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Document 61993CC0342

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 6. Juni 1995.
Joan Gillespie und andere gegen Northern Health and Social Services Boards, Department of Health and Social Services, Eastern Health and Social Services Board und Southern Health and Social Services Board.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (Northern Ireland) - Vereinigtes Königreich.
Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Entgelt während des Mutterschaftsurlaubs.
Rechtssache C-342/93.

Sammlung der Rechtsprechung 1996 I-00475

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1995:167

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 6. Juni 1995 ( *1 )

1. 

Der Court of Appeal in Northern Ireland (nachstehend: Court of Appeal) hat mit Beschluß vom 25. Juni 1993 vier Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 des Vertrages und bestimmter Vorschriften der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen ( 1 ) sowie der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( 2 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Sachverhalt

2.

Im Lauf des Jahres 1988 erhielten siebzehn Frauen, darunter Frau Gillespie (nachstehend: Klägerinnen), die bei mehreren staatlichen Health Boards in Nordirland ( 3 ) (nachstehend: Beklagte) tätig waren, Mutterschaftsurlaub.

3.

Gemäß den für ihre Bezüge während des Mutterschaftsurlaubs geltenden Bestimmungen des Tarifvertrags ( 4 ) erhielten sie während dieses Zeitraums:

vier Wochen lang vollen Wochenlohn;

zwei Wochen lang neun Zehntel des vollen Wochenlohns;

zwölf Wochen lang die Hälfte des vollen Wochenlohns.

4.

Im November 1988 führten Tarifverhandlungen im Gesundheitswesen zu rückwirkenden Lohnerhöhungen ab 1. April 1988.

5.

Die Methoden für die Berechnung des Entgelts der Klägerinnen während ihres Mutterschaftsurlaubs gemäß dem nationalen Recht hätten zu folgendem geführt:

einer Kürzung des Lohns;

einem Verlust eines Teils der Lohnerhöhung.

6.

Die Klägerinnen waren der Auffassung, jede Kürzung ihres Lohns und jeder Ausschluß von der Lohnerhöhung während ihres Mutterschaftsurlaubs verstoße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts gemäß Artikel 119 des Vertrages und Artikel 1 der Richtlinie 75/117 und gegen den in der Richtlinie 76/207 niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung; sie beantragten daher, in den Genuß des neuen Tarifvertrags zu kommen. Gegen das Urteil des Industrial Tribunal vom 10. Juni 1991, durch das ihre dahin gehende Klage abgewiesen wurde, legten die Klägerinnen Berufung ein.

7.

Der Court of Appeal hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1)

Verlangen die folgenden Regelungen oder eine von ihnen, nämlich i) Artikel 119 EWG-Vertrag, ii) die Richtlinie über gleiches Entgelt (75/117/EWG) oder iii) die Gleichbehandlungsrichtlinie (76/207/EWG), daß eine Frau während der Zeit, in der sie sich in dem im nationalen Recht oder in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehenen Mutterschaftsurlaub befindet, das volle Arbeitsentgelt erhält, auf das sie Anspruch gehabt hätte, wenn sie während dieser Zeit normal für ihren Arbeitgeber gearbeitet hätte?

2)

Bei Verneinung der ersten Frage: Verlangen die genannten Regelungen, daß das Arbeitsentgelt einer Frau während der Zeit, in der sie sich im Mutterschaftsurlaub befindet, anhand bestimmter Kriterien festgelegt wird?

3)

Bei Bejahung der zweiten Frage: Welches sind diese Kriterien?

4)

Bei Verneinung der ersten und der zweiten Frage: Verhält es sich so, daß keine der genannten Regelungen irgendeine Geltung oder Auswirkung hinsichtlich der Höhe des Arbeitsentgelts hat, auf das eine Frau im Mutterschaftsurlaub Anspruch hat?

8.

Diese Auslegungsfragen sind eng miteinander verknüpft. Die erste Frage geht dahin, ob die Gemeinschaftsvorschriften verlangen, daß eine Frau während der Zeit, in der sie sich im Mutterschaftsurlaub befindet, das volle Arbeitsentgelt erhält, das sie erhalten hätte, wenn sie während dieser Zeit normal gearbeitet hätte. Diese Frage werde ich zuerst beantworten. Mit der dritten Frage wird die zweite Frage präzisiert. Für den Fall der Verneinung der ersten Frage wird im wesentlichen Aufklärung darüber begehrt, ob die genannten Vorschriften es erlauben, die Kriterien festzustellen, die bei einem niedrigeren als dem vollen Arbeitsentgelt zu beachten wären. Für den Fall der Verneinung der ersten und der zweiten Frage wird die Frage gestellt, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber die Höhe des Arbeitsentgelts der Frau während des Mutterschaftsurlaubs nicht geregelt hat. Ich werde diese drei Fragen im zweiten Teil meiner Schlußanträge behandeln. Meiner Kenntnis nach haben Sie zum ersten Mal zu diesen Punkten Stellung zu nehmen.

