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Document 61988CC0131

    Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 25. September 1990.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Nichtumsetzung einer Richtlinie - Grundwasser.
    Rechtssache C-131/88.

    Sammlung der Rechtsprechung 1991 I-00825

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1990:332

    61988C0131

    Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 25/09/1990. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - NICHTUMSETZUNG EINER RICHTLINIE - GRUNDWASSER. - RECHTSSACHE C-131/88.

    Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-00825


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. In dieser Rechtssache beantragt die Kommission, festzustellen, daß die Bundesrepublik gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie nicht rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um die Richtlinie 80/68/EWG über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (1) (im folgenden "die Richtlinie") in nationales Recht umzusetzen. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie ist am 19. Dezember 1981 abgelaufen.

    Der Streit zwischen den Parteien betrifft sowohl die grundsätzliche Frage nach der Tragweite der Umsetzungsverpflichtung der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag als auch die konkrete Frage, ob die von der Bundesrepublik angeführten Bestimmungen für die Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie ausreichen. Meine Schlussanträge sind gemäß dieser Zweiteilung aufgebaut; zweifellos wird die Antwort auf die erste Frage für die Beurteilung des konkreten Falles von grosser Bedeutung sein.

    Als Einleitung möchte ich erst einen allgemeinen Überblick über die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie und des deutschen Rechts geben.

    Übersicht über die Richtlinie und die deutsche Umsetzungsmethode

    2. Die Richtlinie soll die Verschmutzung des Grundwassers verhüten, indem die Einleitung einer Reihe von Stoffen entweder verhindert oder begrenzt wird. Die Vorschriften der Richtlinie betreffen zwei Arten von Stoffen, die jeweils in einer Liste im Anhang aufgeführt sind. Bei den Stoffen aus der Liste I müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Ableitung in das Grundwasser zu verhindern; bei den Stoffen aus der Liste II müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Ableitung in das Grundwasser zu begrenzen, damit die Verschmutzung des Grundwassers durch diese Stoffe verhütet wird (siehe Artikel 3). Zu diesem Zweck enthält die Richtlinie eine Reihe detaillierter Vorschriften, die die in Artikel 3 aufgestellten Grundprinzipien ausführen. Ich gehe nun kurz auf die Vorschriften ein, die in der Auseinandersetzung zwischen den Parteien angeführt worden sind.

    Artikel 4 regelt konkret und detailliert die Verpflichtung, die Ableitung von Stoffen aus der Liste I in das Grundwasser zu verhindern; Artikel 5 betrifft die Begrenzung der Ableitung von Stoffen aus der Liste II. Die Artikel 7 und 8 betreffen die (der Erteilung einer Genehmigung) vorausgehenden Prüfungen, die in einer Reihe von Fällen von den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten durchgeführt werden müssen. Die Artikel 9 und 10 betreffen die Bestimmungen, die in Genehmigungen aufzunehmen sind, die in einer Reihe von Fällen von den Mitgliedstaaten erteilt werden dürfen. Die Artikel 11 bis 13 handeln von der Erteilung, der Ablehnung und dem Widerruf von Genehmigungen und von der Überwachung der in den Genehmigungen festgesetzten Bedingungen. Nach Artikel 14 können die Mitgliedstaaten für die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bereits bestehenden Ableitungen von Stoffen eine Übergangsfrist vorsehen. Artikel 18 bestimmt, daß die Durchführung der aufgrund der Richtlinie getroffenen Maßnahmen keinesfalls unmittelbar oder mittelbar eine Verschmutzung des Grundwassers zur Folge haben darf. Nach Artikel 19 schließlich können die Mitgliedstaaten strengere als die in der Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen festlegen.

    3. Die Bundesregierung meint, alle Bestimmungen der Richtlinie ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt zu haben. Sie verweist auf drei Bundesgesetze: das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) von 1976 (2), das Abfallgesetz (AbfG) (3) von 1986 und das Verwaltungsverfahrensgesetz. Keines dieser Gesetze wurde speziell zur Umsetzung der Richtlinie erlassen; dies gilt auch für eine Reihe von Vorschriften, die die Bundesländer erlassen haben und nach Ansicht der Bundesregierung die in den Bundesgesetzen noch bestehenden Lücken ausfuellen. Dagegen speziell auf die Durchführung der Richtlinie gerichtet ist der Entwurf einer "Musterverwaltungsvorschrift" (siehe unten unter Nr. 22), die auf Länderebene ausgearbeitet wurde und von jedem Bundesland umgesetzt werden muß. Der Bevollmächtigte der Bundesrepublik hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß bisher erst sieben Bundesländer diese Verwaltungsvorschrift umgesetzt haben.

    4. Bevor ich mit meiner Untersuchung beginne, will ich noch eben auf eine im schriftlichen Verfahren erhobene Einrede eingehen. Nach Einreichung der Klageschrift teilte der Bundesminister für Umwelt der Kommission in einem Schreiben vom 29. Juni 1988 mit, daß die Bundesregierung nach einer ausführlichen Prüfung der Klagebegründung zu der Auffassung gelangt sei, daß die Beanstandungen der Kommission bezueglich des Fehlens von Umsetzungsmaßnahmen überwiegend berechtigt seien, und daß die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen auf Bundes- und Länderebene zur Beseitigung der Umsetzungsdefizite unverzueglich getroffen würden. Um den Vertretern der Bundesregierung Gelegenheit zu geben, über die zu treffenden Maßnahmen und über einen Zeitplan für diese Maßnahmen eine Einigung mit der Kommission herbeizuführen, beantragte der Bevollmächtigte der Bundesregierung am 4. Juli und 13. September 1988 beim Gerichtshof, entweder das Verfahren auszusetzen oder die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung bis zum 31. Dezember 1988 zu verlängern.

    Es ergibt sich unter anderem aus einem Schreiben der Kommission vom 20. September 1988, daß die Gespräche zwischen den Vertretern der Kommission und der Bundesregierung gleichwohl ergebnislos blieben; am 28. Oktober 1988 reichte die Bundesregierung eine Klagebeantwortung ein, in der sie sich auf den Standpunkt stellte, daß die Vorschriften der Richtlinie in den bestehenden deutschen Gesetzen ordnungsgemäß umgesetzt worden seien. (Die Klagebeantwortung wurde allerdings unter dem Vorbehalt "intensiver Verhandlungen" der Bundesregierung mit der Kommission im Hinblick auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits eingereicht.) Die Bundesregierung führt in ihrer Gegenerwiderung aus, daß die betreffenden Schreiben im Rahmen von Gesprächen zwischen ihr und der Kommission zu sehen seien und deshalb unter dem Vorbehalt einer näheren Untersuchung der von der Kommission geforderten weiteren Umsetzungsmaßnahmen verfasst worden seien. Mit dem Schreiben würden die Beanstandungen der Kommission keineswegs als berechtigt anerkannt; mit ihm sei vielmehr der Kooperationswille der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht worden.

    5. Die Frage ist also, ob eine Vertragsverletzung aufgrund eines später widerrufenden Eingeständnisses als bewiesen angesehen werden kann. Angesichts des objektiven Charakters einer nach Artikel 169 EWG-Vertrag festzustellenden Zuwiderhandlung und aufgrund der Tatsache, daß das Eingeständnis von einem Regierungsmitglied stammt, das die Bundesrepublik in diesem Verfahren vor dem Gerichtshof nicht vertritt, meine ich, daß diese Frage zu verneinen ist. Ich halte jedoch das Schreiben der Bundesregierung nicht für völlig belanglos. Es zeigt nämlich, daß die Bundesregierung sich bewusst war, daß die genauen, detaillierten Vorschriften der Richtlinie schwerlich durch bereits bestehende und ziemlich allgemeine, anstelle von speziell auf die Richtlinie abgestimmten Vorschriften umgesetzt sein konnten. Diese Schwierigkeit wird durch die folgende Untersuchung in mehr als einer Hinsicht veranschaulicht.

