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Document 61991CC0250

    Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 22. Oktober 1992.
    Société Hewlett Packard France gegen Directeur général des douanes.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal d'instance de Paris 7ème - Frankreich.
    Nacherhebung von Zöllen.
    Rechtssache C-250/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 I-01819

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1992:404

    61991C0250

    Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 22. Oktober 1992. - SOCIETE HEWLETT PACKARD FRANCE GEGEN DIRECTEUR GENERAL DES DOUANES. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL D'INSTANCE DE PARIS 7EME - FRANKREICH. - NACHERHEBUNG VON ZOELLEN. - RECHTSSACHE C-250/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite I-01819


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. Die Vorlagefrage des Tribunal d' instance du septième arrondissement Paris betrifft die Auslegung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet(1), hilfsweise von Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben(2).

    2. Ich werde den Sachverhalt, der dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegt, kurz zusammenfassen; wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Sitzungsbericht.

    Die Firma Hewlett Packard France (im folgenden: HP-France) führte während des Dreijahreszeitraums von 1986 bis 1988 Computertastaturen mit Ursprung in Singapur nach Frankreich ein. Gestützt auf eine der deutschen Tochtergesellschaft von Hewlett Packard von der Oberfinanzdirektion München erteilte "verbindliche" Tarifauskunft meldete HP-France diese Tastaturen zum Zweck ihrer Überführung in den freien Verkehr unter der Tarifposition 84.55 C ("Einzelteile von Computern") an.

    Für unter diese Position fallende Waren wurde eine Zollaussetzung gewährt(3). HP-France wurde von der Zahlung der entsprechenden Abgaben freigestellt.

    Aufgrund einer später durchgeführten Kontrolle teilten die französischen Zollbehörden HP-France mit, die in Rede stehenden Tastaturen hätten in die Position 84.53 B ("Computereinheiten") eingestuft werden müssen; die für 1986 geschuldeten Abgaben würden daher nacherhoben(4).

    Unter Berufung auf das geltende Gemeinschaftsrecht beantragte die Firma HP-France bei den Zollbehörden, sie von jeder Strafmaßnahme freizustellen und die sie betreffenden Vorgänge der Kommission zu übermitteln, um aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 eine Nichtnacherhebungsentscheidung zu erwirken. Da die französischen Behörden nicht antworteten, erhob HP-France vor dem Tribunal d' instance du septième arrondissement Paris Klage auf Nichtigerklärung der stillschweigenden Entscheidung, mit der ihr Antrag auf Nichtnacherhebung der in Rede stehenden Zölle zurückgewiesen worden war.

    3. Dieses Gericht hat daraufhin dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgetragenen Umstände, nämlich das Vorliegen einer bindenden Auskunft der Oberfinanzdirektion München, die die in Rede stehenden Waren in die Position 84.55 C eingestuft hatte, sowie das Fehlen von Einwänden des französischen Zolls gegen diese Einstufung (und dies, obwohl auf sämtlichen Einfuhranmeldungen die angemeldete Position neben der korrekten handelsüblichen Bezeichnung der Ware vermerkt war), der Klägerin einen Anspruch auf Nichtnacherhebung der streitigen Zölle gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79, hilfsweise auf Erlaß der Einfuhrabgaben aufgrund von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 verleihen.

    Zunächst sei daran erinnert, daß der Gerichtshof, wenn er aufgrund von Artikel 177 zu entscheiden hat, nicht befugt ist, das Gemeinschaftsrecht auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern sich darauf zu beschränken hat, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts die Hinweise für die Auslegung zu geben, die es diesem gestatten, den Rechtsstreit zu entscheiden(5). Der Gerichtshof hat mit anderen Worten, wenn er mit Fragen befasst wird, die über seine Zuständigkeit nach Artikel 177 hinausgehen, aus der Gesamtheit der von dem vorlegenden Gericht gelieferten Informationen, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Punkte des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen(6).

    Im vorliegenden Fall muß die gestellte Frage dahin verstanden werden, daß das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Voraussetzungen von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79, hilfsweise von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79, erfuellt sind, wenn sich ein Unternehmen für die Zwecke der tariflichen Einstufung auf eine (bindende) unrichtige Auskunft gestützt hat, die seiner Schwestergesellschaft von den zuständigen Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde, und/oder wenn die für die Nacherhebung der Abgaben zuständigen Zollbehörden gegen diese tarifliche Einstufung keinerlei Einwendungen erhoben haben.

