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Document 61991CJ0188

    Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 21. Januar 1993.
    Deutsche Shell AG gegen Hauptzollamt Hamburg-Harburg.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Hamburg - Deutschland.
    Versandverfahren - Internationales Übereinkommen.
    Rechtssache C-188/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 I-00363

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1993:24

    61991J0188

    URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 21. JANUAR 1993. - DEUTSCHE SHELL AG GEGEN HAUPTZOLLAMT HAMBURG-HARBURG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT HAMBURG - DEUTSCHLAND. - VERSANDVERFAHREN - INTERNATIONALES UEBEREINKOMMEN. - RECHTSSACHE C-188/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite I-00363


    Leitsätze
    Entscheidungsgründe
    Kostenentscheidung
    Tenor

    Schlüsselwörter


    ++++

    1. Vorabentscheidungsverfahren ° Zuständigkeit des Gerichtshofes ° Handlungen der Organe ° Verträge der Gemeinschaft ° Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren ° Absprachen des durch das Übereinkommen geschaffenen Gemischten Ausschusses ° Keine verbindliche Wirkung ° Unbeachtlich

    (EWG-Vertrag, Artikel 177 Absatz 1 Buchstabe b)

    2. Völkerrechtliche Verträge ° Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren ° Nämlichkeit der Waren ° Methoden

    (Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren)

    3. Völkerrechtliche Verträge ° Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren ° Nämlichkeit der Waren ° Methoden ° Ausnahmen ° Zuständige Behörde

    (Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren)

    4. Vorabentscheidungsverfahren ° Zuständigkeit des Gerichtshofes ° Grenzen

    (EWG-Vertrag, Artikel 177)

    Leitsätze


    1. Die Absprachen, die der durch das Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren geschaffene Gemischte Ausschuß für die Durchführung dieses Übereinkommens verabschiedet, sind wegen des unmittelbaren Zusammenhangs, in dem sie mit dem Übereinkommen stehen, Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung; der Gerichtshof ist somit dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über ihre Auslegung zu entscheiden.

    Der nicht bindende Charakter dieser Absprachen steht einer Entscheidung des Gerichtshofes über ihre Auslegung nicht entgegen. Wenn sie auch keine Rechte für den einzelnen begründen können, auf die dieser sich vor den nationalen Gerichten berufen könnte, so sind die nationalen Gerichte dennoch verpflichtet, sie bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen, zumal wenn sie für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von Nutzen sind.

    2. Dem durch das Übereinkommen EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren geschaffenen Gemischten Ausschuß ist es nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 dieses Übereinkommens nicht verwehrt, eine Empfehlung auszusprechen, wonach die Nämlichkeit der Waren durch Verschluß zu sichern ist, wenn die Eingangszollstelle des Mitgliedstaats der EFTA nicht die Bestimmungszollstelle ist.

    3. Einer höheren Zollbehörde eines Mitgliedstaats ist es nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens EWG/EFTA-Länder über ein gemeinsames Versandverfahren in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II zu dem Übereinkommen nicht verwehrt, den allgemeinen Rahmen festzulegen, innerhalb dessen die der Abgangszollstelle verliehene Befugnis, von der Verschlusspflicht zu entbinden, auszuüben ist.

    4. Der Gerichtshof kann im Verfahren nach Artikel 177 EWG-Vertrag nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden.

    Entscheidungsgründe


    1 Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 3. Mai 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juli 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung des am 20. Mai 1987 zwischen der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden, der Schweizerischen Eidgenossenschaft (hiernach: EFTA-Länder) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossenen Übereinkommens über ein gemeinsames Versandverfahren (ABl. L 226, S. 2, hiernach: Übereinkommen), das mit dem Beschluß 87/415/EWG des Rates vom 15. Juni 1987 (ABl. L 226, S. 1) genehmigt wurde, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

    2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Deutschen Shell Aktiengesellschaft (hiernach: Klägerin) und dem Hauptzollamt Hamburg-Harburg (hiernach: Beklagter).

