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Document 61993CC0056

    Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 28. September 1995.
    Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Staatliche Beihilfen - Vorzugstarife, die niederländischen Erzeugern von Stickstoffdünger bei der Lieferung von Erdgas gewährt werden.
    Rechtssache C-56/93.

    Sammlung der Rechtsprechung 1996 I-00723

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1995:298

    SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NIAL FENNELLY

    vom 28. September 1995 ( *1 )

    Inhaltsverzeichnis

     

    Einleitung

     

    Sachverhalt

     

    Vorbringen der belgischen Regierung

     

    I — Offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts

     

    i) Der Exportpreis

     

    ii) Der nicht-öffentliche und der Leitpreischarakter des Tarifs F

     

    iii) Die Gewinnspanne von Gasunie

     

    iv) Die Kosten von Gasunie

     

    v) Die Ausfuhrmärkte von Gasunie

     

    vi) Die belgischen Ammoniakeinfuhren

     

    vii) Vergleichbarkeit der Märkte

     

    viii) Alternative Ausfuhrmöglichkeiten

     

    ix) Die unternehmerische Rechtfertigung des Tarifs F

     

    II — Rechtsfehler bei der Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag

     

    i) Der niedrigere Gaspreis in anderen Ländern

     

    ii) Unterschiedliche Stufen des Herstellungsverfahrens

     

    iii) Substitutionskosten

     

    iv) Gewinnverzicht

     

    v) Der besondere Charakter des Tarifs F

     

    III — Nichtigerklärung wegen fehlender Begründung

     

    Ergebnis

    Einleitung

    1.

    Es geht hier um eine Klage des Königreichs Belgien wegen Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission vom 29. Dezember 1992, mit der das von ihr nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitete Verfahren betreffend die in den Niederlanden zugunsten der Erzeuger von Stickstoffdünger bei der Lieferung von Erdgas gewährten Vorzugstarife eingestellt wurde ( 1 ).

    Sachverhalt

    2.

    Das Verhältnis zwischen dem niederländischen Erdgaslieferanten Gasunie und der niederländischen Stickstoffdüngerindustrie hat unter dem Blickwinkel staatlicher Beihilfen die Aufmerksamkeit der interessierten Kreise, der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Gerichtshofes mehr als zehn Jahre lang beansprucht. Erdgas ist der wichtigste Grundstoff und verursacht 90 % der Kosten bei der Ammoniakherstellung. Ammoniak wiederum ist Grundstoff für die Herstellung von Stickstoffdünger. Erdgas macht demnach bis zu 70 % der Herstellungskosten aus ( 2 ). Bis in die achtziger Jahre stellten die Stickstoffdüngererzeuger der Gemeinschaft ihr Ammoniak weitgehend selbst her ( 3 ). Gasunie hat faktisch ein Monopol für die Lieferung von Erdgas in den Niederlanden und für die Ausfuhr von niederländischem Erdgas. Der niederländische Staat besitzt unmittelbar (10 %) oder mittelbar (40 % über die im staatlichen Besitz befindliche Energie Beheer Nederland) 50 % des Kapitals von Gasunie und bestimmt die Hälfte des Verwaltungsrats, zu dessen Zuständigkeiten die Festlegung der von Gasunie angewandten Tarife gehört. Außerdem müssen die von Gasunie angewandten Preise von der niederländischen Regierung genehmigt werden. In der Rechtssache Van der Kooy u. a./Kommission ( 4 ) schloß der Gerichtshof aus den Eigentumsverhältnissen und der Kontrollstruktur, daß die Festlegung eines Tarifs von Gasunie (in jenem Fall ein Vorzugsgartenbautarif für Erdgaslieferung) auf die Einflußnahme des niederländischen Staates zurückzuführen und daher als „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe“ nach Artikel 92 EWG-Vertrag anzusehen sei.

    3.

    Die Kommission eröffnete erstmals im Oktober 1983 ein Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag gegen die Niederlande. Nach Auffassung der Kommission gewährte Gasunie nach der damals angewandten Beihilferegelung niederländischen Ammoniakherstellern mittels eines zweistufigen Tarifsystems einen Sondernachlaß mit der Folge, daß die Kosten des von diesen als Grundstoff genutzten Erdgases gesenkt wurden ( 5 ). Der Ammoniakindustrie wurde für Erdgas, das bei der Herstellung zum Verkauf auf dem Markt der Europäischen Gemeinschaft verwendet wurde, der übliche Industriepreis, für die Herstellung zur Ausfuhr in Drittländer aber ein wesentlich niedrigerer Preis berechnet. Im Laufe des Verfahrens erließ die Kommission am 13. März 1984 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, wonach in dieser Tarifstruktur eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag zu sehen sei, die nicht unter eine der in Artikel 92 Absatz 3 vorgesehenen Ausnahmen falle.

    4.

    Am 14. April 1984 teilte die niederländische Regierung der Kommission mit, daß Gasunie den beanstandeten Tarif aufgehoben habe und mit Rückwirkung zum 1. November 1983 in ihr Industrietarifschema einen neuen Tarif (den Tarif F) eingeführt habe, der nun Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Der Tarif F sollte für die in den Niederlanden ansässigen — nicht im Energiesektor tätigen — Größtabnehmer (im wesentlichen, wie wir sehen werden, für den Ammoniaksektor) gelten, soweit diese

    a)

    jährlich mindestens 600 Millionen m3 Gas verbrauchten;

    b)

    eine Betriebszeit von 90 % oder darüber hatten (d. h. mindestens 90 % der Zeit in Betrieb waren und damit einen regelmäßigen Verbrauch hatten);

    c)

    damit einverstanden waren, daß Gasunie die Lieferungen nach ihrem Ermessen (möglichst mit zwölfstündiger Vorwarnung) ganz oder teilweise unterbrach;

    d)

    der Belieferung mit Gasqualitäten von unterschiedlichem Heizwert zustimmten.

    Der neue Tarif F wurde in der Weise berechnet, daß der Tarif E — der für Abnehmer mit einem Jahresverbrauch von 50 Millionen bis 600 Millionen m3 galt — um 5 Cent/m3 verringert wurde. Später stellte sich heraus, daß der von dem zum Tarif F belieferten Abnehmern geforderte Mindestverbrauch 500 Millionen m3 betrug, und daß der Nachlaß von 5 Cent ein Höchstnachlaß war, da sich der tatsächlich gewährte Nachlaß gelegentlich auf nicht mehr als 2 Cent/m3 belief ( 6 ).

    5.

    Die Kommission setzte ihre Untersuchung anhand des neuen Tarifs fort. Sie stellte fest, daß dieser für Gasunie hauptsächlich wegen der Gesamtwirkung des Großumsatzes und der Regelmäßigkeit des Verbrauchs Einsparungen bei den Lieferkosten erbrachte, die den Nachlaß von 5 Cent überstiegen. Sie gelangte ferner zu dem Ergebnis, daß der Tarif F Bestandteil des allgemeinen Tarifschemas für Gasnutzer in den Niederlanden sei, keine sektorbezogenen Diskriminierungen enthalte und nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer staatlichen Beihilfe erfülle. Sie stellte daher am 17. April 1984 das Verfahren gegen die Niederlande nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag ein.

    6.

    Diese Entscheidung wurde in der Rechtssache CdF Chimie/Kommission ( 7 ) von einer Reihe französischer Wettbewerber der niederländischen Stickstoffdüngerindustrie mit einer Nichtigkeitsklage angefochten. Der Gerichtshof ordnete ein Gutachten dreier Sachverständigen der Erdgaswirtschaft (nachstehend: Sachverständigengutachten) an, auf das er in seinem Urteil die tatsächlichen Feststellungen gründete. Das Sachverständigengutachten untersuchte die Einsparungen von Gasunie, die die Kommission sowohl auf die einzelnen angeblichen Elemente des Großumsatzes als auch auf ihre Gesamtwirkung zurückgeführt hatte. In allen Fällen stellten sie fest, daß der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, indem sie:

    Einsparungen aufgrund der Mengen des Erdgasverbrauchs und der Betriebszeit auf das Sechsfache des richtigen Betrages angesetzt hatte;

    Einsparungen sowohl auf die Möglichkeit der Lieferunterbrechung als auch auf die Möglichkeit der Belieferung mit Gas von unterschiedlichem Heizwert zurückgeführt hatte, obwohl keine von beiden Gasunie einen unternehmerischen Vorteil verschaffte.

    Schließlich waren Gesamteinsparungen von mehr als 0,5 Cent/m3 anhand von Faktoren, die die Kommission mit mehr als 5 Cent/m3 veranschlagt hatte, nur schwer auszumachen.

    Die Sachverständigen stellten fest, daß die Nachlässe nach Tarif F auf andere Überlegungen zurückzuführen seien. Der Gerichtshof entschied, daß die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, und hob mit Urteil vom 12. Juli 1990 deren Entscheidung auf.

    7.

    Obwohl die seinerzeit als Rechtfertigung für Tarif F angeführten Einsparungen wegen Großumsatzes nicht länger vorgebracht werden und die Kommission in ihrer nunmehr angefochtenen Entscheidung sie durch ganz andere Gründe ersetzt hat, bleibt doch festzuhalten, daß der Gerichtshof in der Rechtssache CdF Chimie den Tarif F bereits überprüft hat. Zwei besondere Aspekte des Urteils des Gerichtshofes sind von Bedeutung. Zum einen wies der Gerichtshof das Vorbringen der französischen Klägerinnen zurück, daß der Tarif F eine besondere, geheime Abmachung sei, die in einem vertraulichen Rahmen nur mit den niederländischen Stickstofferzeugern ausgehandelt worden sei. Der Gerichtshof entschied nämlich zum einen, daß der Tarif „ein öffentlicher Tarif ist, dessen Anwendungsvoraussetzungen ... allgemein bekannt und völlig klar sind“, und daß er „von jedem Kunden in Anspruch genommen werden [kann], der die objektiven Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt“ ( 8 ). Zum anderen folgte der Gerichtshof dem Vorbringen, daß der Tarif F im wesentlichen auf die niederländische Ammoniakindustrie ziele und daß es seiner Sektorbezogenheit nicht entgegenstehe, wenn auch ein Unternehmen, das nicht dem Sektor der Ammoniakherstellung angehöre, zum Tarif F beliefert werde ( 9 ).

    8.

    Die Kommission führte das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag im Januar 1992 fort und veröffentlichte eine Mitteilung, in der sowohl auf die offenbar neutralen objektiven Bedingungen des Tarifs F als auch darauf hingewiesen wurde, daß die niederländischen Ammoniakhersteller die Hauptnutznießer gewesen seien. Ferner wurde in der Mitteilung hervorgehoben, daß der Nachlaß unterschiedlich hoch und 5 Cent/m3 lediglich der Höchstwert sei ( 10 ).

    9.

    Die Kommission erließ am 29. Dezember 1992 eine Entscheidung (nachstehend: Entscheidung), das Verfahren erneut einzustellen ( 11 ). Sie berief sich auf das Sachverständigengutachten, in dem angedeutet worden war, daß zwar die behaupteten Einsparungen nicht eingetreten seien, daß aber andere unternehmerische Rechtfertigungen für den Tarif F bestehen könnten, z. B. das Bemühen, sicherzustellen, daß wichtigen Erdgaskunden nicht unerschwingliche Preise berechnet würden, die sie veranlassen könnten, entweder den Geschäftsbetrieb aufzugeben oder sich ihr Ammoniak anderswo zu beschaffen ( 12 ). Die Kommission stellte fest:

    „Im Falle des Sondertarifs ‚F‘ ging es der Gasunie darum, auf dem Stickstoffdüngermarkt gegen den Wettbewerb des in anderen Staaten und insbesondere Drittländern hergestellten Ammoniaks vorzugehen. Ein Hersteller von Stickstoffdünger hat nämlich die Wahl, das erforderliche Ammoniak entweder selbst zu produzieren oder aber von anderen Herstellern zu beziehen ... Ist das bei der Ammoniaksynthese verwendete Gas zu teuer, wird er voraussichtlich — sofern er die Möglichkeit dazu hat — das Ammoniak von anderen Herstellern zu einem im Vergleich zur Eigenproduktion niedrigeren Selbstkostenpreis beziehen ... In einer solchen Lage befand sich in den achtziger Jahren auch die Ammoniakindustrie in der Gemeinschaft; wenn die Gasunie den niederländischen Stickstoffdüngemittelerzeugern keine Sondertarife eingeräumt hätte, wären diese ohne weiteres imstande gewesen, die Ammoniakproduktion einzustellen, sich das Ammoniak in Drittländern zu beschaffen und trotzdem ihre Stickstoffdüngemittelproduktion aufrechtzuerhalten.“ ( 13 )

    10.

    Hauptelement der Entscheidung war, daß Gasunie große und verwundbare Abnehmer schützen mußte, die

    ihr zum Zeitpunkt des Verlustes anderer Märkte 30 % ihres Erdgases abnahmen ( 14 );

    ohne Mühe auf sehr billiges Einfuhrammoniak umsteigen konnten (es bestanden Anhaltspunkte, daß dies tatsächlich geschehen war) ( 15 );

    ihrerseits Anteile am Gemeinschaftsmarkt für Stickstoffdünger an osteuropäische Exporteure verloren ( 16 );

    zu einem Preis bedient wurden, der den niedrigeren Tarifen oder der differenzierten Preisgestaltung in anderen Mitgliedstaaten entsprach ( 17 );

    zu einem kostendeckenden Preis beliefert wurden ( 18 ), so daß noch Gewinne erzielt und höhere Einkünfte (und damit eine raschere Amortisierung von Investitionen) gesichert werden konnten;

    und der mittelbar auch Ammoniakherstellern in anderen Mitgliedstaaten zugänglich war, die Erdgas aus den Niederlanden einführten ( 19 ).

    Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, daß i) der Tarif F sich aus unternehmerischen Gründen rechtfertigen lasse, ii) im Verhältnis zu den Herstellern anderer Mitgliedstaaten keinen Vorteil einräume, und daß iii) das Fehlen jeglicher Einkommensverluste beweise, daß der niederländische Staat sich nicht anders als ein gewöhnlicher Anteilseigner verhalten habe. Bei den Ergebnissen i) und iii) handelt es sich in Wahrheit um denselben Punkt in unterschiedlicher Formulierung. Die Frage, ob die Ergebnisse i) und ii) der Kommission (die ich als wesentliche Grundlagen der Entscheidung betrachte) voneinander abhängig sind, ist von einiger Bedeutung und wird später näher erörtert werden.

    11.

    Gasunie gab 1991 den Tarif F zugunsten eines Preissystems für Erdgas auf, das darauf abstellte, ob dieses als Grundstoff oder als Energiequelle eingesetzt wurde. Das neue System wurde von der Kommission unter der Bedingung genehmigt, daß es einschließlich späterer Änderungen auf die Ausfuhrmärkte erstreckt werde ( 20 ). Die Kommission stimmte später einer Herabsetzung dieses Preises (für die Niederlande und die Exportmärkte) aus den dem Ergebnis i) der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Gründen zu, d. h. wegen der Notwendigkeit, in Zeiten erhöhten Wettbewerbs seitens nicht gemeinschaftlicher Ammoniakhersteller dem drohenden Verlust eines überaus bedeutenden Marktes zuvor zu kommen ( 21 ).

    12.

    Das Königreich Belgien erhob am 1. März 1993 die vorliegende Nichtigkeitsklage. Mit Beschluß vom 30. Juni 1993 ließ der Präsident des Gerichtshofes das Königreich der Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zu. Mit Beschluß vom 6. Dezember 1993 entsprach der Gerichtshof dem Antrag des Klägers, daß die Kommission Exemplare des Sachverständigengutachtens sowie eines gemeinsamen Berichts der Kommission und der Association Européenne des Producteurs d'Engrais (EFMA; europäischer Verband der Düngemittelerzeuger) aus dem Jahre 1991 mit dem Titel „Die Düngemittelindustrie in der EWG: Lage und Perspektiven“ zur Verfügung zu stellen habe.

    Vorbringen der belgischen Regierung

    13.

    Die belgische Regierung beantragt die Aufhebung der Entscheidung und die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Verfahrenskosten; die Kommission beantragt die Abweisung beider Anträge. Die belgische Regierung stützt ihre Klage auf drei Klagegründe: Die Kommission habe bei der Beurteilung des Sachverhalts offensichtliche Fehler begangen, ihre Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag sei fehlerhaft und ihre Entscheidung unzureichend begründet. Jeder dieser Klagegründe umfaßt eine Reihe unterschiedlicher Rügen. Einige der für einen Klagegrund erheblichen Rügen werden im Zusammenhang mit einem anderen erneut in anderer Form vorgebracht. Es erscheint aber gleichwohl angezeigt, jeden der Klagegründe Belgiens der Reihe nach zu untersuchen und sich mit etwaigen Überschneidungen zwischen ihnen zu befassen, wenn sie auftreten.

    14.

    Die Kommission hat unter Berufung auf Artikel 42 § 2 der Verfahrens Ordnung des Gerichtshofes geltend gemacht, sie brauche auf bestimmtes Vorgehen nicht einzugehen, das von der belgischen Regierung (jedenfalls in zusammenhängender Form) erst im letzten Abschnitt des schriftlichen Verfahrens eingeführt worden sei. Mit diesem Vorbringen der Kommission werde ich mich im jeweiligen Zusammenhang der Erörterung der Klagegründe der belgischen Regierung befassen ( 22 ).

