Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61989CJ0348

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 27. Juni 1991.
Mecanarte - Metalúrgica da Lagoa Ldª gegen Chefe do Serviço da Conferência Final da Alfândega do Porto.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Fiscal Aduaneiro do Porto - Portugal.
Nacherhebung von Zöllen.
Rechtssache C-348/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 I-03277

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1991:278

 SITZUNGSBERICHT

in der Rechtssache C-348/89 ( *1 )

I — Rechtlicher Rahmen

1.

Die beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto erhobene Klage bezweckt die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids über die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangsabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet waren, bei dem derartige Abgaben geschuldet werden.

2.

Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 bestimmt:

„Stellen die zuständigen Behörden fest, daß die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet wurden, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, vom Abgabenschuldner ganz oder teilweise nicht angefordert worden sind, so fordern sie die nicht erhobenen Abgaben nach.“

Diese Vorschrift stellt den allgemeinen Grundsatz auf, daß nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldete, aber nicht erhobene Abgaben nachzuerheben sind. Seine Rechtfertigung findet sich in den Begründungserwägungen der Verordnung, denen zufolge eine unzulängliche Abgabenerhebung, die sich nachteilig auf die Wirtschaft der Gemeinschaft auswirken würde, nicht zulässig ist, „da die in der Gemeinschaft erhobenen Eingangs- und Ausfuhrabgaben im wesentlichen wirtschaftlichen Charakter haben“ (erste Begründungserwägung).

3.

Dieser allgemeine Grundsatz erfährt zwei Ausnahmen : den Ausschluß der Nacherhebung durch die Zollbehörden (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79) und die Befugnis der Zollbehörden, von einer Nacherhebung abzusehen (Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79).

In der letztgenannten Vorschrift ist bestimmt:

„Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben absehen, deren Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen ist, sofern dieser Irrtum vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und letzterer gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat.“

4.

Die Entscheidung, von einer Nacherhebung abzusehen, wird von den Behörden der Mitgliedstaaten oder, falls sich der Abgabenbetrag auf 2000 ECU oder mehr beläuft, von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften getroffen [Artikel 2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80].

II — Sachverhalt und Verfahren

5.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Importgesellschaft Mecanarte — Metalúrgica da Lagoa Ld. a (im folgenden: Klägerin), kaufte bei ihrem Lieferanten in der Bundesrepublik Deutschland, der Firma Schmolz & Bickenbach, eine Partie von 42 Warmwälzblechrollen und legte den portugiesischen Zollbehörden eine am 18. Februar 1986 in Düsseldorf ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR 1 Nr. D 790072 vor, die besagte, daß diese Waren aus der Bundesrepublik Deutschland stammten.

6.

Da als Ursprungsland dieser Waren die Bundesrepublik Deutschland angegeben war, wurde die Gemeinschaftsregelung angewandt: Sie wurden in die Tarifpositionen 73.13.230.100 j und 73.13.260.000 t eingestuft und zollfrei eingeführt.

7.

Mit Schreiben vom 29. März 1988 teilte die Zollfahndung Düsseldorf der portugiesischen Generaldirektion mit, die Bescheinigung EUR 1 Nr. D 790072 sei für ungültig erklärt worden, weil sie von der Firma Schmolz & Bickenbach zu Unrecht ausgestellt worden sei und die in der Bescheinigung genannten Blecherzeugnisse aus der Deutschen Demokratischen Republik und nicht aus der Bundesrepublik Deutschland stammten.

8.

Auf diese Mitteilung hin verfügte die Zollstelle Porto unter Einschaltung ihres Serviço da Conferência Final die Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 3611599 ESC zu Lasten der Importgesellschaft Mecanarte.

9.

Der Direktor der Zollstelle von Porto wies einen Antrag der Klägerin, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Akten zur Entscheidung über das Absehen von der Nacherhebung der betreffenden Abgabe zu übersenden, zurück und bestätigte die Zahlungsverfügung, gegen die die Klägerin sodann beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto Anfechtungsklage erhob.

10.

Nach Auffassung des Gerichts wirft die bei ihm anhängige Verwaltungsklage einige Fragen der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 sowie der Auslegung des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1573/80 auf.

11.

Das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto hat daher mit Beschlüssen vom 16. Oktober und 7. November 1989, die am 15. November 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden sind, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a)

Räumt Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 mit der Wendung „Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung ... absehen“ diesen Behörden ein Ermessen ein, oder verpflichtet er sie zu einer bestimmten Entscheidung?

b)

Ist dieser Teil der Verordnung, wenn er für den Bereich der Zollfestsetzung ein Ermessen einräumt, wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung, der Gleichheit der Wirtschaftsteilnehmer, der Nichtdiskriminierung und des Willkürverbots (Artikel 7 und 28 EWG-Vertrag und Artikel 4 EGKS-Vertrag) nichtig?

c)

Sind unter „Irrtum“ im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 nur Schreib- oder Rechenfehler zu verstehen oder auch Irrtümer, die auf das Verhalten des Abgabenschuldners zurückzuführen sind?

d)

Ist nur ein Irrtum der für die Nacherhebung zuständigen Behörden relevant oder darf der Irrtum auch bei den Behörden des Ausfuhrstaats der Ware entstanden sein, falls dieser den Europäischen Gemeinschaften angehört?

e)

Beachtet der Abgabenschuldner, wenn er den Zollbehörden gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben zu Bemessungsgrundlagen — zum Beispiel hinsichtlich des Ursprungs der Ware — unterbreitet, gleichwohl „alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung“, wie es Artikel 5 Absatz 2 verlangt?

f)

Umfaßt die Zuständigkeit der Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 hinsichtlich der Beträge von 2000 ECU oder mehr alle Entscheidungen (über Erhebung oder Nichterhebung) oder nur die Entscheidungen über die Nichterhebung?

g)

Stellt die Verletzung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts durch das nationale Recht in einer Verfassungsordnung, die wie die Portugals den Grundsatz des Vorrangs des Völkerrechts gegenüber dem innerstaatlichen Recht enthält, einen Fall der Verfassungswidrigkeit dar, der von der unmittelbaren Vorlage zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts entbindet?

h)

Gehört, wenn davon auszugehen ist, daß die Entscheidung über die Nacherhebung den nationalen Zollbehörden obliegt, ein mit Gründen versehener Antrag des Abgabenschuldners auf Nichterhebung vor die Kommission, damit sie über Erhebung oder Nichterhebung entscheidet, oder können die nationalen Zollbehörden selbst über diesen Antrag entscheiden?

12.

Gemäß Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG haben schriftliche Erklärungen eingereicht:

am 9. Februar 1990 die portugiesische Regierung, vertreten durch Luis Inês Fernandes und Maria Luisa Duarte, Direktor bzw. Beraterin der Rechtsabteilung der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften, als Bevollmächtigte,

am 9. April 1990 das portugiesische Ministério Público, vertreten durch Isabel Aguiar,

am 14. Februar 1990 die Importgesellschaft Mecanarte, vertreten durch Rechtsanwälte Ricardo Garção Soares und Adriano Garção Soares, Porto,

am 21. Februar 1990 der Rat der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Abteilungsleiter Bjarne Hoff-Nielsen und durch Amadeu Lopes-Sabino, Hauptverwaltungsrat im Juristischen Dienst des Rates, als Bevollmächtigte,

am 20. Februar 1990 die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch die Rechtsberater Jörn Sack und Herculano Lima als Bevollmächtigte.

