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Document 61991CC0017

Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 25. Juni 1992.
Georges Lornoy en Zonen NV und andere gegen Belgischer Staat.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg Turnhout - Belgien.
Parafiskalische Abgaben - Pflichtbeiträge zugunsten eines Fonds für die Tiergesundheit und die Tiererzeugung.
Rechtssache C-17/91.
Strafverfahren gegen Gérard Jerôme Claeys.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg Ieper - Belgien.
Parafiskalische Abgaben - Pflichtbeiträge zugunsten eines nationalen Amtes für den Absatz von Landwirtschafts- und Gartenbauerzeugnissen.
Rechtssache C-114/91.
Gilbert Demoor en Zonen NV und andere gegen Belgischer Staat.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg Brussel - Belgien.
Parafiskalische Abgaben - Pflichtbeiträge zugunsten eines Fonds für die Tiergesundheit und die Tiererzeugung.
Verbundene Rechtssachen C-144/91 und C-145/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 I-06523

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1992:275

61991C0017

VERBUNDENE SCHLUSSANTRAEGE DES GENERALANWALTS TESAURO VOM 25. JUNI 1992. - GEORGES LORNOY EN ZONEN NV UND ANDERE GEGEN BELGISCHER STAAT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RECHTBANK VAN EERSTE AANLEG TURNHOUT - BELGIEN. - RECHTSSACHE C-17/91. - GILBERT DEMOOR EN ZONEN NV UND ANDERE GEGEN BELGISCHER STAAT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RECHTBANK VAN EERSTE AANLEG BRUSSEL - BELGIEN. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-144/91 UND C-145/91. - STRAFVERFAHREN GEGEN GERARD CLAEYS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RECHTBANK VAN EERSTE AANLEG IEPER - BELGIEN. - RECHTSSACHE C-114/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-06523


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

In den vorliegenden Verfahren wird einmal mehr die Frage der Vereinbarkeit von nationalen Regelungen über parafiskalische Abgaben mit dem Gemeinschaftsrecht aufgeworfen. Zusammengefasst weist der Sachverhalt folgende Merkmale auf:

° Es handelt sich um Abgaben, mit denen sowohl inländische Erzeugnisse als auch eingeführte Erzeugnisse belastet werden und die ° zumindest der Form nach ° keine diskriminierenden Zuege tragen, da sie nach dem gleichen Satz, der gleichen Bemessungsgrundlage und den gleichen Erhebungsmodalitäten erhoben werden;

° das Aufkommen aus diesen Abgaben ist dazu bestimmt, (über eine dazu berufene Stelle) Tätigkeiten zu finanzieren, die den mit der Abgabe belasteten nationalen Erzeugnissen zugute kommen.

Die rechtliche Regelung, die im Gemeinschaftsrecht für parafiskalische Abgaben gilt, die die gerade angegebenen Merkmale aufweisen, ist nach und nach durch die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung definiert worden. In der Mehrzahl der vom Gerichtshof geprüften Fälle ist die Rechtmässigkeit derartiger Abgaben im wesentlichen anhand der abgabenrechtlichen Vorschriften des Vertrages, d. h. der Artikel 9 und 12 zum einen und des Artikels 95 zum anderen, beurteilt worden.

Neben solchen Entscheidungen gibt es aber andere, denen zu entnehmen ist, daß für die streitigen parafiskalischen Abgaben ° gerade weil sie speziell dazu bestimmt sind, Maßnahmen zugunsten bestimmter Unternehmen zu finanzieren ° auch die (materiellen und formellen) Vorschriften über staatliche Beihilfen gelten. Insbesondere ergibt sich dann aus der Praxis der Kommission auf dem Gebiet der Beihilfen, daß die Finanzierung von Beihilfen durch parafiskalische Abgaben bei Vorliegen bestimmter Umstände als unvereinbar mit Artikel 92 des Vertrages anzusehen ist.

Im Lichte des Vorstehenden werde ich in den folgenden Ausführungen versuchen, näher zu bestimmen, nach welchen Kriterien die genannten Vorschriften des Vertrages auf die parafiskalischen Abgaben anzuwenden sind, um die es hier geht. Anschließend werde ich einige Besonderheiten der Ausgangsverfahren untersuchen, um die Fragen des vorlegenden Gerichts so eingehend wie möglich beantworten zu können.

a) Anwendung der Artikel 9 und 12 oder aber des Artikels 95 auf die parafiskalischen Abgaben

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Vorschriften des Vertrages über Abgaben gleicher Wirkung (Artikel 9 und 12) und die Vorschrift über diskriminierende inländische Abgaben (Artikel 95) nicht kumulativ anzuwenden sind (vgl. zuletzt Urteil vom 9. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-228/90 bis C-234/90, C-339/90 und C-353/90, Simba, Slg. 1992, I-3713). Was die parafiskalischen Abgaben angeht, ist der Alternativcharakter dieser beiden Gruppen von Regelungen vom Gerichtshof klar und genau bestätigt worden (siehe bereits Urteil vom 18. Juni 1975 in der Rechtssache 94/74, IGAV, Slg. 1975, 699, und zuletzt Urteile vom 11. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90, Compagnie Commerciale de l' Oüst, Slg. 1992, I-1847, und vom 11. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-149/91 und C-150/91, Sanders, Slg. 1992, I-3899).

Der Gerichtshof hat ausserdem festgestellt, daß bei der rechtlichen Qualifizierung und Beurteilung von parafiskalischen Abgaben, die die oben angegebenen Merkmale aufweisen, der Bestimmungszweck des Aufkommens aus der Abgabe zu berücksichtigen ist. Die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts ist von wesentlicher Bedeutung, da sie es erlaubt, über die rein formalen Gesichtspunkte hinaus festzustellen, daß gewisse Abgaben, die zwar unter den gleichen Voraussetzungen sowohl inländische Erzeugnisse als auch eingeführte Erzeugnisse belasten, sich dann gerade aufgrund ihres Bestimmungszwecks auf die beiden Erzeugnisgruppen in der Weise materiell unterschiedlich auswirken können, daß sie je nach den Umständen entweder Abgaben gleicher Wirkung oder mit Artikel 95 unvereinbare inländische Abgaben darstellen. Nach gefestigter Rechtsprechung wirken sich nämlich steuerliche Belastungen, die der Form nach nicht diskriminierend sind, sofern sie dazu bestimmt sind, Tätigkeiten zu finanzieren, die den belasteten inländischen Erzeugnissen speziell zugute kommen, für das inländische Erzeugnis als eine Ausgabe aus, die im wesentlichen durch die erhaltenen Vergünstigungen ausgeglichen wird, während sie für das eingeführte Erzeugnis eine Nettobelastung darstellen, die nicht durch die Gewährung anderer Vergünstigungen oder Beihilfen ausgeglichen wird (vgl. neben den bereits zitierten Urteilen IGAV und Compagnie Commerciale de l' Oüst die Urteile vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72, Capolongo, Slg. 1973, 611; vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike, Slg. 1977, 595; vom 25. Mai 1977 in der Rechtssache 77/76, Cucchi, Slg. 1977, 987; vom 25. Mai 1977 in der Rechtssache 105/76, Interzuccheri, Slg. 1977, 1029; vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 73/79, Kommission/Italien, Slg. 1980, 1533, und vom 28. Januar 1981 in der Rechtssache 32/80, Kortmann, Slg. 1981, 251).