    3 In dem Übereinkommen werden nach Artikel 1 Absatz 1 Bestimmungen für die Warenbeförderung zwischen der Gemeinschaft und den EFTA-Ländern sowie zwischen den einzelnen EFTA-Ländern festgelegt. Zu diesem Zweck wird ein gemeinsames Versandverfahren eingeführt, das für Waren ungeachtet ihrer Art und ihres Ursprungs gilt.

    4 Gemäß Artikel 11 Absatz 1 des Übereinkommens wird die Nämlichkeit der Waren grundsätzlich durch Verschluß gesichert. Nach Artikel 11 Absatz 4 kann die Abgangszollstelle ausnahmsweise vom Verschluß absehen, wenn die Nämlichkeit der Waren durch Beschreiben in der Anmeldung T1 oder T2 oder in den beigefügten Papieren unter Berücksichtigung etwaiger anderer Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung festgestellt werden kann.

    5 Nach Artikel 63 der Anlage II zu dem Übereinkommen können die Zollbehörden jedes Landes bestimmten Versendern bewilligen, daß der Abgangszollstelle weder die Waren gestellt werden noch die Anmeldung zum Versandverfahren dafür vorgelegt wird. In dieser Bewilligung sind unter anderem die zur Nämlichkeitssicherung zu treffenden Maßnahmen festzulegen. Nach Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II können die Zollbehörden vorschreiben, daß die Beförderungsmittel oder die Packstücke vom zugelassenen Versender mit besonderen, von den Zollbehörden zugelassenen Verschlüssen versehen werden.

    6 Mit Artikel 14 des Übereinkommens wird ein Gemischter Ausschuß eingesetzt, der die Aufgabe hat, das Übereinkommen zu verwalten und seine ordnungsgemässe Durchführung sicherzustellen. Gemäß Artikel 15 des Übereinkommens kann der Gemischte Ausschuß Empfehlungen aussprechen und in den Fällen des Artikels 15 Absatz 3 Beschlüsse fassen. Diese Beschlüsse werden von den Vertragsparteien nach ihren eigenen Rechtsvorschriften durchgeführt.

    7 Auf seiner ersten Jahrestagung vom 21. Januar 1988 verabschiedete der Gemischte Ausschuß "Absprachen" über den Verschluß von Waren. Diese "Absprachen" enthalten besondere Bestimmungen für den Warenverkehr mit der Schweiz und Österreich. Danach sind die den Zollverschluß betreffenden Bestimmungen des Übereinkommens strikt und nach bestimmten Modalitäten anzuwenden.

    8 Die Klägerin ist eine zugelassene Versenderin, der bewilligt worden war, ihre Mineralölerzeugnisse auf Schiffen in der Weise zu befördern, daß die Nämlichkeit nicht durch Zollverschluß, sondern durch Beschreiben gesichert wurde. Am 1. November 1988 erließ der Beklagte einen Bescheid, wonach der Klägerin unter anderem die Nämlichkeitssicherung der Waren durch einfaches Beschreiben nur noch gestattet war, i) wenn es sich um Waren handelt, die schwer, sperrig oder zur Beförderung unter Zollverschluß nicht geeignet sind (Tiere), ii) wenn Fahrzeuge aus technischen Gründen nicht verschließbar sind oder iii) wenn eine Eingangszollstelle eines EFTA-Landes Bestimmungszollstelle ist. Dieser Bescheid geht auf eine Dienstanweisung des Bundesministeriums der Finanzen zurück, die auf den "Absprachen" des Gemischten Ausschusses vom 21. Januar 1988 beruht.

    9 Infolge dieses Bescheids muß die Klägerin die zur Beförderung eingesetzten Binnenschiffe mit etlichen Plomben versehen, was eine mehrstuendige Arbeit erfordert und eine automatisierte Abfuellung in der Raffinerie ausschließt.