13.

Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen, und die Rechtssache gemäß Artikel 95 der Verfahrensordnung an die Dritte Kammer verwiesen.

III — Beim Gerichtshof eingereichte schriftliche Erklärungen

1. Zur ersten Frage

14.

Die portugiesische Regierung, das portugiesische Ministério Público, der Rat und die Kommission sind übereinstimmend der Auffassung, daß den innerstaatlichen Behörden im Rahmen des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 eine gebundene Entscheidungsbefugnis zusteht. Die Klägerin nimmt zu dieser Frage nicht abschließend Stellung, möchte aber nicht ausschließen, daß Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung den innerstaatlichen Behörden ein Ermessen einräumt.

15. a)

Die portugiesische Regierung ist der Meinung, daß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1697/79 unter Wahrung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Schutzes des gutgläubigen Abgabenschuldners eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung vorsehe, daß nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldete und nicht erhobene Abgaben nachgefordert werden müßten. Die Beachtung dieser Werte, die eigentliche ratio legis der Vorschrift, stehe im Widerspruch zur Einräumung einer Befugnis an die innerstaatlichen Behörden, frei über Erhebung oder Nichterhebung der Abgabe entscheiden zu können, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt seien. Die portugiesische Regierung erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß der Gerichtshof in dem Urteil vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, Slg. 1987, 4199) die Auffassung vertreten habe, Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 sei so auszulegen, daß der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf habe, daß von einer Nacherhebung abgesehen werde, wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt seien. Habe der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, daß die Abgaben nicht nacherhoben würden, wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien, so haben die innerstaatlichen Behörden nach Auffassung der portugiesischen Regierung im Rahmen des Artikels 5 Absatz 2 eine gebundene Entscheidung zu erlassen. Nach Meinung der protugiesischen Regierung ist die Verwendung des Wortes „können“ auf ein Bedürfnis der Gesetzestechnik zurückzuführen, aufgrund dessen dem Artikel 5 Absatz 1: „Eine Nacherhebung ... ist ausgeschlossen“ ein Absatz 2: „Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung... absehen“ gegenübergestellt worden sei. Absatz 1 ordne eine echte rechtliche Unmöglichkeit der Nacherhebung an, während Absatz 2 zwei mögliche Lösungen zur Verfügung stelle, von denen eine dahin gehe, daß die innerstaatlichen Behörden von der Nacherhebung absehen könnten, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben seien.

16.

Nach Ansicht des portugiesischen Ministério Público ist die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 genannte „Befugnis“ als begrenzt anzusehen einmal durch die in Artikel 2 der Verordnung verankerte allgemeine Verpflichtung zur Nacherhebung und zum anderen durch den Anspruch des Abgabenschuldners auf Unterlassung der Nacherhebung, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 2 erfüllt seien.

17. b)

Der Rat macht geltend, die Befugnis der Behörden nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 bleibe an die Überprüfung der für das Absehen von der Nacherhebung geforderten Voraussetzungen gebunden. Diese Voraussetzungen seien objektiver Natur; ihr Vorliegen könne von den Bürgern überprüft und gegebenenfalls mit einer Klage vor den Gerichten geltend gemacht werden. Insoweit erscheine es nicht gerechtfertigt, von einer „Ermessensbefugnis“ zu sprechen, weil die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der zuständigen Behörden unter dem Blickwinkel der für das Absehen von der Nacherhebung erforderlichen Voraussetzungen gerichtlich nachprüfbar sei.

18.

Die abweichende Formulierung des Absatzes 2 — „Die zuständigen Behörden können ... absehen ...“ — im Vergleich zu Absatz 1 — „Eine Nacherhebung ... ist ausgeschlossen ...“ — sei darauf zurückzuführen, daß der Rat die Kommission ermächtigt habe, Durchführungsbestimmungen zur Anwendung des Absatzes 2 zu erlassen (vgl. Unterabsatz 2 des Absatzes 2).

19.

Diese Auslegung stelle die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sicher, kraft deren das Gemeinschaftsrecht klar und für die Rechtsuchenden voraussehbar sein müsse, und sei übrigens auch vom Gerichtshof in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, a. a. O.) vertreten worden.

20.

Der Rat schlägt dem Gerichtshof daher vor, wie folgt auf die erste Frage zu antworten:

Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 macht ein Absehen der Behörden von der Nacherhebung von drei genau bestimmten Voraussetzungen abhängig. Diese Vorschrift ist daher dahin auszulegen, daß der Abgabenschuldner bei Erfüllung all dieser Voraussetzungen einen Anspruch darauf hat, daß von der Nacherhebung abgesehen wird.

21. c)

Die Kommission verweist auf eine ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 „so auszulegen [ist], daß der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf hat, daß von einer Nacherhebung abgesehen wird, wenn die drei dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind“ (Urteile vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, a. a. O., vom 23. Mai 1989 in der Rechtssache 378/87, Top Hit, Slg. 1989, 1359, und vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 161/88, Binder, Slg. 1989,2415). Nach dieser Rechtsprechung verliere die innerstaatliche Behörde jedes Ermessen für die Entscheidung über die Nacherhebung, sobald die in Artikel 5 Absatz 2 angeführten Voraussetzungen erfüllt seien.

22.

d) Die Klägerin vertritt die Auffassung, man könne ohne Sorge zugestehen, daß in Artikel 5 Absatz 2 ein Ermessen eingeräumt werde, weil es von einer einzigen Stelle, nämlich der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, für den gesamten Bereich der Gemeinschaft auszuüben sei. Dieses Ermessen sei allerdings nicht unbeschränkt, sondern weise im Gegenteil ganz eindeutige Aspekte einer gebundenen Entscheidungsbefugnis auf wie etwa die Pflicht, zuerst die in Artikel 5 Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu erfüllen.

2. Zur zweiten Frage

23. a)

Die portugiesische Regierung, das portugiesische Ministério Público, der Rat und die Kommission halten die zweite Frage wegen der Beantwortung der ersten Frage für gegenstandslos.

24.

Der Rat macht ferner geltend, daß Artikel 5 Absatz 2 jedenfalls keine Verletzung der vom vorlegenden Gericht genannten Rechtsgrundsätze darstelle, weil für alle Wirtschaftsteilnehmer die gleiche Regelung gelte und die Würdigung des Sachverhalts zwingend von der Kommission überprüft werde, die letztlich insoweit entscheide.

25. b)

Die Klägerin betont, daß ein Ermessen hingenommen werden könne, da die Entscheidung über die Nacherhebung stets bei der Kommission liege. Demgemäß könne eine solche Auslegung nicht in Widerspruch zur Einhaltung der vom vorlegenden Gericht genannten Grundsätze geraten.

3. Zur dritten Frage

26. a)

Die portugiesische Regierung, das portugiesische Ministério Público und die Kommission gehen übereinstimmend davon aus, daß der Ausdruck „Irrtum“ im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 alle Irrtümer der zuständigen Behörden ohne Begrenzung auf Rechen- oder Schreibfehler umfaßt.

27.