In solchen Fällen ist daher ° wie in den Urteilen Compagnie Commerciale de l' Oüst und Sanders festgestellt ° zu prüfen, inwieweit die auf das inländische Erzeugnis erhobene Abgabe durch die erhaltenen Vergünstigungen ausgeglichen wird. Ist der Ausgleich vollständig, so wird man annehmen müssen, daß es sich um eine Belastung handelt, die in Wirklichkeit ausschließlich das eingeführte Erzeugnis trifft, und damit um eine Abgabe gleicher Wirkung; wird die Belastung nur zum Teil ausgeglichen, so wird man feststellen müssen, daß das inländische Erzeugnis jedenfalls geringer belastet wird als das eingeführte Erzeugnis und daß es sich daher um eine diskriminierende Abgabe im Sinne von Artikel 95 handelt.

In bezug auf diesen Grundsatz sind jedoch drei Feststellungen zu treffen. Erstens setzt die Anwendung der Artikel 9 und 12 oder aber des Artikels 95 auf parafiskalische Abgaben voraus ° dies hat der Gerichtshof in den Urteilen Cucchi und Interzuccheri ausdrücklich anerkannt °, daß das mit der Abgabe belastete Erzeugnis und das begünstigte inländische Erzeugnis identisch sind. Um feststellen zu können, ob ein Ausgleich der Abgabenbelastung erfolgt ist, ist es nämlich offenkundig erforderlich, daß das Aufkommen aus der Abgabe ° zumindest teilweise ° dem belasteten inländischen Erzeugnis und nicht ausschließlich anderen Erzeugnissen als dem belasteten zugute kommt. Es ist daher klar, daß die Frage eines eventuellen Ausgleichs sich überhaupt nicht stellt, wenn eine parafiskalische Abgabe, die z. B. auf die Vermarktung von (inländischen oder eingeführten) Schweinen erhoben wird, anschließend für die Finanzierung von Vergünstigungen verwendet wird, die nur anderen Sektoren, z. B. der Erzeugung von Rindern oder Gefluegel, zugute kommen.

Zweitens ist hervorzuheben, daß der Gerichtshof niemals genau angegeben hat, nach welchen Kriterien zu prüfen ist, ob und inwieweit ein solcher Ausgleich stattgefunden hat. Da die ratio decidendi der zitierten Urteile jedoch darin besteht, festzustellen, ob für die inländischen Erzeugnisse Vergünstigungen gewährt worden sind, die die Abgabe, mit der sie belastet worden sind, vollständig oder teilweise ausgleichen, würde ich die Auffassung vertreten, wie ich es bereits in der Rechtssache Compagnie Commerciale de l' Oüst getan habe, daß eine Gesamtbewertung vorzunehmen ist, d. h. daß für einen signifikanten Zeitraum der Gesamtbetrag der Abgaben, den die betreffende inländische Erzeugung zu tragen hatte, mit dem Gesamtbetrag der wirtschaftlichen Vergünstigungen zu vergleichen ist, den diese Erzeugung erhalten hat (Diese Daten müssten normalerweise aus der Buchführung und den Geschäftsstatistiken der Stellen zu entnehmen sein, die das Aufkommen aus der parafiskalischen Abgabe sammeln und die der betreffenden inländischen Industrie Subventionen oder andere Vergünstigungen gewähren.). Gleichen die Vergünstigungen die Belastung der inländischen Erzeugung in toto aus (oder übersteigen sie diese Belastung sogar), so ist die auf das eingeführte Erzeugnis erhobene Abgabe ° wie bereits ausgeführt ° in vollem Umfang als rechtswidrig anzusehen und es kann, wenn sie bereits eingezogen worden ist, ihre vollständige Erstattung gefordert werden; gleichen die Vergünstigungen die Belastung der inländischen Erzeugung dagegen nur pro parte aus, so ist die auf das eingeführte Erzeugnis erhobene Abgabe proportional zu verringern (und gegebenenfalls zu erstatten).

Drittens bleibt noch festzulegen, wen die Beweislast trifft. Meines Erachtens hat der Abgabenpflichtige, der der Erhebung der Abgabe entgegentritt, nur zu beweisen, daß das Aufkommen aus der Abgabe dazu bestimmt ist, Beihilfen für das mit der Abgabe belastete inländische Erzeugnis zu finanzieren: Dies bedeutet, daß für das inländische Erzeugnis materiell eine günstigere Regelung gilt als für das eingeführte Erzeugnis (insoweit als dem erstgenannten ein Ausgleich zugute kommt, den das zweite nicht erhält) und daß sich somit feststellen lässt, daß die Abgabe diskriminierend und daher unvereinbar mit Artikel 95 ist. Ist dies festgestellt, so ist es meines Erachtens dann Sache des betroffenen Mitgliedstaats, darzutun, daß die Diskriminierung, die sich aus den für das der Abgabe unterliegende inländische Erzeugnis gewährten Beihilfen ergibt, von geringerem Ausmaß ist, indem er genau nachweist, inwieweit diese Beihilfen die Abgabenbelastung des inländischen Erzeugnisses ausgleichen.