    Tragweite der Umsetzungsverpflichtung

    6. Die Parteien sind gründlich uneins über die Tragweite der Verpflichtung nach Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag, eine Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Sie sind sowohl über die für die Umsetzung zulässigen (und entscheidenden) Maßnahmen als auch über die Kriterien uneins, an denen diese Umsetzungsmaßnahmen gemessen werden müssen. Ich werde versuchen, anhand der Rechtsprechung, die der Gerichtshof in den letzten Jahren entwickelt hat, Klarheit in diesem grundsätzlichen Streit zu schaffen.

    7. Der Ausgangspunkt ist stets, daß eine Richtlinie hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist; Artikel 189 überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel. Im Einklang damit hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise verlangt, daß ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, zumindest wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet (4). Bestimmte und klare Umsetzungsvorschriften, so fügt der Gerichtshof allerdings noch hinzu, sind besonders wichtig, soweit die Richtlinie Ansprüche der einzelnen begründen soll; unklare Rechtsvorschriften, durch die die Begünstigten über ihre Rechte (bei Richtlinien zum Schutz der Umwelt wird es nicht selten auch um Pflichten gehen), die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, und über ihre Möglichkeiten, sich vor den nationalen Gerichten auf das Gemeinschaftsrecht zu berufen, im ungewissen gelassen werden, genügen der Verpflichtung nach Artikel 189 EWG-Vertrag nicht (5).

    Schauen wir uns nun die Richtlinie 80/68 im Lichte dieser Rechtsprechung an. Diese Richtlinie soll die Verschmutzung des Grundwassers verhüten, indem Ableitungen, Lagerungen und andere Behandlungen einer Reihe von Stoffen entweder verboten oder begrenzt werden. Dazu muß das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten eine Reihe von Verboten sowie Genehmigungs- und Überwachungsverfahren vorsehen. Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten mit anderen Worten verschiedene Rechte und Pflichten zwischen den nationalen Behörden und Personen, die die in der Richtlinie genannten Stoffe behandeln, festlegen; die Richtlinie soll also durchaus Ansprüche der einzelnen begründen. Eine bestimmte und klare Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie kann daneben auch für einzelne Dritte (zum Beispiel Umweltschutzgruppierungen oder Anwohner) von Bedeutung sein, die gegenüber den Behörden oder anderen die in der Richtlinie enthaltenen Verbote und Beschränkungen durchsetzen wollen.

    8. Ausserdem hat die Kommission im Zusammenhang mit den vom Gerichtshof im vorliegenden Fall anzuwendenden Prüfungskriterien darauf hingewiesen, daß diese Kriterien ganz besonders strikt und streng sein müssten. Nach ihrer Meinung gewinnt, wenn die Durchsetzung des durch eine Richtlinie geschützten Interesses (namentlich der Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung) nicht durch dazu wirtschaftlich motivierte Personen sichergestellt werden kann und keine einfachen Mittel vorhanden sind, um die Einhaltung der Vorschriften der Richtlinie zu überwachen, das Erfordernis der Bestimmtheit und Klarheit bei der Umsetzung noch an Bedeutung (6). Die Bundesregierung widerspricht dem: Nach ihrer Meinung kommt es nur darauf an, daß die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken tatsächlich gewährleistet sei; eine wortgetreue Übernahme der Richtlinienvorschriften, die die Kommission zu verlangen scheine, sei eine übertriebene Forderung.

    Ich stimme der Bundesregierung hierbei insoweit zu, als die Verwirklichung des Ziels der Richtlinie, mit der der Gerichtshof nun befasst ist, nicht unbedingt eine wortgetreue Übernahme aller in ihr enthaltenen Vorschriften voraussetzt - dies wird im übrigen auch von der Kommission nicht behauptet. Verlangt wird allerdings, daß der in einem Mitgliedstaat bestehende "allgemeine rechtliche Rahmen" die Durchführung der Richtlinien in der Weise gewährleistet, daß weder tatsächlich noch theoretisch die Gefahr einer nicht ordnungsgemässen Durchführung der in den betreffenden Richtlinien vorgesehenen Regelung besteht (7). Die Bundesregierung meint, daß, was die Geltung der Richtlinie in der Bundesrepublik betreffe, eine solche Gefahr nicht gegeben sei. Die bereits bestehenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts führten in Verbindung mit der "richtlinienkonformen" Anwendung und Auslegung dieser Vorschriften durch die zuständigen Stellen in der Praxis dazu, daß keine Erteilung von Genehmigungen für nach der Richtlinie verbotene Ableitungen zu befürchten sei.

    Das gleiche Argument wurde vom Gerichtshof bereits mehrmals zurückgewiesen: Richtlinien, die wie die hier vorliegende sehr genaue und ins einzelne gehende Bestimmungen enthalten, können nicht durch das Zusammenspiel bereits bestehender, ungenauer Bestimmungen einerseits und einer (selbst unwiderruflichen) Verwaltungspraxis andererseits umgesetzt werden (8). Die Bundesregierung geht praktisch davon aus, daß genaue und ins einzelne gehende Bestimmungen einer Richtlinie auch durch eine Verwaltungspraxis umgesetzt werden könnten, die unzureichend bekannt sei; diesen Standpunkt hat der Gerichtshof stets abgelehnt (9). Ausserdem hat der Gerichtshof mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß weder das angebliche Nichtvorhandensein einer gegen die Richtlinie verstossenden Praxis noch die angebliche Übereinstimmung einer Verwaltungspraxis mit den in einer Richtlinie aufgestellten Erfordernissen einen Mitgliedstaat von der Verpflichtung befreien kann, die Richtlinie vollständig umzusetzen (10). Letzteres gilt insbesondere, wenn eine Richtlinie ein Verbot enthält: Ein solches Verbot muß ausdrücklich in einer nationalen Rechtsvorschrift niedergelegt sein (11). Die Kommission hat zu Recht die Bedeutung dieses letzten Punktes unterstrichen: Die tatsächliche und vollständige Anwendung einer Verbotsbestimmung ist nur gewährleistet, wenn die staatlichen Stellen, die mit der Durchführung der Richtlinie betraut sind und über einen Antrag auf Genehmigung einer Ableitung zu entscheiden haben, sich auf ein ausdrückliches Verbot des innerstaatlichen Rechts berufen können.

    9. Bei der Suche nach Prüfungskriterien muß auch der Art der von der Richtlinie geschützten Interessen und der Aufgabenverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten beim Erlaß und bei der Sorge für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen Rechnung getragen werden. In diesem Zusammenhang hat die Kommission meines Erachtens zu Recht auf das Fehlen eines wirtschaftlichen Anreizes für die Durchsetzung der Vorschriften der vorliegenden Richtlinie durch einzelne und auf die Schwierigkeit von Prüfungs- und Überwachungsmaßnahmen in bezug auf Handlungen, die zu einer Verschmutzung des Grundwassers führen können, hingewiesen. Die Parallele zur Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (12), die ja die gleichen Probleme der Einhaltung und Überwachung aufwirft, liegt auf der Hand. In einem Rechtsstreit wegen der Umsetzung dieser Richtlinie hat der Gerichtshof nun festgestellt, daß der Genauigkeit der Umsetzung besondere Bedeutung in einem Fall zukommt, in dem die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist (13); ich meine, daß diese Erwägung im vorliegenden Fall, in dem es um den Schutz des Grundwassers geht, um so mehr gilt.

