Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61990CC0204

    Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 17. September 1991.
    Hanns-Martin Bachmann gegen Belgischer Staat.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Belgien.
    Artikel 48, 59, 67 und 106 EWG-Vertrag - Abzug von Versicherungsbeiträgen.
    Rechtssache C-204/90.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien.
    Artikel 48 und 59 EWG-Vertrag - Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates - Abzug von Versicherungsbeiträgen - Nicht konforme nationale Rechtsvorschriften.
    Rechtssache C-300/90.

    Sammlung der Rechtsprechung 1992 I-00249

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1991:340

    SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    JEAN MISCHO

    vom 17. September 1991 ( *1 )

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. 

    Die Rechtssachen C-204/90 und C-300/90 haben beide die Vereinbarkeit der belgischen steuerrechtlichen Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand, die im Bereich der Einkommensteuer die Abzugsfähigkeit bestimmter Versicherungsbeiträge davon abhängig machen, daß diese Beiträge in Belgien entweder an belgische Unternehmen oder an die belgischen Niederlassungen ausländischer Unternehmen gezahlt werden. Aus diesem Grund behandele ich sie in gemeinsamen Schlußanträgen, obwohl sie nicht genau dieselben nationalen Gesetzestexte betreffen, die im Laufe der Zeit geändert wurden, und obwohl die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, auf die sich das vorlegende Gericht und die Kommission beziehen, nur teilweise dieselben sind.

    2. 

    Wie aus dem Vorlageurteil der belgischen Cour de cassation in der Vorabentscheidungssache C-204/90, Bachmann/Belgien, hervorgeht, hatte Artikel 54 des belgischen Code des impôts sur les revenus (nachstehend: CIR) in seiner für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung folgenden Wortlaut:

    „Vom Gesamtbetrag der Erwerbseinkünfte werden abgezogen:

    1.

    die Beiträge zur freiwilligen Kranken-und Invaliditätsversicherung oder die Beiträge zu Zusatzversicherungen gegen die gleichen Risiken, die der Steuerpflichtige an einen von Belgien anerkannten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit für sich oder für ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige gezahlt hat;

    2.

    die Beiträge zu Zusatzversicherungen für den Fall des Alters oder des vorzeitigen Todes, die der Steuerpflichtige in Belgien ohne gesetzliche Verpflichtung zum Abschluß einer Renten- oder Kapitalversicherung auf den Lebens- oder Todesfall endgültig gezahlt hat:

    a)

    über seinen Arbeitgeber durch Gehaltsabzug, soweit diese Beiträge die Voraussetzungen des Artikels 45 Nr. 3 b für Arbeitgeberleistungen erfüllen;

    b)

    in Erfüllung eines von ihm individuell geschlossenen Lebensversicherungsvertrags;

    ...“

    Daneben bestimmt Artikel 45 der königlichen Durchführungsverordnung zum CIR:

    „Die Prämien, die der Steuerpflichtige einmalig oder in regelmäßigen Abständen zur Erfüllung von Lebensversicherungsverträgen zahlt, die er individuell geschlossen hat, werden ... nur dann vom Gesamtbetrag der Erwerbseinkünfte des Versicherungsnehmer abgezogen, wenn

    1.

    die Verträge mit belgischen Unternehmen oder belgischen Niederlassungen ausländischer Unternehmen geschlossen sind ...;

    ...“

    Außerdem heißt es in dem Vorlageurteil der Cour de cassation, die eine Feststellung der Cour d'appel Brüssel aufgreift, gegen deren Urteil Herr Bachmann Kassationsbeschwerde eingelegt hat, daß von Belgien „bis heute kein ausländischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit anerkannt worden ist“.

    In Anwendung dieser Vorschriften wurde Herrn Bachmann, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, für die Jahre 1973 bis 1976 der Abzug der Beiträge verweigert, die er aufgrund der Verträge zur freiwilligen Kranken- und Invaliditätsversicherung sowie eines Lebensversicherungsvertrags bezahlt hatte, die er 1971 bei deutschen Versicherungsgesellschaften abgeschlossen hatte, bevor er sich am 16. Mai 1972 in Belgien niederließ. Da Herr Bachmann vor der belgischen Cour de cassation das Vorbringen, diese Weigerung sei mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, aufrechterhielt, hat die Cour de cassation dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Sind die Bestimmungen des belgischen Steuerrechts, die im Bereich der Steuern auf das Einkommen die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu Kranken- und Invaliditäts- oder Alters- und Todesfallversicherungen von der Voraussetzung abhängig machen, daß diese Beiträge „in Belgien“ gezahlt werden, mit den Artikeln 48, 59, und zwar dessen Absatz 1, 67 und 106 EWG-Vertrag vereinbar?

    3. 

    Die Kommission hat ihre Vertragsverletzungsklage (Rechtssache C-300/90) nur gegen den Artikel 54 Nr. 2 Buchstaben a und b CIR sowie gegen die Artikel 45 und 33sexies der königlichen Durchführungsverordnung gerichtet. Artikel 33sexies bestimmte in seinem Absatz 1 :

    „Die Beiträge zu Zusatzversicherungen für den Fall des Alters und des vorzeitigen Todes im Sinne der Artikel 45 Nr. 3 Buchstabe b und 54 Nr. 2 Buchstabe a des Code des impôts sur les revenus werden wie in diesen Vorschriften vorgesehen unter folgenden Bedingungen von den steuerpflichtigen Einkünften abgezogen:

    1.

    Die Beiträge müssen an eine Lebensversicherungsgesellschaft oder eine Rentenkasse gezahlt werden, die ihren Firmensitz, ihre Hauptniederlassung, ihre Direktion oder ihren Verwaltungssitz in Belgien hat, oder an eine belgische Niederlassung einer solchen Gesellschaft oder Kasse mit Firmensitz oder Hauptniederlassung im Ausland ...“

    Vom Steuerjahr 1990 an ist Artikel 54 Nr. 2 Buchstaben a und b CIR durch die Artikel 12 Absatz 2 Nr. 1 und 13 Absatz 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 1988(Moniteur belge vom 16. Dezember 1988) ersetzt worden, die unter dem Abschnitt 7 „Verschiedene Abzüge“ folgendes bestimmen:

    „12.

