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Document 61989CC0105

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 2. Oktober 1990.
Ibrahim Buhari Haji gegen Institut national d'assurances sociales pour travailleurs indépendants.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal du travail de Bruxelles - Belgien.
Soziale Sicherheit - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Geltungsbereich - Ehemaliger Angehöriger eines Staates, der nicht Gründungsmitgliedstaat ist - Zahlung einer Altersrente in einem Drittstaat.
Rechtssache C-105/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 I-04211

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1990:335

61989C0105

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 2. Oktober 1990. - IBRAHIM BUHARI HAJI GEGEN INSTITUT NATIONAL D'ASSURANCES SOCIALES POUR TRAVAILLEURS INDEPENDANTS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DU TRAVAIL DE BRUXELLES - BELGIEN. - SOZIALE SICHERHEIT - VERORDNUNG NR. 1408/71 - ANWENDUNGSBEREICH - EHEMALIGER ANGEHOERIGER EINES STAATES, DER NICHT GRUENDUNGSMITGLIEDSTAAT IST - ZAHLUNG EINER ALTERSRENTE IN EINEM DRITTSTAAT. - RECHTSSACHE C-105/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-04211


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Die vom Tribunal du travail Brüssel vorgelegten Fragen betreffen den Rechtsstreit zwischen Ibrahim Buhari Haji und dem Institut national d' assurances sociales pour travailleurs indépendants ( Staatliche Sozialversicherungsanstalt für Selbständige; nachstehend : Inasti ) über den Anspruch von Herrn Buhari auf eine Altersrente für "Selbständige" aufgrund seiner Pflichtzugehörigkeit zu einem belgischen System der sozialen Sicherheit während der Jahre 1938 bis 1960 .

2 . Herr Buhari, der 1914 in Nigeria geboren wurde, besaß bis zu der im Jahre 1960 - 13 Jahre vor dem EWG-Beitritt des Vereinigten Königreichs - erklärten Unabhängigkeit dieses Gebiets die britische Staatsangehörigkeit . Seitdem besitzt er die nigerianische Staatsangehörigkeit .

3 . 1937 ließ er sich in Belgisch-Kongo, heute Zaire, nieder und übte dort bis 1986 den Beruf des Kaufmanns aus . Er wohnt übrigens noch immer dort, hat aber zugleich seinen Wohnsitz in Nigeria .

4 . 1986 stellte Herr Buhari beim Inasti einen Antrag auf Altersrente für "Selbständige" für die in Belgisch-Kongo bis zum 30 . Juni 1960, dem Tag vor der Unabhängigkeit dieses Gebiets, ausgeuebte Berufstätigkeit .

5 . Das Inasti wies seinen Antrag mit der Begründung zurück, daß er die nigerianische Staatsangehörigkeit besitze und in Zaire wohne .

6 . Das vorlegende Gericht weist darauf hin, daß der Anspruch von Herrn Buhari auf eine Altersrente für seine Tätigkeit im ehemaligen Belgisch-Kongo für den Zeitraum vom 1 . Januar 1938 bis zum 30 . Juni 1956 bereits jetzt feststehe . Bezueglich der Zeit vom 1 . Juli 1956 bis zum 30 . Juni 1960 ordnete das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung an, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Beweise beizubringen, die für die Anerkennung dieses Zeitraums im Hinblick auf die Gewährung einer Rente erforderlich sind .

7 . Zur tatsächlichen Feststellung der Rente führt das vorlegende Gericht ferner aus, daß Herr Buhari nach belgischem Recht

a ) seine Rente in Zaire oder in Nigeria erhalten würde, wenn er die Staatsangehörigkeit Belgiens oder eines anderen Mitgliedstaats der Gemeinschaft besässe, und

b ) mit seiner derzeitigen Staatsangehörigkeit seine Rente erhalten würde, wenn er im Königreich Belgien oder einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft wohnen würde .

8 . Das Tribunal du travail Brüssel hat uns in diesem Zusammenhang drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt .

Vorbemerkung

9 . Bei aufmerksamer Lektüre des Vorlageurteils zeigt sich, daß diese Fragen einzig und allein darauf abzielen, ob das Inasti kraft Gemeinschaftsrechts zur "Feststellung", das heisst zur tatsächlichen Zahlung einer Rente, die einem ehemaligen Erwerbstätigen unbestreitbar zusteht, verpflichtet ist, obwohl der eventuelle Empfänger die Staatsangehörigkeit eines Nichtmitgliedstaats der Gemeinschaft besitzt und in einem Nichtmitgliedstaat wohnt . Es wäre daher möglich, daß Sie sich nach der Feststellung, daß dies im wesentlichen der Zweck der Vorlagefragen ist, auf die folgenden Ausführungen beschränken .