Zu der für die Frage der Nacherhebung maßgebenden Rechtsnatur dieses Irrtums vertreten sie indessen die Auffassung, daß lediglich solche Irrtümer, die auf einem Handeln der innerstaatlichen Behörde beruhten, als Rechtfertigung für das Absehen von der Nacherhebung in Frage kommen könnten. Demnach seien alle die Fälle auszuschließen, in denen die Bediensteten der Verwaltung selbst Opfer der Fehler anderer geworden seien. In einem solchen Fall könne das Verhalten der Verwaltung kein schutzwürdiges Vertrauen begründen, weil dieses stets auf einem Verhalten der öffentlichen Verwaltung aufbauen müsse, das auf voller Kenntnis der Sachlage beruhe.

28. b)

Für die Klägerin hängt die dritte Frage eng mit dem guten Glauben des Abgabenschuldners zusammen. Habe insoweit der Abgabenschuldner gutgläubig die zur falschen Einstufung führenden Erklärungen abgegeben und so — allerdings unabsichtlich — den Irrtum der Zollbehörden hervorgerufen, dann könne ihm der Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung nicht entzogen werden. In einem solchen Fall sei die Frage ohne Belang, ob die den Irrtum der Behörden begründenden Faktoren von ihm ausgegangen seien oder nicht.

29. c)

Der Rat nimmt zu dieser Frage nicht Stellung.

4. Zur vierten Frage

30. a)

Die portugiesische Regierung ist der Meinung, „die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Irrtum begangen wurde, auf den eine unzureichende Abgabenerhebung zurückzuführen ist,“ im Sinne der Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 1573/80 könne nur die Behörde sein, die die Abgabenerhebung durchgeführt habe oder hätte durchführen müssen. Der Umstand, daß Artikel 5 Absatz 2 eine Ausnahme von Artikel 2 der Verordnung Nr. 1697/79 darstelle, verbiete eine extensive Auslegung, die den Irrtum auch auf die Verhaltensweise der Zollbehörden des anderen Mitgliedstaats, nämlich des Staates der Ausfuhr, erstreckte.

31. b)

Das portugiesische Ministério Público, die Klägerin und die Kommission sind jedoch übereinstimmend der Auffassung, daß der für die Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 erhebliche Irrtum sowohl den Irrtum der für die Nacherhebung zuständigen Behörden selbst als auch den der Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats umfasse.

32.

Dies ergebe sich — so die Klägerin — schon aus dem Umstand, daß nach einem Irrtum der ersten Zollstelle die zweite automatisch den gleichen Fehler begehe.

33.

Die Kommission weist darauf hin, daß ihre Auslegung hier durch Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2380/89 der Kommission vom 2. August 1989 (ABl. L 225, S. 30) bestätigt werde, die ab 1. September 1989 an die Stelle der Verordnung Nr. 1573/80 getreten sei; es werde dort nämlich klargestellt, daß es sich um die zuständige Behörde des Mitgliedstaats handeln könne, in dem der Irrtum vorgekommen, aber auch um die Behörde des Mitgliedstaats, in dem er entdeckt worden sei. Zwar sei diese Klarstellung nicht in den Durchführungsbestimmungen der Verordnung Nr. 1573/80 enthalten gewesen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung der portugiesischen Behörden gegolten hätten, sie habe aber auch nicht den Sinn des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 abändern, sondern ihn vielmehr dadurch bestätigen sollen, daß jeder Irrtum der innerstaatlichen Behörden Berücksichtigung finde, gleichgültig, ob diese sich nun selbst geirrt oder den Irrtum bei der Nacherhebung nur bemerkt hätten.

34. c)

Der Rat äußert sich zu dieser Frage nicht.

5. Zur fünften Frage

35.

Die portugiesische Regierung, das portugiesische Ministério Público, die Klägerin und die Kommission gehen übereinstimmend davon aus, daß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 auf den Fall anzuwenden sei, daß der Abgabenschuldner alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet habe, auch wenn er guten Glaubens den zuständigen Behörden unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe. Der Rat hat zu dieser Frage nicht Stellung bezogen.

36. a)

Die portugiesische Regierung verweist auf das Urteil in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, a. a. O.), in dem der Gerichtshof erklärt habe, die betreffende Voraussetzung nach Artikel 5 Absatz 2 sei dann erfüllt, wenn der Wirtschaftsteilnehmer die Zollerklärung korrekt ausgefüllt habe. Diese Voraussetzung könne, so die portugiesische Regierung, selbst dann erfüllt sein, wenn der Abgabenschuldner dem Zoll gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe.

37. b)

Die Klägerin macht geltend, das Erfordernis der Beachtung „aller geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung“ solle nicht nur sicherstellen, daß der Abgabenschuldner sorgfältig handele, sondern auch, daß der Irrtum, der zur Nichterhebung der Abgaben geführt habe, nicht auf sein eigenes Fehlverhalten zurückzuführen sei. Hieraus ergebe sich, daß für den Fall, daß der Abgabenschuldner eine unrichtige Angabe mache, jedoch weder in Kenntnis noch in fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit, sein Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung erhalten bleibe.

38. c)

Die Kommission bemerkt vorab, daß Artikel 5 Absatz 2 mit dem guten Glauben und der Beachtung der „geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung“ zwei voneinander verschiedene Voraussetzungen aufstelle, die daher auch getrennt geprüft werden müßten.

39.

Bezüglich der Voraussetzung der Beachtung der „geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung“ verweist die Kommission auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, der zufolge diese Bestimmungen sowohl die Gemeinschaftsvorschriften als auch die zu deren Ergänzung oder Umsetzung ergangenen innerstaatlichen Vorschriften umfaßten.

40.

Soweit die Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet würden, wie dies vorliegend der Fall sei, seien die Angaben durch die Richtlinie 79/695/EWG des Rates vom 24. Juli 1979 und die entsprechende Durchführungsrichtlinie 82/57/EWG der Kommission vom 17. Dezember 1981 verdeutlicht worden, die eine Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr vorsähen und die hierbei vorzulegenden Dokumente behandelten.

41.

Diese Anforderungen könnten — unabhängig davon, um welches Zollregime es konkret gehe — nicht über die Daten und Dokumente hinausgehen, die der Abgabenschuldner vernünftigerweise kennen und erhalten könne.

42.

Bezüglich des guten Glaubens des Abgabenschuldners vertritt die Kommission die Auffassung, daß Artikel 5 Absatz 2 jegliche praktische Wirksamkeit abginge, wenn die Behörde, die dem Irrtum erlegen oder ihn festgestellt habe, den Antrag auf Absehen von der Nacherhebung mit der Begründung zurückweisen könnte, der Erklärende habe unrichtige Angaben oder Dokumente geliefert, obwohl diese Unrichtigkeit auf ihren eigenen Irrtum zurückgehe und dem Erklärenden nicht zuzurechnen sei.

6. Zur sechsten Frage

43. a)

Die portugiesische Regierung und das portugiesische Ministério Público leiten aus Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 1573/80 ab, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber ein Eingreifen der Kommission nur für den Fall vorgesehen habe, daß die innerstaatlichen Behörden Zweifel bezüglich des Absehens von der Nacherhebung hätten, sowie für den Fall, daß die Zollabgaben 2000 ECU oder mehr betrügen. Dies entspreche dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Gleichförmigkeit bei der Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 und rechtfertige sich angesichts der Höhe des Betrags und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaft der Gemeinschaft. Nach Meinung der portugiesischen Regierung wird diese Auslegung durch Artikel 8 der Verordnung Nr. 1573/80 gestützt, der die stillschweigende Genehmigung des Antrags auf Entscheidung über das Absehen von der Nacherhebung vorsehe, wenn die Kommission ihre Entscheidung nicht innerhalb der festgelegten Frist getroffen habe.

