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Document 61993CC0367

Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 19. Januar 1995.
F. G. Roders BV u. a. gegen Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tariefcommissie - Niederlande.
Weinsteuern - Diskriminierende inländische Abgaben - Benelux-Regelung.
Verbundene Rechtssachen C-367/93 bis C-377/93.

Sammlung der Rechtsprechung 1995 I-02229

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1995:11

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIUSEPPE TESAURO

vom 19. Januar 1995 ( *1 )

1. 

Im vorliegenden Verfahren, in dem elf Rechtssachen miteinander verbunden sind, die auf eine entsprechende Zahl von Vorabentscheidungsersuchen der Tariefcommissie Amsterdam zurückgehen, hat sich der Gerichtshof erneut zur Auslegung von Artikel 95 EG-Vertrag im Zusammenhang mit der Besteuerung einiger alkoholischer Getränke zu äußern. Es handelt sich genauer gesagt darum, dem vorlegenden Gericht die nötigen Anhaltspunkte zu liefern, damit es über die Vereinbarkeit der in den Niederlanden angewandten unterschiedlichen Besteuerung der Weine mit dieser Bestimmung entscheiden karin, die davon abhängt, ob es sich um Weine aus Trauben oder um Weine aus anderen Früchten (im folgenden: Obstweine) handelt.

Die nationalen Rechtsvorschriften

2.

Zunächst ist es angebracht, den nationalen rechtlichen Zusammenhang darzustellen, der sich seinerseits in den Rahmen der Benelux-Regelung eirifügt.

Die Sätze und Kriterien der Verbrauchsteuern auf — sowohl „stille“ ( 1 ) als auch schäumende — vergorene Getränke aus Früchten wurden durch den „Vertrag zur Vereinheitlichung der Verbrauchsteuern und des Stempelrechts für Edelmetalle“ harmonisiert, der von den drei Beneluxstaaten am 18. Februar 1950 geschlossen wurde ( 2 ) und der durch zehn nachfolgende Zusatzprotokolle geändert wurde. Im vorliegenden Zusammenhang ist insbesondere auf das Sechste Zusatzprotokoll vom 26. Januar 1976 hinzuweisen, nach dem in den Beneluxländern hergestellte oder dorthin eingeführte stille Obstweine von der Weinsteuer und den besonderen Weinsteuern befreit sind. Zu der in den vorliegenden Rechtssachen maßgeblichen Zeit galt für die Steuersätze das Siebte Protokoll vom 14. September 1984. Die darin vorgesehenen Abgaben wurden in das niederländische Gesetz vom 30. Mai 1963 über die Verbrauchsteuer auf alkoholhaltige Stoffe ( 3 ) übernommen, das mehrfach geändert wurde, u. a. um den Änderungen der Benelux-Regelung Rechnung zu tragen.

3.

Die Artikel 4 und 5 des Gesetzes von 1963 in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung unterschieden zwischen stillen Weinen, zu denen sowohl Traubenweine mit einem Alkoholgehalt von höchstens 22 Volumenprozent als auch Obstweine mit einem Alkoholgehalt von höchstens 15 Volumenprozent zählten, und Schaumweinen, zu denen sowohl Schaumweine auf Traubenbasis als auch Schaumweine auf der Basis anderer Früchte zählten. Erzeugnisse, die — vor allem weil sie einen höheren als den genannten Alkoholgehalt besitzen — zu keiner dieser Kategorien gehören, werden dagegen als „alkoholhaltige Stoffe“ angesehen und unterliegen als solche einer höheren Alkoholsteuer.

Alle in den Niederlanden hergestellten oder dorthin eingeführten stillen Weine unterliegen grundsätzlich einer Weinsteuer und einer besonderen Weinsteuer (Artikel 2 Absätze 2 und 3). Ebenso unterliegen alle Schaumweine grundsätzlich einer Steuer auf schäumende Getränke und einer besonderen Steuer auf schäumende Getränke (Artikel 2 Absätze 4 und 5). Nach den Artikeln 85a und 88d des Gesetzes sind jedoch stille Obstweine von den Verbrauchsteuern befreit, sofern ihre Etikettierung und Verpackung bestimmten Anforderungen entspricht. Obstschaumweine wiederum unterliegen einer niedrigeren Steuer als Traubenschaumweine. Außerdem unterliegen eingeführte Traubenschaumweine der Weinsteuer, während eingeführte Obstschaumweine von ihr befreit sind.

Der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, daß das Gesetz von 1963 durch das Gesetz vom 31. Oktober 1991 zur Vereinfachung und Harmonisierung des Verbrauchsteuerrechts ( 4 ) ersetzt wurde, das seinerseits durch das Gesetz vom 24. Dezember 1992 zur Abschaffung der Zollgrenzen ( 5 ) geändert wurde. Gemäß der Neuregelung, die insbesondere zur Anpassung der niederländischen Rechtsvorschriften an die Richtlinien 92/83/EWG ( 6 ) und 92/84/EWG ( 7 ) des Rates diente, mit denen gemeinschaftsweit die Struktur der Verbrauchsteuern harmonisiert und ihre Sätze einander angenähert wurden, werden ab 1. Januar 1993 Obst- und Traubenweine gleichbehandelt, d. h. denselben Steuern unterworfen.

