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Document 61991CC0271

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 26. Januar 1993.
M. Helen Marshall gegen Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority.
Ersuchen um Vorabentscheidung: House of Lords - Vereinigtes Königreich.
Richtlinie 76/207/EWG - Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Schadensersatzanspruch bei Diskriminierung.
Rechtssache C-271/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1993 I-04367

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1993:30

61991C0271

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 26. Januar 1993. - M. HELEN MARSHALL GEGEN SOUTHAMPTON AND SOUTH WEST HAMPSHIRE AREA HEALTH AUTHORITY. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOUSE OF LORDS - VEREINIGTES KOENIGREICH. - RICHTLINIE 76/207/EWG - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN - SCHADENSERSATZANSPRUCH BEI DISKRIMINIERUNG. - RECHTSSACHE C-271/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite I-04367
Schwedische Sonderausgabe Seite I-00315
Finnische Sonderausgabe Seite I-00349


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. In dieser Rechtssache geht es um ein Ersuchen des House of Lords um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen(1) (im folgenden: Richtlinie). Die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Marshall (Klägerin des Ausgangsverfahrens) und der South West Hampshire Area Health Authority (Beklagte des Ausgangsverfahrens; im folgenden: Gesundheitsbehörde).

Artikel 6 der Richtlinie lautet wie folgt:

"Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann."

Vorgeschichte

2. In einem Urteil vom 26. Februar 1986 beantwortete der Gerichtshof eine Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie betreffende Frage, die ihm der Court of Appeal zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte. Dieser Artikel verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, was den Zugang zur Beschäftigung sowie die Arbeitsbedingungen betrifft. Der Gerichtshof entschied, daß die einzelnen Artikel 5 Absatz 1 gegenüber einer als Arbeitgeber handelnden staatlichen Stelle in Anspruch nehmen können, um die Anwendung nationaler Bestimmungen, die mit diesem Artikel unvereinbar sind, auszuschließen(2). Frau Marshall, Opfer einer nach Artikel 5 Absatz 1 verbotenen Diskriminierung, war Klägerin des Ausgangsverfahrens, das zu diesem Urteil geführt hat.

Nach dem Urteil vom 26. Februar 1986 verwies der Court of Appeal den Rechtsstreit an das Industrial Tribunal, das für Fälle von Diskriminierungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zuständige Gericht, zur Bestimmung des Frau Marshall zu gewährenden Entschädigungsbetrags. Noch bevor das Industrial Tribunal über die Klage von Frau Marshall entschieden hatte, zahlte die Gesundheitsbehörde eine Entschädigung von 6 250 UKL. Gemäß Section 65 (2) des englischen Sex Discrimination Act von 1975 (im folgenden: SDA) war dies die höchste Entschädigung, die ein Industrial Tribunal zuerkennen konnte.

Das Industrial Tribunal sprach Frau Marshall jedoch eine Entschädigung von 19 405 UKL zu; diese Summe umfasste Zinsen in Höhe von 7 710 UKL(3) sowie 1 000 UKL als Ersatz des immateriellen Schadens. Nach diesem Urteil zahlte die Gesundheitsbehörde Frau Marshall noch 5 445 UKL, wodurch sich die ihr gewährte Gesamtentschädigung auf 11 695 UKL erhöhte. Die Gesundheitsbehörde legte jedoch Berufung gegen die Zubilligung von 7 710 UKL Zinsen ein; das Employment Appeal Tribunal erklärte die Berufung für begründet.

Gegen diese Entscheidung des Employment Appeal Tribunal legte Frau Marshall beim Court of Appeal wiederum Berufung ein. Diese Berufung wurde jedoch zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, ein Beteiligter könne sich nicht auf eine unmittelbare Wirkung von Artikel 6 der Richtlinie berufen, um zu erreichen daß die in Section 65 (2) SDA festgesetzte Obergrenze nicht zur Anwendung gelange.

3. Schließlich gelangte die Klage von Frau Marshall vor das House of Lords, das dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Wegen des vollständigen Wortlauts dieser Fragen sowie einer eingehenderen Darstellung des Sachverhalts verweise ich auf den Sitzungsbericht.

Obwohl das beim House of Lords eingelegte Rechtsmittel sich ausschließlich auf die Befugnis des Industrial Tribunal bezieht, Zinsen zu gewähren, ergibt sich aus der dem Vorlagebeschluß beigefügten Darstellung des Sachverhalts, daß nach Ansicht des House of Lords auch die in Section 65 (2) SDA festgesetzte Obergrenze Gegenstand des Rechtsstreits ist: "Wenn Section 65 (2) auf den der Klägerin gewährten Schadensersatz anwendbar sein sollte, wäre ihre Zinsforderung damit erledigt, da bereits der Kapitalbetrag ihres Schadens über der gesetzlichen Obergrenze lag" (Punkt 12). Mit anderen Worten, die Gewährung von Zinsen ist vorliegend bereits deswegen unmöglich, weil diese Obergrenze besteht, und nicht nur deshalb, weil das Industrial Tribunal nicht befugt wäre, Zinsen zuzusprechen (eine Unzuständigkeit, die im übrigen nach nationalem Recht nicht eindeutig feststeht; siehe Punkt 8 [5] der Darstellung des Sachverhalts). Angesichts dieser Argumentation schlage ich dem Gerichtshof vor, nicht der Anregung des Vereinigten Königreichs und Irlands zu folgen, lediglich über die Gültigkeit eines etwaigen Verbotes, Zinsen als Schadensersatz zuzuerkennen, zu befinden, sondern auch die Rechtmässigkeit der gesetzlichen Festsetzung einer Obergrenze für Schadensersatz zu untersuchen.

Können sich die einzelnen vor dem innerstaatlichen Gericht auf Artikel 6 der Richtlinie berufen?

4. Ich werde die dritte Vorlagefrage zuerst behandeln. Mit dieser Frage wünscht das House of Lords zu erfahren, ob die Opfer einer nach der Richtlinie verbotenen Diskriminierung sich vor den innerstaatlichen Gerichten und gegenüber den Behörden ihres jeweiligen Mitgliedstaats auf Artikel 6 der Richtlinie berufen können, um zu erreichen, daß die vom nationalen Recht für die Gewährung von Schadensersatz festgesetzten Grenzen nicht zur Anwendung gelangen(4).

5. (Vertikale) unmittelbare Wirkung von Artikel 6, soweit er gerichtliche Rechtsbehelfe vorsieht. Zu der Frage nach der unmittelbaren Wirkung von Artikel 6 der Richtlinie hat sich der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache Johnston(5) geäussert. Der Gerichtshof unterschied innerhalb von Artikel 6 zwei Aspekte: zum einem die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein wirksames Klagerecht vorzusehen, zum anderen die Verpflichtung, auf eine verbotene Diskriminierung mit Sanktionen zu reagieren. Zum ersten Aspekt stellte der Gerichtshof folgendes fest:

"[Randnr. 18] Der in Artikel 6 [der Richtlinie] vorgeschriebene gerichtliche Rechtsschutz ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt. Dieser Grundsatz ist auch in den Artikeln 6 und 13 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ... verankert ...

[Randnr. 19] Nach Artikel 6 der Richtlinie, ausgelegt im Lichte des angeführten allgemeinen Grundsatzes, hat jedermann gegen Handlungen, die nach seiner Ansicht gegen das in der Richtlinie 76/207 aufgestellte Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verstossen, Anspruch auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch ein zuständiges Gericht. Den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der in der Richtlinie vorgesehenen Rechte dient."

"[Randnr. 58] ... Soweit sich ... aus diesem Artikel, ausgelegt im Lichte eines in ihm zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatzes, ergibt, daß jeder, der sich durch eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen für beschwert hält, Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz hat, ist er hinreichend genau und unbedingt, um einem Mitgliedstaat entgegengehalten werden zu können, der seine volle Anwendung in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung nicht sicherstellt."

6. Keine (vertikale) unmittelbare Wirkung von Artikel 6, soweit er erfordert, daß auf Diskriminierungen mit Sanktionen reagiert wird, sondern lediglich Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts ? Was dagegen die Verpflichtung betrifft, auf durch die Richtlinie verbotene Diskriminierungen mit Sanktionen zu reagieren, so hat der Gerichtshof, ebenfalls im Urteil Johnston, entschieden, daß die Richtlinie keinerlei unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung enthalte, auf die sich die einzelnen in Ermangelung fristgemäß erlassener Durchführungsmaßnahmen zu dem Zweck berufen könnten, aufgrund der Richtlinie eine bestimmte Entschädigung zu erhalten, wenn das innerstaatliche Recht eine derartige Rechtsfolge nicht vorsieht oder nicht zulässt(6). Damit bestätigte der Gerichtshof zwei frühere ° in den Rechtssachen Von Colson und Harz(7) erlassene ° Urteile, in denen bereits die gleiche Überlegung begegnet (unten, Nr. 10).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung könnte die Antwort auf die dritte Vorlagefrage lauten, daß das Opfer einer nach der Richtlinie verbotenen Diskriminierung sich ° auch gegenüber einem Mitgliedstaat oder dessen Behörden ° nicht auf Artikel 6 der Richtlinie berufen kann, um zu erreichen, daß das staatliche Gericht die von der nationalen Rechtsordnung aufgestellten Grenzen der Gewährung von Schadensersatz unangewendet lässt. Aus meinen späteren Ausführungen (unten, Nr. 11) ist jedoch ersichtlich, daß ich eine andere Auffassung vertrete.

