur Berücksichtigung des Grundsatzes der Meinungsfreiheit bei der Beurteilung des Gebrauchs, den die Mitgliedstaaten von der ihnen eingeräumten Befugnis machen, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit aus bestimmten Gründen zu beschränken.

    (23) - Vgl. z. B. Urteile vom 5. März 1980 in der Rechtssache 98/79 (Pecastaing, Slg. 1980, 691, Randnrn. 21 und 22), vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 6 ff.), Johnston (a. a. O.), Dufay/Parlament (a. a. O.), vom 10. November 1993 in der Rechtssache C-60/92 (Otto, Slg. 1993, I-5683, Randnr. 11), vom 3. Dezember 1992 in der Rechtssache C-97/91 (Oleificio Borelli/Kommission, Slg. 1992, I-6313, Randnrn. 13 ff.) und vom 6. Juli 1993 in den Rechtssachen C-121/91 und C-122/91 (CT Control [Rotterdam] und JCT Benelux/Kommission, Slg. 1993, I-3873, Randnrn. 50 ff.). Bis heute haben Sie jedoch den Grundsatz des "fairen Prozesses" oder eines der Rechte, aus denen er besteht, offenbar nicht als "Grundrecht" qualifiziert.

    (24) - Im Urteil vom 16. September 1997 in der Rechtssache C-362/95 P (Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, Slg. 1997, I-4775, Randnr. 26) wurde vor dem Gerichtshof der Rechtsmittelgrund, das Gericht habe das Recht auf einen "fairen Prozeß" verletzt, erhoben, allerdings ohne Erfolg.

    (25) - Insoweit ist auf den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 30. Mai 1991 hinzuweisen, der auf die vorliegende Rechtssache übertragbar ist. Die Europäische Kommission war hinsichtlich einer finanziellen Sanktion, die von einer nationalen Behörde im Bereich des Wettbewerbsrechts gegen ein Unternehmen verhängt worden war, der Auffassung, daß "... die Entscheidung des Ministers, eine finanzielle Sanktion zu verhängen, im Hinblick auf die Konvention eine Entscheidung über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage darstellte und den Charakter einer Strafmaßnahme aufwies" (EGMR, Société Stenuit/Frankreich, Serie A, Nr. 232, Punkt 65). Die Europäische Kommission für Menschenrechte nahm Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Sie wies darauf hin (Punkt 62), daß die streitige Bestimmung "... die normalerweise durch das Strafrecht geschützten Allgemeininteressen der Gesellschaft [berührte]". Sodann stellte sie fest (Punkt 63), daß "... $Zuwiderhandlungen, die ihren Urheber Sanktionen aussetzen, die abschreckend wirken sollen und die üblicherweise aus Freiheits- oder Geldstrafen bestehen, im allgemeinen dem Strafrecht unterfallen` (EGMR, Urteil [vom 21. Februar 1984], Öztürk ... [Serie A, Nr. 73])", und kam anschließend zu dem Ergebnis, daß der Rechtsstreit strafrechtlichen Charakter im Sinne der Konvention habe.

    (26) - Randnr. 30 des Urteils Orkem/Kommission (a. a. O.) beginnt wie folgt: "Was Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention angeht, so ist zwar einzuräumen, daß sich ein Unternehmen, gegen das eine Untersuchung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts durchgeführt wird, auf diese Vorschrift berufen kann ..." Es besteht nur scheinbar ein Vorbehalt bezueglich der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf juristische Personen, da sich der Vorbehalt in Wirklichkeit auf die Anwendung der Vorschrift im Stadium der Untersuchung bezieht.

    (27) - Ausweislich des Berichts in der Rechtssache Société Stenuit/Frankreich (a. a. O.) vertritt die Kommission "... die Ansicht, daß sich eine juristische Person auf Artikel 6 der Konvention berufen kann, wenn gegen sie eine $strafrechtliche Anklage` erhoben worden ist" (Punkt 66).