Sachverhalt

4.

Wenden wir uns nun dem Sachverhalt zu, der zu dem vorliegenden Verfahren geführt hat. Der Inspecteur der Invoerrechten en Acijnzen wies elf Einsprüche zurück, die einige Importeure gegen die Anwendung der Weinsteuern und der besonderen Weinsteuern auf Erzeugnisse wie Madeira, Rotwein, Champagner, Wermut und Sherry eingelegt hatten. Gegen jeden dieser ablehnenden Bescheide erhoben die betroffenen Importeure Klage bei der Tariefcommissie.

Da die Tariefcommissie eine Entscheidung des Gerichtshofes für erforderlich hält, hat sie elf Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, mit denen sie im wesentlichen fragt, ob die unterschiedliche Besteuerung von Trauben- und Obstweinen in den Niederlanden im Hinblick auf die abweichende Regelung, der die Obstweine zur maßgeblichen Zeit unterworfen waren, und die Tatsache, daß die Niederlande Benelux-Mitglied und daher zur Beachtung der im Benelux-Rahmen erlassenen Regelung verpflichtet sind, mit Artikel 95 vereinbar ist. Dies ist der Inhalt der ersten Frage in jedem Vorlagebeschluß, die nur in der Angabe des einschlägigen Erzeugnisses unterschiedlich ist: Madeira mit einem Alkoholgehalt von 18 % (Rechtssache C-367/93), Rotwein, 12 % (Rechtssachen C-368/93, C-372/93 und C-375/93), Champagner, 12 % (Rechtssachen C-369/93, C-373/93 und C-377/93), Wermut, 13,5 % (Rechtssache C-370/93), und Sherry, 17% (Rechtssachen C-371/93, C-374/93 und C-376/93). Mit einer in allen genannten Rechtssachen gleichlautenden zweiten Frage ersucht die Tariefcommissie den Gerichtshof, sich gegebenenfalls zu den zeitlichen Wirkungen des zu fäüenden Urteils zu äußern, vor allem im Hinblick darauf, daß eine etwaige Rückzahlung der Steuern angesichts der großen Zahl ähnlicher, derzeit bei den niederländischen Gerichten anhängiger Rechtssachen beträchtliche finanzielle Konsequenzen für die Niederlande hätte.

Zur ersten Frage

5.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Zweck von Artikel 95, wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, darin besteht, „den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen dadurch zu gewährleisten, daß jede Form des Schutzes, die aus einer die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierenden inländischen Besteuerung folgen könnte, beseitigt und die vollkommene Wettbewerbsheutralität der inländischen Besteuerung für inländische und eingeführte Erzeugnisse sichergestellt wird“ ( 8 ).

Ferner braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Mitgliedstaaten nach Artikel 95 Absatz 1 „auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art [erheben], als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben“; nach Absatz 2 erheben sie „auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen“. Kurz gefaßt verlangt Absatz 1 einen Vergleich zwischen der Besteuerung inländischer Waren und der Besteuerung gleichartiger eingeführter Waren, während sich Absatz 2 auf die diskriminierende steuerliche Behandlung jener Waren bezieht, die zwar nicht gleichartig sind, aber doch zumindest teilweise, mittelbar oder potentiell miteinander in Wettbewerb stehen.

6.

Die Fragen der Tariefcommissie beziehen sich ganz allgemein auf Artikel 95, ohne daß klargestellt wird, ob die Auslegung von Absatz 1 oder von Absatz 2 begehrt wird. Die Tatsache, daß im Vorlagebeschluß ausdrücklich auf das Urteil vom 4. März 1986 ( 9 ) verwiesen wird, in dem sich der Gerichtshof vor allem zur Gleichartigkeit von Obst- und Traubenweinen geäußert hat, läßt allerdings darauf schließen, daß das vorlegende Gericht die Auslegung von Absatz 1 des Artikels 95 für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten für erforderlich hält. Im Hinblick darauf, daß die fraglichen niederländischen Rechtsvorschriften auch dann, wenn sie mit Artikel 95 Absatz 1 vereinbar sein sollten, gegen Absatz 2 dieser Bestimmung verstoßen könnten, erscheint es in jedem Fall angebracht, dem vorlegenden Gericht auch die für eine Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen Regelung mit Absatz 2 des Artikels 95 nötigen Anhaltspunkte zu liefern.

Vor einer Prüfung der eigentlichen Fragen bedarf es aber im Hinblick auf Artikel 233 des Vertrages einer Klärung des Verhältnisses zwischen Artikel 95 und der einschlägigen speziellen Benelux-Regelung.

a) Das Verhältnis zwischen Artikel 95 und der Benelux-Regelung

7.

Da der Vergleich zwischen inländischen und eingeführten Waren ein wesentliches Element bei der Anwendung von Artikel 95 bildet, ist es offenkundig, daß die Definition der „inländischen Waren“ vor allem davon abhängt, welches Verhältnis zwischen Artikel 95 und der einschlägigen Benelux-Regelung besteht. So wurde auch unter Berufung auf diese Regelung in den Ausgangsverfahren geltend gemacht, daß das maßgebliche Besteuerungsgebiet das Beneluxgebiet und nicht das Gebiet der Niederlande sei. Andernfalls würde nach Ansicht des Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen durch die Anwendung des Gemeinschaftsrechts entgegen Artikel 233 des Vertrages letztlich die Integration des Benelux-Zusammenschlusses untergraben oder zumindest seine Entwicklung behindert.