    10 Die Klägerin legte gegen den Bescheid des Beklagten bei der Oberfinanzdirektion Hamburg Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion erhielt den angefochtenen Bescheid aufrecht. Das hiergegen von der Klägerin angerufene Finanzgericht Hamburg hat folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1) Ist die Entschließung des nach Artikel 14 des Übereinkommens über ein gemeinsames Versandverfahren vom 20. Mai 1987 gebildeten Gemischten Ausschusses für die Mitgliedstaaten verbindlich, nach welcher das Dokument XXI/1367/87 ° EFTA 2 im gemeinsamen Versandverfahren angewendet werden soll? Unterliegt diese Entschließung der Jurisdiktion des Gerichtshofes?

    2) Wenn die Frage 1 zu bejahen ist:

    Ist diese Entschließung gültig?

    3) Wenn die Frage 1 zu verneinen ist:

    Unterliegt das Übereinkommen vom 20. Mai 1987 der Jurisdiktion des Gerichtshofes? Wenn diese Frage zu bejahen ist:

    a) Sind die Artikel 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 des Übereinkommens dahin auszulegen, daß der Gemischte Ausschuß ermächtigt ist, die Entscheidungsbefugnis der Abgangszollstelle, von einem Verschluß abzusehen, dahin einzuengen, daß die Waren stets durch Verschlüsse zu sichern sind, sofern nicht die Eingangszollstelle des EFTA-Staates Bestimmungszollstelle ist oder ein Raumverschluß nicht angelegt werden kann?

    b) Sind die in a genannten Vorschriften dahin auszulegen, daß diese Entscheidung anstelle der Abgangszollstelle auch die oberste Behörde des betreffenden Mitgliedstaates treffen kann?

    4) Wenn die Fragen zu 3 zu bejahen sein sollten:

    Sind die dort genannten Bestimmungen in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit dahin zu verstehen, daß auch bei der Beförderung von Mineralölen in Tankzuegen und Schiffen durch einen nach Anlage II Kapitel II des Übereinkommens zugelassenen Versender ein Verschluß gefordert werden darf?

    11 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der einschlägigen Regelung, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

    12 Die Fragen des Finanzgerichts Hamburg beziehen sich im wesentlichen auf die Auslegung der vom Gemischten Ausschuß getroffenen Absprachen anhand von Artikel 11 Absatz 4 des Übereinkommens und Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II zu dem Übereinkommen. Im Hinblick darauf ist zunächst die zweite Teilfrage der ersten Frage zu behandeln, mit der das vorlegende Gericht wissen will, ob der Gerichtshof für die Auslegung dieser Absprachen zuständig ist.

    Zur zweiten Teilfrage der ersten Frage

    13 Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst im Hinblick auf die im Übereinkommen vorgesehenen Arten von Handlungen zu prüfen, welche Rechtsnatur die Absprachen haben.

    14 Nach Artikel 15 Absatz 1 des Übereinkommens spricht der Gemischte Ausschuß "Empfehlungen aus und fasst in den Fällen nach Absatz 3 Beschlüsse". Nach Artikel 15 Absatz 2 betreffen die Empfehlungen "insbesondere" Änderungen des Übereinkommens mit Ausnahme der Änderungen im Sinne des Absatzes 3 und alle anderen Maßnahmen, die zur Durchführung des Übereinkommens erforderlich sind. In Absatz 3 Buchstaben a bis e sind abschließend die Bereiche aufgezählt, in denen der Gemischte Ausschuß Beschlüsse fassen kann, die nach Absatz 3 Satz 2 von den Vertragsparteien nach ihren eigenen Rechtsvorschriften durchgeführt werden. Die in Absatz 3 vorgesehenen Handlungen sind somit bindende Handlungen, während die Empfehlungen im Sinne von Absatz 2 Buchstabe b nicht bindende Handlungen sind.