    10. Eine bestimmte und klare Umsetzung der Vorschriften der vorliegenden Richtlinie ist schließlich auch noch aus einem anderen Grund erforderlich: Die Richtlinie soll durch die Beseitigung von Unterschieden zwischen nationalen Rechtsvorschriften über die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in das Grundwasser gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Betrieben, die Stoffe in das Grundwasser ableiten, herstellen (14). Diese Harmonisierung wird durch die Aufstellung sehr genauer und ins einzelne gehender Vorschriften erreicht.

    11. Aufgrund dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, daß die Richtlinie 80/68 den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Vorschriften wenig Spielraum lässt. Dieser Standpunkt liegt, so meine ich, auch einem früheren Urteil zugrunde, das ebenfalls im Zusammenhang mit der Umsetzung der vorliegenden Richtlinie erging und in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß verschiedene Vorschriften dieser Richtlinie "mit der Eindeutigkeit und Klarheit" umgesetzt werden müssen, "deren es bedarf, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit voll zu genügen" (15).

    Verbot der direkten Ableitung von Stoffen aus der Liste I

    12. Die ersten drei Rügen der Kommission betreffen die Maßnahmen, die zur Durchführung der in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie genannten Verpflichtung, die direkte oder indirekte Ableitung von Stoffen aus der Liste I zu verhindern, erlassen werden müssen. Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang treffen müssen, sind in Artikel 4 der Richtlinie beschrieben.

    13. Ich möchte zunächst die Regelung der direkten Ableitungen besprechen. Nach Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie

    "verbieten die Mitgliedstaaten jegliche direkte Ableitung von Stoffen aus der Liste I".

    Im Vorverfahren und vor dem Gerichtshof hat die Bundesregierung an ihrer Auffassung festgehalten, daß sie den Verpflichtungen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten auferlege, in den §§ 1a Absatz 1, 2 Absatz 1, 3 Absatz 1 Nr. 5 und 34 WHG Absatz 1 nachgekommen sei. Die §§ 1a Absatz 1, 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 Nr. 5 WHG enthielten zwei allgemeine Grundsätze. Erstens seien die Gewässer (darunter falle auch das Grundwasser) als Bestandteil des Naturhaushalts so zu bewirtschaften, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen einzelner dienten und daß jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibe. Zweitens beziehe sich die Verpflichtung zur sorgfältigen Benutzung der Gewässer, die nach § 2 Absatz 1 WHG grundsätzlich stets von einer Erlaubnis oder Bewilligung abhänge, auch auf die Ableitung von Stoffen in das Grundwasser. Die wichtigste Vorschrift für die Umsetzung des Artikels 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie sei jedoch § 34 Absatz 1 WHG. § 34 ist auch für die Beurteilung der übrigen Rügen der Kommission von Bedeutung. Ich zitiere diese Bestimmung deshalb vollständig:

    "(1) Eine Erlaubnis für das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen ist.

    (2) Stoffe dürfen nur so gelagert oder abgelagert werden, daß eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen ist. Das gleiche gilt für die Beförderung von Flüssigkeiten und Gasen durch Rohrleitungen."

    Auf den ersten Blick steht die deutsche Regelung in klarem Widerspruch zur Richtlinie: Während Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich unzweideutig von einer Verpflichtung spricht, jegliche direkte Ableitung von Stoffen aus der Liste I zu verbieten, führt § 34 Absatz 1 WHG allgemein eine Genehmigungsregelung für "Stoffe" ein, wobei ein eventuelles Verbot der Ableitung davon abhängt, wie die zuständige nationale Stelle die Gefahr der beabsichtigten Ableitung in das Grundwasser beurteilt.

    14. Die Bundesregierung meint jedoch, daß ein solcher Ermessensspielraum durchaus mit Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vereinbar sei. Diese Bestimmung müsse nämlich im Zusammenhang mit Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie gelesen werden, die folgendermassen laute:

    "Diese Richtlinie gilt nicht für

    ...

    (b) Ableitungen, die nach Feststellung der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats Stoffe aus der Liste I oder II in so geringer Menge und Konzentration enthalten, daß jede gegenwärtige oder künftige Gefahr einer Beeinträchtigung der Qualität des aufnehmenden Grundwassers ausgeschlossen ist."

    Nach Meinung der Bundesregierung führen diese beiden Bestimmungen zusammen dazu, daß Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich kein absolutes Verbot der Ableitung von Stoffen aus der Liste I in das Grundwasser enthalte, sondern ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; mit anderen Worten, die Anwendung des Verbots hänge von einer Beurteilung der zuständigen nationalen Behörde ab. Die Voraussetzungen in § 34 Absatz 1 WHG für eine Erlaubniserteilung seien sachlich deckungsgleich mit den Kriterien, die Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie für die Entscheidung der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie aufstelle, so daß die Anwendung des WHG genau zu dem von der Richtlinie angestrebten Ergebnis führe.

    15. Untersucht man Wortlaut und Zweck der Richtlinie genau, dann ist diese Argumentation nicht haltbar. Aus den Artikeln 3 und 4 ergibt sich, daß die Richtlinie durchaus auf ein vollständiges Verbot der direkten Ableitung von Stoffen aus der Liste I abzielt, ohne daß die Behörden der Mitgliedstaaten noch befugt wären, die Gefahr solcher Ableitungen für das Grundwasser zu beurteilen. Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie, der vor den Artikeln 3 und 4 steht, soll diese Verbotsregelung nicht in eine Genehmigungsregelung verwandeln (sonst hätte, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, Artikel 4 nach dem Muster des Artikels 5 der Richtlinie ausgestaltet werden können, der für Ableitungen von Stoffen aus der Liste II eine Genehmigungsregelung eingeführt hat). Vielmehr zeigt Artikel 2 Buchstabe b, daß andere als die in der Liste I oder II genannten (von der Richtlinie also nicht betroffenen) Stoffe, die sehr kleine Mengen oder sehr geringe Konzentrationen von Stoffen aus der Liste I oder II enthalten, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Dieser Bestimmung liegen praktische Erwägungen zugrunde: Nicht selten wird es nämlich unmöglich sein, die Ableitung anderer Stoffe von allen Spuren von Stoffen aus der Liste I oder II zu reinigen. Deshalb dürfen die zuständigen nationalen Behörden feststellen, daß die Menge oder Konzentration von Stoffen aus der Liste I oder II in dem abzuleitenden Stoff so gering ist, daß "jede gegenwärtige oder künftige Gefahr einer Beeinträchtigung der Qualität des aufnehmenden Grundwassers ausgeschlossen ist". Artikel 2 Buchstabe b kann jedoch in keinem Fall die Geltung der Richtlinie für Ableitungen von Stoffen aus der Liste I (in reiner oder verdünnter Form) ausschließen: Diese bleiben nach Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich verboten, ohne daß die Möglichkeit einer Erlaubnis bestände.

