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Document 61993CC0323

Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 4. Mai 1994.
Société civile agricole du Centre d'insémination de la Crespelle gegen Coopérative d'élevage et d'insémination artificielle du département de la Mayenne.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Frankreich.
Künstliche Besamung von Rindern - Gebietsmonopol.
Rechtssache C-323/93.

Sammlung der Rechtsprechung 1994 I-05077

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1994:185

61993C0323

Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 4. Mai 1994. - SOCIETE CIVILE AGRICOLE DU CENTRE D'INSEMINATION DE LA CRESPELLE GEGEN COOPERATIVE D'ELEVAGE ET D'INSEMINATION ARTIFICIELLE DU DEPARTEMENT DE LA MAYENNE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR DE CASSATION - FRANKREICH. - KUENSTLICHE BESAMUNG VON RINDERN - GEBIETSMONOPOL. - RECHTSSACHE C-323/93.

Sammlung der Rechtsprechung 1994 Seite I-05077
Schwedische Sonderausgabe Seite I-00207
Finnische Sonderausgabe Seite I-00209


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Die französische Cour de cassation hat dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die insbesondere die Auslegung der Artikel 90 Absatz 1, Artikel 86 und Artikel 30 EG-Vertrag betreffen. Die Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen zwei französischen Besamungsstationen. Den Hintergrund des Rechtsstreits bilden die Vorschriften über die Besamungsstationen, die in dem französischen Gesetz vom 28. Dezember 1966 über die Tierzucht (1) enthalten sind.

2. Die vorgelegten Fragen beziehen sich insbesondere auf Artikel 5 dieses Gesetzes. Dieser bestimmt u. a., daß für die Betreibung von Besamungsstationen die vorherige Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums erforderlich ist, unabhängig davon, ob sie sowohl die Samenproduktion als auch die Besamung vornehmen oder nur eine dieser Tätigkeiten ausüben.

Artikel 5 bestimmt ausserdem:

"Jede Besamungsstation versorgt ein Gebiet, innerhalb dessen sie allein tätig werden darf. Die ihr erteilte Genehmigung grenzt dieses Gebiet ab.

Die Tierzuechter, die sich innerhalb des Tätigkeitsgebiets einer Besamungsstation befinden, können bei dieser beantragen, ihnen Samen aus Samenproduktionsstationen ihrer Wahl zu liefern ...; die sich aus dieser Wahl ergebenden zusätzlichen Kosten gehen zu Lasten der Benutzer" (Hervorhebungen von mir).

3. Parteien des Ausgangsverfahrens sind die Coopérative d' élevage et d' insémination artificielle du département de la Mayenne (Genossenschaft für Tierzucht und künstliche Besamung des Departements Mayenne; im folgenden: CEIAM), die im Jahr 1970 vom Landwirtschaftsministerium als Besamungsstation im Departement Mayenne zugelassen wurde, und die Société civile agricole du Centre d' insémination de la Crespelle (Landwirtschaftliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts Besamungsstation La Crespelle; im folgenden: Station Crespelle), die 1961 in einem Teil des Departments Mayenne Besamungen vornahm, jedoch nicht die im Gesetz von 1966 vorgesehene Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums erhielt.

4. Die CEIAM erhob 1985 beim Tribunal de grande instance Rennes gegen die Station Crespelle eine Klage, mit der sie geltend machte, daß die Station Crespelle ihr ausschließliches Recht zur Vornahme von Besamungen im Departement Mayenne verletzt habe. Sie beantragte, die Station Crespelle zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den sie durch diese Rechtsverletzung erlitten habe, und deren rechtswidrige Tätigkeit zu beenden. Das Tribunal de grande instance gab der Klage der CEIAM statt und verurteilte die Station Crespelle, die nicht bestritt, das ausschließliche Recht verletzt zu haben, zu einem bedeutenden Schadensersatz und erlegte ihr ein Zwangsgeld für den Fall zukünftiger Zuwiderhandlungen auf. Das Urteil wurde durch die Cour d' appel Rennes bestätigt, die u. a. das Vorbringen der Station Crespelle zurückwies, daß die französischen Vorschriften über das ausschließliche geographische Recht der Stationen, die Besamungen vornehmen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen(2).

Die Station Crespelle legte gegen das Urteil der Cour d' appel Rechtsmittel zur Cour de cassation ein und machte geltend, das Urteil beruhe auf einem unrichtigen Verständnis der Bedeutung der herangezogenen Gemeinschaftsvorschriften.

5. Die Cour de cassation hat folgende Fragen vorgelegt:

Stehen die Artikel 5, 86 und 90 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nationalen Rechtsvorschriften wie denen des vorliegenden Falles entgegen, durch die Besamungsstationen geschaffen werden, die allein befugt sind, innerhalb eines abgegrenzten Gebietes tätig zu werden, und räumen diese Vorschriften diesen Stationen die Befugnis ein, zusätzliche Kosten in Rechnung zu stellen, wenn Zuechter in dem Gebiet, für das die Besamungsstation ausschließlich zuständig ist, die Lieferung von Samen verlangen, der aus zugelassenen Produktionsstationen ihrer Wahl stammt?

Stehen die Artikel 30 und 36 dieses Vertrages, Artikel 2 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder(3) und Artikel 4 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht(4) einer nationalen Regelung wie der des vorliegenden Falles entgegen, nach der Wirtschaftsteilnehmer, die Samen aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft einführen, verpflichtet sind, diesen an eine zugelassene Besamungs- oder Samenproduktionsstation zu liefern?

6. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die französische Regierung und die Kommission haben Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben.

7. Sowohl aus den Fragen als auch aus den im Verfahren abgegebenen Erklärungen geht hervor, daß zu unterscheiden ist zwischen den Teilen der französischen Regelung, die die Dienstleistung betreffen, die in der Besamung selbst besteht, und denjenigen, die die Lieferung und Aufbewahrung des Erzeugnisses ° des Rindersamens ° betreffen, das im Zusammenhang mit der Dienstleistung verwendet wird.

