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Document 61993CC0364
Opinion of Mr Advocate General Darmon delivered on 21 September 1994. # Antonio Marinari v Lloyds Bank plc and Zubaidi Trading Company. # Reference for a preliminary ruling: Corte suprema di Cassazione - Italy. # Brussels Convention - Article 5 (3) - Place where the harmful event occurred. # Case C-364/93.
Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 21. September 1994.
Antonio Marinari gegen Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Corte suprema di Cassazione - Italien.
Brüsseler Übereinkommen - Artikel 5 Absatz 3 - "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist".
Rechtssache C-364/93.
Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 21. September 1994.
Antonio Marinari gegen Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Corte suprema di Cassazione - Italien.
Brüsseler Übereinkommen - Artikel 5 Absatz 3 - "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist".
Rechtssache C-364/93.
Sammlung der Rechtsprechung 1995 I-02719
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1994:338
Schlussanträge des Generalanwalts armon vom 21/09/1994. - ANTONIO MARINARI GEGEN LLOYDS BANK PLC UND ZUBAIDI TRADING COMPANY. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CORTE SUPREMA DI CASSAZIONE - ITALIEN. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN - ARTIKEL 5 NR. 3 - "ORT, AN DEM DAS SCHAEDIGENDE EREIGNIS EINGETRETEN IST". - RECHTSSACHE C-364/93.
Sammlung der Rechtsprechung 1995 Seite I-02719
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Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1. Die Corte suprema di cassazione ersucht Sie mit Beschluß vom 21. Januar 1993 um die Auslegung des Artikels 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(1) (im folgenden: Übereinkommen) anläßlich eines Rechtsstreits, dessen Sachverhalt wie folgt zusammengefasst werden kann.
2. Im April 1987 hinterlegte Antonio Marinari, der in Italien wohnt, bei der Filiale Manchester der Lloyds Bank, deren Geschäftssitz sich in London befindet, Eigenwechsel ("promissory notes") im Gegenwert von 752 500 000 USD, die von der Provinz Negros Oriental der Republik der Philippinen zugunsten der Zubaidi Trading Company Beirut ausgestellt waren. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die Angestellten der Bank, die den Umschlag geöffnet hatten, es ablehnten, die Wechsel zurückzugeben, und die Polizei auf die angeblich zweifelhafte Herkunft der Wechsel aufmerksam machten, was zur Verhaftung des Klägers des Ausgangsverfahrens und der Beschlagnahme der "promissory notes" führte.
3. Nach seinem Freispruch durch die englischen Gerichte verklagte Herr Marinari die Lloyds Bank vor dem Tribunale Pisa auf Ersatz des Schadens, den er angeblich aufgrund des Verhaltens der Angestellten dieser Bank erlitten hatte. Seine Klage ist, wie sein Anwalt in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, nicht auf Rückgabe der Wechsel, sondern auf Verurteilung der Bank gerichtet, ihm als Schadensersatz 795 500 000 USD zu zahlen, die zum einen den Gegenwert dieser Wechsel und zum anderen einen Betrag von 43 000 000 USD für Zinsen, Ausgaben und erlittene Schäden darstellen.
4. Die Lloyds Bank wendete ein, das italienische Gericht sei unzuständig, da der Schaden, der der Zuständigkeit ratione loci zugrunde liege, in England eingetreten sei. Herr Marinari, unterstützt durch die Firma Zubaidi, beantragte, daß die Corte suprema di cassazione vorab diese Zuständigkeitsfrage entscheidet.
5. Zu diesem Zweck legt dieses höchste Gericht Ihnen folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Ist bei der Anwendung der Zuständigkeitsregel des Artikels 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968, die der Gerichtshof durch das Urteil vom 30. November 1976 in der Rechtssache 21/76 verdeutlicht hat, als 'Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist' , nur der Ort zu verstehen, an dem ein Personen oder Sachen zugefügter physischer Schaden eingetreten ist, oder auch der Ort, an dem die dem Kläger entstandenen Vermögensschäden eingetreten sind?
6. Vor einer Untersuchung der in der Frage genannten Vorschrift ist Ihre Zuständigkeit in Anbetracht der Umstände Ihrer Anrufung zu prüfen.
7. Die Corte suprema di cassazione wurde nämlich nicht durch ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung eines unteren Gerichts angerufen, sondern im Rahmen des Artikels 41 der italienischen Zivilprozessordnung, wonach jede Partei im Fall des Bestreitens der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts auf Antrag erreichen kann, daß dieses Gericht das Verfahren aussetzt, bis das höchste Gericht diese Frage entschieden hat.