    (28) - Dies ergibt sich im Gegenschluß aus Randnr. 31 Ihres Urteils vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411), in der Sie ausgeführt haben, daß "... es nicht Sache des Gerichtshofes ist, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über den Betrag der gegen Unternehmen wegen ihres Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbussen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (vgl. Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnr. 34)".

    (29) - Urteil vom 2. Dezember 1992 in der Rechtssache C-370/89 (Slg. 1992, I-6211).

    (30) - Nr. 14 seiner Schlussanträge.

    (31) - Randnr. 16 des Urteils.

    (32) - Zur Problematik, die sich aus der grundsätzlichen Haftung der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit ergibt, siehe B. du Ban, "Les principes généraux communs et la responsabilité non contractuelle de la Communauté", Cahiers de droit européen, 1977, Nr. 4, S. 397.

    (33) - Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG zur Änderung des Beschlusses 88/591 (ABl. L 144, S. 21).

    (34) - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte begnügt sich nicht mit einer subjektiven Beurteilung der Unparteilichkeit des betreffenden Gerichts, sondern nimmt ausserdem eine objektive Beurteilung vor: "Für die Zwecke des Artikels 6 Absatz 1 ist die Unparteilichkeit zum einen nach einem subjektiven Kriterium zu beurteilen, nämlich auf der Grundlage der persönlichen Überzeugung des jeweiligen Richters in einem bestimmten Fall, und zum anderen auch nach einem objektiven Kriterium, nämlich der Frage, ob der jeweilige Richter ausreichende Garantien für den Ausschluß jeglichen begründeten Zweifels biete ..." (EGMR, Urteil Hauschildt vom 24. Mai 1989, Serie A, Nr. 154, Punkt 46). "Insoweit können sogar blosse Anzeichen von einer gewissen Bedeutung sein" (Punkt 48). Ein Gericht, das im Rahmen der Entscheidung über einen Schadensersatzantrag über die Rechts- oder Pflichtwidrigkeit seines eigenen Funktionierens zu befinden hat, stellt, auch wenn seine Zusammensetzung geändert wird, um zu verhindern, daß die Richter, die in der ursprünglichen Rechtssache geurteilt haben, die gleichen sind wie diejenigen, die die Haftung ihres Gerichts zu beurteilen haben, für mich ein Musterbeispiel für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit dar.

    (35) - Siehe Artikel 46 Absatz 1 in der geänderten Fassung und Artikel 18 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes sowie die Artikel 53 f. der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Mai 1991 (ABl. L 136 vom 30. Mai 1991, S. 1, berichtigt durch ABl. L 317 vom 19. November 1991, S. 34).

    (36) - Folgende Beschreibung dieses Grundsatzes im französischen Strafrecht ist im wesentlichen übertragbar: "Die erkennenden Gerichte müssen ihre Überzeugung grundsätzlich anhand der Beweise gewinnen, die vor ihnen mündlich und unmittelbar erhoben werden, d. h. daß sie über das entscheiden müssen, was sie in der mündlichen Verhandlung hören (oder sehen), und nicht über die schriftlichen Unterlagen der Polizei- oder Ermittlungsakten. Es ist nämlich wünschenswert, daß die Richter nicht nur nach Aktenlage, sondern nach einer persönlichen und menschlichen Kenntnis der Täter und der Zeugen der Tat entscheiden." P. Bouzat und J. Pinatel, Traité de droit pénal et de criminologie, Band II, 1970, Randnr. 1336.

    (37) - Vgl. EGMR, Urteile Unión Alimentaria Sanders SA vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 157, Punkte 36 und 41, Biondi vom 26. Februar 1992, Serie A, Nr. 228-C, Punkt 18, und De Moor/Belgien vom 23. Juni 1994, Serie A, Nr. 292-A, Punkt 67.

    (38) - Siehe oben, Nummern 24 und 25.

    (39) - In Artikel 6 Absatz 1 heisst es: "Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise ffentlich ... gehört wird ..." (Hervorhebung von mir). Dies ist auch der Wortlaut von Artikel 14 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (vgl. R. Lillich, International human rights instruments, 1990, S. 170.6). Der Pakt stellt ebenfalls keinen Grundsatz über die Zeit auf, die sich die Gerichte nach Abschluß der mündlichen Verhandlung für den Erlaß ihrer Entscheidungen nehmen.