Wenn man dieser Auffassung folgen würde, müßte bei der Anwendung von Artikel 95 ein Vergleich zwischen der Sachlage bei den in den Beneluxstaaten hergestellten Trauben- und Obstweinen und der Sachlage bei den aus den anderen Mitgliedstaaten stammenden Trauben- und Obstweinen vorgenommen werden. Folglich wären in Luxemburg hergestellte Traubenweine als inländische Waren anzusehen, was offenkundig zu einer anderen Beurteilung führen würde.

8.

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß sich die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich nicht auf Bestimmungen einer zwischen ihnen geschlossenen Übereinkunft berufen können, um sich der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu entziehen ( 10 ); Artikel 233 des Vertrages sieht jedoch vor, daß die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen „dem Bestehen und der Durchführung der regionalen Zusammenschlüsse zwischen Belgien und Luxemburg sowie zwischen Belgien, Luxemburg und den Niederlanden nicht entgegen[stehen], soweit die Ziele dieser Zusammenschlüsse durch Anwendung dieses Vertrages nicht erreicht sind“.

Diese Bestimmung soll nach Ansicht des Gerichtshofes „verhindern, daß der regionale Zusammenschluß zwischen diesen drei Mitgliedstaaten durch die Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufgelöst oder in seiner Entwicklung behindert wird. Aufgrund dieser Vorschrift können die drei betroffenen Mitgliedstaaten deshalb abweichend von den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften die im Rahmen ihres Zusammenschlusses geltenden Vorschriften anwenden, soweit dieser Zusammenschluß weiter fortgeschritten ist als die Errichtung des Gemeinsamen Marktes.“ ( 11 ) Artikel 233 läßt mit anderen Worten eine Abweichung von den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu, wenn dies für den Bestand und die Entwicklung des Zusammenschlusses erforderlich ist und wenn außerdem in dem betreffenden Bereich die Integration im Rahmen des Zusammenschlusses weiter fortgeschritten ist als im Rahmen der Gemeinschaft.

9.

Wie schon bei der Beschreibung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften hervorgehoben wurde, beschränkt sich aber die Integration im Bereich der Verbrauchsteuern auf alkoholische Getränke im Beneluxgebiet derzeit auf eine bloße Vereinheitlichung der Steuersätze. Die Vereinheitlichung ist überdies unvollständig, da die luxemburgischen Weine bis zum 1. Januar 1993 eine steuerliche Sonderbehandlung genossen, nach der sie von der besonderen Weinsteuer und der besonderen Steuer auf Schaumweine befreit waren.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß die von den Beneluxstaaten erreichte Integration bei den Verbrauchsteuern weiter fortgeschritten ist als die Integration auf Gemeinschaftsebene, da dort erst kürzlich eine Annäherung. der Steuersätze vorgenommen worden ist, bleibt immer noch zu prüfen, ob die Abweichung von Artikel 95 zur Gewährleistung einer solchen Integration tatsächlich erforderlich ist. Es muß mit anderen Worten geklärt werden, ob die etwaige „Verletzung“ von Artikel 95 zum ordnungsgemäßen Funktionieren der weiter fortgeschrittenen Benelux-Regelung unabdingbar ist.

10.

Meines Erachtens. kann die Antwort nur negativ ausfallen, da die Anwendung einheitlicher Steuersätze, wie sie in der Benelux-Regelung vorgesehen ist, ohne weiteres unter voller Beachtung von Artikel 95 erfolgen kann. Es ist schwer vorstellbar, inwiefern sich die Einhaltung dieser Bestimmung nachteilig auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Benelux-Regelung auswirken könnte, auch im Hinblick darauf, daß jeder Benelux-Mitgliedstaat die fraglichen Verbrauchsteuern weiterhin für eigene Rechnung erhebt, wenn auch auf einer harmonisierten Grundlage ( 12 ).

Im Ergebnis sind trotz der besonderen Benelux-Regelung die Niederlande als das bei der Anwendung von Artikel 95 maßgebliche Besteuerungsgebiet anzusehen.

b) Artikel 95 Absatz 1

11.

Bei der Anwendung von Artikel 95 Absatz 1 ist, wie schon gesagt, ein Vergleich zwischen der Besteuerung inländischer Waren und der Besteuerung „gleichartiger“ eingeführter Waren vorzunehmen, wobei dieser Begriff, wie der Gerichtshof mehrfach betont hat, „hinreichend flexibel“ auszulegen ist ( 13 ). Bei einer Prüfung im Sinne und im Rahmen von Artikel 95 Absatz 1 sind daher zu berücksichtigen: a) der Ursprung der Waren, b) ihre Gleichartigkeit und c) der etwaige diskriminierende Charakter.

12.