Der systematische Zusammenhang, der Inhalt und die praktische Anwendung der französischen Vorschriften

8. Das Gesetz von 1966 über die Tierzucht bezweckt nach Artikel 1 die Verbesserung der Qualität des Viehbestands. Nach den Vorarbeiten zu dem Gesetz(5) bezweckte das Gesetz u. a., die Auswahl der französischen Zuchtrinder und damit die Konkurrenzfähigkeit der französischen Landwirtschaft vor der Durchführung der im EWG-Vertrag vorgesehenen gemeinsamen Agrarpolitik(6) zu verbessern.

9. Die Grundregel für die Arbeit zur genetischen Verbesserung des Viehbestands ist, wie gesagt, die, daß diese im Rahmen von Stationen erfolgen muß, und zwar entweder in Produktionsstationen oder in Besamungsstationen, die vom Landwirtschaftsministerium zugelassen sind. Aus Artikel 5 Absatz 3 des Gesetzes ergibt sich, daß diese Genehmigung insbesondere unter Berücksichtigung der "bereits vorhandenen Ausstattung, der Möglichkeit der betreffenden Station, zur genetischen Verbesserung des Viehbestands beizutragen, und der Sicherheit, die die Station sowohl hinsichtlich der Qualifikation des Personals als auch im Hinblick auf die sachliche Ausstattung und die Zuchttiere gewährleistet", erteilt wird.

10. Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 69/258 vom 22. März 1969 über die künstliche Besamung(7) besteht die Tätigkeit der Produktionsstationen in der "Haltung eines Bestands an männlichen Zuchttieren, die zugelassen sind oder deren genetische Erprobung gestattet ist, in der Übernahme der Verantwortung für die Vorgänge der genetischen Erprobung gemäß einem vom Landwirtschaftsminister gebilligten Programm sowie in der Vornahme der Gewinnung, Aufbereitung, Aufbewahrung und Abgabe des Samens der zugelassenen oder erprobten Zuchttiere".

11. Aus derselben Vorschrift ergibt sich, daß die Tätigkeit der Besamungsstationen in der "Besamung der weiblichen Tiere der in Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Dezember 1966 bezeichneten Arten" besteht. Weiter heisst es: "Den Besamungsstationen kann erlaubt werden, Bestände an zugelassenen Zuchttieren, die von Samenproduktionsstationen beliefert werden, zu halten; in diesem Fall nehmen sie die Gewinnung, Aufbereitung und Aufbewahrung des Samens der aus diesen Beständen stammenden Tiere selbst vor."

12. Die französische Regierung hat in Beantwortung der vom Gerichtshof gestellten Fragen mitgeteilt, es gebe insgesamt 23 Produktionsstationen, von denen einige nur für eine Rasse, andere dagegen für mehrere Rassen zugelassen seien. Insgesamt gebe es 54 Besamungsstationen. Diese würden von landwirtschaftlichen Genossenschaften oder Zusammenschlüssen derartiger Genossenschaften betrieben. Alle diese Stationen mit Ausnahme von sieben seien auf nationaler Ebene in der Union nationale des coopératives agricoles d' élevage et d' insémination artificielle (Nationaler Verband der landwirtschaftlichen Tierzucht- und Besamungsgenossenschaften, UNCEIA) zusammengeschlossen. Die französische Regierung hat darauf hingewiesen, daß die Genossenschaften keinen Gewinnzweck verfolgten(8).

13. Die Besamungsstationen haben das ausschließliche Recht, innerhalb eines bestimmten geographischen Gebietes die Besamung vorzunehmen. Wie sich aus den vorbereitenden Arbeiten für das Gesetz(9) ergibt, wurde dieses ausschließliche Recht u. a. für notwendig gehalten, um eine Preiskonkurrenz zu verhindern, die den Stationen, die Qualitätszucht betreiben, schaden könnte. Die französische Regierung hat den Hintergrund, vor dem das ausschließliche Recht zu sehen ist, wie folgt beschrieben:

"Dieses Monopol, das die Zustimmung der Landwirte findet und das Resultat einer ständigen Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen und den Tierzuechtern ist, verfolgt ein doppeltes Ziel: Zunächst soll es die ständige Belieferung der Tierzuechter des Gebietes mit Samen sicherstellen, vor allem aber soll es im allgemeinen Interesse den genetischen Fortschritt fördern, indem es im Rahmen von Selektionsschemata über eine Reihe von Generationen den genetischen Wert genau ermittelt. Die Prüfung ist nämlich ein langes und kostspieliges Verfahren, das eine ständige Tätigkeit voraussetzt, die es ermöglicht, ihre eigene Finanzierung sicherzustellen. Denn die Prüfung einer Reihe von Bullen garantiert nicht die Ermittlung eines oder mehrerer Bullen, die die Rasse verbessern. Ausserdem kosten derartige genetische Untersuchungen, die sich über fünf bis zehn Jahre erstrecken, annähernd 300 000 Franken pro untersuchtem Bullen, während einer von vier Bullen von den Milcherzeugern zugelassen und einer von zehn Bullen weitgehend von den Tierzuechtern benutzt wird. Unter diesen Voraussetzungen ermöglicht es das der Besamungsstation zugeteilte ausschließliche Gebiet, ein Potential von Tieren für die Durchführung der künstlichen Besamungen für Untersuchungs- und Verbreitungszwecke zu planen und technisch zu garantieren. Eine Aufhebung des Gebietsmonopols würde zur Vervielfachung der Betriebe in demselben Gebiet führen und somit das Untersuchungspotential, also den Umfang jedes Programms, und damit die Wahrscheinlichkeit der Selektion von Zuchttieren, die zur Verbesserung der Rasse beitragen, aufsplittern" (Hervorhebungen von mir).

14. Das ausschließliche Recht wird somit zum einen mit der Sicherheit der Belieferung des betreffenden Gebietes begründet und zum andern und vor allem mit dem Bemühen, für einen ausreichend grossen Viehbestand zu sorgen, an dem Untersuchungen vorgenommen werden können. Dazu kommt ein finanzieller Gesichtspunkt, der in der Anlage 3 zu den Erklärungen der französischen Regierung genauer erläutert wird. Dort heisst es u. a.:

"So ermöglicht es diese Bestimmung, über den Preis der durchgeführten künstlichen Besamung, der den Kosten des Selektionsprogramms Rechnung trägt, die hohen Kosten des Selektionsprogramms auf eine grosse Anzahl von Zuechtern unter Berücksichtigung des genossenschaftlichen Charakters der Strukturen und der zwischen Stationen geschlossenen Verträge aufzuteilen.