    Absatz 2. Als Werbungskosten gelten:

    1.

    die Beiträge zu Zusatzversicherungen für den Fall des Alters und des vorzeitigen Todes, die der Steuerpflichtige in Belgien ohne gesetzliche Verpflichtung zum Abschluß einer Renten- oder Kapitalversicherung auf den Lebens- oder Todesfall über seinen Arbeitgeber durch Gehaltsabzug endgültig gezahlt hat...;

    ...

    13.

    Absatz 1. Vom Gesamtbetrag der Erwerbseinkünfte werden abgezogen...:

    1.

    die Beiträge zu Zusatzversicherungen für den Fall des Alters und des vorzeitigen Todes, die der Steuerpflichtige in Belgien ohne gesetzliche Verpflichtung zur Bestellung einer Renten- oder Kapitalversicherung auf den Lebens- oder Todesfall in Erfüllung eines individuell geschlossenen Lebensversicherungsvertrags endgültig gezahlt hat;

    ...“

    Sowohl aus Artikel 54 Nr. 2 Buchstaben a und b CIR als auch aus den Artikeln 12 Absatz 2 Nr. 1 und 13 Absatz 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 1988 ergibt sich, daß die Beiträge zu Zusatzversicherungen für den Fall des Alters und des vorzeitigen Todes, damit sie von den zu versteuernden Einkünften des Steuerpflichtigen abgezogen werden können, „in Belgien ... endgültig gezahlt“ worden sein müssen und daß daher Beiträge, die an Versicherungsgesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt worden sind, nicht abgezogen werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Beiträge auf ein von der ausländischen Gesellschaft in Belgien eröffnetes Konto gezahlt worden sind, um sodann in den Mitgliedstaat des Gesellschaftssitzes transferiert zu werden.

    Die Kommission beantragt, festzustellen, daß eine solche Regelung gegen die Artikel 48 und 59 EWG-Vertrag sowie 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstößt. Bekanntlich ist die letztgenannte Bestimmung, wonach ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer, nur die Anwendung des Verbots der auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, wie es in Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag enthalten ist, auf das Steuerrecht. Dies ist durch das Urteil des Gerichtshofes vom 8. Mai 1990 in der Rechtssache C-175/88 (Biehl, Sig. 1990, I-1779, Randnr. 12) bestätigt worden, wonach

    „der Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Entlohnung... seiner Wirkung beraubt [wäre], wenn er durch diskriminierende nationale Vorschriften über die Einkommensteuer beeinträchtigt werden könnte“.

    Deshalb ist die streitige Vorschrift, wenn sie gegen Artikel 48 EWG-Vertrag verstößt, auch mit Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 unvereinbar, und umgekehrt.

    Zum Verstoß gegen Artikel 48 EWG-Vertrag

    4.

    Zunächst ist festzustellen, daß die fragliche Vorschrift für alle Personen gilt, die in Belgien einkommensteuerpflichtig sind. Es handelt sich also nicht um eine unmittelbar auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung.

    Im Urteil Biehl (a. a. O.), Randnr. 13, hat der Gerichtshof jedoch auch an seine ständige, mit seinem Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73 (Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11) begonnene Rechtsprechung erinnert, wonach

    „die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen... [verbieten]“.

    Herr Bachmann und die Kommission tragen vor, daß das im vorliegenden Fall zugrunde gelegte Merkmal der Zahlung der Beiträge in Belgien, das auf alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit angewendet wird, zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führt. Nach ihrer Auffassung birgt es ebenso wie das in der Rechtssache Biehl streitige Kriterium

    „die Gefahr, daß es sich besonders zum Nachteil der Steuerpflichtigen auswirkt, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind“ (Randnr. 14 des Urteils Biehl).

    Nach Ansicht der belgischen Regierung ist dies nicht der Fall, weil die belgischen Arbeitnehmer ebenso betroffen seien wie die Arbeitnehmer aus den anderen Mitgliedstaaten. Erstens „[sind] die belgischen Arbeitnehmer, die früher ins Ausland abgewandert waren und sich bei ihrer Rückkehr nach Belgien dafür entscheiden, im Ausland während ihres Aufenthalts dort geschlossene Verträge beizubehalten, ... durch diese Beschränkung ebenso betroffen wie nach Belgien zugewanderte Arbeitnehmer aus der EG, die sich dafür entscheiden, früher in ihrem Herkunftsland geschlossene Verträge beizubehalten“ (vgl. Nr. II. 1.2 des Sitzungsberichts in der Rechtssache C-204/90). Zweitens gibt die belgische Regierung in ihrer Antwort auf das Aufforderungsschreiben an, und die Kommission scheint dies einzuräumen (vgl. Nr. 8 ihrer Klageschrift in der Rechtssache C-300/90), daß viele Grenzgänger belgischer Staatsangehörigkeit Beiträge zu Zusatzversicherungen zahlten, die von ausländischen Arbeitgebern aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrags oder einer Versorgungsregelung zur Zahlung an eine Rentenkasse oder an eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz im Ausland einbehalten würden und die daher ebenfalls nicht von den in Belgien entrichteten Steuern abgezogen werden könnten.

    Ich bin der Ansicht, daß selbst dann, wenn die Gesamtanzahl, absolut gesehen, der „früher ins Ausland abgewanderten belgischen Arbeitnehmer“ und der Grenzgänger belgischer Staatsangehörigkeit, die außerhalb Belgiens Zusatzversicherungsverträge geschlossen haben, ungefähr gleich hoch wäre wie die Anzahl der in Belgien steuerpflichtigen Ausländer, die solche Verträge im Ausland geschlossen haben, es, bei relativer Betrachtung, vor allem die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten wären, die durch die beanstandete Voraussetzung benachteiligt würden. Denn gemessen an dem Teil der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung Belgiens, der Zusatzversicherungsverträge im Ausland geschlossen hat, stellen die belgischen Staatsangehörigen, gemessen an der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung überhaupt, sicher einen viel niedrigeren Prozentsatz dar. Umgekehrt dürften die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die solche Versicherungsverträge geschlossen haben, normalerweise einen Prozentsatz darstellen, der weit über dem Prozentsatz liegt, zu dem sie in der erwerbstätigen Bevölkerung überhaupt vertreten sind.

    5.

