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Document 61989CC0247
Opinion of Mr Advocate General Lenz delivered on 13 March 1991. # Commission of the European Communities v Portuguese Republic. # Failure to publish notice of a supply contract. # Case C-247/89.
Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 13. März 1991.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Portugiesische Republik.
Unterbliebene Veröffentlichung der Ausschreibung eines Lieferauftrags.
Rechtssache C-247/89.
Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 13. März 1991.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Portugiesische Republik.
Unterbliebene Veröffentlichung der Ausschreibung eines Lieferauftrags.
Rechtssache C-247/89.
Sammlung der Rechtsprechung 1991 I-03659
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1991:114
Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 13. März 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN PORTUGIESISCHE REPUBLIK. - FEHLENDE VEROEFFENTLICHUNG EINER BEKANNTMACHUNG EINES LIEFERAUFTRAGS. - RECHTSSACHE C-247/89.
Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-03659
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Herr Präsident,
meine Herren Richter!
A - Sachverhalt
1. Bei der Rechtssache, zu der ich hier Stellung nehme, handelt es sich um ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Portugal. Der Vorwurf der Kommission zielt darauf ab, daß die Ausschreibung für die Lieferung und Montage einer Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon vom 29. August 1987 durch das Unternehmen Äroportos e Navigaçao Aéria (im folgenden "ANA-EP") gemäß den Vorschriften der Richtlinie 77/62 (1) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften hätte veröffentlicht werden müssen.
2. Der beklagte Mitgliedstaat ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig. Das Verhalten der ANA-EP könne dem portugiesischen Staat nicht zugerechnet werden, da sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit Verwaltungs-, Finanz- und Vermögensautonomie sei. Die Nichtumsetzung der Richtlinie, eine Verletzung der allgemeinen Verpflichtung aus der Richtlinie, sei zu trennen von der speziellen Verpflichtung aus Artikel 9 der Richtlinie zur Veröffentlichung bestimmter Ausschreibungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.
3. Die mit Gründen versehene Stellungnahme des Vorverfahrens sei nicht ausreichend begründet worden. Sie müsse eine klare Position zu allen von den beklagten Mitgliedstaaten vorgetragenen Argumenten enthalten. Im übrigen stuenden der Inhalt der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Klage im Widerspruch. Die Klage enthalte eine unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes.
4. Die portugiesische Regierung sei irregeleitet worden, denn sie habe annehmen können, daß die von ihr vorgeschlagene Gesetzesänderung hinsichtlich der Aufsichtsbefugnisse des Staates über die Lieferaufträge öffentlicher Unternehmen den Vertragsverstoß jedenfalls für die Zukunft ausräume, wohingegen die Kommission erst in der Klageschrift den Standpunkt eingenommen habe, die beabsichtigte Gesetzesänderung könne dem Verstoß keineswegs abhelfen.
5. Schließlich sei der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht zu entnehmen gewesen, welche Maßnahmen nach Ansicht der Kommission hätten ergriffen werden können, um dem Verstoß abzuhelfen.
6. Die portugiesische Regierung vertritt ausserdem die Ansicht, das Unternehmen ANA-EP sei vom Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 ausgenommen, da sie als Verkehrsträger unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 2 Absatz 2 der Richtlinie falle. Der fragliche Lieferauftrag sei schon deshalb kein Lieferauftrag im Sinne der Richtlinie, weil er nach privatrechtlichen Regeln vergeben worden sei. Im übrigen sei das Unternehmen auch nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie zu betrachten, da die in Rede stehende Ausschreibung nicht der Kontrolle des Staates unterworfen gewesen sei.
7. Die Kommission beantragt,
1) festzustellen, daß die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Abschnitt III, insbesondere Artikel 9, der Richtlinie 77/62/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge verstossen hat, daß sie dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften keine Bekanntmachung des offenen Verfahrens über die Lieferung und Montage einer Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zugeleitet hat;
2) der Portugiesischen Republik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
8. Die Portugiesische Republik beantragt,
1) die von ihr erhobene Einrede der Unzulässigkeit für begründet zu erklären und demgemäß die Klage abzuweisen;
hilfsweise
festzustellen, daß sie keine Vertragsverletzung begangen hat und die Klage demgemäß unbegründet ist;
2) der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
9. Hinsichtlich des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Das Parteivorbringen wird im folgenden nur soweit wiedergegeben, als es die Begründung erfordert.
B - Stellungnahme
1. Zulässigkeit
10. Im Rahmen der Zulässigkeit der Klage ist die Zurechenbarkeit der unterlassenen Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften durch die ANA-EP gegenüber dem Portugiesischen Staat zu prüfen. Die Richtlinie 77/62 war zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 29. August 1987, noch nicht in portugiesisches Recht umgesetzt. Der Handlungsbefehl der Richtlinie konnte die ANA-EP daher nicht in der Form des mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes treffen.