    So betrachtet ist die Regelung des § 34 Absatz 1 WHG mit der der Richtlinie unvereinbar: Sie legt nämlich die Artikel 2 Buchstabe b und 4 Absatz 1 der Richtlinie in der Weise aus, daß den zuständigen Behörden die Beurteilung der Verschmutzungsgefahr durch eine Ableitung von Stoffen aus der Liste I überlassen wird, während Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie für solche Ableitungen ein absolutes Verbot aufstellt. Es ist ein sehr feiner, aber entscheidender Unterschied für eine strukturell und inhaltlich richtige Umsetzung der Richtlinie: Ein wirksamer und vollständiger Schutz des von der Richtlinie erfassten Gutes (im vorliegenden Fall das Grundwasser) lässt sich nur durch die ausdrückliche Aufnahme der Verbote der Richtlinie in eine nationale Rechtsvorschrift sicherstellen, so daß der zuständigen Behörde kein Beurteilungsspielraum mehr bezueglich einer Verschmutzungsgefahr bleibt.

    16. Auch Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie ist nicht ordnungsgemäß in das Recht der Bundesrepublik umgesetzt worden, denn der in § 34 Absatz 1 WHG vorgesehene Ermessensspielraum reicht weiter als die genau umschriebene Befugnis, die Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie den zuständigen Behörden einräumt, um die Nichtanwendbarkeit der Richtlinie festzustellen. Weder in § 34 noch in einer anderen Bestimmung des WHG steht nämlich, daß die "Beurteilung" der zuständigen Behörde sich nur auf die Feststellung beziehen darf, daß in dem abzuleitenden Stoff Stoffe aus der Liste I oder II in einer so geringen Menge oder Konzentration vorhanden sind, daß jede gegenwärtige oder künftige Gefahr einer Beeinträchtigung der Qualität des aufnehmenden Grundwassers ausgeschlossen ist.

    17. Vorstehend (Nrn. 7-10) wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Vorschriften (insbesondere die Verbote) der Richtlinie genau und detailliert in nationales Recht umzusetzen sind. Die Auslegungsprobleme, zu denen die deutschen Rechtsvorschriften in diesem Punkt führen, können diese Erwägungen nur noch bekräftigen: Derartige Vorschriften sind nicht geeignet, die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das Ergebnis muß denn auch lauten, daß das Verbot in Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie ausdrücklich in das nationale Recht aufgenommen werden muß. Gleiches gilt auch bei einer Berufung auf die Nichtanwendbarkeitserklärung des Artikels 2 Buchstabe b der Richtlinie, daß die in dieser Bestimmung enthaltenen Modalitäten bestimmt und klar in einer Vorschrift des nationalen Rechts festgelegt werden müssen.

    Verbot der indirekten Ableitungen von Stoffen aus der Liste I

    18. Nun ist zu untersuchen, wie die Verpflichtung des Artikels 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Es geht hier um Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen müssen, um die indirekte Ableitung von Stoffen aus der Liste I in das Grundwasser zu verhindern. Unter anderem wird verlangt:

    "Die Mitgliedstaaten ((führen)) vor den Maßnahmen zur Beseitigung oder zur Lagerung zwecks Beseitigung dieser Stoffe, die zu einer indirekten Ableitung führen können, eine Prüfung durch. Aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung verbieten die Mitgliedstaaten diese Maßnahme oder erteilen eine Genehmigung, sofern alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, die nötig sind, um diese Ableitung zu verhindern."

    Die Bundesregierung meint, diese Verpflichtung durch §§ 3 Absatz 1 Nr. 5, 19a, 19g und 34 Absätze 1 und 2 WHG ausgeführt zu haben. Diese Vorschriften unterscheiden danach, ob Stoffe (i) in Rohrleitungen abgeleitet werden, (ii) unter Verwendung anderer Anlagen gelagert werden, (iii) ohne Verwendung von Anlagen gelagert werden oder (iv) endgültig abgelagert werden. Anschließend werde ich darauf eingehen, inwieweit diese Vorschriften die verschiedenen Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich (meines Erachtens sind es vier) wirksam durchführen.

    19. Zunächst konkretisiert die zitierte Bestimmung der Richtlinie die Verpflichtung, die Ableitung von Stoffen aus der Liste I in das Grundwasser zu verhindern. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen entweder verbieten oder eine Genehmigung erteilen, sofern alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, die nötig sind, um diese Ableitung zu verhindern. Die Bundesregierung versteht dies anders: Auch in diesem Punkt meint sie, daß Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich im Zusammenhang mit Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie gelesen werden müsse, so daß die Mitgliedstaaten nur ein bedingtes Verbot zu erlassen brauchten.

    Zu diesem Argument kann ich auf meine vorstehenden Ausführungen zum Verhältnis zwischen den Artikeln 2 und 4 der Richtlinie verweisen. Konkret für Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich bedeutet dies, daß die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen müssen, die entweder die in der Bestimmung umschriebenen Maßnahmen uneingeschränkt verbieten oder sicherstellen, daß diese Maßnahmen nicht zu einer indirekten Ableitung führen. Ein System wie das deutsche, wonach ein Verbot oder eine Genehmigung davon abhängt, wie die zuständige Behörde die Verschmutzungsgefahr beurteilt, steht damit nicht im Einklang. Anders ausgedrückt, das WHG soll eine Verunreinigung des Wassers nur verhüten (oder sogar nur ausgleichen) (siehe z. B. die §§ 19b und 34 Absatz 2 WHG sowie Seite 10 der Gegenerwiderung der Bundesregierung), während die Richtlinie den Mitgliedstaaten aufträgt, jede Ableitung von Stoffen aus der Liste I kurzum zu verhindern.

    20. Zweitens verlangt Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich, daß die Verbots-/Genehmigungsregelung für "Maßnahmen zur Beseitigung oder zur Lagerung zwecks Beseitigung dieser Stoffe ((der Liste I)), die zu einer indirekten Ableitung führen können", gilt. Die Bundesregierung meint, daß die kombinierte Anwendung der vorstehend (Nr. 18) genannten Paragraphen des WHG diese Geltung sicherstelle: § 19a WHG betreffe die Beförderung "wassergefährdender Stoffe" (siehe weiter unten unter Nr. 21) in Rohrleitungen; § 19g gelte für Anlagen für den Umgang mit diesen Stoffen. Diese Vorschriften enthalten noch nicht alle "Maßnahmen" zur Beseitigung oder zur Lagerung zwecks Beseitigung, die zu einer indirekten Ableitung führen können.

    Die Lücke wird nach Ansicht der Bundesregierung ebenfalls durch § 34 WHG (der alle "Einleitungen" von Stoffen in das Grundwasser und alle "Lagerungen und Ablagerungen" einer Genehmigung unterwerfe) und dem Abfallgesetz ausgefuellt, das die Entsorgung von Stoffen betreffe, die sich auf einer Abfalldeponie befänden. Die Kommission hat nicht bestritten, daß der Anwendungsbereich des § 34 Absatz 2 WHG hinreichend weit ist, um die durch Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie verbotenen Maßnahmen zu erfassen. Wie gesagt, dieser Paragraph enthält (ebensowenig wie die anderen Vorschriften des WHG oder des Abfallgesetzes) jedoch nicht das von der Richtlinie verlangte Verbot (siehe oben).

    Dies führt zu dem Ergebnis, daß die deutschen Rechtsvorschriften nicht dem Verbot in Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich genügen. Die §§ 19a bis 19g WHG sind aufgrund ihres beschränkten Anwendungsbereichs insoweit nicht ausreichend.