    Was die Beeinträchtigung der Arbeitnehmer belgischer Staatsangehörigkeit betrifft, so zögere ich jedoch, der Kommission zu folgen, wenn sie glaubt, sich auf das Urteil Stanton ( 1 ) stützen zu können, um geltend zu machen, daß „... die beanstandete Maßnahme ... sogar für belgische Arbeitnehmer gegen das Grundprinzip der Freizügigkeit [verstoße], da sie die freie Ausübung einer Berufstätigkeit durch einen Gemeinschaftsangehörigen in einem beliebigen Mitgliedstaat behindere“ (siehe Nr. 7 der Erklärungen der Kommission in der Rechtssache C-204/90). Zwar hat der Gerichtshof in Randnummer 13 dieses Urteils festgestellt:

    „Die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit soll somit den Gemeinschaftsbürgern die Ausübung jeder Art von Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und steht einer nationalen Regelung entgegen, die sie dann benachteiligten könnte, wenn sie ihre Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats hinaus ausdehnen wollen.“

    In diesem Urteil und in der Parallelsache Wolf u. a. ( 2 ) ging es jedoch um eine belgische Regelung, die Gemeinschaftsangehörige einschließlich der belgischen Staatsangehörigen, die Erwerbstätigkeiten außerhalb des belgischen Hoheitsgebiets ausüben, benachteiligte (s. Randnr. 14 des Urteils); wenn es im vorliegenden Fall eine Regelung mit dieser Wirkung gegenüber belgischen Staatsangehörigen geben sollte, könnte es sich dagegen nur um die Regelung anderer Mitgliedstaaten handeln, in denen sie sich niederlassen wollen, und zwar eine Regelung, die ihnen ebenso wie die beanstandete belgische Regelung den Abzug der Versicherungsbeiträge verweigert, weil diese nicht im fraglichen Mitgliedstaat gezahlt werden. Die einzige beschränkende Wirkung, die die im vorliegenden Fall beanstandete belgische Regelung insbesondere für die „früher ins Ausland abgewanderten belgischen Arbeitnehmer“ haben könnte, die im Ausland Versicherungsverträge geschlossen haben, besteht darin, sie von einer Rückkehr nach Belgien abzuhalten. Aber abgesehen von der Frage, ob eine solche „Beschränkung“ der Freizügigkeit gemeinschaftsrechtlich relevant sein kann, war diese sicher weder Gegenstand der Rechtssache Stanton noch der Rechtssache Wolf u. a., bei der der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens u. a. einen belgischen Bürger (Herrn Dorchain) betraf, der in Deutschland berufstätig, aber gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit Sitz in Belgien war.

    6.

    Ich möchte jetzt zu den anderen Argumenten kommen, die die belgische Regierung gegen das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung anführt (siehe Punkt II. 1.2. a und d des Sitzungsberichts in der Rechtssache C-204/90). Zunächst behauptet sie, die belgische Regelung werde „keinen Gemeinschaftsangehörigen, der in seinem Herkunftsstaat auch nicht zu dem fraglichen Steuerabzug berechtigt ist, davon abhalten, ein Stellenangebot in Belgien anzunehmen“. Dies trifft sicher zu; um jedoch zu beurteilen, ob die belgischen Rechtsvorschriften eine mittelbare Diskriminierung bewirken, ist nicht zu berücksichtigen, ob die Arbeitnehmer ihre Beiträge nach den Rechtsvorschriften eines anderen Landes abziehen konnten oder nicht. Außerdem kann man insoweit ebenso argumentieren, wie es der Gerichtshof in Randnummer 16 des Urteils Biehl (a. a. O.) getan hat, und feststellen:

    „Eine nationale Vorschrift der in Rede stehenden Art ist geeignet, den Gleichbehandlungsgrundsatz bei verschiedenen Fallgestaltungen zu verletzen ...“

    Um bei der Betrachtungsweise der belgischen Regierung zu bleiben: Dies wäre sicher der Fall, wenn der ausländische Arbeitnehmer in dem Land, in dem er vorher beschäftigt war, zum Abzug seiner Versicherungsbeiträge berechtigt wäre.

    7.

    Letztere Bemerkung gilt auch für das andere Argument, das die belgische Regierung in diesem Zusammenhang vorträgt und wonach „ein Gemeinschaftsangehöriger, der in seinem Herkunftsmitgliedstaat zum steuerlichen Abzug der fraglichen Beiträge berechtigt ist, ... diese Beiträge, nachdem er eine Stelle in Belgien angenommen hat, weiterhin abziehen [kann]“: Dies träfe nämlich nur für diejenigen ausländischen Arbeitnehmer zu, die, nachdem sie eine Stelle in Belgien angenommen haben, in ihrem Herkunftsland weiterhin genügend hohe Einkünfte haben, um steuerpflichtig zu sein.

    8.

    Was das Argument angeht, wonach „das (belgische) Gesetz nicht vorschreibt], daß die Beiträge an eine belgische Gesellschaft gezahlt worden sein müssen“, so kann es höchstens dartun, daß es nicht um eine Maßnahme geht, die den Zweck hat, Versicherungsunternehmen mit Sitz in Belgien zu Lasten von Agenturen und Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zu begünstigen (unmittelbare Diskriminierung zwischen Gesellschaften). Dieses Argument ist jedoch nicht geeignet, darzutun, daß die Kommission und Herr Bachmann mit ihrem Vorbringen Unrecht haben, daß die fehlende steuerliche Abzugsmöglichkeit der außerhalb Belgiens gezahlten Versicherungsprämien hauptsächlich die in Belgien arbeitenden Angehörigen anderer Mitgliedstaaten benachteilige.

    9.

    Schließlich macht die belgische Regierung geltend, daß ein Gemeinschaftsangehöriger zwar die Versicherungsbeiträge nicht abziehen könne, wenn sie nicht in Belgien gezahlt worden seien, daß er jedoch immer noch die Möglichkeit habe, was die freiwillige Kranken- und Invaliditätsversicherung betrifft, die in seinem Herkunftsland geschlossenen Verträge zu beenden und in Belgien neu zu schließen. Außerdem werde bei Lebensversicherungen der Nichtabzug der Beiträge durch die Nichtbesteuerung des angesammelten Kapitals oder der gebildeten Rente ausgeglichen, so daß die fragliche Vorschrift weder mittelbar noch unmittelbar finanzielle Auswirkungen habe, die allgemein für die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten nachteiliger seien als für belgische Staatsangehörige.