    4. Nach dieser Klarstellung sei zunächst darauf hingewiesen, daß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 die Entscheidung der zuständigen Behörden, von einer Nacherhebung des Betrags der geschuldeten Abgaben abzusehen, von drei Voraussetzungen abhängig macht, die sämtlich erfuellt sein müssen: die "Nichterhebung [muß] auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen [sein]"; "dieser Irrtum [konnte] vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden"; der Schuldner muß "gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet" haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die genannte Vorschrift ferner "so auszulegen ..., daß der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf hat, daß von einer Nacherhebung abgesehen wird, wenn alle Voraussetzungen dieser Vorschrift erfuellt sind"(7).

    Die erste von der söben zitierten Bestimmung aufgestellte Voraussetzung geht also dahin, daß die Nichterhebung der Abgaben auf einem Irrtum der zuständigen Behörden beruhen muß. In dieser Hinsicht ist daher festzustellen, ob als "Irrtum der zuständigen Behörden" anzusehen ist: a) ein Irrtum, der nicht den für die Nacherhebung zuständigen Behörden anzulasten ist, sondern den Behörden eines anderen Mitgliedstaats. die der Schwestergesellschaft der betroffenen Firma die unrichtige (bindende) Auskunft erteilt haben; b) der Umstand, daß die für die Erhebung zuständigen Behörden keinerlei Einwände gegen die Einstufung der Tastaturen erhoben haben, obwohl ein Vergleich zwischen der angemeldeten Position und der ausdrücklich angegebenen handelsüblichen Bezeichnung der Ware, um die es geht, es gestattet hätte, den Widerspruch festzustellen.

    5. Zu Punkt a ist zunächst zu bemerken, daß der Wortlaut von Artikel 5 Absatz 2 den Schluß nahelegt, daß im Hinblick auf eine etwaige Nichtnacherhebung lediglich ein Irrtum der für die Erhebung zuständigen Behörden erheblich ist. Einer derart einschränkenden Auslegung steht jedoch die Rechtsprechung des Gerichtshofes entgegen, der in seinem Urteil in der Rechtssache Mecanarte(8) ausgeführt hat, als zuständige Behörde im Sinne der fraglichen Bestimmung sei "jede Behörde [anzusehen], die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Gesichtspunkte beiträgt, die bei der Erhebung von Zöllen zu berücksichtigen sind und so beim Abgabenschuldner ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen können", was "insbesondere für die Zollbehörden des Ausfuhrmitgliedstaates [gilt], die bei der Zollanmeldung tätig werden".

    Der Gerichtshof hat somit anerkannt, daß auch ein Irrtum anderer als der für die Erhebung zuständigen Zollbehörden berücksichtigt werden kann. Es trifft zu, daß es sich, wie aus der vorerwähnten Entscheidung hervorgeht, um einen Irrtum handeln muß, der bei der Zollerhebung zu berücksichtigen und daher geeignet ist, bei dem betroffenen Unternehmen ein berechtigtes Vertrauen entstehen zu lassen. Nach Auffassung der Kommission ist diese Voraussetzung vorliegend nicht erfuellt, da die in Rede stehende Auskunft nicht HP-France, sondern ihrer deutschen Schwestergesellschaft erteilt worden sei, die allein sich somit hierauf berufen könne.

    Es liegt nun aber auf der Hand, daß sich allein die deutsche Tochtergesellschaft von Hewlett Packard auf die "bindende" Auskunft als solche berufen kann: Sie ist somit die einzige Person, die Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 für sich in Anspruch nehmen kann, wonach die Nacherhebung von Zollabgaben verboten ist, wenn die Berechnung, auf die es ankommt, auf der Grundlage von Informationen vorgenommen wurde, die für die Behörden, die sie geliefert haben, bindend sind. In unserem Fall geht es dagegen darum, ob andere Wirtschaftsteilnehmer als der Adressat der Auskunft sich für die Zwecke der Anwendung von Artikel 5 Absatz 2 der genannten Verordnung auf die Auskunft berufen können.