11. Bei Erlaß der Richtlinie 77/62 war die Portugiesische Republik noch kein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften, so daß eine Umsetzungspflicht erst später, bei dem Beitritt Portugals, entstehen konnte.
12. Artikel 392 der Beitrittsakte schreibt vor:
"Die Richtlinien und Entscheidungen im Sinne des Artikels 189 des EWG-Vertrags ... gelten vom Zeitpunkt des Beitritts an als an die neuen Mitgliedstaaten gerichtet und diesen notifiziert, soweit diese Richtlinien, Empfehlungen und Entscheidungen in allen derzeitigen Mitgliedstaaten notifiziert wurden."
In Artikel 395 der Beitrittsakte heisst es:
"Sofern in der Liste des Anhangs XXXVI oder in anderen Bestimmungen dieser Akte nicht eine Frist vorgesehen ist, setzen die neuen Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen in Kraft, um den Richtlinien und Entscheidungen im Sinne des Artikels 189 des EWG-Vertrags ... vom Beitritt an nachzukommen."
13. Die vorstehenden Übergangsbestimmungen der Beitrittsakte werden von der Kommission in der Anwendung auf den vorliegenden Fall dahin gehend verstanden, daß die Richtlinie mit dem Beitrittsdatum, dem 1. Januar 1986, hätte umgesetzt sein müssen.
14. Selbst wenn man aber davon ausgeht, daß erst mit dem 1. Januar 1986 die Pflicht zum Tätigwerden zur Umsetzung der Richtlinie entstanden ist und man der Portugiesischen Republik auch noch den gleichen Zeitraum zur Umsetzung einräumt wie den anderen Mitgliedstaaten - gemäß Artikel 30 der Richtlinie 77/62 eine Frist von 18 Monaten -, dann musste spätestens Ende Juni 1987 die Richtlinie in innerstaatliches Recht transponiert sein.
15. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung am 29. August 1987 befand sich der beklagte Mitgliedstaat unzweifelhaft im Verzug. Die Säumnis des Mitgliedstaats ist eine Voraussetzung dafür, die Richtlinie unmittelbar anzuwenden, sofern ihre Vorschriften eine unbedingte und eindeutige Verpflichtung enthalten. Die Verpflichtung aus Artikel 9 der Richtlinie zur Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt ist eindeutig und unbedingt.
16. Zu unterscheiden ist jedoch einerseits die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien zugunsten des einzelnen, der subjektive Rechte aus der Richtlinie ableitet, deren Geltendmachung sich der Mitgliedstaat nicht wegen Verletzung seiner gemeinschaftsrechtlichen Pflichten entziehen darf, und andererseits die Frage nach der Zurechenbarkeit des Verhaltens selbständiger juristischer Personen als Vertragsverletzung des Mitgliedstaats. Im ersteren Fall kann sich der einzelne auch gegenüber Einrichtungen auf die Richtlinie berufen, die der Kontrolle des Staates unterworfen sind oder über aussergewöhnliche Befugnisse im Verhältnis zu den Regeln, die auf die Beziehungen der einzelnen untereinander anwendbar sind (2), verfügen. Ungeachtet ihrer Rechtsform ist deshalb als staatliche Stelle eine Einrichtung zu betrachten, die durch einen Gesetzgebungsakt mit der Erfuellung einer öffentlichen Dienstleistung unter der Kontrolle des Staates betraut und zu diesem Zweck mit aussergewöhnlichen Befugnissen ausgestattet wurde (3).
17. Deshalb ist es durchaus möglich, die Einrichtung als "Staat" zu betrachten, selbst wenn sie formell kein Bestandteil desselben ist (4). Wenn also eine Abhängigkeit der formal verselbständigten Stelle von der öffentlichen Hand in persönlicher, sachlicher und finanzieller Hinsicht besteht, kann sie als staatliche Stelle im Sinne der Vorschrift zu bewerten sein.
18. Diese abstrakte Umschreibung einer staatlichen Stelle im weitesten Sinne kann im Vertragsverletzungsverfahren nicht genügen, um die Zurechenbarkeit des konkret mißbilligten Verhaltens zu begründen. Der beklagte Mitgliedstaat muß in irgendeiner Form für das mißbilligte Verhalten rechtlich verantwortlich sein. Die Verantwortlichkeit kann auf verschiedenen Ebenen entstehen. Sei es, daß der Mitgliedstaat eine Einrichtung schafft beziehungsweise unterstützt, um gemeinschaftsrechtlich unverträgliche Handelspraktiken zu fördern (5), sei es, daß der Staat Initiator einer gemeinschaftsrechtswidrigen Finanzleistung ist, die im übrigen erst durch dessen Genehmigung Rechtsverbindlichkeit erlangt (6). Wesentlich ist daher die Abhängigkeit vom Staat, die es rechtfertigt, rechtlich relevante Handlungen der Einrichtung dem Mitgliedstaat zuzurechnen.