    Zum ersten Gesichtspunkt kann zunächst festgestellt werden, daß der Umstand, daß bestehende Verträge gekündigt und neu geschlossen werden müssen, damit Versicherungsbeiträge in Belgien abzugsfähig sind, schon für sich allein beweist, daß sich ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, in der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit beeinträchtigt fühlen kann. Außerdem weist Herr Bachmann zu Recht darauf hin, daß der Abschluß eines neuen Vertrags mit einer in Belgien niedergelassenen Gesellschaft nicht frei von Unannehmlichkeiten und Unsicherheiten ist. Dies kann auch für die Kündigung eines bestehenden Vertrags gelten.

    Was den Ausgleich des Nichtabzugs von Beiträgen durch die Nichtbesteuerung des -angesammelten Kapitals betrifft, so weist die Kommission zu Recht darauf hin, daß dies nur von den Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden könne, die ihren steuerlichen Wohnsitz in Belgien beibehalten hätten. Jedoch dürfte dies wieder vor allem bei belgischen Staatsangehörigen und weniger bei Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Fall sein. Während außerdem der Steuerpflichtige, der in Belgien Beiträge zahlt, die Wahl zwischen dem Abzug der Beiträge und der Nichtbesteuerung des angesammelten Kapitals hat, trifft dies für den Steuerpflichtigen, der seine Beiträge an eine außerhalb Belgiens niedergelassene Gesellschaft zahlt, nicht zu, da die Abzugsfähigkeit für ihn nicht gilt.

    10.

    Die belgische Regierung (sowie zusätzlich die deutsche Regierung, die in der Rechtssache C-204/90 Erklärungen abgegeben hat) sucht Argumente aus dem Fehlen einer Harmonisierung der einschlägigen steuerlichen Vorschriften herzuleiten. Ihr Vorbringen ist sicher richtig, daß „ein Gemeinschaftsangehöriger ... bei der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit die Steuerregelung, die in dem Mitgliedstaat besteht, in dem er eine Stelle annehmen will, berücksichtigen [wird]“ und daß „die Steuerregelung, der er unterworfen sein wird, ... einen Arbeitnehmer sogar leicht davon abhalten [kann], ein Stellenangebot aus einem anderen Mitgliedstaat anzunehmen“ (siehe Nr. IL B.1 der Klagebeantwortung Belgiens in der Rechtssache C-300/90). Jedoch betrifft dieses Argument in Wirklichkeit die Unterschiede, die zwischen dem Steuerrecht zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten bestehen können, und es berücksichtigt nicht, daß es im vorliegenden Fall nur um die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats geht. Also kann der Umstand, daß eine Person ihre Versicherungsbeiträge nicht abziehen konnte, solange sie in ihrem Herkunftsland arbeitete, es nicht rechtfertigen, daß Belgien ihr diesen Vorteil ebenfalls verweigert, wenn es ihn gleichzeitig seinen eigenen Staatsangehörigen gewährt. Aus den gleichen Gründen ist auch das Vorbringen der deutschen Regierung nicht stichhaltig, wonach „der Verlust bestimmter Steuervorteile, die Staat A im Gegensatz zum Staat Β gewährt, ... bei einem Wechsel von Staat A nach Staat Β ... hingenommen werden [muß]“ (s. Nr. II. 1.4 des Sitzungsberichts): Im vorliegenden Fall geht es nicht um den Verlust bestimmter Steuervorteile, die Staat A gewährt, sondern um die Diskriminierung, die in Staat Β erfolgt.

    11.

    Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, daß auch der Hinweis der belgischen Regierung auf das Gebiet der sozialen Sicherheit, auf dem der Gerichtshof Beeinträchtigungen der Freizügigkeit, die sich aus Unterschieden in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ergäben, für mit dem EWG-Vertrag vereinbar erklärt habe, im vorliegenden Zusammenhang nicht stichhaltig ist. Denn die Beeinträchtigungen der Freizügigkeit, um die es im vorliegenden Fall geht, ergeben sich nicht aus Unterschieden in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, und sie haben mit dem Gebiet der sozialen Sicherheit nichts zu tun. Außerdem würde, auch wenn es sich um eine Frage der sozialen Sicherheit handelte, das Fehlen einer Harmonisierung im Rahmen der Gemeinschaft auf diesem Gebiet die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung entbinden, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu beachten. Dies ergibt sich z. B. aus Randnummer 10 des Urteils in der Rechtssache Stanton (a. a. O.), in dem der Gerichtshof zu Artikel 52 EWG-Vertrag im Zusammenhang mit einer unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Gemeinschaftsrechts festgestellt hat:

    „Die Mitgliedstaaten hatten daher diese Vorschrift selbst zu der Zeit zu beachten, als sie mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung... weiterhin zur Rechtsetzung in diesem Bereich befugt waren.“

    12.

    Aus allen vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die fragliche Bestimmung insbesondere die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten benachteiligt. Sie muß daher als mit Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag unvereinbar betrachtet werden, es sei denn, es kann gezeigt werden, daß die „Diskriminierung“ objektiv gerechtfertigt ist. Ich werde dieses Problem nach Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit Artikel 59 EWG-Vertrag behandeln.

    Zum Verstoß gegen Artikel 59

    13.

    Es ist kaum zu bezweifeln, daß die im vorliegenden Fall beanstandeten belgischen Rechtsvorschriften auch eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft im Sinne der Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag bedeuten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, zuletzt im Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-353/89, Kommission/Niederlande, gilt nämlich folgendes:

    „Diese Artikel verlangen nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Leistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Beseitigung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die damit zusammenhängen, daß der Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Leistung erbracht wird, niedergelassen ist“ (s. Randnr. 25 des Urteils vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84, Kommission/Deutschland — Versicherungen —, Slg. 1986, 3755).

    Wie jedoch die deutsche Regierung einräumt, „[beeinträchtigt] die Beschränkung des Anwendungsbereichs einer steuerlichen Vergünstigung auf Beiträge an bestimmte Versicherungsunternehmen ... den freien Dienstleistungsverkehr in bezug auf davon nicht erfaßte Versicherungsunternehmen“ (s. Nr. 2 ihrer Erklärungen in der Rechtssache C-204/90); letztere sind im vorliegenden Fall diejenigen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Belgien. Man kann noch hinzufügen, wie dies die Kommission getan hat, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und insbesondere seinem Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-49/89 (Corsica Fernes France, Slg. 1989, 4441, Randnr. 9) auch „innerstaatliche fiskalische Maßnahmen, die die Ausübung dieser Freiheit durch den Wirtschaftsteilnehmer beeinträchtigen“, den freien Dienstleistungsverkehr behindern können. Stellt man sich schließlich auf den Standpunkt der Empfänger und nicht der Erbringer der Dienstleistungen, so ist mit der Kommission festzustellen, daß die streitige Maßnahme „nicht nur die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, sondern auch die des betroffenen Mitgliedstaats möglicherweise davor zurückschrecken läßt, eine Zusatzversicherung bei einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer abzuschließen“ (s. insbesondere Nr. II.2.3 des Sitzungsberichts in der Rechtssache C-204/90).