10 . Die im vorliegenden Fall einschlägige Bestimmung ist Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr . 1408/71 des Rates vom 14 . Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern ( 1 ) ( nachstehend : Verordnung ). Dort ist vorgesehen :

"Die Geldleistungen bei Invalidität, Alter oder für die Hinterbliebenen, die Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und die Sterbegelder, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten Anspruch erworben worden ist, dürfen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat ."

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich unmittelbar, daß sie einzig und allein die Zahlung von Leistungen, auf die Anspruch erworben worden ist, an Personen gewährleisten will, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnen, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat, nicht aber an Personen, die in einem Drittland wohnen .

11 . Selbst wenn Herr Buhari Staatsangehöriger eines der zwölf Mitgliedstaaten der Gemeinschaft wäre, könnte er sich nicht auf diese Bestimmung stützen, um das Inasti zu zwingen, ihm seine Rente auf ein Konto bei einem Finanzinstitut in Zaire oder Nigeria zu überweisen . Als Staatsangehöriger eines Drittlandes kann Herr Buhari keine bessere Behandlung verlangen, als sie das Gemeinschaftsrecht für die Staatsangehörigen der Gemeinschaft, die in einem Drittland wohnen, vorsieht . Von einer Diskriminierung kann also keine Rede sein .

12 . Unter diesen Umständen braucht nicht einmal geprüft zu werden, ob die Verordnung Nr . 1408/71 für einen Erwerbstätigen gilt, der die Staatsangehörigkeit eines jetzigen Mitgliedstaats besessen, sie aber vor dem Beitritt dieses Staates zur Gemeinschaft verloren hat .

13 . Ich möchte allerdings nicht so weit gehen, Ihnen diese Verfahrensweise vorzuschlagen . Aus meiner Sicht kommt man jedenfalls nicht umhin, alle vom vorlegenden Gericht erwähnten Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auf ihre etwaige Anwendbarkeit zu prüfen .

Zur ersten Frage

14 . Die erste Frage lautet :

"Fällt die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Feststellung einer Altersrente ( hier : für Selbständige ) aufgrund einer früheren Berufstätigkeit ( hier : als Siedler ) 'in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt' , für eine Person, die zu jener Zeit die Staatsangehörigkeit eines zweiten, inzwischen zu einem Mitgliedstaat gewordenen Staates besaß und jetzt Angehöriger eines dritten Staates ist, der aber aus einem anderen Gebiet gebildet wurde, das seinerzeit mit diesem zweiten, inzwischen zum Mitgliedstaat gewordenen Staat ebenfalls besondere Beziehungen unterhielt, in den Geltungsbereich der Artikel 1 bis 4, 10 Absatz 1 Unterabsatz 1 und 44 bis 51 der Verordnung ( EWG ) Nr . 1408/71 des Rates vom 14 . Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern, und infolgedessen der Artikel 35 bis 59 der Verordnung ( EWG ) Nr . 574/72 des Rates vom 21 . März 1972 über die Durchführung dieser Verordnung?"

15 . Wie die Kommission halte ich es zunächst für notwendig, festzustellen, ob ein Fall wie der von Herrn Buhari im Geltungsbereich der Verordnung Nr . 1408/71 liegt .

1 . Geltungsbereich der Verordnung

16 . Hierzu heisst es in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung :

"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen ..."

17 . Wie der Gerichtshof im Urteil Belbouab ( 2 ) ausgeführt hat, hängt die Geltung der Verordnung von zwei Voraussetzungen ab :

- Für den Betroffenen müssen die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder gegolten haben;

- der Betroffene muß Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein .

a ) Begriff der "Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats"

18 . Aus dem Vorlageurteil ergibt sich, daß Herr Buhari einen Anspruch auf eine Altersrente für Selbständige erworben hat, und zwar insbesondere gemäß der königlichen Verordnung Nr . 72 vom 10 . November 1967 über die Alters - und Hinterbliebenenrenten für Selbständige .

19 . Ich teile die Auffassung der Kommission, wonach "kein Zweifel (( besteht )), daß dieses innerstaatliche Gesetz unter den Begriff 'Rechtsvorschriften' fällt, zu denen nach der Definition in Artikel 1 Buchstabe j der Verordnung Nr . 1408/71 die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in bezug auf die in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit gehören . Artikel 4 führt zum sachlichen Geltungsbereich der Verordnung unter den Buchstaben c und d ausdrücklich die Zweige der sozialen Sicherheit auf, auf die sich die fragliche belgische Rechtsvorschrift bezieht ". Diese Rechtsvorschrift ist auch nicht unter den vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommenen Sondersystemen des Anhangs II aufgeführt, da dort unter der Überschrift "Belgien" das Wort "gegenstandslos" steht .