In den vorliegenden Rechtssachen ist unstreitig, daß die bevorzugt behandelten Waren im wesentlichen inländischen Ursprungs sind, während die Traubenweine ausschließlich aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Ferner ist zum einen unstreitig, daß die stillen Obstweine von der Weinsteuer befreit sind, obwohl sie ihr grundsätzlich unterliegen, und zum anderen, daß die Obstschaumweine einer niedrigeren Steuer unterliegen als Traubenschaumweine und daß überdies nur eingeführte Schaumweine neben der Steuer auf schäumende Getränke auch der Weinsteuer unterliegen, wodurch nur die Traubenschaumweine gegenüber den Obstweinen benachteiligt werden.

Unter diesen Umständen bleibt nur noch zu prüfen, ob die fraglichen Waren gleichartig sind.

13.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, der den Begriff der Gleichartigkeit weit ausgelegt hat, ist zu ihrer Beurteilung zu prüfen, ob die fraglichen Waren „gleiche Eigenschaften haben und in den Augen der Verbraucher denselben Bedürfnissen dienen“ ( 14 ); es handelt sich folglich nicht um ein Kriterium der strengen Identität, sondern um eines der gleichen oder vergleichbaren Verwendung dieser Waren.

Speziell zur Beurteilung der Gleichartigkeit von Obst- und Traubenweinen hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Dänemark weiter ausgeführt, daß „zum einen sämtliche objektiven typischen Merkmale der beiden Gruppen von Getränken zu berücksichtigen [sind], etwa der Ausgangsstoff, die Herstellungsverfahren, die organoleptischen Eigenschaften, insbesondere Geschmack und Alkoholgehalt, und zum anderen, inwieweit die beiden Getränkegruppen in den Augen der Verbraucher denselben Bedürfnissen dienen“ ( 15 ).

14.

Im selben Urteil ist der Gerichtshof sodann zu dem Ergebnis gelangt, daß tafelweinartige Trauben- und Obstweine gleichartig seien. Ich nehme dies zur Kenntnis, auch wenn ich den Verdacht habe, daß die festgestellte Gleichartigkeit der beiden fraglichen Kategorien von Weinen bei Kennern (der Traubenweine, natürlich) eine gewisse Enttäuschung ausgelöst haben mag; doch ist, leider, nicht vorgeschrieben, daß der Geschmack stets mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein muß.

Da es in den Ausgangsverfahren um die Gleichartigkeit von fünf verschiedenen alkoholischen Getränken auf Traubenbasis mit Obstwein geht, unter denen sich auch Tafelwein aus Trauben befindet, ist auf jeden Fall die Gleichartigkeit von Obstwein mit jedem dieser Erzeugnisse zu prüfen.

— Roter Tafelwein (Rechtssachen C-368/93, C-372/93 und C-375/93)

15.

In dem schon mehrfach genannten Urteil Kommission/Dänemark hat der Gerichtshof, wie gesagt, diese Frage bejaht und dazu ausgeführt, daß „[t]afelweinartige Obstweine und die entsprechenden Traubenweine... aus derselben Art von Grunderzeugnissen, nämlich aus Agrarprodukten, im selben Verfahren, nämlich durch natürliche Gärung, hergestellt [werden]“ ( 16 ), wobei es unerheblich sei, daß der Endalkoholgehalt der Obstweine durch Zusatz von Äthylalkohol erreicht werde, da auch der Alkoholgehalt von Traubenweinen auf dieselbe Weise erhöht werden könne. Der Gerichtshof hat ferner darauf hingewiesen, daß die beiden Getränkegruppen gleiche organoleptische Eigenschaften, insbesondere Geschmack und Alkoholgehalt, besäßen und in den Augen der Verbraucher denselben Bedürfnissen dienten, „da sie sich auf dieselbe Weise genießen lassen: sowohl als durstlöschendes und erfrischendes Getränk als auch zu den Mahlzeiten“ ( 17 ), wobei er hinzufügte, daß das „Ergebnis, daß die beiden Gruppen von Getränken denselben Bedürfnissen dienen, ... nicht dadurch in Frage gestellt [wird], daß der Verbrauch von Obstweinen gegenüber dem von Traubenweinen stets gering geblieben ist“ ( 18 ).

In Anbetracht dieser Ausführungen kann kein Zweifel darán bestehen, daß der den Gegenstand der Rechtssachen C-368/93 und C-372/93 bildende rote Tafelwein als gleichartig mit den in den Niederlanden hergestellten Obstweinen anzusehen ist.

16.

Es bleibt noch die Frage, ob, wie die niederländische Regierung vorträgt, in dem der Rechtssache C-375/93 zugrunde liegenden Fall der roten Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete etwas anderes gilt. Die Heranziehung der vom Gerichtshof aufgestellten und soeben dargelegten Kriterien scheint zumindest auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, daß auch solche Weine als den Obstweinen gleichartig im Sinne von Artikel 95 Absatz 1 anzusehen sind.

Der einzige Anknüpfungspunkt für eine Unterscheidung zwischen roten Qualitätsweinen und sonstigen Tafelweinen besteht nämlich darin, daß der Alkoholgehalt von Qualitätsweinen bestimmter Anbaugebiete keinesfalls durch Zusatz von Äthylalkohol erhöht werden kann. Reicht dies aus, um ihre Gleichartigkeit mit Obstweinen auszuschließen? Die Versuchung, dies zu bejahen, ist groß. Dennoch muß ich einräumen, daß ein solcher Umstand nicht als entscheidend angesehen werden kann; andernfalls müßte man entgegen der zitierten Rechtsprechung zu dem Ergebnis kommen, daß Obst- und Traubenweine nur dann gleichartig sind, wenn auch letzteren zumindest in geringem Maß Äthylalkohol zugesetzt wurde. Somit ist das Ergebnis für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete dasselbe wie für rote Tafelweine.