    14.

    Die belgische Regierung bestreitet jedoch, daß überhaupt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs vorliege, und zwar hauptsächlich deshalb, weil diese Freiheit auf dem Gebiet der Versicherungen noch nicht verwirklicht sei.

    15.

    Insbesondere zu den Lebensversicherungen macht die belgische Regierung geltend (s. Nr. IL C.1 und 2 ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache C-300/90), daß die „Erste Richtlinie“ des Rates vom 5. März 1979 ( 3 ) nicht den freien Dienstleistungsverkehr betreffe und daß der Rat erst nach der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die durch die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 ( 4 ) erfolgt sei, eine „Zweite Richtlinie“ erlassen habe, die die Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Lebensversicherungen zum Ziel habe ( 5 ). Sie verweist in diesem Zusammenhang zum einen auf Artikel 61 Absatz 2 EWG-Vertrag und hebt zum anderen hervor, daß sogar die „Zweite Richtlinie“, die erst Ende 1992 in Kraft trete, die Leistungen der Lebensversicherung nur in sehr bescheidenem Umfang liberalisiere.

    Was die Verweisung auf Artikel 61 Absatz 2 EWG-Vertrag betrifft, wonach

    „die Liberalisierung der mit dem Kapitalverkehr verbundenen Dienstleistungen der Banken und Versicherungen im Einklang mit der schrittweisen Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchgeführt [wird]“,

    so hat der Gerichtshof in den Randnummern 19 und 20 seines Urteils vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (a. a. O.) bereits festgestellt, daß

    „bereits die erste Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages (ABl. 1960, S. 921) vorsah, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Devisengenehmigungen für Transferzahlungen zur Erfüllung von Versicherungsgeschäften erteilen, die den Kapitalverkehr betreffen, soweit diese Versicherungsgeschäfte nach den Artikeln 59 ff. des Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr gestattet sind“,

    und daß

    „demnach die Vorschriften über den Kapitalverkehr den freien Abschluß von Versicherungsverträgen in Form von Dienstleistungen nach den Artikeln 59 und 60 nicht einschränken können“.

    16.

    Was die Überlegung anbelangt, daß die Dienstleistungen auf dem Gebiet der Lebensversicherungen erst durch die „Zweite Richtlinie“ liberalisiert worden seien und daß diese „Liberalisierung“ jedenfalls nur eine sehr geringfügige Bedeutung habe, so sagt die Kommission zu Recht, daß sie nicht relevant sei. Denn wie sich aus Randnummer 25 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 205/84 (a. a. O.) ergibt,

    „sind die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag nach Ablauf der Übergangszeit unmittelbar anwendbar geworden, ohne daß ihre Anwendbarkeit von der Harmonisierung oder Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten abhängig ist“.

    Dies wird durch die zweite Begründungserwägung der „Zweiten Richtlinie“ bestätigt, in der es heißt:

    „Nach dem Vertrag ist seit dem Ende der Übergangszeit im Dienstleistungsverkehr eine unterschiedliche Behandlung je nachdem, ob das Unternehmen in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird, niedergelassen ist oder nicht, unzulässig.“

    17.

    In demselben Urteil hat der Gerichtshol jedoch auch anerkannt, daß im Versicherungssektor „... zwingende Gründe des Allgemeininteresses [bestehen], die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können“ (Randnr. 33).

    Wir haben also noch zu prüfen, ob die belgische Vorschrift durch das „Allgemeininteresse“ gerechtfertigt werden kann, wie dies die deutsche Regierung und, hilfsweise, die belgische Regierung geltend machen.

    18.

    Die Antwort auf diese Frage ist nicht leicht. Denn als der Gerichtshof im Rahmen der Rechtssache 205/84 anerkannte, daß der freie Dienstleistungsverkehr ausnahmsweise durch Regelungen beschränkt werden kann, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, hatte er gewerbliche Regelungen der Ausübung der fraglichen Tätigkeit durch Erbringer von Dienstleistungen im Auge, die den Schutz der Versicherungsnehmer und der Versicherten betrafen und die für alle im Hoheitsgebiet des Bestimmungsstaats tätigen Personen oder Unternehmen galten. Außerdem reicht der Nachweis, daß „im Hinblick auf die betreffende Tätigkeit“ zwingende Gründe des Allgemeininteresses bestehen, nicht aus, um die Anforderungen der Regelung des Bestimmungsstaats an die Dienstleistungserbringer als vereinbar mit den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag ansehen zu können, sondern es ist außerdem erforderlich,

    „daß das Allgemeininteresse nicht bereits durch die Vorschriften des Staates, in dem der Leistungserbringer niedergelassen ist, gewahrt ist und daß das gleiche Ergebnis nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreicht werden kann“ (s. Urteil vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-198/89, Kommission/Griechenland, Slg. 1991, I-727, Randnr. 19).

    Das im vorliegenden Fall von der belgischen Regierung geltend gemachte Allgemeininteresse, nämlich die Prüfung der Bescheinigungen über die Zahlung der Versicherungsbeiträge durch die Steuerbehörden, die bei Zahlungen im Ausland nicht durchgeführt werden könne, hat jedoch sicher nichts mit dem Schutz der Versicherungsnehmer und der Versicherten zu tun. Außerdem betrifft die Prüfung, auch wenn sie formell die von den Versicherungsgesellschaften ausgestellten Bescheinigungen zum Gegenstand hat, nicht deren Tätigkeiten, sondern stellt in Wirklichkeit eine steuerliche Prüfung des Steuerpflichtigen dar, der die Beiträge abziehen will, d. h. des Arbeitnehmers. Sie ist daher keine Kontrolle der Einhaltung der gewerblichen Vorschriften des Bestimmungsstaates durch den Dienstleistungserbringer, die in der Rechtssache 205/84 bestimmte Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt hatte.

    19.

