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Document 61987CC0395

Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 26. Mai 1989.
Strafverfahren gegen Jean-Louis Tournier.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour d'appel d'Aix-en-Provence - Frankreich.
Wettbewerb - Urheberrechte - Höhe der Gebühren - Verträge über die gegenseitige Vertretung.
Rechtssache 395/87.
François Lucazeau und andere gegen Société des Auteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique (SACEM) und andere.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour d'appel de Poitiers und Tribunal de grande instance de Poitiers - Frankreich.
Wettbewerb - Urheberrechte - Höhe der Gebühren - Verträge über die gegenseitige Vertretung.
Verbundene Rechtssachen 110/88, 241/88 und 242/88.

Sammlung der Rechtsprechung 1989 -02521

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1989:215

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 26. Mai 1989 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

In diesen vier Rechtssachen (Rechtssache 395/87, Ministère public/Tournier; verbundene Rechtssachen 110/88, SACEM/Lucazeau, 241/88, SACEM/Debelle, und 242/88, SACEM/Soumagnac) wird der Gerichtshof ersucht, über die Auslegung der Artikel 30, 59, 85 und 86 EWG-Vertrag zu entscheiden, und zwar im Hinblick auf das Verhalten der Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique (SACEM), der französischen Gesellschaft zur Verwertung von Urheberrechten, gegenüber den französischen Betreibern von Diskotheken sowie auf die Beziehungen zwischen der SACEM und den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten der EWG.

2. 

Bevor wir uns diesen Auslegungsfragen zuwenden, müssen wir den rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund der vor den französischen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten prüfen und hierbei die anwendbaren französischen Rechtsvorschriften, die Aufgaben und die Arbeitsweise der SACEM sowie die Gestalt ihrer Beziehungen zu anderen urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften und zu bestimmten Kundengruppen wie den Betreibern von Diskotheken untersuchen.

Die anwendbaren französischen Rechtsvorschriften

3. 

Nach dem Gesetz vom 11. März 1957 über das literarische und künstlerische Eigentum (in der Fassung des Gesetzes vom 3. Juli 1985 über die Urheberrechte und die Rechte der darstellenden Künstler, der Hersteller von Tonaufnahmen und Videogrammen sowie der Rundfunk- und Fernsehunternehmen) umfaßt das dem Urheber (d. h. dem Schöpfer) eines Werks zustehende Verwertungsrecht das Aufführungsrecht („droit de représentation“) und das Vervielfältigungsrecht („droit de reproduction“). Gemäß Artikel 27 des Gesetzes ist unter Aufführung „die öffentliche Wiedergabe des Werks ... unabhängig von dem hierfür angewandten Verfahren“ zu verstehen. Artikel 28 definiert die Vervielfältigung als „die. Herstellung einer Verkörperung des Werks nach allen Verfahren, die eine mittelbar öffentliche Wiedergabe ermöglichen“; nach dieser Bestimmung umfaßt die Vervielfältigung auch die mechanische Aufzeichnung. Artikel 30 sieht die entgeltliche oder sonstige Übertragung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte vor. Artikel 31 bestimmt unter anderem, daß, wenn ein Autor seine Rechte überträgt, Umfang und Zweck der zulässigen Verwertung des Werks in dem Vertrag genau festzulegen sind. Diese Bestimmung erlaubt es dem Autor oder seinen Zessionaren, ein und dasselbe Recht für verschiedene Zwecke zu verwerten. In der Praxis wird der Autor eines musikalischen Werks seine Aufführungsrechte entgeltlich einem Produzenten von Tonaufnahmen zum Zweck der Herstellung und des Inverkehrbringens lediglich zum privaten Gebrauch übertragen. Wird die Aufnahme — Tonband oder Schallplatte — dann an-. schließend öffentlich verbreitet, zum Beispiel in einer Diskothek, einem Restaurant oder einem Kaufhaus, so hat der Autor gegen den Inhaber dieses Betriebs einen Anspruch sowohl auf eine Vergütung auf der Grundlage des Aufführungsrechts als auch — wegen der öffentlichen Nutzung der Tonaufnahmen — auf eine zusätzliche Vergütung für die mechanische Vervielfältigung („droit complémentaire de reproduction mécanique“).

4. 

Artikel 33 des Gesetzes vom 11. März 1957 stellt den Grundsatz auf, daß eine globale Übertragung der Rechte an künftigen Werken nichtig ist. Artikel 43 Absatz 2 sieht jedoch eine Ausnahme für den Fall eines allgemeinen Aufführungsvertrags („contrat general de représentation“) vor, worunter nach dieser Vorschrift ein Vertrag zu verstehen ist, durch den ein Berufsverband von Autoren einem Veranstalter von unterhaltenden Darbietungen („entrepreneur de spectacles“) das Recht einräumt, zu den vom Autor oder dessen Rechtsnachfolgern festgesetzten Bedingungen während der Laufzeit des Vertrags bestehende oder künftige Werke aufzuführen, die den Bestand des genannten Verbandes bilden.

5. 

Bezüglich der für die Vergütung der Autoren geltenden Grundsätze heißt es in Artikel 35 des Gesetzes vom 11. März 1957, daß mit der Übertragung der Urheberrechte „zugunsten des Autors dessen proportionale Beteiligung an den Erträgen des Verkaufs oder der Verwertung verbunden sein muß“. Eine pauschale Vergütung ist nur ausnahmsweise zulässig, etwa, wenn es praktisch nicht möglich ist, die Berechnungsgrundlage für die Beteiligung des Autors festzulegen.

6. 

Titel IV des Gesetzes vom 3. Juli 1985 stellt bestimmte Regeln für Bildung, Auflösung und Arbeitsweise der Verwertungsgesellschaften auf. Artikel 38, der es diesen Gesellschaften insbesondere zur Pflicht macht, das vollständige Repertoire der von ihnen vertretenen französischen oder ausländischen Autoren den Benutzern von musikalischen Werken zugänglich zu machen, wurde von der Rechtslehre dahin ausgelegt, daß er diese Gesellschaften verpflichtet, eine vollständige Liste der zu diesem Repertoire gehörenden Werke zu führen, die von den Benutzern eingesehen werden kann. Gemäß Artikel 41 haben die Verwertungsgesellschaften dem Kultusminister eine Abschrift ihrer Jahresrechnungen zu übermitteln und ihn im voraus über alle geplanten Änderungen ihrer Satzung sowie ihrer Regeln für Erhebung und Auskehrung der Gebühren zu unterrichten. Weder dieses Gesetz noch andere Vorschriften sehen eine externe Kontrolle der Festsetzung der für die Urheberrechte zu zahlenden Vergütung durch die Verwertungsgesellschaften vor.

7. 

Schließlich ist zu erwähnen, daß gemäß Artikel 426 des französischen Strafgesetzbuchs „jede unter Verletzung der Urheberrechte, so wie diese gesetzlich definiert und geregelt sind, vorgenommene Vervielfältigung, Aufführung oder Verbreitung eines geistigen Werks“ eine strafbare Beeinträchtigung des Urheberrechts („contrefaçon“) darstellt.

Aufgaben und Arbeitswelse der SACEM

8.

Die Mitglieder der SACEM sind Autoren und Komponisten von Musikwerken sowie ferner Musikverleger, die musikalische Werke aufgrund von mit den Autoren und Komponisten geschlossenen Verträgen verwerten. Gemäß den Artikeln 1 und 2 ihrer Satzung übertragen die Mitglieder der SACEM durch ihren Beitritt die ausschließliche Befugnis, weltweit die Rechte auf öffentliche Aufführung und mechanische Vervielfältigung der von ihnen geschaffenen oder verwerteten Werke auszuüben. Die spezifische Aufgabe der SACEM besteht darin, die ihren Mitgliedern für die Ausübung dieser Rechte geschuldeten Vergütungen einzuziehen und zu verteilen. Die SACEM hat eine Tochtergesellschaft, die Société pour l'administration du droit de reproduction mécanique des auteurs, compositeurs et éditeurs (SDRM) mit der Verwertung des Rechts auf mechanische Vervielfältigung beauftragt; kraft Vollmacht erhebt und verteilt die SACEM jedoch für Rechnung der SDRM die Gebühren, die in Zusammenhang mit dem oben erwähnten Recht auf mechanische Vervielfältigung zu entrichten sind.