    21. Drittens muß die Verbots-/Genehmigungsregelung des Artikels 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich für alle Stoffe aus der Liste I gelten. Die Bestimmungen des WHG sind wenig genau: Sie gelten für "wassergefährdende Stoffe". Dieser Ausdruck wird je nach der Art der Beförderung der Stoffe anders definiert (durch die §§ 19a Absatz 2 und 19g Absatz 5 WHG). Diese Definitionen wiederholen nicht die in der Liste I aufgezählten Stoffe, sondern enthalten vage Umschreibungen wie "andere fluessige oder gasförmige Stoffe, die geeignet sind, Gewässer zu verunreinigen oder sonst in ihren Eigenschaften nachteilig zu verändern" (§ 19a Absatz 2 WHG (16)) oder "Gifte, die geeignet sind, nachhaltig die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern" (§ 19g Absatz 5 WHG). Werden die Stoffe ohne Verwendung von Anlagen beseitigt oder gelagert oder endgültig abgelagert, so fehlt sogar eine Definition, und man wird auf die allgemeine Vorschrift des § 3 Absatz 1 Nr. 5 und Absatz 2 Nr. 2 WHG verwiesen, die als "Benutzung" von Wasser (die genehmigungs- oder erlaubnispflichtig ist) ebenfalls "Maßnahmen" ansieht, "die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen".

    Unabhängig von der noch offenen Frage, ob das Zusammenspiel dieser Bestimmungen tatsächlich einen Bezug zu allen Stoffen aus der Liste I herstellt, ist festzustellen, daß die Bestimmungen die Geltung des Artikels 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich nicht mit der notwendigen Bestimmtheit und Klarheit festlegen. Verlangt wird jedoch, daß Personen, die eine der von diesem Artikel erfassten Maßnahmen durchführen (oder verhindern) wollen, klargemacht wird, daß das Verbot für die in der Liste I angeführten Stoffe gilt.

    22. Zwar hat die Bundesregierung den Erlaß einer (von den einzelnen Bundesländern umzusetzenden) Verwaltungsvorschrift angekündigt, in der die anwendbaren Vorschriften unter Verweisung auf die Listen I und II der Richtlinie umschrieben werden sollen. Wie vorstehend (Nr. 3) ausgeführt, hat die Umsetzung nur in sieben Bundesländern stattgefunden; die übrigen Länder, die schon eigene Bestimmungen erlassen hatten, sollen die Notwendigkeit einer Ratifikation nicht eingesehen haben. Es ist übrigens auch noch fraglich, ob eine Verwaltungsvorschrift Vorrang vor den hier wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen des WHG hat; ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes verweisen, wonach Richtlinien durch Vorschriften mit derselben rechtlichen Bedeutung wie die zu ändernden Rechtsvorschriften in nationales Recht umgesetzt werden müssen (17).

    23. Viertens schreibt Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich vor, daß eine Genehmigung für die in ihm genannten Maßnahmen nur nach einer vorangegangenen Prüfung erteilt werden kann, daß die Genehmigung nur aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung und unter der Voraussetzung erteilt werden darf, daß alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, die nötig sind, um die betreffende Ableitung zu verhindern. Der Prüfungsgegenstand wird in Artikel 7 der Richtlinie näher umschrieben; die in einer eventuellen Genehmigung aufzunehmen Bedingungen und Beschränkungen sind im einzelnen in den Artikeln 10 und 11 aufgeführt. Keine dieser Bestimmungen ist ausdrücklich in eine deutsche Rechtsvorschrift aufgenommen worden.

    Die Bundesregierung hält eine Übernahme von Artikel 7 für unnötig, da es "eine Selbstverständlichkeit" sei, "daß vor jeder Entscheidung der zuständigen Behörden ... eine Prüfung der Sach- und Rechtslage ... erfolgt" (18). Sie verweist ausserdem auf das Verwaltungsverfahrensgesetz, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittele und sich dazu der Beweismittel bediene, die sie für erforderlich halte. Ob diese allgemeinen Bestimmungen sicherstellen, daß die in Artikel 7 aufgeführten detaillierten Untersuchungen stets durchgeführt werden, scheint mir sehr fraglich. Die genaue Übernahme der Erfordernisse des Artikels 7 ist um so bedeutsamer, als es für den einzelnen, der eine Genehmigung nach Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich beantragt, von grosser Bedeutung sein kann, von den detaillierten Vorschriften über die Art der vorzunehmenden Untersuchungen und von den Aspekten, auf die sich diese Untersuchungen beziehen müssen, Kenntnis zu erlangen. Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit einer hier nicht streitigen Bestimmung der Richtlinie entschieden, daß eine von der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung in einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift ausdrücklich niedergelegt sein muß; es genügt nicht der Hinweis auf eine feste Verwaltungspraxis (19). Dies gilt mutatis mutandis auch hier.

    24. Ausserdem ist zu bemerken, daß das Fehlen klarer und genauer Bestimmungen über die vorangehende Prüfung gleichzeitig auf die Genehmigungen zurückwirkt, die eventuell aufgrund von Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich erteilt werden können: Die Richtlinie macht nämlich deutlich, daß diese Genehmigungen nur aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung erteilt werden können. Die Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigung erteilt werden darf, müssen mit anderen Worten auf die Prüfungsergebnisse genau abgestimmt sein. Die Nichtumsetzung der genannten Bestimmungen wirkt sich also auch inhaltlich auf die Grundwasserpolitik aus.

    Die Bundesregierung hält es ebensowenig für erforderlich, die Artikel 10 und 11 der Richtlinie umzusetzen: Die darin enthaltenen Voraussetzungen und Beschränkungen ergäben sich bereits aus der den zuständigen Behörden obliegenden Pflicht, jede Genehmigung zu versagen, wenn eine Verschmutzung des Wassers zu befürchten sei. Auch dieses Argument kann aus den gleichen Gründen nicht akzeptiert werden.

    Verhinderung anderer indirekter Ableitungen von Stoffen aus der Liste I

    25. Artikel 4 Absatz 1 dritter Gedankenstrich der Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten vor,

    "die von ihnen für notwendig erachteten geeigneten Maßnahmen ((zu ergreifen)), um die indirekte Ableitung von Stoffen aus der Liste I, die aus anderen als den unter dem zweiten Gedankenstrich genannten Tätigkeiten auf dem oder im Boden herrührt, zu verhindern".

    26. Was die Durchführung dieser Bestimmung betrifft, so verweist die Bundesregierung auf dieselben Vorschriften wie die, die ihrer Meinung nach zur Durchführung des Artikels 4 Absatz 1 und zweiter Gedankenstrich genügen, d. h. auf die §§ 19a ff., 19g ff., 3 Absatz 2 und 34 WHG.

    Wie bereits gesagt dient Artikel 4 der Richtlinie der Ausführung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie, die Ableitung von Stoffen aus der Liste I in das Grundwasser zu verhindern. Artikel 4 Absatz 1 dritter Gedankenstrich enthält einen Auffangtatbestand: Für alle anderen als die unter dem zweiten Gedankenstrich genannten Tätigkeiten auf dem oder im Boden müssen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die indirekte Ableitung von Stoffen aus der Liste I zu verhindern. Auch bezueglich dieser Bestimmung meint die Bundesregierung, daß sie im Zusammenhang mit Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie zu lesen sei, so daß die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nur bedingt sei. Aus den vorstehend (Nrn. 15 und 16) angegebenen Gründen ist diese Auffassung unzutreffend.

    27. Ich kann denn auch nur mein früheres Ergebnis wiederholen, nämlich daß eine Regelung wie die des WHG, die nicht darauf abzielt, alle direkten oder indirekten Ableitungen von Stoffen aus der Liste I zu verhindern, sondern nur die Verschmutzung des Wassers verhüten soll (und insoweit die zuständigen Behörden ermächtigt, eventuell eine Ableitungsgenehmigung zu erteilen), für eine Umsetzung der Richtlinie nicht genügt.