    Die Frage, mit der wir konfrontiert sind, ist also letztlich die, ob eine Beschränkung auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs auch durch die Anforderungen einer wirksamen Steuerprüfung gerechtfertigt werden kann und, falls ja, ob der allgemeine und völlige Ausschluß von Beiträgen, die an im Ausland niedergelassene Leistungserbringer gezahlt worden sind, von der Abzugsfähigkeit über das hinausgeht, was zur Wahrung des genannten Interesses objektiv erforderlich ist.

    20.

    Zunächst ist festzustellen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil über „Steuerguthaben“ vom 28. Januar 1986 ( 6 ) festgestellt hat, daß

    „nicht völlig auszuschließen ist, daß eine Unterscheidung je nach dem Sitz einer Gesellschaft oder eine Unterscheidung je nach dem Wohnsitz einer natürlichen Person unter bestimmten Voraussetzungen auf einem Gebiet wie dem des Steuerrechts gerechtfertigt sein kann“.

    Daher kann — auch wenn das Urteil in der Rechtssache 205/84 nur Kontrollmaßnahmen zum Gegenstand hat, die (von dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird) mit dem Ziel getroffen werden können, die Interessen der Versicherungsnehmer zu schützen — daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß der Gerichtshof diesem Staat die Möglichkeit völlig nehmen wollte, auch die Gewährung von Steuererleichterungen von bestimmten Voraussetzungen oder Kontrollmaßnahmen abhängig zu machen.

    Außerdem hat der Gerichtshof sogar für den Warenverkehr im Urteil „Cassis de Dijon“ ( 7 ) ausgeführt:

    „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes.“

    Zwar ergibt sich im vorliegenden Fall das Hemmnis für die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft nicht eigentlich aus einem Unterschied der nationalen Regelungen. Je doch handelt es sich um die Art von Hemmnissen, die durch eine Koordinierung der Regelungen und eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden beseitigt werden könnte.

    21.

    Zudem hat der Gerichtshof in Randnummer 52 des Urteils „Versicherurigen“ vom 4. Dezember 1986 (Rechtssache 205/84, a. a. O.) einerseits festgestellt, daß das Erfordernis einer festen Niederlassung des Versicherungsunternehmens in dem Land, in dem es Dienstleistungen erbringen will, praktisch die Negation dieser Freiheit darstellt; andererseits hat er hinzugefügt:

    „Für die Zulässigkeit eines solchen Erfordernisses muß daher nachgewiesen werden, daß es eine unerläßliche Voraussetzung für die Erreichung des verfolgten Zwecks ist.“

    Der Gerichtshof hat also nicht völlig ausgeschlossen, daß es Umstände geben könnte, unter denen das Erfordernis einer festen Niederlassung gerechtfertigt wäre; er hat jedoch im Rahmen der Rechtssache 205/84 den Nachweis dieser Notwendigkeit nicht als erbracht angesehen. Er hat im Gegenteil anerkannt, daß das Gemeinschaftsrecht im Versicherungssektor bei seinem damaligen Stand der Forderung des Bestimmungsstaats nicht entgegenstand, daß die Aktivwerte, die technischen Reserven für die in seinem Hoheitsgebiet ausgeübte Tätigkeit entsprechen, in seinem Hoheitsgebiet gelegen sind.

    22.

    Was die vorliegende Rechtssache anbelangt, so schlage ich Ihnen ebenfalls nicht vor, festzustellen, daß eine Niederlassung der Versicherungsgesellschaft in dem Land, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, für eine wirksame steuerliche Kontrolle unerläßlich ist.

    Andererseits glaube ich jedoch nicht, daß von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht wird, verlangt werden kann, daß sie sich im Fall einer Zahlung in einen anderen Mitgliedstaat mit einer weniger strengen Steuerkontrolle begnügen als derjenigen, die sie durchführen würden, wenn der Vertrag mit einem im Inland niedergelassenen Unternehmen geschlossen worden wäre.

    Ich schlage Ihnen vor, den Mittelweg einzuschlagen, der sich aus dem Standpunkt ergibt, den die Kommission während des schriftlichen Verfahrens im Rahmen der Vertragsverletzungsklage gegen Belgien (Rechtssache C-300/90) eingenommen hat (aber in der mündlichen Verhandlung, wie es scheint, fallengelassen hat). Auf Seite 4 ihrer Erwiderung hat die Kommission nämlich eingeräumt, daß Belgien Artikel 9 Absatz 2 des von ihr am 21. Dezember 1979 dem Rat vorgelegten Vorschlags für eine Richtlinie zur Harmonisierung von Regelungen im Bereich der Einkommensteuer im Hinblick auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft (ABl. 1980, C 21, S. 6) anwenden könnte.

    Dieser Artikel hat folgenden Wortlaut:

    „(1)

    Gewährt ein Mitgliedstaat für Zahlungen, die eine natürliche Person an Versicherungsunternehmen, Banken, Pensionsfonds, Bausparkassen oder irgendeinen anderen Empfänger leistet, eine Vergünstigung bei der in Artikel 2 aufgeführten Einkommensteuer, gleichgültig ob durch Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage oder auf andere Weise, so darf er eine solche Steuervergünstigung nicht lediglich deshalb versagen, weil der Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat gelegen, errichtet oder ansässig ist.

    (2)

    Der in Absatz 1 erstgenannte Mitgliedstaat kann die Anwendung des Absatzes 1 davon abhängig machen, daß der Empfänger einer ähnlichen steuerlichen Kontrolle und ähnlichen steuerlichen Verpflichtungen unterliegt wie der entsprechende in seinem Gebiet ansässige Empfänger.“

    Entsprechend dem Geist dieser Vorschrift glaube ich, daß Belgien zum einen die Gewährung des Steuerabzugs von der Voraussetzung abhängig machen könnte, daß die Versicherungsgesellschaft die Zulassung zur Erbringung von Dienstleistungen in Belgien erhalten hat. Zum anderen könnte Belgien im Zulassungsbescheid verlangen, daß die Gesellschaft ihm regelmäßig, zusätzlich zu den Unterlagen, die der Gerichtshof in Randnummer 55 des Urteils in der Rechtssache 204/84 erwähnt hat, eine Aufstellung der Beiträge übermittelt, die in Belgien ansässige Personen an die Gesellschaft gezahlt haben, und daß diese Aufstellung ebenso wie die anderen Unterlagen von den Behörden des Staates, von dem aus die Dienstleistungstätigkeit erfolgt, ordnungsgemäß beglaubigt sein muß.

    23.