Diese Lösung steht meiner Meinung nach im Einklang mit den Grundsätzen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Anwendung des Artikels 95 herausgearbeitet hat, wonach es dann, wenn festgestellt ist, daß eine Abgabe unter unterschiedlichen Voraussetzungen auf das inländische Erzeugnis und auf das eingeführte Erzeugnis angewendet wird, Sache des Mitgliedstaats ist, darzutun, daß dieser Unterschied zwischen den Regelungen in keinem Fall zu einer steuerlichen Diskriminierung führt (vgl. Urteil vom 26. Juni 1991 in der Rechtssache C-152/89, Kommission/Luxemburg, Slg. 1991, I-3141). Wenn es nun aber bei einem Unterschied zwischen den Regelungen Sache des Staates ist, darzutun, daß es keine Diskriminierung gibt, ist es nur folgerichtig, wenn man annimmt, daß in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem feststeht, daß der Unterschied zwischen den Regelungen zu einer steuerlichen Diskriminierung führt, der Mitgliedstaat nachzuweisen hat, welchen Umfang die eingetretene Diskriminierung hat.

Nicht verschwiegen werden soll aber, daß eine solche Feststellung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens sich nicht immer als einfach erweisen kann, und es lässt sich sicherlich nicht ausschließen, daß dann, wenn mehrere Richter über die gleiche Abgabe zu entscheiden haben, die Stellungnahmen und Bewertungen ganz unterschiedlich ausfallen können.

b) Anwendung der Artikel 92 ff. auf parafiskalische Abgaben

Wie bereits ausgeführt, werden parafiskalischen Abgaben in der Rechtsprechung und in der Praxis der Kommission nicht nur auf der Grundlage der steuerlichen Vorschriften des Vertrages, sondern auch auf der Grundlage der Vorschriften über staatliche Beihilfen beurteilt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Abgabe nichts anderes als ein Bestandteil, eine Voraussetzung der Beihilfe, nämlich gerade ihrer Finanzierungsmethode darstellt. Als solche hat sie Einfluß auf die Auswirkungen, die die Beihilfe auf den Wettbewerb und den Handel hat, und ist daher zu untersuchen, um festzustellen, ob und inwieweit sie als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 anzusehen ist.

Im Urteil vom 25. Juni 1970 in der Rechtssache 47/69 (Frankreich/Kommission, Slg. 1970, 487) hat der Gerichtshof über eine Klage entschieden, die sich gegen eine von der Kommission aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erlassene Entscheidung richtete. In dieser Entscheidung, die sich auf eine durch eine parafiskalische Abgabe finanzierte Beihilfe bezog, wurde alternativ die Aufhebung der betreffenden Beihilfe oder aber ihre Genehmigung unter der Voraussetzung angeordnet, daß eingeführte Erzeugnisse nicht mehr mit der zur Finanzierung der Beihilfe bestimmten Abgabe belastet würden.

Der Gerichtshof hat die Klage abgewiesen und festgestellt, daß Artikel 92 des Vertrages "den Zusammenhang berücksichtigt, der zwischen der von einem Mitgliedstaat gewährten Beihilfe und ihrer Finanzierungsweise ... bestehen kann" und man deshalb "die eigentliche Beihilfe nicht von ihrer Finanzierungsweise trennen und diese nicht ausser Betracht lassen [darf], wenn ihre Verbindung mit der eigentlichen Beihilfe zur Unvereinbarkeit des Ganzen mit dem Gemeinsamen Markt führt". Auf dieser Grundlage bejaht der Gerichtshof anscheinend, daß die Vorschriften über Beihilfen und die steuerlichen Vorschriften des Vertrages, insbesondere Artikel 95, kumulativ auf die zur Finanzierung einer staatlichen Beihilfe bestimmte parafiskalische Abgabe angewendet werden können. Im Urteil wird dazu ausgeführt:

"Daß eine staatliche Maßnahme den Anforderungen von Artikel 95 genügt, bedeutet noch nicht, daß sie auch im Hinblick auf andere Vorschriften, wie die der Artikel 92 und 93, rechtmässig ist.

Wird eine Beihilfe durch eine von bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zu tragende Abgabe finanziert, so hat die Kommission nicht nur zu prüfen, ob ihre Finanzierungsweise mit Artikel 95 des Vertrages vereinbar ist, sondern auch, ob diese Finanzierungsweise in Verbindung mit der aus der Abgabe gespeisten Beihilfe den Anforderungen der Artikel 92 und 93 genügt." (Hervorhebung durch mich)

In die gleiche Richtung gehen meines Erachtens ° sei es auch in weniger ausdrücklicher Formulierung ° das bereits zitierte Urteil vom 21. Mai 1980 (Kommission/Italien) und ° in neuerer Zeit ° das Urteil Compagnie Commerciale de l' Oüst, in dem der Gerichtshof folgendes feststellt:

"Eine solche parafiskalische Abgabe kann je nach der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei die Feststellung, daß diese Voraussetzungen vorliegen, nach dem dafür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahren zu treffen ist."

Die Möglichkeit, daß das nationale Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen Artikel 93 Absatz 3 ° bei dem es sich um eine Vorschrift mit unmittelbarer Wirkung handelt ° auf innerstaatliche Akte anwendet, durch die zur Finanzierung von Beihilfen bestimmte parafiskalische Abgaben durchgeführt werden, wird nicht nur in der zitierten Passage des Urteils Frankreich/Kommission grundsätzlich bejaht, sondern findet in dem neueren und wohlbekannten Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90 (Fédération nationale du commerce extérieur, Slg. 1991, I-5505) eine besonders signifikante Bestätigung. Gegenstand dieses Urteils ist nämlich ein Vorabentscheidungsersuchen des französischen Conseil d' Etat, das sich auf ein nationales Dekret bezieht, durch das eine Regelung über zur Finanzierung einer Beihilfe bestimmte parafiskalische Abgaben durchgeführt wurde. Da das Dekret unter Verletzung der in Artikel 93 Absatz 3 niedergelegten Verpflichtungen in Kraft getreten war, fragte das vorlegende Gericht den Gerichtshof danach, welche Folgen sich aus diesem Verstoß für die Gültigkeit des Rechtsakts ergeben. In seinem Urteil hat der Gerichtshof bekanntlich entschieden, daß die Nichtbeachtung des Artikels 93 Absatz 3 auf innerstaatlicher Ebene zur Ungültigkeit der Akte führt, durch die Beihilfemaßnahmen durchgeführt werden, und hat festgestellt, daß diese Ungültigkeit auch dann nicht als geheilt angesehen werden kann, wenn später eine Entscheidung der Kommission ergeht, mit der betreffende Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden. Daraus folgt also, daß ein Dekret als unwirksam anzusehen ist, durch das unter Verletzung der in Artikel 93 Absatz 3 niedergelegten Verpflichtungen eine Regelung über parafiskalische Abgaben durchgeführt wird, die dazu bestimmt sind, über einen entsprechenden "Fonds" Maßnahmen zugunsten einer bestimmten inländischen Industrie zu finanzieren; es ist Sache des nationalen Gerichts, diese Rechtswidrigkeit festzustellen, die auch dann nicht als geheilt angesehen werden kann, wenn die Kommission später in einer Entscheidung die Vereinbarkeit mit dem Vertrag feststellt. Diese Rechtswidrigkeit wird meines Erachtens auch durch das bereits zitierte Urteil Sanders bestätigt, in dem festgestellt wird, daß Artikel 93 Absatz 3 im Rahmen einer Klage auf Erstattung von ohne Rechtsgrund gezahlten Abgaben anwendbar ist, die ein einer parafiskalischen Abgabe Unterworfener erhebt.