20 . Dagegen lässt sich schließlich nicht einwenden, wie in der Vergangenheit vor dem Gerichtshof mehrfach geschehen, daß eine Rechtsvorschrift nicht als "Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats" im Sinne von Artikel 2 betrachtet werden dürfe, wenn sie ausschließlich Beschäftigungszeiten betreffe, die ausserhalb des europäischen Gebiets der Mitgliedstaaten zurückgelegt worden seien .

21 . In dem Urteil vom 31 . März 1977 in der Rechtssache 87/76 ( Bozzone, Slg . 1977, 687 ), das Versicherungszeiten betrifft, die von einem italienischen Arbeitnehmer im ehemaligen Belgisch-Kongo zurückgelegt worden waren, hat der Gerichtshof nämlich für Recht erkannt, daß Artikel 10 der Verordnung und damit die Verordnung Nr . 1408/71 insgesamt

"im Falle eines Empfängers von Leistungen gilt, die von den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats garantiert worden sind und sich auf eine ausschließlich in einem Hoheitsgebiet, das seinerzeit mit einem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, ausgeuebte unselbständige Tätigkeit beziehen ..." ( Randnr . 21 )

22 . In seinem Urteil vom 9 . Juli 1987 in den verbundenen Rechtssachen 82/86 und 103/86 ( Laborero und Sabato, Slg . 1987, 3401 ), das ebenfalls Versicherungszeiten betraf, die italienische Staatsangehörige in Belgisch-Kongo und Zaire zurückgelegt hatten, hat der Gerichtshof erklärt :

"Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 23 . Oktober 1986 in der Rechtssache 300/84 ( Van Roosmalen, Slg . 1986, 3116 ) entschieden hat, ist ..., um die Tragweite des Ausdrucks 'Rechtsvorschriften' zu bestimmen, nicht dem Kriterium des Ortes, an dem die Berufstätigkeit ausgeuebt worden ist, wesentliche Bedeutung beizumessen, sondern dem der Beziehung, die den Arbeitnehmer oder Selbständigen, unabhängig von dem Ort, an dem er seine Berufstätigkeit ausgeuebt hat oder ausübt, mit einem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats verbindet, in dessen Rahmen er Versicherungszeiten zurückgelegt hat .

Da das ausschlaggebende Kriterium in der Bindung eines Versicherten an ein System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats besteht, ist es unerheblich, ob die Versicherungszeiten im Rahmen dieses Systems in Drittländern zurückgelegt wurden ." ( Randnrn . 24 und 25 )

Man muß daher zum Ergebnis gelangen, daß für Herrn Buhari die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegolten haben .

b ) Der Besitz der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats

23 . Zweitens sieht Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vor, daß diese für Erwerbstätige gilt, die "Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind ". Eine wörtliche Auslegung dieser Formulierung könnte zu dem Gedanken führen, daß diese Eigenschaft immer in dem Zeitpunkt vorliegen müsse, in dem der Betroffene Rechte aus der Verordnung Nr . 1408/71 herleiten will . Herr Buhari ist jedoch derzeit Staatsangehöriger eines Drittlandes, nämlich Nigerias .

24 . Der Gerichtshof hat jedoch im Tenor seines Urteils vom 12 . Oktober 1978 in der Rechtssache 10/78 ( Belbouab, Slg . 1978, 1915 ) erklärt :

"Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 94 Absatz 2 der Verordnung Nr . 1408/71 sind dahin auszulegen, daß sie für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung die Berücksichtigung aller Versicherungs -, Beschäftigungs -, und Wohnzeiten, die nach den Rechtvorschriften eines Mitgliedstaats vor Inkrafttreten dieser Verordnung zurückgelegt worden sind, unter der Voraussetzung gewährleisten, daß der Wanderarbeitnehmer zur Zeit ihrer Zurücklegung Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats gewesen ist ." ( 3 )

25 . Zwar betrifft Artikel 94 nur die Arbeitnehmer, doch enthält die Verordnung Nr . 1408/71 eine entsprechende Bestimmung für die Selbständigen, nämlich Artikel 95 Absatz 2, der in seiner aktuellen Fassung - sie gilt seit dem 1 . Januar 1986 - wie folgt lautet :

"Für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung werden sämtliche Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungszeiten, Zeiten selbständiger Tätigkeit und Wohnzeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor dem 1 . Juli 1982 oder vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats zurückgelegt worden sind ." ( 4 )

26 . In ihrer schriftlichen Stellungnahme hat die Kommission aus alledem den Schluß gezogen, "daß also angenommen werden darf, daß der Betroffene, der die fraglichen Zeiten als britischer Staatsangehöriger zurückgelegt hat, in den Geltungsbereich der Verordnung fällt ". In der Sitzung hat sie insoweit jedoch grosse Zurückhaltung an den Tag gelegt .