    I — Offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts

    15.

    Die belgische Regierung bringt zu diesem Klagegrund neun Einzelrügen vor, die jedoch nach Maßgabe ihrer Bedeutung für die eine oder die andere der beiden hauptsächlichen Ergebnisse zusammengefaßt werden können, auf die die Kommission ihre Entscheidung gestützt hat, nämlich daß i) der Tarif F eine normale unternehmerische Reaktion von Gasunie auf die Schwierigkeiten ihrer wichtigen, verletzlichen Kunden in der niederländischen Ammoniakindustrie gewesen sei, und daß ii) der Tarif F den niederländischen gegenüber den Ammoniakherstellern anderer Mitgliedstaaten keinen Vorteil verschafft habe. Alle Rügen mit Ausnahme der beiden ersten beziehen sich auf das Ergebnis i).

    16.

    Zu prüfen ist für den Fall, daß den Rügen der belgischen Regierung nur teilweise stattgegeben werden sollte, ob die angefochtene Entscheidung Bestand haben kann, wenn sie nur von einem der beiden Ergebnisse der Kommission gestützt wird. Diese Ergebnisse scheinen auf den ersten Blick unterschiedliche Merkmale des Tatbestands der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren staatlichen Beihilfe in Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag zu betreffen (obwohl kein Ergebnis sich ausdrücklich nur auf ein Merkmal bezieht).

    17.

    In Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag werden verbotene staatliche Beihilfen (vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen) durch Bezugnahme auf eine Reihe kumulativer Kriterien definiert. Eine Beihilfe muß

    a)

    als Hilfe gleich welcher Art gewährt werden, d. h. einen Vorteil darstellen, der ohne oder für eine wirtschaftlich unzureichende Gegenleistung gewährt wird;

    b)

    von einem Mitgliedstaat oder aus dessen Mitteln gewährt werden;

    c)

    den Wettbewerb durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verfälschen oder zu verfälschen drohen, und

    d)

    den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

    18.

    Ergebnis i) der angefochtenen Entscheidung (die Deutung als „unternehmerische Reaktion“) betrifft die Frage, ob der Tarif F überhaupt als Beihilfe eingestuft werden kann. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, daß die Gewährung von Vorzugspreisen an Unternehmen oder Wirtschaftszweige durch staatlich beherrschte Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn dabei auf Gewinne verzichtet wird, die sonst üblicherweise erzielt werden könnten ( 23 ). In solchen Fällen prüft der Gerichtshof, ob ein normaler Wirtschaftsteilnehmer in der gleichen Weise gehandelt hätte ( 24 ). Die Kommission versuchte dies im vorliegenden Fall durch eine Reihe von Erwägungen — Schwierigkeiten der Ammoniakindustrie, ihre Bedeutung für Gasunie, die weiterhin erzielten Gewinne und die Abschreibung der Investitionen, das Fehlen alternativer Erdgasmärkte — nachzuweisen, die zum Ergebnis i) führten.

    19.

    Ergebnis ii) (der Hinweis auf den „Exportpreis“) läßt sich in erster Linie auf das selbständige Tatbestandsmerkmal in Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückführen, daß eine Beihilfe zugunsten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige nur dann mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, wenn sie „den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht“ und dadurch „den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt“. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, daß „[d]en niederländischen Stickstoffdüngemittelherstellern durch den Tarif F beim Ankauf von Erdgas ... keinerlei Vorteile gegenüber ihren Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten [erwuchsen]“, weil die Versorgungsunternehmen in Frankreich, Belgien und Deutschland, die von Gasunie mit Gas beliefert wurden, die für die Stickstoffdüngerindustrie bestimmten Mengen „zum Exportpreis [bezogen], der weitgehend dem F-Tarif entsprach“. ( 25 ) Wenn Gasunie den belgischen und sonstigen Ammoniakherstellern einen gleichwertigen Erdgastarif anböte (soweit ein Erdgasexporteur die Preisbildung in anderen Mitgliedstaaten beeinflussen kann) ( 26 ), verfälschte er weder den Wettbewerb noch beeinträchtigte er den innergemeinschaftlichen Handel. Ein solcher Tarif würde nicht unter das Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag fallen, selbst wenn der Preisnachlaß eine Beihilfe wäre, d. h. aus anderen als normalen wirtschaftlichen Gründen gewährt würde.

    20.

    Man kann sich durchaus vorstellen, daß ein Vorzugspreis wegen der jeweiligen Größe und Schwäche der Industrie in zwei Ländern nur den Ammoniakherstellern des einen und nicht denen des anderen Mitgliedstaats gewährt wird. Dies würde eine normale Preisdifferenzierung darstellen; eine solche Preisbildung stellte, selbst wenn sie (wie unvermeidbar) die jeweilige Wettbewerbsstellung der betroffenen Unternehmen berührte, keine Beihilfe dar, solange sie wirtschaftlich zu rechtfertigen wäre. Die Annahme einer „unternehmerischen Reaktion“ seitens der Kommission wäre gerechtfertigt. Andererseits könnte ein wirtschaftlich ungerechtfertigter Preis (d. h. eine Beihilfe), auch wenn dies unwahrscheinlich ist, auf die Ammoniakhersteller in der gesamten Gemeinschaft gleichermaßen erstreckt werden, ohne daß dies gegen Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieße, weil keine Beeinträchtigung des Handels oder des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt festzustellen wäre.

    21.

    Theoretisch dürften daher die beiden Gründe der Kommission für sich die Entscheidung tragen. Der Gerichtshof hat zur Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag entschieden, daß eine Entscheidung der Kommission, die vom alternativen Vorliegen einer von mehreren Voraussetzungen abhängt, aufrechtzuerhalten ist, wenn feststeht, daß auch nur eine dieser Voraussetzungen erfüllt war ( 27 ). Wenn umgekehrt eine Entscheidung vom gleichzeitigen Vorliegen mehrerer Voraussetzungen abhängt, wie dies bei der Feststellung des Vorliegens einer nach Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotenen staatlichen Beihilfe der Fall ist, muß folgerichtig eine Ablehnung dieser Entscheidung aufrechterhalten werden, sobald feststeht, daß auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vorlag.

    22.

    Allerdings besteht im Bereich der Beweisführung eine denkbare Verbindung zwischen den beiden- theoretisch unabhängigen Ergebnissen der Kommission (unternehmerische Reaktion, Exportpreis). Diese mögliche Verbindung wird durch die (unwahrscheinliche) Annahme oben in Absatz 20 beleuchtet, daß ein Mitgliedstaat einen unternehmerisch nicht gerechtfertigten Vorzugspreis — eine Beihilfe — auf Unternehmen in der ganzen Gemeinschaft ausdehnen könnte. Da es unwahrscheinlich ist, daß Mitgliedstaaten Beihilfen für Unternehmen in der ganzen Gemeinschaft gewähren, könnte die Feststellung, daß Gasunie Ammoniakherstellern außerhalb der Niederlande Gas zu Preisen ähnlich denen des Tarifs F geliefert hat, zu der Annahme führen, daß der betreffende Tarif eine normale Reaktion auf Marktbedürfnisse und unternehmerische Zwänge und keine politisch motivierte Beihilfe war. Dies ist weder ein notwendiger noch ein (unbedingt) ausreichender Beweis für eine unternehmerische Rechtfertigung, stellt aber ein klares Indiz in einem Bereich dar, in dem die genaue Quantifizierung unternehmerischer Zwänge überaus schwierig ist.

    23.

    Die Kommission vertrat diesen Standpunkt in der mündlichen Verhandlung, obwohl sie ihre Rechtsauffassung wohl überzeichnete. Sie stellte fest, daß die Ergebnisse „unternehmerische Reaktion“ und „Exportpreis“ sowohl eng miteinander verknüpft als auch das eine die Folge des anderen seien; der Tarif F könne daher nicht als unter Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag fallend betrachtet werden, falls beide Fragen positiv zu beantworten seien. Auf eine Frage des Gerichtshofes erklärte die Kommission, die beiden Probleme seien miteinander verknüpft, weil Gasunie, wenn sie es sich nicht leisten könne, den niederländischen Stickstoffdüngermarkt zu verlieren, sich auch den Verlust des belgischen Marktes nicht leisten könne.

    24.

    Dies ist m. E. nicht ganz zutreffend. Die Ausdehnung eines gleichwertigen Vorzugstarifs auf andere Mitgliedstaaten dürfte darauf hinweisen, daß der Preis vermutlich unternehmerischen Erwägungen entspricht. Die Versagung eines Exportpreises, der das belgische Vertriebsunternehmen in die Lage versetzen würde, einen dem Tarif F entsprechenden Tarif für Belgien anzubieten, würde jedoch nicht ohne weiteres belegen, daß der niederländische Tarif keine geschäftliche Reaktion auf die Marktbedingungen wäre, da die Marktbedingungen in den beiden Ländern sehr unterschiedlich sein könnten. Die Kommission berief sich zu Unrecht auf eine automatische Verbindung zwischen den beiden Gründen. Ihr erstes Ergebnis mag sich von der Beweislage her als eine Folge des zweiten darstellen, aber umgekehrt ist dies schwerlich richtig. Die unternehmerische Natur des Tarifs in den Niederlanden kann (mit gewisser Wahrscheinlichkeit) durch seine Ausdehnung auf andere Mitgliedstaaten belegt werden, doch führt die Feststellung, daß der Tarif unternehmerisch bedingt war, nicht unvermeidbar zu der Feststellung — noch hängt sie von dieser ab —, daß der Exportpreis des Erdgases für Ammoniakhersteller in anderen Mitgliedstaaten gleichwertig ist.

    25.

    Die Kommission räumte auf eine weitere Frage des Gerichtshofes ein, daß Herstellungsvorgaben von einem zum anderen Land unterschiedlich sein könnten. Hätte die Kommission herausgefunden, daß Erdgas den Ammoniakherstellern anderer Mitgliedstaaten nicht zu einem dem Tarif F ähnlichen Preis geliefert worden wäre, hätte sie die Gründe hierfür weiter untersuchen müssen. Außerdem habe die Entscheidung zum Grundstofftarif, der an die Stelle des Tarifs F getreten sei, die Zustimmung der Kommission ausdrücklich (und anscheinend unabhängig von allen denkbaren objektiven Unterschieden zwischen den einzelnen Märkten) von der Gleichwertigkeit der niederländischen und der Ausfuhrpreise abhängig gemacht ( 28 ).

    26.

    Damit hat die Kommission deutlich gemacht, daß ihr Ergebnis, der Tarif F sei unternehmerisch gerechtfertigt, in Wahrheit von ihrem Ergebnis beim Exportpreis abhängig war (auch wenn es theoretisch unabhängig davon aufrechtzuerhalten gewesen wäre). Bei dieser Gelegenheit wird deutlich, daß das Exportpreisergebnis sich sowohl auf die mögliche Verzerrung des Wettbewerbs und die Beeinträchtigung des Handels bezieht als auch auf die vorangehende Frage des Vorliegens einer Beihilfe. Sollte sich herausstellen, daß die Kommission in bezug auf den Exportpreis fehlerhaft entschieden hat, müßte sich dies mithin auf beide die Entscheidung tragenden Ergebnisse und damit auf die Entscheidung selbst negativ auswirken. Andererseits könnte die Entscheidung, wenn dem Exportpreisergebnis zu folgen wäre, selbst dann Bestand haben, wenn der Gerichtshof das Ergebnis hinsichtlich der unternehmerischen Reaktion aus anderen Gründen, die nur mit den Marktbedingungen in den Niederlanden zusammenhingen, verwürfe. Auf die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Feststellung habe ich indessen bereits hingewiesen: Sie würde voraussetzen, daß ein Mitgliedstaat Herstellern anderer Mitgliedstaaten eine staatliche Beihilfe gewahrt.

    27.

    Es bedarf ferner einiger Vorbemerkungen zur Beweislast und zur Aufgabe des Gerichtshofes bei einer Nichtigkeitsklage wie dieser. Der Gerichtshof ist nicht zu der Feststellung befugt, daß eine bestimmte Maßnahme eines Staates oder einer staatlich kontrollierten Behörde oder eines entsprechenden Unternehmens eine nach Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotene staatliche Beihilfe sei. Diese Aufgabe ist ausschließlich der Kommission und (unter gewissen Umständen) dem Rat nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag vorbehalten ( 29 ). Ein Urteil des Gerichtshofes, mit dem eine Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag aufgehoben wird, mag der Kommission (oder dem Rat) wenig wirkliche Alternativen bei der Überprüfung ihres Standpunktes lassen, doch das ist eine andere Sache. Der Kläger braucht daher nicht zu beweisen, daß der Tarif F eine staatliche Beihilfe war.

    28.

    Die Anwendung der Regelung staatlicher Beihilfen in den Artikeln 92 und 93 EWG-Vertrag bringt die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte mit sich, bei denen die Meinungen weit auseinander gehen können. Die Kommission verfügt daher über einen weiten Spielraum, und der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung herausgestellt, daß es nicht seine Aufgabe sei, an die Stelle der Beurteilung der Kommission seine eigene zu setzen. Bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit der Ausübung der Entscheidungsbefugnis der Kommission in diesen Bereichen beschränkt sich der Gerichtshof auf die Prüfung, ob die Entscheidung verfahrensmäßig fehlerhaft ist, einen offenbar rechtlichen oder tatsächlichen Fehler enthält, einen Befugnismißbrauch darstellt oder die Grenzen des der Kommission zustehenden erheblichen Spielraums überschreitet ( 30 ).

    29.

    Die belgische Regierung hat, wenn sie den Nachweis führen will, daß die Kommission einen offenbaren Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen hat, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt, den Gerichtshof davon zu überzeugen, daß die Entscheidung entweder auf tatsächlichen Feststellungen beruht, die objektiv und offensichtlich falsch sind, oder daß aus streitigen Tatsachen weitere tatsächliche Folgerungen gezogen wurden, die objektiv und offensichtlich falsch sind ( 31 ). Dem Kläger wird aufgrund der — berechtigten — Weigerung des Gerichtshofes bei tatsächlichen Fragen, zu denen sich unterschiedliche Meinungen vertreten lassen, an die Stelle der Beurteilung der Kommission seine eigene zu setzen, eine gewichtige Beweislast überbürdet. Der Nachweis muß dem Gerichtshof die hinreichende Gewißheit ( 32 ) geben, daß die Kommission Fehler bei der Tatsachenfeststellung begangen hat, die ihre Ergebnisse untergraben.

    30.

    Das bedeutet nicht, daß die Kommission in solchen Fällen lediglich abwarten sollte, ob der Kläger genügend Beweise beibringen kann, um die Vermutung zugunsten ihrer tatsächlichen Feststellungen zu widerlegen. Der Gerichtshof hat Anspruch auf die besten Beweismittel, die beide Parteien zur Stützung ihrer streitigen Behauptungen beibringen können ( 33 ). Im vorliegenden Fall etwa richtete der Gerichtshof angesichts einer von der Kommission als Beweis vorgelegten Tabelle über das Verfahren der Aushandlung des Exportpreises eine schriftliche Frage an die belgische Regierung.

    i) Der Exportpreis

    31.

    Die belgische Regierung hat eine Reihe zusammenhängender Fragen bezüglich des Exportpreises aufgeworfen, mit denen sie das Ergebnis der Kommission widerlegen will, der Tarif F begünstige die niederländischen Ammoniakhersteller gegenüber den Ammoniakherstellern anderer Mitgliedstaaten nicht ( 34 ).

    32.

    In der Entscheidung (Absatz 8, fünfter Gedankenstrich) wird festgestellt:

    „Die Versorgungsunternehmen in Frankreich, Belgien und Deutschland, die von der Gasunie mit Gas beliefert wurden, bezogen die für die Stickstoffdüngerindustrie bestimmten Mengen zum Exportpreis, der weitgehend dem F-Tarif entsprach.“

    Die belgische Regierung bringt vor, daß der Exportpreis bei niederländischen Erdgasausfuhren nach Belgien lange Zeit höher gewesen sei als der Tarif F. Das trifft wohl zu, ist jedoch für die Frage nicht erheblich. Aufgrund einer unglücklichen Ausdrucksweise der Kommission in dem soeben zitierten Satz ist ein Mißverständnis entstanden, das allerdings die Gültigkeit der Entscheidung nicht berühren sollte.

    33.

    Was im Vortrag der Parteien durchwegs als Exportpreis bezeichnet wird, war ein für drei Jahre ausgehandelter Globalpreis für alle niederländischen Gasausfuhren nach Belgien. Alles Gas, das durch die Leitungen von Gasunie an das belgische Vertriebsunternehmen Distrigaz geliefert wurde, wurde unabhängig von seiner Verwendung in Belgien zu einem einzigen Satz verkauft. Unstreitig war dieser Preis das Endergebnis eines komplexen Verhandlungsverfahrens. Der Exportpreis war ein mengenberichtigter Mittelwert, der durch den erwarteten Endverkaufspreis für verschiedene Sektoren in Belgien (grob gesprochen Haushalt, Gewerbe und Industrie) und die Menge der an diese in dem Dreijahreszeitraum möglicherweise verkauften Gesamtgaslieferung sowie durch einen Zuschlag für Transport und andere Gemeinkosten sowie für den Gewinn von Distrigaz bestimmt wurde. Der Endverkaufspreis für jeden Sektor wiederum wurde weitgehend durch den Preis des konkurrierenden Brennstoffs auf Erdölbasis — z. T. Heizöl, z. T. Schweröl — sowie durch einen Zuschlag für die Vorzüge des Erdgases bestimmt. Dieses System der Preisbestimmung ist als „netback“ (Nettobasis) bekannt.