    Bevor diese Frage beantwortet wird, halte ich es für nützlich, auf die Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 des Rates vom 20. Juni 1990 über die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten Auskünfte über die Einreihung von Waren in der Zollnomenklatur(9) hinzuweisen; diese Verordnung hat auf dem in Rede stehenden Sachgebiet eine Harmonisierung vorgenommen und sieht u. a. vor, daß die Kommission in einer Durchführungsverordnung feststellt, daß eine in einem Mitgliedstaat erteilte bindende Auskunft in allen anderen Staaten die gleichen Rechtswirkungen hervorruft, d. h. auch die zuständigen Behörden aller anderen Mitgliedstaaten bindet. Diese Entwicklung der Gesetzgebung erklärt sich durch die Absicht, eine diskriminierende Behandlung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets zu verhindern, und geht von der offensichtlich zutreffenden Prämisse aus, daß die Einstufung einer Ware nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden sein darf. Unter diesem Gesichtspunkt meine ich, daß, wenn die Kommission eine derartige Durchführungsregelung getroffen haben wird, vernünftigerweise nicht mehr bestritten werden kann, daß ein Irrtum der zuständigen Zollbehörden eines Mitgliedstaates auch für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer relevant ist, so daß diese sich ° vorausgesetzt, die anderen Voraussetzungen von Artikel 5 Absatz 2 sind erfuellt ° hierauf berufen können, um eine Nacherhebung zu ihren Lasten abzuwenden.

    Demnach ist festzustellen, daß die im maßgeblichen Zeitpunkt geltende Regelung es nicht gestattete, den Irrtum der zuständigen deutschen Zollbehörden als "Irrtum" der zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 anzusehen.

    6. Ich gehe daher zur Prüfung der Frage über, ob es als Irrtum der zuständigen Behörden angesehen werden kann, daß diese keinerlei Einwände gegen die von dem betroffenen Unternehmen für die Waren angegebene Zollposition erhoben haben. Wie dem Urteil in der Rechtssache Foto-Frost(10) zu entnehmen ist, können, wenn der Zoll nach den ungeprüften Angaben in der Zollerklärung berechnet wurde, eine spätere Überprüfung dieser Anmeldung und eine Berichtigung des Betrages der festgesetzten Abgaben vorgenommen werden, doch ist die Nichterhebung der Abgaben dann als auf einen Irrtum der Zollbehörden zurückgehend anzusehen, wenn die nachträgliche Überprüfung im Vergleich zu den in der Zollerklärung enthaltenen Angaben keine neuen Tatsachen erkennen lässt. Mit anderen Worten, es genügt für das Vorliegen eines im Hinblick auf die Nichtnacherhebung relevanten Irrtums der zuständigen Behörden, daß diese trotz der Bedeutung und der Anzahl der von dem betroffenen Unternehmen getätigten Geschäfte die von diesem vorgenommene Einstufung nicht anhand der in der Zollerklärung enthaltenen Angaben beanstandet haben.

    Dies wird, wenn auch nur mittelbar, durch Artikel 2 der hier anwendbaren Richtlinie 82/57/EWG(11) bestätigt, wonach die Anmeldung "die Warenbezeichnung ... in so genauer Form [enthalten muß], daß die Zollstelle sofort und eindeutig festsellen kann, ob die Waren tatsächlich zu der in der Anmeldung angegebenen Tarifstelle gehören"(12). Unstreitig enthalten aber sämtliche von HP-France eingereichten Zollanmeldungen neben der Angabe der angemeldeten Waren den ausdrücklichen Vermerk "Tastaturen"; ebenso ist unbestritten, daß die fraglichen Einfuhren während eines verhältnismässig langen Zeitraums stattgefunden haben, ohne daß die Zollbehörden den geringsten Einwand gegen die angegebene Tarifposition erhoben hätten. Hieraus folgt, daß die Nichterhebung der Zölle ° die im übrigen während des Zeitraums, in dem sich die maßgebenden Tatsachen zugetragen haben, überhaupt nicht hätten erhoben werden dürfen ° mit Sicherheit auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen ist.