Die für die Programme Verantwortlichen verfügen somit über eine Stabilität der für eine solche Tätigkeit, deren Ergebnisse sich erst langfristig bemerkbar machen, notwendigen Ressourcen."

15. Das ausschließliche Recht der Besamungsstationen ist somit kaum durch die Notwendigkeit begründet, in dem betreffenden Gebiet auf Samenspender der Station zurückzugreifen. Die Besamung selbst ist nach den vorliegenden Informationen nicht schwierig. Der einzelne Viehzuechter kann sie gegebenenfalls unter der Kontrolle der Besamungsstation selbst vornehmen(10).

16. Den Samen, mit dem die Besamungen vorgenommen werden, erhalten die Besamungsstationen im allgemeinen von den Produktionsstationen, mit denen sie Verträge geschlossen haben. Die Besamungsstationen müssen derartige Verträge schließen, um sicherzustellen, daß jederzeit eine ausreichende Versorgung mit Samen gewährleistet ist. Diese Verträge enthalten im übrigen auch die Verpflichtungen der Besamungsstationen zur Teilnahme an der Arbeit zur Verbesserung des Viehbestands.

17. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Tierzuechter akzeptieren, daß die Besamungsstationen überwiegend Samen aus den Produktionsstationen verwenden, mit denen sie einen festen Vertrag haben. Eine Begründung dafür kann die sein, daß mit dem Kauf von Samen in kleinen Mengen hohe Kosten verbunden sind(11).

18. Die Verpflichtung zur vertraglichen Absicherung der Lieferung von Samen schließt jedoch die Möglichkeit einer Belieferung von anderer Seite nicht aus. Die französischen Vorschriften hindern den einzelnen Tierzuechter oder die einzelne Besamungsstation nicht daran, sich direkt an ausländische Produzenten zu wenden, um Samen zu kaufen.

Die entsprechenden Bestimmungen finden sich u. a. in Artikel 5 des vorgenannten Gesetzes von 1966, wonach

° die Tierzuechter ihre örtliche Besamungsstation auffordern können, ihnen Samen aus Produktionsstationen ihrer Wahl zu liefern;

° die betreffende Station verpflichtet ist, Besamungen mit Samen vorzunehmen, den sie sich auf diese Weise beschafft hat, und

° die Tierzuechter die zusätzlichen Kosten zu tragen haben, die sich aus dieser unabhängigen Entscheidung ergeben.

19. Diese Vorschriften wurden durch Artikel 10 der Verordnung des Landwirtschaftsministeriums vom 17. April 1969 über die Genehmigung für den Betrieb der Stationen für künstliche Besamung(12) in der Fassung der Verordnung vom 24. Januar 1989(13) verdeutlicht und ergänzt. Diese Änderung wurde durch eine mit Gründen versehene Stellungnahme veranlasst, die die Kommission der französischen Regierung zugestellt hatte. Es ist nicht dargetan worden, daß die Stellungnahme noch andere Beschwerdepunkte enthielt. Artikel 10 lautet in seiner nunmehr geltenden Fassung wie folgt:

"Die Besamungsstationen werden normalerweise mit Zuchttieren und Samen von der oder den für die Produktion zugelassenen Stationen beliefert, die ihren Sitz im Gebiet eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben und mit denen sie einen den Bestimmungen des Artikels 12 entsprechenden Vertrag geschlossen haben(14).

Über die Belieferungen auf der Grundlage dieser Vereinbarungen hinaus können die Stationen sich entweder auf eigene Initiative oder aufgrund eines individuellen und schriftlichen Ersuchens von Tierzuechtern im betreffenden Gebiet in der Weise versorgen, daß sie sich an andere Produktionsstationen wenden.

Alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Samen aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einführen, sind verpflichtet, diesen bei einer zugelassenen Besamungs- oder Produktionsstation ihrer Wahl abzuliefern."

20. Die französische Regierung hat erklärt, daß für die Einfuhr von Samen aus anderen Mitgliedstaaten keine Importlizenz erforderlich sei.

Die Rechtsprechung zu den französischen Vorschriften über das ausschließliche Recht

21. Die Vorschriften über das ausschließliche Recht geben nach den vorliegenden Informationen Anlaß zur Unzufriedenheit bei der französischen Landbevölkerung. Dies hat vermutlich u. a. seinen Grund darin, daß die künstliche Besamung die Art der Befruchtung der Rinder ist, die die Landwirte hauptsächlich anwenden(15), und daß die Kosten einer Besamung nicht unbedeutend sind ° nach den vorliegenden Erklärungen betragen sie jedenfalls nicht weniger als 100 FF und normalerweise wesentlich mehr. Offenbar bestehen in bestimmten Fällen bedeutende Preisunterschiede. Es wurde z. B. vorgetragen, daß die Preise der CEIAM 1987 um 30 % höher gewesen seien als die der Station Crespelle. Die Vorschriften über das ausschließliche Recht haben zu Rechtsstreitigkeiten vor französischen Gerichten geführt, deren Hintergrund der war, daß nichtzugelassene Besamungsstationen betrieben werden oder daß Besamungsbeauftragte oder Tierärzte Besamungen ohne die erforderliche Genehmigung der örtlichen Station vornehmen.

22. Eine dieser Rechtsstreitigkeiten hat zu den Vorabentscheidungsfragen geführt, die das Tribunal de grande instance Bergerac dem Gerichtshof in der noch anhängigen Rechtssache C-17/94 vorgelegt hat. Die Fragen stellten sich in einem Strafverfahren gegen französische Tierärzte, die wegen Verletzung des ausschließlichen Rechts der örtlichen Station angeklagt worden waren. Die vorgelegten Fragen betreffen die Bedeutung der Vertragsvorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr für die sich möglicherweise aus den französischen Rechtsvorschriften für die Tierärzte ergebenden Beschränkungen, unabhängig von den Besamungsstationen Besamungen vorzunehmen.