    34.

    Da manche Kunden (insbesondere Haushalte) für das Gas einen höheren Preis zahlten als andere, dürfte der Global- oder Mittelexportpreis irgendwo zwischen den Höchst- und Mindestpreisen liegen, die in den einzelnen Sektormärkten berechnet wurden. Es ist daher nicht überraschend, daß er zu Zeiten höher war als der Endverkaufspreis für einen Niedrigpreis-Sektor mit hoher Abnahme wie die Industrie. Mit dem Hinweis der Kommission auf einen „Exportpreis, der weitgehend dem F-Tarif entsprach“, ist bei näherer Betrachtung eindeutig nicht der Globalexportpreis, sondern das Kalkulationselement des Endpreises gemeint, das auf die geschätzten Höhen des Gasumsatzes und der Gaspreise für die belgische Ammoniakindustrie abgestimmt war. Ob der angesetzte Preis für die belgische Ammoniakindustrie, der bei der Ermittlung des Globalexportpreises verwendet wurde, vom Transport und anderen Kosten abgesehen dem Tarif F mehr oder weniger entsprach, ist eine andere, allerdings zentrale Frage, die uns später beschäftigen wird.

    35.

    Die belgische Regierung, die Kommission und die niederländische Regierung sind sich über die grundsätzlichen Kriterien für die Berechnung des Exportpreises einig, obwohl die Vertreter sowohl Belgiens als auch der Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, daß der vorstehend beschriebene Mechanismus ein etwas idealisiertes Bild der Preisverhandlung darstelle. Bei diesen Verhandlungen versuche Gasunie verständlicherweise unter Rückgriff auf die „Netback“-Kriterien einen höheren Preis zu rechtfertigen, Distrigaz hingegen einen niedrigeren. Für die belgische Regierung ist der Exportpreis ein Einheitspreis, der nicht durch eine Umkehrung der Berechnungsweise in mehrere konstituierende Sektorpreise aufgelöst werden könne. Hierfür führt sie zwei Gründe an, nämlich die Berechnungsweise für die Prämie und den Umstand, daß nach dem Grundsatz „abnehmen oder zahlen“ nicht abgenommene Gasmengen ohne Rücksicht auf das Marktsegment, für das sie ursprünglich gedacht gewesen seien, zum Exportpreis zu bezahlen seien.

    36.

    Beiläufig sei bemerkt, daß die von Belgien zur Berechnung der Prämie angebotenen Beweise anscheinend widersprüchlich sind, da sie einerseits voraussetzen, daß die Prämie nach Sektoren berechnet wurde, und andererseits feststellen, sie seien das Ergebnis einer Geschäftsverhandlung zwischen den Parteien gewesen, bei denen der Markt als Ganzes zugrunde gelegt worden sei ( 35 ). Der Grundsatz „abnehmen oder zahlen“ (mit dem Distrigaz letztlich die geplanten Umsätze garantierte) könnte gelegentlich, wenn er herangezogen werden mußte, zu Unzuträglichkeiten geführt haben. Nichtsdestoweniger — und wiederum beiläufig bemerkt — wäre die Verpflichtung, nicht abgenommene Gasmengen zum Exportpreis zu bezahlen, für Distrigaz nicht immer nachteiliger gewesen als die Bezahlung zu einem Satz, der auf den Endverkaufspreis des Unterabnehmersektors abgestimmt gewesen wäre; das würde vom Niveau dieses Preises im Verhältnis zum Exportpreis abhängen. Selbst wenn es unmöglich ist, rückblickend aus dem Exportpreis die ursprünglich bei seiner Kalkulation eingesetzten Elemente herauszurechnen, so ist dies doch schwerlich erheblich, solange anhand entweder der Verhandlung selbst oder aufgrund anderer Möglichkeiten bewiesen werden kann, daß zu diesen Elementen ein Gasendverkaufspreis für die belgische Ammoniakindustrie gehört, der dem niederländischen Tarif F mehr oder weniger entsprach.

    37.

    Die belgische Regierung legt dar, die belgischen Ammoniakhersteller seien durch den von Gasunie den niederländischen Wettbewerbern zugestandenen Vorteil bedroht worden; Distrigaz sei von 1986 bis 1991 gezwungen gewesen, ihnen Erdgas zu einem dem Tarif F entsprechenden Preis mit einem jährlichen Verlust von mehr als 100 Millionen BFR zu verkaufen ( 36 ). Die Kommission und die niederländische Regierung entgegnen, daß diese Verluste eher scheinbar als wirklich und lediglich auf die Buchungspraxis von Distrigaz zurückzuführen gewesen seien. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Exportpreis normalerweise höher gewesen sein dürfte als der Endverkaufspreis des Gases für bestimmte Sektoren. Da der Gewinn von Distrigaz bei Gasverkäufen in allen Fällen unter Bezugnahme auf den Exportpreis errechnet wurde, war gar nicht zu vermeiden, daß bei Verkäufen an diese Sektoren für sich betrachtet Verluste entstehen würden. Solange der Exportpreis den Endverkaufspreis und den Umsatz in allen Sektoren widerspiegelte, müßten diese Verluste durch hohe Gewinne in anderen Sektoren (z. B. Haushaltungen) ausgeglichen worden sein, in denen Gas zu einem über dem Exportpreis liegenden Preis verkauft wurde. Damit werden wir erneut auf die Frage gestoßen, wie die Exportpreisbildung erfolgte. Die Kommission verweist darauf, daß Distrigaz in dem fraglichen Zeitraum erhebliche Gesamtgewinne mit steigender Tendenz erzielt habe. Der Vertreter Belgiens antwortete in der mündlichen Verhandlung, daß die Gewinnspanne von Distrigaz (zwischen 4 % und 13 % jährlich) erheblich unter der Spanne von Gasunie (20 %) gelegen habe. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist dieses Vorbringen jedoch mit zu vielen Imponderabilien (z. B. dem höheren Preis des von Distrigaz eingeführten norwegischen und algerischen Erdgases, der anders als in den Niederlanden fehlenden Gaserzeugung in Belgien) belastet, um irgendeinen Schluß bezüglich des Verhältnisses Exportpreis/Tarif F zu ermöglichen.

    38.

    Von Oktober 1984 bis Oktober 1986 gewährt Gasunie Distrigaz einen Nachlaß auf einen Anteil von 20 % ihrer gesamten Gasverkäufe, den sogenannten Defensivanteil (tranche défensive). Dieser Nachlaß wurde auf Empfehlung des Comité de Contrôle, der belgischen Preisbehörde, verwendet, um die Kosten der Einräumung eines dem Tarif F entsprechenden Tarifs für die belgischen Ammoniakhersteller zu decken. Die belgische Regierung führte anfangs aus, daß es keine formelle Verbindung zwischen dem Nachlaß auf den Defensivanteil, dem Tarif F und der Krise in der Ammoniakindustrie gebe; der Nachlaß auf den Defensivanteil sei im Hinblick auf eine hiervon unabhängige Drohung von Distrigaz gewährt worden, sich mit außergewöhnlich billigem Erdgas aus der damaligen Sowjetunion zu versorgen.

    39.

    Die Kommission und die niederländische Regierung wiesen darauf hin, daß der Defensivanteil ungefähr 7,5 % des belgischen Gasverbrauchs darstellte, was den von den belgischen Ammoniakherstellern in dem betreffenden Zeitraum verwendeten Gasmengen entspreche. Der Nachlaß auf den Defensivanteil sei daher ein Beweis für die Bemühungen von Gasunie gewesen, Distrigaz in die Lage zu versetzen, den Ammoniakherstellern in Belgien einen dem Tarif F entsprechenden Preis in Rechnung zu stellen. Eine formelle Verbindung zwischen dem Defensivanteil und dem den Ammoniakherstellern zu berechnenden Preis habe es in dem Liefervertrag nur deshalb nicht gegeben, weil Gasunie nicht befugt gewesen sei, die von ausländischen Vertriebsgesellschaften angewandten Vertriebsbedingungen vorzuschreiben.

    40.

    Die belgische Regierung räumte in ihrer späteren schriftlichen Äußerung stillschweigend und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ein, zwischen dem Defensivanteil und dem Gaspreis für Ammoniakhersteller habe eine Verbindung bestanden, auch wenn die Drohung eines Kaufs in der Sowjetunion eingesetzt worden sei, um die Verhandlungsposition von Distrigaz zu stärken. Belgien bringt jetzt allerdings vor, aus dem Standpunkt der Kommission folge implizit, daß Gasunie nur während der zweijährigen Anwendung des Defensivanteils versucht habe, Distrigaz in die Lage zu versetzen, mit dem Tarif F auf dem belgischen Markt verlustfrei Schritt zu halten. Solche Verluste habe aber Distrigaz in der Zeit nach Oktober 1986 erlitten, als es den belgischen Ammoniakherstellern weiterhin einen solchen gleichwertigen Preis angeboten habe.

    41.

    Dies bestreitet die Kommission. Sie verweist auf den variablen Charakter des Nachlasses bei Tarif F, der nach Maßgabe der Preisbewegungen bei Ammoniak im Verhältnis zum Gaspreis für industrielle Nutzer periodisch angepaßt worden sei. Der Nachlaß auf den Defensivanteil sei von Gasunie gewährt worden, als der Nachlaß bei Tarif F am höchsten gewesen sei (5 Cent/m3). Aus dem Vorbringen der Kommission folgt, daß im Exportpreis ein Gasendverkaufspreis für belgische Ammoniakhersteller einschließlich eines Nachlasses berücksichtigt war, der niedriger war als der höchstmögliche nach Tarif F in den Niederlanden. Als der Nachlaß nach Tarif F in den Niederlanden einen Höchststand erreichte, war es daher notwendig, den Distrigaz über den Exportpreis gewährten Nachlaß durch irgendeine Ausnahmemaßnahme zu ergänzen. Der Nachlaß auf den Defensivanteil kann als eine solche Ausnahmemaßnahme angesehen werden.

    42.

    Die Kommission verweist auf eine Tabelle, in der die Höhe des Nachlasses festgehalten ist, der niederländischen Ammoniakherstellern während der gesamten Laufzeit des Tarifs F gewährt wurde ( 37 ). Sie zeigt, daß der höchste Nachlaß von 5 Cent/m3 während des Zeitraums des Nachlasses auf den Defensivanteil (mit Ausnahme des letzten Vierteljahres) Anwendung fand, nicht aber später, als der Nachlaß von kurzen Zeiträumen abgesehen entweder 2 oder 2,5 Cent/m3 betrug. Sie zeigt ferner, daß der höchste Nachlaß nach Tarif F während des Zeitraums von etwa einem Jahr vor dem Zeitraum des Nachlasses auf den Defensivanteil angewendet wurde, was weniger hilfreich für den Standpunkt der Kommission ist. Angesichts der Umstände, unter denen der Tarif F (als Reaktion auf die Mißbilligung des früheren Preissystems durch die Kommission) festgelegt wurde, ist es vielleicht nicht überraschend, daß eine kleine Zeitverschiebung zwischen seiner Schaffung und seiner Ausdehnung auf die ausländischen Käufer von Gasunie festzustellen ist ( 38 ). Das Vorbringen der Kommission ist im übrigen überzeugend, sofern (wiederum) die getrennte Frage, wie der Exportpreis berechnet wurde, zu ihren Gunsten zu beantworten ist.

    43.

    Die Grandzüge des „Netback“-Systems der Errechnung des Exportpreises wurden bereits oben in einer Weise beschrieben, mit der alle Beteiligten einverstanden sind. Über seine Anwendung im einzelnen gehen indessen die Meinungen weit auseinander. Die belgische Regierung meint, daß die Käufer von Gas als Rohstoff (statt als Energieträger) nicht als selbständiger Marktsektor betrachtet worden seien. Sie seien daher einfach in den allgemeinen Industriemarkt einbezogen worden, bei dem der Gaspreis unter Bezugnahme auf schweres Heizöl und ohne Rücksicht auf den Preis konkurrierender Grundstoffe (im vorliegenden Fall Ammoniak) festgesetzt worden sei. Ferner sei der Industrieanteil des Exportgaspreises indexiert worden, um Bewegungen beim Preis für schweres Heizöl, nicht aber bei Ammoniakoder anderen Rohstoffpreisen, wiederzugeben. Das Vorbringen Belgiens, der Exportpreis sei der mengenberichtigte Mittelwert zweier Teilpreise gewesen, nämlich desjenigen für den Haushalts-/Gewerbe-Sektor (berechnet nach dem Heizölpreis) und desjenigen für den Industriesektor, stützt sich auf zwei Papiere, die seinen Schriftsätzen beigefügt waren ( 39 ). In beiden Papieren wird aber eingeräumt, daß das „Netback“-Preisbildungssystem vereinfacht wiedergegeben werde. Die belgische Regierung ergänzte in der mündlichen Verhandlung, Gasunie habe sich beharrlich geweigert, sich zu besonderen Zugeständnissen an die belgischen Ammoniakhersteller zu verpflichten, weil sie nur ein Teillieferant des belgischen Marktes gewesen sei und nicht das Gefühl gehabt habe, Kosten übernehmen zu sollen, die die norwegischen und algerischen Lieferanten von Distrigaz nicht übernommen hätten.

    44.

    Die Kommission bringt vor, daß die belgische Darstellung der Bildung des Exportpreises auf der Grundlage der Haushalts-/Gewerbe- und der Industriepreise unvollständig sei. Der Industriesektor habe eine Reihe von Untersektoren umfaßt, zu denen der Sektor der Ammoniakhersteller gehört habe. Die Kommission beruft sich zum Nachweis, daß „Düngemittel“ ein eigener Sektor des Industriesektors war, auf eine Tabelle, die vom niederländischen Wirtschaftsministerium stammt. Der Marktwert des Gases für den Düngemittel-Untersektor sei (weitgehend auf der Grundlage des Preises für schweres Heizöl) getrennt von den Preisen für die Untersektoren Papier, Maschinenbau, Chemie und andere festgesetzt worden ( 40 ). Gasunie habe bei der Verhandlung des Exportpreises auf den für die belgische Ammoniakindustrie bestimmten Teil ihrer Gasverkäufe einen dem Tarif F mehr oder weniger entsprechenden Preis angewandt.

    45.

    Der Gerichtshof hat an die belgische Regierung schriftlich die Frage gerichtet, ob die Tabelle der Kommission in der vorliegenden Rechtssache als Entscheidungsgrundlage dienen könne. Dies wurde von der belgischen Regierung verneint, die erneut vorbrachte, daß bei der Bildung des Exportpreises selbständige Industrie-Untersektoren nicht berücksichtigt worden seien. Sie brachte ferner u. a. vor, aus der Tabelle gehe nicht hervor, daß der Gaspreis für den angeblich eigenständigen Düngemittel-Untersektor durch den Preis sowohl von Ammoniak als auch von schwerem Heizöl beeinflußt worden sei; der Begriff „Düngemittel“ sei mehrdeutig, da die Hersteller bestimmter anderer (nicht Stickstoff-) Düngemittel Gas als Energiequelle und nicht als Grundstoff verwenden könnten; die Tabelle sei nur ein theoretisches Modell, das aber den wirklichen Verhandlungsvorgang nicht widerspiegele; selbst wenn sie zuträfe, sei keine Indexierung der Gaspreise des Düngemittel-Untersektors nach Maßgabe von Ammoniakpreisbewegungen nach Aushandlung des Exportpreises vorgesehen worden. Dies sind allesamt, für sich betrachtet, richtige Hinweise.

    46.

    Es bedarf zunächst der Feststellung, ob die Tabelle der Kommission eine richtige (wenn auch zugegebenermaßen theoretische) Wiedergabe der Bildung des Exportpreises ist. In dieser Hinsicht besteht ein offenbarer Widerspruch zwischen dem Vorbringen der belgischen Regierung und dem der Kommission, das die niederländische Regierung unterstützt. Beide Seiten hatten reichlich Gelegenheit — die schriftliche Frage des Gerichtshofes hat sie noch erweitert — ihre gegensätzlichen Behauptungen zu belegen. Die von Belgien vorgelegten schriftlichen Beweisstücke, die wie vorgetragen der Form nach vereinfacht sind, widersprechen der Tabelle der Kommission nicht unmittelbar, die eine eingehendere Darstellung der Sektorpreisbildung im Verfahren der Exportpreisbildung sein soll. Ungeachtet der Darlegungen der belgischen Regierung komme ich zu dem Ergebnis, daß sie ihr Vorbringen in dieser Hinsicht nicht bewiesen hat und daß die Tabelle, soweit sie reicht, eine genaue Wiedergabe des „Netback“-Preisbildungssystems darstellt.

    47.