    (40) - Das Gericht bedient sich in folgenden vier Passagen des Urteils für mehrere Zuwiderhandlungen der gleichen Argumentation: in den Randnrn. 67 und 68, 93 und 94, 119 und 120 sowie 137 und 138.

    (41) - Siehe Rechtsmittelschrift, Randnr. 36.

    (42) - Vgl. insbesondere Urteil vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P (Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, Randnrn. 47 bis 49 und 66), Beschluß vom 17. September 1996 in der Rechtssache C-19/95 P (San Marco/Kommission, Slg. 1996, I-4435, Randnrn. 36 bis 41), Urteil Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission (a. a. O., Randnr. 29) und Beschluß vom 6. Oktober 1997 in der Rechtssache C-55/97 P (AIUFASS und AKT/Kommission, Slg. 1997, I-5383, Randnrn. 24 und 25).

    (43) - Vgl. insbesondere Urteile vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P (Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42) und Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission (a. a. O., Randnr. 29).

    (44) - Artikel 33 in Verbindung mit 46 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes. Vgl. z. B. Beschluß vom 16. September 1997 in der Rechtssache C-59/96 P (Kölman/Kommission, Slg. 1997, I-4809, Randnrn. 54 und 55) und Urteil AIUFFASS und AKT/Kommission (a. a. O., Randnr. 23).

    (45) - Sie haben bereits entschieden, daß die fehlende Berücksichtigung von Beweisen durch das Gericht in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt, daß aber dieses Versäumnis zuerst bewiesen werden muß, bevor daraus Folgerungen gezogen werden können (vgl. Urteil vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C-244/91 P, Pincherle/Kommission, Slg. 1993, I-6965, Randnrn. 32 und 33). Diese Lösung gilt erst recht für die von einer Partei behauptete fehlende Berücksichtigung einer Erklärung, die sie gegeben hat, um ihr zur Last gelegte Tatsachen in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen.

    (46) - Vgl. insbesondere Beschluß San Marco/Kommission (a. a. O., Randnr. 40).

    (47) - Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe e des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte hat denselben Wortlaut.

    (48) - EGMR, Serie A, Nr. 235-B, Punkt 33.

    (49) - Hervorhebung von mir.

    (50) - Beschluß vom 16. Oktober 1997 in der Rechtssache C-140/96 P (Dimitriadis/Rechnungshof, Slg. 1997, I-5635, Randnrn. 27 und 28). Sie haben ausserdem festgestellt, daß das Gericht ein beantragtes Sachverständigengutachten mit der Begründung ablehnen kann, daß diese Beweisaufnahme "... für das Gericht, das die sich aus dem gesamten Verfahren ergebenden Angaben für ausreichend hält, nicht von Nutzen ist". Allerdings war das Rechtsmittel nicht unmittelbar gegen diese Begründung gerichtet (Urteil vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-326/91 P, De Compte/Parlament, Slg. 1994, I-2091, Randnr. 123).

    (51) - Vgl. Urteil vom 11. Juli 1968 in der Rechtssache 35/67 (Van Eick/Kommission, Slg. 1968, 490).

    (52) - Siehe Randnrn. 13 und 14 des angefochtenen Urteils.

    (53) - Rechtsmittelbeantwortung der Kommission, Randnr. 29.

    (54) - Oben, Nr. 105.

    (55) - Hervorhebung von mir.

    (56) - Oben, Nr. 114.

    (57) - Randnr. 34 des Urteils.

    (58) - A. a. O, Randnr. 35.

    (59) - Vgl. Nrn. 87 ff. meiner Schlussanträge in der Rechtssache BPB Industries und British Gypsum/Kommission (a. a. O.).