Beantwortung der ersten Frage: Verbietet es das Gemeinschaftsrecht, daß eine Arbeitnehmerin während ihres Mutterschaftsurlaubs nicht das volle Arbeitsentgelt erhält, das sie erhalten hätte, wenn sie normal gearbeitet hätte?

9.

Für die Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, die Tragweite des in Artikel 119 des Vertrages und in Artikel 1 der Richtlinie 75/117 niedergelegten Grundsatzes des gleichen Entgelts (II) und des in der Richtlinie 76/207 vorgesehenen Schutzanspruchs der schwangeren Arbeitnehmerin (III) zu bestimmen, nachdem die maßgeblichen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dargestellt worden sind (I).

I — Rechtlicher Rahmen

A — Die auf Frauen während ihres Mutterschaftsurlaubs anwendbare nationale gesetzliche und tarifvertragliche Regelung

10.

Die gesetzliche Regelung ist in Nordirland in der Social Security (Northern Ireland) Order 1986 und in den Statutory Maternity Pay (General) Regulations (Northern Ireland) 1987 niedergelegt. Die tarifvertragliche Regelung findet sich in dem von den Joint Councils for the Health and Personal Social Services (Northern Ireland) erlassenen General Council Handbook.

11.

Die gesetzliche Regelung und die tarifvertragliche Regelung weisen folgende Übereinstimmungen auf:

1)

Bei Vorliegen der Vorausetzungen ( 5 ) für einen Lohnanspruch während des Mutterschaftsurlaubs hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf achtzehn Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub;

2)

der während des Mutterschaftsurlaubs gezahlte Wochenlohn (WLMU) wird nach der in Artikel 21 der Regelung von 1987 vorgesehenen Methode berechnet, nämlich:

a)

Summe des Bruttolohns der Angestellten während der beiden der Referenzwoche ( 6 ) vorangehenden Monate (BL),

b)

multipliziert mit sechs,

c)

geteilt durch zweiundfünfzig;

oder: Formula

12.

Der Wochenlohn während des Mutterschaftsurlaubs dient als Berechnungsgrundlage ( 7 ) für das Entgelt, das der Angestellten während ihres Mutterschaftsurlaubs gezahlt wird.

13.

Der Betrag dieses Entgelts ist unterschiedlich, je nachdem, ob die gesetzliche Regelung oder die tarifvertragliche Regelung Anwendung findet.

14.

Die gesetzliche Regelung sieht vor, daß die Arbeitnehmerin Anspruch hat:

a)

sechs Wochen lang auf neun Zehntel des Wochenlohns während des Mutterschaftsurlaubs,

b)

zwölf Wochen lang auf eine Pauschalleistung von 47,95 UKL.

15.

Die tarifvertragliche Regelung hingegen ist günstiger, da sie der Arbeitnehmerin folgendes gewährt:

a)

vier Wochen lang den vollen Wochenlohn während des Mutterschaftsurlaubs,

b)

zwei Wochen lang neun Zehntel des Wochenlohns während des Mutterschaftsurlaubs,

c)

zwölf Wochen lang die Hälfte des Wochenlohns während des Mutterschaftsurlaubs.

16.

Es ist unbestreitbar, daß die Anwendung dieser Regelungen, der gesetzlichen und der tarifvertraglichen, dazu führt, daß sich der Betrag der den nordirischen Arbeitnehmerinnen während der Dauer ihres Mutterschaftsurlaubs gezahlten Löhne verringert.

B — Die Gemeinschaftsvorschriften

17.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens stützen ihre Klage auf drei Regelungen des Gemeinschaftsrechts: Artikel 119 des Vertrages und bestimmte Vorschriften der Richtlinien 75/117 und 76/207.

18.

Artikel 119 des Vertrages bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.

Unter ‚Entgel‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und-gehälter sowie alle sonstigen Vergünstigungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet:

a)

daß das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird;

b)

daß für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.“

19.

Artikel 1 der Richtlinie 75/117 sieht folgendes vor:

„Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im folgenden als ‚Grundsatz des gleichen Entgelts‘ bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.

Insbesondere muß dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, daß Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden.“

20.

Die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 76/207 rinden sich in den Artikeln 2 Absätze 1 und 3 und 5 Absätze 1 und 2 Buchstabe c:

„Artikel 2

(1)   Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts — insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand — erfolgen darf.

...

(3)   Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen.“

„Artikel 5

(1)   Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, daß Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gewährt werden.