27 . Obwohl ich überzeugt bin, daß es unbillig wäre, Herrn Buhari seine Rente vorzuenthalten, glaube ich nicht, daß er die fraglichen Versicherungszeiten als Wandererwerbstätiger mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats zurückgelegt hat . Nach meiner Auffassung kann seine Situation nicht der von Herrn Belbouab gleichgestellt werden .

28 . Gehen wir kurz auf den Sachverhalt ein, der dem Urteil Belbouab zugrunde liegt, und vergleichen wir ihn mit dem des Ausgangsrechtsstreits . Herr Belbouab wurde 1924 in Algerien geboren, das damals französisches Gebiet war . Er arbeitete im französischen Bergbau unter Tage, und zwar vom 29 . März 1947 bis zum 17 . November 1950 und vom 6 . Juni 1951 bis zum 4 . Oktober 1960 . 1960 verlegte er seinen Wohnort in die Bundesrepublik Deutschland, um etwaigen politischen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen . Dort arbeitete er vom 26 . Mai 1961 an unter Tage . 1974 beantragte er die Zahlung der von den deutschen Rechtsvorschriften für Bergleute, die das 50 . Lebensjahr vollendet haben, vorgesehenen Rente . Herr Belbouab besaß die französische Staatsangehörigkeit, bis Algerien am 1 . Juli 1962 unabhängig wurde . Er besaß also die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats nach dessen Eintritt in die Gemeinschaft, der im gegebenen Fall mit deren Entstehung zusammenfiel, und nach seiner Zuwanderung nach Deutschland .

29 . Demgegenüber hat Herr Buhari die britische Staatsangehörigkeit 1960, also 13 Jahre vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Gemeinschaft, verloren .

30 . Ich bin daher der Auffassung, daß der Grundsatz der Rechtssicherheit, auf den sich der Gerichtshof im Urteil Belbouab hauptsächlich gestützt hat, es nicht zulässt, Herrn Buhari als "Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats" zu betrachten . Denn der Gerichtshof hat in dem Urteil Belbouab ausgeführt, daß die Auslegung der zweiten in Artikel 2 Absatz 1 vorgesehenen Voraussetzung unter

"Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, der unter anderem verlangt, daß jeder Sachverhalt in der Regel, falls nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt ist, im Lichte der jeweils gleichzeitig geltenden Rechtsvorschriften zu würdigen ist"

zu erfolgen hat .

Das Vereinigte Königreich war jedoch, während Herr Buhari seine Berufstätigkeit ausübte und gemäß den belgischen Rechtsvorschriften Beiträge zahlte, zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Gemeinschaft . Der Betroffene war also nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, sondern eines Drittstaats .

31 . Zweitens ist folgendes zu bemerken : Das Urteil Belbouab erging in dem besonderen Kontext des Problems der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, die in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegt worden sind . In diesem Zusammenhang war die Staatsangehörigkeit des Betroffenen während des Zeitraums, in dem er in Frankreich Versicherungszeiten ansammelte, folgerichtig zu berücksichtigen . Zu dieser Zeit war Herr Belbouab französischer Staatsangehöriger, also EWG-Bürger, dessen Situation bereits vom Gemeinschaftsrecht erfasst war . Was die Versicherungszeiten vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr . 1408/71 betrifft, insbesondere jene, die vor Errichtung der EWG lagen, konnte er sich auf Artikel 94 der Verordnung berufen .

32 . Dagegen galten für Herrn Buhari unseres Wissens nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats, nämlich Belgiens . Daß er von Nigeria nach Belgisch-Kongo gezogen ist, hatte im vorliegenden Fall keinerlei praktische Auswirkung auf den Umfang seiner Rentenansprüche . Die Verordnung Nr . 1408/71 begann erst von dem Zeitpunkt an eine Rolle im Leben von Herrn Buhari zu spielen, zu dem sich das Problem des "Exports" seiner Rente von Belgien nach Zaire stellte .