7. Die vorstehenden Ausführungen bedeuten nicht, daß einzelne, auf die jene Grenzen angewendet werden, der gegenwärtigen Rechtsprechung des Gerichtshof nicht die Möglichkeit entnehmen könnten, sich eines Rechtsbehelfs zu bedienen. In der Tat hat der Gerichtshof den gerichtlichen Rechtsschutz der einzelnen auf andere Wege fühlbar erweitert, namentlich durch die den staatlichen Gerichten auferlegte Verpflichtung zur gemeinschaftskonformen Auslegung ihres inländischen Rechts. Zur näheren Bestimmung dieser Verpflichtung muß ich zunächst die Rechtsprechung des Gerichtshofes in Erinnerung rufen, in der die Normen des Gemeinschaftsrechts, die die Durchsetzung seiner Vorschriften betreffen, klargestellt werden.

Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist, daß die Mitgliedstaaten die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und namentlich seiner Richtlinien zu sichern haben. Das bedeutet, daß sie Verstösse gegen die in den Richtlinien ausgesprochenen Verbote je nach Lage der Dinge straf-, verwaltungs- oder zivilrechtlich mit Sanktionen belegen müssen. Der Gerichtshof gründet diese Verpflichtung auf die Treuepflicht, die den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag obliegt:

"... enthält eine gemeinschaftsrechtliche Regelung keine besondere Vorschrift, die für den Fall eines Verstosses gegen die Regelung eine Sanktion vorsieht, oder verweist sie insoweit auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, so sind die Mitgliedstaaten nach Artikel 5 EWG-Vertrag verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten."(8)

Ebenfalls in bezug auf die streitige Richtlinie hat der Gerichtshof bekräftigt, daß

"wirkliche Chancengleichheit nicht ohne eine geeignete Sanktionsregelung erreicht werden kann. Diese Folgerung ergibt sich nicht nur aus der Zielsetzung der Richtlinie selbst, sondern insbesondere aus ihrem Artikel 6, der dadurch, daß er den Bewerbern um einen Arbeitsplatz, die diskriminiert worden sind, ein Klagerecht einräumt, anerkennt, daß ihnen Rechte zustehen, die sie vor Gericht geltend machen können."(9)

8. Allerdings überlässt Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Richtlinien die Wahl der Form und der Mittel. In bezug auf die in Artikel 6 der Richtlinie ausgesprochene Verpflichtung, Sanktionen vorzusehen, hat der Gerichtshof folgendes ausgeführt:

"Zu solchen Maßnahmen könnten z. B. Vorschriften gehören, die den Arbeitgeber zur Einstellung des diskriminierten Bewerbers verpflichten oder eine angemessene finanzielle Entschädigung gewähren und die gegebenenfalls durch eine Bußgeldregelung verstärkt werden. Allerdings sieht die Richtlinie keine bestimmten Sanktionen vor, sondern überlässt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung geeigneten Lösungen."(10)

Diese Freiheit der Mitgliedstaaten ist jedoch nicht unbegrenzt. Aus der Zielsetzung der Richtlinie wie aus ihrem Artikel 6 folgt nämlich, so der letzte im vorhergehenden Abschnitt (Nr. 7) zitierte Passus, daß die Mitgliedstaaten "eine geeignete Sanktionsregelung" vorsehen müssen. Voraussetzung hierfür ist, wie der Gerichtshof in den Urteilen Von Colson und Harz weiterhin ausgeführt hat,

"daß [die] Sanktion geeignet ist, einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Sie muß ferner eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben. Entscheidet sich der Mitgliedstaat dafür, als Sanktion für den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eine Entschädigung zu gewähren, so muß diese deshalb jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.

Folglich würde eine nationale Rechtsvorschrift, die die Schadensersatzansprüche von Personen, die Opfer einer Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung wurden, auf eine rein symbolische Entschädigung wie etwa die Erstattung ihrer Bewerbungskosten beschränkt, den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie nicht gerecht."(11)

Was strafrechtliche Sanktionen betrifft, so hat der Gerichtshof später klargestellt, daß die Mitgliedstaaten zwar in der Wahl der anzudrohenden Strafen frei sind, daß diese jedoch wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein müssen(12).

9. Weiterhin hat der Gerichtshof entschieden, daß Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht nicht nur mit "hinreichend zwingenden", sondern auch mit "vergleichbaren" Sanktionen belegt, d. h. unter den gleichen materiellen und formellen Voraussetzungen wie entsprechende Verstösse gegen nationales Recht, geahndet werden müssen:

"Ausserdem müssen die nationalen Stellen gegenüber Verstössen gegen das Gemeinschaftsrecht mit derselben Sorgfalt vorgehen, die sie bei der Anwendung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften walten lassen."(13)

Im übrigen müssen nicht nur die eigentlichen Sanktionen, sondern auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften, die zur Auferlegung der Sanktionen führen, den vorerwähnten Kriterien der "hinreichend zwingenden" und der "vergleichbaren" Sanktion genügen. Sie dürfen nicht "ungünstiger [sein] als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet [sein], daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen"(14).

10. Auch wenn sich also die einzelnen, was Sanktionsregelungen betrifft, nicht unmittelbar auf Artikel 6 der Richtlinie berufen können sollten (siehe oben, Nr. 6, aber auch unten, Nr. 11), haben die innerstaatlichen Gerichte in Fällen nicht rechtzeitiger, aber auch unvollständiger oder unkorrekter Umsetzung einer nicht unmittelbar wirkenden Richtlinienbestimmung die in ihrem inländischen Recht vorgesehenen Sanktionen im Einklang mit den sich aus der Richtlinie ergebenden, oben beschriebenen Normen des Gemeinschaftsrechts auszulegen.

Diese Verpflichtung der Gerichte, "unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den [ihnen] das nationale Recht einräumt"(15), die inländischen Rechtsvorschriften, wenn sie später, aber auch wenn sie früher als die Richtlinie erlassen wurden(16), soweit wie möglich so auszulegen, daß sie selbst mit nicht unmittelbar wirkenden Richtlinien im Einklang stehen(17), ist nicht absolut. Sie nötigt die nationalen Gerichte nicht, innerstaatliches Recht wie z. B. eine bestimmte Sanktionsregelung contra legem auszulegen(18). Wohl hat aber der nationale Richter mehrdeutige Bestimmungen ° die es dem Vernehmen nach diejenigen sein sollen, die das Industrial Tribunal daran hindern, Zinsen zuzusprechen(19) ° gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Überdies kann er gehalten sein, falls die Auslegungsregeln seines inländischen Rechts ihm dies gestatten, eine mit der Richtlinie unvereinbare spezielle Sanktionsregelung durch eine eher richtlinienkonforme Sanktionsregelung des (nationalen) allgemeinen Rechts zu ersetzen(20).

11. Dennoch unmittelbare Wirkung der Sanktionsforderung des Artikels 6 der Richtlinie. Die nationalen Gerichte können daher nicht stets veranlasst sein, mittels Auslegung das vom Gemeinschaftsrecht geforderte Ergebnis zu erreichen. Soll daher die Sanktionsforderung von Artikel 6 der Richtlinie hinreichend wirksam sein, so muß sie, ebenso wie das in diesem Artikel ebenfalls aufgestellte Erfordernis der Rechtsschutzgewährung (siehe oben, Nr. 5), als eine Bestimmung angesehen werden, die zumindest den Mitgliedstaaten gegenüber unmittelbar wirkt. Ich glaube, daß hierzu aller Anlaß besteht.

Bereits in seinen Urteilen in den Rechtssachen Von Colson und Harz hat der Gerichtshof ausgeführt, die von der Richtlinie geforderte Chancengleichheit könne nicht ohne eine geeignete Sanktionsregelung erreicht werden (siehe oben, Nr. 7). Überdies kann man der Rechtsprechung des Gerichtshofes entnehmen (siehe oben, Nrn. 8 und 9), welche Kriterien bei der Schaffung einer geeigneten Sanktionsregelung zu berücksichtigen sind. Diese ° hinreichend genauen ° Kriterien leitet der Gerichtshof aus den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts ab. Wie ich meine, steht damit zugleich fest, daß die sich aus der Richtlinie ergebende Sanktionsforderung dank dieser Grundsätze gegenüber den Mitgliedstaaten und deren Behörden unmittelbare Wirkung hat.

In dem in der Rechtssache Johnston ergangenen Urteil wird nämlich im Zusammenhang mit der in Artikel 6 ausgesprochenen Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsschutz vorzusehen, die unmittelbare Wirkung von Artikel 6 anerkannt, da dieser Artikel, "ausgelegt im Lichte eines in ihm zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatzes", hinreichend genau und unbedingt ist, um "einem Mitgliedstaat entgegengehalten werden zu können, der seine volle Anwendung in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung nicht sicherstellt" (oben, Nr. 5). Aus demselben Grund bin ich der Auffassung, daß die Sanktionsforderung des Artikels 6 (siehe oben, Nr. 6) nunmehr auch eine unmittelbare Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten hat, da die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, auf die sich diese Forderung stützt, inzwischen in der oben erörterten Rechtsprechung des Gerichtshofes (und in dem Urteil, mit dem die vorliegende Rechtssache abgeschlossen werden wird) ebenfalls hinreichend genau umschrieben sind(21). Die Haltung, die der Gerichtshof in seinen Urteilen in den Rechtssachen Von Colson, Harz und Johnston eingenommen hat, scheint mir daher insoweit überholt zu sein.