    Ausserdem gelten meine Ausführungen über die weiteren Unzulänglichkeiten des WHG bezueglich der Umsetzung des Artikels 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie mutatis mutandis auch hier. Das grösste Problem besteht darin, daß die Liste I nicht ordnungsgemäß in eine deutsche Rechtsvorschrift aufgenommen worden ist; die im WHG enthaltenen Definitionen der "wassergefährdenden Stoffe" sind nicht hinreichend bestimmt und klar. Daneben ist überhaupt nicht klar, ob die von der Bundesregierung genannten Vorschriften die Anwendung des Artikels 4 bezueglich aller nicht in Absatz 1 zweiter Gedankenstrich genannten Tätigkeiten auf dem oder im Boden sicherstellen können. In diesem Zusammenhang wurde bereits auf den beschränkten Anwendungsbereich der §§ 19a und 19g WHG hingewiesen; § 34 Absatz 2 WHG scheint mir ebenfalls unzureichend, denn dort geht es nur um die Lagerung oder Ablagerung von Stoffen oder die Beförderung in Rohrleitungen. Zwar ist nach § 2 WHG jede Benutzung von Wasser genehmigungs- oder erlaubnispflichtig, doch wird diese Genehmigung oder Erlaubnis im WHG nirgends davon abhängig gemacht, daß jede indirekte Ableitung verhindert wird.

    28. Schließlich hat die Kommission auch überzeugend vorgetragen, ohne daß die Bundesregierung dem widersprochen hätte, daß die Ausführungsvorschriften der Bundesländer nicht genügen, um Lücken im Rahmen der Bundesgesetzgebung auszufuellen. Einige Vorschriften auf Länderebene (20) beziehen sich nur auf die in § 19g WHG genannten Maßnahmen und nicht auf alle anderen in Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich aufgeführten Maßnahmen, wie es die Richtlinie verlangt. Ebensowenig haben alle Bundesländer die Aufzählung in der Liste I in ihr Recht übernommen (21) oder die im WHG enthaltene Regelung zur Verhinderung der Verschmutzung in eine Regelung zur Verhinderung indirekter Ableitungen umgesetzt (22).

    Beschränkung der Ableitungen von Stoffen aus der Liste II

    29. Als zweite Hauptverpflichtung erlegt die Richtlinie den Mitgliedstaaten auf,

    "die Ableitung von Stoffen aus der Liste II in das Grundwasser zu begrenzen, damit die Verschmutzung des Grundwassers durch diese Stoffe verhütet wird" (Artikel 3 Buchstabe b).

    Diese Verpflichtung wird in Artikel 5 der Richtlinie konkretisiert, der folgendermassen lautet:

    "(1) Um die Verpflichtung des Artikels 3 Buchstabe b zu erfuellen, führen die Mitgliedstaaten eine Prüfung durch

    - vor jeder indirekten Ableitung von Stoffen aus der Liste II, um diese Ableitungen zu begrenzen;

    - vor Maßnahmen zur Beseitigung oder Lagerung zwecks Beseitigung dieser Stoffe, die zu einer indirekten Ableitung führen können.

    Aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung können die Mitgliedstaaten eine Genehmigung erteilen, sofern alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, mit denen die Verschmutzung des Grundwassers durch diese Stoffe verhindert werden kann.

    (2) Ausserdem ergreifen die Mitgliedstaaten die von ihnen für notwendig erachteten geeigneten Maßnahmen, um jede indirekte Ableitung von Stoffen aus der Liste II, die aus anderen als den in Absatz 1 genannten Tätigkeiten auf dem oder im Boden herrührt, einzuschränken."

    Bezueglich der Umsetzung dieser Bestimmung verweist die Bundesregierung auf die Paragraphen des WHG, die nach ihrer Meinung bereits die zutreffende Umsetzung des Artikels 4 Absatz 1 zweiter und dritter Gedankenstrich gewährleisten. Sie meint, daß das deutsche Recht, das nicht zwischen Ableitungen von Stoffen aus der Liste I und aus der Liste II unterscheide, sogar strenger sei als die Richtlinie, zumindest wenn man Artikel 5 der Richtlinie in Verbindung mit Artikel 2 Buchstabe b lese. Zum letzten Punkt verweise ich noch einmal auf meine früheren Ausführungen zur genauen Tragweite des Artikels 2 der Richtlinie. Wie bereits gesagt umschreibt Artikel 2 eine Reihe von Fällen, für die die Richtlinie nicht gilt, während Artikel 5 die Verpflichtung des Artikels 3 Buchstabe b konkretisiert. Artikel 2 ändert an den Verpflichtungen des Artikels 5 ebensowenig wie an denen des Artikels 4.

    30. Die erste Verpflichtung aus Artikel 5 der Richtlinie betrifft die direkte Ableitung von Stoffen aus der Liste II. Es geht um eine zweifache Verpflichtung: Erstens müssen die Mitgliedstaaten vor allen Ableitungen dieser Art (oder Tätigkeiten, die zu Ableitungen führen können) eine Prüfung zur Begrenzung der Ableitungen durchführen; zweitens darf aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung eine Genehmigung nur erteilt werden, sofern alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, mit denen die Verschmutzung des Grundwassers durch diese Stoffe verhindert werden kann. Die Frage ist, ob § 34 Absatz 1 WHG zumindest ebenso strenge Anforderungen stellt.

    Was die vorhergehende Prüfung angeht, bei der ebenfalls Artikel 7 der Richtlinie einzuhalten ist, so hat sich oben bereits gezeigt, daß die deutschen Rechtsvorschriften nicht hinreichend bestimmt und klar sind. Geradeso wie im Fall des Artikels 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich hat dies zugleich auch eine inhaltliche Rückwirkung: Ableitungsgenehmigungen können nämlich nur anhand der Ergebnisse der vorhergehenden Prüfung erteilt werden.

    31. Obwohl der Verstoß aufgrund der bisherigen Ausführungen bereits feststeht, muß der Deutlichkeit halber noch auf die Ansicht der Bundesregierung eingegangen werden, daß die Beachtung der Voraussetzungen nach Artikel 5 für die Erteilung einer Genehmigung bereits durch die Anwendung des § 34 WHG sichergestellt sei. Die Kommission bezweifelt dies: Sie erinnert daran, daß der in § 34 WHG niedergelegte "Besorgnisgrundsatz" von der Rechtsprechung in der Weise ausgelegt worden sei, daß zwar nach menschlicher Erfahrung eine gewisse Wahrscheinlichkeit geradezu ausgeräumt sein müsse, reine Möglichkeiten allerdings nie völlig ausgeschlossen werden könnten (23). Artikel 5 der Richtlinie sei strenger: Er verlange, daß alle erforderlichen technischen Vorsichtsmaßnahmen, mit denen die Verschmutzung des Grundwassers verhindert werden könne, eingehalten würden.

    Es scheint in der Tat ein (feiner) Unterschied in der Intensität zwischen beiden Bestimmungen zu bestehen, und ein Autor hat darauf hingewiesen, daß in der Rechtsprechung bis jetzt noch nicht ausdrücklich bestätigt worden sei, daß § 34 Absatz 2 WHG ein schlüssiges Verbot für verschmutzende Ableitungen enthalte (24). Den Vorzug verdient deshalb, eine ebenso klare und genaue Bestimmung wie Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

    32. Im übrigen betrifft Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie die Regelung indirekter Ableitungen von Stoffen aus der Liste II. Auch hier ist eine vorherige Prüfung erforderlich, und darf eine Genehmigung nur unter denselben Bedingungen wie für direkte Ableitungen erteilt werden. Ich kann also auf meine früheren Ausführungen verweisen.