    Ich muß mich allerdings auch mit dem übrigen Vorbringen Belgiens gegen die Heranziehung der Tabelle zur Stützung des Ergebnisses der Kommission befassen, daß Distrigaz in die Lage versetzt worden sei, den belgischen Ammoniakherstellern einen dem niederländischen Tarif F mehr oder weniger gleichwertigen Preis einzuräumen. Es ist unerheblich, daß die Tabelle das Preisbildungsverfahren nur teilweise wiedergibt und nicht genau darstellen kann, wie die einzelnen Teilpreise in der Praxis ausgehandelt wurden, wenn sie gleichwohl die formale Grundlage umreißt (was Belgien nicht widerlegen konnte), auf der die Verhandlungen stattfanden und an der weitgehend festgehalten wurde. Die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Düngemittel“ sollte uns nicht davon abbringen, uns im vorliegenden Fall auf die Tabelle zu stützen, da es keine Beweise dafür gibt, daß Hersteller anderer als Stickstoffdüngemittel in diesen Sektor einbezogen oder bedeutende Erdgasnutzer waren ( 41 ). Ich halte es auch nicht für entscheidend, daß die Tabelle den Einfluß des Ammoniakpreises auf den Preis des Gases für den Düngemitteluntersektor nicht ausdrücklich angibt. Wichtig ist nur, daß beim Gaspreis für die einzelnen Untersektoren angegeben wird, er sei (vorbehaltlich der allgemeinen Auswirkung des Preises für schweres Heizöl) unter Bezugnahme auf den „Marktwert je Untersektor“ berechnet. Belgien hat in seinem Vorbringen eingeräumt, daß den belgischen Ammoniakherstellern während des relevanten Zeitraums von Distrigaz meist ein dem Tarif F ähnlicher Nachlaß eingeräumt wurde.

    48.

    Es bleibt die schwierige Frage der Indexierung. Die belgische Regierung weist wohl zu Recht darauf hin, daß bei der Bildung des Exportpreises eine Indexierung des sich auf den Düngemittel-Untersektor beziehenden Teils des Exportpreises nach Maßgabe der Bewegung der Ammoniakpreise im Verhältnis zu den Industriegaspreisen formell nicht vorgesehen wurde ( 42 ). Das überrascht nicht, da der Preis für schweres Heizöl (nach dessen Maßgabe die Preise im Industriesektor indexiert waren) den erheblichsten Einfluß auf die Gaspreise im Industriesektor enthielt. Der Nachlaß nach Tarif F und jedes in den Exportpreis für den Untersektor Ammoniakherstellung eingebaute Äquivalent war lediglich ein Mittel zur Abschwächung der Auswirkung eines in erster Linie energieorientierten Preissystems auf die Hersteller, die Gas als Rohstoff verwendeten. Die Kommission befaßt sich mit dem Problem der Indexierung nicht unmittelbar. Ihr Standpunkt läßt sich mittelbar ihrem Standpunkt zum Defensivanteil entnehmen. Sie vertritt die Auffassung, daß zwischen der Gewährung und der Rücknahme des Nachlasses auf den Defensivanteil einerseits und der Gewährung höherer oder niedrigerer Nachlässe nach Tarif F in den Niederlanden eine Parallele bestanden habe. Wie ich bereits ausgeführt habe, läßt sich dem Vorbringen der Kommission mittelbar entnehmen, daß im Exportpreis ein Gasendverkaufspreis für belgische Ammoniakhersteller einschließlich eines Nachlasses berücksichtigt war, der niedriger war als der höchstmögliche Nachlaß nach Tarif F in den Niederlanden.

    49.

    Das Vorbringen der Kommission zum Defensivanteil habe ich bereits — vorbehaltlich meiner Schlußfolgerung in der wichtigeren Frage der Errechnung des Exportpreises — als im wesentlichen zutreffend gebilligt. Angesichts des Fehlens eines unmittelbaren Gegenbeweises seitens der belgischen Regierung und im Lichte meiner Auffassung, daß die Ammoniakpreise den endgültigen Marktwert des Gases für belgische Ammoniakhersteller beeinflußten, kann ich somit die notwendige Implikation — und Bedingung — des Vorbringens der Kommission billigen, daß nämlich der Exportpreis einen Nachlaß für diese Herstellung enthielt, der, wie die Umstände entschieden nahelegen, niedriger war als der höchstmögliche nach Tarif F. Da dem so ist, komme ich zu dem Ergebnis, daß die Wirkung einer Indexierung des Ammoniakherstellungsanteils des Exportpreises nach Maßgabe der Preisbewegung von Ammoniak im Verhältnis zum Industriegaspreis nicht durch eine förmliche Indexierungsregelung, sondern durch eine gelegentliche Sondermaßnahme, d. h. durch den Nachlaß auf den Defensivanteil, erreicht wurde.

    50.

    Es ist zwar richtig, daß Distrigaz Druck auf Gasunie ausüben mußte, um den Nachlaß auf den Defensivanteil zu erlangen. Es wäre indessen vor dem Hintergrund geschäftlicher Verhandlungen unklug, von Gasunie zu erwarten, daß sie, selbst um die belgische Ammoniakindustrie als wichtige Gasabsatzmöglichkeit zu behalten, Distrigaz spontan und freiwillig weitere Nachlässe einräumte. Das ergibt sich aus der mittelbaren Weise, in der niederländisches Erdgas Verbraucher außerhalb der Niederlande erreicht. Die Existenz eines Zwischenhändlers konnte Gasunie Anlaß geben, Versuche zu unternehmen, Distrigaz einen Teil der Kosten eines Nachlasses (in Form geringerer Erträge) tragen zu lassen, den beide Unternehmen als notwendig ansahen. Distrigaz versuchte naturgemäß, diesem Vorhaben von Gasunie Widerstand entgegenzusetzen. Distrigaz war in dieser Hinsicht, wie sie selbst in ihrem Jahresbericht 1984 feststellt, durch die Eroberung des Defensivanteils weitgehend erfolgreich ( 43 ). In gleicher Weise kann die Geschäftsbeziehung von Gasunie zu Distrigaz — und nur indirekt die zu den belgischen Ammoniakherstellern — die Erklärung dafür liefern, daß Distrigaz nicht automatisch — geringere — Nachlässe auf den Defensivanteil zugestanden wurden, die den weniger bedeutsamen Schwankungen in der Höhe des Nachlasses entsprachen, den Gasunie der niederländischen Ammoniakindustrie, mit der sie in unmittelbaren Vertragsbeziehungen stand, von 1987 bis 1991 gewährte. Das ändert nichts daran, daß Distrigaz durch den Nachlaß auf allen Stufen des Exportpreises in die Lage versetzt wurde, den belgischen Ammoniakherstellern auch während dieses Zeitraums einen Gaspreis zu bieten, der in etwa dem für die Ammoniakindustrie in den Niederlanden geltenden entsprach.

    ii) Der nicht-öffentliche und der Leitpreischarakter des Tarifs F

    51.

    Die belgische Regierung widerspricht der Feststellung der Kommission, daß der Tarif F öffentlich und zum Leitpreis auf den Gasmärkten der Gemeinschaft geworden sei. Der Tarif F sei, obwohl er nicht vertraulich gewesen sei, nicht wie die anderen Tarife von Gasunie veröffentlicht worden. Die Kommission beruft sich m. E. zu Recht auf die Feststellung des Gerichtshofes in seinem Urteil in der Rechtssache CdF Chimie, daß „der Tarif F ... ein öffentlicher Tarif ist, dessen Anwendungsvoraussetzungen ... allgemein bekannt und völlig klar sind“ ( 44 ). Das Vorbringen der belgischen Regierung sollte daher zurückgewiesen werden.

    52.

    Belgien brachte in einem späteren Abschnitt des schriftlichen Verfahrens vor, daß der Gaspreis für niederländische Ammoniakhersteller dadurch weiter verzerrt worden sei, daß ihnen die Umweltsteuer (milieuheffing), die in allen niederländischen Gastarifen enthalten sei, zum Großteil erstattet worden sei. Andererseits habe der Exportpreis die Umweltsteuer eingeschlossen, so daß dieser auf alle niederländischen Gasexporte nach Belgien einschließlich der für die belgische Ammoniakindustrie bestimmten erhoben worden sei. Belgien führte weiter einen Zuschlag von 5 BFR je Gigajoule an, den die belgischen Ammoniakhersteller hätten zahlen müssen (an wen, wurde nicht gesagt). Es ist nicht klar, weshalb diese Dinge in diesem Verfahrensabschnitt vorgebracht wurden.

    53.

    Meines Erachtens macht die Kommission zutreffend geltend, daß Belgien hier entgegen Artikel 42 § 2 der Verfahrens Ordnung des Gerichtshofes ein neues Angriffsmittel eingeführt hat ( 45 ). Diese Vorschrift lautet:

    „Im übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.“

    Der von der belgischen Regierung erwähnte Zuschlag sowie die Art und Weise der Erhebung der Umweltsteuer können den letztlich von den niederländischen bzw. von den belgischen Ammoniakherstellern gezahlten Gaspreis durchaus beeinflussen. Das reicht nicht aus, um ihre Einführung in späteren Phasen (oder in jeder Phase) des Verfahrens zur rechtlichen Überprüfung der Entscheidung der Kommission, daß der Tarif F keine staatliche Beihilfe darstellte, zu rechtfertigen. Bezüglich der Umweltsteuer findet sich im ursprünglichen Vorbringen Belgiens kein Hinweis, daß die kombinierte Wirkung des Tarifs F und einer anderen selbständigen Ermäßigung steuerlicher Art geeignet sei, das Ergebnis der Kommission zu entkräften, daß der erstgenannte (im Gegensatz zur letztgenannten) keine verbotene staatliche Beihilfe sei, oder einen tatsächlichen Fehler der Kommission bei ihrer Feststellung zu belegen, daß Distrigaz in der Lage gewesen sei, den belgischen Ammoniakherstellern einen dem Tarif F mehr oder weniger entsprechenden Preis zu berechnen. Außerdem ist klar, daß die milieuheffing seit 1988 erstattet wurde und keine Tatsache darstellt, die erst während des Verfahrens zutage getreten ist. Gleiches kann von dem Zuschlag gesagt werden, zu dem Belgien fast keine Angaben gemacht hat.

    54.

    Sollte der Gerichtshof das Vorbringen der belgischen Regierung über die Erstattung der Umweltsteuer inhaltlich überprüfen, so müßten ähnliche Erwägungen gelten. Die Kommission macht geltend, daß diese Ermäßigung vom Tarif F unabhängig sei und in einem eigenen Verfahren untersucht werden könne. Selbst wenn die Bemühungen von Gasunie, die belgische Ammoniakindustrie in die Lage zu versetzen, Gas zu einem ähnlichen Satz zu kaufen, wie er für die Industrie in den Niederlanden angewandt wurde, durch die niederländische Steuerpolitik untergraben oder vereitelt worden wären, würde dies nicht den Tarif F oder den Exportpreis von Gasunie, sondern die betreffende steuerliche Maßnahme in schlechtem Licht erscheinen lassen. Das zufällige Zusammentreffen von Tarif F und der Erstattung der Umweltsteuer, die beide den von den Ammoniakherstellern für Gas gezahlten Preis beeinflussen, ist kein rechtlich erheblicher Umstand. Es waren immer unterschiedliche Maßnahmen. Die Kommission beging daher keinen Fehler, als sie die Erstattung der Umweltsteuer nicht in ihre Erwägungen einbezog.

    55.

    Das letzte Vorbringen Belgiens zu diesem Punkt geht dahin, daß Gasunie, indem sie ihre Tarife festsetzte und damit Leitpreise für den nordwestlichen europäischen Gasmarkt schuf, nicht die Schwierigkeiten berücksichtigt habe, die den anderen Gasvertriebsunternehmen durch diese Tarife entstanden seien. Dies ist im wesentlichen eine Wiederholung der einzelnen Rügen bezüglich des Exportpreises; ich darf daher auf meine diesbezüglichen Ausführungen Bezug nehmen, um dieses Vorbringen zurückzuweisen. Man sieht nicht recht, wie auf objektiver Grundlage ein Urteil gefällt werden könnte, daß beim Aushandeln des Exportpreises die eine oder die andere Partei einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt hätte. Tatsache ist, daß Distrigaz Gelegenheit hatte, im Laufe der Verhandlungen seinen Standpunkt vorzubringen, und, wie wir sahen, fähig war, erhebliche Konzessionen durchzusetzen.

    iii) Die Gewinnspanne von Gasunie

    56.

    Dieser Punkt ist Anlaß für weitere Kritik an der Art und Weise, in der die Kommission die Begründung der angefochtenen Entscheidung abgefaßt hat. Die Kommission stellt in Absatz 16 der Entscheidung fest: „Während der gesamten Geltungsdauer des Tarifs F hat die Gasunie stets Gewinne verzeichnet.“ Die belgische Regierung hält dies für unerheblich, weil der Gewinn von Gasunie vertraglich auf 80 Millionen HFL jährlich festgelegt sei. Gasunie beziehe ihr Gas von NAM (Nederlandse Aardolie Maatschappij), einem Konsortium im gemeinsamen Eigentum von Shell und Esso ( 46 ). NAM beute die niederländischen Erdgasfelder für die Groninger Gesellschaft (de Maatschap Groningen) aus, an der NAM und der niederländische Staat mit 60 % bzw. 40 % beteiligt seien. Der niederländische Staat erhalte letztlich etwa 80 % der Gewinne aus Gasverkäufen. Gasunie zahle NAM für das Gas einen Satz, der durch den Endverkaufspreis auf den verschiedenen Märkten abzüglich der Transport- und sonstigen Kosten von Gasunie und des festgelegten Jahresgewinns von Gasunie bestimmt werde. Gasunie ist nach Darstellung der belgischen Regierung nur ein Kostenzentrum (centre de coût) oder ein Glied in einer Kette; diese Gestaltung könne nicht (wie von der Kommission im Verfahren vorgetragen) als ein „Netback“-System beschrieben werden, weil der Käufer (Gasunie) kein Risiko trage. Da ihre Kosten und der vereinbarte Gewinn unabhängig von dem ihren Kunden berechneten Preis gesichert seien, belege der ständige Gewinn von Gasunie nicht, daß ihre Preise unternehmerisch gerechtfertigt seien.

    57.

    Die Kommission und die niederländische Regierung widersprechen dem Vorbringen Belgiens, daß das Verhältnis von NAM und Gasunie kein „Netback“-System darstelle. Diese semantische Auseinandersetzung interessiert uns aber als solche nicht. Von größerer Bedeutung ist der Vortrag der Kommission, daß der festgelegte Jahresgewinn von Gasunie in Höhe von 80 Millionen HFL nur den Höchstbetrag dessen darstelle, was Gasunie behalten dürfe, weil jeder überschießende Betrag an NAM gehe. Ihr effektiver Gewinn sei nämlich während der Laufzeit des Tarifs F viel höher gewesen, und auf diesen habe sie sich in ihrer Entscheidung bezogen. Wie man sehen könne, sei der effektive Gewinn nämlich (nach Abzug des Höchstbetrags von 80 Millionen HFL für Gasunie) der Gewinn der Groninger Gesellschaft.

    58.

    Angesichts der Bedeutung des möglichen Unterschieds zwischen vereinbarten und effektiven Gewinnen muß ich sagen, daß die Feststellung der Kommission in der Entscheidung über den Gewinn von Gasunie unbefriedigend undurchsichtig ist. Allerdings ist das nicht entscheidend (sie ist nicht so undurchsichtig, daß es dem Fehlen einer ausreichenden Begründung der Entscheidung gleichzusetzen wäre). Wer am Gegenstand der Entscheidung interessiert ist, merkt aber an diesem Punkt der Begründung der Kommission doch auf ( 47 ).

    59.

    Man mag aus grundsätzlichen Erwägungen (auch wenn Belgien dies nicht tut) den Beweiswert der Feststellung in Zweifel ziehen, daß effektive Gewinne während der gesamten Laufzeit des Tarifs F erzielt worden seien. Dies läßt die Frage unbeantwortet, ob auf weitere Gewinne verzichtet wurde ( 48 ) es läßt auch die Möglichkeit außer acht, daß Tarif F ein unternehmerisch gerechtfertigtes Mittel gewesen sein könnte, sich langfristig Kunden zu sichern (die dann zu gegebener Zeit wieder gewinnträchtige Verkäufe ermöglicht hätten), selbst wenn während dieses Zeitraums Verluste gemacht worden wären. Wichtig ist aber die Höhe des Gewinns (oder Verlusts) von Gasunie im Vergleich zu dem, was ein unternehmerisch unter den Bedingungen des betreffenden Marktes arbeitendes Unternehmen, das langfristig Aussichten in diesem Markt entwickelt oder zu bewahren sucht, voraussichtlich an Gewinn erzielen (oder an Verlust erleiden) würde.

    iv) Die Kosten von Gasunie

    60.

    Die Kommission stellt in Absatz 17 der Entscheidung fest, daß im Falle der Gasunie die fixen und variablen Kosten deutlich unter dem Tarif F gelegen hätten und das Unternehmen daher in der Lage gewesen sei, seine Nettoeinkünfte zu steigern, indem es das Gas zum F-Tarif verkauft habe und so einen bedeutenden Kundenstamm an sich habe binden können, den es sonst unter Umständen verloren hätte. Die belgische Regierung weist darauf hin, daß Gasunie in ihren Jahresberichten 1990 und 1991 ihren durchschnittlichen Gasverkaufspreis mit einem Betrag angegeben habe, der um etwa 5 Cent/m3 über dem Tarif F gelegen habe.

    61.