    15 Die Absprachen des Gemischten Ausschusses fallen in keinen der in Artikel 15 Absatz 3 des Übereinkommens genannten Bereiche. Ausserdem ergibt sich aus dem Protokoll der Jahrestagung vom 21. Januar 1988, daß der Gemischte Ausschuß selbst diese Maßnahme zur Durchführung des Übereinkommens für erforderlich hielt. Daher ist festzustellen, daß in den Absprachen eine Empfehlung im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens zu sehen ist.

    16 Sodann ist zu prüfen, ob eine nicht bindende Handlung, die auf der Grundlage eines von der Gemeinschaft geschlossenen Übereinkommens vorgenommen wurde, Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist.

    17 Wegen des unmittelbaren Zusammenhangs, in dem sie mit dem Übereinkommen stehen, das sie durchführen, sind die Handlungen der durch ein solches internationales Übereinkommen geschaffenen und mit dessen Durchführung beauftragten Organe Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl. Urteil vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, Randnr. 10). Da die Absprachen des Gemischten Ausschusses als eine Durchführungsmaßnahme nach Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens anzusehen sind, steht diese Empfehlung mit dem Übereinkommen in unmittelbarem Zusammenhang. Folglich sind die Absprachen des Gemischten Ausschusses Teil des Gemeinschaftsrechts.

    18 Nach ständiger Rechtsprechung steht der nicht bindende Charakter einer gemeinschaftsrechtlichen Handlung einer Entscheidung des Gerichtshofes über die Auslegung dieser Handlung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 177 nicht entgegen (vgl. Urteil vom 15. Juni 1976 in der Rechtssache 113/75, Frecassetti, Slg. 1976, 983, Urteil vom 9. Juni 1977 in der Rechtssache 90/76, Van Ameyde, Slg. 1977, 1091, und Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-322/88, Grimaldi, Slg. 1989, 4407, Randnr. 9). Wenn die Empfehlungen des Gemischten Ausschusses auch keine Rechte für den einzelnen begründen können, auf die dieser sich vor den nationalen Gerichten berufen könnte, so sind die nationalen Gerichte dennoch verpflichtet, sie bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen, zumal wenn sie, wie beim Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von Nutzen sind.

    19 Auf die zweite Teilfrage der ersten Frage ist somit zu antworten, daß der Gerichtshof dafür zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Absprachen des durch das Übereinkommen geschaffenen Gemischten Ausschusses zu entscheiden.

    Zur dritten Frage

    20 Mit der Frage 3a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 des Übereinkommens dahin auszulegen sind, daß der Gemischte Ausschuß ermächtigt ist, den Mitgliedstaaten zu empfehlen, daß die Nämlichkeit der Waren durch Verschluß zu sichern ist, wenn die Eingangszollstelle des Mitgliedstaats der EFTA nicht die Bestimmungszollstelle ist.

    21 Wie in Randnummer 15 festgestellt, stellen die Absprachen des Gemischten Ausschusses eine zur Durchführung des Übereinkommens erforderliche Maßnahme im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b dar. Der Zweck der Absprachen besteht darin, die nationalen Zollpraktiken soweit wie möglich aufeinander abzustimmen, um einen zuegigen Warenverkehr zu gewährleisten. Dieser Zweck der Zuständigkeit des Gemischten Ausschusses wird in der ersten Begründungserwägung des Beschlusses des Rates vom 15. Juni 1987 über den Abschluß des Übereinkommens bekräftigt, wonach das gemeinsame Versandverfahren eine Vereinfachung der im Rahmen des Warenverkehrs zwischen der Gemeinschaft und den EFTA-Ländern durchgeführten Warenbeförderungen ermöglichen soll.

