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Document 61991CC0021

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 17. März 1992.
Wünsche Handelsgesellschaft International GmbH & Co. KG gegen Hauptzollamt Hamburg-Jonas.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Hamburg - Deutschland.
Zollwert - Finanzierungsvereinbarung.
Rechtssache C-21/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 I-03647

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1992:129

61991C0021

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 17. März 1992. - WUENSCHE HANDELSGESELLSCHAFT INTERNATIONAL GMBH & CO GEGEN HAUPTZOLLAMT HAMBURG-JONAS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT HAMBURG - DEUTSCHLAND. - ZOLLWERT - FINANZIERUNGSVEREINBARUNG. - RECHTSSACHE C-21/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-03647


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Das Finanzgericht Hamburg fordert Sie mit seinen Vorlagefragen auf, für die Ermittlung des Zollwerts die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer Finanzierungsvereinbarung bezueglich der Bezahlung eingeführter Waren klarzustellen.

2. Die Klägerin, die Wünsche Handelsgesellschaft International GmbH & Co., führte in den Jahren 1983 bis 1985, und zwar auch nach dem 1. März 1985, Waren aus dem Königreich Spanien ein, für deren Bezahlung ein Zahlungsziel von 180 Tagen nach ihrer Verschiffung eingeräumt wurde. Einige Verträge wiesen einen fob-Preis (free on board, "frei an Bord") und getrennt einen Zuschlag von 4 % als Ausgleich für die dem Verkäufer wegen der Zahlungsfrist entstehenden Bankzinsen aus. In anderen Verträgen war ein um denselben Zinssatz erhöhter Gesamtpreis angegeben. Die Rechnungen für diese Verträge wiesen jedoch gesondert den Warenpreis und den als Zins geschuldeten Betrag aus. Die Klägerin bezog diese Zinsen in ihre Anmeldung des Zollwerts nicht ein. Das Hauptzollamt Hamburg-Jonas erhob dagegen auch auf den in den Verträgen vereinbarten Zinsbetrag Zoll. Diese Entscheidung focht die Klägerin vor dem Finanzgericht Hamburg an, das Ihnen zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

3. Diese betreffen die Auslegung des Begriffs "Finanzierungsvereinbarung in bezug auf den Kauf der eingeführten Waren" in Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 der Kommission(1) unter Berücksichtigung der Änderung dieser Vorschrift durch die Verordnung (EWG) Nr. 220/85(2).

4. In Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 heisst es:

"In den ... Zollwert werden folgende Zahlungen nicht einbezogen, sofern sie von dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis getrennt ausgewiesen sind:

...

c) die Zahlung von Zinsen im Rahmen einer Finanzierungsvereinbarung in bezug auf den Kauf der eingeführten Waren."

5. Seit der Änderung durch Artikel 1 der Verordnung Nr. 220/85 umfasst der neue Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 unter anderem folgende drei Absätze:

"(2) Zinsen, die im Rahmen einer vom Käufer abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung in bezug auf den Kauf eingeführter Waren zu zahlen sind, werden nicht in den nach der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 zu ermittelnden Zollwert einbezogen, vorausgesetzt, daß:

a) die Zinsen getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen sind;

b) die Finanzierungsvereinbarung schriftlich abgeschlossen wurde;

c) der Käufer auf Verlangen nachweist, daß

- solche Waren tatsächlich zu dem Preis verkauft werden, der als tatsächlich gezahlter oder zu zahlender Preis angemeldet wurde,

und

- der geltend gemachte Zinssatz nicht höher ist als der übliche Zinssatz für derartige Geschäfte in dem Land und in dem Zeitpunkt, in dem der Kredit zur Verfügung gestellt wurde.

(3) Wird der Zollwert nach einer anderen Methode als der des Transaktionswerts ermittelt, so gelten die Vorschriften des Absatzes 2 entsprechend.