    7. Wenden wir uns nunmehr der zweiten Voraussetzung des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1679/97 zu, wonach es sich um einen Irrtum handeln muß, der vom Abgabenschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Hierzu sei zunächst daran erinnert, daß es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes Sache des innerstaatlichen Gerichts ist, festzustellen, ob diese Voraussetzung erfuellt ist, wobei die Art des Irrtums, die fachliche Erfahrung des Unternehmers und die Sorgfalt, mit der er vorgegangen ist, zu berücksichtigen sind(13). Der Gerichtshof hat jedoch den innerstaatlichen Gerichten eine Reihe von Gesichtspunkten genannt, die bei einer solchen Feststellung heranzuziehen sind.

    Was die Art des Irrtums betrifft, so hat er klargestellt, daß zu prüfen ist, ob die Regelung, um die es sich handelt, hinreichend einfach oder aber komplex ist. In einem Fall wie dem vorliegenden kommt man nicht um die Feststellung herum, daß gerade die Tatsache, daß es angesichts der Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten über die tarifliche Einstufung der "Tastaturen" und somit zu dem Zweck, die einheitliche Anwendung der Kombinierten Nomenklatur zu gewährleisten, erforderlich war, ad hoc eine Verordnung(14) zu erlassen, die letzten Endes die Tarifposition, in die die fraglichen Waren einzustufen sind, "vorgeschrieben" hat, ein wichtiges Indiz zum einen für die komplexe Natur des zu lösenden Problems(15), zum anderen dafür darstellt, daß dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann(16).

    Was weiterhin die fachliche Erfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers angeht, so hat der Gerichtshof herausgestellt, daß zu prüfen ist, ob es sich um einen gewerbsmässig tätigen Unternehmer handelt und "ob er in der Vergangenheit Geschäfte dieser Art durchgeführt hat, für die die Zölle richtig berechnet wurden"(17). Gewiß ist HP-France ein gewerbsmässig tätiges Unternehmen, zumal der Firma, wie die Kommission selbst ausführt, die Vergünstigung eines vereinfachten Abfertigungsverfahrens gewährt wurde; wie aber aus den Akten hervorgeht, hat die Firma die in Rede stehenden Waren stets unter der gleichen Tarifposition, nämlich der Position 84.55 C, eingeführt, solange die französischen Behörden diese Einstufung nicht beanstandeten.

    8. Kommen wir schließlich zur dritten Voraussetzung, wonach der Wirtschaftsteilnehmer gutgläubig gehandelt und die geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben muß. Wie aus der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes hervorgeht(18), hat der Zollanmelder gegenüber den Zollbehörden alle im Gemeinschaftsrecht sowie gegebenenfalls in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die dieses Recht ergänzen oder umsetzen, vorgesehenen erforderlichen Angaben zu machen. Wie der Gerichtshof selbst festgestellt hat(19), kann diese Verpflichtung indessen sicherlich nicht über die Vorlage von Daten hinausgehen, die der Anmelder vernünftigerweise kennen und sich beschaffen kann, so daß es genügt, wenn diese Daten, auch wenn sie unrichtig sein sollten, gutgläubig geliefert wurden.

    HP-France hat nun zwar die Waren korrekt angegeben, nicht aber deren tarifliche Einstufung, da sich die Firma auf eine bindende Auskunft gestützt hat, die die zuständige deutsche Zollbehörde ihrer Schwestergesellschaft erteilt hatte. Im übrigen war die angeführte Tarifposition klar und ausdrücklich neben der Bezeichnung der fraglichen Waren vermerkt, so daß die Zollbehörden die mangelnde Übereinstimmung mit der angeführten Tarifposition sofort und unzweideutig hätten feststellen können und müssen.

    Was weiterhin im besonderen das Erfordernis der Gutgläubigkeit betrifft, so scheint mir, daß diese vernünftigerweise in einem Fall nicht in Zweifel gezogen werden kann, in dem der betroffene Wirtschaftsteilnehmer zur Zeit der maßgebenden Vorgänge auch dann keinen Zoll hätte entrichten müssen, wenn er die streitigen Waren unter die Tarifposition eingereiht hätte, die sich später als die richtige herausgestellt hat. Ich vermag mich auch nicht der Auffassung der Kommission anzuschließen, daß HP-France in jedem Falle bei den französischen Zollbehörden einen "avis de classement" hätte erwirken müssen, um der in Rede stehenden Voraussetzung zu genügen. Es bedarf kaum des Hinweises, daß die einschlägigen Vorschriften es den Unternehmen nicht zur Pflicht machen, einen solchen Bescheid einzuholen; es handelt sich vielmehr um ein Verfahren, von dem der Wirtschaftsteilnehmer Gebrauch machen kann (und muß), wenn er Zweifel über die tarifliche Einstufung einer Ware hegt.