Nach dieser Feststellung ist auch noch darauf hinzuweisen, daß die Praxis der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen immer dahin ging, "es als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt anzusehen, daß Mitgliedstaaten nationale Beihilfen aus dem Aufkommen von parafiskalischen Abgaben finanzieren, mit denen nicht nur inländische Erzeugnisse, sondern auch aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Erzeugnisse belastet werden" (bereits im Zweiten Wettbewerbsbericht, siehe Nr. 108). Wie sich aus den Entscheidungen als solchen ergibt, die die Kommission in bezug auf die Regelungen erlassen hat, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, stützt sich diese Einstellung auf verschiedene Überlegungen.

Zum einen könnte durch eine Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 nicht die Vereinbarkeit einer zur Finanzierung einer Beihilfe bestimmten Abgabe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt werden, wenn diese Abgabe unter anderen Gesichtspunkten gegen Vertragsvorschriften mit unmittelbarer Wirkung verstösst, wie z. B. die Artikel 9 und 12 und Artikel 95 (in diesem Sinne siehe auch Urteil vom 21. Mai 1980, Kommission/Italien, a. a. O.).

Auch wenn die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Artikel des Vertrages nicht vorliegen, schließt zum anderen nichts aus, daß die zur Finanzierung einer Beihilfe bestimmten parafiskalischen Abgaben dennoch als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehen werden, da sie den besonderen Erfordernissen der Regelung über staatliche Beihilfen zuwiderlaufen, insbesondere den grundlegenden Kriterien der compensatory justification und der Transparenz der Beihilfe.

Daher wird in den Entscheidungen der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 regelmässig festgestellt ° im übrigen im Einklang mit den Feststellungen des Gerichtshofes im Urteil in der Rechtssache 47/69 °, daß die Finanzierung der Beihilfe durch eine parafiskalische Abgabe, mit der auch eingeführte Erzeugnisse belastet werden, nicht erforderlich ist, um die Ziele der Beihilfe im eigentlichen Sinne zu erreichen, und in gänzlich ungerechtfertigter Weise die protektionistischen Wirkungen verstärkt, die jeder staatlichen Unterstützungsmaßnahme für inländische Unternehmen eigen sind.

Darüber hinaus kann sich die Finanzierung der Beihilfe durch parafiskalische Abgaben insoweit als ein wenig transparentes System erweisen, als es dem Umfang der gewährten Beihilfen nur vom Umfang des Aufkommens aus der Abgabe abhängig macht, was die Intensität der Beihilfen, die im konkreten Fall gewährt werden, nur schwer voraussehbar macht.

Unabhängig von dem Umstand, daß für eine parafiskalische Abgabe die steuerlichen Vorschriften des Vertrages gelten, kann eine solche Abgabe also anhand der Artikel 92 ff. beurteilt werden, dies natürlich nur, wenn sie die Finanzierungsmethode einer staatlichen Beihilfe darstellt.

Schließlich ist zu unterstreichen, daß sich aus der Rechtsprechung und vor allem aus der Praxis der Kommission ergibt, daß die Artikel 92 und 93 in diesen Fällen auf die Abgabe angewendet werden, durch die die Beihilfe finanziert wird, und nicht auf die Beihilfe im eigentlichen Sinne (d. h. die durch die Abgabe finanzierte Maßnahme). Die Beihilfe wird also ° als solche betrachtet ° mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein können; dies hindert jedoch nicht daran, daß die Kommission mit ihrer Entscheidung feststellen kann, daß dieser spezifische Bestandteil ° oder diese spezifische Voraussetzung ° der Beihilfe, den ihre Finanzierungsweise darstellt, mit Artikel 92 unvereinbar ist, und dem Staat aufgeben kann, diese Finanzierungsweise (unabhängig von der Beihilfe im eigentlichen Sinne) dergestalt zu ändern, daß sie in Einklang mit den Erfordernissen der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften gebracht wird (die Entscheidungen über die Abgaben, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, sowie die in der Rechtssache Frankreich/Kommission angefochtene Entscheidung stellen sehr klare Beispiele für Fälle dar, in denen die Kommission die Vereinbarkeit der Beihilfe im eigentlichen Sinne mit dem Gemeinsamen Markt ausdrücklich anerkannt und sich darauf beschränkt hat, die zur Finanzierung der Beihilfe eingeführte Regelung über parafiskalische Abgaben aufgrund von Artikel 92 zu beanstanden).

Aus diesen Prämissen lassen sich zwei Folgerungen herleiten. Erstens: Da Artikel 92 keine unmittelbare Wirkung besitzt, ist es allein Sache der Kommission, im Rahmen einer Entscheidung gemäß Artikel 93 Absatz 2 die Vereinbarkeit einer zur Finanzierung einer staatlichen Beihilfe bestimmten parafiskalischen Abgabe mit dem Gemeinsamen Markt zu überprüfen und festzustellen (vgl. Urteil Compagnie Commerciale de l' Oüst).