33 . In einem Fall wie dem Ausgangsverfahren kann zur Begründung einer weiten Auslegung des Begriffs "Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates" kaum geltend gemacht werden, daß

"die aufgrund von Artikel 51 EWG-Vertrag ergangene Verordnung Nr . 1408/71 im Lichte des Zwecks dieses Artikels auszulegen (( ist )), der in der Herstellung grösstmöglicher Freizuegigkeit der Wanderarbeitnehmer besteht",

oder daß

"der Zweck der Artikel 48 bis 51 ... verfehlt (( würde )), wenn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizuegigkeit Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern ". ( 5 )

Im vorliegenden Fall geht es eigentlich nicht um die Freizuegigkeit der Erwerbstätigen . Nicht der EWG-Vertrag hat es Herrn Buhari ermöglicht, nach Belgisch-Kongo zu kommen . Überdies wäre er weder vor 1960, als er britischer Staatsangehöriger war, noch später, als er Staatsangehöriger Nigerias geworden war, berechtigt gewesen, sich im Gebiet der Gemeinschaft niederzulassen . ( Dies ist im Abkommen von Lomé nicht vorgesehen .)

34 . Schließlich lässt sich die Situation von Herrn Buhari nach meiner Auffassung keineswegs mit derjenigen eines britischen Staatsangehörigen vergleichen, der zur gleichen Zeit wie Herr Buhari in Belgisch-Kongo Versicherungszeiten zurückgelegt und die britische Staatsangehörigkeit behalten hätte . Denn letzterer wäre 1973 Gemeinschaftsbürger geworden, genau wie die Staatsangehörigen der Gründungsmitgliedstaaten, unter ihnen Herr Belbouab, es 1958 geworden sind . Ihm wären insbesondere die Übergangsbestimmungen der Artikel 94 oder 95 der Verordnung zugute gekommen, die zur Zusammenrechnung der in Belgisch-Kongo zurückgelegten Versicherungszeiten mit den später im Vereinigten Königreich oder in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten die Berücksichtigung der vor dem Beitritt zurückgelegten Versicherungszeiten gestatten .

35 . Herr Buhari dagegen war vom Wechsel des Status des britischen Staatsangehörigen zum Status des "britischen Staatsangehörigen - Gemeinschaftsbürgers" nicht betroffen . Hätte er in der Folgezeit im Vereinigten Königreich oder in Belgien gearbeitet, so wäre ihm wegen seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit diese Zusammenrechnung der Zeiten kraft Gemeinschaftsrechts nicht zugute gekommen .

36 . Für eine gemeinschaftsrechtliche Garantie der Ansprüche, die Personen in der Situation von Herrn Buhari erworben haben, hätte es einer Sonderbestimmung zu ihren Gunsten in der Beitrittsakte des Vereinigten Königreichs bedurft .

37 . Da es eine solche meines Wissens nicht gibt, fällt diese Personengruppe also nicht in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr . 1408/71 . Unter diesen Umständen erübrigt sich die Prüfung der Anwendbarkeit der anderen, vom vorlegenden Gericht genannten Artikel dieser Verordnung . Für den Fall, daß Sie meiner Auslegung von Artikel 2 Absatz 1 nicht zustimmen, werde ich jedoch diese anderen Artikel noch prüfen .

38 . Die Ausführungen zu Artikel 3 lassen sich jedoch besser im Rahmen der zweite Frage erörtern, die sich wie Artikel 3 auf das Diskriminierungsverbot bezieht . Auf Artikel 10, den ich bereits zu Beginn dieser Schlussanträge behandelt habe, wird kurz im Zusammenhang mit Artikel 51 EWG-Vertrag zurückzukommen sein . Im Rahmen der ersten Frage ist also nur noch ein Wort zu den Artikeln 44 bis 51 der Verordnung Nr . 1408/71 und 35 bis 59 der Verordnung Nr . 574/72 des Rates vom 21 . März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr . 1408/71 ( 6 ) zu sagen .

2 . Eventülle Anwendung des Kapitels 3 der Verordnung Nr . 1408/71 und des entsprechenden Kapitels der Verordnung Nr . 574/72

39 . Die Artikel 44 bis 51 bilden das Kapitel 3 der Verordnung Nr . 1408/71, das die Überschrift "Alter und Tod ( Renten )" trägt .

40 . Artikel 44 Absatz 1 bestimmt :

"Die Leistungsansprüche eines Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten gelten, und die Leistungsansprüche seiner Hinterbliebenen werden nach diesem Kapitel festgestellt ."

Es ergibt sich somit eindeutig, daß die Artikel 44 bis 51 der Verordnung Nr . 1408/71 im vorliegenden Fall nicht einschlägig sind, da für Herrn Buhari nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats gegolten haben, nämlich diejenigen Belgiens .

41 . Dies gilt auch für die Artikel 35 bis 59 der Verordnung Nr . 574/72 über die Durchführung der Verordnung Nr . 1408/71 .

42 . Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen schlage ich Ihnen vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten :

"Die Situation eines Empfängers von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gewährleistet sind und sich auf eine selbständige Beschäftigung in einem Gebiet beziehen, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, fällt nicht in den Geltungsbereich der Verordnungen Nr . 1408/71 und Nr . 574/72, wenn der Betroffene im fraglichen Zeitraum Staatsangehöriger eines Staates war, der noch nicht Mitgliedstaat der Gemeinschaft war ."