44. b)

Die Kommission bemerkt zunächst, daß es ständige Praxis in den Mitgliedstaaten sei, der Kommission nur dann Anträge zur Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 vorzulegen, wenn die Nacherhebungsbeträge sich auf 2000 ECU oder mehr beliefen und die innerstaatliche Verwaltung den Antrag für begründet halte.

45.

Diese Praxis werde durch den Wortlaut der Artikel 2 und 4 der Verordnung Nr. 1573/80 gerechtfertigt, die lediglich die Fälle beträfen, in denen bei Erfüllung aller in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 aufgestellten Voraussetzungen die innerstaatliche Behörde von der Nacherhebung absehen wolle, und die unterschiedliche Verfahren vorsähen je nachdem, ob der nachzuerhebende Betrag über oder unter 2000 ECU liege. Die innerstaatliche Behörde könne daher selbst entscheiden, wenn sie der Auffassung sei, daß die Voraussetzungen für den Schutz berechtigten Vertrauens nicht erfüllt seien.

46.

Zwar sei einzuräumen, daß der Wortlaut der Verordnung Nr. 1573/80 diese Auslegung nicht unbedingt gebiete, doch ergebe sie sich aus dem Zweck der Begründung der Zuständigkeit der Kommission, und zwar namentlich aus folgenden zwei Gründen.

47.

Erstens solle dadurch, daß der Kommission in den wirtschaftlich bedeutsamsten Fällen die Entscheidung vorbehalten bleibe, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sichergestellt werden. Diese wäre in Gefahr, wenn die innerstaatlichen Behörden sich weiterhin bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere beim Schutz berechtigten Vertrauens auf innerstaatliche Praktiken und Kriterien zurückzögen. Die Einheit des Gemeinschaftsrechts werde insbesondere in den Fällen in Frage gestellt, in denen einem Antrag auf Absehen von einer Nacherhebung stattgegeben werde, weil die Entscheidung der innerstaatlichen Behörden fast immer endgültig sei, denn der Betroffene widersetze sich nicht und die Kommission greife nicht ein. Demgegenüber seien die Folgen für die Einheit des Gemeinschaftsrechts bei einer Entscheidung zugunsten der Nacherhebung weniger schwerwiegend. Zwar sei nicht ausgeschlossen, daß die Mitgliedstaaten diese Fälle unterschiedlich behandelten, doch sei es dann Sache des Betroffenen, eine Abänderung dieser Entscheidung zu erreichen und damit die Anwendung einheitlicher Kriterien auf seinen Fall sicherzustellen.

48.

Zweitens beruhe die Entscheidungsbefugnis der Kommission darauf, daß es in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 um den Verzicht auf eigene Einnahmen der Gemeinschaft gehe. Da die Kommission das für die Durchführung des Haushalts der Gemeinschaft zuständige Organ sei, sei es verständlich, daß sie Wert darauf lege, starken Einfluß auf solche Entscheidungen zu nehmen. Es sei daher nicht notwendig, ihr auch für den Fall, daß die innerstaatlichen Behörden die Nacherhebung anordneten, eine Entscheidungsbefugnis einzuräumen.

49.

Im übrigen sei sie der Meinung, daß ihre Entscheidungsbefugnis in diesem Bereich eine Ausnahme bleiben müsse, zumal das Verfahren bei ihr eindeutig kostspieliger sei als das Verfahren auf innerstaatlicher Ebene. Aus diesem Grund sei die Kommission seit einiger Zeit bemüht, ihre Entscheidungsbefugnis in der größtmöglichen Zahl der Fälle den Behörden der Mitgliedstaaten zu übertragen. Dieses Bemühen habe übrigens bereits im Erlaß der erwähnten Verordnung Nr. 2380/89 Ausdruck gefunden, die an die Stelle der Verordnung Nr. 1573/80 getreten sei.

50.

Die Kommission schlägt daher als Antwort auf die sechste Frage vor, daß die ihr gemäß Artikel 4 ihrer Verordnung Nr. 1573/80 zuerkannte Befugnis lediglich für die Entscheidungen auf Absehen von der Nacherhebung gilt, die Beträge von 2000 ECU oder mehr betreffe.

51. c)

Die Klägerin ist demgegenüber der Meinung, die Zuweisung der Befugnis zur Entscheidung über die Nacherhebung an die Kommission sei das einzige Mittel, eine einheitliche und gleichmäßige Ausübung dieser Befugnis unter Beachtung der Gemeinschaftsregeln über die Gleichbehandlung der Bürger der Mitgliedstaaten sicherzustellen.

52.

Die Vorstellung, daß die Entscheidung über die Nacherhebung auch dann von innerstaatlichen Behörden getroffen werden könne, wenn der Betrag sich auf 2000 ECU oder mehr belaufe, berücksichtige lediglich das Interesse an der Vereinnahmung der Abgaben, vernachlässige hingegen das Gebot, daß diese Nacherhebung unter Beachtung der Erfordernisse der Gleichheit und der Einheitlichkeit und ohne Diskriminierung nach Hoheitsgebiet oder Staatsangehörigkeit erfolgen müsse.

53. d)

Der Rat äußert sich zu dieser Frage nicht.

7. Zur siebten und zur achten Frage

54. a)

Die portugiesische Regierung, die Klägerin und die Kommission weisen darauf hin, daß die achte Frage eng mit der sechsten zusammenhänge.

55.

Die portugiesische Regierung und das portugiesische Ministério Público betonen, daß die Anträge der Wirtschaftsteilnehmer bei den zuständigen innerstaatlichen Behörden einzureichen seien und erst deren Prüfung die in den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 1573/80 vorgesehenen Zuständigkeiten in Gang setzen könne. Es müßten — so das Ministério Público — zwei Situationen unterschieden werden:

Bei Anträgen auf Absehen von der Nacherhebung bei Abgaben in Höhe von weniger als 2000 ECU seien die innerstaatlichen Behörden für die Entscheidung hierüber unter Berücksichtigung der in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 aufgestellten Voraussetzungen zuständig; diese Anträge hätten sie der Kommission nur dann vorzulegen, wenn sie selbst zu einer Entscheidung nicht in der Lage seien;

bei Anträgen auf Absehen von der Nacherhebung bei Abgaben in Höhe von 2000 ECU oder mehr müsse die innerstaatliche Behörde auf jeden Fall die Kommission befassen, die zu entscheiden habe, ob der Abgabenschuldner Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung habe oder nicht.

56.

Die Kommission verweist auf ihre Ausführungen zur sechsten Frage, aus denen sich ergebe, daß die innerstaatlichen Behörden den Antrag zu behandeln und — wenn sie zum Ergebnis kämen, daß die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien, das heißt wenn sie sich für das Absehen von der Nacherhebung entschieden — den Fall der Kommission vorzulegen hätten, wenn der Abgabenbetrag sich auf 2000 ECU oder mehr belaufe.

57.

Die Klägerin macht geltend, aus den gleichen Gründen, aus denen eine Befugnis der innerstaatlichen Behörden, frei über das Absehen von der Nacherhebung zu entscheiden, nicht anerkannt werden könne, müsse auch eine Befugnis zur Entscheidung ausgeschlossen werden, wenn sie zur Nacherhebung entschlossen sei und ein ordnungsgemäß begründeter Antrag des Abgabenschuldners auf Absehen von der Nacherhebung an sie gerichtet werde.