Zweitens können die Abgabenpflichtigen vor den nationalen Gerichten der Erhebung der Abgabe entgegentreten oder aber ihre Erstattung fordern und sich dabei entweder auf eine Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 stützen, durch die Unvereinbarkeit der Abgabe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird (derartige Entscheidungen haben bekanntlich nach dem zitierten Urteil Steinike unmittelbare Wirkung), oder aber auf Artikel 93 Absatz 3, wenn die zur Finanzierung der Beihilfe bestimmte Abgabe von den nationalen Stellen angewendet worden ist, ohne die vorherige Genehmigung der Gemeinschaftsbehörden abzuwarten (vgl. Urteil Fédération nationale du commerce extérieur; wie bereits festgestellt, ist dieses Urteil insoweit besonders aufschlußreich, als der Gerichtshof als Antwort auf die vom französischen Conseil d' Etat formulierte genaue Frage im Kern anerkannt hat, daß ein Ministerialdekret, durch das eine Regelung über zur Finanzierung einer Beihilfe bestimmte Abgaben auf innerstaatlicher Ebene durchgeführt wurde, gerade deshalb als rechtswidrig anzusehen war, weil es unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 in Kraft getreten war; vgl. ausserdem das Urteil Sanders zur Klage eines einer parafiskalischen Abgabe unterworfenen Abgabenpflichtigen auf Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Abgaben).

Dies vorausgeschickt, ist jedoch festzustellen, daß die Vorschriften des Vertrages über Beihilfen auch anders ausgelegt werden können, als es bis zu dieser Stelle geschehen ist: Sie können nämlich enger ausgelegt werden, wodurch der Schutz, den die einzelnen aufgrund von Artikel 92 ff. des Vertrages genießen, wesentlich eingeschränkt wird.

Natürlich ist unstreitig, daß die Vorschriften über Beihilfen die Prüfung gebieten, ob eine Abgabe, durch die eine Beihilfe finanziert wird, mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne der Artikel 92 ff. vereinbar ist. Wenn sich aufgrund der Regelung über Beihilfen ergibt, daß die Abgabe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist (oder aber regelwidrig durchgeführt worden ist), so hätte diese Unvereinbarkeit (oder Regelwidrigkeit) nach dieser anderen Auslegung jedoch allein die Folge, daß die durch die Abgabe finanzierte Beihilfe nicht gewährt werden darf. Diese Unvereinbarkeit (oder Regelwidrigkeit) würde sich dagegen auf die Rechtmässigkeit der Abgabe als solcher nicht auswirken.

In der Praxis bedeutet dies, daß die Abgabenpflichtigen, insbesondere die Importeure, sich nicht auf die Vorschriften über Beihilfen werden berufen können, um die Erhebung der Abgabe zu verhindern; sie werden sich darauf nur in einem späteren Stadium berufen können, d. h. um zu verhindern, daß die mit dem Aufkommen aus der Abgabe finanzierten Maßnahmen der öffentlichen Hand durchgeführt werden. Dagegen wird man der Erhebung der Abgabe nur entgegentreten können, wenn und insoweit als die steuerlichen Vorschriften des Vertrages sich als anwendbar erweisen.

Bei genauer Betrachtung ° wobei es dabei bleibt, daß immer zu bestimmen ist, ob die Abgabe gegen die Vorschriften über Beihilfen verstösst ° betrifft die Frage, die sich stellt, daher die Ermittlung (des Inhalts) der Rechte, die sich aus einem solchen Verstoß ergeben können: Handelt es sich mit anderen Worten nur um das Recht, der Gewährung der Beihilfe entgegenzutreten, oder auch um das Recht, der Erhebung der Abgabe entgegenzutreten?

Die enge Auslegung, die nur die erste Alternative zulässt und für die ich mich selbst in einer früheren Rechtssache ausgesprochen habe (vgl. Schlussanträge in der Rechtssache Compagnie Commerciale de l' Oüst), muß meines Erachtens bei genauerer Betrachtung überdacht werden. Vor allem steht sie meiner Ansicht nach nicht im Einklang mit der bereits zitierten Rechtsprechung; insbesondere scheinen ihr die neueren Urteile Fédération nationale du commerce extérieur und Sanders zu widersprechen.

Darüber hinaus passt sie nicht zu dem Grundgedanken der Auffassung, die die Kommission auf diesem Gebiet ständig vertreten hat und die im Urteil vom 25. Juni 1970, Frankreich/Kommission, bestätigt wird. Im Lichte dieser Auffassung ist nämlich das, was wirklich als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehen wird, nicht die Beihilfe im eigentlichen Sinne (die sogar als dem Interesse der Gemeinschaft entsprechend angesehen wird), sondern vielmehr die Art und Weise ihrer Finanzierung, d. h. die parafiskalische Abgabe, (zumindest) insoweit als durch diese auch das eingeführte Erzeugnis belastet wird. Um es deutlich zu sagen: Nicht die Beihilfe will man in solchen Fällen verhindern, sondern nur daß die Beihilfe in einer bestimmten Weise finanziert wird. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es mir daher ganz folgerichtig, anzunehmen, daß die Artikel 92 ff. gerade herangezogen werden können, um der Erhebung der Abgabe (dem einzigen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Vorgang) entgegenzutreten und nicht um nur der Gewährung der Beihilfe entgegenzutreten, die durch die Abgabe finanziert wird (Die Beihilfe als solche ist nicht unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.). Dagegen führt die eben dargelegte enge Auslegung, wie zu sehen war, zum umgekehrten Ergebnis: Sie erlaubt es dem Abgabenpflichtigen (und insbesondere dem Importeur), der Gewährung der Beihilfe, nicht aber der Erhebung der Abgabe entgegenzutreten.

Dem ist eine weitere Überlegung hinzuzufügen. Meines Erachtens bieten die Vorschriften über Beihilfen in dem hier in Rede stehenden Fall den Abgabenpflichtigen einen vollständigeren und einfacheren Schutz als die steuerlichen Vorschriften des Vertrages. Die Artikel 9 und 12 sowie Artikel 95 sind nämlich nur unter der Voraussetzung anwendbar, daß Identität zwischen dem mit der Abgabe belasteten Erzeugnis und dem durch die Beihilfe begünstigten Erzeugnis besteht, und zwingen darüber hinaus dazu, zu prüfen (was nicht immer leicht ist), inwieweit die für das inländische Erzeugnis gewährte Beihilfe die Belastung dieses Erzeugnisses durch die Erhebung der Abgabe hat ausgleichen können.

Bei der Beurteilung der Abgabe als Methode der Finanzierung einer Beihilfe werden diese Gesichtspunkte dagegen ausser acht gelassen. Insbesondere ist die Abgabe, mit der das eingeführte Erzeugnis belastet wird, aufgrund der Vorschriften über Beihilfen grundsätzlich unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, und zwar unabhängig davon, ob das durch die Beihilfe begünstigte inländische Erzeugnis mit dem eingeführten Erzeugnis identisch ist, und unabhängig vom Umfang des durch die Beihilfe bewirkten Ausgleichs.