    Dieses Vorbringen ist die Kehrseite des voraufgegangenen Vorbringens Belgiens bezüglich der Verluste von Distrigaz. Es stützt sich wiederum auf durchschnittliche Gesamtkosten für Gas als Maßstab für Gewinne oder Verluste aus Verkäufen auf einem besonderen Markt zu einem besonderen Preis. In einem „Netback“-System sollen, wie ich bereits ausgeführt habe, Verluste in bestimmten Sektoren (gemessen an den durchschnittlichen Gaskosten) durch Gewinne in anderen wettgemacht werden. Jede Feststellung, ob in einem besonderen Markt Verluste entstehen, sollte unter Heranziehung der Kosten des für diesen Markt bestimmten Gases nebst einem Ansatz für Management sowie für Infrastruktur- und andere Kosten getroffen werden. Die Wirkungsweise des „Netback“-Systems stellte sicher, daß Gasunie an NAM nicht mehr für das an die niederländischen Ammoniakhersteller zu liefernde Gas bezahlte, als es selbst nach Tarif F — und nach Abzug ihrer Gemeinkosten und ihres Gewinns — von diesen Herstellern erhielt. Das Vorbringen Belgiens ist daher zurückzuweisen.

    v) Die Ausfuhrmärkte von Gasunie

    62.

    Die Kommission erklärt, Gasunie habe sich ihren Kundenstamm teilweise deshalb bei den Ammoniakherstellern sichern müssen, weil sie im Jahr 1982 einen erheblichen Anteil am französischen Markt verloren habe ( 49 ). Der belgischen Regierung zufolge war dies das Ergebnis der eigenen Politik von Gasunie, da die Niederlande in den siebziger Jahren beschlossen hätten, nach der ersten Ölkrise 1973/74 weniger Gas auszuführen. Die Kommission und die niederländische Regierung entgegnen, diese Entscheidung sei zehn Jahre vor der Einführung des Tarifs F getroffen worden, habe lediglich Erhöhungen der niederländischen Gasausfuhren begrenzt und nicht in Verbindung mit dem Rückgang des französischen Marktanteils gestanden, der wohl eher auf den Trend zur Diversifizierung der Gaslieferquellen zurückzuführen gewesen sei. Auch ich bin der Meinung, daß die belgische Regierung keine erhebliche Verbindung zwischen dem Verlust französischer Märkte und Tarif F einerseits und der voraufgegangenen Ausfuhrbeschränkung von Gasunie andererseits hat aufzeigen können ( 50 ).

    vi) Die belgischen Ammoniakeinfuhren

    63.

    Die Kommission stellt in Absatz 21 der Entscheidung fest, daß ein Hersteller von Stickstoffdünger die Wahl hat, Ammoniak (den Hauptgrundstoff dieser Düngemittel) entweder selbst herzustellen oder aber von anderen Herstellern zu beziehen. „Ist das bei der Ammoniaksynthese verwendete Gas zu teuer, wird er voraussichtlich — sofern er die Möglichkeit dazu hat — das Ammoniak von anderen Herstellern zu einem im Vergleich zur Eigenproduktion niedrigeren Selbstkostenpreis beziehen (wie dies z. B. im Jahre 1983 in Belgien der Fall war).“ Dies wird als die allgemeine Lage der Ammoniakindustrie der achtziger Jahre in der Gemeinschaft bezeichnet.

    64.

    Die belgische Regierung bringt vor, daß die belgischen Stickstoffdüngererzeuger Jahr für Jahr Ammoniak einführten, um die Lücke zwischen einheimischer Herstellung und Verbrauch zu schließen. Die Kommission hat indessen für die belgischen Ammoniakeinfuhren von 1980 bis 1991 Zahlen vorgelegt, die zeigen, daß der Anteil der durch Einfuhren gedeckten belgischen Ammoniaknachfrage von 38 % im Jahre 1980 auf 51 % im Jahre 1983 und in den frühen neunziger Jahren auf über 70 % gestiegen ist ( 51 ). Das belegt einen erheblichen Wandel der Praxis der Ammoniakherstellung in der belgischen Stickstoffdüngerindustrie. Die Krise der europäischen Ammoniakindustrie, auf die Tarif F eine Antwort sein sollte, wird durch diese Zahlen belegt, die, obwohl Distrigaz während dieses Zeitraums zumeist einen dem niederländischen Tarif F vergleichbaren Tarif anwandte, einen massiven Rückgang bei der belgischen Ammoniakherstellung zeigen. Möglicherweise wäre dieser Rückgang ohne ein solches Zugeständnis noch rascher erfolgt.

    vii) Vergleichbarkeit der Märkte

    65.

    Die Kommission verweist in Absatz 22 der Entscheidung darauf, daß „die Preise [für Gaslieferungen an Ammoniakhersteller] in den Vereinigten Staaten, in Venezuela, in Trinidad und Tobago sowie im Nahen Osten zwischen 1981 und 1991 stets deutlich unter den in den Niederlanden geltenden Tarifen lagen“. Die belgische Regierung macht geltend, diese Märkte seien mit dem niederländischen nicht zu vergleichen: Während die niedrigen Gaspreise in den von der Kommission angeführten Ländern dem wirklichen Wert des Gases auf den entsprechenden Märkten entsprächen, sei der Tarif F niedriger als der Wert des Gases auf dem europäischen Markt gewesen. Es wurden Beweise vorgelegt, daß der Tarif F beständig unter dem Gaspreis für industrielle Nutzer auf den Märkten verschiedener Mitgliedstaaten gelegen habe.

    66.

    Die Kommission legt mit Unterstützung der niederländischen Regierung dar, sie habe nicht versucht, die einzelnen nichteuropäischen Märkte mit dem der Gemeinschaft zu vergleichen, sondern habe zeigen wollen, daß die Ammoniakhersteller dieser Länder zu einem scharfen Wettbewerb mit den niederländischen und anderen Gemeinschaftsherstellern in der Lage gewesen seien. Unabhängig von der Art der Gaspreisbildung in den betreffenden Ländern außerhalb der Gemeinschaft untergräbt das belgische Vorbringen nicht das Ergebnis der Kommission, daß die Marktbedingungen ein besonderes Preisangebot an die niederländischen Ammoniakhersteller erforderlich machten; dieser Preis kann, so niedrig er auch sein mag, nicht als künstlich angesehen werden, soweit er eine Antwort auf diese Marktbedingungen war.

    67.

    Die belgische Regierung bringt weiter vor, Ammoniakhersteller hätten als Grundstoff keine verfügbare Alternative zu Erdgas und unterschieden sich insoweit von Unternehmen, die Gas hauptsächlich als Energiequelle benutzten. Bei Unterbrechungen in der Belieferung begegneten ihnen daher größere technische und unternehmerische Schwierigkeiten, so daß Gas für sie einen höheren inneren Wert als für andere Industriesektoren haben müsse. Preisnachlässe für einen Sektor, der so ausschließlich von Erdgas abhängig sei, seien daher ungerechtfertigt gewesen. Das belgische Vorbringen zum inneren Wert gründet sich in Wahrheit darauf, daß es den Ammoniakherstellern unmöglich war, Gasunie zugunsten eines anderen Grundstofflieferanten aufzugeben. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Die Stickstoffdüngererzeugung in den Niederlanden ist nicht so abhängig von Erdgaslieferungen durch Gasunie wie die Ammoniakerzeugung. In dieser Sache geht es häufig um die Möglichkeit der niederländischen Stickstoffdüngererzeuger, unter dem Druck der billigeren Einfuhr Ammoniaks ihre eigene Ammoniakherstellung aufzugeben. Ist eine solche Entscheidung unternehmerisch machbar oder notwendig, läßt sich nicht sagen, daß Gas für Ammoniakhersteller einen höheren inneren Wert habe als für andere Industriesektoren; Gas ist für den Ammoniaksektor ohne jeden Wert, falls es nicht bei der Herstellung von Ammoniak, das im Wettbewerb mit anderen Quellen steht, verwendet werden kann. Die Preisbildung (die in einem Markt den Wert zuweist) wird eher von der effektiven Nachfrage als von einem bedarfsbezogenen Gedanken eines „inneren“ Wertes bestimmt. Effektive Nachfrage findet ihren Ausdruck in der Fähigkeit und Bereitschaft, für Einkäufe zu bezahlen. Es ist unerheblich, daß der Grundstoffbedarf der Ammoniakindustrie nur durch Erdgas, der Energiebedarf anderer Sektoren hingegen in vielfältiger Weise gedeckt werden kann, wenn es sich die Unternehmen in anderen Sektoren leisten können, Gas zu dem geltenden Industrietarif zu kaufen, während die Wettbewerbsfähigkeit von Ammoniakherstellern ernsthaft in Frage gestellt ist, wenn sie dies tun müssen. Wenn die Feststellung der Kommission, daß dies tatsächlich der Fall war, ansonsten standhält, ist dieses belgische Vorbringen daher zurückzuweisen.

    viii) Alternative Ausfuhrmöglichkeiten

    68.

    Die Kommission stellt in Absatz 24 der Entscheidung fest, daß im Vergleich mit der Beibehaltung bestehender Verkäufe an niederländische Ammoniakhersteller ohne neuerliche Verkaufsanstrengung „[d]ie für den Export — vor allem nach Belgien, Deutschland und Frankreich — bestimmten Lieferungen sowohl vom Preis als auch von der Notwendigkeit zu Neuinvestionen her weniger bedeutend [waren]“. Die belgische Regierung legt dar, daß die Exportpreise während des relevanten Zeitraums höher gewesen seien als Tarif F und daß die bestehende Infrastruktur weitere Exporte ohne neue Investitionen ermöglicht hätte. Darüber hinaus habe im Ausland eine so ausreichende Gasnachfrage bestanden, daß eine der schrittweisen Abnahme der Verkäufe an niederländische Ammoniakhersteller entsprechende Neuorientierung zur Ausfuhr hin gerechtfertigt gewesen wäre. Alternativ hätten die Niederlande die Erzeugung beschränken können, um das Leben ihrer Erdgasfelder zu verlängern.

    69.

    Sieht man von den bedeutenden Investitionen der Industrie in den Niederlanden ab, so sind unmittelbare Beweise dafür, daß der Rückgang der Nachfrage der niederländischen Ammoniakhersteller schrittweise (wie Belgien behauptet) und nicht plötzlich (wie die Kommission annimmt) erfolgt wäre, nicht vorgelegt worden. Die Kommission weist auf die Schließung zahlreicher Ammoniakfabriken in der Gemeinschaft in den Jahren 1992/93 hin, als erhebliche Ammoniakmengen aus dem früheren Ostblock eingeführt worden seien. Ferner läßt sich auf die bewiesene Feststellung des raschen Niedergangs der belgischen Ammoniakindustrie in den achtziger Jahren zurückgreifen, der ohne einen ermäßigten Tarif zweifellos noch dramatischer gewesen wäre. Die Größe und geringe Zahl der Ammoniak herstellenden Unternehmen in den Niederlanden legt es ebenfalls nahe, daß jeder Niedergang, der zu Geschäftsausfällen oder zur Aufgabe dieser Stufe ihrer Produktion seitens der Stickstoffdüngererzeuger geführt hätte, sich unmittelbar erheblich auf das Absatzvolumen von Gasunie ausgewirkt hätte.

    70.

    Die Kommission und die niederländische Regierung räumen ein, daß der Exportpreis aus bereits erörterten Gründen höher lag als der Tarif F. Daraus ergebe sich nicht, daß weitere erhebliche Gasmengen zu diesem Preis hätten ausgeführt werden können. In einem „Netback“-System sei der von Gasunie zu erzielende Preis von dem Sektormarkt, für den das Gas gekauft worden wäre, und von dem Gaspreis für diesen Markt abhängig gewesen. Das wäre unabhängig davon, wie dies durch einen angepaßten Exportpreis maskiert worden wäre, der von Gasunie für das zusätzlich verkaufte Gas effektiv erzielte Preis abzüglich der Transportkosten und der Gewinne der Vertriebsunternehmen gewesen.

    71.

    Sie führen weiter aus, daß Gasausfuhrverträge langfristig geschlossen würden, um einer im voraus geschätzten Nachfrage gerecht zu werden ( 52 ), so daß es sehr schwierig gewesen wäre, kurzfristig Lieferungen in ein anderes Land erheblich zu erhöhen. Kurz-bis mittelfristig sei der Ausfuhrmarkt gesättigt gewesen, und Ausfuhrumsätze für Märkte, in denen der langfristige Bedarf bereits gedeckt gewesen sei, hätten nur auf der Grundlage sehr niedriger Preise gesteigert werden können; die niederländische Regierung führt aus, daß die nächstliegenden Märkte wie der für die Stromerzeugung am wenigsten ertragreich gewesen wären. Die Kommission wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, daß die Gasverkäufe von Gasunie an die niederländischen Ammoniakhersteller mengenmäßig etwa dem gesamten nach Belgien verkauften Gas entsprochen hätten, das sich nach Darstellung der niederländischen Regierung bereits einem Überangebot von algerischem Gas gegenüber gesehen habe. Erhöhte Ausfuhren hätten außerdem zu technischen Problemen im Zusammenhang mit Gasqualität, -druck u. ä. geführt. Was die Möglichkeit der Produktionsbeschränkung betreffe, so hätte diese zu einem Rückgang der Erträge und damit zu einer weniger raschen Abschreibung der Investitionen von Gasunie geführt. Das vom Gerichtshof in der Rechtssache CdF Chemie eingeholte Sachverständigengutachten habe dazu erläutert, daß es zwar vernünftig sei, einer zu raschen Ausbeutung einheimischer Erdgasressourcen vorzubeugen, daß aber auch das Risiko des Verlustes gegenwärtiger und möglicher zukünftiger Kunden bedacht werden müsse.

    72.

    Die Darlegungen der Kommission und der niederländischen Regierung haben mich überzeugt, daß die Kommission Grund zu der Annahme hatte, Gasunie habe wenig praktische Alternativen zum Schutz ihrer Verkäufe an die niederländischen Ammoniakhersteller mit Hilfe des Nachlasses nach Tarif F gehabt; das Vorbringen Belgien ist daher zurückzuweisen.

    ix) Die unternehmerische Rechtfertigung des Tarifs F

    73.

    Dies ist in Wahrheit die Hauptgrundlage für die Entscheidung der Kommission.

    74.

    Das vom Gerichtshof in der Rechtssache CdF Chemie eingeholte Sachverständigengutachten zu Tarif F stellte fest, daß dieser trotz seiner möglichen wirtschaftlichen und unternehmerischen Vorteile für Gasunie „ebenso gut aus politischen Gründen beschlossen sein kann, um eine besondere chemische Erzeugung in den Niederlanden aufrechtzuerhalten. Das kann allerdings vom unternehmerischen Standpunkt aus durchaus im unternehmerischen Interesse von Gasunie gelegen haben“ ( 53 ). Die Sachverständigen legten ebenfalls dar, daß es zwar für Gasunie vorteilhaft gewesen sein könne, bestimmte Sektorpreise herabzusetzen, um Marktanteile und Erträge zu sichern, daß sie indessen nicht hätten feststellen können, „ob das — für Gasunie vorteilhafte — Preisniveau hätte höher sein können und ob Gasunie — anders als die Regierung der Niederlande — dies gewünscht habe“ ( 54 ).

    75.

    Die belgische Regierung stellt das Ergebnis der Kommission, der Tarif F sei unternehmerisch gerechtfertigt gewesen, ganz allgemein in Frage. Tarif F sei aus politischen Gründen angewandt worden, um der niederländischen Ammoniakindustrie einen Vorteil zu verschaffen. Dieses Vorbringen, das die eben zitierten Bemerkungen des Sachverständigengutachtens beleuchten, läßt sich in zweierlei Weise verstehen.

    76.

    Die erste Verständnismöglichkeit geht dahin, daß politische Motive oder Vorteile Entscheidungen innerhalb von Unternehmen des öffentlichen Sektors ohne weiteres rechtswidrig machen, selbst wenn solche Entscheidungen aus unternehmerischen Gründen durchaus gerechtfertigt werden können. Ein solches Argument wird im späteren Vorbringen Belgiens ausdrücklich angeführt ( 55 ). Sollte dies hier vorgebracht und gebilligt werden, könnte das erste Zitat aus dem Sachverständigenbericht den Tarif F und damit die Entscheidung der Kommission zu Fall bringen.

    77.

    Die zweite Verständnismöglichkeit geht dahin, daß zwar einige Tarifnachlässe vielleicht gerechtfertigt gewesen seien und daß dadurch Gasunie einige Vorteile erlangt haben könnte, daß aber Tarif F zu großzügig gewesen und daher auf Erträge verzichtet worden sei. In dem Urteil Van der Kooy ( 56 ) billigte der Gerichtshof den Begriff der wettbewerbsbedingten Tarifnachlässe von Gasunie (in diesem Falle für die niederländische Gartenbauindustrie), wies aber auf die Notwendigkeit der Feststellung hin, ob ein solcher Wettbewerb wirklich vorliege, d. h. nämlich, daß die Nachlässe unter den Bedingungen des betreffenden Marktes nicht höher als notwendig sein dürften, „wobei nicht nur das jeweilige Preisniveau, sondern auch die Kosten der Umstellung ... zu berücksichtigen [sind] ...“.

    78.