23. Der Gerichtshof hat bereits in zwei Rechtssachen Gelegenheit gehabt, zur Rechtmässigkeit verschiedener Aspekte der französischen Regelung im Hinblick auf Artikel 37 des Vertrages über die staatlichen Handelsmonopole und bestimmte Ratsrichtlinien über Zuchttiere Stellung zu nehmen. Es handelt sich um ein Vertragsverletzungsverfahren (die Rechtssache 161/82, Kommission/Frankreich) und um ein Vorabentscheidungsverfahren (die Rechtssache 271/81, Société coopérative d' amélioration de l' élevage et d' insémination artificielle du Béarn/Mialocq u. a.), in denen der Gerichtshof seine Urteile am 28. Juni 1983 erlassen hat(16).

24. In der erstgenannten Rechtssache wurde das gegen Frankreich gerichtete Vorbringen der Kommission, Artikel 37 sei durch Einfuhrbeschränkungen für Samen verletzt, zurückgewiesen. Der Gerichtshof hat ausgeführt, daß in Frankreich kein staatliches Monopol für den Absatz oder die Einfuhr von Samen errichtet worden war und daß es der Kommission nicht gelungen war, "die Existenz einer Einrichtung nach[zu]weisen, durch die der französische Staat unmittelbar oder mittelbar die Einfuhren von Samen aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich oder tatsächlich kontrolliert, lenkt oder merklich beeinflusst" (Randnr. 14 in Verbindung mit Randnr. 19).

25. In dem Vorabentscheidungsverfahren hatten zwei Tierzuechter, die künstliche Besamungen vorgenommen hatten und angeklagt wurden, das ausschließliche Recht einer Besamungsstation verletzt zu haben, geltend gemacht, daß die Vorschriften über das ausschließliche Recht gegen Artikel 37 EWG-Vertrag verstießen. Das vorlegende Gericht wies darauf hin, daß die Tierzuechter verpflichtet gewesen seien, die Besamung von der örtlichen Besamungsstation vornehmen zu lassen, zu der sie gehörten, und dort Samen ihrer Wahl zu kaufen; es legte in diesem Zusammenhang die Vorabentscheidungsfrage vor, ob Dienstleistungen Handelscharakter im Sinne von Artikel 37 des Vertrages haben, wenn sie, als staatliches Monopol ausgestaltet, dem Staat ermöglichen, einen Zweig der einheimischen Volkswirtschaft zu lenken. Der Gerichtshof hat entschieden, daß Artikel 37 den Warenverkehr betrifft und sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol wie das bezieht, um das es in jener Rechtsache ging. Er hat jedoch hervorgehoben:

"Die Möglichkeit ist jedoch nicht auszuschließen, daß ein Dienstleistungsmonopol mittelbar den Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten beeinflusst. Daher könnte ein Unternehmen oder ein Unternehmenszusammenschluß, die die Erbringung bestimmter Dienstleistungen monopolisieren, insbesondere dann gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstossen, wenn dieses Monopol zu einer Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse gegenüber den einheimischen Erzeugnissen führen würde" (Randnr. 10).

Der Gerichtshof war aber nicht der Meinung, daß in dem konkreten Rechtsstreit Umstände angeführt worden waren, die darauf hindeuteten, daß das Monopol auf eine Art und Weise ausgeuebt wurde, die gegen die Vertragsvorschriften über den freien Warenverkehr verstieß. Er hat in den Randnummern 11 und 12 ausgeführt:

"Die vom vorlegenden Gericht dargestellten und die während des Verfahrens vor dem Gerichtshof bekanntgewordenen Umstände reichen jedoch nicht für die Feststellung aus, daß Rechtsvorschriften wie die in Frankreich für die künstliche Besamung von Rindern geltenden mittelbar eine Monopolisierung schaffen, die den freien Warenverkehr behindert.

Diese Umstände lassen nämlich erkennen, daß es nach den in Frankreich geltenden Rechtsvorschriften jedem einzelnen Tierzuechter freisteht, bei der Besamungsstation, zu der er gehört, die Lieferung von Samen aus der Samenproduktionsstation seiner Wahl in Frankreich oder im Ausland zu beantragen. Die französische Regierung hat erklärt, daß es einer Besamungsstation oder auch einem einzelnen Tierzuechter aufgrund der französischen Rechtsvorschriften keineswegs verwehrt sei, sich wegen des Ankaufs von Samen unmittelbar an eine ausländische Station zu wenden und die hierzu notwendige Einfuhrlizenz zu erhalten."

Allgemeines zu den vorgelegten Fragen

26. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Fragen der Cour de cassation drei Aspekte der französischen Rechtsvorschriften betreffen. Erstens wird gefragt, ob das ausschließliche Recht, das den Besamungsstationen innerhalb eines festgelegten geographischen Gebietes eingeräumt worden ist, als solches gegen das Gemeinschaftsrecht verstösst. Weiter wird nach der Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für zwei spezifischere Gesichtspunkte der französischen Regelung gefragt, nämlich die für jeden Wirtschaftsteilnehmer geltende Pflicht, den Tiersamen von einer zugelassenen Besamungsstation aufbewahren zu lassen, sowie das Recht der Besamungsstationen, von den Tierzuechtern die Bezahlung der zusätzlichen Kosten des Kaufs und der Aufbewahrung von Samen, der von anderen als den üblichen Lieferanten der Station stammt, zu verlangen.

27. Die Cour de cassation wünscht insbesondere eine Auslegung des Artikels 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 des Vertrages, um beurteilen zu können, ob die angeführten Aspekte der Rechtsvorschriften zu einem vertragswidrigen wettbewerbsverzerrenden Verhalten führen können. Sie ersucht ausserdem um eine Auslegung des Artikels 30 des Vertrages, um beurteilen zu können, ob die angeführten Gesichtspunkte zu rechtswidrigen Behinderungen des Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten führen können.

28. Meines Erachtens besteht in der vorliegenden Rechtssache kein Grund dafür, daß der Gerichtshof zur eventuellen Bedeutung anderer Vertragsvorschriften Stellung nimmt oder seine Auslegung der genannten Vertragsvorschriften auf andere Aspekte der französischen Regelung erstreckt.