Wenn dies aber die nach den Vorschriften über Beihilfen auf jeden Fall gebotene Beurteilung ist, ist nicht einzusehen, warum man nicht auch unmittelbar zu diesem Ergebnis gelangen sollte, indem man nämlich den Importeuren das Recht zuerkennt, sich auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Beihilfen zu berufen, um (zur Finanzierung von Beihilfen bestimmten) parafiskalischen Abgaben entgegenzutreten, deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt oder aber rechtswidrige Durchführung festgestellt worden ist. Eine solche Lösung liegt in einer Linie mit den Entscheidungen in Präzedenzfällen, entspricht der Ratio legis der Beihilferegelung, bietet den Betroffenen einen weitergehenden und unmittelbareren Schutz und ist im Verfahren vor den nationalen Gerichten leichter anzuwenden.

Im Ergebnis gibt es meines Erachtens keinen Grund dafür, anzunehmen, daß die Abgabenpflichtigen sich gegenüber zur Finanzierung von Beihilfen bestimmten parafiskalischen Abgaben nicht auf die (natürlich unmittelbare Wirkung entfaltenden) Vorschriften über Beihilfen berufen können sollten. Dies bedeutet folgendes:

° Nach der aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 erlassenen Entscheidung der Kommission können die Abgabenpflichtigen vor den nationalen Gerichten die Rechtswidrigkeit der zur Finanzierung von Beihilfen bestimmten parafiskalischen Abgaben insoweit geltend machen, als die Kommission in ihrer Entscheidung deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt hat;

° vor der aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 erlassenen Entscheidung der Kommission können die Abgabenpflichtigen vor den nationalen Gerichten (wie es gerade in den Rechtssachen Fédération nationale du commerce extérieur und Sanders geschehen ist) die Rechtswidrigkeit der zur Finanzierung von Beihilfen bestimmten parafiskalischen Abgaben insoweit geltend machen, als sie unter Verletzung der in Artikel 93 Absatz 3 niedergelegten Verpflichtungen angewendet werden.

Wenn der letztgenannte Fall eintritt, sind die Folgen für den gegen den Vertrag verstossenden Staat natürlich besonders einschneidend: Wegen Verstosses gegen Artikel 93 Absatz 3 verlieren die zu früh erlassenen Durchführungsakte ihre Gültigkeit. Es handelt sich jedoch um ein Ergebnis, das unter den Gesichtspunkten der juristischen Logik und der Zweckmässigkeit in vollem Umfang gerechtfertigt ist. Zum einen ist es nämlich nichts anderes als eine selbstverständliche Folge der mehrfach vom Gerichtshof anerkannten unmittelbaren Wirkung des Artikels 93 Absatz 3; zum anderen steht es gänzlich im Einklang mit der wesentlichen Bedeutung, die die Beachtung dieser Vorschrift für die Gewährleistung der Wirksamkeit der Regelung über Beihilfen und für das Gleichgewicht auf dem Gemeinsamen Markt als solches hat (in diesem Sinne siehe zuletzt Urteil vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-1005). Es ist daher in vollem Umfang gerechtfertigt, daß der Staat, der seine Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 nicht erfuellt hat, die Folgen dieser Pflichtverletzung zu tragen hat: Er hat nämlich dadurch, daß er durch parafiskalische Abgaben finanzierte Beihilfen einseitig durchgeführt hat, ohne sie zuvor den Gemeinschaftsbehörden zur Prüfung vorzulegen, die Kommission daran gehindert, ihre eigene Beurteilung in bezug auf zwei den Wettbewerb verzerrende Gesichtspunkte vorzunehmen, die Beihilfe als solche und die Art und Weise ihrer Finanzierung.

c) Die Ausgangsverfahren

In den Rechtssachen C-17/91 sowie C-144/91 und C-145/91 beziehen sich die Fragen der vorlegenden Gerichte auf parafiskalische Abgaben (Pflichtbeiträge), die zur Finanzierung der Tätigkeiten eines besonderen durch das belgische Gesetz vom 24. März 1987 geschaffenen Fonds (Fonds de la santé et de la production des animaux) erhoben werden.

Diese parafiskalischen Abgaben werden durch die Königliche Verordnung vom 11. Dezember 1987 zur Durchführung des genannten Gesetzes vom März 1987 geregelt. Artikel 2 dieser Königlichen Verordnung sieht einen Pflichtbeitrag in fester Höhe für jedes geschlachtete Tier (Rind, Kalb, Schwein) vor. Durch Artikel 3 wird ein Pflichtbeitrag in gleicher Höhe für ausgeführte lebende Tiere eingeführt. Diese Beiträge werden gegebenenfalls bis zum Erzeuger abgewälzt.

Der Fonds verwendet diese Beiträge zur Finanzierung von Vergütungen, Subventionen und sonstigen Leistungen zugunsten der inländischen Tierhalter(1).

Die vorlegenden Gerichte ersuchen den Gerichtshof im Kern um eine Entscheidung darüber, ob die Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen, über Abgaben gleicher Wirkung und über diskriminierende inländische Abgaben der Einführung der oben beschriebenen parafiskalischen Abgaben entgegenstehen und für die einzelnen Rechte begründen, die diese vor den nationalen Gerichten geltend machen können(2).

Die unmittelbare Wirkung der in Frage stehenden Vorschriften ist, wie bereits festgestellt, in der bereits zitierten Rechtsprechung mehrfach bestätigt worden; ich verweise daher auf diese Rechtsprechung.

Was die die Ausfuhr betreffenden Beiträge angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 10. März 1981 in den verbundenen Rechtssachen 36/80 und 71/80, Irish Creamery Milk Suppliers Association, Slg. 1981, 735), daß derartige Abgaben nicht unter das Verbot von Abgaben gleicher Wirkung fallen, wenn sie der Höhe nach mit der Abgabe übereinstimmen, mit der das gleiche Erzeugnis belastet wird, wenn es für den Binnenmarkt bestimmt ist. Nur wenn nachgewiesen ist, daß die Anwendung einer inländischen Abgabe den Verkauf ins Ausland stärker belastet als den Verkauf im Inland, hat diese Abgabe nämlich nach Ansicht des Gerichtshofes die gleiche Wirkung wie ein Ausfuhrzoll. Dies gilt dagegen bei einer Abgabe nicht, die systematisch nach denselben Merkmalen Tiere sowohl bei der Ausfuhr als auch bei der Schlachtung erfasst.