8. Zwar ist dieses unbestreitbar ein Gericht im Sinne des Artikels 2 Nr. 1 des Protokolls, es hat jedoch nicht unmittelbar eine Entscheidung zu erlassen, da das Tribunale Pisa mit dem Rechtsstreit befasst bleibt, und es ist unbestreitbar kein Gericht im Sinne des Protokolls, da es weder als Rechtsmittelinstanz noch im Rahmen des Artikels 37 des Übereinkommens entscheidet.
9. Ich möchte daran erinnern, daß Artikel 3 Nr. 1 des Protokolls, auf den sich die Corte suprema di cassazione offenbar stützt, bestimmt:
"Wird eine Frage zur Auslegung des Übereinkommens oder einer anderen in Artikel 1 genannten Übereinkunft in einem schwebenden Verfahren bei einem der in Artikel 2 Nr. 1 angeführten Gerichte gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteils für erforderlich, so ist es verpflichtet, diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen."
10. Es ist jedoch festzustellen, daß, wenn dieses höchste Gericht auf der Grundlage des Artikels 41 der italienischen Zivilprozessordnung entscheidet, die erlassene Entscheidung als Antwort auf eine Vorabentscheidungsfrage des internen Rechts anzusehen ist, für die es allein zuständig ist, und daß diese Entscheidung nicht anfechtbar ist.
11. Mandrioli schreibt in seinem Werk Corso di diritto processuale civile(2):
"... l' istanza di regolamento non apre affatto un nuovo grado di giudizio, ma apre solo una parentesi che si inserisce nell' ambito del giudizio di primo grado. Chiusa questa parentesi, il giudizio prosegü sui suoi normali binari; la pronuncia sulla giurisdizione appartiene alla sentenza di primo grado anche se, naturalmente, questa parte della sentenza non è più impugnabile."(3)
12. Ich meine deshalb, daß Sie, da Sie ordnungsgemäß angerufen worden sind, die vorgelegte Frage beantworten müssen.
13. Diese betrifft im wesentlichen die Berücksichtigung nicht nur der unmittelbaren Auswirkungen des ursächlichen Ereignisses (des Personen oder Sachen zugefügten physischen Schadens), sondern auch die der nachteiligen Folgen dieser Auswirkungen für das Vermögen des Klägers (Vermögensschaden) für die Bestimmung der Zuständigkeit nach Artikel 5 Nr. 3.
14. Ich möchte daran erinnern, daß ausser in der Rechtssache Shevill(4), die derzeit beraten wird und in der ich meine Schlussanträge am 14. Juli 1994 vorgetragen habe, diese Vorschrift, was die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", angeht, bereits Gegenstand zweier Urteile des Gerichtshofes war, nämlich Mines de potasse d' Alsace und Dumez France und Tracoba(5).
15. Im ersten Urteil haben Sie einen eigenständigen Begriff des "Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", im Rahmen eines Rechtsstreits entwickelt, der eine grenzueberschreitende Verschmutzung betraf, für die ein in Frankreich ansässiges französisches Unternehmen als verantwortlich angesehen wurde und die einen in den Niederlanden ansässigen Inhaber eines Gärtnereibetriebs schädigte.
16. Sie haben zu den besonderen Zuständigkeiten des Artikels 5 ausgeführt:
"Diese freie Wahlmöglichkeit ist im Interesse einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eingeführt worden; ihr liegt die Erwägung zugrunde, daß in bestimmten Fallgestaltungen eine besonders enge Beziehung zwischen einer Streitigkeit und dem zur Entscheidung über sie berufenen Gericht besteht"(6),
ohne jedoch auf die Notwendigkeit eines Schutzes des Geschädigten einzugehen.
17. Sie haben ausserdem entschieden, daß der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist",
"... sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint"(7).
18. Die Lehre war hinsichtlich der in diesem Urteil enthaltenen Begründung und der darin aufgezeigten Lösung geteilter Meinung. Ohne in die Feinheiten einer nunmehr überholten Diskussion einzutreten, möchte ich daran erinnern, daß Droz(8) diese Entscheidung mit der Begründung kritisiert hat, sie ermögliche es den "Zweitgeschädigten", das Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich sie ihren Wohnsitz hätten, anzurufen, so daß die Entscheidung das Forum actoris begünstige. Gothot und Holleaux(9) haben der Entscheidung nicht diese Bedeutung beigemessen, sondern gemeint, sie beschränke sich
"... auf Fälle, in denen das ursächliche Geschehen und das erste materielle Auftreten des Schadens von Anfang an auseinanderfallen"(10).