(2)   Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,

...

c)

daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften, bei denen der Schutzgedanke, aus dem heraus sie ursprünglich entstanden sind, nicht mehr begründet ist, revidiert werden; daß hinsichtlich der Tarifbestimmungen gleicher Art die Sozialpartner zu den wünschenswerten Revisionen aufgefordert werden.“

II — Beinhaltet der in Artikel 119 des Vertrages und in Artikel 1 der Richtlinie 75/117 niedergelegte Grundsatz des gleichen Entgelts die Verpflichtung, der Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs weiterhin das volle Arbeitsentgelt zu zahlen?

Die Beantwortung dieser Frage macht eine Analyse des Inhalts und der Tragweite dieses Grundsatzes erforderlich.

21.

Wenn es offensichtlich ist — und dies ist unbestritten —, daß der den Klägerinnen in Anwendung der genannten nationalen Vorschriften gezahlte Lohn ein Entgelt im Sinne des Artikels 119 des Vertrages und des Artikels 1 der Richtlinie 75/117 darstellt ( 8 ), kann man dann unter Berufung auf die Tatsache, daß in diesen Gemeinschaftsbestimmungen keine Bezugnahme auf die Schwangerschaft der Angestellten enthalten ist, geltend machen, daß diese Gruppe von Arbeitnehmerinnen vom Anwendungsbereich dieser Regelung ausgeschlossen ist? Die Antwort auf diese Frage erfordert die Untersuchung des Sinns und Zwecks der angeführten Gemeinschaftsbestimmungen.

22.

Schon 1974 ( 9 ) stellte der Gemeinschaftsgesetzgeber fest, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Entgelts ( 10 ) sowie hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( 11 ) häufig theoretisch bleibe ( 12 ). Da er diesen Grundsatz als wesentlich ansah, setzte er sich das als prioritär bezeichnete Ziel ( 13 ), rechtliche Instrumente zu schaffen, die es ermöglichen, die tatsächliche Situation mit dem Recht in Einklang zu bringen. Unter Bezugnahme auf Artikel 2 EWG-Vertrag kündigte er ein sozialpolitisches Aktionsprogramm an. Er stellte auch fest, daß dieses Programm positiver sozialer Maßnahmen, durch die die nationalen Rechtsvorschriften koordiniert werden sollten, schrittweise durchgeführt werden solle. So sollten spezifische Rechtsinstrumente geschaffen werden, um Frauen in ihrem Berufsleben gegen jede tatsächliche Ungleichbehandlung zu schützen.

23.

Im Rahmen der positiven sozialen Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Ziels verwies er auf den Vorschlag für eine Richtlinie über die Durchführung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Es handelt sich um die Richtlinie 75/117, die also die erste vom Rat durchgeführte sozialpolitische Maßnahme darstellt. Ziel dieser Richtlinie ist es, den in Artikel 119 des Vertrages genannten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu verwirklichen ( 14 ).

24.

Die Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen bei Schwangerschaft sind konkrete und spezielle Ausformungen der allgemeinen auf Frauen anwendbaren Vorschriften.

25.

In Artikel 1 der Richtlinie 75/117 wird die schwangere Arbeitnehmerin nicht erwähnt; da jedoch nur Frauen Kinder zur Welt bringen können, darf dieser biologische Unterschied zwischen Mann und Frau nicht zu einer Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts führen.

26.

So dürfte nicht auf den Umstand der Schwangerschaft einer Frau abgestellt werden, um deren Arbeitsentgelt mit der Begründung zu verringern, daß ihre Produktivität abgefallen sei oder daß ihre Schwangerschaft besondere Maßnahmen erfordere, die eine Lohnkürzung rechtfertigten. Folglich hat der Zustand der Schwangerschaft einer Frau gemäß Artikel 119 des Vertrages und gemäß Artikel 1 der Richtlinie 75/117 keinerlei Einfluß auf ihr Arbeitsentgelt, während sie arbeitet, d. h. vor ihrem Mutterschaftsurlaub. Eine andere Regelung würde zweifellos eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen.

27.

Wie schon festgestellt, bestimmt Artikel 1 der Richtlinie 75/117 folgendes: „Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im folgenden als ‚Grundsatz des gleichen Entgelts‘ bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.“ Hieraus ergibt sich, daß diese Vorschrift dahin auszulegen ist, daß die schwangere Frau, während sie arbeitet, auf die gleiche Art zu behandeln ist wie in der Situation vor Eintreten dieses neuen Zustands, also vor ihrer Schwangerschaft. Der Gemeinschaftsgesetzgeber gibt keinen Hinweis hinsichtlich der vorgeschriebenen Höhe eines solchen Arbeitsentgelts. Die Bestimmung der Höhe dieses Arbeitsentgelts ist Sache der zuständigen nationalen Behörden. Er erinnert jedoch daran, daß das grundlegende Prinzip der Gleichbehandlung der Geschlechter erfordert, daß bei einer gleichen oder gleichwertigen Arbeit, die von einem Mann oder einer Frau verrichtet wird, das gleiche Entgelt zu zahlen ist.