(4) Die Vorschriften der Absätze 2 und 3 sind unabhängig davon anzuwenden, ob der Kredit vom Verkäufer, einer Bank oder einer anderen natürlichen oder juristischen Person zur Verfügung gestellt wurde."

6. Die Verordnung Nr. 220/85 ist am 1. März 1985 in Kraft getreten (Artikel 2 Absatz 1). Die ursprünglichen Vorschriften des Artikels 3 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1495/80 sind weiterhin auf Waren anzuwenden, für die der maßgebende Zeitpunkt für die Ermittlung des Zollwerts vor dem 1. März 1985 liegt (Artikel 2 Absatz 2). Die beiden genannten Verordnungen sind also nebeneinander auf die von der Klägerin durchgeführten Einfuhren anzuwenden.

7. Zunächst ist festzustellen, daß die Neuregelung durch die Verordnung Nr. 220/85 meines Erachtens an dem - im übrigen nicht definierten - Begriff der "Finanzierungsvereinbarung" nichts geändert hat. Die durch die Verordnung Nr. 220/85 angefügten Absätze begründen nur neue beweisrechtliche Anforderungen: schriftlicher Abschluß der Vereinbarung, Nachweis durch den Käufer, daß solche Waren tatsächlich zu dem angemeldeten Preis verkauft werden und daß der vereinbarte Zinssatz nicht höher ist als der übliche Zinssatz für derartige Geschäfte in dem Land und in dem Zeitpunkt, in dem der Kredit zur Verfügung gestellt wurde. Es kann also nicht von zwei verschiedenen Begriffen der "Finanzierungsvereinbarung" ausgegangen werden, je nachdem, ob die Verordnung Nr. 1495/80 in ihrer ursprünglichen Fassung oder in der Fassung der Verordnung Nr. 220/85 anwendbar ist. Dies ist im übrigen auch die Auffassung des vorlegenden Gerichts, der Klägerin und der Kommission.

8. Diese Einhelligkeit besteht dagegen nicht, was diesen Begriff der "Finanzierungsvereinbarung" anlangt.

9. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann nicht schon in jeder Vereinbarung von Zinsen für die Gewährung eines Zahlungsziels eine "Finanzierungsvereinbarung" gesehen werden: Andernfalls wäre der Transaktionswert entgegen Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates(3) nicht die vollständige Zahlung des Käufers und könnte es leichter zu Betrugsfällen kommen. Es schlägt vor, den Abzug der Zinsen vom Zollwert davon abhängig zu machen, daß der Käufer nachweist, daß ihm die Ware bei Zahlung Zug um Zug gegen Lieferung zu einem niedrigeren Preis verkauft worden wäre.

10. Die Kommission scheint diese Bedenken zu teilen. Die Vereinbarung eines Zahlungsziels könne nicht schon als solche als "Finanzierungsvereinbarung" angesehen werden, da andernfalls der Zinsabzug bei allen internationalen Kaufverträgen ohne Barzahlung gewährt würde. Dies würde gegen den - in Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1224/80 niedergelegten - beherrschenden Grundsatz des Zollwertrechts verstossen, wonach keine willkürlichen oder fiktiven Werte zugrunde gelegt werden dürften. Schließlich setze eine Finanzierungsvereinbarung voraus, daß entweder eine ganz aussergewöhnlich lange Zahlungsfrist vereinbart oder aber der Nachweis erbracht werde, daß die Zinsen getrennt ausgewiesen seien und der Käufer bei Barzahlung einen niedrigeren Preis hätte zahlen können.

11. Dagegen ist nach Auffassung der Klägerin jede Vereinbarung eines Zinses für die Einräumung eines Zahlungsziels eine Finanzierungsvereinbarung im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80.