58. b)

Zur siebten Frage bemerken die portugiesische Regierung und die Klägerin vorab, daß diese Auslegungsfrage sich deshalb stelle, weil das vorlegende Gericht davon ausgehe, daß zwischen der betreffenden portugiesischen Zollregelung und den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 1573/80 ein offenkundiger Widerspruch bestehe. Einen solchen Widerspruch gebe es jedoch nicht.

59.

Die portugiesische Regierung macht darauf aufmerksam, daß sich der portugiesische Gesetzgeber bei den in Frage stehenden portugiesischen Zollvorschriften damit begnügt habe, die den innerstaatlichen Behörden nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 1573/80 eingeräumten Zuständigkeiten der „Schlußprüfung“ und der Zollgeneraldirektion zu überlassen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe nämlich einen Handlungsspielraum für die innerstaatlichen Behörden festgelegt, es allerdings dem nationalen Gesetzgeber überlassen, die insoweit zuständigen Stellen der Zollverwaltung festzulegen. Mit dem Erlaß innerstaatlicher Durchführungsbestimmungen habe der portugiesische Gesetzgeber, um die Entscheidung zu optimieren und rationalisieren, die Befugnisse im Bereich der Entscheidung über die Nacherhebung bei der Zollgeneraldirektion konzentriert, die insbesondere bei Erfüllung der Voraussetzungen die Einschaltung der Kommission beschließe.

60.

Die Klägerin stellt zunächst fest, daß für die Verfahren über einen Betrag von weniger als 2000 ECU kein Widerspruch zur Gemeinschaftsregelung bestehe, weil diese selbst vorsehe, daß sowohl die Prüfung als auch die Entscheidung über eine Nacherhebung Sache der zuständigen innerstaatlichen Verwaltung, in Portugal der Zollgeneraldirektion, sei. Auch für die Verfahren über einen Betrag von 2 O00 ECU oder mehr lasse sich der Widerspruch ausschließen, wenn man einräume, daß die Generaldirektion darüber zu entscheiden habe, ob diese Anträge der Kommission der Gemeinschaften vorzulegen seien, und nicht darüber, ob der Antrag in der Sache begründet sei.

61.

Das portugiesische Ministério Público hält die siebte Frage nicht für eine Auslegungsfrage, von der die Entscheidung des Ausgangsverfahrens abhängt. Ihrer Meinung nach läßt sich die Anwendung der portugiesischen Zollregelung mit den Artikeln 2 und 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1573/80 in Einklang bringen.

62.

Die Kommission konzentriert ihre Ausführungen auf einige Grundsätze, die im Rahmen des Artikels 177 EWG-Vertrag zu beachten seien. Sie weist insoweit darauf hin, daß der Gerichtshof nicht dafür zuständig sei, über die Rangordnung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu entscheiden, und auch nicht über die Angemessenheit der Vorlage zur Vorabentscheidung zu befinden habe. Die innerstaatlichen Gerichte seien nicht befugt, selbst die Ungültigkeit von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane festzustellen, und hätten daher die Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.

63. c)

Der Rat äußert sich zur siebten und zur achten Frage nicht.

M. Zuleeg

Berichterstatter


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

Top

 URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

27. Juni 1991 ( *1 )

In der Rechtssache C-348/89

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Mecanarte — Metalúrgica da Lagoa Ld.a

gegen

Chefe do Serviço da Conferência Final da Alfândega do Porto

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung und die Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 197, S. 1) sowie über die Auslegung des Artikels 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (ABl. L 161, S. 1)

erläßt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida, der Richter F. Grévisse und M. Zuleeg,

Generalanwalt: G. Tesauro

Kanzler: J. A. Pompe, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Firma Mecanarte, vertreten durch Rechtsanwälte Ricardo Garção Soares und Adriano Garção Soares, Porto,

des portugiesischen Ministério Público, vertreten durch Isabel Aguiar, Vertreterin des Ministério Público beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luis Inês Fernandes und Maria Luisa Duarte, Direktor bzw. Beraterin der Rechtsabteilung der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften, als Bevollmächtigte,

des Rates der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Abteilungsleiter Bjarne Hoff-Nielsen und durch Amadeu Lopes-Sabino, Hauptverwaltungsrat im Juristischen Dienst des Rates, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihre Rechtsberater Jörn Sack und Herculano Lima als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der portugiesischen Regierung, des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Sitzung vom 12. Dezember 1990,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 1991,

folgendes

Urteil

1

Das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto hat mit Beschluß vom 16. Oktober 1989, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 14. November 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag acht Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 197, S. 1) und nach der Auslegung des Artikels 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 zur Durchführung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (ABl. L 161, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellen sich in einem Rechtsstreit, in dem die Importgesellschaft Mecanarte — Metalúrgica da Lagoa Lda. (im folgenden: Klägerin) die Aufhebung eines Zollnacherhebungsbescheids der Zollstelle Porto begehrt.

3

Die Klägerin führte eine Partie von 42 Warmwälzblechrollen nach Portugal ein, die sie bei ihrem Lieferanten in der Bundesrepublik Deutschland, der Firma Schmolz & Bickenbach, gekauft hatten, und legte den portugiesischen Zollbehörden eine am 18. Februar 1986 in Düsseldorf ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR 1 Nr. D 790072 vor, in der angegeben war, daß diese Waren aus der Bundesrepublik Deutschland stammten.

4

Die portugiesische Zollbehörde ging davon aus, daß als Ursprungsland der Ware die Bundesrepublik Deutschland angegeben war; sie stufte sie deshalb nach der Gemeinschaftsregelung in die Positionen 73.13.230.100 j und 73.13.260.000 t des Gemeinsamen Zolltarifs ein und befreite sie von den Einfuhrabgaben.

5

Mit Schreiben vom 29. März 1988 teilte die Zollüberwachung Düsseldorf der Generaldirektion der portugiesischen Zollbehörde mit, die Bescheinigung EUR 1 Nr. D 790072 sei für ungültig erklärt worden, weil sie von der Firma Schmolz & Bickenbach zu Unrecht ausgestellt worden sei und die in der Bescheinigung genannten Blecherzeugnisse aus der Deutschen Demokratischen Republik und nicht aus der Bundesrepublik Deutschland stammten.

6

Auf diese Mitteilung hin verfügte die Zollstelle Porto unter Einschaltung ihres Serviço de Conferência Final die Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 3611599 ESC bei der Klägerin.

7

Der Direktor der Zollstelle Porto wies einen Antrag der Klägerin, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Akten zur Entscheidung über das Absehen von der Nacherhebung der betreffenden Abgaben zu übersenden, zurück und bestätigte die Zahlungsverfügung, gegen die die Klägerin sodann beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto Anfechtungsklage erhob.