9.

Die von der SACEM verwalteten Bestände an musikalischen Werken umfassen nicht nur die ihr von ihren Mitgliedern überlassenen Werke, sondern auch solche, die die SACEM aufgrund von Verträgen über gegenseitige Vertretung verwaltet, die sie mit Verwertungsgesellschaften anderer Länder geschlossen hat einschließlich der Gesellschaften aller anderen Migliedstaaten der EWG mit Ausnahme von Irland, wo die Aufführungsrechte von der British Performing Right Society verwaltet werden, und von Luxemburg, das zum eigenen Tätigkeitsbereich der SACEM gehört.

10.

Durch derartige Verträge verpflichtet sich eine urheberrechtliche Verwertungsgesellschaft im wesentlichen, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit innerhalb ihres räumlichen Tätigkeitsgebietes (das in der Regel mit dem Hoheitsgebiet ihres Landes zusammenfällt) die Aufführungsrechte zu verwalten, die an den Beständen einer ausländischen Gesellschaft bestehen. Zu diesem Zweck erklärt sie sich bereit, bei Einziehung und Verteilung der für die ausländischen Bestände zu entrichteten Gebühren nach der gleichen Methode und mit den gleichen Mitteln vorzugehen, die sie bei ihren eigenen Beständen anwendet, und im Falle einer Verletzung des Urheberrechts alle gebotenen Schritte zu unternehmen. Weiterhin erklärt sie sich bereit, mindestens einmal jährlich der ausländischen Gesellschaft die Beträge zu überweisen, die sie für die Verwertung von deren Beständen eingezogen hat; sie kann von diesem Betrag die angemessenen Verwaltungskosten abziehen. Aufgrund von gegenseitigen Vereinbarungen mit anderen Gesellschaften in allen Teilen der Welt kontrolliert die SACEM in ihrem räumlichen Tätigkeitsbereich die Aufführungsrechte für fast die Gesamtheit der weltweiten Bestände an geschützten musikalischen Werken.

Die Beziehungen zwischen der SACEM und den Diskotheken

11.

Die Beziehungen zwischen der SACEM und den französischen Diskothekenbetreibern sind in einem Mustervertrag geregelt, der ein allgemeiner Vertretungsvertrag im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. März 1957 ist (siehe oben Nr. 4). Die SACEM erteilt dem Diskothekenbetreiber eine Pauschalermächtigung für die öffentliche Aufführung sämtlicher zu den von der SACEM verwalteten (französischen und ausländischen) Beständen gehörenden Werke, und zwar im Wege einer sogenannten „Pauschalklausel“ („clause forfaitaire“), die wie folgt lautet:

„Als Gegenleistung für das dem anderen vertragschließenden Teil eingeräumte Recht, Während der gesamten Laufzeit des Vertrags die zu den allgemeinen Beständen der SACEM gehörenden bestehenden und künftigen Werke unter den dort festgesetzten Bedingungen und Modalitäten zu nutzen, ist die in Artikel 2 der besonderen Bedingungen vorgesehene Gebühr ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Programms der in dem Betrieb aufgeführten Werke zu entrichten.“

Die Diskothek hat eine Gebühr in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttoeinnahmen des Betriebs abzuführen, worunter alle Einnahmen zu verstehen sind, die die Diskothek für die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren an die Kundschaft erzielt hat, einschließlich der Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Bestellungen sowie unter Einbeziehung von Mehrwertsteuer und Bedienungsgeld. Der gegenwärtige Prozentsatz beträgt 8,25; er setzt sich aus 6,60 % für das Recht auf öffentliche Vorführung und 1,65 % für das zusätzliche Recht auf mechanische Vervielfältigung zusammen. Der von der Diskothek zu entrichtende Betrag darf nicht niedriger sein als eine monatliche Garantiesumme, die die SACEM anhand der Merkmale des Betriebes festsetzt.

12.

In der Praxis kommen die meisten Diskothekenbetreiber in den Genuß günstigerer Bedingungen. Mehr als drei Viertel der etwa 4000 französischen Diskotheken sind Mitglieder von Berufsverbänden, die mit der SACEM Vereinbarungen ausgehandelt haben, durch die sie sich als Gegenleistung für bestimmte Vorteile — deren wichtigste die Herausnahme der Mehrwertsteuer aus der Berechnungsgrundlage und einer Ermäßigung in Höhe von 10 % des Einnahmensaldos sind — verpflichten, die SACEM in besonderer Weise zu unterstützen, indem sie ihr eine Abschrift ihrer Steuererklärungen übermitteln, und sie allgemein durch Lieferung von Informationen, Hilfestellungen und einverständliche Regelung von Streitfällen zu unterstützen. Überdies wird bestimmten einzelnen Diskotheken, die nicht Mitglieder eines Berufsverbands sind, die Herausnahme der Mehrwertsteuer aus der Berechnungsgrundlage als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie der SACEM eine Abschrift ihrer Steuererklärungen übermitteln.

13.

Seit 1978 protestiert eine Minderheit von französischen Diskothekenbetreibern heftig gegen die mit der SACEM für die Nutzung von deren Beständen gestellten Bedingungen. Im wesentlichen beschweren sich die Diskothekenbetreiber darüber, daß die SACEM stark überhöhte Gebühren erhebe, die Diskotheken im Verhältnis zueinander unangemessen ungleich behandle und sich ohne objektive Berechtigung weigere, Lizenzen nur für diejenigen Teile ihrer Bestände zu erteilen, die die Diskotheken interessierten, nämlich populäre Tanzmusik vorwiegend angloamerikanischer Herkunft. Einige Diskothekenbetreiber trugen ihre Beschwerden der französischen Wettbewerbskommission vor, die in einer Stellungnahme vom 17. November 1981 die Auffassung vertrat, die SACEM behindere das normale Funktionieren des Marktes, indem sie die verschiedenen Gruppen von Diskothekenbetreibern ungleich behandle. In einer späteren Stellungnahme vom 13. März 1984 wies diese Kommission jedoch alle Beschwerden zurück, einschließlich des Vorwurfs der Diskriminierung. Beschwerden wurden auch an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gerichtet, die im September 1987 eine formelle Untersuchung über die Vereinbarkeit der Höhe der von der SACEM geforderten Gebühr mit Artikel 86 EWG-Vertrag einleitete.

14.

Seit 1978 strengte die SACEM vor den Straf- und Zivilgerichten Hunderte von Verfahren gegen widerspenstige Diskothekenbetreiber an; in einigen Rechtssachen beantragte sie, Betriebsinhaber, die die Bestände der SACEM ohne Genehmigung benutzt hatten, wegen Verletzung von Urheberrechten zu verurteilen, während sie in anderen auf Zahlung der aufgrund der Genehmigungsverträge geschuldeten Gebühren klagte. In zahlreichen dieser Verfahren beriefen sich die Diskothekenbetreiber auf den EWG-Vertrag, insbesondere auf die Artikel 85 und 86. Die französischen Gerichte bis hinauf zum Kassationshof entschieden jedoch mehrheitlich, daß das Verhalten der SACEM nicht gegen den Vertrag verstoße. Einige andere französische Gerichte setzten das Verfahren bis zu Ihrer Entscheidung in den Rechtssachen aus, die uns gegenwärtig beschäftigen.

15.

Drei dieser Verfahren, nämlich die verbundenen Rechtssachen 110/88 sowie 241 und 242/88 betreffen Diskothekenbetreiber, nämlich die Herren Lucazeau, Debelle und Soumagnac, die Aufzeichnungen von durch die SACEM geschützten Werken abgespielt hatten, ohne durch eine Lizenz hierzu ermächtigt zu sein. Die Diskothekenbetreiber wurden wegen Verletzung des Urheberrechts verurteilt, erhielten jedoch in dem Zivilverfahren wegen Zahlung der geschuldeten Gebühren an die SACEM insoweit Genugtuung, als dem Gerichtshof bestimmte Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden. Die Rechtssache 395/87 (Tournier) weist die Besonderheit auf, daß sie auf ein Verfahren zurückgeht, daß der Betreiber einer Diskothek, Herr Verney, gegen den Generaldirektor der SACEM, Herrn Tournier, mit dem Antrag eingeleitet hat, diesen wegen unlauterer, das französische Wettbewerbs- und Strafrecht verletzender Geschäftspraktiken zu verurteilen; in diesem Verfahren tritt Herr Verney als Privatkläger auf, um Ansprüche auf Schadensersatz geltend zu machen.