12. Der neue Artikel 3 wurde, wie in der dritten Begründungserwägung zur Verordnung Nr. 220/85 ausgeführt ist, von der Gemeinschaft zur Durchführung einer Entscheidung des GATT-Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens erlassen. Genauer gesagt handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Entscheidung des Zollwertausschusses vom 26. April 1984 über "die Behandlung der Zahlung von Zinsen bei der Festsetzung des Zollwerts eingeführter Waren"(4).

13. Meines Erachtens ist - dies sei gleich gesagt - die Auffassung der Klägerin die einzig richtige. Aus den Verordnungen Nr. 220/85 und Nr. 1495/80 ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine derartige Einengung des Begriffs der "Finanzierungsvereinbarung". Die erwähnte Entscheidung des Zollwertausschusses betrifft, jedenfalls nach ihrem Titel, die "Zinsen", ohne sich auf eine bestimmte Art von Finanzierungsvereinbarung zu beziehen. Sie ist im übrigen "unabhängig davon anzuwenden, ob der Kredit vom Verkäufer, einer Bank oder einer anderen natürlichen oder juristischen Person zur Verfügung gestellt wurde"; dies zeigt, wie allgemein man den Abzug der Zinsen zu regeln beabsichtigte. Diese Terminologie findet sich im übrigen in Absatz 4 des neuen Artikels 3 der Verordnung Nr. 1495/80.

14. Das vorlegende Gericht macht in seinem, von der Kommission aufgegriffenen Vorschlag die Anwendung des Rechts auf den Abzug davon abhängig, daß der Käufer den Nachweis führt, daß ihm die Ware bei Barzahlung zu einem niedrigeren Preis verkauft worden wäre. Dem kann meines Erachtens nicht gefolgt werden. Man kann nämlich für die Beurteilung der Rechtsnatur einer Vereinbarung zwischen Wirtschaftsteilnehmern nicht auf dem Beweisrecht zugehörige Voraussetzungen abstellen. Sie werden im übrigen festgestellt haben, daß dieses beweisrechtliche Erfordernis schon in dem neuen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1495/80 geregelt ist, wonach der Käufer "auf Verlangen" nachzuweisen hat, daß "solche Waren tatsächlich zu dem [angemeldeten] Preis verkauft werden", d. h. im Klartext, daß der angegebene Preis nicht unnatürlich niedrig ist.

15. Das andere von der Kommission vorgeschlagene Kriterium einer aussergewöhnlich langen Frist ist meines Erachtens völlig unerheblich. Abgesehen von den sich notwendig ergebenden Beurteilungsschwierigkeiten, ist nicht sicher, daß die Realitäten des Wirtschaftslebens dadurch ausreichend berücksichtigt würden. Die Unternehmen brauchen manchmal sehr kurzfristige Kredite, insbesondere für den Zeitraum, in dem sie ihre Lieferanten und ihre Angestellten bezahlen müssen und die Zahlungen ihrer Kunden noch nicht erhalten haben(5). Es ist daher schwer verständlich, weshalb die Einräumung eines - selbst kurzen - Zahlungsziels in Verbindung mit der Festsetzung von Zinsen nicht als eine Finanzierungsvereinbarung angesehen werden kann. Es handelt sich, unabhängig von der Länge der eingeräumten Frist, um Beträge, die der Käufer dem Verkäufer als Entgelt für eine vom Verkauf der Ware getrennte Leistung zahlt.

16. Entgegen der wohl vom vorlegenden Gericht vertretenen Auffassung steht diese Schlußfolgerung nicht im Widerspruch zu Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1224/80. Diese Bestimmung lautet: "Der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder zu dessen Gunsten für die eingeführte Ware entrichtet oder zu entrichten hat." Schon Artikel 3 Absatz 4 ermöglicht es jedoch, bestimmte Aufwendungen nicht einzubeziehen, und Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 hat diese Liste möglicher Abzuege noch erweitert. Es kann also nicht gesagt werden, daß ein absoluter ausnahmslos geltender Grundsatz besteht, wonach der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis der gesamte vom Käufer an den Verkäufer gezahlte Betrag ist.