19. Die Rechtssache, die zu dem Urteil Dumez geführt hat, war gerade die Gelegenheit für Sie, diese Diskussion zu entscheiden.
20. Erinnern wir uns an den Sachverhalt dieser Rechtssache. Zwei französische Muttergesellschaften hatten in Frankreich deutsche Banken auf Ersatz des Schadens, der sich aus der Liquidierung ihrer beiden deutschen Tochtergesellschaften ergeben hatte, die mit der Durchführung eines Grundstücksgeschäfts in Deutschland beauftragt waren, mit der Begründung verklagt, daß es wegen des Abbruchs der Arbeiten nach der Kündigung der Bedingungen für die Gewährung eines Darlehens an den Bauträger durch die Banken zu dieser Liquidierung gekommen sei.
21. Ich hatte Ihnen vorgeschlagen, die Auffassung zurückzuweisen, wonach das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem der mittelbar Geschädigte seinen Schaden erleidet. Sie haben sich meiner Ansicht angeschlossen und wie folgt entschieden:
"Die Zuständigkeitsvorschrift des Artikels 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 ... kann nicht so ausgelegt werden, daß sie es einem Kläger, der einen Schaden geltend macht, der angeblich die Folge des Schadens ist, den andere Personen unmittelbar aufgrund des schädigenden Ereignisses erlitten haben, erlaubt, den Urheber dieses Ereignisses vor den Gerichten des Ortes zu verklagen, an dem er selbst den Schaden an seinem Vermögen festgestellt hat."(11)
22. Ich möchte es ganz deutlich sagen: Der Ausschluß des Gerichtsstands des Ortes, an dem die Höhe des Schadens bestimmt wird ° d. h., an dem der Schaden erlitten wird, nicht, an dem er eingetreten ist °, muß ebenso für den unmittelbar wie für den mittelbar Geschädigten gelten, da sonst der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Klägers, den das Übereinkommen durch Artikel 3 gerade ausschließen wollte, wiedereingeführt würde.
23. Generalanwalt Warner hatte bereits Gelegenheit, in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Rüffer(12) in diesem Sinne Partei zu ergreifen:
"[Es] wurde weder geltend gemacht noch vom Gerichtshof angenommen, daß der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, der Sitz der klagenden Gesellschaft oder der Ort sein könne, an dem der ihrem Geschäftsbetrieb zugefügte Schaden beziffert wurde."(13)
24. Diese Auffassung wird im übrigen von den nationalen Gerichten geteilt, die zur Zuständigkeit des Gerichts des Ortes des Vermögens Stellung zu nehmen hatten, in dessen Bezirk infolge eines ursprünglichen Schadens ein finanzieller Verlust eingetreten war. Ich habe bereits die einschlägigen Entscheidungen einiger Gerichte der Vertragsstaaten geprüft und werde mich insoweit darauf beschränken, auf die Nummern 20 bis 24 meiner früheren Schlussanträge in der Rechtssache Dumez zu verweisen.
25. Auch ist es sicher nicht das Urteil Mines de potasse d' Alsace, das, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens meint, deshalb eine andere Auslegung stützen könnte, weil Sie dort entschieden haben:
"Ist der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht auch der Ort, an dem aus diesem Ereignis ein Schaden entstanden ist, dann ist der Begriff 'Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist' ... so zu verstehen, daß er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint."
26. Jener Fall betraf nämlich ein "komplexes Ereignis", bei dem sich das ursächliche Geschehen und die nachteiligen Folgen von Anfang an in zwei verschiedenen Vertragsstaaten abspielten. Hier dagegen sind, wie die britische Regierung zu Recht bemerkt hat, sowohl das schadenbegründende Ereignis (nämlich das den Angestellten der Lloyds Bank vorgeworfene Verhalten) als auch der ursprüngliche Schaden (Beschlagnahme der Wechsel und Verhaftung) in Großbritannien eingetreten. Allein der angebliche Folgeschaden (finanzielle Verluste) kann in Italien erlitten worden sein.
27. Wir haben es also mit einer besonderen Situation zu tun, in der schadenbegründendes Ereignis und unmittelbare nachteilige Folgen in einem einzigen Hoheitsgebiet lokalisiert sind und in der diese ursprünglichen Schäden zu einer Verringerung des Vermögens des Geschädigten in einem anderen Vertragsstaat geführt haben.