Zur zweiten Frage

43 . Die zweite Frage des Tribunal du travail Brüssel lautet :

"Stellt es 'eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit' im Sinne des unveränderten Artikels 7 Absatz 1 sowie der Artikel 48 Absätze 2 und 3 Buchstaben c und d und 50 Buchstabe b EWG-Vertrag dar - sei es nun eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung oder eine solche aufgrund der Staatsangehörigkeit durch Anwendung formal neutraler Kriterien, die jedoch praktisch zum selben Ergebnis führen, nämlich zur Benachteiligung von Ausländern durch Errichtung eines unverhältnismässigen Hindernisses -, wenn sich ein Mitgliedstaat weigert, eine Leistung der sozialen Sicherheit ( hier : eine Altersrente für Selbständige aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Siedler im Gebiet seiner früheren Kolonie ) für eine Person festzustellen, die ihren Wohnort 'in diesem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt' , und ihren Wohnsitz in einem anderen Gebiet hat, das seinerzeit mit einem zweiten, inzwischen zum Mitgliedstaat gewordenen Staat ebenfalls besondere Beziehungen unterhielt, jetzt Drittstaat geworden ist und dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt, und wenn diese Weigerung nur auf das Zusammentreffen der gegenwärtigen Staatsangehörigkeit der Person und ihres gegenwärtigen Wohnorts gestützt wird?"

44 . Das vorlegende Gericht möchte also wissen, ob es eine vom EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung darstellt, wenn die Feststellung einer Rente, auf die eine Person - mit der Staatsangehörigkeit eines Drittstaats und mit Wohnsitz in einem anderen Drittstaat - nach dem Recht eines Mitgliedstaats Anspruch hat, verweigert wird .

45 . Als erstes ist festzuhalten, daß das in Artikel 7 EWG-Vertrag vorgesehene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nur Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft und nicht Staatsangehörige eines Drittstaats schützen will .

46 . Ausserdem ist, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 28 . Juni 1978 in der Rechtssache 1/78 ( Kenny, Slg . 1978, 1489 ) ausgeführt hat,

Artikel 7 Absatz 1 EWG-Vertrag innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Nr . 1408/71 durch Artikel 48 EWG-Vertrag und Artikel 3 Absatz 1 der genannten Verordnung konkret ausgestaltet worden ( Randnr . 12 ).

47 . In Artikel 48 heisst es :

"1 ) Spätestens bis zum Ende der Übergangszeit wird innerhalb der Gemeinschaft die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer hergestellt .

2 ) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten ..."

48 . Artikel 48 will also nur die Freizuegigkeit innerhalb der Gemeinschaft gewährleisten . Eine dahin gehende Frage hat sich im vorliegenden Fall nicht gestellt und stellt sich auch nicht . Überdies ist Herr Buhari niemals Arbeitnehmer - nur diese Personengruppe wird von Artikel 48 erfasst - gewesen und ist es auch derzeit nicht .

49 . Für die Selbständigen, wie zum Beispiel Kaufleute ( diesen Beruf übt Herr Buhari aus ), ist die konkrete Ausgestaltung des Diskriminierungsverbots des Artikels 7 durch Artikel 52 EWG-Vertrag erfolgt; darin heisst es :

"Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats werden während der Übergangszeit ... schrittweise aufgehoben ."

50 . Herr Buhari hat sich jedoch in der Vergangenheit auch nicht als Selbständiger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niederlassen wollen und will dies auch derzeit nicht, so daß es nicht einmal erforderlich ist, auf die in diesem Artikel vorgesehene Voraussetzung der Staatsangehörigkeit einzugehen .

51 . Artikel 3 der Verordnung Nr . 1408/71 schließlich lautet wie folgt :

"Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen ."

Herr Haji Ibrahim Buhari wohnt jedoch derzeit nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats . Folglich ist diese Bestimmung auf ihn nicht anwendbar .

52 . Das staatliche Gericht nennt noch Artikel 48 Absatz 3 Buchstaben c und d . Da Herr Buhari jedoch niemals Arbeitnehmer gewesen ist, kann ihn diese Bestimmung nicht betreffen . Überdies gilt das Bleiberecht ( Buchstabe d ) nur zugunsten einer Person, die dort zuvor rechtmässig gewohnt hat . Ausserdem hat Herr Buhari in der mündlichen Verhandlung zum Recht, sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, erklären lassen, daß er, selbst wenn er dazu berechtigt wäre, seinen Wohnort nicht im Gebiet der Gemeinschaft wählen würde, weil er sich an die Lebensbedingungen in Europa nicht gewöhnen könne .