29. Es ist im übrigen wichtig, sich bei der Beantwortung der Fragen daran zu errinnern, daß die Station Crespelle herangezogen worden ist, um feststellen zu lassen, daß das ausschließliche Recht, das der CEIAM durch die französischen Rechtsvorschriften eingeräumt wird und das die Grundlage für den Antrag der Genossenschaft bildet, gemeinschaftsrechtswidrig ist und deshalb keine Anspruchsgrundlage darstellen kann. Die CEIAM macht meines Erachtens mit Recht geltend, daß die gestellten Fragen auf dieser Grundlage verstanden und geprüft werden müssen. Es sind die Vorschriften über das ausschließliche Recht als solche, die angegriffen werden. Nur wenn das durch das Gesetz von 1966 eingeführte ausschließliche geographische Recht selbst oder wesentliche Aspekte der Vorschriften, so wie sie ausgelegt und angewendet werden, gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen, ist das Gemeinschaftsrecht für die Entscheidung dieser Rechtssache relevant. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofes, in dieser Rechtssache das Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf die Bestimmung der Grenzen auszulegen, die dieses Recht und namentlich die darin enthaltenen Wettbewerbsvorschriften für die Durchführung der Aufgaben der Besamungsstationen festlegen.

Während der Verhandlung vor dem Gerichtshof sind konkrete Beispiele dafür genannt worden, daß die Besamungsstationen ihr ausschließliches Recht den Tierzuechtern gegenüber mißbraucht haben, indem sie unverhältnismässige Preise verlangt oder im übrigen deren Handlungsfreiheit in unangemessener Weise beschränkt haben. Diese Beispiele sind im Zusammenhang der vorliegenden Rechtssache nur dann von Interesse, wenn sie als Veranschaulichung dafür verstanden werden können, daß die Regelung selbst ° ganz oder in hinreichend wichtigen Aspekten ° gemeinschaftsrechtswidrig ist.

Zur Frage, ob das ausschließliche Recht der Besamungsstationen gegen Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 des Vertrages verstösst

30. Die erste Frage der Cour de cassation betrifft die Auslegung der Artikel 90 Absatz 1 und Artikel 86 sowie des Artikels 5 im Hinblick auf eine Entscheidung darüber, ob es diesen Vorschriften widerspricht, wenn nationale Vorschriften erlassen werden, die den Besamungsstationen das ausschließliche Recht zur Vornahme von Besamungen verleihen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, von den Tierzuechtern die Zahlung der zusätzlichen Kosten zu verlangen, die sich möglicherweise aus der Bestellung von Samen bei anderen als den festen Lieferanten der Station ergeben.

31. Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages verbietet es den Mitgliedstaaten, in bezug auf Unternehmen, denen sie ausschließliche Rechte gewähren, Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die den übrigen Vertragsbestimmungen widersprechen, namentlich dem in Artikel 86 enthaltenen Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes durch Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen(17).

32. In seiner Rechtsprechung der letzten Jahre hat der Gerichtshof die Bedeutung des Artikels 90 Absatz 1 als Begrenzung der Möglichkeiten der Mitgliedstaaten aufgezeigt, durch die Gewährung ausschließlicher Rechte Maßnahmen zu ergreifen, die die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages aufheben können(18).

33. Ausgangspunkt ist weiterhin gemäß dem Wortlaut des Artikels 90 Absatz 1, daß die Einräumung ausschließlicher Rechte als solche nicht gemeinschaftsrechtswidrig ist. So hat der Gerichtshof in den beiden im Zusammenhang mit der vorliegenden Rechtssache wichtigsten Urteilen ° in der Rechtssache C-41/90 (Höfner) und in der Rechtssache C-179/90 (Porto di Genova)(19) ° ausgeführt, "daß die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag als solche noch nicht mit Artikel 86 EWG-Vertrag unvereinbar ist".

34. Dieser Ausgangspunkt wird jedoch wesentlich eingeschränkt durch die Bemerkung des Gerichtshofes, daß die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages aufgehoben würde, wenn man Artikel 90 Absatz 1 nicht dahin auslegte, daß es gegen den Vertrag verstösst, wenn

° "eine Maßnahme eines Mitgliedstaats [ergeht], durch die eine Gesetzesbestimmung beibehalten würde, die eine Lage schafft, in der [ein Unternehmen] zwangsläufig gegen Artikel 86 verstossen muß ..." (Randnr. 27 des Urteils Höfner), und

° "[ein] Unternehmen durch die blosse Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt ... oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Mißbrauch begeht ..." (Randnr. 17 des Urteils Porto di Genova).

35. Es ist unbestritten, daß den Besamungsstationen ausschließliche Rechte im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Vertrages eingeräumt wurden.

Die Frage in der vorliegenden Rechtssache ist deshalb die, ob das eingeräumte ausschließliche Recht, Besamungen vorzunehmen, selbst oder wesentliche Aspekte dieses ausschließlichen Rechts implizieren, daß die Stationen veranlasst werden, ihre beherrschende Stellung gegenüber ihren Lieferanten und/oder ihren Kunden zu mißbrauchen, indem sie namentlich, wie es in Artikel 86 heisst, unangemessene Preise oder sonstige unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingen, den Absatz einschränken oder unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern anwenden.

36. Meines Erachtens gibt es beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens keine Elemente des ausschließlichen Rechts der Stationen, innerhalb geographischer Gebiete Besamungen durchzuführen, die einen Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 implizieren. Die beherrschende Stellung ermöglicht es den Besamungsstationen selbstverständlich, Mißbräuche hinsichtlich der Preisfestsetzung und möglicherweise auch hinsichtlich der Begrenzung der Möglichkeiten zur Vornahme von Besamungen, die nach den geltenden Vorschriften möglicherweise anderen Personen, z. B. den Tierzuechtern selbst oder Tierärzten, offenstehen, zu begehen. Mißbrauchsmöglichkeiten bestehen vermutlich auch in anderer Hinsicht. Aber die Vorschriften über das ausschließliche Recht selbst veranlassen die Unternehmen nicht, wie dies in der genannten Rechtsprechung vorausgesetzt wird, derartige Mißbräuche zu begehen; im übrigen gibt es sowohl im französischen Recht als auch im Gemeinschaftsrecht Bestimmungen, nach denen derartige Formen eines konkreten Mißbrauchs gegebenenfalls geahndet werden können.

37. Dies ist auch die Auffassung der CEIAM, der französischen Regierung und der Kommission.

38. Die Kommission macht jedoch geltend, die Vorschriften über das ausschließliche Recht könnten, wenn man sie im Zusammenhang mit anderen Aspekten der französischen Regelung sehe, gegen Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 verstossen. Sie verweist dabei auf die Vorschriften, die für die Gewinnung des Samens gelten, der für die Besamungen verwendet wird.