    Ich füge jedoch hinzu, daß auf dem Gebiet der Kranken- und Invaliditätsversicherungen nicht die Rede davon sein kann, zu verlangen, daß die Gesellschaften, denen die Zulassung gewährt wird, den Charakter von „Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit“ haben müssen. Auch wenn diese Art der Tätigkeit in Belgien den „Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit“ vorbehalten ist, so gilt dies doch nicht für die anderen Mitgliedstaaten. Gesellschaften, die diese Rechtsstellung nicht haben, dürfen nicht — mittelbar — vom freien Dienstleistungsverkehr ausgeschlossen werden.

    24.

    Ein zusätzliches Argument für eine differenzierte Lösung des Problems, das sich uns stellt, folgt aus dem Umstand, daß bei Lebensversicherungen (s. Artikel 32bis CIR) der Nichtabzug der Beiträge und die Nichtbesteuerung des mit diesen Beiträgen gebildeten Kapitals voneinander abhängig sind. Diese Abhängigkeit bedeutet nämlich, daß der belgische Staat den Abzug der Beiträge nur unter der Voraussetzung akzeptiert, daß er später beim normalen Ablauf des Vertrags oder beim Tod des Versicherten das gezahlte Kapital besteuern kann (s. Artikel 93 Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe f CIR). Er muß also in der Lage sein, sicherzustellen, daß eine Besteuerung des Kapitals stattfindet, wenn ein Abzug der Beiträge erfolgt ist.

    Wenn jedoch ein Versicherungsvertrag mit einer im Ausland niedergelassenen Versicherungsgesellschaft geschlossen worden ist und folglich die Beiträge im Ausland gezahlt werden, kann er sich, um dies zu tun, in einer schwierigeren Situation befinden. Wird nämlich das angesammelte Kapital ebenfalls im Ausland gezahlt, was sicher der Fall ist, wenn der betreffende Arbeitnehmer Belgien verlassen hat und in das Land zurückgekehrt ist, in dem er seinen Versicherungsvertrag geschlossen hat, so ist es sehr fraglich, ob er in Belgien besteuert werden kann und ob der belgische Staat somit sicherstellen kann, daß der Abzug der Beiträge durch die Besteuerung des Kapitals „ausgeglichen“ wird. Wenn es sich dagegen um eine in Belgien niedergelassene Versicherungsgesellschaft handelt, hätte der belgische Staat immer noch die Möglichkeit, unmittelbar bei ihr dafür zu sorgen, daß das Kapital besteuert wird, und zwar insbesondere durch das Verfahren der Einbehaltung der geschuldeten Steuer an der Quelle.

    25.

    Die Regierungen Dänemarks und der Niederlande haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß die Befreiung von Versicherungsbeiträgen von der Steuer in diesen Ländern untrennbar mit der Besteuerung des angesammelten Kapitals im Zeitpunkt seiner Zahlung verbunden sei. Dieses System wird in diesen Ländern als Steueraufschub betrachtet. Den Versicherungsgesellschaften obliegt es, die Steuer an der Quelle einzubehalten und an den Staat abzuführen, dem gegenüber sie für die Abführung verantwortlich sind. Es sind daher Bestimmungen erlassen worden, wonach diese Steuer auch dann entrichtet wird, wenn der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Zahlung des Kapitals nicht mehr im Inland wohnt.

    26.

    Dem Argument der Kommission, wonach sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 25) ergebe, daß die Gefahr der Steuerflucht nicht geltend gemacht werden könne, um das Grundprinzip der Freizügigkeit zu durchbrechen, kann nicht gefolgt werden. In der Rechtssache 270/83 ging es nämlich um eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Ortes des Gesellschaftssitzes, der, so der Gerichtshof, „ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen“ (Randnr. 18 des Urteils), während es im vorliegenden Fall um eine Regelung geht, die in gleicher Weise für Inländer und Ausländer gilt und die, auch wenn sie tatsächlich vor allem die Ausländer benachteiligt, zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist.

    Man könnte also stark versucht sein, zu folgern, daß die belgischen Rechtsvorschriften durch die Notwendigkeit, die Steuerflucht zu verhindern, objektiv gerechtfertigt sind.

    27.

    Umgekehrt hat sich in der mündlichen Verhandlung auch gezeigt, daß in den Niederlanden, wo vergleichbare Rechtsvorschriften bestehen, eine Person in der Lage von Herrn Bachmann die Möglichkeit hätte, ihre Versicherungsbeiträge bei der Einkommenbesteuerung abzuziehen. Außerdem hat der Vertreter der belgischen Regierung erklärt, daß sein Land mit Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden Abkommen geschlossen habe, wonach der Abzug der Beiträge bei Gruppenversicherungsverträgen, die mit einem in einem dieser Länder niedergelassenen Unternehmen geschlossen worden seien, möglich sei. Diese Unternehmen hätten sich insbesondere verpflichtet, die belgischen Steuerbehörden über das an die betreffenden Personen gezahlte Kapital zu informieren.

    Dies zeigt, daß es möglich ¡st, die Gefahren der Steuerflucht durch die Einführung geeigneter administrativer Maßnahmen zu beseitigen.

    Es dürfte auch nicht unmöglich sein, eine Lösung für diejenigen Länder zu finden, die den Versicherungsunternehmen auferlegen, die Steuer auf das gezahlte Kapital an der Quelle einzubehalten. So könnte einem Einwohner Dänemarks, der einen Versicherungsvertrag mit einem deutschen Unternehmen schließen wollte, der steuerliche Abzug der Beiträge in Dänemark verweigert werden, wenn er nicht in der Lage wäre, eine Verpflichtungserklärung der Versicherungsgesellschaft beizubringen, wonach die nach den dänischen Rechtsvorschriften fälligen Steuern im Zeitpunkt der Zahlung des Kapitals an die dänischen Steuerbehörden zu zahlen sind.

    28.

    Unter diesen Umständen komme ich zu dem Ergebnis, daß eine Vorschrift wie Artikel 54 des belgischen Code des impôts sur le revenu, wonach der Abzug von Beiträgen, die an Versicherungsgesellschaften gezahlt werden, die keine Niederlassung in Belgien haben, völlig ausgeschlossen ist, über das hinausgeht, was objektiv erforderlich ist, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Sie ist daher mit Artikel 59 EWG-Vertrag unvereinbar.

    29.

    Da sie nicht objektiv gerechtfertigt werden kann, stellt sie auch eine mit Artikel 48 unvereinbare Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.