    Die erste Verständnismöglichkeit ist nicht haltbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes gelten für die Feststellung einer staatlichen Beihilfe objektive Kriterien. Steht fest, daß eine Investition, eine Preisentscheidung oder andere Initiativen unternehmerisch gerechtfertigt sind ( 57 ), so ist es unerheblich, daß die Initiative auch politischen Zwecken dient. In dem Urteil Deufil/Kommission entschied der Gerichtshof, daß Artikel 92 EWG-Vertrag „... nicht nach den Gründen oder Zielen solcher Maßnahmen [unterscheidet], sondern diese nach ihren Wirkungen [beschreibt]“ ( 58 ). Offensichtlich politische Motive können eine besondere Untersuchung der für eine besondere beihilfenähnliche Maßnahme angeführten unternehmerischen Gründe veranlassen; im vorliegenden Fall gibt es jedoch keinen Beweis dafür, daß die Kommission den Tarif F nicht gewissenhaft und sorgfältig geprüft hätte.

    79.

    Die zweite Verständnismöglichkeit entspricht zwar der Rechtsprechung des Gerichtshofes, müßte allerdings im Tatsächlichen haltbar sein. Weder die vom Gerichtshof bestellten Sachverständigen noch die Kommission fanden Beweise dafür, daß der Tarif F irgend etwas anderes gewesen wäre als ein vernünftiger Versuch von Gasunie, aus einer schwierigen Situation den größtmöglichen unternehmerischen Nutzen zu ziehen.

    80.

    Die belgische Regierung macht geltend, die Kommission hätte sich nicht auf den zweiten Teil des Sachverständigengutachtens stützen dürfen, in dem diese von der vom Gerichtshof in Auftrag gegebenen „Selbstkostenpreis“-Analyse der behaupteten Einsparungen dank der Lieferbedingungen nach Tarif F einseitig zu einer „unternehmerischen“ oder „Marktpreis“-Analyse von Preisentscheidungen unter Marktbedingungen übergegangen sei. Die Feststellungen der Sachverständigen seien bemerkenswert zögerlich und, da auf wenig konkrete Beweise gestützt, von Mutmaßungen durchsetzt gewesen.

    81.

    Die Kommission entgegnet, sie sei berechtigt gewesen, sich auf die Marktpreisanalyse des Sachverständigengutachtens zu stützen, auf die sich der Gerichtshof in dem Urteil CdF Chimie indirekt bezogen habe ( 59 ). Außerdem habe sie ihre Ergebnisse auf Beweismaterial gestützt, das sie im Verlaufe ihrer Untersuchung selbständig erworben habe und das sich auf die Schwierigkeiten in der Ammoniakindustrie und die Verbindung zwischen den Gaskosten und den Kosten der Ammoniakherstellung bezogen habe.

    82.

    Ich teile die Auffassung der belgischen Regierung nicht, daß die bloße Anführung des in Teilen eher spekulativen Sachverständigengutachtens seitens der Kommission für sich betrachtet einen Grund für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sein sollte, da sich die Kommission eindeutig bemüht hat, die in dem Gutachten durchgeführte Analyse zu substantiieren.

    83.

    Abgesehen von den bereits erörterten und zurückgewiesenen Einzelargumenten macht die belgische Regierung eine tatsächliche Rüge geltend, mit der sie das Fehlen einer Abstimmung zwischen der Bewegung der Gas- und Ammoniakpreise und den Schwankungen in der Höhe des nach Tarif F gewährten Nachlasses beanstandet ( 60 ). Bei dieser Rüge sollten vorab zwei Dinge festgehalten werden. Zunächst zieht die belgische Regierung nicht den Grundsatz in Zweifel, daß staatlich kontrollierte Unternehmen, unternehmerisch richtig auf eine Gefährdung ihrer Umsätze dadurch reagieren, daß sie bestimmten Kunden Vorzugspreise einräumen; sie bezweifelt lediglich, daß dieser Grundsatz im vorliegenden Fall richtig befolgt worden ist. Die tatsächliche Grundlage eines solchen Vorbringens bedarf sorgfältiger Untersuchung. Zweitens haben wir es im vorliegenden Fall mit einem System von Nachlässen zu tun, das viele Jahre angewandt wurde, und folglich mit der systematischen Befolgung des Grundsatzes unternehmerischer Rechtfertigung. Die Kommission hat die Wirkungen jedes Systems angeblicher staatlicher Beihilfen zu beurteilen. Meines Erachtens sollte ihre Beurteilung vom Gerichtshof wegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers nur dann aufgehoben werden, wenn bewiesen ist, daß die betreffenden Maßnahmen über den gesamten Zeitraum ihrer Anwendung mit der angegebenen Rechtfertigung systematisch nicht vereinbar sind. Das soll nicht heißen, daß eine kurzfristige Unvereinbarkeit niemals entscheidend sein kann; wenn aber ein solcher Fehler (im Kontext des gesamten Systems) der Wirkung nach geringfügig ist oder angesichts der Umstände des Falles vernünftig erklärt werden kann, sollte der Gerichtshof die Entscheidung der Kommission unangetastet lassen.

    84.

    Die Kommission legte mit ihren Schriftsätzen zwei Tabellen vor; in der einen wird der Einkaufspreis in Westeuropa eingeführten Ammoniaks den Gaskosten ( 61 ) der einheimischen Ammoniakherstellung für die Zeit von 1984 bis 1991 gegenübergestellt, in der anderen werden die Sätze des niederländischen Industriegastarifs (Tarif E), der Nachlaß nach Tarif F und der Preis je Tonne Ammoniak während des gleichen Zeitraums aufgeführt ( 62 ). Die belgische Regierung brachte in der mündlichen Verhandlung vor, diese Tabellen belegten, daß Tarif F keine unternehmerische Reaktion auf Marktbedingungen gewesen sei. Der höchste Nachlaß sei den niederländischen Ammoniakherstellern bisweilen dann gewährt worden, wenn der Preis des konkurrierenden Einfuhrammoniaks hoch, und ein niedrigerer Nachlaß, wenn die Ammoniakpreise niedrig gewesen seien ( 63 ). Die Kommission erwiderte, der Nachlaß nach Tarif F habe nicht nach Maßgabe der absoluten Höhe des Ammoniakpreises, sondern nach Maßgabe der relativen Preise für Industriegas und Einruhrammoniak geschwankt. Man dürfe nicht außer acht lassen, daß der Haupteinfluß auf den Gaspreis von dem Preis der konkurrierenden Energiequellen, nämlich von Erdölprodukten, ausgehe.

    85.

    Tarif F wurde den niederländischen Ammoniakherstellern mit seinem höchsten Stand von 5 Cent/m3 in der Tat für das gesamte Jahr 1984 und die erste Jahreshälfte 1985 eingeräumt, als der Ammoniakpreis auf seinem höchsten Stand während des Zeitraums 1983 bis 1991 war (zu einem Zeitpunkt etwa dreimal so hoch wie der niedrigste Preis während dieses Zeitraums). Das war allerdings auch der Zeitraum, in dem Gas sehr teuer war, was das Vorbringen der Kommission stützen dürfte. Das Problem darf indessen nicht einfach durch eine impressionistische Behandlung der Zahlen gelöst werden, das Vorbringen der belgischen Regierung erfordert vielmehr eine genauere, allerdings ziemlich technische Analyse.

    86.

    Bei der Übertragung der den Nachlaß nach Tarif F betreffenden Zahlen in die erste Tabelle, in der die jeweiligen Gas- und Ammoniakpreise aufgeführt sind, stellte ich fest, daß die Zeiten, in denen die Gaskosten der europäischen Ammoniakindustrie tatsächlich über dem Preis für Einfuhrammoniak lagen, diejenigen waren, in denen der höchste Nachlaß gewährt wurde ( 64 ), oder denen entsprachen, in denen der Nachlaß von einem niedrigen auf einen höheren Stand gebracht wurde ( 65 ).

    87.

    Es gab auch Zeiten, bei denen man bezüglich der Notwendigkeit eines Nachlasses etwas skeptischer sein muß ( 66 ). Diese Zeiträume entsprechen nur teilweise den von der belgischen Regierung angeführten, weil einige der von ihrem Vertreter genannten Zeiträume mit hohen Ammoniakpreisen fast gleichzeitige (und bisweilen unverhältnismäßige) Erhöhungen der Gaspreise ( 67 ), Stabilität oder schrittweise Erhöhung der Gaspreise bei gleichzeitigem Fallen hoher Ammoniakpreise ( 68 ) oder das nahezu gleichmäßige Fallen hoher Ammoniak- und Gaspreise aufwiesen, so daß die Gesamtbilanz weitgehend unverändert bleibt ( 69 ).

    88.

    Der bloße Umstand, daß die Gaskosten der europäischen Ammoniakherstellung bisweilen unter den Kosten von Einfuhrammoniak lagen, führt aber nicht automatisch zur Qualifizierung von Nachlässen in diesen Zeiträumen als unwirtschaftlich; zwar verursacht Gas bei der Ammoniakherstellung die Hauptkosten, aber die übrigen Ausgaben für die Herstellung (zwischen 10 % und 25 % der Gesamtkosten ( 70 )) mußten ebenfalls bereitgestellt werden.

    89.

    Lehrreich ist es auch, auf der Grundlage der Zahlen in der zweiten Tabelle der Kommission eine einfache Rechenoperation durchzuführen, nämlich das Verhältnis des Preises je Tonne Ammoniak zum Preis für einen Kubikmeter Gas zum Satz des Tarifs F auszurechnen ( 71 ). Aufgrund des dem Gerichtshof vorliegenden Beweismaterials ist es nicht möglich festzustellen, bei welchem Verhältnis die europäischen Ammoniakhersteller Kostendeckung erreicht hatten; natürlich dürfte dies je nach Effizienz der Fabriken bei der Verwendung ihrer Gaslieferungen im Produktionsprozeß geschwankt haben. Zugleich ist klar, daß die Position der europäischen Hersteller bei höherem Verhältnis immer besser wurde.

    90.

    Geht man von der Hypothese aus, daß Preisentscheidungen bei Gas den Ammoniakpreisen folgten (da sie vom Standpunkt der Kommission aus auf diese reagieren mußten), so läßt sich feststellen, daß der Stand des Nachlasses nach Tarif F eine Tendenz nach unten aufwies, sobald dieses Verhältnis sich erhöhte, falls nicht einer solchen Erhöhung fast sofort ein Absinken der Ammoniakpreise folgte, bevor Gasunie reagiert hatte. Das gilt beispielsweise für den Rückgang des Nachlasses von 5 auf 2,5 Cent/m3 im dritten Vierteljahr 1986, als der Gaspreis schneller fiel als der Ammoniakpreis, so daß selbst bei dem niedrigeren Nachlaß ein besseres Verhältnis erzielt wurde. Umgekehrt wurden als Reaktion auf die schwierigen Verhältnisse 1989 bis 1990, als die Gaspreise bei nachgebenden Ammoniakpreisen anstiegen, Erhöhungen des Nachlasses erforderlich. Dies erklärt die Anhebung des Nachlasses von 2 auf 2,5 Cent/m3 im zweiten Vierteljahr 1989, obwohl im voraufgegangenen Vierteljahr das Verhältnis der Ammoniak- zu den Gaspreisen das günstigste während der gesamten Laufzeit des Tarifs F gewesen war.

    91.

    Der Zeitraum, in dem sich bei Gasunie eine solche Reaktion auf dem Markt nur schwer entdecken läßt, liegt im Jahr 1984. Sowohl 1983 als auch 1985 waren nach den Preisangaben der Kommission zu urteilen sehr schwierige Jahre für die europäischen Ammoniakhersteller, doch fand der Höchstnachlaß von 5 Cent/m3 auch während des gesamten Jahres 1984 Anwendung, als das Verhältnis der Ammoniak-zu den Gaspreisen ziemlich hoch war. Es mag sein, daß diese verhältnismäßig, d. h. im Vergleich mit den Krisen 1983 und 1985 günstige Situation immer noch schwere Probleme für die niederländischen und anderen Ammoniakhersteller der Gemeinschaft enthielt, so daß auch damals ein Höchstnachlaß gerechtfertigt war. Belgien hat gegenteilige Beweise nicht vorgelegt, obwohl dies der Zeitraum war, in dem Exporteure aus dem Ostblock gewaltige Anstrengungen unternahmen. Selbst wenn aber die Höhe des Nachlasses nach den soeben erörterten Kriterien ungerechtfertigt gewesen sein sollte (wovon ich hier nur hypothetisch ausgehen möchte), sind zwei Erwägungen zu beachten: Erstens Probleme der Akklimatisierung bei der Anwendung eines neuen Preismechanismus, die bestimmte Verzögerungen entschuldigen können ( 72 ), und zweitens der Umstand, daß die Festsetzung des Nachlasses seitens Gasunie für den Rest des Zehnjahreszeitraums als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen immer elastischer wurde. Somit läßt sich sagen, daß das Preisfestsetzungssystem des Tarifs F allgemein und systematisch unternehmerisch gerechtfertigt war, auch wenn es an zeitweiligen Anpassungsproblemen litt. Dies war das Ergebnis, zu dem die Kommission in Ausübung ihrer weiten Befugnis zur Beurteilung der Auswirkung einer außergewöhnlich komplexen Reihe von Marktkräften über die Zeit hin gelangte. Es läßt sich nicht sagen, daß das Preissystem nach Tarif F offensichtlich keine Reaktion auf den Zustand der Gas- und Ammoniakmärkte bot. Das gegenteilige Vorbringen der belgischen Regierung sollte daher zurückgewiesen werden.

    II — Rechtsfehler bei der Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag

    92.

    Die belgische Regierung bringt unter dieser Überschrift fünf verschiedene Rügen zwecks Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vor.

    i) Der niedrigere Gaspreis in anderen Ländern

    93.

    Die Kommission stellt in Absatz 8 dritter Gedankenstrich ihrer Entscheidung fest, daß die Ammoniakhersteller mit den Gasversorgungsunternehmen in Italien, dem Vereinigten Königreich und Irland wesentlich günstigere Konditionen aushandeln konnten, als dies in den Niederlanden, Frankreich und Belgien möglich war. Die belgische Regierung bringt vor, daß eine Rechtfertigung des Tarifs F unter Hinweis auf solche Vertragsregelungen in anderen Mitgliedstaaten dem Standpunkt des Gerichtshofes in der Rechtssache Steinike und Weinlig/Deutschland ( 73 ) widerspreche, daß ein Mitgliedstaat einen Verstoß gegen Artikel 92 EWG-Vertrag nicht damit entschuldigen könne, daß andere Mitgliedstaaten ebenfalls gegen diese Bestimmung verstoßen hätten. Außerdem habe die Kommission nicht die besonderen Bedingungen auf den Gas- oder Ammoniakmärkten in Italien, dem Vereinigten Königreich und Irland untersucht.

    94.

    Die Kommission erwidert hierauf, sie habe nie die Auffassung vertreten, daß die günstigen Gaslieferverträge der Ammoniakindustrie in diesen Ländern eine staatliche Beihilfe seien, oder daß Tarif F aus diesem Grunde gerechtfertigt sei. Die Kommission hat in der Tat in der Entscheidung darauf hingewiesen, daß auch diese Verträge ihrer Meinung nach unternehmerisch gerechtfertigt seien. Was die besonderen Marktbedingungen in diesen Ländern angeht, sind nicht die Gründe für niedrigere Gaspreise erheblich, sondern vielmehr wie bei den zuvor erörterten Drittländern (Vereinigte Staaten, Trinidad, Tobago usw.) ihre Wirkung auf die entsprechende Wettbewerbsposition der niederländischen Ammoniakhersteller. Diese Rüge Belgiens ist daher zurückzuweisen.

    ii) Unterschiedliche Stufen des Herstellungsverfahrens

    95.

    Die Kommission zitiert in Absatz 18 ihrer Entscheidung folgende Passage aus dem vom Gerichtshof eingeholten Sachverständigengutachten in der Rechtssache CdFChimie: „Findet Erdgas als Grundstoff in einem industriellen Verarbeitungsprozeß Anwendung und spielt der Preis dieses Ausgangsstoffs bei der Ermittlung der Gestehungskosten des Endprodukts eine wesentliche Rolle, dann ist bei der Bestimmung des Marktpreises für den betreffenden Grundstoff nicht nur der Preis von Ersatzausgangsstoffen (oder alternativen Produktionsmethoden) ein wichtiger Faktor, sondern kommt auch dem Verkaufspreis des jeweiligen Endprodukts grundsätzliche Bedeutung zu.“ Nach Auffassung der belgischen Regierung widerspricht dies dem Standpunkt des Gerichtshofes in dem Urteil United Brands/Kommission ( 74 ), wonach „[d]as Spiel von Angebot und Nachfrage im wesentlichen nur für die Stufen gelten [sollte], auf der es sich tatsächlich äußert“. Die Kommission dürfe nicht den Tarif F von Gasunie nach Maßgabe des Preiswettbewerbs niederländischer, europäischer oder sonstiger Unternehmen auf einem anderen Markt, nämlich den für Ammoniak, analysieren, der eine andere Stufe des Vertriebs und der Herstellung darstelle als die des bei der Ammoniakerzeugung verwendeten Gases.

    96.

    Die belgische Regierung und die Kommission stritten über die Anwendung einer Äußerung des Gerichtshofes zu Artikel 86 EWG-Vertrag auf eine Entscheidung über eine staatliche Beihilfe. Die Begründung des von Belgien zitierten Passus läßt sich auf das Gebiet der staatlichen Beihilfen erstrecken. Wenn ein staatlich kontrolliertes Unternehmen auf seinem Markt im wesentlichen vor allen widrigen Folgen von Mißgeschicken seiner Kunden auf deren Märkten sicher wäre, wären besondere Konzessionspreise zugunsten seiner stärker verwundbaren Kunden nicht unternehmerisch gerechtfertigt und könnten daher nach Artikel 92 EWG-Vertrag verbotene staatliche Beihilfen darstellen.