Die Anerkennung einer (vertikalen) unmittelbaren Wirkung auch der in Artikel 6 enthaltenen Sanktionsforderung würde naturgemäß die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts fördern, da es dann nicht mehr von den innerstaatlichen Interpretationsregeln abhängt, ob die staatlichen Gerichte befugt sind, ihr inländisches Recht gemeinschaftskonform auszulegen. Daß eine solche Einheitlichkeit bei der Durchsetzung der sich aus dem Gemeinschaftsrecht für die einzelnen ergebenden Rechte eine grundlegende Forderung der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, hat der Gerichtshof übrigens in seinem Urteil Zuckerfabrik bezueglich der innerstaatlichen Vorschriften über die Aussetzung nationaler Verwaltungshandlungen anerkannt(22). Wie sich gezeigt hat, war der Gerichtshof deshalb in diesem Urteil bereit, die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs nationaler Verwaltungshandlungen durch innerstaatliche Gerichte einheitlich zu umreissen.

12. Während der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache kam folgende Anomalie zur Sprache: Arbeitnehmer, die bei Behörden (in der weiten Bedeutung, die die Rechtsprechung des Gerichtshofes diesem Begriff zuerkennt) beschäftigt sind, können sich gegenüber ihrem Arbeitgeber auf hinreichend genaue und unbedingte Richtlinienbestimmungen berufen ° auch, wie hier, mit dem Ziel, Schadensersatz zu erlangen(23) °, während Arbeitnehmer des privaten Sektors keinen derartigen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber haben. Wie sich aus dem Urteil Harz ergibt(24), können sich die letztgenannten Arbeitnehmer vor den nationalen Gerichten lediglich auf die vorerwähnte Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts berufen.

Für die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache ° in der es um eine Arbeitnehmerin einer Behörde geht ° ist es nicht unbedingt erforderlich, näher auf diesen Punkt einzugehen. Im Interesse der Vollständigkeit sei mir aber die Bemerkung gestattet, daß es der Rechtsprechung des Gerichtshofes meines Erachtens zugute käme, wenn der Gerichtshof hinreichend genauen und unbedingten Richtlinienbestimmungen nunmehr auch eine horizontale Direktwirkung zuerkennen würde. Insgesamt gesehen, bietet die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Frage des im Zusammenhang mit nicht fristgemäß, unvollständig oder unkorrekt umgesetzten Richtlinien den einzelnen zu gewährenden Rechtsschutzes ein zufriedenstellendes Bild. Infolge der Eigenart des richterlichen Rechtsfindungsprozesses, der von Einzelfall zu Einzelfall fortschreitet, ist dieses Bild jedoch nicht frei von Ungereimtheiten und Verzerrungen. Ich nenne drei davon. Erstens führt die weite Auslegung des Begriffes Mitgliedstaat dazu, daß Richtlinienbestimmungen (vertikal) unmittelbar gegenüber öffentlichen, aber nicht gegenüber privaten Einrichtungen und Unternehmungen wirken (obwohl diese mit jenen manchmal im Wettbewerb stehen)(25), obwohl die Säumnis "des" Mitgliedstaats bei der Umsetzung einer Richtlinie weder den einen noch den anderen zugerechnet werden kann. Zweitens nötigt die Verpflichtung, innerstaatliches Recht richtlinienkonform auszulegen, die nationalen Gerichte, bis an den Rand ihrer Möglichkeiten und Befugnisse zu gehen, wenn es der staatliche Gesetzgeber unterlassen hat, die Richtlinie ordnungsgemäß in sein inländisches Recht umzusetzen(26). Das kann zu Problemen hinsichtlich der Abgrenzung der richterlichen Befugnisse in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung führen. Schließlich kann der betroffene Mitgliedstaat nach dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Francovich(27) unter bestimmten Voraussetzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Diese an sich begrüssenswerte Entwicklung ändert jedoch nichts daran, daß Einzelpersonen, die in einem Mitgliedstaaten tätig sind, der die Richtlinie korrekt umgesetzt hat, und somit an die sich für sie aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen gebunden sind, im Verhältnis von Einzelpersonen zu anderen Einzelpersonen (möglicherweise jedem Konkurrenten) benachteiligt sind, die in einem Mitgliedstaaten arbeiten, in dem die Richtlinie noch nicht korrekt umgesetzt wurde.

Ich glaube daß diese Ungereimtheiten und Verzerrungen ausgeräumt werden können, indem man die unmittelbare Wirkung hinreichend genauer und unbedingter Richtlinienbestimmungen auch gegenüber solchen Privatpersonen anerkennt, denen die Richtlinie, wäre sie korrekt durchgeführt worden, Verpflichtungen auferlegt hätte(28).

13. Ergebnis. Aufgrund der vorstehenden Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Vorlagefrage wie folgt zu beantworten. Die einzelnen können sich gegenüber dem Mitgliedstaat und seinen öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen unmittelbar auf das sich aus Artikel 6 der Richtlinie ergebende Sanktionserfordernis berufen, wie es inzwischen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anhand allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts näher umschrieben worden ist. Sollte der Gerichtshof eine derartige unmittelbare Wirkung ablehnen, so ist es dennoch Aufgabe der nationalen Gerichte, ihr innerstaatliches Recht soweit wie möglich im Einklang mit der in Artikel 6 vorgesehenen Sanktionsregelung auszulegen und anzuwenden, so wie dies der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung im einzelnen dargelegt hat.

Ist eine gesetzlich festgelegte Schadensersatzobergrenze mit Artikel 6 der Richtlinie vereinbar ?

14. Nach Section 65 (1) SDA kann ein Industrial Tribunal eine Partei zur Leistung von Schadensersatz verurteilen, wenn es eine Klage wegen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erfolgter Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts für begründet erklärt. Nach Section 65 (2) SDA darf der Betrag dieser Entschädigung jedoch eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten. Als die Klage von Frau Marshall vom Industrial Tribunal geprüft wurde, belief sich dieser Betrag auf 6 250 UKL. Inzwischen wurde er wiederholt erhöht, so daß er sich nunmehr als 10 000 UKL beläuft.

Mit seiner ersten Frage wünscht das House of Lords zu erfahren, ob eine derartige Obergrenze mit Artikel 6 der Richtlinie vereinbar ist. Mit seiner zweiten Frage will es wissen, ob es für die ordnungsgemässe Durchführung dieses Artikels erforderlich ist, daß die zuerkannte Entschädigung nicht unter dem Betrag des tatsächlich erlittenen Schadens liegt und daß sie die Verzinsung des Hauptbetrags vom Zeitpunkt der rechtswidrigen diskriminierenden Handlung bis zum Zeitpunkt der Zahlung der Entschädigung umfasst.

15. Bevor ich diese Fragen beantworte, möchte ich auf das Verhältnis zwischen den beiden vom Gerichtshof festgelegten Kriterien bezueglich der nationalen Rechtsvorschriften über die Sanktionierung der Verletzungen von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts hinweisen. Diese Kriterien habe ich weiter oben (Nr. 9) als das Kriterium der hinreichend zwingenden Sanktion und das Kriterium der Vergleichbarkeit bezeichnet. Beide Kriterien sind kumulativ. Es genügt mit anderen Worten nicht, daß ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht in vergleichbarer Weise geahndet wird wie ein gleichartiger Verstoß gegen nationales Recht, wenn sich herausstellt, daß die für Verletzungen sowohl des Gemeinschaftsrechts als auch des innerstaatlichen Rechts angedrohten Sanktionen keinen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten vermögen oder nicht ausreichend abschrecken und daß sie deshalb nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen. Dies folgt meines Erachtens aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (siehe oben, Nr. 11) dem zufolge ein und derselbe Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht in allen Mitgliedstaaten in hinreichend wirksamer und abschreckender Weise geahndet werden müssen.

Im folgenden will ich diese beiden Kriterien im Zusammenhang mit der vorliegenden Rechtssache nacheinander erörtern.

16. Das Kriterium der hinreichend zwingenden Sanktion. Zu diesem Kriterium hat der Gerichtshof ausgeführt, daß, wenn "sich der Mitgliedstaat dafür [entscheidet], als Sanktion für den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eine Entschädigung zu gewähren ... diese ... jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen [muß]". "Eine rein symbolische Entschädigung wie etwa die Erstattung [der] Bewerbungskosten" erfuellt diese Voraussetzung nicht (siehe den oben am Ende von Nr. 8 zitierten Passus der Urteile in den Rechtssachen Von Colson und Harz).