28. Zwar haben Sie keine Veranlassung gehabt, diese Frage direkt zu entscheiden; die Antwortbestandteile finden sich jedoch unzweifelhaft in Ihren vorgenannten Urteilen, da es auch vorliegend nur um die Unterscheidung zwischen dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, und dem Ort, an dem er erlitten wird, geht, die für die Bestimmung der Zuständigkeit ausschlaggebend ist.
29. In dem ersten Ihrer einschlägigen Urteile haben Sie nur den eingetretenen Schaden als für die Bestimmung des zuständigen Gerichts erheblich angesehen. Noch deutlicher haben Sie im Urteil Dumez Ihre wie ich meine, feindselige Einstellung gegenüber einer Berücksichtigung der späteren finanziellen Folgen zum Ausdruck gebracht, indem Sie auf den "Ort, an dem der ursprüngliche Schaden eingetreten ist"(14), also auf den Ort des Schadenseintritts, verwiesen haben.
30. Würde man aber das Gericht für zuständig erklären, in dessen Bezirk die Vermögenseinbussen festgestellt wurden, so würde das darauf hinauslaufen, daß die Besonderheit des Ortes des Eintritts als Zuständigkeitskriterium dadurch verkannt würde, daß ihm der Ort gleichgestellt würde, an dem der Schaden erlitten wird.
31. Diese Erweiterung würde somit das Forum actoris begründen, denn ein Geschädigter erleidet seinen Schaden im allgemeinen an seinem Wohnsitz. Ein solches Ergebnis würde eindeutig in völligem Widerspruch zu Artikel 5 des Übereinkommens stehen, dessen Zweck nach Ihrer Rechtsprechung dem Gebot der ordnungsgemässen Rechtspflege entspricht.
32. Der Geist des Übereinkommens steht deshalb einer solchen Lösung entgegen. Darüber hinaus entspricht die von mir vorgeschlagene Lösung der Logik und der Richtung Ihrer Rechtsprechung.
33. Es sei zunächst daran erinnert, daß
"... die in den Artikeln 5 und 6 des Übereinkommens aufgezählten 'besonderen Zuständigkeiten' ... Ausnahmen vom Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaats des Beklagten darstellen, die einschränkend auszulegen sind"(15).
34. Diesem Ziel würde es genau zuwiderlaufen, wenn man für die Bestimmung der Zuständigkeit eine Berücksichtigung des infolge eines ursprünglichen Schadens eingetretenen finanziellen Schadens zulassen würde.
35. Eine solche Lösung würde aber vor allem die Häufung konkurrierender Gerichtsstände begünstigen, während Sie im Urteil Effer(16) ausgeführt haben, daß
"... das Übereinkommen eine Reihe von Vorschriften [enthält], die unter anderem die Häufung von in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig anhängigen Gerichtsverfahren in Zivil- und Handelssachen verhindern sollen und die im Interesse der Rechtssicherheit sowie im Interesse der Parteien die Bestimmung desjenigen nationalen Gerichts ermöglichen, das in territorialer Hinsicht zur Entscheidung über einen Rechtsstreit am besten geeignet ist"(17).
36. Dieses Bestreben, eine solche Häufung, mit der Gefahr einer "Zerstückelung" der Zuständigkeit in Sicht, zu vermeiden, ist von Ihnen erneut im Urteil Dumez zum Ausdruck gebracht worden. Wie Sie nämlich entschieden haben,
"ist es unerläßlich, eine Vermehrung der zuständigen Gerichte zu verhindern, die die Gefahr der Unvereinbarkeit von Entscheidungen verstärkt, die gemäß Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens ein Grund für die Verweigerung der Anerkennung oder der Vollstreckbarerklärung ist"(18).
37. Die von mir vorgeschlagene Lösung stellt somit Ihr Urteil Dumez nicht in Frage. Sie bildet vielmehr dessen natürliche Fortsetzung.