19. Die ANA-EP ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit Verwaltungs-, Finanz- und Vermögensautonomie. Der Umstand allein, daß die ANA-EP sich wegen eines beherrschenden Einflusses des Staates auf die Bestellung ihrer Organe als öffentliches Unternehmen qualifizieren lässt, reicht nicht, um Handlungen der Gesellschaft automatisch als dem Staat zurechenbar zu bewerten. Die öffentliche Hand müsste vielmehr die Möglichkeit der Einflußnahme auf richtlinien-relevante Sachverhalte haben, das heisst die Vergabe von Lieferaufträgen, wie sie von der Richtlinie vorausgesetzt werden.
20. Die Beurteilung der Fragen, ob eine staatliche Kontrolle bestand in der Form, daß eine Einflußnahme auf die Vergabe von Lieferaufträgen durch den Staat möglich war, setzt eine Prüfung portugiesischen Rechts voraus, insbesondere der allgemeinen für alle öffentlichen Unternehmen geltenden Vorschriften, sowie der speziellen Regelungen zur Errichtung der ANA-EP und deren Satzung.
21. Über die Auslegung dieser Rechtsnormen besteht Uneinigkeit zwischen den Parteien. Die Prüfung fällt ausserdem zusammen mit der Frage nach der Eigenschaft der ANA-EP als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie. Denn nach der allen sprachlichen Fassungen gemeinsamen Kennzeichnung eines öffentlichen Auftraggebers in Portugal nach Anhang I der Richtlinie kommt es darauf an, daß die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge staatlicher Kontrolle unterliegt.
22. An dieser Stelle soll daher die Frage nach der staatlichen Kontrolle und Einflußnahme noch offenbleiben, um mit der Prüfung gemeinschaftsrechtlicher Fragestellungen fortzufahren.
23. Die portugiesische Regierung leitet weitere Zulässigkeitseinwände aus Form und Inhalt der mit Gründen versehenen Stellungnahme her sowie aus dem vorprozessualen Verhalten der Kommission. Die Einwände beziehen sich in tatsächlicher Hinsicht letztlich alle auf die von der portugiesischen Regierung im Verlauf des Vorverfahrens vorgeschlagene Gesetzesänderung des Inhalts, daß die Kontrolle der öffentlichen Unternehmen in dem allgemeinen für die öffentlichen Unternehmen geltenden Gesetzgebungsakt eingeschränkt werden sollte. Die Kommission habe durch ihr Verhalten die portugiesische Regierung in dem Glauben gelassen, die beabsichtigte Gesetzesänderung sei geeignet, den Vertragsverstoß jedenfalls für die Zukunft auszuräumen. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme habe sich die Kommission überhaupt nicht zu diesem Vorschlag geäussert und auch ihrerseits keine Maßnahmen benannt, die die portugiesische Regierung hätte ergreifen sollen. In der Klageschrift habe die Kommission dann aber den Standpunkt eingenommen, eine Gesetzesänderung der bezeichneten Art könne die Vertragsverletzung nicht beheben.
24. Die sich aus dem gesamten Fragenkomplex ergebenden Einwände sollen im folgenden im Zusammenhang behandelt werden. In erster Linie ist zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, die mit Gründen versehene Stellungnahme sei nicht ausreichend begründet gewesen. Sie müsse sich eindeutig zu allen von dem beschuldigten Mitgliedstaat vorgebrachten Argumenten äussern.
25. Es ist zuzugeben, daß die begründete Stellungnahme des Vorverfahrens wie das gesamte Vorverfahren zur Vertragsverletzungsklage schlechthin eine friedliche Beilegung des Streits ermöglichen soll. Dem Mitgliedstaat ist daher Gelegenheit zu geben, seinen Standpunkt zu rechtfertigen (7) und gegebenenfalls sein Verhalten zu korrigieren. Zu diesem Zweck ist an die Form der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Anforderung zu stellen, daß sie eine "detaillierte und zusammenhängende Darlegung der Gründe enthalten muß, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, daß der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem EWG-Vertrag obliegende Verpflichtung verstossen hat" (8).
26. Die Kommission kann in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme auch das Ausmaß der mitgliedstaatlichen Verpflichtungen konkretisieren (9). Die Kommission kann ebenso im Verlauf des im Vorverfahren angestrebten Dialogs dem Mitgliedstaat unterbreiten, welche Abhilfemaßnahmen angebracht sind.
27. Die Kommission ist gleichwohl nicht verpflichtet, sämtliche Maßnahmen anzugeben, die ihrer Ansicht nach den beanstandeten Verstoß ausräumen können. Das lässt sich insbesondere verdeutlichen für den Fall, daß mehrere Möglichkeiten einer adäquaten Lösung bestehen und die Wahl der Mittel in das Ermessen des Staates gestellt ist.