    (60) - KOM(94) 161 endg. Vor kurzem hat die Kommission die Verfahrensvorschriften festgelegt, die die Beachtung der Verteidigungsrechte, die eine tatsächliche Akteneinsicht voraussetzt, und die Wahrung der Vertraulichkeit der Unternehmensinformationen miteinander in Einklang bringen sollen. Sie hat den Begriff der "einsehbaren Dokumente" dahin weit ausgelegt, daß nur Dokumente, die unter Geschäftsgeheimnisse fallen, vertrauliche Schriftstücke und interne Schriftstücke der Kommission ausgeschlossen sind (Mitteilung 97/C 23/03 der Kommission über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag, der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag und der Verordnung [EWG] Nr. 4064/89 des Rates, ABl. C 23, S. 3).

    (61) - Randnr. 23 des Urteils.

    (62) - A. a. O., Randnr. 24 (Hervorhebungen von mir).

    (63) - A. a. O., Randnr. 34.

    (64) - Vgl. Nrn. 119 und 120 meiner Schlussanträge in der Rechtssache BPB Industries und British Gypsum/Kommission (a. a. O.).

    (65) - Vgl. Nr. 120 meiner Schlussanträge in der Rechtssache BPB Industries und British Gypsum/Kommission (a. a. O.). Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 15. Juli 1997 in der Rechtssache C-199/92 P (Hüls/Kommission, noch anhängig, Nrn. 52 bis 56).

    (66) - Das Problem der Bezeichnung der Schriftstücke, die für die Verteidigung der Unternehmen, die in die Prüfung einer vermuteten Zuwiderhandlung verwickelt sind, zweckdienlich sein können, ist heute offenbar durch die vorgenannte Mitteilung der Kommission gelöst, wonach ein Verzeichnis der Schriftstücke erstellt wird, in dem alle Seiten der Ermittlungsakte fortlaufend numeriert sind (Punkt 1.4).

    (67) - Randnr. 24.

    (68) - Oben, Nr. 148.

    (69) - Punkte 126 ff. der streitigen Entscheidung.

    (70) - Randnr. 41 des Urteils.

    (71) - Vgl. insbesondere Urteil De Compte/Parlament (a. a. O., Randnr. 123). Zur Rechtmässigkeit eines Urteils, dessen Begründung eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts erkennen lässt, dessen Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig darstellt, vgl. insbesondere die Urteile vom 9. Juni 1992 in der Rechtssache C-30/91 P (Lestelle/Kommission, Slg. 1992, I-3755, Randnr. 28) und vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache C-36/92 P (SEP/Kommission, Slg. 1994, I-1911, Randnr. 33).

    (72) - Randnr. 39 des Urteils.

    (73) - Randnr. 40 des Urteils (Hervorhebungen von mir).

    (74) - A. a. O.

    (75) - A. a. O., Randnr. 38.

    (76) - Siehe oben, Nr. 173 mit Fußnote und die Nrn. 174 ff.

    (77) - Randnr. 63 des Urteils.

    (78) - A. a. O., Randnr. 64.

    (79) - Vgl. vorgenanntes Urteil Kommission/Brazzelli Lualdi u. a. (Randnrn. 57 bis 59) sowie Beschlüsse San Marco/Kommission (a. a. O., Randnrn. 49 und 50) und vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-49/96 P (Progoulis/Kommission, Slg. 1996, I-6803, Randnrn. 31 bis 33).

    (80) - Vgl. insbesondere die in Fußnote 42 zitierten Entscheidungen des Gerichtshofes sowie Beschlüsse vom 26. September 1994 in der Rechtssache C-26/94 P (X/Kommission, Slg. 1994, I-4379, Randnrn. 10 bis 13) und Kölman/Kommission (a. a. O., Randnrn. 52 und 53). Vgl. im einzelnen Beschluß San Marco/Kommission (a. a. O., Randnrn. 59 und 60).

    (81) - Vgl. oben, Nrn. 198 ff.

    (82) - Randnrn. 102 und 103 des Urteils.

    (83) - A. a. O., Randnr. 103.

    (84) - A. a. O., Randnr. 105.