Die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen

16.

Die dem Gerichtshof in der Rechtssache 110/88 von der Cour d'appel de Poitiers und in den Rechtssachen 241 und 242/88 vom Tribunal de grand instance Poitiers vorgelegten gleichlautenden Fragen lauten wie folgt:

„1)

Stellt der Umstand, daß eine von Autoren/Komponisten und Musikverlegern gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die SACEM, die eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Markts einnimmt und mit Verwertungsgesellschaften anderer Länder der EWG durch Verträge über die gegenseitige Vertretung verbunden ist, für nebeneinander erhobene Gebühren einen Satz von 8,25 % des Umsatzes einer Diskothek vor Steuern festsetzt, eine unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen gegenüber Vertragspartnern im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag dar, wenn dieser Satz deutlich höher als derjenige ist, den derartige Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anwenden?

2)

Kann es eine gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstoßende abgestimmte Verhaltensweise darstellen, wenn eine Gesellschaft zur Kontrolle und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, die ihre Tätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaates ausübt, in Ländern der Gemeinschaft durch ein Netz sogenannter Verträge über die gegenseitige Vertretung eine faktische Ausschließlichkeit herstellt, die es ihr ermöglicht, eine pauschale Vergütung in einem Beitrittsvertrag festzusetzen, der den Benutzer zwingt, diese Vergütung zu entrichten, um das Repertoire der ausländischen Urheber benutzen zu können?“

17.

Die dem Gerichtshof von der Cour d'appel Aix-en-Provence in der Rechtssache 395/87 vorgelegten, weitergehenden Fragen lauten wie folgt:

„1)

Ist die Höhe der Gebühr oder der nebeneinander erhobenen Gebühren, die von der SACEM festgesetzt wird — einer Gesellschaft, die eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes einnimmt und damit in Frankreich über ein tatsächliches Monopol für die Wahrnehmung von Urheberrechten und die Erhebung der entsprechenden Gebühren verfügt —, mit Artikel 86 EWG-Vertrag vereinbar, oder ist sie im Gegenteil Ausdruck einer mißbräuchlichen und wettbewerbswidrigen Praxis, mit der unangemessene Geschäfsbedingungen, über die nicht verhandelt werden kann, erzwungen werden?

2)

Stellt es eine gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstoßende und damit den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag erleichternde abgestimmte Verhaltensweise dar, wenn eine Gesellschaft zur Kontrolle und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, die ihre Tätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt, in den meisten Ländern der Gemeinschaft durch ein Netz sogenannter Verträge über die gegenseitige Vertretung eine faktische Ausschließlichkeit herstellt, die es ihr ermöglicht, in willkürlicher und diskriminierender Weise die Höhe der Gebühren festzusetzen, so daß die Benutzer nicht aus dem Repertoire ausländischer Urheber auswählen können, ohne eine Gebühr für das Repertoire der Verwertungsgesellschaft des betroffenen Mitgliedstaats zahlen zu müssen?

3)

Ist Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß es ‚eine unangemessene Geschäftsbedingung‘ darstellt, wenn eine Gesellschaft zur Kontrolle und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, die eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat und mit vergleichbaren Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten der EWG durch Verträge über die gegenseitige Vertretung verbunden ist, für die Gebühr eine Bemessungsgrundlage und einen Satz festsetzt, der um ein Mehrfaches höher als derjenige ist, der von allen anderen Urheberrechtsgesellschaften der Mitgliedstaaten der EWG praktiziert wird, ohne daß ein objektiv zu rechtfertigender Grund und ein Bezug zu den an die Urheber ausgekehrten Beträgen vorliegt, so daß die Gebühr in einem Mißverhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht?

4)

Ist es als ein Verhalten anzusehen, daß eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Sinne des Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag bezweckt oder zumindest bewirkt, wenn eine aus Urhebern und Verlegern zusammengesetzte Gesellschaft, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein tatsächliches Monopol innehat, Benutzern von Tonaufnahmen durch eine Abschottung des Marktes keinen Zugang nur zu dem ausländischen Repertoire, daß von ihr vertreten wird, gestattet?

5)

Ist unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Gerichtshof bereits entschieden hat, daß im Falle der Schallplatte wie des Buches das Werk dadurch der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird, daß es in körperlicher Form in den Verkehr gebracht wird, wodurch sich der Vergütungsanspruch erschöpft, und obwohl der Preis für die Schallplatte, der die Urheberrechtsgebühr für die Gestattung der Benutzung des Werks einschließt, vom Käufer an den Verleger gezahlt worden ist, die Anwendung einer innerstaatlichen Regelung, wonach es eine Verletzung der Rechte an einer Tonaufnahme darstellt, wenn die von dem innerstaatlichen Unternehmen zur Kontrolle, Verwaltung und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, das ein faktisches Monopol innehat, für die öffentliche Wiedergabe festgesetzte Gebühr nicht gezahlt wird, mit den Artikeln 30 und 59 EWG-Vertrag vereinbar, wenn diese Gebühren mißbräuchlich und diskriminierend sind und ihr Satz nicht von den Urhebern selbst festgesetzt wird und/oder nicht demjenigen entspricht, der mit den die ausländischen Urheberrechtsgesellschaften, die sie vertreten, unmittelbar vereinbart werden könnte?“

Die aufgeworfenen Rechtsfragen

18.

Die Fragen der vorliegenden Gerichte sind sehr komplex; im wesentlichen zielen sie aber auf nähere Hinweise zu folgenden Punkten:

1)

Sind die französischen Rechtsvorschriften, die der SACEM gestatten, von den Diskotheken, obwohl bereits Gebühren für Herstellung und Vermarktung der Tonaufnahmen entrichtet worden sind, weitere Gebühren für die öffentliche Aufführung der Aufnahmen zu erheben, mit Artikel 30 und 59 vereinbar, wenn diese weiteren Gebühren überhöht oder aus anderen Gründen als unangemessen anzusehen sind?

2)

Sind die zwischen der SACEM und den ausländischen (das heißt nichtfranzösischen) Verwertungsgesellschaften geschlossenen Verträge über die gegenseitige Vertretung sowie die Weigerung dieser ausländischen Gesellschaften, die unmittelbare Nutzung ihrer Bestände durch die französischen Diskothekenbetreiber zu gestatten, mit Artikel 85 vereinbar?

3)

Ist es mit Artikel 85 oder Artikel 86 vereinbar, daß die SACEM von den französischen Diskothekenbetreibern ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Bedürfnisse eine Gebühr für den Zugang zu ihren gesamten Beständen fordert?

4)

Nach welchen Kriterien haben die vorlegenden Gerichte festzustellen, ob die Gebühr, die die SACEM von den französischen Diskotheken für die öffentliche Aufführung von Tonaufnahmen fordert, überhöht und infolgedessen im Sinne von Artikel 86 mißbräuchlich ist; insbesondere: können diese Gerichte — falls die entsprechenden Tatsachen nachgewiesen wurden — berücksichtigen, daß die Gebühr in diskriminierender Weise festgesetzt wurde, daß ihre Höhe in keinem Verhältnis zu den an die Autoren tatsächlich ausgezahlten Beträgen steht und daß sie ein Mehrfaches der von den Verwertungsgesellschaften der übrigen Mitgliedstaaten der EWG erhobenen Gebühr beträgt oder doch wenigstens deutlich höher ist als diese?

19.

Was den ersten dieser Punkte betrifft, der nur von der Cour d'appel Aix-en-Pro-vence in der Rechtssache 395/87, nicht aber von den anderen vorlegenden Gerichten, aufgeworfen wird, so setzt die Anwendbarkeit der Artikel 30 und 59 einen Sachverhalt voraus, der Elemente eines zwischenstaatlichen Handels oder zwischenstaatlicher Dienstleistungen enthält; obwohl die Vorlageentscheidung in der genannten Rechtssache eś nicht ausdrücklich sagt, scheint das vorlegende Gericht zu vermuten, daß die Gebühren für Herstellung und Vermarktung der oben erwähnten Tonaufnahmen in einem anderen Mitgliedstaat bezahlt worden sind. Zum ersten Punkt ist meiner Meinung nach weiterhin zu bemerken, daß die Frage nach der etwaigen Unangemessenheit oder übertriebenen Höhe eines Preises eher nach Artikel 86 als nach Artikel 30 oder Artikel 59 zu entscheiden ist.