Die Kommission formuliert ihre Auffassung wie folgt: "Die Lage ist die, daß die Besamungsstationen zwei Arten ausschließlicher Rechte in einem besitzen, nämlich ein ausschließliches Recht, die Besamung vorzunehmen, und ein ausschließliches Recht, den Samen abzugeben. Um einen bestimmten Samen zu erhalten, muß man sich nämlich an die Stationen wenden. Darüber hinaus ermöglicht es die in Rede stehende staatliche Regelung, die zusätzlichen Kosten für die Lieferung von Samen in Rechnung zu stellen, der von einer anderen Station stammt. Die Gesamtregelung könnte zu mißbräuchlichen Eingriffen in die Freiheit der Tierzuechter führen, zu wählen, welchen Samen sie verwenden wollen."

39. Die Auffassung der Kommission steht im Zusammenhang mit ihrer Beurteilung der für die Tierzuechter und andere bestehenden Möglichkeiten, Samen über die Stationen zu kaufen, und des Rechts der Stationen, im Zusammenhang damit eine Bezahlung zur Deckung der zusätzlichen Kosten zu verlangen. Die Kommission weist namentlich darauf hin, daß der Tierzuechter, der anderen als den von den festen Lieferanten der Station erzeugten Samen wünscht, dies schriftlich und individuell beantragen und die zusätzlichen Kosten tragen müsse.

Die Kommission führt aus, der Tierzuechter habe zwei Möglichkeiten, nämlich entweder selbst eine Vereinbarung mit einem von ihm gewählten Lieferanten zu treffen oder die Besamungsstation zu ersuchen, Samen bei den von ihm gewählten Lieferanten zu kaufen.

Im ersten Fall sei es unbegründet, wenn die Besamungsstation verlangen würde, daß der Tierzuechter zusätzliche Kosten übernehme; das Gesetz sehe nicht vor, daß in diesem Fall die Übernahme zusätzlicher Kosten verlangt werden könne.

Nach Auffassung der Kommission verstösst es gegen das Gemeinschaftsrecht, die Übernahme von Kosten zu verlangen, die den Besamungsstationen nicht wirklich entstanden seien. Auch bilde das Erfordernis eines individuellen und schriftlichen Antrags an die Station, die den Kauf vornehmen solle, eine unverhältnismässige Belastung und beschränke die Möglichkeiten der Tierzuechter, sich Samen von anderen als den festen Lieferanten der Station zu beschaffen.

40. Die Kommission ist dagegen wie die CEIAM und die französische Regierung der Auffassung, daß die Verpflichtung zur Aufbewahrung von allem aufgekauften Samen bei zugelassenen Produktions- und Besamungsstationen aus zuechterischen und gesundheitlichen Gründen hinreichend gerechtfertigt sei. Es wird darauf hingewiesen, daß Artikel 4 der Richtlinie 87/328, die die Richtlinie 77/504 im Hinblick auf die schrittweise Liberalisierung des Handels mit reinrassigen Zuchtrindern innerhalb der Gemeinschaft ergänzt, bestimmt: "Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß der für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmte Samen nach Artikel 2 in einem amtlich anerkannten Zentrum für künstliche Besamung gewonnen, behandelt und aufbewahrt wird."

41. Meines Erachtens ist davon auszugehen, daß das Erfordernis der Aufbewahrung des Samens in anerkannten Stationen aus zuechterischen und gesundheitlichen Gründen hinreichend gerechtfertigt ist.

42. Die Kommission hat allerdings in der mündlichen Verhandlung Zweifel daran geäussert, ob das Erfordernis der Aufbewahrung nach dem oben wiedergegebenen Artikel 10 der Verordnung von 1969 nur für eingeführten Samen gelten solle. Die französische Regierung und die CEIAM haben vorgetragen, daß das Erfordernis der Aufbewahrung allgemein gelte. Den Erklärungen der französischen Regierung dazu muß Rechnung getragen werden können.

43. Der Anspruch der Stationen gegen die Tierzuechter auf Übernahme zusätzlicher Kosten im Zusammenhang mit der Lieferung von Samen von anderen als den festen Lieferanten der Station ist als solcher nicht geeignet, die Stationen zu gegen Artikel 86 verstossenden Mißbräuchen zu veranlassen. Unbestreitbar bringen diese besonderen Lieferungen gewisse Kosten mit sich, die man den Tierzuechtern vernünftigerweise auferlegen kann. Es ist klar, daß das Recht mißbraucht würde, wenn die Stationen in der von der Kommission beschriebenen Art und Weise handelten, d. h. eine Bezahlung für zusätzliche Ausgaben verlangten, die nicht wirklich entstanden sind. Dieses Mißbrauchsrisiko ist jedoch nicht so beschaffen, daß der Anspruch auf Übernahme zusätzlicher Kosten selbst gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 verstösst. Die französischen Rechtsvorschriften veranlassen die Stationen nicht zu einer solchen Handlungsweise.

44. Es ist schwer einzusehen, daß das Erfordernis eines individuellen und schriftlichen Antrags des Tierzuechters, der wünscht, daß die örtliche Station den Einkauf von Samen bei anderen als ihren festen Lieferanten tätigt, zur Vertragswidrigkeit der französischen Regelung führen soll. Das Erfordernis erscheint nicht besonders belastend und gilt nach den eigenen Erklärungen der Kommission nur, wenn die Tierzuechter die Hilfe der Station wünschen und den Einkauf nicht selbst ° gegebenenfalls über Unternehmen, die nach den abgegebenen Erklärungen in Frankreich tatsächlich existieren und den Samen aus anderen Ländern einführen ° vornehmen.

45. Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, daß beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht angenommen werden kann, daß die hier untersuchten Aspekte der Regelung zu einem Mißbrauch der beherrschenden Stellung der Stationen führen, der einen Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 begründet(20).

Zur Frage, ob die Vorschrift über die Aufbewahrung des Samens gegen Artikel 30 verstösst

46. Die zweite vorgelegte Frage geht dahin, ob Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 36 und gewissen Bestimmungen der Richtlinien dahin auszulegen ist, daß er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, "nach der Wirtschaftsteilnehmer, die Samen aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft einführen, verpflichtet sind, diesen an eine zugelassene Besamungs- oder Samenproduktionsstation zu liefern", und zwar im Hinblick auf seine Aufbewahrung in der Station.