Aus der Wendung, die für Verstösse gegen das Diskriminierungsverbot vorgesehene Sanktion müsse "in jedem Fall" in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen, scheint die Kommission ableiten zu wollen, daß eine innerstaatliche Regelung, die eine Obergrenze wie diejenige von Section 65 (2) SDA festlegt, den vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien nicht genügen könne. Dieses Vorbringen überzeugt mich nicht(29). Wie die Regierungen Irlands und des Vereinigten Königreichs ausgeführt haben, kann nicht die Absicht bestanden haben, jede Begrenzung des Schadensersatzes kategorisch auszuschließen, um so weniger, als sich herausgestellt hat, daß eine Reihe von ° von der Kommission selbst in ihren Schriftsätzen aufgezählten ° Richtlinien des Rates ebenfalls eine solche Obergrenze vorsehen(30). Mit der Feststellung, die Entschädigung müsse "jedenfalls" dem erlittenen Schaden angemessen sein, will der Gerichtshof im Gegenteil sagen, daß eine rein symbolische Entschädigung nicht ausreicht, was sich im übrigen aus den ° bereits zitierten ° Ausführungen ergibt, die im Text der vorerwähnten Urteile unmittelbar folgen.

17. Daß der Schadensersatz "in einem angemessenen Verhältnis" zum erlittenen Schaden stehen muß, besagt meines Erachtens auch, daß der Gerichtshof ° beim heutigen Stand des Gemeinschaftsrechts und somit in Ermangelung von Bestimmungen zur Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Haftung ° bereit ist, sich mit einer Entschädigung abzufinden, die hinter dem vollständigen Ersatz des Schadens zurückbleibt. Die Entschädigung muß mit anderen Worten in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen, braucht ihm aber nicht genau zu entsprechen.

Diese Betrachtungsweise wird durch das jüngste Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Francovich, in dem es um die Haftung der Mitgliedstaaten für Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht im allgemeinen und die unkorrekte Umsetzung einer Richtlinie im besonderen ging, nicht widerlegt, sondern im Gegenteil bestätigt. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Aspekt hat der Gerichtshof in diesem Urteil einige einheitliche Mindestvoraussetzungen für die Haftung von Mitgliedstaaten aufgestellt. Eine hiervon ist "[das Bestehen eines Kausalzusammenhangs] zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem den geschädigten entstandenen Schaden"(31). Dieser Äusserung lassen sich jedoch keine einheitlichen Regeln über Art oder Umfang des Schadens entnehmen. Der Gerichtshof betont im Gegenteil ausdrücklich, daß es "mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung Sache der Mitgliedstaaten ist, im Rahmen ihres inländischen Haftungsrechts die Folgen des verursachten Schadens zu beseitigen"(32). Dies gilt im besonderen, wie sich aus der anschließenden Randnummer des Urteils ergibt, für die "im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen". Allerdings wird hierzu festgestellt, daß diese Regelungen "nicht ungünstiger sein [dürfen] als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und ... nicht so ausgestaltet sein [dürfen], daß sie es praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren, die Entschädigung zu erlangen"(33).

Die letztgenannten einschränkenden Bedingungen, die das Urteil Francovich den nationalen Haftungsregelungen auferlegt, unterscheiden sich im wesentlichen nicht von den obengenannten Kriterien der "Vergleichbarkeit" und der "hinreichend zwingenden Sanktion"(34). Was das letzte der hier untersuchten Kriterien betrifft, so entspricht die Feststellung des Urteils Francovich meines Erachtens der oben dargelegten Auffassung, wonach eine "angemessene Entschädigung" ° ich wiederhole: beim heutigen Stand des Gemeinschaftsrechts ° nicht notwendigerweise eine vollständige Entschädigung sein muß. Die Zuerkennung einer "angemessenen Entschädigung" ist meines Erachtens nicht so beschaffen, daß sie "es praktisch unmöglich macht, die Entschädigung zu erlangen". Der Umstand, daß eine (vorliegend spezifische) nationale Regelung eine angemessene (anstelle einer vollständigen) Entschädigung vorsieht, kann nämlich als eine "im Schadensersatzrecht des betroffenen Mitgliedstaats festgelegte materielle Voraussetzung" angesehen werden, für die das Urteil Francovich auf die internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verweist. Da eine solche angemessene Entschädigung, wie sie nachstehend näher beschrieben wird, die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens nicht "praktisch unmöglich" macht, genügt sie daher den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts(35).

18. Beim heutigen Stand der Gemeinschaftsregelung scheint mir daher die Festsetzung von Entschädigungsobergrenzen durch den nationalen Gesetzgeber nicht mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar zu sein. Voraussetzung ist allerdings, daß die Grenze hoch genug angesetzt ist, um die Sanktion nicht ihrer "zweckdienlichen verhältnismässigen und abschreckenden" Natur zu berauben und nicht dazu zu führen, daß sie nicht "in einem angemessenen Verhältnis" zu dem durch Verstösse normalerweise verursachten Schaden steht.

Ich glaube jedoch, daß ich nicht bei dieser allgemeinen Untersuchung stehen bleiben darf. Um besser gewährleisten zu können, daß die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens, für die sich ein Mitgliedstaat entschieden hat, in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden steht, muß sie so beschaffen sein, daß der Schaden unter Berücksichtigung der wichtigsten Schadensbestandteile ausgeglichen wird, die das Haftungsrecht üblicherweise heranzieht. Ich denke hier an den Verlust materieller Vermögensaktiva (damnum emergens), entgangene Einnahmen (lucrum cessans), immateriellen Schaden und durch Zeitablauf entstandenen Schaden(36). Auf den letztgenannten Schadensfaktor werde ich im folgenden ausführlicher zu sprechen kommen.

Was diese vier Schadensbestandteile betrifft, so bedeuten meine bisherigen Ausführungen nicht, daß nationale Rechtsvorschriften, die nicht ausdrücklich für jeden dieser Bestandteile eine Entschädigung vorsehen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar wären. Ich bin jedoch der Ansicht, daß der nationale Richter bei seiner Beurteilung der Frage des angemessenen Verhältnisses der Entschädigung zum Schaden jeden dieser Bestandteile zu berücksichtigen hat. Es ist in Ermangelung einer genauen Gemeinschaftsregelung seine Aufgabe, sich ein konkretes Urteil darüber zu bilden, welche Entschädigung angesichts der Grenzen, die sein inländisches Recht der Wiedergutmachung zieht, angemessen ist. Ist die Begrenzung so beschaffen, daß möglicherweise einer der vier Schadensbestandteile (soweit sie auf die Art des fraglichen Verstosses zutreffen) nicht oder nicht nennenswert ausgeglichen wird, so kann von der Entschädigung insgesamt gesehen nicht behauptet werden, sie stehe in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden.

19. Im vorliegenden Fall hat das Industrial Tribunal den Frau Marshall tatsächlich entstandenen Schaden mit 19 405 UKL angesetzt, wovon 1 000 UKL auf immateriellen Schaden, 8 220 UKL auf Lohn- oder Gehaltseinbussen, 2 475 UKL u. a. auf Renteneinbussen und 7 710 UKL auf die Verzinsung der finanziellen Verluste entfielen. Was diese Zinsen betrifft, so geht es, soweit ersichtlich, um Zinsen, die zwischen dem Zeitpunkt der rechtswidrigen Diskriminierung und dem Datum des Urteils des Industrial Tribunal (21. Juni 1988) angefallen sind.

Die höchste Entschädigung, die Frau Marshall gemäß Section 65 (2) erhalten konnte, belief sich auf 6 250 UKL, was ungefähr einem Drittel des Schadens einschließlich der bis zum Urteil des Industrial Tribunal angefallenen Zinsen oder der Hälfte des Schadens abzueglich der Zinsen entspricht. Ein solcher Betrag ist ohne Zweifel nicht rein symbolisch. Aber ob die zur Anwendung gelangte Obergrenze auch eine in angemessenem Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehende Entschädigung zulässt, wie Artikel 6 der Richtlinie dies fordert, wage ich zu bezweifeln. Der genannte Betrag schließt in der Tat entweder den Ausgleich mindestens eines der vorerwähnten Bestandteile aus, nämlich die Gesamtheit der bis zur Entscheidung des Tribunal angefallenen Zinsen (und erst recht der Zinsen für den späteren Zeitraum; siehe hierzu unten, Nr. 26), oder er schließt den Ersatz der drei anderen Schadensbestandteile aus.

Ein weiteres Indiz dafür, daß die zur Anwendung gelangte Obergrenze keine angemessene Entschädigung gestattet, erblicke ich auch in der von der Gesundheitsbehörde billigkeitshalber vorgenommenen zusätzlichen Zahlung von 5 445 UKL. Dank dieser zusätzlichen Zahlung steht die Entschädigung vielleicht im vorliegenden Fall in einem angemessenen Verhältnis zu dem bis zum Datum des Urteils des Industrial Tribunal entstandenen Schadens (nämlich im Verhältnis von fast 2 zu 3), aber nicht deswegen, weil dies die Folge der gesetzlichen Obergrenze wäre. Ein anderes Indiz für die Unzulänglichkeit der im Zeitpunkt der maßgeblichen Geschehnisse geltenden Sanktionsregelung ließe sich daraus ableiten, daß Personen, die im gegenwärtigen Zeitpunkt im Vereinigten Königreich in diskriminierender Weise entlassen werden, über wichtige neue Rechtsmittel verfügen(37).