20.

Was den dritten Punkt betrifft, bin ich der Auffassung, daß die Weigerung der SACEM, irgendwelche anderen Genehmigungen zu erteilen als solche für die Nutzung ihrer gesamten Bestände, ebenfalls nach Maßgabe von Artikel 86 zu prüfen ist, da diese Weigerung im wesentlichen das Verhalten eines einzigen beherrschenden Unternehmens darstellt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 86 als Fälle eines Mißbrauchs die Erzwingung von „unangemessenen... Geschäftsbedingungen“ (Buchstabe a) und von gebundenen Verträgen (Buchstabe d) nennt.

21.

Nach alledem glaube ich, daß sich aus den sieben dem Gerichtshof von den vorlegenden Gerichten gestellten Fragen vier wesentliche Fragen nach der Auslegung des Vertrags herausschälen lassen:

1)

Sind die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß sie der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen es eine Verletzung des Urheberrechts ist, wenn Musikwerke mittels Tonaufnahmen öffentlich aufgeführt werden, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, eine Gebühr für Herstellung und Vervielfältigung der Aufnahmen jedoch bereits in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt wurde?

2)

Ist Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß er den Abschluß von Verträgen zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Verwertungsgesellschaften untersagt, kraft deren die Gesellschaften auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verwaltung der Bestände der anderen Gesellschaften innerhalb ihres jeweiligen eigenen inländischen Tätigkeitsgebiets übernehmen, und daß er der Weigerung dieser Gesellschaften entgegensteht, Genehmigungen für die öffentliche Aufführung ihres musikalischen Repertoires im jeweiligen inländischen Tätigkeitsgebiet der anderen Gesellschaften zu erteilen?

3)

Ist Artikel 86 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß es einen verbotenen Mißbrauch darstellt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, ihren Kunden die Zahlung einer Gebühr für die Gesamtheit ihres Repertoires ohne Rücksicht darauf aufzwingt, inwieweit die Kunden dieses Repertoire tatsächlich nutzen?

4)

Nach welchen Kriterien haben die innerstaatlichen Gerichte festzustellen, ob die von einer Verwertungsgesellschaft, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, geforderte Gebühr für die öffentliche Aufführung ihrer Bestände überhöht ist, so daß die Erzwingung dieser Gebühr als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 anzusehen ist? Können die innerstaatlichen Gerichte berücksichtigen, ob die Gebühr diskriminierend ist und in welchem Verhältnis die Höhe der Gebühr zu dem tatsächlich an die Autoren ausgekehrten Betrag und zur Höhe derjenigen Gebühren steht, die die Verwertungsgesellschaften für die öffentliche Aufführung der zu ihrem Bestand zählenden Musikwerke in anderen Mitgliedstaaten erheben?

Ich werde die Fragen in dieser Reihenfolge behandeln.

Zur ersten Frage (Artikel 39 und 59 EWG-Vertrag)

22.

Da ich die Frage nach dem Vorliegen überhöhter oder unangemessener Preise erst später, im Hinblick auf Artikel 86, untersuchen werde, wird die erste Frage verhältnismäßig einfach. Sie geht im Kern dahin, ob innerstaatliche Rechtsvorschriften, die es gestatten, die Zahlung einer Gebühr für die öffentliche Aufführung von Tonaufnahmen zu fordern, für deren Herstellung und Vermarktung eine Gebühr bereits in einem anderen Mitgliedstaat entrichtet wurde, als in Widerspruch zu Artikel 30 stehende Beschränkung des freien Warenverkehrs oder als Artikel 59 zuwiderlaufende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs anzusehen ist.

23.

Es liegt auf der Hand, daß die Erhebung einer Vergütung für Herstellung oder Vermarktung von Tonaufnahmen die Möglichkeiten der Verwertung der Urheberrechte an einem Musikwerk nicht erschöpft. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache 395/87 hervorhebt, soll der Grundsatz der Erschöpfung der Rechte, wie ihn die Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelt hat, verhindern, daß der Inhaber eines gewerblichen oder geistigen Eigentumsrechts dank der territorial beschränkten Geltung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mehrfach in den Genuß des Gewinns gelangt, der sich aus dem Verkauf des Gegenstands — zum Beispiel einer Tonaufnahme — ergibt, in dem sich sein schöpferisches Bemühen verkörpert. In den Rechtssachen, die uns beschäftigen, handelt es sich jedoch nicht um den Verkauf von Tonaufnahmen, sondern um die öffentliche Aufführung von Musikwerken; es liegt in der Natur solcher Aufführungen, daß sie unbegrenzt häufig wiederholt werden können.

24.

Nach einem weltweit anerkannten Grundsatz des Rechts des literarischen und künstlerischen Eigentums (das unter anderen in den Artikeln 9 und 11 der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, dem alle Mitgliedstaaten der EWG beigetreten sind, seinen Ausdruck gefunden hat) hat der Inhaber von Urheberrechten an einem musikalischen oder ähnlichen Werk die ausschließliche Befugnis, erstens die Vervielfältigung des Werks (im Wege von Herstellung und Vermarktung) und zweitens dessen öffentliche Aufführung zu genehmigen; diese beiden Verwertungsrechte können sowohl getrennt als auch kumulativ ausgeübt werden. Der Gerichtshof hat diesen Gesichtspunkt in seinem Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86 (Warner Brothers/Christiansen, Slg. 1988, 2605) anerkannt, als er „die beiden grundlegenden Rechte des Urhebers, das ausschließliche Recht der Aufführung und das ausschließliche Recht der Vervielfältigung“, angesprochen hat (Randnr. 13).

25.

Was Artikel 30 anbelangt, erkennt die Rechtsprechung des Gerichtshofes für bestimmte Arten von literarischen und künstlerischen Werken an, daß das Recht des Inhabers des Urheberrechts und seiner Rechtsnachfolger, eine Vergütung für jede öffentliche Vorführung der betroffenen Werke zu verlangen, zum wesentlichen Inhalt des Urheberrechts gehört (siehe für Filme das Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1980 in der Rechtssache 62/79, Coditel/Ciné Vog Films [„Coditei I“], Sig. 1980, 881, Randnrn. 12 bis 14; siehe ferner für Tonaufnahmen das Urteil in der Rechtssache 402/85, Basset/SACEM, Slg. 1987, 1747). In der Rechtssache Basset hat der Gerichtshof die Vereinbarkeit der zusätzlichen Gebühr für die mechanische Vervielfältigung mit Artikel 30 geprüft. Von dem Grundsatz ausgehend, daß diese Gebühr trotz ihrer irreführenden Bezeichnung als Teil der Abgeltung der Urheberrechte für die öffentliche Aufführung anzusehen ist, hat der Gerichtshof entschieden, daß

„die Erhebung der streitigen Gebühr, selbst wenn man unterstellt, daß sie sich auf die Einfuhren beschränkend auswirkt, nicht zu den nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotenen Maßnahmen gleicher Wirkung [gehört], da sie als übliche Verwertung eines Urheberrechts anzusehen ist und weder eine willkürliche Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels im Sinne des Artikels 36 EWG-Vertrag darstellt“ (Randnr. 16).

26.

Es liegt auf der Hand, daß die gleichen Grundsätze gelten, wenn es um Artikel 59 geht. In seinem Urteil in der Rechtssache Coditei I hat der Gerichtshof festgestellt:

„Zwar sind nach Artikel 59 EWG-Vertrag Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs verboten, doch erfaßt diese Bestimmung damit nicht die Grenzen für bestimmte wirtschaftliche Betätigungen, die auf die Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Schutz des geistigen Eigentums zurückgehen, es sei denn die Anwendung dieser Vorschriften stellte sich als ein Mittel willkürlicher Diskriminierung oder als eine versteckte Beschränkung in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten dar“ (Randnr. 15).