38. Frau Gaudemet-Tallon führt in ihrer Besprechung dieser Entscheidung(19) aus:
"Das Urteil Dumez, in dem der Gerichtshof es ablehnt, die Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzes des mittelbar Geschädigten anzuerkennen und nur den unmittelbaren Schaden berücksichtigt, wobei er die Wendungen 'Ort, an dem der Schaden eingetreten ist' und 'Ort, an dem der ursprüngliche Schaden in Erscheinung getreten ist' aufgreift (vgl. Randnrn. 10, 15, 20 und 21), legt den Gedanken nahe, daß nur das Gericht des Ortes, an dem der erste Schaden eingetreten ist, zuständig sein kann. Zwar beziehen sich die Ausführungen des Gerichtshofes hier nur auf einen mittelbar Geschädigten; es gibt aber keinen Grund dafür, daß er eine andere Antwort erteilt, wenn es um einen Schaden geht, der bei einem unmittelbar Geschädigten eingetreten ist und der später andere nachteilige Folgen hat, die sehr häufig am Wohnsitz des Geschädigten auftreten.
Es handelt sich also nicht darum, wo der Geschädigte den Schaden erleidet, denn das mit dem Übereinkommen verfolgte Ziel ist nicht hauptsächlich der Schutz des Geschädigten, was zum Forum actoris hätte führen können."(20)
39. Ich schließe mich in vollem Umfang dieser Auffassung an, zu der ich übrigens in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Dumez nähere Ausführungen gemacht habe(21).
40. Dieser Standpunkt wird im übrigen von der herrschenden Lehre vollständig geteilt.
41. Hüt(22) führt, wenn auch in Frageform, ebenfalls aus, daß die Bedeutung des Urteils Dumez über den Fall des mittelbar Geschädigten hinausgehe:
"Will der Gerichtshof nicht auch zum Ausdruck bringen, daß, wenn sich ein unmittelbar Geschädigter über ° insbesondere finanzielle ° Folgeschäden aufgrund eines ursprünglichen Schadens beklagt, nur der Ort dieses ursprünglichen Schadens die gerichtliche Zuständigkeit begründet?"(23)
42. Auch die britische Lehre ist gegen eine Zuweisung der Zuständigkeit an das Gericht des Ortes der späteren finanziellen Schäden. So führt Collins aus:
"Even though in one sense a plaintiff may suffer economic loß at the place of its busineß, that is not sufficient to confer jurisdiction on that place, for otherwise the place of busineß of the plaintiff would almost automatically become another basis of jurisdiction."(24)
43. Auch O' Malley und Layton meinen:
"It seems in such a case that the economic consequences of the damage should be distinguished from the damage itself (not necessarily an easy task in economic torts) and the location of the estate or person suffering damage by reason of the harmful event is not necessarily the location of the damage."(25)
44. Es besteht Einigkeit in der deutschen Lehre ° die im übrigen im Widerspruch zu der Auffassung steht, die die deutsche Regierung in der vorliegenden Rechtssache vertritt °, und insbesondere Kropholler(26) weist auf die Gefahr des Forum shopping hin, wenn die Zuständigkeit der Gerichte des Ortes, an dem sich spätere Schäden zeigen, bejaht würde.
45. Dieser Autor schreibt:
"Es spricht viel dafür, den Ort des (weiteren) Schadenseintritts nach erfolgter Rechtsgutverletzung für die Zuständigkeitsbegründung nicht ausreichen zu lassen. Denn sonst würde die Deliktszuständigkeit auf Kosten des in Art. 2 verankerten Grundsatzes des Beklagtenwohnsitzes stark ausgedehnt und einem Klägergerichtsstand angenähert."(27)
46. Darüber hinaus ist es interessant, darauf hinzuweisen, daß selbst die Autoren, die Artikel 5 Nr. 3 dahin auslegen, daß er auf dem Gedanken des Schutzes des Geschädigten beruhe(28), keineswegs vorschlagen, diese Vorschrift zur Begründung der Zuständigkeit der Gerichte des späteren Schadens heranzuziehen. Bourel(29) schreibt in der Tat:
"So ergibt sich aus der Beurteilung sowohl der Lehre als auch der Rechtsprechung unbestreitbar, daß der Begriff des Ortes des Schadens im Sinne der Anknüpfung für den Gerichtsstand des Delikts dahin zu verstehen ist, daß es sich um den Ort handelt, an dem der Schaden, den der (unmittelbar oder mittelbar) Geschädigte unmittelbar erleidet, im Moment des schadenbegründenden Ereignisses eintritt, ohne daß den Folgen oder Konsequenzen dieses Schadens Rechnung getragen wird, die an einem anderen Ort, insbesondere am Wohnsitz des Klägers, eintreten können."(30)
47. Der Geschädigte könnte sich nämlich nach seiner Wahl ausser an das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten, das Gericht des Ortes des schadenbegründenden Ereignisses und das Gericht des Ortes des Schadenseintritts auch an das Gericht wenden, in dessen Bezirk der Schaden festgestellt, d. h. später erlitten worden ist, was unvermeidlich zu einer Ermutigung zum Forum shopping führen würde.