47. Ausgangspunkt der Frage ist somit unzweifelhaft die sich aus der in Nummer 19 zitierten, in Artikel 10 der Verordnung von 1969 in der Fassung von 1989 enthaltenen Bestimmung ergebende Verpflichtung der Importeure.

48. Die Richtlinienbestimmungen, um die es in der Frage geht, sind Artikel 2 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder und Artikel 4 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht, die namentlich bestimmen, daß die Mitgliedstaaten dafür sorgen, daß der für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmte Samen in einem amtlich anerkannten Zentrum für künstliche Besamung gewonnen, behandelt und aufbewahrt wird.

49. Oben ist davon ausgegangen worden, daß das umstrittene Erfordernis bezweckt, eine gefahrlose Aufbewahrung importierten Samens in anerkannten Stationen sicherzustellen, und daß dieses Erfordernis für in Frankreich erzeugten und in den Verkehr gebrachten Samen eine Entsprechung hat. Es handelt sich im übrigen um ein Erfordernis, das eine Stütze in dem oben zitierten Artikel 4 der Richtlinie 87/328 findet. Aus diesen Gründen kann nicht angenommen werden, daß das Erfordernis gegen die in Rede stehenden Bestimmungen der Richtlinie verstösst.

50. Es kann auch nicht angenommen werden, daß dieses Erfordernis gegen Artikel 30 verstösst.

51. Ein Aufbewahrungserfordernis wie das vorliegende ist nicht geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel, wie im Urteil in der Rechtssache Dassonville (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Slg. 1974, 837) ausgeführt, unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu beeinträchtigen, sofern es für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern es den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt(21).

52. Nach den vorliegenden Auskünften gilt die Verpflichtung für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, und es liegen keine Informationen vor, die darauf hindeuten, daß das Erfordernis den Absatz von Samen aus anderen Mitgliedstaaten anders berührt als den Vertrieb von Samen, der im Lande selbst erzeugt wurde. Es kann im übrigen nicht ausgeschlossen werden, daß das Erfordernis ° selbst wenn auf unterschiedliche tatsächliche Auswirkungen hingewiesen werden kann ° aus zuechterischen und gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt werden kann, die, wie gesagt, den Grund für dieses Erfordernis bilden(22).

Entscheidungsvorschlag

53. Aus allen diesen Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen der Cour de cassation wie folgt zu beantworten:

Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, durch die Besamungsstationen geschaffen werden, die allein befugt sind, innerhalb eines abgegrenzten Gebietes tätig zu werden, und diesen Stationen die Befugnis einräumt, zusätzliche Kosten in Rechnung zu stellen, wenn Tierzuechter, die sich in dem Gebiet befinden, für das die Besamungsstation ausschließlich zuständig ist, die Lieferung von Samen verlangen, der aus zugelassenen Produktionsstationen ihrer Wahl stammt.

Artikel 30 EG-Vertrag und Artikel 2 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 sowie Artikel 4 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 sind dahin auszulegen, daß sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Wirtschaftsteilnehmer, die Samen aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft einführen, verpflichtet, diesen an eine zugelassene Besamungs- oder Produktionsstation zu liefern.

(*) Originalsprache: Dänisch.

(1) ° Journal officiel de la République Française (JORF) vom 29. Dezember 1966, S. 11619.

(2) ° Die Station Crespelle hatte geltend gemacht, das ausschließliche geographische Recht verstosse gegen die Artikel 3, 5, 85, 30 und 59 EWG-Vertrag. Die Cour d' appel wies dieses Vorbringen zurück, wobei sie ausführte,

° erstens, daß Artikel 85 EWG-Vertrag nicht anwendbar sei, da die Maßnahme, die geeignet sei, den Wettbewerb zu verfälschen, nicht auf einer Vereinbarung, sondern auf einem Gesetz beruhe;

° zweitens, daß Artikel 85 in Verbindung mit den Artikeln 3 und 5 nicht anwendbar sei, da das Gesetz keine Vorschrift enthalte, die zum Abschluß von gegen Artikel 85 verstossenden Vereinbarungen zwischen Unternehmen ermutige;

° drittens, daß Artikel 30 unanwendbar sei, da die französischen Rechtsvorschriften die Einfuhr von Rindersamen nicht behinderten, sondern nur vorsähen, daß die Einfuhr über Besamungsstationen erfolgen müsse; dieses Erfordernis entspreche den einschlägigen Gemeinschaftsrichtlinien, und

° viertens, daß Artikel 59 nicht anwendbar sei, da die Angelegenheit eine rein innerstaatliche Situation betreffe und somit keinen grenzueberschreitenden Gesichtspunkt enthalte.

(3) ° ABl. L 206, S. 8.

(4) ° ABl. L 167, S. 54.

(5) ° Siehe den bei der Behandlung des Gesetzentwurfs in der Nationalversammlung vorgelegten Ausschußbericht in: Documents de l' Assemblée nationale, première session ordinaire de 1966-1967, Dokument Nr. 2168, S. 909.

(6) ° Die Selektion der Zuchtrinder hat in allen Ländern zu einer ganz bemerkenswerten Verbesserung der Produktionskapazität sowohl in bezug auf das Milchvieh als auch in bezug auf das Schlachtvieh geführt. Die künstliche Besamung, die erst nach den zweiten Weltkrieg voll entwickelt wurde, hat zum Erfolg der Selektion des Viehbestands in grossem Masse beigetragen. Besonders wichtig ist, daß Rindersamen eingefroren und lange aufbewahrt werden kann, wodurch es ermöglicht wird, den Samen eines einzigen Bullen zur Besamung in zahlreichen Fällen ° in der Praxis bereits mehr als 10 000 Besamungen pro Jahr ° zu benutzen.

(7) ° JORF vom 23. März 1969, S. 2948.