    33. Artikel 5 Absatz 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten schließlich, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um indirekte Ableitungen von Stoffen aus der Liste II, die aus anderen als den in Absatz 1 genannten Tätigkeiten auf dem oder im Boden herrühren, einzuschränken.

    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission verschiedene Beispiele für Tätigkeiten genannt, für die solche Maßnahmen erforderlich seien: Es könne sich um indirekte Ableitungen von Stoffen aus der Liste II als Folge der Tätigkeiten eines landwirtschaftlichen Betriebs, einer Tankstelle oder einer Garage handeln; es könne sich auch um die Lagerung von Stoffen aus der Liste II für ihre spätere Wiederverwendung handeln. Da die Bundesregierung den Standpunkt vertritt, daß zur Umsetzung dieser Bestimmung keine besonderen Maßnahmen zu treffen seien, und deshalb auch nicht auf solche Maßnahmen verwiesen hat, muß auch insoweit der Verstoß als erwiesen angesehen werden.

    Die Verfahrensvorschriften der Richtlinie

    34. Bevor ich Artikel für Artikel untersuche, ob und wie die Verfahrensvorschriften der Richtlinie in das deutsche Recht umgesetzt worden sind, möchte ich zunächst auf ein allgemeineres Argument der Bundesregierung eingehen. Sie hat nämlich vorgetragen, daß die Verfahrensvorschriften der Richtlinie nicht in Sonderregelungen des nationalen Rechts übernommen zu werden brauchten; allgemeinere bundes- und landesrechtliche Verwaltungsverfahrensvorschriften führten nämlich bereits in der Praxis zu dem von der Richtlinie angestrebten Ergebnis.

    Dieses Argument ist aus einem bereits mehrmals genannten Grund hinfällig: Das Erfordernis einer genauen und klaren Umsetzung verlangt die ausdrückliche Übernahme der detaillierten Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht. Ich möchte daran erinnern, daß es hier nicht um ein rein formales Erfordernis geht: Eine unzulängliche Umsetzung hat auch inhaltliche Folgen, wie ich oben bezueglich des Erfordernisses einer vor der Erteilung einer Genehmigung durchzuführenden Prüfung dargelegt habe. Dieser Gedanke lässt sich verallgemeinern: Wenn, wie die Bundesregierung ausführt, die meisten dieser Verfahrensvorschriften von den Ländern angewandt werden müssen, dann müssen die zuständigen Behörden der Länder über den Inhalt dieser Vorschriften umfassend unterrichtet werden. So bestimmt Artikel 8 der Richtlinie z. B., daß die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten eine Genehmigung aufgrund der Artikel 4 und 5 der Richtlinie nur erteilen dürfen, nachdem sie festgestellt haben, daß die Überwachung des Grundwassers und insbesondere seiner Qualität gewährleistet ist. Dieselbe Überlegung gilt auch für den einzelnen, dessen Rechtsposition durch die Vorschriften der Richtlinie beeinflusst wird. Es kann z. B. für den, der eine Ableitung durchführen (oder verhindern) will, von grosser Bedeutung sein, zu wissen, worauf sich die vorherige Prüfung genau bezieht und welche Bedingungen und Beschränkungen in einer eventuellen Genehmigung aufgestellt werden. Unter diesem Blickwinkel hat der Gerichtshof in einem unlängst ergangenen Urteil im Zusammenhang mit einer Verfahrensvorschrift der Richtlinie entschieden, daß die in Artikel 6 der Richtlinie für die Erteilung einer Genehmigung aufgestellte Bedingung im nationalen Recht ausdrücklich niedergelegt sein muß (25).

    Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht lässt sich auch nicht mit dem Argument verneinen, daß verschiedene Aspekte der Verfahrensvorschriften nicht zur Zuständigkeit des Bundes, sondern zu der der Länder gehören. Einem Mitgliedstaat steht es nämlich frei, seine Kompetenzen innerstaatlich nach eigenem Gutdünken zu verteilen und das Gemeinschaftsrecht mittels Maßnahmen durchzuführen, die von regionalen oder örtlichen Behörden getroffen werden. Diese Kompetenzverteilung entbindet ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, sicherzustellen, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts genau in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (26).

    35. Ich komme nun zur Prüfung der Umsetzung der einzelnen Verfahrensvorschriften der Richtlinie. Bei Artikel 7 der Richtlinie, der Gegenstand und Zweck der in den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie genannten vorherigen Prüfungen detailliert regelt, kann ich mich kurz fassen. Ich habe bereits (Nr. 23) darauf hingewiesen, daß die Kriterien in den §§ 24 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht bestimmt und klar genug sind, um diesen Artikel ordnungsgemäß umzusetzen. Verlangt wird eine besondere Regelung entweder auf Bundes- oder auf Länderebene, die auch vom einzelnen geltend gemacht werden kann und veröffentlicht wird. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang überzeugend dargelegt, daß die in den Ländern bestehenden Vorschriften die Lücken der Bundesgesetzgebung nicht ausfuellen können (27).

    36. Dieselben Erwägungen gelten für Artikel 8 der Richtlinie, wonach die nach der Richtlinie zulässigen Ableitungsgenehmigungen von den zuständigen Stellen nur erteilt werden dürfen, nachdem diese festgestellt haben, daß die Überwachung der Qualität des Grundwassers gewährleistet ist. Eine genaue und klare Umsetzung dieser Bestimmung ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Erstens setzt das Ziel der Richtlinie, bezueglich der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, voraus, daß die zuständigen Stellen in den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Genehmigung dieselben Kriterien anwenden. Zweitens müssen diese Kriterien von einzelnen Dritten geltend gemacht werden können, die die Rechtmässigkeit einer Genehmigung anfechten wollen. Es ist noch einmal auf das Urteil des Gerichtshofes zu verweisen, wonach die von der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ableitungsgenehmigung im nationalen Recht ausdrücklich niedergelegt sein müssen (28).

    37. Die Artikel 9 und 10 der Richtlinie, die eine Reihe von Bestimmungen aufzählen, die in Genehmigungen aufzunehmen sind, die aufgrund der Richtlinie für Ableitungen erteilt werden dürfen, sind ebensowenig durch eine besondere Vorschrift in das Recht der Bundesrepublik umgesetzt worden. Auch hier verweist die Bundesregierung auf die bereits bestehenden allgemeineren bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen. Ausserdem meint sie, daß die in den Artikeln 9 und 10 aufgezählten Bestimmungen von den zuständigen Behörden durchaus in Genehmigungen aufgenommen werden dürften und daß die tatsächliche Anwendung der Richtlinie in der Praxis durch eine richtlinienkonforme Auslegung der geltenden allgemeinen Vorschriften gewährleistet sei.

    Auf diese Argumente kann, unter Hinweis auf meine früheren Ausführungen (Nr. 34), nur wiederholt werden, daß die Harmonisierung der Ableitungsbedingungen und der Schutz der Rechte einzelner nur gewährleistet werden können, wenn die Übernahme der in den Artikeln 9 und 10 der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen nicht freisteht, sondern verbindlich ist. Auf die Unzulänglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung oder Anwendung des nationalen Rechts bin ich oben (Nr. 8) bereits eingegangen.