28.

Zur Veranschaulichung dieser Ausführungen ist im Hinblick auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache festzustellen, daß der Grundsatz des gleichen Entgelts verlangt, daß die schwangere Arbeitnehmerin, die ihre Arbeit wegen Mutterschaftsurlaubs nach dem Monat April verläßt, für die Zeit vor ihrem Mutterschaftsurlaub, d. h. in den Monaten, in denen sie tatsächlich gearbeitet hat, den vollen erhöhten Lohn erhalten muß. Die Arbeitnehmerin, die ihre Arbeit im Juli verläßt, muß somit für die Monate April bis Juli eine Lohnnachzahlung erhalten, die die volle im November gewährte Lohnerhöhung berücksichtigt. Eine andere Lösung würde einen Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages und Artikel 1 der Richtlinie 75/117 darstellen.

29.

In dem uns vorliegenden Rechtsstreit beanstanden die Klägerinnen jedoch die Höhe des Lohns, der während ihres Mutterschaftsurlaubs, also während eines Zeitraums, in dem sie nicht arbeiteten, gezahlt wurde. Unter Berufung auf den Grundsatz des gleichen Entgelts gemäß Artikel 119 des Vertrages und gemäß der Richtlinie 75/117 machen sie geltend, sie hätten Anspruch auf den Lohn, der ihnen gezahlt worden wäre, wenn sie weiterhin gearbeitet hätten.

30.

Wie wir gesehen haben, setzt die Anwendung dieses Grundsatzes das Bestehen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts voraus. Hinsichtlich des Begriffs der Diskriminierung ist Ihre ständige Rechtsprechung klar und eindeutig ( 15 ). Erst kürzlich haben Sie in einem Urteil vom 14. Februar 1995 (Schumacker) diese Rechtsprechung bestätigt, indem Sie folgendes feststellten:

„[Eine] Diskriminierung [kann] nur darin bestehen ..., daß unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder daß dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird.“ ( 16 )

31.

In einem Urteil vom 14. Juli 1994 (Webb) ( 17 ) haben Sie für Recht erkannt, daß die Situation einer Arbeitnehmerin, die wegen Schwangerschaft unfähig ist, die Aufgabe zu erfüllen, für die sie eingestellt wurde, eine Situation sui generis darstellt und nicht mit der eines Mannes verglichen werden kann, der aus medizinischen oder anderen Gründen ebenfalls hierzu unfähig sei: „... der Zustand der Schwangerschaft [ist] nicht mit einem krankhaften Zustand und erst recht nicht mit mangelnder Verfügbarkeit aus nichtmedizinischen Gründen und damit mit Umständen vergleichbar, die die Entlassung einer Frau begründen könnten, ohne daß diese Entlassung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellte.“

32.

Erst recht wäre es juristisch fehlerhaft, die Situation eines Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz mit derjenigen einer Arbeitnehmerin im Mutterschaftsurlaub vergleichen zu wollen. Die Bestimmungen der Artikel 119 des Vertrages und 1 der Richtlinie 75/117 sind im vorliegenden Fall somit nicht anwendbar.

33.

Bevor ich zum letzten Punkt des ersten Teils meiner Ausführungen komme, ist jedoch noch anzumerken, daß aufgrund der Verfahrensakten eine der Forderungen der Klägerinnen (rückwirkende Zahlung der Lohnerhöhung ( 18 )) nicht sicher auszuschließen ist. Der sich aus den oben genannten Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht ergebende Grundsatz des gleichen Entgelts würde es nämlich verbieten, daß aufgrund des Zusammenwirkens der gesetzlichen Methode für die Neuberechnung des erhöhten Wochenlohns während des Mutterschaftsurlaubs ( 19 ) und der von den Beklagten getroffenen Regelung der Gewährung der Lohnerhöhung ( 20 ) die besondere Gruppe der schwangeren Arbeitnehmerinnen im wesentlichen von der so gewährten Lohnerhöhung ausgeschlossen wäre. Jedenfalls wäre es Sache des vorlegenden Gerichts, diese Überprüfung vorzunehmen.

III — Beinhaltet der in der Richtlinie 76/207 enthaltene Grundsatz des Schutzanspruchs der schwangeren Frau die Verpflichtung, den Lohn der Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs aufrechtzuerhalten?

Die Beantwortung dieser Frage erfordert ebenfalls eine Analyse des Inhalts und der Tragweite dieses Grundsatzes.

34.

Meiner Auffassung nach ist auch diese Vorlagefrage aufgrund der Richtlinie 76/207 aus drei wesentlichen Gründen zu verneinen: wegen des Wortlauts der in Rede stehenden Gemeinschaftsvorschriften, wegen deren Sinn und Zweck und aufgrund Ihrer Rechtsprechung.