28. Andererseits ist es treuwidrig, wenn ein Mitgliedstaat erkennbar auf die Behebung des Problems hin arbeitet, die Kommission dabei zwar der Auffassung ist, die beabsichtigten Maßnahmen seien ungeeignet, diese Ansicht gegenüber dem Mitgliedstaat aber nicht zu erkennen gibt. Unter diesen Umständen kann das Vorverfahren seine Funktion der friedlichen Streitbeilegung nicht erfuellen.
29. Die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission aus dem Vorverfahren zu der vorliegenden Vertragsverletzungsklage ist ein mehrseitiges Dokument, das den Sach- und Streitstand zusammenhängend und verständlich wiedergibt. Die Kommission subsumiert den Sachverhalt unter die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie. Es kann dabei kein Zweifel bestehen, welches Verhalten dem beklagten Mitgliedstaat zur Last gelegt wird. Es geht stets um die unterlassene gemeinschaftsweite Veröffentlichung der Ausschreibung. Die unterschiedliche rechtliche Bewertung des Falles durch die beiden Parteien geht ebenfalls aus der Begründung hervor.
30. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme wird zwar keine Abhilfemaßnahme genannt. Es bestand aber erkennbar schon im Vorfeld Uneinigkeit über die rechtliche Bewertung der Tatsachen. Die portugiesische Regierung hat sich der Rechtsansicht der Kommission nicht angeschlossen, sondern die Auffassung vertreten, ein Vertragsverstoß liege nicht vor.
31. Wenn in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt wird, die Verpflichtungen, denen der Mitgliedstaat nachzukommen habe, seien in der mit Gründen versehenen Stellungnahme genau anzugeben (10), so sind darunter nicht notwendig die Abhilfemaßnahmen zu verstehen. Die Verpflichtung, der der beklagte Mitgliedstaat nach Auffassung der Kommission hätte nachkommen müssen, war die Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Das kommt unmißverständlich in der mit Gründen versehenen Stellungnahme zum Ausdruck. Die Stellungnahme war daher hinreichend begründet.
32. Für den Fall, daß die portugiesische Regierung im Vorverfahren die Absicht mitgeteilt hat, einen Vertragsverstoß für die Zukunft durch eine Gesetzesänderung verhindern zu wollen, von deren Untauglichkeit zur Erreichung des angestrebten Zieles die Kommission überzeugt war, war es unkooperativ, diese Beurteilung nicht mitzuteilen und dadurch einer konstruktiven Lösung des Konflikts im Wege zu stehen. Selbst wenn ein solches Verhalten dem Zweck des Vorverfahrens zuwiderläuft, ist es angesichts der Weigerung des beklagten Mitgliedstaats, die Vertragsverletzung einzuräumen, dennoch nicht geeignet, zur Unzulässigkeit der Vertragsverletzungsklage zu führen.
33. Ein Widerspruch der mit Gründen versehenen Stellungnahme zur Klage besteht nicht, da es nach wie vor um die unterlassene Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften geht. Die von der Kommission in der Klageschrift vertretene Ansicht, die von der portugiesischen Regierung vorgeschlagene Gesetzesänderung sei zur Beseitigung des Vertragsverstosses ungeeignet, stellt keine Erweiterung des Streitgegenstandes dar. Der materielle Vorwurf ist unverändert in Vorverfahren und Klageschrift derselbe. Lediglich die rechtliche Argumentation wurde erweitert.
34. Davon unabhängig ist die Frage nach dem Rechtsschutzinteresse einer Vertragsverletzungsklage bei einem in der Vergangenheit abgeschlossenen Vertragsverstoß. Ob ein Rechtsschutzinteresse für die vorliegende Klage gegeben ist, erscheint unter dem Blickwinkel fraglich, daß der Auftrag aufgrund der Ausschreibung vom 29. August 1987 vergeben war, ohne daß die Ausschreibung richtlinienkonform veröffentlicht worden wäre. Die Auftragsvergabe ist zum gegebenen Zeitpunkt nicht mehr rückgängig zu machen, so daß eine Einwirkung auf den in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt nicht mehr möglich ist.
35. Ursprünglich mag durchaus die Möglichkeit bestanden haben, das Ausschreibungsverfahren unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Veröffentlichungsvorschriften zu wiederholen. Das hätte aber das Anerkenntnis eines Fehlverhaltens vorausgesetzt. Die portugiesische Regierung hat zu keiner Zeit anerkannt, sich vertragswidrig verhalten zu haben. Sie verteidigt sich auch noch im gerichtlichen Verfahren damit, daß die bezeichnete Ausschreibung kein unter die Richtlinie 77/62 fallender Sachverhalt gewesen sei. Das Anerkenntnis des Fehlverhaltens wäre darüber hinaus Voraussetzung für die Vermeidung ähnlicher Vorgehensweisen für die Zukunft gewesen.