    Zum Verstoß gegen die Artikel 67 und 106 EWG-Vertrag

    30.

    Artikel 67 Absatz 1 EWG-Vertrag bestimmt:

    „Soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, beseitigen die Mitgliedstaaten untereinander während der Übergangszeit schrittweise alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in bezug auf Berechtigte, die in den Mitgliedstaaten ansässig sind, und heben alle Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts auf.“

    Im Rahmen ihrer Klage gegen Belgien (Rechtssache C-300/90) hat die Kommission keinen Verstoß gegen diese Vorschrift geltend gemacht. Im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens (Rechtssache C-204/90) hat sie jedoch geltend gemacht, daß eine Vorschrift wie Artikel 54 CIR eine Diskriminierung „aufgrund des Anlageorts“ sei.

    Herr Bachmann hat jedoch nicht angegeben, bei der Überweisung der Beträge zur Zahlung seiner Versicherungsbeiträge auch nur die geringsten Schwierigkeiten gehabt zu haben, und die Kommission hat nicht erwähnt, daß Schwierigkeiten dieser Art bei anderen Personen aufgetreten wären.

    31.

    Die Argumentation von Herrn Bachmann und der Kommission läuft also in Wirklichkeit auf die Behauptung hinaus, daß mehr Personen Zusatzversicherungsverträge mit in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften schließen würden und daß der Kapitalfluß aus Belgien in die anderen Mitgliedstaaten höher als zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre, wenn es die belgische Vorschrift über die Nichtabzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge nicht gäbe.

    Mich überzeugt dieses Argument nicht, da der Zusammenhang, den es zwischen der beanstandeten Bestimmung und dem Kapitalverkehr (der völlig frei ist) herstellt, zu lose und zu indirekt ist. So pflegt der Gerichtshof, wenn er feststellt, daß eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung vorliegt, nicht auch einen Verstoß gegen Artikel 67 festzustellen. Und doch verhindert eine solche Maßnahme, indem sie einige Einfuhren nicht zustande kommen läßt, auch, daß Kapitaltransfers stattfinden, die der Bezahlung der Ware, die nicht eingeführt werden kann, entsprechen. Folglich schlage ich Ihnen vor, nicht festzustellen, daß eine Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche mit Artikel 67 EWG-Vertrag unvereinbar ist.

    32.

    Was Artikel 106 EWG-Vertrag angeht, so teile ich die Zweifel der Kommission, wenn sie meint, daß die Verweisung auf diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht relevant ist. Artikel 106 Absatz 1 verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten, die Zahlungen, die sich u. a. auf den Dienstleistungsverkehr beziehen, „in der Währung des Mitgliedstaats, in dem der Gläubiger oder der Begünstigte ansässig ist“, zu genehmigen. Die belgischen Rechtsvorschriften untersagen jedoch nicht nur die Zahlung von Versicherungsbeiträgen an eine Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, sondern sie verhindern es auch nicht, daß diese Zahlung in der Währung des Mitgliedstaats erfolgt, in dem die Versicherungsgesellschaft niedergelassen ist.

    Ergebnis

    33.

    In Anbetracht aller angestellten Erwägungen schlage ich Ihnen vor, in der Rechtssache C-204/90 für Recht zu erkennen:

    Die Artikel 48 und 59 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie steuerrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die vorsehen, daß die Beiträge zu Kranken- und Invaliditäts- oder Alters- und Todesfallversicherungen nur dann von den steuerpflichtigen Einkünften eines Arbeitnehmers abgezogen werden können, wenn sie an ein Versicherungsunternehmen gezahlt werden, das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist.

    34.

    Aus dieser Antwort ergibt sich, daß die Vertragsverletzungsklage der Kommission begründet ist und daß folglich in der Rechtssache C-300/90 festzustellen ist:

    Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 48 und 59 EWG-Vertrag und aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 verstoßen, daß es die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Zusatzversicherung für den Fall des Alters oder des vorzeitigen Todes von den steuerpflichtigen Einkünften von der Voraussetzung abhängig gemacht hat, daß diese Beiträge an in Belgien niedergelassene Unternehmen oder an belgische Niederlassungen ausländischer Unternehmen gezahlt werden.

    35.

    Bleibt die Frage, welche Schlußfolgerungen die belgische Cour de cassation aus den vorstehenden Erörterungen für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen Herrn Bachmann und dem belgischen Staat zu ziehen hat. Einerseits bin ich nämlich zu dem Ergebnis gelangt, daß die belgischen Rechtsvorschriften, so wie sie sind, eine Beschränkung enthalten, die außer Verhältnis zu dem mit ihnen angestrebten Ziel steht; andererseits habe ich eingeräumt, daß Belgien berechtigt ist, die Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge vom Erhalt bestimmter Zusagen seitens der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen abhängig zu machen, über die Belgien in dem Zeitraum, für den Herr Bachmann den Abzug seiner Versicherungsbeiträge von der Gesamtheit seiner belgischen Erwerbseinkünfte verlangt, nicht verfügte.

    Worauf es meiner Meinung nach ankommt, ist jedoch, daß die Vorschriften des nationalen Rechts, die den Abzug der Versicherungsbeiträge vom Gesamtbetrag der zu versteuernden Einkünfte verhindern, mit dem EWG-Vertrag unvereinbar sind. Die Cour de cassation dürfte diese Vorschriften daher nicht anwenden.

    36.

    Zu den Kosten in der Rechtssache C-204/90 ist festzustellen, daß die Auslagen der deutschen, der dänischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, nicht erstattungsfähig sind und daß das Verfahren für die Parteien des Ausgangsverfahrens ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit ist; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

    In der Rechtssache C-300/90 schlage ich Ihnen vor, den Parteien ihre eigenen Kosten aufzuerlegen, da nach meiner Ansicht keine von ihnen völlig recht oder völlig unrecht hat.


    ( *1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 1 ) Urteil vom 7. Juli 1988 in der Rechtssache 143/87 (Stanton, Slg. 1988, 3877).

    ( 2 ) Urteil vom 7. Juli 1988 in den Rechtssachen 154/87 und 155/87 (Slg. 1988, 3897).

    ( 3 ) Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) (ABl. L 63, S. 1).

    ( 4 ) Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5).

    ( 5 ) Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (ABl. L 330, S. 50).

    ( 6 ) Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 19).

    ( 7 ) Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (REWE, Slg. 1979, 649, Randnr. 8).

    Top