(8) ° Die Regierung hat ausgeführt: Die zugelassenen Besamungsstationen sind ausschließlich landwirtschaftliche Genossenschaften, die dem Gesetz vom 10. September 1947 unterliegen ... Gemäß Artikel L 521.1 des Code rural handelt es sich somit um Zusammenschlüsse, die sich sowohl von Gesellschaften bürgerlichen Rechts als auch von Handelsgesellschaften unterscheiden, da sie die gemeinsame Nutzung aller Mittel, die geeignet sind, die Tätigkeit der Landwirte zu erleichtern oder zu entwickeln, durch diese Landwirte bezwecken. Ihr Zweck besteht somit nicht darin, Gewinn zu erwirtschaften, sondern darin, den Mitgliedern günstige Bedingungen hinsichtlich der Belieferung und der Vermarktung zu bieten.

(9) ° Bericht des Ausschusses für Wirtschaftsfragen, der bei der Prüfung des Gesetzesentwurfs im Senat vorgelegt wurde ° Dokumente der Nationalversammlung, Senat, erste ordentliche Sitzung 1966-1967, Dokument Nr. 63, S. 33.

(10) ° In der Anlage 3 zu den Erklärungen der französischen Regierung heisst es: Zwar wird in der Praxis die grosse Mehrzahl der künstlichen Besamungen von abhängig beschäftigten Besamungsbeauftragten der zugelassenen Genossenschaft vorgenommen, die Regelung erlaubt es jedoch den Tierzuechtern selbst, die Besamung in ihrem eigenen Betrieb (Verordnung vom 1. Juni 1978 in der Fassung der Verordnung vom 31. Mai 1983) und den Tierärzten (Verordnung vom 21. November 1991), die Besamung vorbehaltlich einer vertraglichen Vereinbarung mit der Besamungsstation des fraglichen Gebietes vorzunehmen. Die Regelung ermöglicht es, darauf zu achten, daß die (Tierzucht- und Gesundheits-) Kontrolle der Besamung in einem bestimmten Gebiet vom Leiter der Besamungsstation durchgeführt wird.

(11) ° Siehe dazu die Erklärungen der französischen Regierung, die in Randnr. 12 des unten zitierten Urteils in der Rechtssache 161/82 (Kommission/Frankreich) wiedergegeben sind.

(12) ° JORF vom 30 April 1969, S. 4349.

(13) ° Artikel 2 der Verordnung vom 24. Januar 1989, JORF vom 31. Januar 1989, S. 1469.

(14) ° Artikel 12 der Verordnung bestimmt:

Jede Besamungsstation hat mit einer oder mehreren Samenproduktionsstationen Verträge zu schließen.

Diese Verträge müssen die Ordnungsmässigkeit der Samenbelieferung des betreffenden Gebietes unter Berücksichtigung des dort bestehenden Bedarfs und für hinreichend lange Zeiträume, um die Erprobungsvorgänge zum Erfolg zu führen, gewährleisten.

Diese Verträge müssen die Verpflichtung der Besamungsstation enthalten, sich an von den Samenproduktionsstationen, mit denen sie sich zusammenschließt, durchgeführten Erprobungsprogrammen zu beteiligen. Diese Verpflichtung trägt den Möglichkeiten, die das Gebiet für die Anwendung von Erprobungsprogrammen bietet, und einer Schätzung des mittelfristigen Bedarfs an zugelassenen Zuchttieren in dem Gebiet Rechnung.

(15) ° Aus dem Sachverständigenbericht, der der Berechnung des Schadensersatzes im Ausgangsverfahren zugrunde liegt, ergibt sich, daß die CEIAM 1987 mehr als eine Viertelmillion Besamungen vornahm und daß die Station Crespelle in demselben Jahr ca. 100 000 Besamungen allein im Departement Mayenne durchführte.

(16) ° Slg. 1983, 2079 und 2057.

(17) ° In Verbindung mit der Anwendung des Artikels 90 Absatz 1 hat Artikel 5 des Vertrages keine selbständige Bedeutung.

(18) ° Siehe u. a. Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533).

(19) ° Urteile vom 23. April 1991 (Slg. 1991, I-1979) und vom 10. Dezember 1991 (Slg. 1991, I-5889).

(20) ° Dies macht es unnötig, dazu Stellung zu nehmen, ob die Stationen eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes haben und ob der Mißbrauch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Für den Fall, daß der Gerichtshof zu einem anderen Ergebnis als dem von mir vorgeschlagenen kommt, ist zu erwähnen, daß die einzelne Besamungsstation kaum eine dominierende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes haben wird, daß die Stationen zusammengenommen diese jedoch unzweifelhaft haben und daß ° wenn man der Meinung ist, daß die französischen Rechtsvorschriften zu einem Mißbrauch führen ° die Gesamtwirkung der ausschließlichen Rechte der Stationen zu untersuchen sein wird, wodurch die Voraussetzungen des Artikels 86 in diesem Punkt erfuellt wären. Falls der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, daß die Vorschriften zu Mißbräuchen führten, wird dies zweifellos u. a. mit der einschränkenden Wirkung der Regelung auf die Möglichkeiten der Tierzuechter, Samen aus anderen Quellen zu erhalten, begründet werden, wodurch auch die Voraussetzungen des Artikels 86 in bezug auf den innergemeinschaftlichen Handel erfuellt wären.

(21) ° Dieses Erfordernis ist somit meines Erachtens als eines der Erfordernisse anzusehen, bei denen nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097) nur dann davon auszugehen ist, daß sie den Handel nach Artikel 30 beeinträchtigen, wenn die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfuellt sind. Es handelt sich nicht um eines der Erfordernisse, die unter das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Cassis de Dijon fallen, wonach Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, daß Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen (wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihrer Abmessungen, ihres Gewichts, ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung), selbst dann, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, nach Artikel 30 verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung dar[stellen], sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im allgemeinen Interesse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht (Randnr. 15).

(22) ° Die Kommission hat geltend gemacht, daß das Erfordernis eines schriftlichen und individuellen Antrags an die Station, sofern der Wirtschaftsteilnehmer andere Lieferer wünscht, und das Recht der Station, eine zusätzliche Bezahlung für Extraausgaben zu verlangen, einen Verstoß gegen Artikel 30 darstellen könnten. Die Kommission hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die darauf hindeuten, daß dadurch gegen Artikel 30 verstossende Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel geschaffen werden. Aus den oben angeführten Gründen bin ich aufgrund der vorliegenden Informationen über die Auslegung und Anwendung der Vorschriften der Auffassung, daß die französische Regelung insoweit nicht gegen Artikel 30 verstösst.

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