8

Das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto hegt Zweifel sowohl bezüglich der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 als auch bezüglich der Auslegung des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1573/80; es hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gericht die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a)

Räumt Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 mit der Wendung „Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung ... absehen“ diesen Behörden ein Ermessen ein oder verpflichtet er sie zu einer bestimmten Entscheidung?

b)

Ist dieser Teil der Verordnung, wenn er für den Bereich der Zollfestsetzung ein Ermessen einräumt, wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung, der Gleichheit der Wirtschaftsteilnehmer, der Nichtdiskriminierung und des Willkürverbots (Artikel 7 und 28 EWG-Vertrag und Artikel 4 EGKS-Vertrag) nichtig?

c)

Sind unter „Irrtum“ im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 nur Schreib- oder Rechenfehler zu verstehen oder auch Irrtümer, die auf das Verhalten des Abgabenschuldners zurückzuführen sind?

d)

Ist nur ein Irrtum der für die Nacherhebung zuständigen Behörden relevant oder darf der Irrtum auch bei den Behörden des Ausfuhrstaats der Ware entstanden sein, falls dieser den Europäischen Gemeinschaften angehört?

e)

Beachtet der Abgabenschuldner, wenn er den Zollbehörden gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben zu Bemessungsgrundlagen — zum Beispiel hinsichtlich des Ursprungs der Ware — unterbreitet, gleichwohl „alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung“, wie es Artikel 5 Absatz 2 verlangt?

f)

Umfaßt die Zuständigkeit der Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 hinsichtlich der Beträge von 2000 ECU oder mehr als Entscheidungen (über Erhebung oder Nichterhebung) oder nur die Entscheidungen über die Nichterhebung?

g)

Stellt die Verletzung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts durch das nationale Recht in einer Verfassungsordnung, die wie die Portugals den Grundsatz des Vorrangs des Völkerrechts gegenüber dem innerstaatlichen Recht enthält, einen Fall der Verfassungswidrigkeit dar, der von der unmittelbaren Vorlage zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts entbindet?

h)

Gehört, wenn davon auszugehen ist, daß die Entscheidung über die Nacherhebung den nationalen Zollbehörden obliegt, ein mit Gründen versehener Antrag des Abgabenschuldners auf Nichterhebung vor die Kommission, damit sie über Erhebung oder Nichterhebung entscheidet, oder können die nationalen Zollbehörden selbst über diesen Antrag entscheiden?

9

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10

In der vorliegenden Rechtssache geht es im wesentlichen um zwei Vorschriften:

Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979:

„Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben absehen, deren Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen ist, sofern dieser Irrtum vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und letzterer gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat.“

Artikel 4 der Verordnung Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980:

„Ist die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Irrtum begangen worden ist, nicht in der Lage, selbst festzustellen, ob alle in Artikel 5 Absatz 2 der Grundverordnung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, oder belaufen sich die betreffenden Angaben auf 2000 ECU oder mehr, so stellt die Behörde bei der Kommission einen Antrag auf Entscheidung und übermittelt ihr alle dafür erforderlichen Angaben.“

Zur ersten und zur zweiten Frage

11

Die erste und die zweite Frage gehen dahin, ob Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 den zuständigen Behörden ein Ermessen für die Entscheidung darüber einräumt, Zollabgaben nachzuerheben oder von der Nacherhebung abzusehen, und, falls dies zu bejahen ist, ob diese Vorschrift mit Rücksicht auf die tragenden Grundsätze des Vertrages gültig ist.

12

Zur ersten Frage ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes so auszulegen ist, daß der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf hat, daß von einer Nacherhebung abgesehen wird, wenn alle Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (vgl. Urteile vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 22, vom 23. Mai 1989 in der Rechtssache 378/87, Top Hit, Slg. 1989, 1359, Randnr. 18 und vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 161/88, Binder, Slg. 1989, 2415, Randnr. 16).

13

Soweit dem Abgabenschuldner ein solcher Anspruch zusteht, sind die innerstaatlichen Behörden verpflichtet, von der Nacherhebung abzusehen, weil andernfalls dieser Anspruch jeglichen Wert verlöre.

14

Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 dahin auszulegen ist, daß er den zuständigen innerstaatlichen Behörden bezüglich der Entscheidung, von der Nacherhebung abzusehen, wenn die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, eine gebundene Befugnis einräumt.

15

Die zweite Frage hat das vorlegende Gericht lediglich für den Fall gestellt, daß sich aus der Beantwortung der ersten Frage ergeben sollte, daß Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 den innerstaatlichen Behörden ein Ermessen einräumt.

16

Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage somit gegenstandslos.

Zur dritten und zur vierten Frage

17

Mit der dritten und der vierten Frage, die zusammen zu behandeln sind, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Erläuterung der Wendung „Irrtum der zuständigen Behörden ..., sofern dieser... vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte“ in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79.

18

Diese Fragen werfen drei verschiedene Probleme auf:

Erstens: Umfaßt der Begriff „Irrtum“ lediglich Schreib- und Rechenfehler?

Zweitens: Sind unter „zuständigen Behörden“ lediglich die für die Nacherhebung zuständigen Behörden oder auch die innerstaatlichen Behörden des Mitgliedstaats zu verstehen, aus dem die Waren ausgeführt wurden?

Drittens: Sind als Irrtümer im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 alle Irrtümer der zuständigen Behörden oder nur solche anzusehen, die diesen zugerechnet werden können?

19

Vorab ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners in die Richtigkeit aller Gesichtspunkte schützen soll, die bei der Entscheidung darüber, ob Zölle nacherhoben werden oder nicht, Berücksichtigung finden.

20

Hieraus ergibt sich erstens, daß der Begriff des Irrtums nicht auf bloße Schreib- oder Rechenfehler beschränkt werden kann, sondern jedweden Irrtum erfaßt, der die getroffene Entscheidung fehlerhaft macht, was insbesondere bei einer unrichtigen Auslegung oder Anwendung der anwendbaren Rechtsvorschriften der Fall ist.

21

Insoweit ist der in den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1697/79 zu findende Hinweis auf Schreib- oder Rechenfehler als bloßes Beispiel anzusehen, das die denkbaren Fälle der im Rahmen des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 zu berücksichtigenden Irrtümer nicht erschöpft.

22

Hieraus folgt zweitens, daß angesichts des Fehlens einer genauen und erschöpfenden Begriffsbestimmung der „zuständigen Behörden“ in der Verordnung Nr. 1697/79 oder in der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung Nr. 1573/80, die zum Zeitpunkt der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Tatsachen galt, jede Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Gesichtspunkte beiträgt, die bei der Erhebung von Zöllen zu berücksichtigen sind und so beim Abgabenschuldner ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen können, als „zuständige Behörde“ im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 anzusehen ist. Dies gilt insbesondere für die Zollbehörden des Ausfuhrmitgliedstaats, die bei der Zollanmeldung tätig werden.

23

Hieraus ergibt sich drittens, daß das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners schutzwürdig im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 nur dann ist, wenn es, wie dies der Wortlaut der Verordnung ausdrücklich vorsieht, gerade die zuständigen Behörden waren, die die Grundlage für das Vertrauen des Abgabenschuldners geschaffen haben. Somit begründen lediglich solche Irrtümer, die auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sind und von einem verständigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnten, einen Anspruch darauf, daß von der Nacherhebung abgesehen wird.

24

Diese Voraussetzung kann nicht als erfüllt angesehen werden, wenn die zuständigen Behörden durch unrichtige Erklärungen des Abgabenschuldners namentlich zum Warenursprung, deren Gültigkeit sie nicht festzustellen oder zu überprüfen haben, irregeführt werden. In einem solchen Fall trägt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Abgabenschuldner das Risiko, daß sich ein Handelsdokument bei einer späteren Prüfung als falsch erweist (Urteil vom 13. November 1984 in den verbundenen Rechtssachen 98/83 und 230/83, Van Gend en Loos, Sig. 1984, 3763, Randnr. 20).