Wie bereits dargelegt, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Basset bestätigt, daß die Forderung einer Vergütung für die öffentliche Aufführung einer Tonaufnahme nicht als willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des Handels angesehen werden kann.

27.

Ich bin daher der Meinung, daß die erste Frage wie folgt zu beantworten ist:

„Die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag stehen der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen es eine Verletzung von Urheberrechten ist, wenn Musikwerke mittels Tonaufnahmen aufgeführt werden, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, eine Gebühr für Herstellung und Vermarktung der Aufnahmen jedoch bereits in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt wurde.“

Zur zweiten Frage (Artikel 85 EWG-Vertrag)

28.

Die Diskothekenbesitzer machen geltend, das Bestehen eines Netzes von Verträgen über gegenseitige Vertretung in Verbindung mit der Weigerung jeder der Verwertungsgesellschaften, die Nutzung ihrer Bestände durch Verbraucher musikalischer Werke außerhalb ihres inländischen Tätigkeitsgebietes zu genehmigen, bewirke eine Abschottung der inländischen Märkte und sichere jeder dieser Gesellschaften innerhalb ihres eigenen innerstaatlichen Tätigkeitsgebietes ein faktisches Monopol. Die französischen Betreiber von Diskotheken hätten daher keine andere Wahl, als mit der SACEM zu deren Bedingungen zu verhandeln, und seien nicht in der Lage, von den ausländischen urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften günstigere Bedingungen zu fordern. Die genannten Verträge in Verbindung mit der Weigerung, unmittelbare Genehmigungen zu erteilen, seien daher mit Artikel 85 Absatz 1 unvereinbar.

29.

Als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt verbietet Artikel 85 Absatz 1 alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Artikel 85 Absatz 1 untersagt insbesondere Vereinbarungen und sonstige einschränkende Praktiken, die darin bestehen, die Märkte oder die Versorgungsquellen aufzuteilen. Gemäß Artikel 85 Absatz 3 können Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, vom Verbot des Absatzes 1 freigestellt werden.

30.

Es kann davon ausgegangen werden, daß eine Reihe von Punkten zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig ist, und zwar erstens, daß es gegenseitige Abmachungen gibt und daß sie als Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 anzusehen sind; zweitens, daß die Abmachungen keinen ausschließlichen Charakter tragen (eine Ausschließlichkeitsklausel wurde im Laufe der siebziger Jahre auf Betreiben der Kommission aufgehoben) und daß es daher den Verwertungsgesellschaften grundsätzlich freisteht, zum einen die Aufführungsrechte in ein und demselben Territorium mehr als einer Gesellschaft anzuvertrauen und zum anderen auf den Territorien der anderen Gesellschaften unmittelbare Lizenzen zu erteilen. Ebenso unbestritten ist aber, daß die räumliche Begrenzung des Anwendungsbereichs jeder dieser Vereinbarungen zur Folge hat, daß die Verwertungsgesellschaften, selbst wenn sie den Wunsch hegen sollten, Kunden in den räumlichen Tätigkeitsbereichen der anderen Gesellschaften Lizenzen zu erteilen, in jedem Fall lediglich die Nutzung ihrer eigenen Bestände genehmigen könnten, nicht aber diejenige der Bestände der anderen Gesellschaften, deren Verwaltung ihnen in den gegenseitigen Vereinbarungen anvertraut wurden. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Die mit der Wahrnehmung der Aufführungsrechte betraute deutsche Gesellschaft, die GEMA, hätte zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Nutzung ihrer eigenen inländischen Bestände durch Konsumenten musikalischer Werke in Frankreich zu gestatten, könnte aber nicht der SACEM in der Weise Konkurrenz machen, daß sie das Repertoire der British Performing Rights Society oder gar das eigene inländische Repertoire der SACEM anböte, das sie, die GEMA, in Deutschland aufgrund eines Vertrags über gegenseitige Vertretung verwaltet. Die Parteien sind weiter darin einig, daß es bis zum heutigen Tage keinem französischen Diskothekenbetreiber gelungen ist, von einer ausländischen urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft eine unmittelbare Genehmigung zur Nutzung von deren Repertoire zu erhalten, und daß jede Gesellschaft innerhalb ihres eigenen inländischen Gebiets so lange faktisch absolute Ausschließlichkeit genießen wird, als derartige unmittelbare Genehmigungen nicht erteilt werden. So bedeutet — um auf das obige konkrete Beispiel zurückzukommen — eine Weigerung der GEMA, der Nutzung ihrer eigenen Bestände durch französische Diskothenbetreiber zuzustimmen, daß die SACEM keinen Wettbewerb seitens der GEMA zu befürchten hat, und zwar nicht einmal, soweit es um die eigenen Bestände der GEMA geht. Mehr noch, selbst dieses potentielle Wettbewerbselement erweist sich als illusorisch, da die Parteien anerkennen, daß die Erteilung einer unmittelbaren, auf die Bestände einer einzigen Verwertungsgesellschaft beschränkten Lizenz höchstwahrscheinlich weder für die Gesellschaft noch für die Diskothekenbesitzer ein attraktives geschäftliches Angebot darstellen würde.

31.

Zwei Punkte sind umstritten. Der erste betrifft die Frage, ob die Weigerung, direkte Lizenzen zu erteilen, das Ergebnis einer abgestimmten Verhaltensweise ist und daher unter Artikel 85 Absatz 1 fallen könnte. Beim zweiten Punkt geht es darum, ob die gegenseitigen Vereinbarungen und die Weigerung, Lizenzen zu erteilen, im Hinblick auf die praktischen Erfordernisse der Verwertung der Aufführungsrechte gegenüber den Diskotheken, ganz allgemein gesehen, in der Praxis den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen können.

32.

Die SACEM bestreitet in tatsächlicher Hinsicht nicht die Abschottung der Märkte und die faktische Ausschließlichkeitsstellung jeder einzelnen Verwertungsgesellschaft; sie führt jedoch mit Unterstützung der Kommission aus, diese Merkmale seien nicht das Ergebnis irgendeiner nach Artikel 85 Absatz 1 verbotenen Verhaltensweise, sondern spiegelten im Gegenteil die wirtschaftlichen Realitäten dieses besonderen Marktes wieder, die jeglichen Wettbewerb inpraktikabel machten und unvermeidlich zu der Notwendigkeit führten, die Aufführungsrechte auf einer territorialen Grundlage zu verwerten.

33.

Ich halte es nicht für möglich, in diesem Stadium eine kategorische Antwort auf die Fragen zu geben, die sich in den vorliegenden Rechtssachen im Rahmen von Artikel 85 stellen können. Diese Rechtssachen sind höchst ungewöhnlicher Art. Der erste Eindruck ist, daß wir es mit einer faktisch absoluten Ausschließlichkeit, einer vollständigen Aufteilung des Gemeinsamen Marktes nach Maßgabe der Staatsgrenzen und dem völligen Fehlen jeglichen Wettbewerbs zu tun haben; ein solcher Sachverhalt wäre auf jedem anderen Sektor offensichtlich mit Artikel 85 Absatz 1 unvereinbar. Andererseits handelt es sich in jeder Hinsicht um einen Markt mit Ausnahmecharakter, und zwar wegen der ungewöhnlichen Natur der in Rede stehenden Rechte am geistigen Eigentum, die nicht nur ihrem Geltungsbereich nach territorial begrenzt sind, sich ausschließlich nach innerstaatlichen, von einander stark abweichenden Rechtsvorschriften richten und im übrigen sehr lange Schutzfristen genießen, sondern die auch, um wirksam ausgeübt werden zu können, innerhalb der jeweiligen inländischen Territorien einer ständigen Überwachung und Verwaltung bedürfen. Die SACEM betont in diesem Zusammenhang, daß ein Wettbewerb zwischen Verwertungsgesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten der EWG nicht praktikabel sei und daß die gegenseitigen Verträge wie auch die Weigerung, unmittelbare Lizenzen zu erteilen, infolgedessen vernünftigerweise nicht als Verhinderung oder Einschränkung des Wettbewerbs angesehen werden könnten. Sie hebt hervor, daß jede Verwertungsgesellschaft, die auf einem anderen inländischen Territorium als ihrem eigenen tätig zu werden wünsche, Verwaltungsstrukturen aufbauen müßte, die es ihr gestatten würden, Verträge mit Kunden auszuhandeln, die Bemessungsgrundlage der gebührenbildenden Faktoren nachzuprüfen, die Nutzung ihrer Bestände zu überwachen und die notwendigen Maßnahmen gegen Verletzungen ihrer Urheberrechte zu ergreifen. In Anbetracht derartiger Aussichten könne jede Gesellschaft die Verwertung ihrer Bestände auf eine weniger mühsame, dafür aber wirksamere Weise sicherstellen, indem sie sie der bereits auf jenem anderen Territorium ansässigen Gesellschaft anvertraue. Dieses System komme insofern auch dem Benutzer zugute, als die gegenseitigen Vereinbarungen es diesem ermöglichten, im Wege von Verhandlungen mit nur einer einzigen Verwertungsgesellschaft Zugang zur Gesamtheit der weltweiten Bestände an Musikwerken zu erlangen.