36. Schon wegen der anhaltenden Uneinigkeit darüber, ob nun ein Vertragsverstoß vorliegt oder nicht, ist zur Vermeidung zukünftiger gleichgelagerter Fälle das Rechtsschutzinteresse zu bejahen (11). Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, daß sich ein Mitgliedstaat nicht auf von ihm selbst geschaffene vollendete Tatsachen berufen kann, um sich dem Klageanspruch zu entziehen (12).
37. Vorbehaltlich der Prüfung einer staatlichen Kontrolle über Lieferaufträge der bezeichneten Art ist die Klage der Kommission als zulässig zu erachten.
2. Begründetheit
38. Die portugiesische Regierung vertritt die Ansicht, daß der von der ANA-EP vergebene Lieferauftrag nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 falle. Zum ersten sei die ANA-EP von der Bereichsausnahme für Verkehrsträger nach Artikel 2 der Richtlinie erfasst. Zum zweiten sei auf den in Rede stehenden Lieferauftrag die Richtlinie nicht anwendbar, weil er in privatrechtlichen Formen abzuschließen war. Die Richtlinie erfasse lediglich in öffentlich-rechtlichen Formen vergebene Lieferaufträge. Schließlich könne die ANA-EP nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie angesehen werden.
39. a) Artikel 2 der Richtlinie 77/62 enthält eine Bereichsausnahme für öffentliche Lieferaufträge, die von Verkehrsträgern vergeben werden. Die Kommission macht geltend, die ANA-EP könne nicht als Verkehrsträger im Sinne der Richtlinie angesehen werden. Zur Unterstützung ihrer Argumentation verweist sie auf das von der Kommission ausgearbeitete Vademecum über öffentliches Auftragswesen in der Gemeinschaft (13), das eine Anwendungs- und Auslegungshilfe zu den Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen beinhaltet. Dort wird ausgeführt:
"Bei den Verkehrsträgern betrifft die Ausnahme Organisationen, die den Personen- und Güterverkehr von einem Punkt zu einem anderen sicherstellen. Deshalb fallen Häfen und Flughäfen z. B. in den Anwendungsbereich der Richtlinie."
40. Zur Untermauerung ihrer Ansicht verweist die Kommission ausserdem auf die geänderte Fassung der Ausnahmevorschrift durch die Richtlinie 88/295. Seit der sprachlichen Änderung aus dem Jahre 1988 lautet die sich auf den Verkehrssektor beziehende Ausnahme folgendermassen:
"Die Bestimmungen dieser Richtlinie finden keine Anwendung auf
a) Lieferaufträge öffentlicher Auftraggeber, die von Beförderungsunternehmen des Land-, Luft- und Schiffsverkehrs vergeben werden; ..."
41. Nach der von der Kommission vertretenen Rechtsansicht handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, die keine inhaltliche Änderung der Tragweite der Ausnahmevorschrift beinhalte.
42. Zunächst ist festzuhalten, daß es für die hier zu entscheidende Frage dahinstehen kann, ob die sprachliche Neufassung auch eine inhaltliche Änderung der Ausnahmevorschrift bewirkt hat, denn zum Zeitpunkt der Ausschreibung im August 1987 galt die ursprüngliche Fassung des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62. Zur Neuformulierung der Ausnahme durch die Richtlinie 88/295 sei deshalb nur der Hinweis gegeben, daß in den Erwägungsgründen - jedenfalls des deutschen Textes - von einer Neudefinition der Bereichsausnahmen die Rede ist, was auf eine Änderung der Tragweite der Ausnahmeregeln schließen lässt.
43. Ob die ANA-EP unter den Anwendungsbereich der Richtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung fällt, kann nur nach einer Prüfung der Ausnahmevorschrift im Regelungszusammenhang beantwortet werden. Der Begriff "Verkehrsträger" spricht für die globale Erfassung eines ganzen Sektors. Die Aufgaben der ANA-EP, die in der Verwaltung mehrerer portugiesischer Flughäfen besteht, ist untrennbar mit der Ausführung des reinen Lufttransports von Personen und Gütern verbunden. Ohne die Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur und der Organisation der Flughäfen ist der Lufttransport undenkbar.
44. Die inzwischen verabschiedete Richtlinie 90/531 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasserenergie und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (14) gibt Aufschluß über den Regelungsmechanismus der Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Lieferaufträge und Bauaufträge) und den vom Anwendungsbereich dieser Richtlinien ausgenommenen Sektoren. Die nunmehr von der Richtlinie 90/531 erfassten Sektoren waren von Anfang an aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge herausgenommen. Dahinter stand der Gedanke, die Konkurrenzfähigkeit dieser Unternehmen mit privaten Unternehmen nicht zu beeinträchtigen. Wegen der unterschiedlichen Rechtsformen der die öffentlichen Dienstleistungen sicherstellenden Einrichtungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten sollten Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden. Die zunächst ausgenommenen Sektoren werden durch die neue Richtlinie einem bedeutend weniger strengen Regime zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge unterworfen.