20. Das Kriterium der Vergleichbarkeit. Wie bereits ausgeführt, sind dieses Kriterium und das vorstehend genannte kumulativ zu prüfen. Es besagt, daß, wenn für vergleichbare Verstösse gegen nationales Recht eine höhere ° z. B. eine vollständigere ° Entschädigung vorgesehen ist als die vom Gemeinschaftsrecht geforderte angemessene Entschädigung, diese höhere Entschädigung auch bei Verstössen gegen das Gemeinschaftsrecht zum Zuge kommen muß. Um feststellen zu können, ob die britische Regelung nicht (auch) in diesem Punkt mangelhaft ist, müssen wir uns dem Sanktionssystem zuwenden, das der SDA im Zeitpunkt der maßgeblichen Ereignisse vorsah.

Während sich die Richtlinie lediglich mit der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen befasst, gilt der SDA auch für andere Sachgebiete. So scheint es, daß ein Vermieter, der nur mit Personen eines bestimmten Geschlechts Verträge zu schließen wünscht, aufgrund des SDA, nicht aber aufgrund der Richtlinie verurteilt werden kann. Obwohl der SDA sich somit auf mehrere Sachgebiete erstreckt, unterscheidet er, was die Sanktionen betrifft, zwischen Diskriminierungen im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses und sonstigen Diskriminierungen. Für die Diskriminierungen der erstgenannten Art ist das Industrial Tribunal zuständig(38), das Schadensersatz nur bis zur einer gesetzlich festgelegten Hoechstgrenze zusprechen kann und ausserdem nicht die Befugnis, jedenfalls nicht eine gesetzlich festgelegte Befugnis, besitzt, eine Verzinsung zuzubilligen. Andere Diskriminierungen können vor einem County Court verfolgt werden, der die gleichen Sanktionen verhängen kann wie der High Court(39), was konkret bedeutet, daß es keine gesetzliche Obergrenze für etwaige Entschädigungen gibt und daß eine Verzinsung gewährt werden kann(40). Für diese anderen Diskriminierungen gilt somit der Grundsatz des vollständigen Schadensersatzes(41).

21. Auf den ersten Blick könnte man hieraus folgern, daß das Vereinigte Königreich Verletzungen des Gemeinschaftsrechts (Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts im Rahmen von Arbeitsverhältnissen) weniger energisch entgegentritt als Verletzungen gleichartigen innerstaatlichen Rechts (Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts auf anderen Sachgebieten). Eine solche Folgerung ist meines Erachtens nicht gerechtfertigt. Es gibt nämlich eine triftige Erklärung für die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Unterscheidung: Die 1965 geschaffenen Industrial Tribunals entscheiden über alle Klagen wegen unbilliger Entlassung ("unfair dismissal"), eines durch den Employment Protection (Consolidation) Act 1978 eingeführten, gesetzlich näher bestimmten Delikts ("statutory tort"). So befindet ein Industrial Tribunal auch über Klagen wegen rassischer Diskriminierung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen; der Schadensersatz, der in derartigen Fällen gewährt werden kann, unterliegt Hoechstgrenzen, die mit denen der Section 65 (2) SDA übereinstimmen(42).

Anstatt sich für ein Rechtssystem zu entscheiden, nach dem ein und dasselbe Gericht über sämtliche Klagen wegen Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts (gleichgültig, ob sie Arbeitsverhältnisse oder sonstige Sachgebiete betrifft) befindet, hat der britische Gesetzgeber ein System gewählt, nach dem über alle Klagen wegen unbilliger Entlassung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen auf der Grundlage spezifischer materiell- und verfahrensrechtlicher Vorschriften von ein und demselben Gericht entschieden wird. Es geht hier um unbillige Entlassungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, gleichgültig, ob die Entlassung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder sonstiger unzulässiger Kriterien diskriminierend ist oder ob sie aus anderen Gründen unerlaubt ist, sowie ohne Rücksicht darauf, ob die Klage auf innerstaatliches oder auf Gemeinschaftsrecht gestützt wird. Beide Optionen erscheinen mir gleichwertig. Aus der Wahl, die das Vereinigte Königreich getroffen hat, lässt sich daher nicht folgern, daß Verletzungen des Gemeinschaftsrechts in diesem Land mit weniger wirksamen Sanktionen bedroht wären als Verletzungen entsprechenden innerstaatlichen Rechts.

Was das Kriterium der Vergleichbarkeit angeht, so komme ich daher zu dem Schluß, daß die in Section 65 (2) SDA festgesetzte Obergrenze der Entschädigung nicht im Widerspruch zu Artikel 6 der Richtlinie steht.

Ist das etwaige Fehlen der Befugnis, Zinsen zuzusprechen, mit Artikel 6 der Richtlinie vereinbar ?

22. In der dem Vorlageersuchen beigefügten Darstellung des Sachverhalts heisst es, daß "das Industrial Tribunal während des maßgebenden Zeitraums nicht befugt war ° oder zumindest aus den einschlägigen Vorschriften des britischen Rechts nicht eindeutig hervorging, ob es befugt war °, die Verzinsung des Betrages des wegen rechtswidriger Diskriminierung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu leistenden Schadensersatzes anzuordnen oder dem Betroffenen Zinsen als Bestandteil dieses Schadensersatzes zuzusprechen".

Zunächst möchte ich daran erinnern, daß ein nationales Gericht, das feststellt, daß sein innerstaatliches Recht nicht eindeutig ist, dieses Recht in jedem Fall so auszulegen und anzuwenden hat, daß es mit den Bestimmungen von Richtlinien, vorliegend mit Artikel 6 der Richtlinie, im Einklang steht. Daß diese Verpflichtung auch für innerstaatliches Recht gilt, das bereits vor dem Erlaß der Richtlinie bestand und ein Sachgebiet betrifft, das später von der Richtlinie erfasst wurde, steht fest (siehe oben, Nr. 10). Die Verpflichtung gilt auch, wenn Artikel 6 der Richtlinie, was die Sanktionen betrifft, keine (vertikale, geschweige denn horizontale) unmittelbare Wirkung haben sollte. Hat die in Artikel 6 niedergelegte Sanktionsregelung dagegen unmittelbare Wirkung, wie oben (Nrn. 11 ff.) angenommen, so muß eine zu diesem Artikel in Widerspruch stehende Regelung naturgemäß in jedem Fall unangewendet bleiben.

23. Ausgleichszinsen oder gerichtlich festgesetzte Zinsen. Wie aus dem im vorhergehenden Abschnitt zitierten Passus hervorgeht, betrifft die Vorlagefrage die Verzinsung "des Betrages des Schadensersatzes" oder "die Zubilligung von Zinsen" als Bestandteil des Schadensersatzes. In der Tat wünscht das House of Lords unter b seiner zweiten Vorlagefrage zu erfahren, ob es die korrekte Durchführung von Artikel 6 der Richtlinie erfordert, daß der zu gewährende Schadensersatz die Verzinsung des Hauptbetrags vom Zeitpunkt der rechtswidrigen Diskriminierung bis zum Zeitpunkt der Zahlung der Entschädigung umfasst.

Bei der Beantwortung dieser Frage müssen meines Erachtens zwei Zeitabschnitte und folglich zwei Arten von Zinsen auseinandergehalten werden. Einerseits gibt es die Zinsen ° im folgenden als gerichtlich festgesetzte Zinsen bezeichnet °, die in der Regel(43) vom Datum des Urteils (soweit dieses gegebenenfalls von der höheren Instanz bestätigt wird) an zu laufen beginnen, das den Betrag der zu diesem Zeitpunkt geschuldeten Entschädigung festsetzt. Hier handelt es sich um Zinsen auf den vom Gericht in seinem Urteil festgesetzten Entschädigungsbetrag. Auf der anderen Seite gibt es die Zinsen ° im folgenden als Ausgleichszinsen bezeichnet °, die einen Bestandteil der für das begangene Unrecht gewährten Gesamtentschädigung bilden, die, wie bereits ausgeführt, vom Gericht festgesetzt wird. Ob solche Zinsen geschuldet werden, hängt davon ab, in welchem Umfang der Richter, der über die Höhe des Schadens befindet, die Entwicklung dieses Schadens bis zum Datum der Verkündung seiner Entscheidung (in der ersten und gegebenenfalls in der höheren Instanz) berücksichtigen konnte. Schließt er die Berechnung des Schadens mit einem früheren Datum ab, z. B. weil ihm zuverlässige Angaben fehlen, die es ihm gestatten würden, den bis zum Datum seiner Entscheidung entstandenen Schaden zu bestimmen, oder weil, wie im vorliegenden Fall, der erlittene Schaden ausschließlich einen Zeitraum betrifft, der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits (seit langem) verstrichen war(44), so muß er ° wie es das Industrial Tribunal vorliegend getan hat ° dem Betrag des erlittenen Schadens Zinsen für die Zeit bis zum Erlaß seiner Entscheidung hinzufügen. Hier handelt es sich um als Bestandteil des Schadens zugebilligte Zinsen.

Ich betone diesen Unterschied, da ich der Meinung bin, daß die Antwort auf die Vorlagefrage je nachdem verschieden ausfallen muß, um welche Art von Zinsen es sich handelt. Bevor ich auf diesen Punkt eingehe, möchte ich zunächst kurz untersuchen, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofes Hinweise zur Frage der Gewährung von Zinsen enthält(45).

24. Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Frage der Zuerkennung von Zinsen. Zunächst richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Rechtsprechung zur Frage der Zubilligung von Zinsen in Verfahren nach Artikel 178 und 215 EWG-Vertrag. Diese gesicherte Rechtsprechung lässt keine Zweifel an der Zulässigkeit eines Antrags auf Zuerkennung von Zinsen bestehen. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Sofrimport folgendes festgestellt:

"Da dieser Antrag die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 betrifft, ist über ihn im Lichte der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze zu entscheiden, auf die diese Bestimmung verweist. Hiernach ist eine Zinsforderung im allgemeinen zulässig. Gemäß den Kriterien, auf die der Gerichtshof in ähnlichen Rechtssachen abgestellt hat, entsteht die Verpflichtung zur Zinszahlung am Tag des vorliegenden Urteils, da dieses die Verpflichtung zum Schadensersatz feststellt ..."(46)

Dieses Urteil lässt offen, ob es um Ausgleichszinsen oder um gerichtlich festgesetzte Zinsen im Sinne meiner bisherigen Ausführungen geht. Meines Erachtens handelt es sich um eine Mischung aus beiden (und somit um Verzugszinsen im allgemeinen(47)), da die Verzinsung mit dem Datum des Urteils zu laufen beginnt, das die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz feststellt, also mit einem Tag, der in Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Artikel 215 nicht notwendigerweise mit dem Tag zusammenfällt, an dem der Gerichtshof selbst ° in Ermangelung einer Einigung der Parteien über den Schadensbetrag ° den Umfang des Schadens feststellt.

Zu bemerken ist noch, daß die Höhe der zuerkannten Zinsen in der zitierten Rechtsprechung schwankt. Anfangs wurde ein Zinssatz von 6 % angewendet; später wurde der Satz in dem obenerwähnten Urteil in der Rechtssache Sofrimport (Randnr. 32) auf 8 % erhöht. In dem bereits in der Fußnote erwähnten Urteil Mulder (Randnr. 35) wurde weiter ausgeführt, daß "höchstens ... der im Klageantrag geltend gemachte Satz" festzusetzen ist. In einem anderen Fall, in dem es um die Aussetzung der Vollstreckung gemäß Artikel 39 EGKS-Vertrag ging (also nicht um eine Forderung aufgrund der Artikel 178 und 215 EWG-Vertrag), machte der Präsident die Aussetzung von folgender Bedingung abhängig:

"Die Vollstreckung ... wird gegen Stellung einer Bankbürgschaft, die die Zahlung der ... Geldbusse nebst eventuellen Verzugszinsen in Höhe von ° im Rahmen dieses Beschlusses ° 1 % über dem Diskontsatz der Banque de France garantiert, ... ausgesetzt."(48)

25. Obwohl die Rechtsprechung des Gerichtshofes in Beamtensachen Fälle betrifft, die nach der besonderen Regelung des Beamtenstatuts zu entscheiden sind, möchte ich sie nicht gänzlich unbeachtet lassen, da in ihr auch andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zur Anwendung gelangen.

So ergibt sich aus diesen Urteilen namentlich, daß, was die Zuerkennung von Zinsen betrifft, Billigkeitsüberlegungen eine Rolle spielen können. Bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1978(49) entschied der Gerichtshof z. B., daß

"[Randnr. 35] es angebracht [erscheint], die Verzugszinsen ab 1. September 1968 zu berechnen", und daß schließlich

"[Randnr. 37] ... die Anwendung eines Zinssatzes von 8 % jährlich für Verzugszinsen in den genannten Jahren zur Berechnung des Schadensersatzes unter den gegebenen Umständen, namentlich angesichts des pauschalen Charakters dieses Satzes und der erheblichen Verzögerung, mit der diese Unfallangelegenheit erledigt wurde, gerechtfertigt [erscheint]" (Hervorhebung durch mich).

Diese Urteile bestätigen überdies, daß eine Partei, die aufgrund einer Entscheidung des Gerichtshofes einen Anspruch auf Entschädigung hat, auch Verzugszinsen beanspruchen kann. Die Kommission erwähnt in diesem Zusammenhang die Rechtssache Samara(50). Diese Rechtssache betraf eine vom Gerichtshof durch Urteil vom 15. Januar 1985(51) für nichtig erklärte Entscheidung der Kommission über die Einstufung einer Beamtin in eine bestimmte Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe. Die Kommission führte das Urteil lediglich teilweise und mit Verzögerung durch, weshalb der Gerichtshof Frau Samara mit Urteil vom 17. Februar 1987 Verzugszinsen auf die Gehaltsdifferenz zuerkannte, auf die sie mit Rücksicht auf ihre neue Einstufung in eine höhere Besoldungsgruppe Anspruch hatte:

"[Randnr. 9] Unter diesen Umständen verlangt eine ordnungsgemässe Ausführung des Urteils, um die Betroffene in die Lage zurückzuversetzen, in der sie sich rechtmässigerweise hätte befinden müssen, daß der Schaden berücksichtigt wird, der ihr dadurch entstanden ist, daß diese Wiederherstellung erst nach einem mehr oder weniger langen Zeitraum erfolgte und sie nicht über die Summen verfügen konnte, die ihr zu deren normalen Fälligkeitszeitpunkten zustanden. Der Klägerin sind daher Verzugszinsen zu gewähren, die pauschal auf 8 % jährlich jeweils ab Fälligkeitszeitpunkt bis zur Ausgleichszahlung festgesetzt werden."

26. Obligatorische Zuerkennung von Zinsen bei der Anwendung von Artikel 6 der Richtlinie? Die oben erörterte Rechtsprechung des Gerichtshofes beweist jedenfalls, daß es nach Gemeinschaftsrecht zulässig ist, Zinsen mit Rücksicht auf die Zeit zuzuerkennen, die seit dem Zeitpunkt, in dem die die Verpflichtung zur Entschädigung begründende Rechtswidrigkeit gerichtlich festgestellt wurde, also sicher seit dem Urteil, das den Schadensbetrag festgestellt hat, verstrichen ist. Aber besteht eine Verpflichtung, Zinsen zuzusprechen ?

In diesem Punkt ist die Unterscheidung zwischen Ausgleichszinsen und gerichtlich festgesetzten Zinsen von Bedeutung. Ich wende mich zunächst letzteren zu (zu denen sich das Industrial Tribunal nicht geäussert hat). Aus der in Artikel 6 der Richtlinie verankerten Verpflichtung, Rechtsschutz zu gewähren ° die nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des Gerichtshofes in jedem Fall unmittelbar gegenüber den Mitgliedstaaten wirkt, siehe oben, Nr. 5 °, ergibt sich meines Erachtens, daß gerichtliche Zinsen unverkürzt vom Datum der Entscheidung an zu gewähren sind, mit der das erste mit der Sache befasste Gericht den Betrag des erlittenen Schadens festgestellt hat, soweit diese Entscheidung später endgültig bestätigt wird. Was diese Art von Zinsen angeht, so kann sich daher niemand auf eine gesetzlich festgelegte Obergrenze des Schadensbetrags berufen. Wie der Gerichtshof in seinem bereits zitierten Urteil in der Rechtssache Johnston (siehe oben, Nr. 5) ausgeführt hat, ist nämlich "der in Artikel 6 [der Richtlinie] vorgeschriebene gerichtliche Rechtsschutz ... Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes"; hiernach "hat jedermann ... Anspruch auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch ein zuständiges Gericht" gegen die nach der Richtlinie verbotenen Diskriminierungen. Nun, dieser gemeinschaftsrechtliche Grundsatz fordert meines Erachtens ebenfalls, daß, soweit die nationale Rechtsordnung es jemandem gestattet, gegen die Entscheidung des in erster Instanz tätig werdenden Gerichts Rechtsmittel einzulegen, der Betroffene in der Lage sein muß, hiervon Gebrauch zu machen, ohne finanzielle Nachteile zu erleiden. Das bedeutet, daß er für die Verzögerung der Auszahlung des Schadensbetrags, die die Folge der Einlegung des Rechtsmittels ist, entschädigt werden muß. Anders zu entscheiden, würde darauf hinauslaufen, daß eine Partei, die eine Entschädigung einklagt, finanziell "bestraft" würde, wenn sie sich dafür entschiede, ein Rechtsmittel gegen eine richterliche Entscheidung einzulegen, die ihr Begehren nicht erfuellt, und sich möglicherweise veranlasst sehen würde, aus anderen als rechtlichen Gründen auf ein solches Rechtsmittel zu verzichten. Anders zu entscheiden, würde auch bedeuten, daß die in erster Instanz zur Leistung von Schadensersatz verurteilte Prozesspartei in jedem Fall ermutigt würde, wegen des finanziellen Vorteils, den sie daraus ziehen kann, ein Rechtsmittel einzulegen.