35.

Erstens enthält die Richtlinie 76/207 keine Bestimmung und keinen Hinweis auf die Höhe des Entgelts, das der Arbeitnehmerin während ihres Mutterschaftsurlaubs zu zahlen ist. In Artikel 2 Absätze 1 und 3 und Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie ist der Grundsatz des Rechtsanspruchs der schwangeren Arbeitnehmerin auf Schutz niedergelegt. Demgemäß ermächtigt die Richtlinie die Mitgliedstaaten subsidiär, besondere Schutzmaßnahmen für Frauen zu treffen; sie bezweckt jedoch nicht, eine Harmonisierung in diesem Bereich durchzuführen. Dieser Bereich, d. h. die Festlegung der Höhe des Entgelts der Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs, fällt also in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

36.

Die einzige in der Richtlinie 76/207 vorgesehene Harmonisierungsmaßnahme — dies ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 — besteht im Verbot der Entlassung während des Mutterschaftsurlaubs. Sie haben dies im übrigen in ständiger Rechtsprechung festgestellt, indem Sie für Recht erkannten, daß eine solche Entlassung eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt ( 21 ). Sie haben auch die Verweigerung der Einstellung aufgrund einer Schwangerschaft einer solchen Entlassung gleichgestellt ( 22 ).

37.

Zweitens kommt der Sinn und Zweck dieser Richtlinie in deren Begründungserwägungen durch die Verweisung auf die Entschließung des Rates vom 21. Januar 1974 klar zum Ausdruck. Sie gehört zu dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber schon im Jahr 1974 angekündigten sozialpolitischen Aktionsprogramm. Ihr Ziel ist es, die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf den Zugang zur Beschäftigung und auf die sonstigen Arbeitsbedingungen, die nicht das Entgelt betreffen ( 23 ), zu erstrecken. Gegenstand der Richtlinie 76/207 ist es weder, die Rechtsvorschriften im Bereich des Entgelts zu harmonisieren — hierzu wurde speziell die Richtlinie 75/117 erlassen ( 24 ) — noch, eine spezifische Gemeinschaftsregelung zum Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen einzuführen. Die Richtlinie 76/207 verfolgt das Ziel, die Chancengleichheit für Männer und Frauen zu verwirklichen, und zwar „durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen“ ( 25 ). Sie legitimiert die Ausnahmen von dem strengen Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter mit dem Ziel, die Ungleichheiten, die sich aus der biologischen Situation der Frau während dieses sehr besonderen Zeitraums ergeben, zu verringern oder zu beseitigen. Diese Richtlinie, in der das Recht der Frau auf Schutz bei Schwangerschaft und Mutterschaft niedergelegt ist, hat mit anderen Worten, wie es im Schrifttum ausgedrückt worden ist, das Ziel, „dadurch, daß sie die Geltendmachung bestimmter Rechte den Frauen vorbehält oder ihnen sogar die Ausübung bestimmter schädlicher Tätigkeiten verwehrt, konkret eine Gleichheit herzustellen, die bei strikter Gleichheit der Rechtsnormen gerade beeinträchtigt wäre“ ( 26 ). In diesem Punkt gelange ich zu der gleichen Auffassung wie Generalanwalt Tesauro in seinen Schlußanträgen vom 6. April 1995 in der anhängigen Rechtssache Kaianke ( 27 ).

38.

Drittens ist auch Ihrer Rechtsprechung zu entnehmen, daß keine Bestimmung der Richtlinie 76/207 die Bejahung der Vorlagefragen des Court of Appeal erlaubt.

39.

Erstens haben Sie zum Sinn und Zweck dieser Richtlinie im Urteil Hofmann vom 12. Juli 1984 festgestellt, daß

„die Richtlinie nicht zum Gegenstand hat, die internen Verhältnisse der Familie zu regeln oder die Aufgabenteilung zwischen den Eltern zu ändern“ ( 28 ).

„Ferner ist insbesondere im Hinblick auf Absatz 3 hervorzuheben, daß die Richtlinie, indem sie den Mitgliedstaaten das Recht vorbehält, Vorschriften zum Schutz der Frau ‚bei Schwangerschaft und Mutterschaft‘ beizubehalten oder einzuführen, in bezug auf den Gleichheitsgrundsatz die Berechtigung anerkennt, die Bedürfnisse der Frau in zweierlei Hinsicht zu schützen. Zum einen handelt es sich um den Schutz ihrer körperlichen Verfassung während und nach der Schwangerschaft bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich ihre körperlichen und seelischen Funktionen nach der Entbindung normalisiert haben. Zum anderen geht es um den Schutz der Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit, die sich an die Schwangerschaft und Entbindung anschließt, damit diese Beziehung nicht durch die Doppelbelastung aufgrund der gleichzeitigen Ausübung eines Berufs gestört wird.“ ( 29 )

40.