    97.

    Der Sachverhalt in United Brands war indessen ein anderer als der vorliegende. Der Gerichtshof stellte keinen universellen Rechtsgrundsatz auf, es sei denn den selbstverständlichen, daß man sich bei der Prüfung des Marktverhaltens darüber im klaren sein muß, ob das Spiel von Angebot und Nachfrage für verschiedene Erzeugnisse tatsächlich stattfindet.

    98.

    Im vorhegenden Fall gilt die Analyse der Kommission dem Grad, zu dem Gasunie den von seinen Kunden (den Ammoniakherstellern) getragenen Risiken auf einem dem Markt für Gas nachfolgenden Markt, nämlich dem Ammoniakmarkt, ausgesetzt ist. Die Kommission stellte nämlich eine starke Kreuzelastizität der Nachfrage seitens der Stickstoffdüngererzeuger (die tendenziell auch Ammoniakhersteller waren) zwischen ihrer eigenen Ammoniakerzeugung und Einfuhrammoniak fest. Einfuhrammoniak würde bezogen, wenn dies notwendig wäre, um die Marktposition auf dem Stickstoffdüngermarkt aufrechtzuerhalten, was wiederum die Gasverkäufe von Gasunie an die Ammoniakhersteller schwer beeinträchtigen würde. Daher konnte sich auf dem Gasmarkt, um mit dem Urteil United Brands zu sprechen, „[d]as Spiel von Angebot und Nachfrage tatsächlich äußern“ und die Entscheidungen der Marktteilnehmer beeinflussen. Es war daher richtig, daß die Kommission bei ihrer Beihilfenuntersuchung die Verbindungen zwischen den beiden Marktstufungen ins Auge faßte. Das Vorbringen Belgiens ist daher zurückzuweisen.

    iii) Substitutionskosten

    99.

    Die belgische Regierung trägt vor, die Kommission habe in ihrer Begründung die Kosten der Stickstoffdüngererzeuger bei der Ersetzung ihrer eigenen Ammoniakherstellung durch Ankäufe von Einfuhrammoniak nicht berücksichtigt. Wie bereits ausgeführt, ging der Gerichtshof in der Rechtssache Van der Kooy davon aus, daß Vorzugsgastarife (für den Heizbedarf der niederländischen Gartenbauindustrie) durch wirtschaftliche Gründe wie die Notwendigkeit objektiv gerechtfertigt sein können, auf diesem Markt im Preiswettbewerb mit anderen Energiequellen zu bestehen. Der Gerichtshof fuhr fort: „Um beurteilen zu können, ob ein solcher Wettbewerb wirklich vorhegt, sind nicht das jeweilige Preisniveau, sondern auch die Kosten der Umstellung auf eine neue Energiequelle zu berücksichtigen, wie die Kosten für den Ersatz und die Abschreibung der Heizanlagen.“ ( 75 )

    100.

    Es trifft zu, daß die Kommission diese Umstellungkosten dort in der Entscheidung, wo sie sich mit der Wahl der Stickstoffdüngererzeuger befaßt, das erforderliche Ammoniak entweder selbst zu produzieren oder aber Einfuhrammoniak zu kaufen (Absatz 21), nicht erwähnt. Die Kommission ist der Meinung, sie habe die Existenz eines wirklichen Wettbewerbs zwischen Gas (bei der Verwendung zur Herstellung einheimischen Ammoniaks) und Einfuhrammoniak ausreichend nachgewiesen; die Substitutionskosten könnten vernachlässigt werden, da keine Umwandlung von Installationen von Stickstoffdüngererzeugern, sondern nur der Verzicht auf eine Produktionsstufe mit bloßen Grenzkosten erfolgt sei. Dies ist wohl der Fall. Das Vorbringen der belgischen Regierung sollte daher zurückgewiesen werden.

    iv) Gewinnverzicht

    101.

    Die belgische Regierung macht geltend, die Kommission habe untersuchen müssen, ob Gasunie durch die Anwendung des Tarifs F unabhängig von den Gewinnen, die sie während des relevanten Zeitraums erzielte, auf mögliche Gewinne verzichtet habe; die Kommission habe dies aber unterlassen. Außerdem könne keine unternehmerische Rechtfertigung dem Tarif F seinen Charakter als politisch motiviertes Mittel nehmen, der niederländischen Ammoniakindustrie einen Vorteil zu verschaffen. Allerdings wurden über das oben in Abschnitt I ix) eingehend erörterte Material hinaus kein zusätzliches Beweismaterial und keine Rügen vorgebracht; meine Auffassung zur richtigen Behandlung politischer Motivationen habe ich bereits vorgetragen ( 76 ). Das Vorbringen der belgischen Regierung wurde in diesem Zusammenhang zurückgewiesen, so daß es einer weiteren Prüfung nicht bedarf.

    v) Der besondere Charakter des Tarifs F

    102.

    Die belgische Regierung bringt vor, es bestehe ein Widerspruch zwischen dem Umstand, daß die Anwendungsbedingungen für Tarif F objektiv gewesen seien, und dem Umstand, daß er gleichwohl als ein Sektortarif zur Unterstützung der Kunden von Gasunie in der Ammoniakindustrie geplant gewesen sei. Es sei die Pflicht der Kommission gewesen, diesen Widerspruch aufzuklären.

    103.

    Die Kommission erwidert, die Einräumung eines besonderen Preises für die Ammoniakindustrie sei gerechtfertigt gewesen, während andere Industrien, die von Wettbewerbern in Drittländern nicht dermaßen gefährdet worden seien, einen solchen Vorteil nicht benötigt hätten, so daß die Einräumung in diesen Sektoren rechtswidrig gewesen wäre. Das stimmt mit der Gesamtbegründung der Kommission überein, geht aber nicht unmittelbar auf das Argument Belgien ein, daß der (nunmehr) zugestandene Sektorcharakter des Tarifs F nicht offen ausgewiesen, sondern unter angeblich neutralen Objektiven in bezug auf Menge, Möglichkeit der Unterbrechung usw. versteckt worden sei.

    104.

    Die beste Erklärung der Anwendungsbedingungen des Tarifs F, die mit der Begründung der Kommission vereinbar ist, bietet wohl das Sachverständigengutachten:

    „Wenn die Markttradition entgegensteht oder die Preise öffentlich bekannt gemacht werden, kann dies die Verfolgung einer voll differenzierten Preispolitik unmöglich machen. In einem solchen Fall kann ein Blocktarifsystem zur Anwendung kommen, wie dies bei dem geltenden niederländischen Preissystem der Fall ist. Der Block innerhalb des Tarifsystems wird in einem solchen Fall so festgelegt, daß das Gasunternehmen seine Erträge optimiert und so nahe wie möglich an die Preisdifferenzierungssituation herankommt. ... Bekanntgemachte Preise können mit an den Grenzkosten orientierten Preisen kombiniert werden. In diesem Fall werden bei Nachlässen oder Sonderzuschlägen die besonderen Bedingungen in Zusammenhang mit der Belieferung bestimmter Kunden (z. B. Ladefaktor, Menge, Entfernung, Saisonbedingtheit) berücksichtigt. Diese besonderen Bedingungen und Nachlässe/Sonderzuschläge können aber auch als mittelbarer Weg zur Verfolgung einer Preisdifferenzierungspolitik dienen, auch wenn sie auf Grenzkostenbasis verhandelt werden.“ ( 77 )

    105.

    Gas wird in den Niederlanden üblicherweise aufgrund öffentlich bekanntgemachter Tarife verkauft. Dieser Situation kann beispielsweise die in Deutschland gegenübergestellt werden, wo eine volle Preisdifferenzierung mittels Verhandlung individueller Verträge mit größeren Kunden angestrebt wird. Gasunie hätte innerhalb der Zwänge des niederländischen Marktes im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen können, diese Position durch die Veröffentlichung eines Tarifs nachzubilden, dessen objektive Bedingungen mit Blickrichtung auf die Ammoniakindustrie festgelegt worden wären.

    106.

    Ich bin nicht der Auffassung, daß die Unterlassung einer solchen oder irgend einer anderen, von der Kommission erwogenen Erklärung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen fehlerhafter Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag führen sollte. Es bleibt doch die Tatsache, daß die Kommission in ihrer Mitteilung, mit der die Beihilfeuntersuchung bezüglich Tarif F wiedereröffnet und die Beteiligten um Äußerung gebeten wurden, auf den im wesentlichen sektorbezogenen Charakter des Tarif F hingewiesen hat ( 78 ), was sich wiederum aus den Feststellungen des Gerichtshofes in der Rechtssache CdF Chimie ergab ( 79 ). Hätte sich die Kommission auf den Standpunkt gestellt, daß der Tarif nicht sektorbezogen sei (was sie in der Rechtssache CdF Chimie geltend gemacht hatte) ( 80 ), so hätte sie den Widerspruch zwischen den scheinbar neutralen Anwendungsbedingungen des Tarifs F und seiner tatsächlichen Auswirkung, nahezu ausschließlich dem Ammoniaksektor einen Vorteil zu verschaffen, rechtfertigen müssen. Nachdem die Kommission eingeräumt hatte, daß der Tarif F zwar sektorbezogen, aber auch aufgrund für den betreffenden Sektor spezifische Erwägungen gerechtfertigt waren, war sie nicht verpflichtet, sich mit dieser Frage weiter zu befassen. Wenn es um Beweise geht, kann der Verdacht des Untersuchenden geweckt werden, wenn Behauptungen mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Wird dagegen die Wirklichkeit zur Zufriedenheit des Untersuchenden (und des die Entscheidung des Untersuchenden überprüfenden Gerichtshofes) erklärt und gerechtfertigt, so ist der anfängliche — damals natürliche — Verdacht zerstreut.

    III — Nichtigerklärung wegen fehlender Begründung

    107.

    Die belgische Regierung macht geltend, die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspreche nicht den Erfordernissen des Artikels 190 EWG-Vertrag, weil sie unverständlich und unzureichend sei. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, daß die Kommission in ihren Entscheidungen alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen klar und eindeutig, wenn auch durchaus knapp anzugeben hat, so daß die Betroffenen und der Gerichtshof die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können ( 81 ). Die entsprechende Pflicht der Kommission ist aber begrenzt. In der Rechtssache Remia u. a./Kommission entschied der Gerichtshof:

    „[D]ie Kommission [hat] nach Artikel 190 EWG-Vertrag zwar die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen anzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind. Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß den Gerichtshof in die Lage versetzen, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen die notwendigen Hinweise geben, aus denen er erkennen kann, ob die Entscheidung materiell rechtmäßig ist oder nicht.“ ( 82 )

    Die Ausführungen zu dem Interesse des Gerichtshofes und der betroffenen Personen an der Begründung der Kommission legen dieser eine Pflicht auf, begrenzen allerdings diese Pflicht stillschweigend: Die Kommission hat in ihrer Entscheidung weder das Offensichtliche noch das Beiläufige oder Unklare festzustellen, da dies für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht notwendig ist. Ähnlich muß in der Entscheidung selbst nur soviel an Einzelheiten sichtbar werden, um dem Gerichtshof und den Betroffenen die Grundzüge der Begründung der Kommission erkennbar zu machen; diese können dann beim gegenseitigen Austausch der Beweismittel und Standpunkte während des Anfechtungsverfahrens weiter ausgebaut werden.

    108.

    Die belgische Regierung bringt in Zusammenhang mit der Fehlerhaftigkeit der Begründung vier Rügen vor. Erstens habe die Kommission in der Entscheidung die Einzelheiten und Anwendungsbedingungen des Tarifs F nicht ausgeführt. Unter den gegeben Umständen steht dies der Hinlänglichkeit der Begründung der Kommission nicht entgegen. Diese Einzelheiten einschließlich der Feststellung, daß der Tarif F im wesentlichen sektorbezogen war, waren sowohl im Urteil CdF Chimie des Gerichtshofes als auch in der Mitteilung der Kommission enthalten, mit der die Beihilfeuntersuchung wiedereröffnet und die Beteiligten um Äußerung ersucht wurden. Die Kommission verweist in der Entscheidung sowohl auf das Urteil des Gerichtshofes als auch auf die Mitteilung. Weder vom Gerichtshof noch von einem der Beteiligten läßt sich daher sagen, ihm sei irgendeine einschlägige Information über den Tarif vorenthalten worden; folglich ist die Begründung der Kommission insoweit nicht fehlerhaft.

    109.

    Belgiens zweite Rüge ähnelt der ersten: Die Begründung der Entscheidung sei fehlerhaft, weil nicht angegeben sei, daß der nach Tarif F gewährte Nachlaß auf Tarif E nach 1984 ein variabler Nachlaß geworden sei. Dies kann als Fortführung der ersten Rüge und muß nicht, wie die Kommission geltend macht ( 83 ), als ein im wesentlichen neues (und daher unzulässiges) Vorbringen behandelt werden. Sie geht indessen aus den gleichen Gründen fehl wie die erste: Tarif F wird sowohl in den Schlußanträgen von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache CdFChimie ( 84 ) als auch in der Mitteilung der Wiedereröffnung der Untersuchung der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag als variabel dargestellt.

    110.

    Die belgische Regierung macht drittens geltend, die Kommission habe nicht erklärt, wie ein Tarif, der bei Erfüllung bestimmter objektiver Bedingungen habe beansprucht werden können, mit dem Hinweis auf den Wettbewerb zwischen Gas und Ammoniak habe gerechtfertigt werden können. Dies ist nun dasselbe Vorbringen wie das oben in dem Abschnitt „Rechtsfehler bei der Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag“ unter der Überschrift „Der besondere Charakter des Tarifs F“ behandelte. Auch in diesem Zusammenhang ist es zurückzuweisen. Die Kommission war nicht verpflichtet, diesen besonderen Aspekt des Tarifs F zu erläutern, weil er ihre Entscheidung letztendlich nicht berührte.

    111.

    Belgien bringt schließlich vor, die Kommission habe in ihrer Begründung die Umwandlungskosten für den Fall nicht berücksichtigt, daß Stickstoffdüngererzeuger ihre eigene Ammoniakherstellung durch Einfuhrammoniak ersetzten. Dies ist wiederum die Aufnahme eines bereits zur Stützung der Rüge eines Rechtsfehlers verwendeten Vorbringens und hier erneut zurückzuweisen ( 85 ).

    Ergebnis

    112.

    Das Vorbringen des Königreichs Belgien, die angefochtene Entscheidung sei wegen offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts, Rechtsfehlern bei der Auslegung des Artikels 92 EWG-Vertrag sowie wegen fehlender Begründung aufzuheben, ist folglich insgesamt zurückzuweisen. Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß die Entscheidung der Kommission vom 29. Dezember 1993, mit der das von ihr nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag eingeleitete Verfahren in bezug auf die in den Niederlanden zugunsten der Erzeuger von Stickstoffdünger bei der Lieferung von Erdgas gewährten Vorzugstarife eingestellt wurde, nicht aufzuheben ist.

    113.

    Die Verfahrenskosten sind dem Königreich Belgien aufzuerlegen.

    114.

    Das Königreich der Niederlande hat seine eigenen Kosten zu tragen.

    Anlage I

    Jahr (in Vierteljahren)

    Tarif F (Cent/m3)

    Nachlaß nach Tarif F (Cent/m3)

    Verhältnis Ammoniak/Tonne: Tarif F

    Ammoniak-Preis (HFL/Tonne)

    1984

    1.Vj.

    36.443

    5.000

    17.64

    643

    2.Vj.

    37.823

    5.000

    15.94

    603

    3.Vj.

    38.923

    5.000

    16.36

    637

    4.Vj.

    39.522

    5.000

    16.57

    655

    1985

    1.Vj.

    41.140

    5.000

    17.81

    733

    2.Vj.

    44.047

    5.000

    14.64

    645

    3.Vj.

    42.350

    5.000

    12.8

    542

    4.Vj.

    34.563

    5.000

    12.9

    445

    1986

    1.Vj.

    30.717

    5.000

    11.3

    347

    2.Vj.

    24.859

    5.000

    11.5

    288

    3.Vj.

    18.152

    2.500

    14

    254

    4.Vj.

    12.692

    2.500

    18.9

    240

    1987

    1.Vj.

    13.848

    2.500

    20

    278

    2.Vj.

    17.349

    2.500

    19

    330

    3.Vj.

    18.516

    2.500

    14.9

    275

    4.Vj.

    18.305

    2.500

    13.3

    244

    1988

    1.Vj.

    18.389

    2.000

    13

    239

    2.Vj.

    15.974

    2.000

    15.25

    244

    3.Vj.

    14.770

    2.000

    17.8

    263

    4.Vj.

    14.637

    2.000

    17.9

    262

    1989

    1.Vj.

    14.522

    2.000

    22.9

    332

    2.Vj.

    15.016

    2.500

    20.1

    302

    3.Vj.

    17.5

    2.500

    12.2

    214

    4.Vj.

    17.861

    2 500

    13

    233

    1990

    1.Vj.

    17.278

    3 500

    13.7

    238

    2.Vj.

    17.765

    3.500

    12.7

    227

    3.Vj.

    15.578

    2.850

    15.5

    241

    4.Vj.

    16.314

    2.000

    16.7

    273

    1991

    1.Vj.

    18.502

    3.270

    13.9

    257


    ( *1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 1 ) ABl. C 344, S. 4.