45. Die vorstehende Darstellung des Regelungszusammenhangs wird untermauert durch die Erwägungsgründe der Richtlinie 90/531. Dort heisst es beispielsweise:
"Das Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarkts legt ... Sektoren fest, die gegenwärtig von der Anwendung der Richtlinie ... 77/62/EWG ... ausgenommen sind.
Zu diesen Sektoren gehören die Bereiche Wasser, Energie und Verkehr ...
Die Ausklammerung dieser Bereiche war vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Einrichtungen, die die jeweiligen Leistungen erbringen, teils dem öffentlichen Recht, teils dem Privatrecht unterliegen."
46. Die ANA-EP ist unzweideutig von der neuen Richtlinie über die ausgenommenen Sektoren erfasst. Es folgt aus deren Artikel 2, wo es heisst:
"1. Diese Richtlinie gilt für Auftraggeber, die
a) staatliche Behörden oder öffentliche Unternehmen sind und die eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 2 ausüben,
...
2. Unter diese Richtlinie fallende Tätigkeiten sind:
b) die Nutzung eines geographisch abgegrenzten Gebiets zum Zwecke der
...
ii) Versorgung von Beförderungsunternehmen im Luft-, See- oder Binnenschiffsverkehr mit Flughäfen, Häfen oder anderen Verkehrsendeinrichtungen;
...
6. Die in den Anhängen II bis X bezeichneten Auftraggeber erfuellen die vorgenannten Kriterien ..."
In Anhang VIII der neuen Richtlinie ist für Portugal das Unternehmen ANA-EP ausdrücklich aufgeführt.
47. Die Erfassung des Unternehmens ANA-EP durch die Richtlinie 90/531 führt zu dem logischen Schluß, daß diese Einrichtung zuvor vom Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 ausgenommen war. Diese Beurteilung kann auch nicht durch den Hinweis der Kommission entkräftet werden, Verkehrseinrichtungen wie die ANA-EP seien zunächst von den strengen Vorschriften der Richtlinie 77/62 erfasst und erst später den weniger strengen Regeln der neuen Richtlinie unterstellt worden. Die Argumentation widerspricht System und Zweck der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge.
48. Die durch die Richtlinie 90/531 selbst vorgenommene Anpassung der Richtlinie 77/62 bestätigt die dießeitige Beurteilung. Sie hat zum Ziel, eine klare Grenzziehung der Anwendungsgebiete beider Richtlinien zu ermöglichen. Artikel 35 der Richtlinie 90/531 schreibt vor:
"1. Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 77/62/EWG erhält folgende Fassung:
' 2. Diese Richtlinie findet keine Anwendung
a) auf die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen, die in den Artikeln 2, 7, 8 und 9 der Richtlinie 90/531/EWG des Rates ... genannt sind, und von Aufträgen, die den Bedingungen des Artikels 6 Absatz 2 der genannten Richtlinie entsprechen ...' "
49. Auf diese Weise wird die Bereichsausnahme der Richtlinie 77/62 durch die von der neuen Richtlinie erfassten öffentlichen Auftraggeber und die auch von der neuen Richtlinie noch nicht erfassten Einrichtungen definiert.
50. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß die ANA-EP zum gegebenen Zeitpunkt nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 fiel und die Vertragsverletzungsklage deshalb unbegründet ist.
51. b) Ich wende mich nun dem Einwand der portugiesischen Regierung zu, der Lieferauftrag der ANA-EP über Lieferung und Montage der Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon sei wegen der Rechtsform des abgeschlossenen Liefervertrages nicht von der Richtlinie erfasst worden. Zur Begründung dieser These stützt sich die portugiesische Regierung auf den Wortlaut des Anhangs I der Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in portugiesischer Sprache. In der von der portugiesischen Regierung geltend gemachten sprachlichen Fassung heisst es zur Bezeichnung der öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinie:
"Juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen die Vergabe von Lieferaufträgen des öffentlichen Rechts der staatlichen Kontrolle unterliegt." (15)
Die Wendung "Lieferaufträge des öffentlichen Rechts" ist nur im portugiesischen Text enthalten und auch erst durch die Richtlinie 88/295 in den Anhang der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge eingegangen.
52. Über die verbindliche sprachliche Fassung ist zwischen den Parteien ein heftiger Streit entfacht. Für die Streitentscheidung ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, welche Formulierung in welcher Sprache von den Parteien im Vorverfahren als ausschlaggebend betrachtet wurde. Es ist vielmehr die objektiv verbindliche Formulierung festzulegen, aufgrund deren die Rechtsfrage zu entscheiden ist.