48. Ich meine deshalb, daß Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens nicht dahin ausgelegt werden kann, daß er es einer Person, die infolge eines in einem anderen Vertragsstaat eingetretenen ursprünglichen Schadens einen finanziellen Schaden erlitten hat, ermöglicht, dessen angeblichen Verursacher vor den Gerichten des Ortes zu verklagen, an dem sie diesen finanziellen Schaden erlitten hat.
49. Ich schlage Ihnen deshalb vor, wie folgt für Recht zu erkennen:
Artikel 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, daß er es einem Kläger, der einen finanziellen Schaden infolge eines in einem anderen Vertragsstaat eingetretenen ursprünglichen Schadens geltend macht, nicht gestattet, den Beklagten vor den Gerichten des Ortes zu verklagen, an dem er diesen finanziellen Schaden erlitten hat.
(*) Originalsprache: Französisch.
(1) ° In der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs (ABl. L 304, S. 1).
(2) ° Band 1: Nozioni introduttive e disposizioni generali , Giappichelli editore, Turin 1989.
(3) ° Paragraph 34, S. 182. Frei übersetzt: ... der Antrag auf Entscheidung [durch die Corte di cassazione] eröffnet keineswegs einen neuen Rechtszug, sondern lediglich ein Zwischenverfahren, das sich im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens abspielt. Nachdem dieses Zwischenverfahren abgeschlossen ist, geht das Verfahren seinen normalen Gang; die Entscheidung über die Zuständigkeit ist Teil des erstinstanzlichen Urteils, auch wenn dieser Teil des Urteils natürlich nicht mehr angefochten werden kann.
(4) ° Rechtssache C-68/93.
(5) ° Urteil vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-220/88 (Slg. 1990, I-49).
(6) ° Randnr. 11.
(7) ° Tenor.
(8) ° Recüil Dalloz Sirey, 1977, Nr. 40, S. 614.
(9) ° La Convention de Bruxelles du 27 septembre 1968 ° Compétence judiciaire et effets des jugements dans la CEE, Jupiter, 1985.
(10) ° Nr. 89, S. 50.
(11) ° Tenor.
(12) ° Urteil vom 16. Dezember 1980 in der Rechtssache 814/79 (Slg. 1980, 3807).
(13) ° A. a. O., 3836.
(14) ° Randnr. 21.
(15) ° Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 189/87 (Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Randnr. 19). Siehe in diesem Sinne auch Urteil vom 17. Juni 1992 in der Rechtssache C-26/91 (Handte, Slg. 1992, I-3967, Randnr. 14).
(16) ° Urteil vom 4. März 1982 in der Rechtssache 38/81 (Slg. 1982, 825).
(17) ° Randnr. 6.
(18) ° Randnr. 18.
(19) ° Revü critique de droit international privé, 1990, S. 367 ff.
(20) ° S. 375.
(21) ° Siehe insb. Nr. 24.
(22) ° Journal de droit international, 1990, S. 498 ff.
(23) ° S. 501 a. E.
(24) ° The Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, 1983, Kapitel 4, S. 60.
(25) ° European Civil Practice, Sweet and Maxwell, 1989, S. 427, 17.50. Siehe auch P. Kaye: Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgements, Professional Books, 1987, insb. S. 583.
(26) ° Europäisches Zivilprozeßrecht, Kommentar zum EuGVÜ, Heidelberg 1987.
(27) ° Artikel 5 Rz. 45.
(28) ° Siehe dazu die Anmerkung von P. Bourel zu Ihrem Urteil Mines de potasse d' Alsace in: Revü critique de droit international privé, 1977, S. 568 bis 576. Er zögert nämlich nicht, auf S. 572 zu schreiben: Alle diese Erwägungen führen somit zu der Auffassung, daß der Gedanke des Schutzes des Geschädigten in der Diskussion nicht unbeachtet bleiben darf, als ob er mit Artikel 5 Nr. 3 nichts zu tun hätte. Ich meine sogar, daß sich das Problem der Bestimmung des Gerichts des Ortes des schädigenden Ereignisses allein aufgrund dieses Gedankens lösen lässt.
(29) ° Du rattachement de quelques délits spéciaux en droit international privé , in: Receuil des Cours, Académie de droit international de la Haye, 1989, II, Band 214 der Sammlung, S. 251 ff.
(30) ° Punkt 164, S. 386.