Im vorliegenden Fall sind diese Überlegungen besonders relevant. Bereits in seinem Urteil vom 26. Februar 1986 hat der Gerichtshof Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie so ausgelegt, daß sich hieraus auf eine zu Lasten von Frau Marshall begangene Diskriminierung schließen ließ. Infolgedessen verwies der Court of Appeal die Rechtssache am 22. Juli 1986 an das Industrial Tribunal zur Entscheidung über den zuzuerkennenden Schadensersatz zurück. Am 21. Juni 1988 setzte das Industrial Tribunal den Schadensersatzbetrag auf 19 405 UKL fest. Dieser Betrag wurde später vom Court of Appeal unter Anwendung der gesetzlichen Obergrenze herabgesetzt, soweit er nicht bereits von der Gesundheitsbehörde ausgezahlt worden war (siehe oben, Nr. 2). Um die Anwendung dieser gesetzlichen Obergrenze geht es vorliegend. Sollte sich herausstellen, daß die Obergrenze zu Unrecht herangezogen wurde, so würde meines Erachtens mit absoluter Sicherheit feststehen, daß der Betrag, um den die Entschädigung zu Unrecht gekürzt wurde, verzinst werden muß (es sei denn, der infolge der Verzögerung der Auszahlung entstandene Schaden würde in einer späteren gerichtlichen Entscheidung oder in sonstiger Weise ausgeglichen), und zwar mit Wirkung vom Zeitpunkt der Entscheidung des Industrial Tribunal.

27. Damit ist allerdings die Vorlagefrage, wie sie das House of Lords formuliert hat, nur zum Teil beantwortet. Diese Frage bezieht sich nämlich auf alle Zinsen, die für den Zeitraum vom Datum der rechtswidrigen Diskriminierung bis zum Datum der Auszahlung geschuldet werden. Deshalb muß ich noch auf die Frage eingehen, inwieweit das Gemeinschaftsrecht die Verpflichtung enthält, dem Betroffenen Ausgleichszinsen als Bestandteil des durch das erstinstanzliche Gericht festgestellten Schadens zu gewähren. Wie bereits ausgeführt, stellen die 7 710 UKL, die das Industrial Tribunal der Klägerin als Zinsen zugesprochen hat, derartige Ausgleichszinsen dar. Sie betreffen nämlich den von Frau Marshall bis zum Datum der Entscheidung des Tribunal erlittenen Schaden.

Diese Zinsen sind im vollen Wortsinn ein Bestandteil des Schadens, den Frau Marshall infolge und seit der festgestellten Diskriminierung bis zur Bemessung dieses Schadens durch das Industrial Tribunal erlitten hat. Bezueglich dieses Schadens habe ich vorhin allgemein ausgeführt, daß eine vom innerstaatlichen Gesetzgeber angeordnete Begrenzung des Schadensersatzes, namentlich weil sie es nicht gestattet, einen wichtigen Schadensbestandteil durch die Gewährung von Ausgleichszinsen wiedergutzumachen, das Opfer der Diskriminierung nicht in der von Artikel 6 der Richtlinie geforderten angemessenen Weise zu entschädigen vermag.

28. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch ein Wort zum Zinssatz sagen. Grundsätzlich handelt es sich hier in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften um eine von den innerstaatlichen Gerichten zu entscheidende Frage. Um als angemessene Entschädigung gelten zu können, müssen die zugesprochenen Zinsen allerdings dem Kaufkraftverlust entsprechen, den der Berechtigte durch den Zeitablauf erlitten hat. Das bedeutet meines Erachtens, daß der Zinssatz von Land zu Land verschieden sein kann, da er an die Inflationsrate des betroffenen Landes und das dort übliche Entgelt für die Überlassung von Kapital geknüpft ist.

Schlußfolgerung

29. Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des House of Lords in der Reihenfolge zu beantworten, in der ich sie erörtert habe, und zwar wie folgt:

1) Stellt sich heraus, daß die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats keine angemessene Sanktionsregelung enthalten, wie sie sowohl die Zielsetzung als auch Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 verlangt, so können Personen, die das Opfer einer nach der Richtlinie verbotenen Diskriminierung geworden sind, sich jedenfalls gegenüber den Behörden des betroffenen Mitgliedstaats unmittelbar auf Artikel 6 berufen.

2) Sehen die nationalen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Zahlung einer Entschädigung als rechtlich zwingenden Ausgleich zugunsten der Opfer von nach der Richtlinie 76/207/EWG verbotenen Diskriminierungen vor, so verstösst der Mitgliedstaat beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht schon dadurch automatisch gegen seine Verpflichtung zur Durchführung von Artikel 6 der Richtlinie, daß er in seinen Rechtsvorschriften eine Obergrenze für Entschädigungsleistungen vorsieht.

3) Eine derartige Obergrenze ist jedoch mit Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG unvereinbar, wenn sie zur Folge hat, daß die Entschädigung bei Berücksichtigung der wichtigsten Entschädigungsbestandteile, darunter der Ausgleichszinsen, nicht in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden steht. Weiterhin darf eine derartige Obergrenze nicht dazu führen, daß Verletzungen des Gemeinschaftsrechts weniger wirksam geahndet werden als Verletzungen entsprechenden innerstaatlichen Rechts.

4) Die in Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG enthaltene Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz, auf die sich die einzelnen unmittelbar berufen können, bedeutet, daß, falls ein Rechtsmittel eingelegt wurde, gerichtlich festzusetzende Zinsen von dem Zeitpunkt des Urteils an geschuldet werden, in dem das in erster Instanz entscheidende Gericht den Betrag des erlittenen Schadens festsetzt, soweit dieses Urteil später endgültig bestätigt wird.

(*) Originalsprache: Niederländisch.

(1) ° ABl. 1976, L 39, S. 40.

(2) ° Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (Marshall, Slg. 1986, 723).

(3) ° Im Tatbestand des Beschlusses des House of Lords wird von 7 700 UKL Zinsen gesprochen. Ich entnehme jedoch Punkt 11 des Tatbestands, wo von einem Betrag von 5 445 UKL als Saldo des der Klägerin vom Industrial Tribunal zugesprochenen Hauptbetrags die Rede ist, daß hier ein offensichtlicher Irrtum vorliegt. In ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen nennen im übrigen sowohl die Kommission als auch die Regierung des Vereinigten Königreichs einen Betrag von 7 710 UKL.

(4) ° Daß sich die einzelnen unter bestimmten Voraussetzungen vor den staatlichen Gerichten gegenüber den öffentlichen Behörden unmittelbar auf die Vorschriften einer Richtlinie berufen können, hat der Gerichtshof bereits 1982 entschieden. Siehe das Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25).

(5) ° Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84 (Slg. 1986, 1651). Siehe auch das Urteil vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens, Slg. 1987, 4097, Randnr. 14).

(6) ° Urteil Johnston, Randnr. 58.

(7) ° Urteile vom 10. April 1984 in den Rechtssachen 14/83 (Von Colson, Slg. 1984, 1891, Randnr. 27) und 79/83 (Harz, Slg. 1984, 1921, Randnr. 27).

(8) ° Siehe die Urteile vom 21. September 1989 in der Rechtssache 68/88 (Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnr. 23), vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache C-326/88 (Hansen, Slg. 1990, I-2911, Randnr. 17) und vom 2. Oktober 1991 in der Rechtssache C-7/90 (Vandevenne, Slg. 1991, I-4371, Randnr. 11). Ein Ansatz zu dieser Rechtsprechung lässt sich bereits im Urteil vom 2. Februar 1977 in der Rechtssache 50/76 (Amsterdam Bulb, Slg. 1977, 137, Randnrn. 32 und 33) finden.

(9) ° Urteile in den Rechtssachen Von Colson und Harz, a. a. O., Randnr. 22; siehe auch Randnr. 15.

(10) ° Urteile Von Colson und Harz, a. a. O., Randnr. 18.

(11) ° Urteile Von Colson und Harz, a. a. O., Randnrn. 23 und 24.

(12) ° Siehe die oben in Fußnote 8 zitierten Urteile in den Rechtssachen Kommission/Griechenland, Randnr. 24, Hansen, Randnr. 17, und Vandevenne, Randnr. 11.

(13) ° Urteile Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnrn. 24 und 25, Hansen, a. a. O., Randnr. 17, und Vandevenne, a. a. O., Randnr. 11. Obwohl diese Urteile strafrechtliche Sanktionen betreffen, gilt das Kriterium der Vergleichbarkeit ohne Einschränkung auch für zivilrechtliche Sanktionen; siehe das Urteil vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357, Randnr. 43).

(14) ° Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90 (Emmott, Slg. 1991, I-4269, Randnr. 16).

(15) ° Urteile Von Colson und Harz, a. a. O. Randnr. 28.

(16) ° Urteil vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89 (Marleasing, Slg. 1990, I-4135).

(17) ° Allerdings unter Beachtung allgemeiner Rechtsgrundsätze wie der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rückwirkungsverbots; siehe das Urteil vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Randnr. 13).

(18) ° Siehe Y. Galmot und J. C. Bonichot, La Cour de justice des Communautés européennes et la transposition des directives en droit national , Revü fr. droit adm. 1988, 1, insbesondere S. 20 ff.

(19) ° So Punkt 8 (5) der oben (Nr. 3) zitierten Darstellung des Sachverhalts.

(20) ° So das deutsche Gericht (Arbeitsgericht Hamm) in seinem aufgrund des Urteils in der Rechtssache Von Colson erlassenen Urteil vom 6. September 1984: siehe Der Betrieb 1984, S. 2700.