53. Bei Erlaß der Richtlinie 77/62 war die Republik Portugal bekanntlich noch nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaften, so daß die Verpflichtungen aus der Richtlinie erst mit dem Beitritt Portugals zu den Gemeinschaften eintreten konnten. In der Beitrittsakte sind daher Anpassungs- und Übergangsvorschriften zu der Richtlinie 77/62 enthalten. Es heisst dort zur Bezeichnung öffentlicher Auftraggeber im Anhang I der Richtlinie:
"XIII. Portugal:
die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge staatlicher Kontrolle unterliegt" (16).
54. Die Nummer XIII des Anhangs I der Richtlinie in der durch die Beitrittsakte gewählten Formulierung ist in allen Gemeinschaftssprachen inhaltsgleich. Die von der portugiesischen Regierung geltend gemachte Formulierung ist erst durch die Richtlinie 88/295 in die Richtlinie eingefügt worden. Auffällig ist, daß die sprachliche Abweichung nur im portugiesischen Text vorzufinden ist. Gleichgültig auf welche Gründe die Abweichung zurückzuführen ist - sei dies ein blosses Versehen oder möglicherweise ein Übersetzungsfehler -, ist eine einheitliche Auslegung der Vorschrift zu suchen. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung und damit Auslegung verbiete es, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, und gebiete, sie nach dem Willen ihrer Urheber und dem verfolgten Zweck in allen Sprachen auszulegen (17).
55. Die Ansicht der portugiesischen Regierung ist daher entschieden zurückzuweisen, allein der portugiesische Text sei verbindlich. Es ist auch unwahrscheinlich, daß die portugiesische Formulierung absichtlich in den Anhang der Richtlinie eingefügt wurde. Ein unter die Richtlinie fallender öffentlicher Auftraggeber könnte sich sonst allein durch die Wahl der Rechtsform, in der er mit dem Auftragnehmer kontrahiert, den Vorschriften der Richtlinie entziehen. Die richtlinienrelevanten Lieferaufträge werden ausserdem durch Artikel 1 a der Richtlinie 77/62 definiert. Anhang I ist demgegenüber eine Konkretisierung der in Artikel 1 b definierten "öffentlichen Auftraggeber"; was gegen die Annahme spricht, dem Anhang I seien Merkmale der von der Richtlinie geregelten Lieferaufträge zu entnehmen.
56. Die Frage, ob die Wendung "Lieferaufträge des öffentlichen Rechts" unbeachtlich ist, braucht nicht abschließend geklärt zu werden, da zum Zeitpunkt der Ausschreibung des Lieferauftrags über die Telefonzentrale allein der Anhang der Richtlinie 77/62 in ihrer durch die Beitrittsakte verliehenen Form galt.
57. Der Einwand der portugiesischen Regierung, der Lieferauftrag habe nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen können, weil der Vertrag in privatrechtlichen Formen abzuschließen war, ist deshalb zurückzuweisen.
58. c) Die portugiesische Regierung hat schließlich den Einwand erhoben, die ANA-EP sei kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie. Unabhängig davon, daß ANA-EP wegen ihrer Zugehörigkeit zum Verkehrssektor schon vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen ist, beurteilt sich ihre Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber nach Artikel 1 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 77/62. Gemäß Artikel 1 Buchstabe b "gelten als 'öffentliche Auftraggeber' der Staat, die Gebietskörperschaften und die in Anhang I aufgeführten juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder ... die dort aufgeführten gleichwertigen Einrichtungen". In diesem Zusammenhang wird nun erneut Anhang I Nr. XIII relevant. Nach der für das hiesige Verfahren aus den obigen Gründen maßgeblichen Fassung heisst es dort: "Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen die Vergabe öffentlicher Aufträge staatlicher Kontrolle unterliegt."
59. Meines Erachtens bedarf es zur Beurteilung, ob ein Unternehmen unter diese Definition zu subsumieren ist, einer konkreten Betrachtungsweise. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Unternehmen in irgendeiner Form staatlich kontrolliert wird, denn - und darin ist der portugiesischen Regierung beizupflichten - alle öffentlichen Unternehmen unterliegen in der einen oder anderen Form staatlicher Kontrolle. Auch die abstrakte Möglichkeit staatlicher Kontrolle für Lieferaufträge ist nicht ausreichend. Der jeweilige Lieferauftrag müsste nach den einschlägigen Vorschriften in der Weise staatlicher Kontrolle zugänglich sein, daß eine Einflußnahme auf den Abschluß des Vertrages durch die öffentliche Hand möglich ist.