    ( 2 ) Diese in der Entscheidung benutzten Prozentzahlen des Selbstkostengrundpreises des Erzeugnisses wurden von der Kommission in ihrem Vorbringen auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Kommission und der Association Européenne des Producteurs d'Engrais (EFMA, europäischer Verband der Düngemittelerzeuger) mit dem Titel „Die Düngemittelindustrie in der EWG: Lage und Perspektiven“ (1991), der auch unter Nr. 12 angeführt wird, in 75 % bzw. 60 % abgeändert.

    ( 3 ) Die angefochtene Entscheidung bezieht sich zumeist auf die Lage der Stickstoffdüngcrcrzeugcr und nur gelegendich auf Ammoniakhersteller, obwohl es in Wahrheit um die Produktionskosten von Ammoniak geht. Wegen der faktischen Integration der beiden Produktionsstufen, deren Erhaltung die erklärte Absicht von Gasunie war, werden die Begriffe „Stickstoffdüngererzeuger“ und „Ammoniakhersteller“ in diesen Schlußanträgen wechselweise (vorzugsweise aber der letztgenannte) verwendet.

    ( 4 ) Verbundene Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Slg. 1988, 219, Randnrn. 36 bis 38).

    ( 5 ) Siehe die Schlußanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache C-169/84 (CdF Chimie AZF/Kommission, Slg. 1990, I-3083, I-3101, Nr. 2).

    ( 6 ) Generalanwalt Mischo stellte in CdF Chimie, zitiert in Fußnote 5, Nr. 51 seiner Schlußanträge, fest, daß der Nachlaß im Januar 1988 auf 0,5 Cent/m3 gesunken sei, doch widersprechen dem die von der Kommission im vorhegenden Fall zum Beweis vorgelegten Preisdaten, die den Nachlaß für das gesamte Jahr mit 2 Cent/m3 angeben.

    ( 7 ) Rechtssache C-169/84, zitiert in Fußnote 5. Dieser Entscheidung in der Sache ging eine Entscheidung über die Zulnssigkeit der Klage voraus, in der der Gerichtshof über die unmittelbare und individuelle Wirkung der Entscheidung auf Privatparteien entschied, Rechtssache 169/84 (Cofaz/Kommission, Slg. 1986, 391).

    ( 8 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 15 des Urteils.

    ( 9 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 22 des Urteils.

    ( 10 ) ABl. 1992, C 10, S. 3.

    ( 11 ) Zitiert in Fußnote 1.

    ( 12 ) Siehe das Sachverständigengutachten, S. 56 und 59 der englischen Fassung.

    ( 13 ) Absatz 21 der Entscheidung.

    ( 14 ) Der Anteil der Lieferungen von niederländischem Erdgas nach Frankreich sank von 31,2 % im Jahr 1981 auf 20,1 % im Jahr 1982.

    ( 15 ) Zum Beispiel 1983 in Belgien. Wesentlich niedrigere Gaspreise in den Vereinigten Staaten, Venezuela, Trinidad und Tobago sowie im Nahen Osten begünstigten die Ammoniakhersteller in diesen Landern.

    ( 16 ) Im Zeitraum 1981 bis 1987 erhöhte die damalige Sowjetunion ihre Ausfuhren auf mehr als das Doppelte, die damalige DDR verdreifachte sie und Bulgarien erhöhte seine Ausfuhren um 50 %.

    ( 17 ) Zum Beispiel in Italien, dem Vereinigten Königreich und Irland.

    ( 18 ) Siehe unten die Erörterung des „Nctback“-Preissystems.

    ( 19 ) Siehe unten die Erörterung des Exportpreises.

    ( 20 ) Mitteilung der Kommission betreffend den Tarif für von der Industrie als Rohstoff genutztes Gas (Niederlande) vom 11. November 1992, ABl. C 340, S. 5.

    ( 21 ) Entscheidung der Kommission vom 7. Dezember 1993 (N 546/93 und N 595/93) betreffend den Tarif für von der Industrie als Rohstoff genutztes Gas, ABl. 1994, C 35, S. 6.

    ( 22 ) Siehe die Erörterung der niederländischen Umwcltstcuer (milieuheffing); sowie das Versäumnis der Kommission, in der Entscheidung anzugeben, daß der Tarif F variabel war. Die Kommission widersprach aus diesem Grund gewissen Darlegungen Belgiens in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Stufen des Produktionsvorgangs, doch wurden diese sowieso nicht als erheblich angesehen.

    ( 23 ) Siehe Schlußanträge des Generalanwalts VerLoren van Themaat in den verbundenen Rechtssachen 213/81 bis 215/81 (Norddeutsches Vieh- und Fleischkontor/BALM, Slg. 1982, 3583, S. 3617), und Van der Kooy, zitiert in Fußnote 4, Randnrn. 28 bis 30.

    ( 24 ) Siehe z. B. Van der Kooy, zitiert in Fußnote 4; Rechtssache 323/83 (Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809) und verbundene Rechtssachen 296/82 und 318/82 (Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809).

    ( 25 ) Absatz 8, siebenter bzw. fünfter Gedankenstrich, der Entscheidung.

    ( 26 ) Gaspreisentscheidungen in Belgien unterstanden jederzeit der Kontrolle der Vertriebsgesellschaft Distrigaz und eines Aufsichtsgremiums, das Comité de Controle.

    ( 27 ) Verbundene Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 61); verbundene Rechtssachen T-39/92 und 40/92 (CD & Europay/Kommission, Slg. 1991, II-49, Randnr. 110 und Rechtssache T-17/93 (Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 104).

    ( 28 ) Mitteilung der Kommission vom 11. November 1992, zitiert in Fußnote 20; siehe auch die Entscheidung der Kommission vom 7. Dezember 1993, zitiert in Fußnote 21.

    ( 29 ) Siehe z. B. Rechtssache 730/79 (Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 24); Intermitís, zitiert in Fußnote 24, und die Schlußanträge von Generalanwalt Mischo in CdF Chimie, zitiert in Fußnote 5, Nr, 11.

    ( 30 ) Siehe z. B. Rechtssache 37/70 (Rewe Zentrale/Hauptzollamt Emmerich, Slg. 1971, 23); Rechtssache 57/72 (Westzucker/Einfuhr- und Vorratsstcllc für Zukker, Slg. 1973, 321, Randnr. 14): Rechtssache 29/77 (Roqucttc/Frankrcich, Slg. 1977, 1835, Randnrn. 19 und 20); Rechtssache 98/78 (Racke/Hauptzollamt Mainz, Slg. 1979, 69, Randnr. 5); Rechtssache 138/79 (Roqucttc/Rat, Slg. 1980, 3333, Randnr. 25) und Rechtssache 255/84 (Nachi Fujikoshi/Rat, Slg. 1987, 1861, Randnr. 21).

    ( 31 ) Behauptungen tatsächlicher Fehler der zweiten, abgeleiteten Art werden häufig als Behauptungen von Rechtsfchlcrn uniformuliert, wie dies im vorliegenden Fall einige Male vorgekommen ist.

    ( 32 ) Dies ist der von Generalanwalt Gand in der Rechtssache 8/65 (Acciaierie und Fernere Pugliesi/Hohe Behörde, Slg. 1966, 1, 18) empfohlene Beweisstandard, und wird von K. R E. Lasok, The European Court of Justice: Practice and Procedure, 2. Auflage, London, Butterworths, 1994, S. 431, als cine der besten unter den zahlreichen Formulierungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes empfohlen.

    ( 33 ) Vgl. wiederum die Bemerkungen von Generalanwalt Gand in Acciaierie und Fernere Pugliesi, zitiert in Fußnote 32, Absatz 12; siehe auch die Hinweise von Generalanwalt Lagrange in den verbundenen Rechtssachen 29/63, 31/63, 36/63, 39/63 bis 47/63, 50/63 und 51/63 (SA de la Providence u. a./Hohe Behörde, Slg. 1965, 1197, 1237, 1242), und Rechtssache 18/70 (Duraffour/Rat, Sig. 1971, 515, Randnr. 31).

    ( 34 ) Absatz 27 der Entscheidung.

    ( 35 ) Die Kommission macht geltend, daß die Prämie getrennt für jeden Marktsektor errechnet werde.

    ( 36 ) Dieses Vorbringen bedeutet übrigens selbst, daß Gaslieferanten bemüht sind, die Wettbewerbsfähigkeit geschätzter Kunden durch Vorzugspreise aufrechtzuerhalten.

    ( 37 ) Siehe die abgeänderte Fassung der Tabelle der Kommission in Anlage I dieser Schlußanträge.

    ( 38 ) Wie wir noch sehen werden, liegen auch Beweise dafür vor, daß Tarif F im ersten Jahr seiner Anwendung weniger elastisch auf die Bewegungen der Ammoniak- und Industriegaspreise reagierte als in späteren Jahren.

    ( 39 ) Bei dem ersten handelte es sich um einen Auszug aus H. G. de Maar, Energierecht, 1987, S.214 bis 216, bei dem zweiten um ein Schriftstück „Netback approach to border pricing in gas import contracts“ ohne Verfasserangabe.

    ( 40 ) Die Kommission stützt sich ferner auf eine Reihe von Distrigaz und vom Comite de Contrôle veröffentlichter Schriftstücke, die allerdings nirgendwo eine weitere, über die Sektoren Haushalt/Gewerbe, Industrie und Stromerzeugung hinausgehende Unterteilung des belgischen Erdgaseinfuhrmarktes beschreiben.

    ( 41 ) Der Bericht „Die Düngemittelindustrie in der EWG: Lage und Perspektiven“ zeigt, daß Stickstoffdüngemittel etwa die Hälfte der Düngerproduktion der Gemeinschaft (S. 12: nationale Produktionszahlen sind nicht vorhanden) und etwas weniger als die Hälfte des gesamten in Belgien und Luxemburg verbrauchten Düngers (S. 12 und 14) ausmachen. Angesichts der Bedeutung von Gas als Grundstoff bei der Ammoniakherstellung würde der Gasverbrauch der Stickstoffdüngererzeuger wahrscheinlich den größten Teil eines allgemeinen Untersektors Düngemittel des belgischen Gasmarktes beanspruchen.

    ( 42 ) Der Düngemittel-Untersektor und der Untersektor Ammoniakherstellung werden in der folgenden Erörterung als gleichbedeutend betrachtet.

    ( 43 ) Nach der Beschreibung des Verhältnisses von Distriga/, zum Comité de Contrôle wird im Jahresbericht 1984 von Distrigaz festgestellt: „C'est dans ce cadre que fut examiné à l'initiative du Gouvernement le probleme grave posé par l'industrie azotière belge pour laquelle le gaz naturel constitue la matière première intervenant à plus de septante pour cent dans le prix de revient La méthode imaginée par le Comité de contrôle en la matière et la diligence de Distrigaz ont finalement permis d'obtenir de Gasunie des solutions durables indispensables“ (S. 22).

    ( 44 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 15.

    ( 45 ) Als Beispiel für die Wirkung dieser Vorschrift siehe Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-282/90 (Vreugdenhil/Kommission, SIg. 1992, I-1937, Randnrn. 9 und 10).

    ( 46 ) Ein sehr kleiner Teil ihres Gasbedarfs wird in Norwegen gedeckt.

    ( 47 ) Siehe unten die Erörterung der Kriterien, die für die Aufhebung einer Entscheidung wegen fehlender Begründung maßgebend sind.

    ( 48 ) Diese Frage wurde von Belgien aufgeworfen und wird unten erörtert.

    ( 49 ) Absatz 24 der Entscheidung, siehe ferner Fußnote 14. Der Verlust ergab sich aufgrund einer Vorzugsvereinbarung über Gaskäufe zwischen den französischen Behörden und Algerien.

    ( 50 ) Der Trend zur Diversifizierung mag zum Teil durch den Wunsch gefördert worden sein, die Art der Abhängigkeit von einer begrenzten Anzahl von Lieferanten zu vermeiden, die die Olkrise 1973/74 so tief werden ließ. Das reicht aber nicht aus, um eine relevante Verbindung zwischen der Entscheidung Frankreichs und der restriktiven Politik der Niederlande während dieser Krise zu belegen.

    ( 51 ) Der Ammoniakbedarf Belgiens liegt mit Eckwerten von 1077000 Tonnen und 1256000 Tonnen in absoluten Zahlen während dieses Zeitraums verhältnismäßig stabil.

    ( 52 ) Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Preise für drei Jahre ausgehandelt wurden. Diese Verhandlungen fanden im Rahmen von Lieferverträgen statt, die für erheblich längere Zeiträume abgeschlossen waren. Belgien verweist z. B. (in einem anderen Zusammenhang) auf die Entscheidung der niederländischen Regierung, bestehende Verträge für die Zeit von 1995 bis 2010 zu verlängern.

    ( 53 ) S. 60 des Gutachtens.

    ( 54 ) S. 63 des Gutachtens.

    ( 55 ) Siehe unten die Erörterung des Gewinnverzichts.

    ( 56 ) Zitiert in Fußnote 4, Randnr. 30.

    ( 57 ) Als unternehmerisch gerechtfertigt ist eine Entscheidung definiert worden, die in der gleichen Weise getroffen wurde, wie dies eine Privatperson in der freien Marktwirtschaft tun würde, siehe 14. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik, Ziffer 198.

    ( 58 ) Rechtssache 310/85 (Slg. 1987, 901, Randnr. 8). Siehe auch Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709), und die Schlußanträge von Generalanwalt Slynn in der Rechtssache 84/82 (Deutschland/Kommission, Slg. 1984, 1451, 1501) und in den verbundenen Rechtssachen 296/82 und 318/82 (Leeuwarder Papierwarenfabriek, zitiert in Fußnote 24).

    ( 59 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 50 des Urteils.

    ( 60 ) Belgien macht ferner unter der Überschrift Rechtsfehler eine gemischte, tatsächlich-rechtliche Rüge bezüglich der Substitutionskosten von Ammoniakkäufen statt Àmmoniakherstellung geltend, die unten behandelt werden wird.

    ( 61 ) Dies ist der Teil des Endpreises von Ammoniak, der auf die Kosten des bei seiner Herstellung verwendeten Gases zurückgeführt werden kann.

    ( 62 ) Diese Tabelle mit zusätzlichen Angaben über das Verhältnis von Ammoniak-zu Gaspreisen ist in abgekürzter Form in Anlage I enthalten.

    ( 63 ) Der Vertreter der belgischen Regierung verwies insbesondere auf die Zeiträume vom letzten Vierteljahr 1983 bis zum zweiten Vierteljahr 1985, die erste Jahreshälfte 1987, das erste Vierteljahr 1989, das dritte Vierteljahr 1990 und das gesamte Jahr 1991.

    ( 64 ) Vom zweiten Vierteljahr 1985 bis Mitte 1986.

    ( 65 ) Von Mitte 1989 bis Mitte 1990, als der Nachlaß von 2 auf 2,5 und dann auf 3,5 Cent/m3 stieg, bevor er in dem etwas weniger schwierigen dritten Vierteljahr 1990 auf 2,85 Cent fiel, wonach dann der Nachlaß im Gefolge erbitterten Wettbewerbs im ersten Vierteljahr 1991 wieder auf 3,27 Cent stieg.

    ( 66 ) 1984 und erstes Vierteljahr 1985, erstes Vierteljahr 1987, erstes Vierteljahr 1989, letztes Vierteljahr 1990.

    ( 67 ) Zweites Vierteljahr 1985, erstes Vierteljahr 1991.

    ( 68 ) Zweites Vierteljahr 1987.

    ( 69 ) Zweites Vierteljahr 1991.

    ( 70 ) Siehe Fußnote 6.

    ( 71 ) Wegen der Ergebnisse dieser Berechnung siehe Anlage I.

    ( 72 ) Belgien wurde übrigens auch durch eine Verzögerung begünstigt, da der Nachlaß auf den Defensivanteil auch im dritten Vierteljahr 1986 weiterhin angewandt wurde, nachdem der Nachlaß nach Tarif F in den Niederlanden halbiert worden war.

    ( 73 ) Rechtssache 78/76 (Slg. 1977, 595, Randnr. 24).

    ( 74 ) Rechtssache 27/76 (Slg. 1978, 207, Randnr. 229).

    ( 75 ) Zitiert in Fußnote 4, Randnr. 30; teilweise zitiert oben Nr. 77.

    ( 76 ) Siehe oben, Nr. 78.

    ( 77 ) S. 57 bis 58 des Sachverständigengutachtens in der englischen Fassung.

    ( 78 ) Zitiert in Fußnote 10.

    ( 79 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 22 und 23.

    ( 80 ) Siehe Randnr. 20 des Urteils sowie den Sitzungsbericht (I-3087, 3088, III B a).

    ( 81 ) Sicile Rechtssache 24/62 (Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 141, 155), Rechtssache 42/84 (Rcmia/Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 26), Leeuwarder Papicrwarenfabriek, zitiert in Fußnote 24, Randnr. 19, Rechtssache 250/84 (Eridania, Slg. 1986, 117, Randnrn. 37 und 38), Van der Kooy, zitiert in Fußnote 4, Randnr. 71, und Rechtssache T-24/90 (Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnr. 85.

    ( 82 ) Zitiert in Fußnote 81, Randnr. 26. Siehe auch Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 14) und VBVB, zitiert in Fußnote 27, Randnr. 22.

    ( 83 ) Siehe oben die Erörterung von Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

    ( 84 ) Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 51.

    ( 85 ) Siehe oben, Nrn. 99 und 100.

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