— Likörweine: Sherry (Rechtssachen C-371/93, C-374/93 und C-376/93), Madeira (Rechtssache C-367/93) und Wermut (Rechtssache C-370/93)

17.

Das zitierte Urteil Kommission/Dänemark enthält auch für die Klärung der Frage der Gleichartigkeit likörweinartiger Obstweine und entsprechender Traubenweine wie Sherry nützliche Anhaltspunkte. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich zwischen Tafelweinen (gleichgültig, ob Obstoder Traubenweine) und Likörweinen unterschieden, die im Gegensatz zu ersteren „als Aperitif [und]... als Dessertwein“ getrunken würden; dies bedeutet, daß sie in den Augen der Verbraucher andere Bedürfnisse erfüllen als Tafelweine.

Hinzu kommt der unterschiedliche Alkoholgehalt, der bei Sherry 17 % beträgt, während er bei den Obstweinen, die in den Niederlanden eine bevorzugte Behandlung genießen, 15 % nicht übersteigt. Dieselben Erwägungen gelten auch für Madeira, vor allem angesichts der Tatsache, daß es sich um einen Likörwein mit einem Alkoholgehalt von 18 % handelt.

18.

Komplizierter ist die Sachlage dagegen bei Wermut, bei dem es sich um ein Getränk mit einem Alkoholgehalt von 13,5 % handelt und der somit auf den ersten Blick Obstwein gleichgestellt werden könnte. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß Wermut nicht aus den gleichen Ausgangsstoffen wie Trauben- und Obstweine hergestellt wird. Dem Wein, der zur Herstellung von Wermut dient, wird nämlich nicht nur Äthylalkohol hinzugefügt, sondern auch, wenn auch nur in geringer Menge, eine Kräutermischung, die diesem Getränk einen ganz besonderen Geschmack verleiht.

Vorbehaltlich einer Prüfung der Frage durch das vorlegende Gericht, ob es Obstweine mit gleichen Merkmalen gibt, ist somit festzustellen, daß die organoleptischen Eigenschaften des Wermuts denen von Obstweinen nicht entsprechen und daß es sich letztlich um Getränkegruppen handelt, die in den Augen der Verbraucher unterschiedlichen Bedürfnissen dienen. Folglich können Wermut und Obstweine nicht als gleichartige Waren im Sinne von Artikel 95 Absatz 1 angesehen werden.

— Champagner (Rechtssachen C-369/93, C-373/93 und C-377/93)

19.

Der Champagner unterliegt in den Niederlanden als Traubenschaumwein der Steuer auf schäumende Getränke und der besonderen Steuer auf schäumende Getränke. Für mich steht jedoch außer Zweifel, daß die Schaumweine nicht als den stillen Weinen gleichartig angesehen werden können, gleichgültig, ob es sich um Trauben- oder Obstweine handelt. Dies liegt vor allem daran, daß sie zwar aus den gleichen Ausgangsstoffen hergestellt werden, aber nach einem ganz anderen Verfahren. Davon abgesehen unterscheiden sich auch die organoleptischen Eigenschaften der beiden Getränkearten deutlich voneinander, und sie dienen in den Augen der Verbraucher unterschiedlichen Bedürfnissen.

Dies vorausgeschickt, will ich sogleich hinzufügen, daß ich mich nicht der Auffassung anschließen kann, daß Champagner, natürlich innerhalb der Gruppe der Schaumweine, als den Obstschaumweinen gleichartig anzusehen sei. Insbesondere bin ich im Gegensatz zur Kommission nicht der Ansicht, daß die vom Gerichtshof im Urteil Kommission/Dänemark aufgestellten Kriterien zu diesem Schluß zwingen.

20.

Es ist zwar richtig, daß sowohl die Obst-(schaum)weine als auch die Trauben(schaum)-weine (und damit auch der Champagner) aus derselben Art von Grunderzeugnissen (Früchte) hergestellt werden; man kann aber sicher nicht sagen, daß das Herstellungsverfahren in beiden Fällen gleich oder zumindest ähnlich ist. Während die Traubenweine durch ein ganz natürliches Verfahren zum Schäumen gebracht werden, nämlich durch eine zweifache Gärung, muß den entsprechenden Obstweinen Kohlensäure zugesetzt werden, so daß es sich offenkundig in keiner Weise um einen natürlichen Gärungsprozeß handelt. Daraus folgt auch, daß die organoleptischen Eigenschaften von Champagner, insbesondere sein Geschmack, mit denen von Obstschaumweinen nicht vergleichbar sind. Im übrigen erscheint mir die Auffassung kaum vertretbar, daß es sich um zwei Getränkegruppen handelt, die in den Augen der Verbraucher denselben Bedürfnissen dienen, denn Champagner wird anerkanntermaßen in der Regel nur bei besonderen Gelegenheiten und Anlässen konsumiert.

Im Rahmen von Artikel 95 Absatz 1 ist Champagner daher nicht als den Obstschaumweinen gleichartig anzusehen.