17. Das gleiche gilt für Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben f und g, wonach der Zollwert weder Mindestzollwerte noch willkürliche oder fiktive Werte zur Grundlage haben darf. Es überrascht, daß sich die Kommission gegenüber den - meines Erachtens völlig eindeutigen - Regeln der Verordnungen Nr. 220/85 und Nr. 1495/80, die sie selbst in Durchführung des GATT erlassen hat, auf diese Bestimmungen beruft.

18. Gewiß sind die Bedenken des vorlegenden Gerichts und der Kommission hinsichtlich des Betrugsrisikos legitim. Es muß nämlich verhindert werden, daß der Warenpreis künstlich tief angesetzt wird, um den Zollwert zu verringern, während der Verkäufer mittels übertrieben hoher Zinsen die Bezahlung für einen Teil des normalen Warenwerts erhält. Diesem Anliegen wird in dem neuen Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 durch die Bestimmung Rechnung getragen, daß die Finanzierungsvereinbarung schriftlich abgeschlossen werden und der Verkäufer auf Verlangen der Zollbehörden nachweisen muß, daß solche Waren tatsächlich zu dem angemeldeten Preis verkauft werden und der Zinssatz nicht höher ist "als der übliche Zinssatz" für derartige Geschäfte in dem Land und in dem Zeitpunkt, in dem der Kredit zur Verfügung gestellt wurde. Da im übrigen die Zinsen getrennt ausgewiesen werden müssen, ist es für die Zollbehörden nicht sehr schwierig, den festgesetzten Zinssatz zu ermitteln und ihn mit den in dem betreffenden Land üblichen Sätzen zu vergleichen.

19. Gewiß, Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 setzte für den Zeitraum bis zum 1. März 1985 nur voraus, daß die Zinsen getrennt ausgewiesen wurden. Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1224/80 lautet jedoch: "Für die Ermittlung des Zollwerts stellen - unbeschadet der einzelstaatlichen Bestimmungen, die den Zollbehörden der Mitgliedstaaten weitergehende Zuständigkeiten übertragen - alle Personen oder Unternehmen, die mit den betreffenden Einfuhren unmittelbar oder mittelbar in Beziehung stehen, diesen Behörden innerhalb der von diesen festgesetzten Fristen alle erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung"(6). Meines Erachtens steht folglich nichts dem entgegen, daß die Zollbehörden auch für den Zeitraum bis zum 1. März 1985 die Nachweise, die inzwischen gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 1495/80 in der durch die Verordnung Nr. 220/85 geänderten Fassung verlangt werden können, als erforderliche Informationen im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1224/80 verlangen.

20. Ich beantrage daher, für Recht zu erkennen:

1) Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren(7) ist dahin auszulegen, daß die Begriffe "Zahlung von Zinsen im Rahmen einer Finanzierungsvereinbarung" die Vereinbarung von Zinsen für die Einräumung eines Zahlungsziels, gleich welcher Dauer, durch den Verkäufer umfassen.

2) Diese Auslegung wird durch die Neufassung von Artikel 3, wie sie sich aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 220/85 der Kommission vom 29. Januar 1985 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80(8) ergibt, nicht in Frage gestellt.

(*) Originalsprache: Französisch.

(1) - Verordnung vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABl. L 154, S. 14).

(2) - Verordnung vom 29. Januar 1985 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABl. L 25, S. 7).

(3) - Verordnung vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (ABl. L 134, S. 1).

(4) - Basic Instruments and Selected Documents, Band 31, S. 299.

(5) - Es sei darauf hingewiesen, daß umgekehrt dem Käufer eine ungewöhnlich lange Frist eingeräumt werden kann, um aus Gründen der Liquidität den Absatz von seit langem auf Lager befindlichen Waren zu erleichtern.

(6) - Hervorhebung von mir.

(7) - ABl. L 154, S. 14.

(8) - ABl. L 25, S. 7.

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