25

Ist hingegen die Unrichtigkeit der Erklärungen des Abgabenschuldners selbst nur die Folge falscher Auskünfte, die von den zuständigen Behörden erteilt wurden und diese Behörden binden, so steht Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 der Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben entgegen.

26

Demnach ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, daß ein Irrtum im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 jeder Irrtum bei der Auslegung oder Anwendung der Vorschriften über Eingangs- oder Ausfuhrabgaben ist, der von einem verständigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, falls er auf ein Handeln der für die Nacherhebung zuständigen Behörden oder der Behörden des Mitgliedstaats der Ausfuhr zurückzuführen ist; das schließt einen Irrtum aus, der auf unrichtige Erklärungen des Abgabenschuldners zurückgeht, es sei denn, deren Unrichtigkeit ist nur die Folge unrichtiger Auskünfte, die von zuständigen Behörden erteilt wurden und diese binden.

Zur fünften Frage

27

Die fünfte Frage geht dahin, ob ein Abgabenschuldner, der den Zollbehörden gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben zu Bemessungsgrundlagen unterbreitet, gleichwohl alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 beachtet.

28

Wie der Gerichtshof in dem Urteil in der Rechtssache Top Hit (a. a. O., Randnrn. 22 und 26) entschieden hat, setzt die Beachtung der geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung voraus, daß der Zollanmelder den Zollbehörden alle Angaben macht, die nach den Gemeinschaftsvorschriften oder den nationalen Regelungen, die diese Vorschriften gegebenenfalls ergänzen oder umsetzen, für die beantragte Zollbehandlung der fraglichen Ware erforderlich sind.

29

Diese Verpflichtung kann indessen nicht über die Vorlage von Daten und Dokumenten hinausgehen, die der Abgabenschuldner vernünftigerweise kennen und sich beschaffen kann. Daraus ergibt sich, daß die Voraussetzung der Beachtung der geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung als erfüllt anzusehen ist, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer gutgläubig Angaben macht, die zwar unrichtig oder unvollständig, gleichwohl aber die einzigen sind, die er vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen und damit in der Zollerklärung verwenden konnte.

30

Auf die fünfte Frage ist daher zu antworten, daß der Abgabenschuldner im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 a. E. der Verordnung Nr. 1697/79 allen Anforderungen sowohl der Gemeinschaftsvorschriften betreffend die Zollerklärung als auch der nationalen Regelungen, die diese Vorschriften gegebenenfalls ergänzen oder umsetzen, auch dann genügt hat, wenn er gegenüber den zuständigen Behörden gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, sofern er vernünftigerweise nur diese Angaben kennen oder sich beschaffen konnte.

Zur sechsten Frage

31

Mit der sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 1573/80 nur für die Entscheidung zuständig ist, von der Nacherhebung von Zöllen abzusehen, oder ob ihre Zuständigkeit auch die Entscheidung über die Nacherhebung umfaßt, wenn der nicht erhobene Abgabenbetrag 2000 ECU beträgt oder mehr.

32

Wie sich bereits aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-64/89 (Deutsche Fernsprecher GmbH, Slg. 1990, I-2535, Randnrn. 12 und 13) ergibt, betrifft die Entscheidungsbefugnis der Kommission nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 1573/80 nur die Fälle, in denen die zuständigen nationalen Behörden zu der Überzeugung gelangt sind, daß die Voraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 vorliegen und sie daher von einer Nacherhebung abzusehen haben.

33

Diese Auslegung entspricht, wie der Gerichtshof in diesem Urteil festgestellt hat, der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1573/80, die die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherstellen soll. Diese ist in den Fällen gefährdet, in denen einem Antrag auf Absehen von der Nacherhebung stattgegeben wird, weil die Beurteilung, die ein Mitgliedstaat seiner stattgebenden Entscheidung zugrundelegt, wahrscheinlich nicht vor Gericht ausgefochten wird und damit praktisch einer Kontrolle, die eine einheitliche Handhabung der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen sicherstellen könnte, zu entgehen droht. Anders liegt der Fall hingegen, wenn die nationalen Behörden eine Nacherhebung vornehmen, gleichgültig, wie hoch der Betrag im Einzelfall ist. Hier kann der Betroffene eine solche Entscheidung vor den einzelstaatlichen Gerichten anfechten. Infolgedessen kann die Einheitlichkeit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts vom Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens sichergestellt werden.

34

Auf die sechste Frage ist daher zu antworten, daß sich die Zuständigkeit der Kommission nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 1573/80 nur auf die Entscheidung erstreckt, von der Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 2000 ECU oder darüber abzusehen.

Zur achten Frage

35

Mit der achten Frage, die eng mit der sechsten Frage zusammenhängt und daher unmittelbar nach dieser zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob ein mit Gründen versehener Antrag des Abgabenschuldners auf Nichterhebung der Kommission vorzulegen oder von den nationalen Zollbehörden zu bescheiden ist, wenn die Entscheidung über die Nacherhebung den nationalen Behörden obliegt.

36

Wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache Deutsche Fernsprecher GmbH (a. a. O.) entschieden hat, ist die Nacherhebung von Eingangs- und Ausfuhrabgaben ohne Rücksicht auf den jeweiligen Betrag Sache der innerstaatlichen Behörden. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Verordnung Nr. 1573/80, die, wie der Gerichtshof in diesem Urteil dargelegt hat, der Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts gilt, haben daher die innerstaatlichen Behörden auch über einen mit Gründen versehenen Antrag eines Abgabenschuldners auf Absehen von der Nacherhebung zu entscheiden. Eine Pflicht zur Vorlage an die Kommission besteht, wie vorstehend in Randnummer 34 ausgeführt wurde, nur dann, wenn die innerstaatlichen Behörden bei einem Betrag von 2000 ECU oder darüber von der Nacherhebung absehen wollen.

37

Auf die achte Frage ist daher zu antworten, daß über einen mit Gründen versehenen Antrag eines Abgabenschuldners, von der Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben abzusehen, die innerstaatlichen Behörden entscheiden und daß sie den Fall nur dann der Kommission vorzulegen haben, wenn sie beabsichtigen, von einer Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 2000 ECU oder darüber abzusehen.

Zur siebten Frage

38

Mit der siebten Frage wirft das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto Probleme verfahrensrechtlicher Art im Zusammenhang mit der Anwendung des Artikels 177 EWG-Vertrag auf.

39

Wie der Begründung der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, geht das vorlegende Gericht von dem Gedanken aus, daß die beiden vorliegend anzuwendenden Vorschriften der portugiesischen Zollverordnung nicht nur gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen, sondern darüber hinaus formell wie inhaltlich verfassungswidrig seien, weil sie zum einen im Verwaltungswege und nicht im Wege der — vorliegend dem Parlament obliegenden — Gesetzgebung erlassen worden seien und zum anderen gegen den Grundsatz des Vorrangs des Völkerrechts vor dem innerstaatlichen Recht verstießen.

40

Hiervon ausgehend wirft das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto zunächst die Frage auf, ob es bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit der betreffenden innerstaatlichen Vorschriften zu einer Vorlageentscheidung befugt sei, da gegen die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer innerstaatlichen Rechtsnorm gemäß Artikel 280 Absatz 3 der portugiesischen Verfassung ein Rechtsbehelf zum portugiesischen Verfassungsgericht gegeben und daher möglicherweise nur dieser befugt sei, in solchen Fällen eine Vorlage zur Vorabentscheidung zu beschließen. Fraglich sei weiter, ob die Vorlage zur Vorabentscheidung nicht überflüssig sei, soweit den Mängeln einer einzelstaatlichen Vorschrift innerhalb der staatlichen Rechtsordnung abgeholfen werden kann.