34.

Der außergewöhnliche Charakter dieser Problematik wird durch die Starrheit der Wahl bestätigt, zu der Artikel 85 im vorliegenden Fall nötigt. Einerseits könnte, wenn es um den Nachweis ginge, daß der Wettbewerb nicht im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 eingeschränkt oder verfälscht wird, eine solche Feststellung auf dem vorliegenden Sektor nur aufgrund einer sorgfältigen Marktanalyse getroffen werden. Wenn die Analyse andererseits zu dem Ergebnis führen sollte, daß eine solche Wirkung gegeben ist, so könnten die in Rede stehenden Vereinbarungen offenbar nicht nach Artikel 85 Absatz 3 freigestellt werden: Wenn sie den Wettbewerb beeinträchtigen, können sie nämlich nicht dem letzten Erfordernis von Artikel 85 Absatz 3 genügen, da sie den Wettbewerb für den gesamten Markt ausschalten würden.

35.

Meiner Meinung nach obliegt es der Kommission, diese Probleme zu lösen, indem sie zu den Vereinbarungen Stellung nimmt, die ihr notifiziert worden sind. Die Kommission ist jedenfalls besser als die innerstaatlichen Gerichte in der Lage, den Markt gemeinschaftsweit zu untersuchen. Sie sollte auch in der Lage sein, zu entscheiden, ob die dauernde faktische Ausschließlichkeit das Ergebnis einer zwischen den mit der Wahrnehmung der Aufführungsrechte beauftragten Gesellschaften der Mitgliedstaaten abgestimmten Verhaltensweise ist oder aber sich zwangsläufig aus dem Wesen des Marktes ergibt, um den es sich handelt.

36.

Jedenfalls könnte es in Ermangelung jeglicher formeller Antwort der Kommission unnötig sein, daß sich die innerstaatlichen Gerichte in den vorliegenden Rechtssachen direkt zu den Artikel 85 betreffenden Fragen äußern. Die Gültigkeit der Vereinbarungen über die gegenseitige Vertretung und das Vorliegen aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen scheinen nicht unmittelbar Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten zu sein, mit denen diese Gerichte befaßt sind. Wie gerade aus dem Wortlaut der Fragen der vorlegenden Gerichte hervorgeht, sind diese Faktoren nur oder hauptsächlich insoweit relevant, als sie die beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86, die die SACEM innehat, noch verstärken. Unter diesem Gesichtspunkt würde es nach meiner Meinung genügen, wenn die genannten Gerichte die absolut ausschließliche Machtstellung und das völlige Fehlen von Wettbewerb als zwischen den Parteien kaum streitige tatsächliche Faktoren berücksichtigten.

37.

Sollte es für notwendig erachtet werden, daß die innerstaatlichen Gerichte in den vorliegenden Rechtssachen unmittelbar über die Anwendung von Artikel 85 befinden, so hätten sie als ersten Punkt die Weigerung der Verwertungsgesellschaften zu prüfen, Lizenzen für die Nutzung ihrer Bestände an außerhalb ihres eigenen inländischen Tätigkeitsgebiets ansässige Verbraucher zu vergeben. Es wäre Sache der vorlegenden Gerichte, zu beurteilen, ob dieser Umstand als ein Punkt angesehen werden kann, der im Verhältnis zu den gegenseitigen Vereinbarungen selbständige Bedeutung hat, und bejahendenfalls, ob die Weigerung, unmittelbare Lizenzen zu vergeben, das Ergebnis einer zwischen den Gesellschaften abgestimmten Verhaltensweise ist, wie dies die Diskothekenbetreiber in den vorliegenden Rechtssachen behaupten.

38.

Meines Erachtens kann die Frage der unmittelbaren Lizenzen nicht getrennt von derjenigen der gegenseitigen Vereinbarungen untersucht werden. Wie bereits erwähnt, könnten die Verwertungsgesellschaften wegen der in den gegenseitigen Verträgen vorgesehenen territorialen Begrenzungen selbst dann, wenn sie den Wunsch hätten, Lizenzen an in den Territorien der anderen Gesellschaften ansässige Benutzer zu vergeben, lediglich die Nutzung ihrer eigenen Bestände genehmigen; eine derart eingeschränkte Genehmigung dürfte aber, geschäftlich gesehen, lebensfremd sein. Hieraus ergibt sich meiner Auffassung nach, daß die Weigerung, unmittelbare Lizenzen zu erteilen, lediglich als logische Folge der gegenseitigen Vereinbarungen angesehen werden kann, so daß nicht geprüft zu werden braucht, ob diese Weigerung das Ergebnis einer abgestimmten Verhaltensweise ist.

39.

Nähme man hinsichtlich der Bedeutung des Aspekts der unmittelbaren Lizenzen einen anderen Standpunkt ein, so ginge die entscheidende Frage, vor der die vorlegenden Gerichte stünden, dahin, ob das Verhalten der ausländischen Verwertungsgesellschaften, das in der Weigerung liegt, den französischen Diskothekenbetreibern unmittelbare Lizenzen zu erteilen, das Ergebnis einer bewußten Koordinierung oder Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaften ist oder ob es sich vielmehr aus Entscheidungen ergibt, die die einzelnen Gesellschaften aufgrund einer Beurteilung ihrer eigenen Interessen jeweils autonom und für sich selbst getroffen haben. Bei der Beantwortung dieser Frage könnten die vorlegenden Gerichte meines Erachtens berücksichtigen, daß eine Zusammenarbeit zwischen den Verwertungsgesellschaften bereits besteht, nämlich als Folge des Netzes der Vereinbarungen über die gegenseitige Vertretung sowie der Tatsache, daß die Ausschließlichkeitsklausel erst vor relativ kurzer Zeit aus den Vereinbarungen entfernt wurde (siehe das Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83, Binon/AMP, Slg. 1985, 2015, 2040, Randnr. 17). Gleichzeitig müßten die genannten Gerichte untersuchen, ob sich das Parallelverhalten zufriedenstellend durch Faktoren erklären läßt, die nicht das Bestehen einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise voraussetzen (siehe das Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 29 und 30/83, Compagnie royale asturienne des mines SA und Rheinzink GmbH/Kommission, Slg. 1984, 1679, 1701, Randnr. 16). Bei der Prüfung der Frage, ob eine alternative Erklärung möglich ist, müßte den besonderen Erfordernissen Rechnung getragen werden, die mit der Verwertung der Aufführungsrechte im Verhältnis zu den Diskotheken verbunden sind und der SACEM zufolge die Erklärung und die Rechtfertigung dafür liefern, daß der in Rede stehende Markt auf nationaler Grundlage aufgebaut wurde (siehe oben Nr. 33).

40.

Die andere Frage, mit der sich die vorlegenden Gerichte beschäftigen müßten, ist die, ob die gegenseitigen Vereinbarungen (und, wenn sie als relevant angesehen wird, die Weigerung, unmittelbare Lizenzen zu vergeben) im Hinblick auf die besonderen Erfordernisse des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten (von denen oben in Nr. 33 die Rede war) den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen. Schließlich hätten die vorlegenden Gerichte, wenn sie zu dem Ergebnis kämen, daß der Wettbewerb tatsächlich oder potentiell beeinflußt wird, zu untersuchen, ob die Vereinbarungen nach Artikel 85 Absatz 3 freigestellt werden könnten. Sollten sie diese Möglichkeit bejahen, so müßten sie das Verfahren aussetzen und die Entscheidung der Kommission abwarten, die gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1962, S. 204) allein dafür zuständig ist, Freistellungen zu gewähren oder zu versagen.