60. Die Eigenschaft der ANA-EP als juristische Person des öffentlichen Rechts, bei der die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge staatlicher Kontrolle unterliegt, ist nach den einschlägigen Rechtsnormen portugiesischen Rechts zu beurteilen. Die ANA-EP wurde errichtet durch den gesetzesvertretenden Erlaß Nr. 246/79 vom 20. Juli 1979, dem die Satzung der ANA-EP beigefügt ist. Diesen Vorschriften ist keine unmittelbare Kontrolle staatlicher Stellen für die Vergabe von Lieferaufträgen der fraglichen Grössenordnung zu entnehmen. Anwendbar könnten allerdings die allgemeinen Regeln für alle öffentlichen Unternehmen sein. Es handelt sich dabei um den gesetzesvertretenden Erlaß Nr. 260/76 vom 6. April 1976, geändert durch Erlaß Nr. 29/84 vom 20. Januar 1984. Artikel 13 des Erlasses sieht die Genehmigung von Geschäften über 50 Millionen ESC durch den zuständigen Minister vor. Um die Änderung dieser Vorschrift ging es auch in den vorprozessualen Verhandlungen.
61. Die portugiesische Regierung hat vorgetragen, diese allgemeinen Normen seien nicht auf die Geschäfte der ANA-EP anwendbar, da es sich bei den genannten Erlassen um ranggleiches Recht handele und der Erlaß Nr. 246/79 zur Errichtung der ANA-EP als speziellere Norm vorgehe. Überdies sei im Erlaß Nr. 29/84 vorgeschrieben worden, die Satzungen der öffentlichen Unternehmen binnen einer bestimmten Frist an die Vorschriften der generellen Regelung anzupassen. Zu diesen Anpassungen sei es aber nicht gekommen, weshalb der Erlaß Nr. 246/79 und die Satzung der ANA-EP unverändert Geltung hätten.
62. Ich möchte mich hier nicht in die Einzelheiten der Prüfung portugiesischen Rechts einlassen. Aus Gründen der allgemeinen Normenlehre erscheint es mir jedoch zutreffend, daß allein durch den Ablauf einer Frist, binnen deren eine Gesetzesanpassung hätte erfolgen sollen, keine Rechtsänderung eintritt. Das würde aber bedeuten, daß der im August 1987 zu vergebende Lieferauftrag über die Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon der staatlichen Kontrolle entzogen gewesen wäre. Die ANA-EP wäre deshalb auch nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie zu betrachten. Die Vertragsverletzungsklage wäre dann auch aufgrund dieser Hilfsüberlegung als unbegründet abzuweisen.
Kosten
63. Die Kostenentscheidung ergeht nach Artikel 69 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes. Gemäß dessen § 2 ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
C - Schlussantrag
64. Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen schlage ich folgende Entscheidung vor:
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.
(*) Originalsprache: Deutsch.
(1) Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1977 L 13, S. 1), geändert durch die Richtlinie 88/295/EWG (ABl. 1988 L 127, S. 1).
(2) Vgl. Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89 (A. Foster, Slg. 1990, I-3313, Randnrn. 16 und 18).
(3) Urteil in der Rechtssache C-188/89, a. a. O.
(4) Vgl. Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87 (Slg. 1988, 4635, Randnr. 11).
(5) Vgl. Urteil vom 24. November 1982 in der Rechtssache 249/81 (Kommission/Irland, Slg. 1982, 4005) und Urteil vom 13. Dezember 1983 in der Rechtssache 222/82 (Apple and Pear/Lewis, Slg. 1983, 4083).
(6) Vgl. Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 290/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1985, 439) und Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76 (Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595).
(7) Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 85/85 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1149, Randnr. 11).
(8) Vgl. Urteil vom 28. März 1985 in der Rechtssache 274/83 (Kommission/Italien, Slg. 1985, 1077, Randnr. 21); in diesem Sinne schon Urteil vom 19. Dezember 1961 in der Rechtssache 7/61 (Kommission/Italien, Slg. 1961, 699).
(9) Vgl. Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1973, 813, Randnr. 13).
(10) Rechtssache 85/85 (Slg. 1986, 1149, Randnr. 11).
(11) Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache 199/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 1047) und Urteil vom 10. März 1987, Randnrn. 7 bis 9 (Slg. 1987, 1039).
(12) Urteil vom 7. Februar 1973 in der Rechtssache 31/72 (Kommission/Italien, Slg. 1973, 101); Schlussanträge des Generalanwalts Mancini in der Rechtssache 303/84 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1986, 1171, 1172).
(13) ABl. C 358 vom 13. Dezember 1987, S. 1.
(14) Richtlinie des Rates vom 17. September 1990 (ABl. 1990 L 297, S. 1).
(15) Hervorhebung durch den Verfasser.
(16) ABl. 1985 L 302, S. 217.
(17) Urteil von 12. November 1969 in der Rechtssache 29/69 (Erich Stauder/Stadt Ulm, Slg. 1969, 419); Urteil vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77 (Pierre Bouchereau, Slg. 1977, 1999); Urteil vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 9/79 (Marianne Koschniske, Slg. 1979, 2717) und Urteil vom 7. Juli 1988 in der Rechtssache 55/87 (Alexander Moksel, Slg. 1988, 3845).