21.

Im Ergebnis sind nur die roten Tafelweine, die Gegenstand der Rechtssachen C-368/93, C-372/93 und C-375/93 sind, als den Obstweinen gleichartige Waren im Sinne und im Rahmen von Artikel 95 Absatz 1 anzusehen. Nicht als den Obstweinen gleichartige Waren anzusehen sind dagegen Likörweine wie Sherry (Rechtssachen C-371/93, C-374/93 und C-376/93), Madeira (Rechtssache C-367/93) und Wermut (Rechtssache C-370/93); das gleiche gilt für Champagner (Rechtssachen C-369/93, C-373/93 und C-377/93) im Verhältnis zu Obstschaumweinen.

c) Artikel 95 Absatz 2

22.

Wie schon gesagt, scheinen sich die von der Tariefcommissie vorgelegten Fragen nur auf Artikel 95 Absatz 1 zu beziehen. Da die fraglichen niederländischen Rechtsvorschriften jedoch, auch wenn sie in bezug auf Sherry, Madeira, Wermut und Champagner mit Artikel 95 Absatz 1 vereinbar sind, dennoch gegen Absatz 2 dieser Bestimmung verstoßen könnten, halte ich es für angebracht, dem vorlegenden Gericht die für die Prüfung der Vereinbarkeit der fraglichen Rechtsvorschriften auch mit Absatz 2 des Artikels 95 nötigen Anhaltspunkte zu liefern.

Im Gegensatz zu Absatz 1 betrifft Absatz 2 des Artikels 95 die diskriminierende steuerliche Behandlung nicht gleichartiger Waren. Genauer gesagt soll diese Bestimmung nach den Ausführungen des Gerichtshofes „jede Form einer mittelbaren steuerlichen Schutzpolitik bei Erzeugnissen erfassen, die zwar nicht gleichartig im Sinne des Absatzes 1 sind, die aber doch mit bestimmten Erzeugnissen des Einfuhrlandes wenigstens teilweise, mittelbar oder potentiell im Wettbewerb stehen“ ( 19 ).

23.

Hinzuzufügen ist, daß nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes die Vereinbarkeit einer bestimmten Abgabenbelastung mit Artikel 95 Absatz 2 „im Hinblick auf die Auswirkungen dieser Belastung auf die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den betreffenden Erzeugnissen beurteilt werden muß. Die grundlegende Frage ist also die, ob diese Belastung geeignet ist, den betreffenden Markt durch eine Verminderung des potentiellen Verbrauchs der eingeführten Erzeugnisse zugunsten der mit ihnen im Wettbewerb stehenden inländischen Erzeugnisse zu beeinflussen.“ ( 20 ) Das nationale Gericht hat insbesondere den Unterschied zwischen den Verkaufspreisen der fraglichen Erzeugnisse und den Einfluß dieses Unterschieds auf die Entscheidung des Verbrauchers sowie die Entwicklung des Verbrauchs der Erzeugnisse zu berücksichtigen.

Die insoweit von der niederländischen Regierung im Laufe des Verfahrens gemachten Angaben lassen auf den ersten Blick einen Verstoß der streitigen Vorschriften gegen Artikel 95 Absatz 2 ausgeschlossen erscheinen. Eine solche Beurteilung ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts und ist natürlich auf der Grundlage der soeben genannten Kriterien vorzunehmen.

Zur zweiten Frage

24.

Mit der zweiten Frage wird der Gerichtshof ersucht, sich für den Fall, daß er die streitige Abgabe für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht hält, zur zeitlichen Wirkung seines Urteils zu äußern. Der Grund dafür besteht, wie bereits ausgeführt, darin, daß bei den nationalen Gerichten zahllose ähnliche Rechtssachen anhängig sind, die für den Staat ganz erhebliche finanzielle Konsequenzen haben könnten.

Hierzu ist zunächst festzustellen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die er in Ausübung der Befugnis gemäß Artikel 177 des Vertrages vornimmt, erläutert und erforderlichenfalls verdeutlicht wird, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folge, daß die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlaß des auf das Auslegungsersuchen ergangenen Urteils entstanden seien, anwenden könnten und müßten, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorlägen ( 21 ).

25.

Angesichts dieser Grundsätze ist eine Beschränkung der Wirkungen des auf das Auslegungsersuchen ergehenden Urteils nur ganz ausnahmsweise möglich ( 22 ). Der Gerichtshof hat darauf unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, nämlich wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere auf die große Zahl von Rechtsbeziehungen zurückzuführen war, die gutgläubig auf der Grundlage der für gültig erachteten Regelung eingegangen worden waren, sowie aufgrund der Erwägung, daß eine objektive und bedeutsame Ungewißheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen die Bürger und die nationalen Behörden zu einem mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Verhalten veranlaßt hatte, wobei zu dieser Ungewißheit womöglich auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte ( 23 ).