41.

Ich schlage daher vor, die zweite Frage wie folgt zu beantworten:

„Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er

a)

den Abschluß von Vereinbarungen zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Verwertungsgesellschaften untersagt, kraft deren die einzelnen Gesellschaften auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verwaltung der Bestände der anderen Gesellschaften innerhalb ihrer jeweiligen inländischen Territorien übernehmen, soweit diese Vereinbarungen im Hinblick auf die besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen können;

b)

der Weigerung von Verwertungsgesellschaften, die durch ein Netz von Vereinbarungen über die gegenseitige Vertretung miteinander verbunden sind, entgegensteht, unmittelbare Lizenzen für die Nutzung ihrer inländischen Bestände durch Konsumenten musikalischer Werke in den inländischen Tätigkeitsgebieten der anderen Gesellschaften zu vergeben, wenn feststeht, daß diese Weigerung das Ergebnis einer unter diesen Gesellschaften abgestimmten Verhaltensweise ist und daß sie angesichts der besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen kann.“

Zur dritten und zur vierten Frage (Artikel 86 EWG-Vertrag)

42.

Die dritte und die vierte Frage betreffen den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86, und zwar jeweils unter den Gesichtspunkten der Gesamtlizenzen und der Höhe der Gebühr. Die vorlegenden Gerichte ersuchen nicht um eine Verdeutlichung der Begriffe der „beherrschenden Stellung“ oder der „Beeinträchtigung des Handels“ im Hinblick auf das Verhalten der SACEM. Sie scheinen davon auszugehen, daß diese beiden Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Artikel 86 erfüllt sind, und ich sehe keinen Grund dafür, diese Prämisse in Frage zu stellen. Dennoch muß ich der Prüfung der Frage des Mißbrauchs einige allgemeine Bemerkungen über die Art der beherrschenden Stellung der SACEM vorausschicken.

43.

Zunächst ist festzustellen, daß es sich nicht um eine beherrschende Stellung gewöhnlicher Art handelt. Daß die SACEM die einzige Verwertungsgesellschaft dieses Typs in Frankreich ist, daß sie keinerlei Anlaß hat, den Wettbewerb ausländischer Gesellschaften zu fürchten, und daß ihre Tätigkeit nicht nennenswert durch von öffentlichen Behörden erlassene Vorschriften geregelt ist, bedeutet, daß sie sich einer fast absoluten Handlungsfreiheit erfreut. Überdies besteht eine offensichtliche Ungleichheit, was die Stärke der jeweiligen Verhandlungspositionen der SACEM und der Diskotheken angeht, die eine große Zahl von kleinen und mittleren, räumlich verstreuten Unternehmen darstellen (wenn diese sich auch zumeist in mehreren Berufsverbänden zusammengeschlossen haben), die für ihre Tätigkeit völlig auf die Musik angewiesen sind und sich ihren Verhandlungspartner nicht aussuchen können. Obgleich diese Faktoren für sich allein nicht den Schluß auf einen Mißbrauch zulassen und der SACEM auch keine strengeren Verhaltensnormen auferlegen als jedem anderen Unternehmen in beherrschender Stellung, begründen sie meines Erachtens für die vorlegenden Gerichte die Notwendigkeit, die Frage, ob die angeblich mißbräuchlichen Praktiken gerechtfertigt sind, besonders gewissenhaft zu prüfen. Die Art und Weise, in der die innerstaatlichen Gerichte das Rechtfertigungsproblem in Angriff nehmen, mag je nach den Regeln ihrer verschiedenen heimischen Rechtsordnungen differieren. So könnte das eine Gericht zum Beispiel mit Vermutungen arbeiten, während ein anderes die Beweislast umkehrt. Das Endergebnis dürfte jedoch insofern stets das gleiche sein, als das betroffene beherrschende Unternehmen seine Praktiken rechtfertigen müßte.

Die Gesamtlizenz

44.

Wie bereits erwähnt, fordert die SACEM im Wege einer Pauschalklausel („clause forfaitaire“), die in den mit den Diskothekenbetreibern geschlossenen Musterverträge enthalten ist, die Zahlung einer einzigen Gebühr für den Zugang zu ihren gesamten Beständen, gleichviel welche oder wie viele Musikwerke von den Diskotheken tatsächlich genutzt werden. Die Diskothekenbesitzer machen geltend, daß es übertrieben hart sei, sie für den Zugang zum weltweiten Gesamtbestand der von der SACEM verwalteten Musikwerke zahlen zu lassen, obwohl ihr Bedarf dadurch gedeckt werden könnte, daß ihnen der Zugang lediglich zu einem bestimmten Teil oder zu bestimmten Teilen dieses Bestands eröffnet würde. Aus den Akten geht nicht mit völliger Klarheit hervor, was genau die Diskotheken fordern. An einer Stelle wird vorgebracht, sie strebten lediglich den Zugang zu bestimmten von der SACEM verwalteten ausländischen Beständen an, insbesondere zu den amerikanischen und britischen Musikwerken; an einer anderen Stelle heißt es, sie bemühten sich um den Zugang zu einer bestimmten Kategorie von musikalischen Werken, nämlich der populären Tanzmusik, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich angloamerikanischer Herkunft ist. Jedenfalls fordern sie etwas weniger Umfassendes als die Gesamtlizenz und geben zu verstehen, daß eine weniger umfassende Lizenz zwangsläufig auch weniger kostspielig sein würde.

45.

Kommission und französische Regierung betonen ihrerseits, die praktischen Schwierigkeiten, die mit einer Aufteilung des weltweiten Repertoires in vermarktungsfähige Teilgruppen verbunden wären, sowie die hieraus resultierende Notwendigkeit verstärkter Kontrolle und Überwachung könnten für die Konsumenten musikalischer Werke zu höheren anstatt zu niedrigeren Kosten führen. Sie heben ferner die Vorteile der Gesamtlizenzen hervor, die den Diskotheken völlige Freiheit bei der Auswahl der Musikwerke beließen.

46.

Der Gerichtshof hat noch keine Gelegenheit gehabt, über die Vereinbarkeit einer Praxis wie derjenigen der Gesamtlizenzen mit Artikel 86 zu entscheiden. In der Rechtssache 127/73 (BRT/SABAM und NV Fonior, Slg. 1974, 313) war er ersucht worden, unter anderem zu prüfen, ob es einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 begründen kann, wenn eine Verwertungsgesellschaft von ihren Mitgliedern die globale Abtretung aller ihrer Rechte verlangt, ohne hierbei nach der Art der Rechte zu unterscheiden. In seinem Urteil vom 27. März 1974 hat er festgestellt, daß bei der Entscheidung darüber, ob die Gesellschaft von ihren Mitgliedern unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingt, sämtliche beteiligten Interessen zu berücksichtigen sind, damit die wirksame Wahrnehmung der Rechte durch die Gesellschaft einerseits und das Erfordernis, den Mitgliedern ein Höchstmaß an freier Verfügung über ihre Werke zu belassen, andererseits in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden können; hierzu müsse geprüft werden, ob die umstrittenen Praktiken die Grenzen des zu diesem Zweck Unentbehrlichen überschreiten (Randnrn. 7 bis 11). Ich schlage vor, in den vorliegenden Rechtssachen in ähnlicher Weise vorzugehen, wobei ein ausgewogenes Verhältnis hier zwischen den Interessen der Verwertungsgesellschaft einerseits und denen einer Gruppe ihrer Kunden, nämlich der Diskothekenbetreiber, andererseits hexzustellen ist.

47.