Sie haben also den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zuerkannt, Ausnahmevorschriften zugunsten der schwangeren Frauen zu erlassen, den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum jedoch beschränkt.

41.

So haben Sie im Urteil Johnston vom 15. Mai 1986 ( 30 ) festgestellt, daß Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/207 eng auszulegen sei:

„Wie Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ist auch dessen Absatz 3, nach dem sich die Bedeutung des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe c bestimmt, eng auszulegen. Aus der ausdrücklichen Erwähnung von Schwangerschaft und Mutterschaft ergibt sich, daß die Richtlinie zum einen die körperliche Verfassung der Frau und zum anderen die besondere Beziehung zwischen Mutter und Kind schützen will. Somit können Frauen nicht unter Berufung auf diese Bestimmung der Richtlinie mit der Begründung von einer Beschäftigung ausgeschlossen werden, daß die öffentliche Meinung für sie einen im Verhältnis zu Männern stärkeren Schutz gegen Gefahren fordere, die Männer und Frauen in gleicher Weise betreffen und die sich von den besonderen Schutzbedürfnissen der Frau, wie sie in der Richtlinie ausdrücklich erwähnt sind, unterscheiden.“

42.

Sie haben auch im Urteil Kommission/Frankreich vom 25. Oktober 1988 ( 31 ) diesen Standpunkt bestätigt, indem Sie für Recht erkannten, daß Artikel 2 Absatz 3 Maßnahmen, die den Schutz von Frauen in Eigenschaften bezwecken, die nicht nur Frauen haben können, wie der Eigenschaft als älterer Arbeitnehmer oder als Elternteil, nicht rechtfertigen kann.

43.

Sie haben somit den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der sozialen Maßnahmen, die sie ergreifen, um den Schutz der Frau bei Schwangerschaft und Mutterschaft zu gewährleisten, beschränkt, und zwar einerseits auf den Ausgleich der für die Frau anders als für den Mann tatsächlich bestehenden Nachteile im Hinblick auf die Beibehaltung des Arbeitsplatzes und andererseits auf den Schutz von zweierlei Bedürfnissen der Frau, so wie sie in Ihrem schon genannten Urteil Hofmann ( 32 )umschrieben werden.

44.

Sie haben auch zu der Frage Stellung genommen, wie diese Gemeinschaftsbestimmungen beim Fehlen einer besonderen nationalen Regelung über Maßnahmen zum Schutz schwangerer Frauen auszulegen sind.

45.

So hatten Sie in einem Urteil vom 8. November 1990, „Hertz“ ( 33 ), die Frage zu beantworten, ob die Entlassung einer Arbeitnehmerin aufgrund häufiger Fehlzeiten infolge einer durch die Schwangerschaft verursachten Krankheit gegen die Bestimmungen der Richtlinie 76/207 verstößt. Sie haben es — beim Fehlen einer durch Artikel 2 Absatz 3 gerechtfertigten besonderen nationalen Vorschrift — abgelehnt, anzunehmen, : daß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 dieser Entlassung entgegenstehe, und festgestellt, daß eine solche Entlassung keine diskriminierende Maßnahme darstelle ( 34 ).

46.

Sie haben es also abgelehnt, den sachlichen Geltungsbereich des in der Richtlinie 76/207 vorgesehenen Schutzes der schwangeren Arbeitnehmerinnen ( 35 )beim Fehlen von in Anwendung des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/207 erlassenen nationalen Vorschriften zu erweitern. Sie können demgemäß nicht feststellen, daß eine gesetzliche oder tarifvertragliche nationale Bestimmung, die die Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Lohn einer Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs in gleicher Höhe weiterzuzahlen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße.

47.

Außerdem stellt das den Klägerinnen gezahlte Entgelt allein, wie die irische Regierung ausgeführt hat, nicht die Gesamtheit der Leistungen dar, die der im Mutterschaftsurlaub befindlichen Arbeitnehmerin gewährt werden. So kann es im Rahmen der Sozialpolitik der irischen Behörden andere Leistungen zum Schutz der Arbeitnehmerin geben. Dieser Hinweis scheint mir sehr wichtig; Sie haben in dem schon genannten Urteil Hofmann selbst folgendes ausgeführt:

„Derartige Maßnahmen [Maßnahmen zum Schutz der Frau bei Schwangerschaft und Mutterschaft] hängen, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs zu Recht hervorgehoben hat, eng mit dem Gesamtsystem des sozialen Schutzes in den verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen. Deshalb ist festzustellen, daß diese Staaten hinsichtlich der Art der Schutzmaßnahmen und der konkreten Einzelheiten ihrer Durchführung über einen sachgerechten Ermessensspielraum verfügen.“ ( 36 )

48.