    9. Die Ergebnisse, zu denen wir gelangt sind, erübrigen die Prüfung der Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden die in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79 aufgestellten Voraussetzungen für einen Erlaß der Abgaben erfuellt sind. Der Vollständigkeit halber und für den Fall, daß sich der Gerichtshof der vorgeschlagenen Lösung nicht anschließen sollte, erscheint es mir jedoch angebracht, eine solche Prüfung vorzunehmen. Hierbei ist zunächst hervorzuheben, daß meiner Meinung nach ein Antrag auf Erlaß von buchmässig erfassten, aber noch nicht entrichteten Abgaben nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 sehr wohl zugleich mit einem Antrag auf Nichtnacherhebung gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 gestellt werden kann. Die beiden Verordnungen schließen einander in der Tat nicht aus, sondern erfassen unterschiedliche Sachverhalte; nichts hindert daher einen Wirtschaftsteilnehmer daran, am gleichen Tag zwei Anträge zu stellen und hierbei geltend zu machen, falls ihm kein Anspruch auf Nichtnacherhebung zugestanden werde, habe er jedenfalls ein Recht auf Erlaß der (an sich nachzuerhebenden) Abgaben.

    Nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79 können Eingangsabgaben bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden, "sofern der Beteiligte nicht fahrlässig oder in betrügerischer Absicht gehandelt hat". Die französische Regierung vertritt die Auffassung, der vorliegende Sachverhalt falle überhaupt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1430/79, der die Fälle regele, in denen die Behörden eine Erstattung oder einen Erlaß von Eingangsabgaben gewährten, weil diese Abgaben zu Unrecht erhoben oder unrichtig berechnet worden seien, während im vorliegenden Fall die Abgaben hätten erhoben werden müssen, aber nicht erhoben worden seien. In Wahrheit hat es die Verordnung aber nicht nur mit Fällen zu tun, in denen eine Zollschuld nicht bestand oder ein höherer Betrag als der gesetzlich geschuldete erhoben wurde; insbesondere ist zu betonen, daß Artikel 13 eine ganze Reihe von Fällen betrifft, in denen sich nachträglich erweist, daß die Erhebung der Abgaben nicht begründet oder jedenfalls unbillig war.

    10. Als erstes sei bemerkt, daß der uns beschäftigende Fall nicht unter die in Artikel 4 der Verordnung Nr. 3799/86 der Kommission vom 12. Dezember 1986(20) aufgezählten "typischen" Sachverhalte subsumiert werden kann, bei deren Vorliegen die Erstattung oder der Erlaß von Eingangsabgaben gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 zulässig ist. Weiterhin trifft zu, daß für andere denkbare Fälle ein Verfahren der Beurteilung von Fall zu Fall vorgesehen ist; mir scheint jedoch, daß es nach der inneren Logik des Systems ausgeschlossen ist, sich auf Artikel 13 zu berufen, um sich der Anwendung von Entscheidungen zu entziehen, die die Nacherhebung von gesetzlich geschuldeten, aber nicht entrichteten Abgaben anordnen, mit Ausnahme eben des Falles, daß solche Abgaben, wären sie tatsächlich im rechtlich vorgesehenen Zeitpunkt entrichtet worden, anschließend die Voraussetzungen für eine Erstattung erfuellt hätten. Unbestritten hätte aber HP-France, wenn sie die Tastaturen unter der Position angemeldet hätte, die sich später als die richtige herausgestellt hat, keine Abgaben entrichtet, weil diese Waren in den Grenzen eines aufgegliederten Plafonds eine Vorzugsbehandlung genossen.