    22 Wie sich aus dem Protokoll der Tagung des Gemischten Ausschusses vom 21. Januar 1988 ergibt, führte die Nämlichkeitssicherung der Waren durch Beschreiben dazu, daß der Grenzuebergang zwischen der Gemeinschaft und Österreich sowie der Schweiz erschwert wurde. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, hatte diese Methode der Nämlichkeitssicherung die schweizerischen und österreichischen Zollbehörden veranlasst, vermehrt Stichproben zu nehmen. Angesichts des Ziels, auf einen zuegigeren Grenzuebergang hinzuwirken, und in Anbetracht der Notwendigkeit, eine gleichförmige Zollpraxis bei der Durchführung des Übereinkommens sicherzustellen, hat der Gemischte Ausschuß die Grenzen seiner Aufgabe nicht überschritten, als er auf den allgemeinen Rahmen hinwies, innerhalb dessen Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Verschlusses erteilt werden können.

    23 Auf die Frage 3a ist daher zu antworten, daß es dem Gemischten Ausschuß nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 des Übereinkommens nicht verwehrt ist, zu empfehlen, daß die Nämlichkeit der Waren durch Verschluß zu sichern ist, wenn die Eingangszollstelle des Mitgliedstaats der EFTA nicht die Bestimmungszollstelle ist.

    24 Die Frage 3b geht dahin, ob diese Vorschriften des Übereinkommens dahin auszulegen sind, daß es der obersten Behörde des betreffenden Mitgliedstaats verwehrt ist, an Stelle der Abgangszollstelle die Entscheidung zu treffen.

    25 Nach Artikel 11 Absatz 1 des Übereinkommens wird die Nämlichkeit der Waren grundsätzlich durch Verschluß gesichert. Artikel 11 Absatz 4 ermächtigt die Abgangszollstelle, vom Verschluß abzusehen. Die letztgenannte Vorschrift ist im Zusammenhang mit Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II zu dem Übereinkommen zu sehen, wonach die Zollbehörden im Rahmen der Voraussetzungen für die Verleihung des Status eines zugelassenen Versenders bestimmte Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung vorschreiben können, namentlich die Anbringung besonderer Verschlüsse. Daraus folgt, daß die Abgangszollstelle ihre Befugnis innerhalb des allgemeinen Rahmens auszuüben hat, der von den höheren Zollbehörden des betreffenden Staates vorgeschrieben wird.

    26 Auf die Frage 3b ist daher zu antworten, daß es einer höheren Zollbehörde eines Mitgliedstaats nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II zu dem Übereinkommen nicht verwehrt ist, den allgemeinen Rahmen festzulegen, innerhalb dessen die der Abgangszollstelle verliehene Befugnis, von der Verschlusspflicht zu entbinden, auszuüben ist.

    Zur vierten Frage

    27 Angesichts der Fassung der vierten Frage ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Verfahren nach Artikel 177 EWG-Vertrag nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden kann.

    28 Aufgrund der oben gegebenen Antworten erübrigt sich die Beantwortung der ersten Teilfrage der ersten Frage sowie der zweiten Frage.

    Kostenentscheidung


    Kosten

    29 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

    Tenor


    Aus diesen Gründen

    hat

    DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

    auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschluß vom 3. Mai 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

    1) Der Gerichtshof ist dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Absprachen des Gemischten Ausschusses zu entscheiden, der durch das am 20. Mai 1987 zwischen der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossene Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren geschaffen wurde.

    2) Dem Gemischten Ausschuß ist es nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 des Übereinkommens nicht verwehrt, zu empfehlen, daß die Nämlichkeit der Waren durch Verschluß zu sichern ist, wenn die Eingangszollstelle des Mitgliedstaats der EFTA nicht die Bestimmungszollstelle ist.

    3) Einer höheren Zollbehörde eines Mitgliedstaats ist es nach den Artikeln 11 Absatz 4 und 15 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe d der Anlage II zu dem Übereinkommen nicht verwehrt, den allgemeinen Rahmen festzulegen, innerhalb dessen die der Abgangszollstelle verliehene Befugnis, von der Verschlusspflicht zu entbinden, auszuüben ist.

    4) Der Gerichtshof kann im Verfahren nach Artikel 177 EWG-Vertrag nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden.

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