Angesichts des Fehlens einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsregelung kann also begründeterweise nicht festgestellt werden, daß eine nationale Regelung, die nicht die Weiterzahlung des Lohnes während des Mutterschaftsurlaubs vorsieht, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 verstößt. Eine andere Entscheidung würde, wie von der irischen Regierung ausgeführt, die Gefahr mit sich bringen, das Gleichgewicht eines Gesamtsystems des sozialen Schutzes zu zerstören.

49.

Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat eine besondere Regelung zum Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen erlassen. Es handelt sich um die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 ( 37 ). Diese Gemeinschaftsrichtlinie, durch die die Arbeitsbedingungen dieser Gruppe von Arbeitnehmerinnen in den Mitgliedstaaten koordiniert werden sollen, trat am 19. Oktober 1994 in Kraft. Obwohl sie im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, ist es interessant festzustellen, daß der ursprüngliche Text hinsichtlich des Schutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen und Wöchnerinnen am Arbeitsplatz, so wie er von der Kommission erstellt und dem Rat am 17. Oktober 1990 vorgeschlagen worden war ( 38 ), in Artikel 5 ( 39 ) die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts der Frau während des Mutterschaftsurlaubs (d.h. während mindestens vierzehn Wochen) vorsah. Dieser Vorschlag wurde vom Rat nicht angenommen. Artikel 11 der Richtlinie 92/85 sieht vielmehr folgendes vor:

„Um den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird folgendes vorgesehen:

...

2.

In dem in Artikel 8 genannten Fall müssen gewährleistet sein:

...

b)

die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2.

3.

Die Sozialleistung nach Nummer 2 Buchstabe b) gilt als angemessen, wenn sie mindestens den Bezügen entspricht, die die betreffende Arbeitnehmerin im Falle einer Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen erhalten würde, wobei es gegebenenfalls eine von den einzelstaatlichen Gesetzgebern festgelegte Obergrenze gibt.“

50.

Dies ist ein zusätzliches Argument für den hier vertretenen Standpunkt. Durch den Erlaß dieser Bestimmung hat der Rat nämlich seine Absicht zum Ausdruck gebracht, hinsichtlich des Anspruchs auf Weiterzahlung des vollen Arbeitsentgelts während des Mutterschaftsurlaubs die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten zu belassen.

51.

Ich gelange demgemäß zu der Schlußfolgerung, daß die Klägerinnen auch aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 76/207 nicht geltend machen können, daß die Gemeinschaftsvorschriften verlangen, daß Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs das volle Arbeitsentgelt erhalten. Somit fällt diese Frage, da eine besondere Gemeinschaftsregelung für sie fehlt, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Beantwortung der zweiten, der dritten und der vierten Frage: Müssen, da das Gemeinschaftsrecht weder vorschreibt, daß Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs das volle Arbeitsentgelt erhalten, noch einen Hinweis auf die vorgeschriebene Höhe des solchen Arbeitnehmerinnen zu zahlenden Lohns gibt ( 40 ), die Kriterien festgelegt werden, die eine Leistung, die niedriger ist als dieser Lohn, erfüllen muß?

52.

Da es an einer gemeinschaftsrechtlichen Grundlage fehlt, auf die ich meine Argumentation stützen könnte, würde die Beantwortung dieser Frage darauf hinauslaufen, das gesamte nationale sozialpolitische System des Schutzes von Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs zu beurteilen, also gewissermaßen die Rechtmäßigkeit oder gar die Zweckmäßigkeit des nationalen Rechts zu prüfen. Nach Ihrer ständigen Rechtsprechung ( 41 ) kann der Gerichtshof im Verfahren nach Artikel 177 EWG-Vertrag nicht die Merkmale einer von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahme am Gemeinschaftsrecht messen.

53.

Ich schlage Ihnen demgemäß vor, die Vorlagefragen des Court of Appeal wie folgt zu beantworten:

1)

Artikel 119 EWG-Vertrag, die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen und die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen verlangen nicht, daß die Mitgliedstaaten vorsehen, daß eine Frau während der Zeit, in der sie sich in dem im anwendbaren nationalen Recht oder in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehenen Mutterschaftsurlaub befindet, das volle Arbeitsentgelt erhält, auf das sie Anspruch gehabt hätte, wenn sie während dieser Zeit normal gearbeitet hätte.

2)

Die genannten Gemeinschaftsregelungen betreffen nicht die Höhe des Lohns, auf den eine Frau im Mutterschaftsurlaub Anspruch hat, und sie erlauben es deshalb nicht, die Kriterien festzulegen, die eine Leistung, die niedriger ist als dieser Lohn, erfüllen muß.


( *1 ) Originalsprache: Französisch.