Auch in diesen Fällen hat der Gerichtshof jedoch für den Schutz der Rechte derjenigen gesorgt, die vor dem Erlaß des Urteils Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt hatten. Jede andere Lösung hätte nämlich zur Folge, daß dem Bürger, dessen Rechtsschutzinteresse gerade in dem Nutzen eines für ihn günstigen Urteils besteht, der wesentliche Vorteil des geltend gemachten gemeinschaftsrechtlichen Anspruchs vorenthalten würde ( 24 ). Da anhängige Rechtssachen nicht betroffen sind, würde jedoch im vorliegenden Fall eine etwaige Beschränkung der Wirkungen des Urteils den Bedenken der niederländischen Regierung nicht Rechnung tragen, denn die von ihr befürchteten katastrophalen finanziellen Konsequenzen hängen zum großen Teil von Klagen ab, die bereits bei den zuständigen nationalen Gerichten anhängig sind.

26.

Nach diesen Vorbemerkungen bin ich der Ansicht, daß es im vorliegenden Fall nichts gibt, was eine Ausnahme vom Grundsatz der Rückwirkung von Auslegungsurteilen rechtfertigen könnte.

Die Auslegung von Artikel 95 ist nämlich eindeutig und wird durch eine umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung bestätigt. Somit konnte keine objektive Ungewißheit darüber bestehen, daß die Abgabe nach dieser Rechtsprechung unzulässig war ( 25 ). Zu den möglichen finanziellen Konsequenzen einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abgabe für die niederländische Regierung ist zu sagen, daß ein solcher Gesichtspunkt für sich genommen eine Beschränkung der Wirkung des Urteils des Gerichtshofes keinesfalls rechtfertigt. Sonst bestünde die Gefahr, daß gerade die schwerwiegendsten Verstöße eine bevorzugte Behandlung genießen, da sie es sind, die die größten finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten haben können; dies wäre eine abwegige und offenkundig inakzeptable Lösung.

Dem ist noch hinzuzufügen, daß gerade die Rechtssachen, in denen es um die Vereinbarkeit nationaler Abgaben mit dem Gemeinschaftsrecht geht, beträchtliche Auswirkungen im Bereich der Erstattung zu Unrecht gezahlter Abgaben haben. Wenn daher die Wirkungen des Urteils allein im Hinblick auf den Umfang dieser Auswirkungen beschränkt würden, stünde dies nicht nur in Widerspruch zu früheren Urteilen des Gerichtshofes ( 26 ), sondern würde auch einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, da es zu einer spürbaren Verringerung des Rechtsschutzes führen könnte, der sich für die Abgabepflichtigen aus den steuerlichen Vorschriften der Gemeinschaft ergibt.

27.

Was schließlich die ebenfalls im Laufe des Verfahrens geltend gemachte Tatsache anbelangt, daß die fraglichen Importeure auf diese Weise Abgaben erstattet bekämen, die sie schon auf die Verbraucher abgewälzt haben, so beschränke ich mich mangels einer diesen Punkt betreffenden Frage des vorlegenden Gerichts auf den Hinweis darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes das Gemeinschaftsrecht zwar die Berücksichtigung des Umstands nicht ausschließt, daß die Belastung durch die zu Unrecht erhobenen Steuern auf andere Wirtschaftsteilnehmer oder auf die Verbraucher abgewälzt werden konnte, daß es aber den Mitgliedstaaten obliegt, „die Erstattung von unter Verstoß gegen Artikel 95 erhobenen Steuern nach ihrem nationalen Recht unter Voraussetzungen sicherzustellen, die nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen; jedenfalls dürfen diese Voraussetzungen die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen“ ( 27 ).

28.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof somit vor, der Tariefcommissie wie folgt zu antworten:

1)

Im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Integration der Verbrauchsteuern in den Beneluxländern kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Artikel 233 EG-Vertrag berufen, um sich der ihm gemäß Artikel 95 dieses Vertrages obliegenden Verpflichtungen zu entziehen, so daß bei der Anwendung von Artikel 95 das Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats als das maßgebliche Besteuerungsgebiet anzusehen ist.

2)

Artikel 95 Absatz 1 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß roter Tafelwein und roter Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete einerseits und stille Obstweine mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 15 % andererseits gleichartige Waren sind, während Sherry, Madeira und Wermut einerseits und stille Obstweine mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 15 % andererseits keine gleichartigen Waren sind; auch Champagner und Obstschaumweine sind keine gleichartigen Waren.

3)

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Beschränkung der zeitlichen Wirkungen des Urteils nicht erfüllt.


( *1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 1 ) Das Adjektiv „still“ wird hier zur Bezeichnung nicht schäumender Weine und zur Bezeichnung nicht schäumender alkoholhaltiger Getränke im allgemeinen verwendet.

( 2 ) Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß die drei fraglichen Länder am 29. Mai 1972 ein neues „Benelux-Übereinkommen zur Vereinheitlichung der Verbrauchsteuern“ unterzeichnet haben, das jedoch noch nicht in Kraft getreten ist und von dem auch das Inkrafttreten des „Übereinkommens zur Vereinigung des Benelux-Verbrauehsteuergebiets“ vom 10. Juni 1970 abhängt.

( 3 ) Stb. 1963, 240.

( 4 ) Stb. 1991, 561.

( 5 ) Stb. 1992,711.

( 6 ) Richtlinie vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316. S.21).

( 7 ) Richtlinie vom 19. Oktober 1992 über die Annäherung der Vcrbrauchstcuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316, S. 29).

( 8 ) Vgl. u. a. Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 323/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, 2275, Randnr. 7).