41

Die siebte Vorlagefrage wirft somit zwei unterschiedliche Probleme bezüglich der Einzelheiten der Anwendung des Artikels 177 EWG-Vertrag auf:

Erstens: Ist dem innerstaatlichen Gericht, das die Verfassungswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift feststellt, die Befugnis, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht vorzulegen, deshalb genommen, weil gegen diese Feststellung ein Rechtsbehelf zum Verfassungsgericht zwingend vorgeschrieben ist?

Zweitens: Kann das innerstaatliche Gericht von einer Vorlage zur Vorabentscheidung absehen, wenn die innerstaatliche Rechtsordnung die Mittel bereitstellt, um den Mängeln einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift abzuhelfen?

42

Zum ersten Problem ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag sowohl über die Auslegung der Verträge und der Handlungen der Gemeinschaftsorgane als auch über deren Gültigkeit zu entscheiden hat. Nach Artikel 177 Absatz 2 können die Gerichte der Mitgliedstaaten solche Fragen dem Gerichtshof vorlegen; gemäß Artikel 177 Absatz 3 müssen sie vorlegen, wenn ihre Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

43

Durch die dem Gerichtshof in Artikel 177 eingeräumten Befugnisse soll im wesentlichen eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die innerstaatlichen Gerichte sichergestellt werden. Zu diesem Zweck gibt Artikel 177 dem innerstaatlichen Gericht ein Mittel zur Bewältigung der Schwierigkeiten, die das Erfordernis, dem Gemeinschaftsrecht im Rahmen der Gerichtbarkeit der Mitgliedstaaten volle Wirkung zu verschaffen, mit sich bringen könnte.

44

Die praktische Wirksamkeit des mit Artikel 177 EWG-Vertrag geschaffenen Systems setzt voraus, daß die innerstaatlichen Gerichte im weitestmöglichen Umfang zur Anrufung des Gerichtshofes befugt sind, wenn sie der Auffassung sind, daß ein bei ihnen anhängiger Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften aufwirft, die zur Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich sind.

45

Darüber hinaus wäre die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gefährdet, wenn der Umstand, daß ein Rechtsbehelf zum Verfassungsgericht zwingend vorgeschrieben ist, das innerstaatliche Gericht, bei dem ein nach Gemeinschaftsrecht zu entscheidender Rechtsstreit anhängig ist, daran hindern könnte, von der ihm durch Artikel 177 EWG-Vertrag eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen, die die Auslegung und die Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts betreffen, um darüber entscheiden zu können, ob eine innerstaatliche Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist oder nicht.

46

Auf den ersten Teil der siebten Frage ist daher zu antworten, daß ein innerstaatliches Gericht, bei dem ein das Gemeinschaftsrecht betreffender Rechtsstreit anhängig ist und das die Verfassungswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift feststellt, auch dann, wenn gegen diese Feststellung ein Rechtsbehelf zum Verfassungsgericht zwingend vorgeschrieben ist, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag befugt beziehungsweise verpflichtet ist, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts vorzulegen.

47

Zum zweiten Problem genügt der Hinweis darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Artikel 177 bewirkten Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben auf die innerstaatlichen Gerichte und den Gerichtshof die innerstaatlichen Gerichte die Frage, ob für den Erlaß ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung über eine gemeinschaftsrechtliche Frage erforderlich ist, in eigener Zuständigkeit beurteilen (vgl. insbesondere das Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, Cilfit, Slg. 1982, 3415, Randnr. 10).

48

Die Beurteilungsbefugnis des innerstaatlichen Gerichts im Sinne von Artikel 177 Absatz 2 EWG-Vertrag erstreckt sich auch auf die Frage, in welchem Abschnitt des Verfahrens dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen ist.

49

Der zweite Teil der siebten Frage ist daher so zu beantworten, daß es gemäß Artikel 177 Absatz 2 EWG-Vertrag Sache des innerstaatlichen Gerichts ist, die Erheblichkeit der in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen und die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seiner eigenen Entscheidung sowie die Frage zu beurteilen, in welchem Verfahrensabschnitt dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen ist.

Kosten

50

Die Auslagen der portugiesischen Regierung, des portugiesischen Ministério Público, des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto mit Beschluß vom 16. Oktober 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

 

1)

Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausruhrabgaben ist dahin auszulegen, daß er den zuständigen innerstaatlichen Behörden bezüglich der Entscheidung, von der Nacherhebung abzusehen, wenn die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, eine gebundene Befugnis einräumt.

 

2)

Ein Irrtum im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 ist jeder Irrtum bei der Auslegung oder Anwendung der Vorschriften über Eingangs- oder Ausfuhrabgaben, der von einem verständigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, falls er auf ein Handeln der für die Nacherhebung zuständigen Behörden oder der Behörden des Mitgliedstaats der Ausfuhr zurückzuführen ist; das schließt einen Irrtum aus, der auf unrichtige Erklärungen des Abgabenschuldners zurückgeht, es sei denn, deren Unrichtigkeit ist nur die Folge unrichtiger Auskünfte, die von zuständigen Behörden erteilt wurden und diese binden.

 

3)

Der Abgabenschuldner hat im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 a. E. der Verordnung Nr. 1697/79 allen Anforderungen sowohl der Gemeinschaftsvorschriften betreffend die Zollerklärung als auch der nationalen Regelungen, die diese Vorschriften gegebenenfalls ergänzen oder umsetzen, auch dann genügt, wenn er gegenüber den zuständigen Behörden gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, sofern er vernünftigerweise nur diese Angaben kennen oder sich beschaffen konnte.

 

4)

Die Zuständigkeit der Kommission nach Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 zur Durchführung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 erstreckt sich nur auf die Entscheidung, von der Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 2000 ECU oder darüber abzusehen; dies gilt auch dann, wenn ein mit Gründen versehener Antrag eines Abgabenschuldners gegen eine Nacherhebungsentscheidung der zuständigen innerstaatlichen Behörden vorliegt.

 

5)

Über einen mit Gründen versehenen Antrag eines Abgabenschuldners, von der Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben abzusehen, entscheiden die innerstaatlichen Behörden; sie haben den Fall nur dann der Kommission vorzulegen, wenn sie beabsichtigen, von einer Nacherhebung von Abgaben in Höhe von 2000 ECU oder mehr abzusehen.

 

6)

Ein innerstaatliches Gericht, bei dem ein das Gemeinschaftsrecht betreffender Rechtsstreit anhängig ist und das die Verfassungswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift feststellt, ist auch dann, wenn gegen diese Feststellung ein Rechtsbehelf zum Verfassungsgericht zwingend vorgeschrieben ist, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag befugt beziehungsweise verpflichtet, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts vorzulegen. Gemäß Artikel 177 Absatz 2 EWG-Vertrag ist es Sache des innerstaatlichen Gerichts, die Erheblichkeit der in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen und die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seiner eigenen Entscheidung sowie die Frage zu beurteilen, in welchem Verfahrensabschnitt dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen ist.

 

Moitinho de Almeida

Grévisse

Zuleeg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Juni 1991.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident der Dritten Kammer

J. C. Moitinho de Almeida


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

Top