    In Wahrheit wurde die festgesetzte Grenze für den Tarifplafonds des Jahres 1986 im Laufe des Jahres 1987 überschritten, wie sich ohne weiteres der Tatsache entnehmen lässt, daß die Kommissionsverordnung, die die Zollpflicht wieder in Kraft setzte, am 4. Mai 1987 erlassen wurde; das bedeutet, daß die Erhebung oder besser Nacherhebung des Zolls lediglich diejenigen Einfuhren betraf und betrifft, die tatsächlich im Laufe des Jahres 1986 getätigt worden waren, deren Regularisierung aber erst nach dem 4. Mai 1987 erfolgt ist. Genau dies trifft für HP-France zu.

    Eine derartige Sachlage kann jedoch, will man nicht die Gültigkeit des ganzen Systems in Frage stellen, nicht als eine "besondere" angesehen werden, da sie ja ausdrücklich in Artikel 13 der vorerwähnten Verordnung Nr. 3599/85 des Rates vorgesehen ist, der die Kommission gerade ermächtigt ° auch nach Ablauf des in Rede stehenden Zeitraums °, Maßnahmen zu treffen, um der Anrechnung auf die Zollpräferenzgrenzen ein Ende zu setzen, eine Ermächtigung, von der die Kommission mit dem Erlaß der bereits genannten Verordnung Nr. 1236/87 Gebrauch gemacht hat.

    Im Ergebnis begründet die Tatsache, daß der betroffene Wirtschaftsteilnehmer keinerlei Abgaben entrichtet hätte, wenn er zur Zeit der maßgebenden Vorgänge die in Rede stehenden Waren unter der Tarifposition angemeldet hätte, die sich später als die richtige herausgestellt hat, keinen besonderen Umstand im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79: Die Überschreitung der Tarifgrenze und die anschließende Wiedereinführung der Zölle stellen nämlich ein normales Risiko dar, das die Wirtschaftsteilnehmer ° einschließlich derjenigen, die infolge eines erst nach jener Überschreitung aufgedeckten Irrtums nicht in den Genuß der Vorzugsbehandlung gelangt sind ° zu tragen haben.

    11. Es bleibt also nur noch zu klären, ob es als ein besonderer Umstand angesehen werden kann, wenn der betroffene Wirtschaftsteilnehmer auf eine von den zuständigen Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaates erteilte verbindliche Auskunft vertraut hat.

    Hierzu beschränke ich mich auf die Bemerkung, daß, wie die Kommission selbst in ihren schriftlichen Erklärungen eingeräumt hat, der Irrtum einer solchen Behörde sehr wohl einen "besonderen Umstand" darstellen kann, vor allem wenn man die Sachlage in ihrer Gesamtheit betrachtet: daß es sich nämlich um eine "bindende" Auskunft handelte, die einer zur selben Gruppe wie das betroffene Unternehmen gehörenden Tochtergesellschaft erteilt wurde, und daß das betroffene Unternehmen die Waren ursprünglich gerade aus demjenigen Mitgliedstaat eingeführt hatte, dessen Zollbehörden die bindende Auskunft erteilt hatten.

    Was schließlich das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/71 angeht, nämlich daß keine Fahrlässigkeit vorliegt und nicht in betrügerischer Absicht gehandelt wurde, so begnüge ich mich damit, auf meine früheren Ausführungen zu Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 zu verweisen.

    12. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die Fragen des Tribunal d' instance du septième arrondissement Paris wie folgt zu beantworten:

    1) Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates ist dahin auszulegen, daß eine unrichtige, von den Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats, die für die Nacherhebung nicht zuständig waren, einem anderen Wirtschaftsteilnehmer als dem Abgabenschuldner erteilte verbindliche Auskunft nicht als Irrtum der zuständigen Behörden anzusehen ist; dagegen liegt ein Irrtum der für die Nacherhebung zuständigen Behörden im Sinne dieser Bestimmung vor, wenn diese Behörden trotz des Umfangs und der Bedeutung der vom Abgabenschuldner getätigten Einfuhren keinerlei Einwände gegen die Einstufung der fraglichen Waren erhoben haben, obwohl ein Vergleich zwischen der angemeldeten Tarifposition und der ausdrücklich vermerkten handelsüblichen Bezeichnung der Waren es gestattet hätte, die richtige Einstufung festzustellen.