Die in Rede stehenden Ausfuhrabgaben fallen offensichtlich auch nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 95, da dieser nur steuerliche Diskriminierungen zu Lasten eingeführter Erzeugnisse verbietet. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Kommission in ihrer aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 erlassenen Entscheidung in bezug auf die durch die streitige Abgabenregelung finanzierte Beihilfe (Entscheidung vom 7. Mai 1991) diese Finanzierungsmethode der Beihilfe nicht für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt hat. Dies heilt allerdings nicht die Rechtswidrigkeit dieser Methode wegen Verstosses gegen Artikel 93 Absatz 3 während des dieser Entscheidung vorausgehenden Zeitraums.

Was schließlich die bei der Schlachtung von Tieren aus inländischer Erzeugung oder von eingeführten Tieren erhobenen parafiskalischen Abgaben angeht, so waren sie Gegenstand der genannten Entscheidung der Kommission. In dieser Entscheidung wird im wesentlichen folgendes festgestellt:

° Die durch derartige Abgaben finanzierten Beihilfen sind unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 durchgeführt worden;

° die Beihilfen im eigentlichen Sinne, d. h. die von dem betreffenden Fonds durchgeführten Maßnahmen, kommen den inländischen Erzeugern zugute;

° diese Beihilfen sind nach der Ausnahmeregelung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen;

° der Umstand, daß mit der zur Finanzierung der Beihilfe bestimmten parafiskalischen Abgabe auch eingeführte Erzeugnisse belastet werden, erzeugt jedoch eine protektionistische Wirkung, der über die Beihilfe im eigentlichen Sinne hinausgeht.

Die Kommission kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Beihilfe insoweit als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt anzusehen sei, als mit dem Pflichtbeitrag auf der Stufe der Schlachtung auch aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Erzeugnisse belastet würden, und gibt der Regierung, an die sich die Entscheidung richtet, auf, ihr binnen zwei Monaten mitzuteilen, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.

Daraus folgt also, daß die Erhebung der streitigen parafiskalischen Abgaben in jedem Fall als rechtswidrig anzusehen ist: vor der Entscheidung wegen Verstosses gegen Artikel 93 Absatz 3; nach der Entscheidung, weil sie im Widerspruch zum Inhalt dieser Entscheidung steht.

Darüber hinaus sind die in Frage stehenden parafiskalischen Abgaben, wie in der Entscheidung selbst festgestellt, dazu bestimmt, Beihilfen zu finanzieren, die zumindestens zum Teil den mit der Abgabe belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen. Insbesondere ist die Kommission im vorliegenden Fall der Auffassung, daß diese Pflichtbeiträge gegen Artikel 95 verstießen.

Da die Abgaben unvereinbar mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Beihilfen sind, braucht meines Erachtens nicht geprüft zu werden, ob und inwieweit die steuerlichen Vorschriften des Vertrages anwendbar sind. Auf jeden Fall habe ich bereits angegeben, nach welchen Kriterien diese Vorschriften anzuwenden sind.

In der Rechtssache C-114/91 geht es um eine parafiskalische Abgabe, die aufgrund des belgischen Gesetzes vom 11. April 1983 (durch das das Gesetz vom 27. Dezember 1938 geändert wird) bei der Schlachtung von Schweinen erhoben wird. Die Höhe diese Abgabe ist in der Königlichen Verordnung vom 23. April 1986 (durch die die Königliche Verordnung vom 31. Januar 1985 geändert wird) festgelegt. Die Abgabe ist für eine Stelle (Office national des débouchés agricoles et horticoles) bestimmt, die Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von Landwirtschafts-, Gartenbau- und Fischereierzeugnissen durchführt.

Das vorlegende Gericht stellt eine Frage nach der Vereinbarkeit dieser Abgabe mit dem Gemeinschaftsrecht(3). In diesem Zusammenhang ist vor allem anzumerken, daß die Kommission am 17. Mai 1989 eine auf Artikel 93 Absatz 2 gestützte Entscheidung erlassen hat, in der sie zwar verschiedene Aspekte der durch die Königlichen Verordnungen vom 23. April 1986 und vom 31. Januar 1985 eingeführten Abgabenregelung beanstandet, aber keinerlei Einwände gegenüber bei der Schlachtung von Schweinen erhobene parafiskalische Abgabe erhoben hat, die Gegenstand der Ausgangsverfahren ist. Dieser spezifische Aspekt der Beihilfe ist somit als ein Bestandteil anzusehen, der zulässig ist und für den daher die besondere Regelung für bestehende Beihilfen gilt. Dieser Aspekt ist daher unter dem Gesichtspunkt der Beihilferegelung solange nicht zu beanstanden, solange die Kommission keine abschließende Entscheidung erlassen hat, in der sie die Unvereinbarkeit dieses Aspekts mit dem Gemeinsamen Markt feststellt(4); eine solche Entscheidung hat bekanntlich keine Rückwirkung und kann daher in keinem Fall die vor ihrem Erlaß erhobenen Abgaben in Frage stellen.

Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, diese Abgaben anhand der steuerlichen Vorschriften des Vertrages nach den Kriterien zu prüfen, die im ersten Teil dieser Schlussanträge dargelegt worden sind.

Ergebnis

Rechtssachen C-17/91 sowie C-144/91 und C-145/91

1. Abgabenpflichtige, die zur Finanzierung von staatlichen Beihilfen bestimmten parafiskalischen Abgaben unterliegen, können der Erhebung derartiger Abgaben entgegentreten und gegebenenfalls ihre Erstattung fordern, wenn

° die Kommission im Rahmen einer aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erlassenen Entscheidung die Unvereinbarkeit einer solchen Art der Finanzierung einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt hat;

° die nationalen Stellen derartige Abgaben unter Verstoß gegen den Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Verpflichtungen zur Anmeldung und zur Nichtdurchführung staatlicher Beihilfen angewendet haben.