(21) ° Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, daß die Tragweite von gesetzlichen Bestimmungen des nationalen Rechts unter Berücksichtigung der Auslegung zu beurteilen ist, die die nationalen Gerichte der betreffenden Bestimmung geben; siehe das kürzlich ergangene Urteil vom 16. Dezember 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-132/91, C-138/91, C-139/91 (Katsikas u. a., Slg. 1992, I-6577, Randnr. 39); vgl. auch das Urteil vom 16. April 1991 in der Rechtssache C-347/89 (Eurim-Pharm, Slg. 1991, I-1747, Randnr. 19).

(22) ° Urteil vom 21. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-143/88 und C-92/89 (Zuckerfabrik, Slg. 1991, I-415, Randnrn. 25 ff).

(23) ° Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89 (Foster, Slg. 1990, I-3313, Randnr. 22).

(24) ° In der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt hat, war die Diskriminierung, gegen die sich die Klägerin wandte, von einer privatrechtlichen Gesellschaft, genauer gesagt, von einer deutschen GmbH begangen worden.

(25) ° Siehe u. a. das bereits erwähnte Urteil Foster.

(26) ° Siehe zu den Problemen, die sich hieraus in Großbritannien ergeben, G. de Búrca, Giving effect to European Community Directives , The Modern Law Review, 1992, S. 215-240.

(27) ° Siehe oben, Fußnote 13.

(28) ° Im gleichen Sinne F. Emmert, Horizontale Drittwirkung von Richtlinien? Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende , Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht ° EWS, 1992, S. 56 ff. Dieser Artikel widerlegt die irrige Auffassung, daß, wenn man den Richtlinien eine horizontale Direktwirkung von dem Augenblick an zubilligte, in dem die für ihre Umsetzung festgesetzte Frist abgelaufen sei, nicht aber schon vorher, dies die in Artikel 189 EWG-Vertrag vorgenommene Unterscheidung zwischen Verordnungen und Richtlinien verwischen würde.

(29) ° Die Wahl des Wortes jedenfalls ( in elk geval , in any event , en tout cas ) scheint mir keinesfalls das gleiche zu besagen wie die Wendungen in jedem Einzelfall ( in ieder [afzonderlijk] geval , in each [particular] case , dans chaque cas [particulier] ).

(30) ° Es handelt sich um die Richtlinien 80/897/EWG vom 20. Oktober 1980 (ABl. 1980, L 283, S. 23), 85/374/EWG vom 25. Juli 1985 (ABl. 1985, L 210, S. 29) und 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 (ABl. 1990, L 158, S. 59), die jeweils die Ansprüche der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, die Produkthaftung und Pauschalreisen betreffen.

(31) ° Urteil in der Rechtssache Francovich und Bonifaci (zitiert in Fußnote 13, Randnr. 40).

(32) ° A. a. O., Randnr. 42.

(33) ° A. a. O., Randnr. 43.

(34) ° Das ist übrigens nur logisch. Die von Artikel 6 der Richtlinie geforderte Sanktionsregelung lässt sich in der Tat als lex specialis ° nämlich was die Entschädigung für nach der Richtlinie verbotene Diskriminierungen betrifft ° im Verhältnis zu der Haftung aufgrund des Urteils Francovich ansehen, die ° genauer gesagt, weil sie die nicht ordnungsgemässe Umsetzung von Richtlinien betrifft ° die lex generalis darstellt.

(35) ° Dies ändert nichts daran, daß die innerstaatlichen Rechtsordnungen, wie dies auch Artikel 215 EWG-Vertrag tut, zumeist im Wege einer allgemeinen Vorschrift die Verpflichtung zur vollständigen (oder so gut wie vollständigen, siehe Fußnote 41) Schadensersatz vorsehen. Ich meine jedoch, daß das Gemeinschaftsrecht bei seinem heutigen Stand einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegensteht, die für spezielle Schadensersatzforderungen eine gesetzliche Grenze vorsieht, vorausgesetzt, daß die in meinen Ausführungen dargelegten Kriterien der hinreichend zwingenden und der vergleichbaren Sanktion beachtet werden.

(36) ° Nach der dem Vorlagebeschluß beigefügten Darstellung des Sachverhalts sind die ordentlichen Gerichte befugt, eine Vergütung für immateriellen Schaden ( injury to feelings ) zu gewähren sowie Zinsen zuzusprechen.

(37) ° Den Ausführungen des Vereinigten Königreichs ° denen insoweit kein anderer Beteiligter widersprochen hat ° lässt sich insbesondere entnehmen, daß die Betroffenen nunmehr auch die Wiedereinstellung verlangen können. Kommt der Arbeitgeber der entsprechenden Empfehlung eines Gerichts nicht nach, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigung bis zu 10 650 UKL.

(38) ° Section 63 (1) SDA.

(39) ° Section 66 (4) SDA.

(40) ° Nach den schriftlichen Erklärungen der Kommission können sowohl das Industrial Tribunal wie auch die County Courts auch andere Arten von Sanktionen verhängen (z. B. die Wiedereinstellung der diskriminierten Person anordnen; eine solche Anordnung ergeht allerdings nur selten).

(41) ° Der Grundsatz der vollständigen Entschädigung (oder so gut wie vollständigen Entschädigung. Denn es bleiben Unterschiede zwischen den nationalen Rechtssystemen bestehen, z. B. hinsichtlich des Ersatzes von immateriellen oder unvorhersehbaren Schäden) ist, wie mir scheint, ein den Mitgliedstaaten gemeinsames Rechtsinstitut. Das ändert nichts daran, daß in allen Ländern und auch im Gemeinschaftsrecht selbst (siehe Fußnote 30) aus verschiedenen Gründen für bestimmte Schadensersatzansprüche Beschränkungen bestehen, wie dies im Vereinigten Königreich für die vorliegend streitigen Rechtsvorschriften zutrifft. Allein der Gemeinschaftsgesetzgeber kann auf diesem Gebiet eine stärkere Einheitlichkeit schaffen.

(42) ° Siehe Section 54 des Race Relations Act 1976.

(43) ° Ich sage in der Regel , weil mitunter auch die Meinung vertreten wird, die gerichtlich festgesetzten Zinsen begännen am Tag der Einreichung der Klageschrift zu laufen.

(44) ° Der vom Industrial Tribunal festgestellte Vermögensschaden umfasste hauptsächlich, von den Zinsen abgesehen den Frau Marshall entgangenen Arbeitslohn für den Zeitraum zwischen ihrer diskriminierenden Entlassung im Alter von 62 Jahren und dem Zeitpunkt, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollendet (d. h. das Lebensjahr, in dem sie pensionsberechtigt sein würde, wenn die Diskriminierung nicht stattgefunden hätte), sowie die durch die vorzeitige Entlassung bewirkte Pensionseinbusse.

(45) ° In meinen bisherigen Ausführungen habe ich den Ausdruck Verzugszinsen vermieden. Dieser Ausdruck hat allgemeinere Bedeutung. Er umfasst nämlich beide obengenannten Zinsarten, die Ausgleichszinsen wie die gerichtlich festgesetzten Zinsen, und bezieht sich auf alle mit Rücksicht auf die ° vor oder nach der gerichtlichen Entscheidung ° abgelaufene Zeit zuerkannten Zinsen.

(46) ° Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88 (Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnr. 32), später bestätigt durch das Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder u. a., Slg. 1992, I-3061, Randnr. 35). Siehe zuvor auch die Urteile vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78 (Ireks-Arkady/Rat und Kommission, Slg. 1979, 2955, Randnr. 20), vom 4. Oktober 1979 in den verbundenen Rechtssachen 241/78, 242/78, 245/78 bis 250/78 (DGV/Rat und Kommission, Slg. 1979, 3017, Randnr. 22), vom 4. Oktober 1979 in den verbundenen Rechtssachen 261/78 und 262/78 (Interquell und Stärke-Chemie/Rat und Kommission, Slg. 1979, 3045, Randnr. 23), vom 4. Oktober 1979 in den verbundenen Rechtssachen 64/76 und 113/76, 167/78 und 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79 (Dumortier Frères/Rat, Slg 1979, 3091, Randnr. 25), vom 19. Mai 1982 in den verbundenen Rechtssachen 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79 (Dumortier Frères/Rat, Slg. 1982, 1733, Randnr. 11), vom 18. Mai 1983 in der Rechtssache 256/81 (Pauls Agriculture/Rat und Kommission, Slg. 1983, 1707, Randnr. 17), und vom 13. November 1984 in den verbundenen Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80, 267/80, 5/81, 51/81 und 282/82 (Birra Wührer/Rat und Kommission, Slg. 1984, 3693, Randnr. 37).

(47) ° Siehe Fußnote 45.

(48) ° Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 5. Juli 1983 in der Rechtssache 78/83 R (Usinor/Kommission, Slg. 1983, 2183, Punkt 1 des Tenors).

(49) ° Urteil vom 16. März 1978 in der Rechtssache 115/76 (Leonardini/Kommission, Slg. 1978, 735).

(50) ° Urteil vom 17. Februar 1987 in der Rechtssache 21/86 (Samara/Kommission, Slg. 1987, 795).

(51) ° Urteil vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 266/83 (Samara/Kommission, Slg. 1985, 189).

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