    38. Was die Umsetzung des Artikels 11 betrifft, so kann ich auf meine Ausführungen zu Artikel 8 der Richtlinie verweisen. Auch hier steht mangels genauer Umsetzungsvorschriften der Verstoß fest.

    39. Die Kommission hat der Bundesrepublik in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgeworfen, die Artikel 12 und 13 der Richtlinie ebenfalls nicht ordnungsgemäß umgesetzt zu haben. In ihrer Klageschrift hat die Kommission nur noch Artikel 13 genannt. Der Bevollmächtigte der Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß man insoweit etwas vergessen habe. Damit steht fest, daß Artikel 12 nicht zum Streitgegenstand gehört; ich kann ihn also ausser Betracht lassen.

    Artikel 13 verlangt, daß die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Einhaltung der in den Genehmigungen festgelegten Bedingungen sowie die Auswirkungen der Ableitungen auf das Grundwasser überwachen. Die Kommission hat gerügt, daß diese Bestimmung nicht in eine besondere, verbindliche und veröffentlichte Vorschrift umgesetzt worden sei. Da die Überwachung der Einhaltung der Genehmigungen in der Bundesrepublik in die Zuständigkeit der Länder fällt, hat die Kommission zu Recht angeführt, daß die tatsächliche Einhaltung dieser Bestimmungen den Ländern auferlegt werden müsse. Für die Umsetzung dieser Bestimmung ist deshalb eine ausdrückliche Rechtsvorschrift erforderlich; interne Anweisungen, die von einem Tag auf den anderen geändert werden können, genügen dazu nicht. Zwar haben die Mitgliedstaaten hier einen gewissen Ermessensspielraum, denn anders als z. B. die Artikel 7, 8, 9, 10 und 11 der Richtlinie ist Artikel 13 nicht so beschaffen, daß er Rechte einzelner begründen könnte; darum ist nur erforderlich, daß aus dem allgemeinen gesetzlichen Rahmen auf Bundes- und Länderebene eine Überwachungspflicht der für die Überwachung zuständigen Behörden abgeleitet werden kann (29).

    Ergebnis

    40. Meine Untersuchung veranlasst mich zu der Schlußfolgerung, daß der Klage der Kommission in vollem Umfang stattzugeben ist. Ich schlage Ihnen also vor, festzustellen, daß die Bundesrepublik gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie die Richtlinie 80/68/EWG nicht ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt hat, und der Bundesrepublik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    (*) Originalsprache: Niederländisch.

    (1) Richtlinie des Rates vom 17. Dezember 1979 (ABl. 1980 L 20, S. 43).

    (2) Gemeint ist die geänderte Fassung vom 23. September 1986, BGBl. I, S., 1529 und 1654.

    (3) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 27. August 1986, BGBl. I, S. 1401 und 1501.

    (4) Siehe Urteil vom 23. Mai 1985 in der Rechtssache 29/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 1661, Randnr. 23.

    (5) Urteil vom 23. Mai 1985, ebenda; siehe auch Urteil vom 9. April 1987 in der Rechtssache 363/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 1733, Randnr. 7, und Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 116/86, Kommission/Italien, Slg. 1988, 1323, Randnr. 21.

    (6) Unter Hinweis auf das Urteil vom 27. April 1988 in der Rechtssache 252/85, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 2243, Randnr. 5.

    (7) Siehe Urteil vom 9. April 1987 in der Rechtssache 363/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 1733, Randnrn. 10-12.

    (8) Siehe zum Beispiel Urteil in der Rechtssache 29/84, bereits zitiert in Fußnote 4, insbesondere Randnrn. 28-35.

    (9) Siehe zum Beispiel Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 116/86, Kommission/Italien, Slg. 1988, 1323, und Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 429/85, Kommission/Italien, Slg. 1988, 849.

    (10) Urteil vom 15. März 1990 in der Rechtssache C-339/87, Kommission/Niederlande, Slg. 1990, I-851, insbesondere Randnrn. 22-25 und 32.

    (11) Siehe Urteil vom 27. April 1988 in der Rechtssache 252/85, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 2243, Randnrn. 18 und 19, und Urteil in der Rechtssache C-339/87, in der vorhergehenden Fußnote zitiert, Randnrn. 35 und 36. Diese Rechtssachen betrafen die Auslegung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1).

    (12) In der vorhergehenden Fußnote zitiert.

    (13) Siehe Urteil in der Rechtssache 252/85, zitiert in der Fußnote 6, Randnr. 5.

    (14) Siehe vierte Begründungserwägung.

    (15) Siehe Urteil vom 17. September 1987 in der Rechtssache 291/84, Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 3483, Randnr. 15 (bezueglich Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie); siehe auch Randnrn. 16-18 (bezueglich Artikel 6).

    (16) Nach § 19a Absatz 2 sind diese Stoffe in einer Verordnung näher zu bestimmen. Dabei handelt es sich um die Verordnung über wassergefährdende Stoffe bei der Beförderung in Rohrleitungsanlagen vom 19. Dezember 1973, BGBl. I, S. 1946. Diese Verordnung wiederholt jedoch ebensowenig, wie die Kommission ausgeführt hat, alle in der Liste I aufgezählten Stoffe.

    (17) Siehe z. B. Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 116/86, Kommission/Italien, Slg. 1988, 1323, insbesondere Randnrn. 12 ff.

    (18) Siehe Klageschrift, S. 20, Randnr. 30.

    (19) Siehe Urteil in der Rechtssache 291/84, bereits zitiert in Fußnote 15, Randnrn. 16-18 (bezueglich des Artikels 6 der Richtlinie).

    (20) Die Kommission hat auf die in Schleswig-Holstein geltende Regelung verwiesen.

    (21) Die Kommission hat unter anderem auf die Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Bremen verwiesen.

    (22) angeblich z. B. Schleswig-Holstein.

    (23) Es geht um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 1965, ZfW 1965, S. 113 und 116.

    (24) Siehe P. Kromarek "Federal Republic of Germany: Water and Waste" in European Community Environmental Policy in Practice, Bd. 4, 1986, S. 82.

    (25) Siehe Urteil in der Rechtssache 291/84, bereits zitiert in Fußnote 15, Randnrn. 16-18.

    (26) Siehe Urteil vom 14. Januar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 227/85 bis 230/85, Kommission/Belgien, Slg. 1988, 1, Randnrn. 9 und 10.

    (27) Z. B. hat die Kommission darauf hingewiesen, ohne daß die Bundesregierung dem widersprochen hätte, daß sich in den von Niedersachen, Hessen und Bayern erlassenen Rechtsvorschriften keine Bestimmung über die in Artikel 7 der Richtlinie genannten Untersuchungen finde. Ob eines oder mehrere dieser Länder die vorstehend genannte Musterverwaltungsvorschrift umgesetzt haben, hat die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung nicht erklärt.

    (28) Siehe das Urteil in der Rechtssache 291/84, bereits zitiert in Fußnote 15, Randnrn. 16-18.

    (29) Artikel 13 ist insoweit mit Artikel 18 der Richtlinie vergleichbar, wonach die Durchführung der aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen keinesfalls unmittelbar oder mittelbar eine Verschmutzung des Grundwassers zur Folge haben darf. In bezug auf diese Bestimmung hat der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache 291/84 (bereits zitiert in Fußnote 15) entschieden, daß sie nicht durch eine eigene, besondere Vorschrift umgesetzt zu werden braucht (siehe Randnrn. 19-21 des Urteils).

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