( 1 ) ABl. L 45, S. 19.

( 2 ) ABl. L 39, S. 40.

( 3 ) Gesundheitsämter in Nordirland.

( 4 ) Diese sind günstiger als die gesetzlichen Bestimmungen.

( 5 ) Diese Voraussetzungen — die ich nicht untersuchen werde, da sie nicht Gegenstand der Fragen sind und ihre Gültigkeit nicht angezweifelt worden ist — sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um die gesetzliche oder die tarifvertragliche Regelung handelt.

( 6 ) Die Referenzwoche wird aufgrund des Beginns der Woche der voraussichtlichen Niederkunft bestimmt. Es handelt sich um die fünfzehnte Woche vor Beginn der Woche der voraussichtlichen Niederkunft.

( 7 ) Oder Grundlage einer Neuberechnung des Wochenlohns während des Mutterschaftsurlaubs im Fall einer Lohnerhöhung während des Mutterschaftsurlaubs.

( 8 ) Obwohl Sic meines Wissens noch nicht zu dieser Frage Stellung zu nehmen hatten, habe ich kaum Zweifel, daß Sie in der vorliegenden Rechtssache zu der gleichen Lösung gelangen werden wie in Ihrem Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 171/88 (Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743, Randnr. 7). In diesem Urteil haben Sie dem bei Krankheit fortgezahlten Lohn die Entgelteigenschaft zuerkannt, obwohl ein Teil dieses Lohns dem Arbeitgeber von den Krankenkassen erstattet wird.

( 9 ) Entschließung des Rates vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm (ABl. C 13, S. 1).

( 10 ) „Grundsatz des gleichen Entgelts“.

( 11 ) „Grundsatz der Gleichbehandlung“.

( 12 ) Entschließung des Rates, angeführt in Fußnote 9, „Vollbeschäftigung und bessere Beschäftigung in der Gemeinschaft“, S. 2, vierter Gedankenstrich.

( 13 ) A. a. O., S. 4, Ziffer 4.

( 14 ) Erste Begründungserwägung der Richtlinie 75/117.

( 15 ) Siche insbesondere Ihr Urteil vom 13. November 1984 in der Rechtssache 283/83 (Racke, Slg. 1984, 3791, Randnr. 7).

( 16 ) Rechtssache C-279/93 (Slg. 1995, I-225, Randnr. 30).

( 17 ) Rechtssache C-32/93 (Slg. 1994, I-3567, Randnr. 25).

( 18 ) Siehe Nr. 6 dieser Schlußanträge.

( 19 ) Siche Nrn. 11 bis 15 dieser Schlußanträge.

( 20 ) Siche Nr. 4 dieser Schlußanträge.

( 21 ) In diesem Sinne die Urteile vom 5. Mai 1994 in der Rechtssache C-421/92 (Habermann-Beltermann, Slg. 1994, I-1657, Randnr. 26) und Webb (a. a. O., Randnr. 19).

( 22 ) In diesem Sinne Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-177/88 (Decker, Slg. 1990, I-3941, Randnrn. 12 und 14).

( 23 ) Dies ergibt sich aus der Untersuchung der zweiten und der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 76/207.

( 24 ) Ebenda. Dies bedeutet jedoch nicht die Harmonisierung der Höhe der Entgelte.

( 25 ) Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207.

( 26 ) M. Darmon und J. G. Huglo: „L'égalité de traitement entre les hommes et les femmes dans la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes: un univers en expansion“, RTDE, (1) Januar bis März 1992, S. 10.

( 27 ) Rechtssache C-450/93, Nr. 17.

( 28 ) Rechtssache C-184/83 (Slg. 1984, 3047, Randnr. 24).

( 29 ) A. a. O., Randnr. 25.

( 30 ) Rechtssache 222/84 (Slg. 1986, 1651, Randnr. 44).

( 31 ) Rechtssache C-312/86 (Slg. 1988, I-6315, Randnrn. 12 bis 16).

( 32 ) Randnr. 27.

( 33 ) Rechtssache C-179/88 (Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund i Danmark, Slg. 1990, I-3979).

( 34 ) Randnr. 19.

( 35 ) Wie er sich aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 ergibt, also die Entlassung während des Muttcrschaftsurlaubs. Vgl. Nr. 36 dieser Schlußanträge.

( 36 ) Randnr. 27, Hervorhebung nur hier.

( 37 ) Über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserungder Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzclrichtlinic im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).

( 38 ) KOM(90) 406 endg. —SYN. 303 (ABl. C 281, S. 3).

( 39 ) A. a. O., S. 32.

( 40 ) Vgl. die Nrn. 22, 23, 27, 35, 37 und 48 dieser Schlußanträge.

( 41 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 1970 in der Rechtssache 9/70 (Grad, Slg. 1970, 825).

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