( 9 ) Urteil vom 4. März 1986 in der Rechtssache 106/84 (Kommission/Dänemark, Slg. 1986, 833).

( 10 ) Vgl. zuletzt Urteil vom 10. November 1992 in der Rechtssache C-3/91 (Exportur, Slg. 1992, I-5529, Randnr. 8).

( 11 ) Urteil vom 16. Mai 1984 in der Rechtssache 105/83 (Pakvries, Slg. 1984, 2101, Randnr. 11).

( 12 ) Wie bereits ausgeführt wurde, ist nämlich das Übereinkommen zur Vereinigung des Bcnelux-Verbrauchstcucrgcbicts vom 10. Juni 1970 noch nicht in Kraft getreten.

( 13 ) Vgl. z.B. Urteil vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 169/78 (Kommission/Italien, Slg. 1980, 385, Randnr.5).

( 14 ) Urteil vom 4. März 1986 (Kommission/Dänemark, a. a. O., Randnr. 12).

( 15 ) A. a. O., Randnr. 12.

( 16 ) A. a. O., Randnr. 14.

( 17 ) A. a. O., Randnr. 15.

( 18 ) A. a. O., Randnr. 15.

( 19 ) Vgl. z. B. Urteil vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 168/78 (Kommission/Frankreich, Slg. 1980, 347, Randnr. 6) sowie Urteil vom 9. Juli 1987 in der Rechtssache 356/85 (Kommission/Belgien, Slg. 1987, 3299, Randnr. 7).

( 20 ) Urteil vom 9. Juli 1987 (a. a. O., Randhr. 15).

( 21 ) Vgl. Urteile vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16) und in den verbundenen Rechtssachen 66/79, 127/79 und 128/79 (Salumi, Slg. 1980, 1237, Randnr. 9).

( 22 ) Vgl. die in der vorangegangenen Fußnote zitierten Urteile, Randnr. 17 bzw. Randnr. 10.

( 23 ) Vgl. Urteile vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-163/90 (Legros, Slg. 1992, I-4625, Randnrn. 30 bis 35), vom 31. März. 1992 in der Rechtssache C-200/90 (Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217), vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889, Randnrn. 40 bis 45), vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86 (Blaizot, Slg. 1988, 379, Randnrn. 25 bis 35) und vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75 (Defrenne, Slg. 1976, 455, Randnrn. 69 bis 75).

( 24 ) Ich kann mich deshalb nicht der grundsätzlichen Aussage anschließen, wonach der Gerichtshof, wenn er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die zeitlichen Wirkungen seines Urteils zu beschränken, bestimmen kann, ob eine Ausnahme von dieser Beschränkung „zugunsten der Partei des Ausgangsverfahrens vorgesehen werden kann, die die Klage vor dem nationalen Gericht... erhoben hat, oder ob im Gegenteil auch für diese Partei eine nur in die Zukunft wirkende Feststellung der Ungültigkeit der Verordnung in angemessener Weise Abhilfe schafft“ (Urteil vom 26. April 1994 in der Rechtssache C-228/92, Roquette Frères, Slg. 1994, I-1445, Randnr. 25). Meiner Ansicht nach kann nämlich nur dann von einer „angemessenen Abhilfe“ gesprochen werden, wenn der Bürger durch sie nicht nur die Feststellung erlangen kann, daß, je nach Fallgestaltung, eine Gcmcinschaftsvorschrift ungültig oder eine innerstaatliche Vorschrift unanwendbar ist, sondern wenn sie auch und vor allem für einen wirksamen Schutz der ihm zustehenden Rechte sorgt. Andernfalls besteht die Gefahr einer echten Rechtsverweigerung mit der Folge, daß das System an Glaubwürdigkeit verliert, insbesondere im Hinblick auf die Beachtung der grundlegenden Rechte einer Rechtsgemeinschaft. Insoweit fehlt es bekanntlich nicht an eindeutigen Äußerungen in Entscheidungen nationaler Gerichte (vgl. z. B. das Urteil Fragd der italienischen Corte costituzionale vom 21. April 1989, Nr. 232, Il Foro italiano 1990, I, Sp. 1855; vgl. hierzu Gaja, „New Developments in a continuing story: tne relationship between EEC Law and the Italian Law“, CMLRev., S. 83 ff.).

( 25 ) Hinzu kommt, daß die Kommission am 17. Oktober 1990 gegen die Niederlande ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, in dem ihnen gerade die Unvereinbarkeit der streitigen Rechtsvorschriften mit Artikel 95 des Vertrages vorgeworfen wurde. Dieses Verfahren wurde eingestellt, nachdem die Niederlande die Diskriminierung durch die am 1. Januar 1993 in Kraft getretene Neuregelung dieses Bereichs beendet hatten.

( 26 ) Vgl. z. B. Urteil vom 31. März 1992 (Dansk Denkavit und Poulsen Trading, a.a.O., Randnrn. 20 bis 23), das eine Abgabe betraf, deren finanzielle Bedeutung alles andere als gering war.

( 27 ) Urteil vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79 (Just, Slg. 1980, 501, Randnr. 27). Vgl. auch u. a. Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595) und vom 29. Juni 1988 in der Rechtssache 240/87 (Deville, Slg. 1987, 3513).

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