53 . Das belgische Gericht nennt ferner noch Artikel 50 Buchstabe b EWG-Vertrag . Hier muß ein Schreibfehler vorliegen, da Artikel 50 nur einen Satz über den Austausch junger Arbeitskräfte enthält .

54 . Dagegen ist in Artikel 51 Buchstabe b vorgesehen, daß der Rat ein System zur Sicherung der

"Zahlung der Leistungen an Personen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten wohnen",

einzuführen hat .

Der Rat erfuellte diese Aufgabe, indem er in die Verordnung Nr . 1408/71 den Artikel 10 Absatz 1 einfügte . Die Kommission hatte dem Rat die Aufhebung der Wohnortklausel auch für die Empfänger mit Wohnsitz in einem Drittland vorgeschlagen . Der Rat folgte diesem Vorschlag nicht und sah nur vor, daß die Leistungen, auf die in verschiedenen Systemen der sozialen Sicherheit Anspruch erworben worden ist,

"nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden (( dürfen )), weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat ".

55 . Der Rat hat dadurch gewiß nicht Artikel 51 Buchstaben b EWG-Vertrag verletzt, da dieser ihn nur dazu verpflichtet, die Zahlung der Leistungen an Personen, die im Gebiet der Mitgliedstaaten wohnen, zu sichern .

56 . Ich schlage daher vor, auf die zweite Frage wie folgt zu antworten :

"Weder das Diskriminierungsverbot der Artikel 7 Absatz 1, 48 und 52 EWG-Vertrag, das auch in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr . 1408/71 enthalten ist, noch die in Artikel 51 Buchstabe b EWG-Vertrag vorgeschriebene und in Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr . 1408/71 durchgeführte Aufhebung der Wohnortklauseln sind anwendbar, wenn der Leistungsempfänger nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnt ."

Zur dritten Frage

57 . Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts lautet :

"Sind Geist und Buchstabe dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften mit der geltenden belgischen nationalen Regelung, nämlich Artikel 144 Absatz 2 der königlichen Verordnung vom 22 . Dezember 1967 ( allgemeine Regelung der Alters - und Hinterbliebenenrenten für Selbständige ) in der durch Artikel 24 der königlichen Verordnung vom 17 . Juli 1972 und Artikel 64 Absatz 1 der königlichen Verordnung vom 24 . September 1984 geänderten Fassung, oder mit deren enger Auslegung durch den Beklagten vereinbar?"

58 . Dieser Frage sind zwei Bemerkungen vorauszuschicken . Das Tribunal du travail wollte zweifellos nach der Vereinbarkeit der belgischen Verordnung, auf die es Bezug nimmt, mit dem Gemeinschaftsrecht fragen, und nicht umgekehrt, da das Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht hat .

59 . Zweitens ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens des Artikels 177 nicht befugt ist, über die Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu befinden . Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er es mit einem unzutreffend formulierten Vorlagebeschluß zu tun hat, die das Gemeinschaftsrecht betreffende Frage in einer Weise ermitteln, daß ihr Wortlaut ihm eine Entscheidung ermöglicht ( 7 ), so daß er

"dem innerstaatlichen Gericht die Kriterien an die Hand geben (( kann )), die es diesem ermöglichen, den bei ihm anhängigen Rechtsstreit ... zu entscheiden" ( 8 ).

60 . Im vorliegenden Fall möchte das innerstaatliche Gericht wissen, ob die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften so auszulegen sind, daß sie es einem Mitgliedstaat gestatten, in seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, daß eine Altersrente für Selbständige "im Ausland" nur an Berechtigte "zu zahlen" ist,

"die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine Arbeitnehmerrente gezahlt werden könnte ".

61 . Wie die Kommission halte ich eine derartige Vorschrift nicht für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, sofern die Worte "im Ausland" nicht die anderen Mitgliedstaaten, sondern nur Drittstaaten umfassen .

62 . Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß das Gemeinschaftsrecht nach seinem derzeitigen Stand die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, Leistungen der sozialen Sicherheit an eine Person zu zahlen, die in einem Drittstaat wohnt .

63 . Daher lautet meine Antwort auf die dritte Frage wie folgt :

"Das Gemeinschaftsrecht steht nach seinem derzeitigen Stand einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift nicht entgegen, die die Feststellung einer Altersrente einer in einem Drittland wohnenden Person nicht zulässt ."

64 . Man könnte jedoch die Antwort auf die dritte Frage auch als in der zur zweiten Frage vorgeschlagenen Antwort enthalten ansehen .