    (85) - Hervorhebung von mir.

    (86) - Erwiderung, Randnr. 17.

    (87) - Die Duldung der streitigen Verträge durch die Kommission wird von BStG angeführt, um den Klagegrund der Freistellung dieser Verträge nach der Verordnung Nr. 67/67 zu stützen, der mit Erhebung der Klage vorgetragen worden war. Aus der Erwiderung ergibt sich, daß die Rechtsmittelführerin der Ansicht ist, daß für die Freistellung der Verträge spreche, daß die Kommission im Anschluß an die an sie erfolgte Übermittlung keine Vorbehalte geäussert habe. Zur Unterscheidung von Argument und Grund vgl. insbesondere Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-153/96 P (De Rijk/Kommission, Slg. 1997, I-2901, Randnr. 19) und meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (Nr. 21).

    (88) - Randnr. 137 des Urteils.

    (89) - Oben, Randnrn. 105 und 198 ff.

    (90) - Randnr. 135 des Urteils.

    (91) - A. a. O., Randnr. 92.

    (92) - A. a. O., Randnr. 131.

    (93) - Oben, Randnrn. 179 bis 182.

    (94) - Randnr. 136 des Urteils.

    (95) - A. a. O., Randnr. 131.

    (96) - A. a. O., Randnr. 132.

    (97) - Rechtsmittelschrift, Randnrn. 91 und 93.

    (98) - Vgl. insbesondere Urteil vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnrn. 95 ff.), Urteil BPB Industries und British Gypsum/Kommission (a. a. O., Randnrn. 6 und 11), Urteil vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-278/95 P (Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnrn. 10 ff.) und Beschluß Kölman/Kommission (a. a. O., Randnrn. 62 ff.).

    (99) - Die fraglichen Randnummern des Urteils, die sich auf die einschlägigen Passagen der streitigen Entscheidung beziehen, sind oben in den Fußnoten zu Nr. 6 aufgeführt.

    (100) - Randnr. 146 des Urteils.

    (101) - A. a. O., Randnr. 149.

    (102) - A. a. O., Randnr. 147 (Hervorhebung von mir).

    (103) - Punkte 199 ff. der streitigen Entscheidung.

    (104) - Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-142/89 (Slg. 1995, II-867).

    (105) - Randnrn. 126 ff. der streitigen Entscheidung.

    (106) - Vgl. Randnr. 55 des Urteils.

    (107) - In Punkt 174 der Entscheidung führt die Kommission aus, der Kartellvertrag habe nicht nur den Wettbewerb zwischen den Kartellmitgliedern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, sondern auch den Wettbewerb bei grenzueberschreitenden Geschäften verfälscht. Er sei geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

    (108) - Randnr. 142 des Urteils.

    (109) - Vgl. Urteil Ferriere Nord/Kommission (a. a. O., Randnr. 33). Vgl. ausserdem insbesondere Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission (a. a. O., Randnr. 120) und Beschluß vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P (SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

    (110) - Vgl. zu dieser Frage die Auffassung, die Generalanwalt Cosmas in seinen Schlussanträgen vom 15. Juli 1997 in der Rechtssache C-51/92 P (Hercules Chemicals/Kommission, noch anhängig, Randnr. 29) vertreten hat, daß der Gerichtshof die Kriterien für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens strenger kontrollieren sollte.

    (111) - Vgl. oben, Nr. 193.

    (112) - Vgl. insbesondere oben, Nrn. 56 ff.

    (113) - Vgl. oben, Nrn. 198 ff.

    (114) - Vgl. Randnrn. 153 und 154 des Urteils zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

    (115) - Randnr. 159 des Urteils.

    (116) - A. a. O., Randnr. 148.

    (117) - A. a. O., Randnr. 160.

    (118) - Vgl. oben, Nrn. 293 und 294.

    (119) - Randnr. 158 des Urteils (Hervorhebungen von mir).

    (120) - Vgl. kürzlich ergangenes Urteil Ferriere Nord/Kommission (a. a. O., Randnr. 31).

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