2. Bei einer parafiskalischen Abgabe, die nach den gleichen Modalitäten inländische und eingeführte Erzeugnisse erfasst, hat das nationale Gericht bei der Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Abgabe mit den Vorschriften über Abgaben gleicher Wirkung oder diskriminierende inländische Abgaben den Bestimmungszweck des Aufkommens aus der Abgabe als solcher zu berücksichtigen. Ist dieses Aufkommen dazu bestimmt, Tätigkeiten zu finanzieren, die spezifisch den mit der Abgabe belasteten inländischen Erzeugnissen in der Weise zugute kommen, daß sie die Belastung dieser Erzeugnisse aufgrund der Erhebung der Abgabe vollständig ausgleichen, so ist die Abgabe als "Abgabe gleicher Wirkung wie ein Zoll" im Sinne der Artikel 9 und 12 des Vertrages anzusehen. Ist das Aufkommen aus der Abgabe dazu bestimmt, Tätigkeiten zu finanzieren, die spezifisch dem mit der Abgabe belasteten inländischen Erzeugnis zugute kommen, die aber die Belastung der inländischen Erzeugnisse aufgrund der Erhebung der Abgabe nur teilweise ausgleichen, so ist die Abgabe als diskriminierende inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages anzusehen. Die Artikel 9 und 12 und Artikel 95 begründen für die einzelnen Rechte, die sie vor den nationalen Gerichten geltend machen können.

3. Für Pflichtbeiträge bei der Ausfuhr wie die Beiträge, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, gilt das in den Artikeln 9 und 12 des Vertrages niedergelegte Verbot von Abgaben gleicher Wirkung unter der Voraussetzung nicht, daß der Betrag der Abgabe, mit der das zur Ausfuhr bestimmte Erzeugnis belastet wird, mit dem Betrag der Abgabe übereinstimmt, mit der das für den Binnenmarkt bestimmte Erzeugnis belastet wird.

Rechtssache C-114/91

1. Abgabenpflichtige, die zur Finanzierung von staatlichen Beihilfen bestimmten parafiskalischen Abgaben unterliegen, können der Erhebung derartiger Abgaben entgegentreten und gegebenenfalls ihre Erstattung fordern, wenn

° die Kommission im Rahmen einer aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erlassenen Entscheidung die Unvereinbarkeit einer solchen Art der Finanzierung einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt hat;

° die nationalen Stellen derartige Abgaben unter Verstoß gegen den Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Verpflichtungen zur Anmeldung und zur Nichtdurchführung staatlicher Beihilfen angewendet haben.

2. Bei einer parafiskalischen Abgabe, die nach den gleichen Modalitäten inländische und eingeführte Erzeugnisse erfasst, hat das nationale Gericht bei der Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Abgabe mit den Vorschriften über Abgaben gleicher Wirkung oder diskriminierende inländische Abgaben den Bestimmungszweck des Aufkommens aus der Abgabe als solcher zu berücksichtigen. Ist dieses Aufkommen dazu bestimmt, Tätigkeiten zu finanzieren, die spezifisch den mit der Abgabe belasteten inländischen Erzeugnissen in der Weise zugute kommen, daß sie die Belastung dieser Erzeugnisse aufgrund der Erhebung der Abgabe vollständig ausgleichen, so ist die Abgabe als "Abgabe gleicher Wirkung wie ein Zoll" im Sinne der Artikel 9 und 12 des Vertrages anzusehen. Ist das Aufkommen aus der Abgabe dazu bestimmt, Tätigkeiten zu finanzieren, die spezifisch dem mit der Abgabe belasteten inländischen Erzeugnis zugute kommen, die aber die Belastung der inländischen Erzeugnisse aufgrund der Erhebung der Abgabe nur teilweise ausgleichen, so ist die Abgabe als diskriminierende inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages anzusehen. Die Artikel 9 und 12 und Artikel 95 begründen für die einzelnen Rechte, die sie vor den nationalen Gerichten geltend machen können.

3. Für Pflichtbeiträge bei der Ausfuhr wie die Beiträge, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, gilt das in den Artikeln 9 und 12 des Vertrages niedergelegte Verbot von Abgaben gleicher Wirkung unter der Voraussetzung nicht, daß der Betrag der Abgabe, mit der das zur Ausfuhr bestimmte Erzeugnis belastet wird, mit dem Betrag der Abgabe übereinstimmt, mit der das für den Binnenmarkt bestimmte Erzeugnis belastet wird.

(*) Originalsprache: Italienisch.

(1) ° Nach einer ministeriellen Verlautbarung sollen die Beiträge zur Finanzierung von Programmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Tierzucht dienen .

(2) ° Tatsächlich werden in der in den Rechtssachen C-144/91 und C-145/91 gestellten Frage nur die Artikel 92 und 95 des Vertrages ausdrücklich genannt. Es ist jedoch offenkundig, daß die von dem Gericht vorgelegte Frage sich allgemein auf das Problem der Gemeinschaftsrechtsmässigkeit parafiskalischer Abgaben bezieht, die zur Finanzierung von staatlichen Beihilfen bestimmt sind; die Frage betrifft daher nicht nur Artikel 95, sondern auch die Regelungen über Abgaben gleicher Wirkung in den Artikeln 9 und 12 des Vertrages.

Umgekehrt ist festzustellen, daß die in der Rechtssache C-17/91 vorgelegte Frage sich auch auf Artikel 30 des Vertrages bezieht. Meines Erachtens braucht die Frage unter diesem Gesichtspunkt jedoch nicht beantwortet zu werden, da diese Vorschrift im Verhältnis zu Spezialvorschriften, wie sie gerade die Artikel 9 und 12, Artikel 95 und Artikel 92 des Vertrages darstellen, subsidiär ist; diese Subsidiarität ist zuletzt im Urteil Compagnie Commerciale de l' Oüst bestätigt worden.

(3) ° Nach ihrer Formulierung bezieht sich die Frage nur auf die Artikel 9 und 12. Um dem Gericht eine sachdienliche Antwort auf die dem Gerichtshof vorgelegte Frage an die Hand zu geben und um offensichtliche Widersprüche zu vermeiden, ist es erforderlich, auf die verschiedenen im Vorstehenden geprüften Vorschriften Bezug zu nehmen.

(4) ° In bezug auf die Abgabe, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, hat die Kommission ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 eröffnet (ABl. 1990, C 22, S. 4). Bis zum Abschluß dieses Verfahrens können jedoch alle Aspekte der Beihilfe, die als durch die zitierte Entscheidung vom 17. Mai 1989 ° sei es auch nur stillschweigend ° als genehmigt anzusehen sind, ordnungsgemäß angewendet werden.

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