65 . Nachdem ich so leider zur Feststellung gelangen musste, daß das Gemeinschaftsrecht Herrn Buhari keine Stütze bietet, möchte ich jedoch mit Nachdruck meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß eine Ablehnung der Feststellung der von Herrn Buhari erworbenen Rente zutiefst unbillig wäre . Wie die Kommission möchte ich betonen, daß keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts das Tribunal du travail daran hindert, die innerstaatlichen Vorschriften insbesondere im Hinblick auf die im Vorlageurteil erwähnten internationalen Rechtsvorschriften und in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes weit auszulegen . Denn Herr Buhari durfte zu Recht erwarten, daß die von ihm gezahlten Beiträge zur Zahlung einer Rente führen würden, sonst hätte er, falls dies möglich gewesen wäre, eine private Altersversicherung abgeschlossen .

66 . Ausserdem überrascht die Feststellung, daß das belgische Office de la sécurité sociale d' outre-mer ( Anstalt für soziale Sicherheit in Übersee ) im genannten Fall Bozzone dem Kläger die Zahlung seiner Rente in Italien verweigern wollte, während es zur Zahlung bereit gewesen wäre, wenn er weiterhin in Zaire gewohnt hätte . Zwar handelte es sich dabei um eine andere Behörde und ein anderes Gesetz und der Betroffene besaß überdies die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats . Es ist jedoch schwer, zu verstehen, warum nicht alle Personen, die im früheren Belgisch-Kongo gearbeitet und Beiträge entrichtet haben, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die Zahlung ihrer Rente in Zaire erhalten können, wo doch die allgemeinen Grundsätze des Schutzes erworbener Rechte und des Vertrauensschutzes dies offensichtlich verlangen .

Anträge

67 . Die Antworten, die ich Ihnen auf die drei Fragen des Tribunal du travail Brüssel vorschlage, lassen sich wie folgt zusammenfassen :

"1 ) Die Situation eines Empfängers von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gewährleistet sind und sich auf eine selbständige Beschäftigung in einem Gebiet beziehen, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, fällt nicht in den Geltungsbereich der Verordnungen Nr . 1408/71 und Nr . 574/72, wenn der Betroffene im fraglichen Zeitraum Staatsangehöriger eines Staates war, der noch nicht Mitgliedstaat der Gemeinschaft war .

2 ) Weder das Diskriminierungsverbot der Artikel 7 Absatz 1, 48 und 52 EWG-Vertrag, das auch in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr . 1408/71 enthalten ist, noch die in Artikel 51 Buchstabe b EWG-Vertrag vorgeschriebene und in Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr . 1408/71 durchgeführte Aufhebung der Wohnortklauseln sind anwendbar, wenn der Leistungsempfänger nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnt .

3 ) Das Gemeinschaftsrecht steht nach seinem derzeitigen Stand einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift nicht entgegen, die die Feststellung einer Altersrente einer in einem Drittland wohnenden Person nicht zulässt ."

(*) Originalsprache : Französisch .

( 1 ) Diese Verordnung ist durch die Verordnung ( EWG ) Nr . 2001/83 ( ABl . L 230 vom 22 . 8 . 1983, S . 6 ) auf den neuesten Stand gebracht und seitdem mehrmals geändert worden, zuletzt durch die Verordnung ( EWG ) Nr . 3427/89 des Rates vom 30 . Oktober 1989 ( ABl . L 331 vom 16 . 11 . 1989, S . 1 ).

( 2 ) Urteil vom 12 . Oktober 1978 in der Rechtssache 10/78, Slg . 1978, 1915 .

( 3 ) Unterstreichung nicht im Original .

( 4 ) Verordnung ( EWG ) Nr . 1305/89 des Rates vom 11 . Mai 1989 zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr . 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern, und zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr . 574/72 über die Durchführung der Verordnung ( EWG ) Nr . 1408/71 ( ABl . L 131 vom 13 . 5 . 1989, S . 1 ).

( 5 ) Siehe insbesondere Urteil vom 14 . September 1987 in der Rechtssache 43/86, Bestuur van de Sociale Verzekeringsbank/De Rijke, Slg . 1987, 3611 .

( 6 ) ABl . L 74 vom 27 . 3 . 1972, S . 1, in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr . 2001/83 des Rates vom 2 . Juni 1983 ( ABl . L 230, S . 86 ).

( 7 ) Urteil vom 9 . Oktober 1980 in der Rechtssache 823/79, Carciati, Slg . 1980, 2773 .

( 8 ) Urteil vom 23 . November 1977 in der Rechtssache 38/77 ( Enka/Inspecteur der Invörrechten en Accijnzen, Slg . 1977, 2203 ).

Übersetzung

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