    2) Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates ist dahin auszulegen, daß es Aufgabe des zuständigen innerstaatlichen Gerichts ist, festzustellen, ob der Abgabenschuldner den Irrtum vernünftigerweise erkennen konnte, wobei die Art des Irrtums, die fachliche Erfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und die von diesem gezeigte Sorgfalt zu berücksichtigen sind. Der Schuldner muß den Zollbehörden alle erforderlichen Angaben geliefert haben, die die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Zollanmeldungen sowie gegebenenfalls die zu deren Umsetzung oder Ergänzung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen; zur Erfuellung dieser Verpflichtung genügt es, daß diese Angaben, auch wenn sie unrichtig sind, gutgläubig geliefert wurden.

    Hilfsweise schlage ich vor, wie folgt zu antworten:

    Die Voraussetzungen von Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79 sind erfuellt, wenn der betroffene Wirtschaftsteilnehmer, abgesehen davon, daß er nicht fahrlässig oder in betrügerischer Absicht gehandelt haben darf, auf eine bindende Auskunft vertraut hat, die eine zuständige Zollbehörde einer zur selben Gruppe wie er gehörenden Tochtergesellschaft erteilt hat.

    (*) Originalsprache: Italienisch.

    (1) ° ABl. L 197, S. 1.

    (2) ° ABl. L 175, S. 1.

    (3) ° Siehe Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 3599/85 des Rates vom 17. Dezember 1985 zur Anwendung allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern im Jahre 1986 (ABl. L 352, S. 1).

    (4) ° Während des Zeitraums, in dem sich die maßgeblichen Vorgänge abgespielt haben, wurde auch für die unter die Position 84.53 B fallenden Waren eine Zollaussetzung gewährt, jedoch nur innerhalb der Grenzen eines aufgegliederten (jährlichen) Plafonds. Diese Grenzen wurden 1986 erreicht, was zur Verordnung Nr. 1236/87 der Kommission vom 4. Mai 1987, ABl. L 117, S. 5), soweit es um die in diesem Jahr getätigten und nach der Überschreitung des Plafonds regulierten Geschäfte ging: Genau aus diesem Grund betrifft das von den französischen Behörden eingeleitete Nacherhebungsverfahren nur die 1986 getätigten Einfuhren.

    (5) ° Siehe das Urteil vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache C-332/88 (Alimenta, Slg. 1990, I-2077, Randnr. 9).

    (6) ° Urteil vom 20. März 1986 in der Rechtssache 35/85 (Tissier, Slg. 1986, 1207, Randnr. 9).

    (7) ° Siehe zuletzt das Urteil vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-348/89 (Mecanarte, Slg. 1991, I-3277, Randnr. 12).

    (8) ° A. a. O., Randnr. 22.

    (9) ° ABl. L 160, S. 1.

    (10) ° Urteil vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Slg. 1987, 4199, Randnr. 24); siehe auch das Urteil vom 23. Mai 1989 in der Rechtssache 378/87 (Top Hit, Slg. 1989, 1359, Randnr. 19).

    (11) ° Richtlinie der Kommission vom 17. Dezember 1981 zur Festlegung bestimmter Durchführungsvorschriften zu der Richtlinie 79/695/EWG des Rates zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (ABl. 1982, L 28, S. 38).

    (12) ° Hervorhebung durch mich.

    (13) ° Siehe zuletzt das Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-187/91 (Belovo, Slg. 1992, I-4937, Randnr. 17).

    (14) ° Verordnung (EWG) Nr. 1288/91 der Kommission vom 14. Mai 1991 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur, ABl. L 122, S. 11.

    (15) ° Siehe das Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-64/89 (Deutsche Fernsprecher, Slg. 1990, I-2535, Randnr. 20).

    (16) ° Urteil in der Rechtssache Belovo, a. a. O., Randnr. 18.

    (17) ° Urteile in den Rechtssachen Deutsche Fernsprecher (a. a. O., Randnr. 21) und Belovo (a. a. O., Randnr. 19).

    (18) ° Urteil in der Rechtssache Top Hit (a. a. O., Randnrn. 22 bis 26).

    (19) ° Urteil in der Rechtssache Mecanarte (a. a. O., Randnr. 29).

    (20) ° ABl. L 352, S. 19.

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