Die Gerichte der Vereinigten Staaten hatten mehrfach in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten über die Praxis der mit der Wahrnehmung von Aufführungsrechten betrauten amerikanischen Gesellschaften Broadcast Music Inc. („BMI“) und American Society of Composers Authors and Publishers („ASCAP“) zu entscheiden, Gesamtlizenzen (bekannt unter der Bezeichnung „blanket licensing“) zu erteilen; sie haben die Problematik auch unter dem Gesichtspunkt der Abwägung der Vorteile, die das „blanket licensing“ sowohl für die Benutzer als auch für eine wirksame Wahrnehmung der Urheberrechte mit sich bringt, und der Nachteile betrachtet, die in der Einschränkung des Wettbewerbs und der Wahlfreiheit der Benutzer liegen. Obwohl bestimmte Akzentverschiebungen zu berücksichtigen sind, die sich aus den unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhängen ergeben, liefert die amerikanische Rechtsprechung doch einige nützliche Hinweise für die Bewertung der im Spiel befindlichen Interessen.

48.

In einem 1979 ergangenen Grundsatzurteil in der Rechtssache Columbia Broadcasting System gegen BMI und ASCAP (441 US 1, 60 L Ed 2nd 1, 99 S Ct 1551) hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschieden, daß das „blanket licensing“ für sich allein nicht als Verletzung des Sherman Act angesehen werden könne, sondern im Wege einer auf die „rule of reason“ gestützten Analyse zu würdigen sei. Nach der „rule of reason“ ist das Gericht gehalten, die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Praxis gegen deren wettbewerbshindernde Wirkungen abzuwägen, um feststellen zu können, ob die Praxis zu einer unangemessenen Einschränkung des Handels auf dem relevanten Markt führt. Aufgrund einer solchen Analyse der Beschwerden verschiedener Verbraucher über das „blanket licensing“ haben die amerikanischen Gerichte im allgemeinen zugunsten der Gesamtlizenz entschieden [siehe insbesondere Buffalo Broadcasting Inc. u. a./ASCAP und BMI, United States Court of Appeal for the Second Circuit, 18. September 1984, 744 F. 2nd 917; 223 US PQ (BNA) 478; Copy L. Rep. (CCH) P25, 710; Fed. Sec. L. Rep. (CCH) P66, 204]. Von besonderem Interesse ist der Fall BMI/Moor-Law Inc. [527 F. Supp. 758 (D. Del. 1981)], in dem der mit der Wahrnehmung der Aufführungsrechte betraute Verband eine Klage wegen Verletzung des Urheberrechts erhoben hatte, die darauf gestützt war, daß der Nachtclub der Beklagten die Musikbestände des Verbands ohne dessen Erlaubnis genutzt hatte; die Beklagte hatte mit einer Widerklage geltend gemacht, die BMI habe gegen die Anti-Trust-Vorschriften verstoßen, da sie dadurch einen rechtswidrigen Zwang ausgeübt habe, daß sie keine realistische Alternative zur Gesamtlizenz angeboten habe. Das Gericht ging unter dem Gesichtspunkt der „rule of reason“ an die Lösung des Falles heran und stellte unter anderem fest, die Gesamtlizenz beraube die Benutzer von Musikwerken der Kontrolle über ihre Gesamtverpflichtungen gegenüber der BMI, da die entrichtete Gebühr nicht auf der Grundlage von Faktoren berechnet worden sei, die sie kontrollieren könnten, wie etwa der Anzahl der Aufführungen eines bestimmten Werks, sondern anhand von Faktoren, die schwerer nachzuprüfen seien, wie zum Beispiel (in dieser Rechtssache) die Ausgaben des Nachtclubs für Unterhaltung. Als positiven Aspekt wertete das Gericht die Einfachheit und Wirtschaftlichkeit der Gesamtlizenz als Instrument der Vermarktung von Vorführrechten sowie die Bewegungsfreiheit, die sie Benutzern wie dem Beklagten in dieser Rechtssache belasse, die nicht im voraus festlegen könnten, von welchen Kompositionen sie Gebrauch machen würden. Das Gericht entschied, es gebe keine praktikablen Alternativen zur Gesamtlizenz; insbesondere würde eine Lizenz, die auf die Kategorie der vom Lizenznehmer genützten Musikwerke abstellte, zusätzliche Kosten für die Klassifizierung, die Überwachung der Nutzung und die Erledigung von Streitigkeiten über den Umfang der Lizenz mit sich bringen.

49.

In den uns beschäftigenden Rechtssachen ist es Sache der vorlegenden Gerichte, Vor- und Nachteile der Gesamtlizenz gegeneinander abzuwägen, wobei die besonderen Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen diese Art von Lizenz den Lizenznehmern aufgenötigt wird. Hierbei können die Gerichte das offensichtliche Interesse an der Gesamtlizenz als einem Instrument der Vermarktung der Aufführungsrechte sowie die Bewegungsfreiheit in Rechnung stellen, die sie Benutzern wie den Diskotheken gewährt, die ihren Bedarf nicht im voraus genau vorhersehen können. Es ist ferner Sache der vorlegenden Gerichte, zu untersuchen, ob eine brauchbare Alternative zur Gesamtlizenz besteht. Hierbei wird zunächst festzustellen sein, welches die wirklichen Forderungen der Diskotheken sind. Sollte es ihnen nur um den Zugang zu bestimmten ausländischen Musikbeständen gehen, so wären die Kosten der Klassifizierung wahrscheinlich niedrig, während die der Überwachung um so höher sein dürften. Andererseits wäre die Einführung einer neuen Kategorie „populäre Tanzmusik“ zweifellos kostspielig, jedenfalls zu Beginn; wenn man aber diese Kategorie hinreichend weit definierte, würden sich die Kosten der Überwachung nicht zwangsläufig erhöhen. Schließlich hätten die vorlegenden Gerichte meiner Meinung nach auch einen anderen Faktor zu berücksichtigen, der in der erwähnten Rechtssache SABAM sowie in einigen amerikanischen Entscheidungen als relevant angesehen wurde, nämlich die jeweilige Stärke der Verhandlungsposition der Parteien.

50.

Was die Formulierung der Antwort auf die dritte Frage betrifft, so habe ich mich zwar in meinen bisherigen Ausführungen bemüht, die entscheidenden Überlegungen ausführlich darzulegen; es könnte jedoch genügen, die in der Rechtssache SABAM, auf die ich Bezug genommen habe, ergangene Entscheidung zu übernehmen. Ich bin daher der Meinung, daß auf die dritte Frage wie folgt zu antworten ist:

„Eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 liegt vor, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die eine solche Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat, von ihren Kunden die Zahlung einer Gebühr für den Zugang zu den gesamten Beständen der Gesellschaft ohne Rücksicht darauf fordert, inwieweit die Kunden diese Bestände tatsächlich nutzen, und wenn die Erzwingung dieser Bedingung das Maß des für eine wirksame Wahrnehmung der Urheberrechte Erforderlichen überschreitet.“

Zur Höhe der Gebühr

51.

Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in den vorliegenden Rechtssachen betont, besteht bei jedem Monopol eine natürliche Tendenz zur Festsetzung eines Monopolpreises, das heißt eines Preises, der einen maximalen Gewinn sichert und höher ist als derjenige, den das Monopolunternehmen auf einem durch Wettbewerb gekennzeichneten Markt erzielen könnte. Obwohl ein solches Verhalten vom wirtschaftlichen Standpunkt aus völlig logisch ist, kann es dazu führen, daß den Kunden oder Verbrauchern unangemessen hohe Preise aufgezwungen werden. Artikel 86 untersagt als mißbräuchlich im besonderen die Erzwingung unangemessener Preise; der Gerichtshof hat entschieden, daß ein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 in der Erhebung eines im Vergleich zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung übertrieben hohen Preises liegen kann (Urteil vom 13. November 1975 in der Rechtssache 26/75, General Motors/Kommission, Slg. 1975, 1367).

52.

Im übrigen hat der Gerichtshof, was die Höhe der Vergütung betrifft, die die SACEM von den französischen Diskothekenbetreiber erhebt, bereits entschieden, daß

„es nicht ausgeschlossen [ist], daß die von der Verwertungsgesellschaft festgesetzte Vergütung oder die nebeneinander erhobenen Vergütungen eine solche Höhe erreichen können, daß Artikel 86 EWG-Vertrag zur Anwendung kommt“ (Urteil vom 9. April 1987 in der Rechtssache 402/85, Bas-set/SACEM, Slg. 1987, 1747, 1769, Randnr. 19).

In der Rechtssache Basset war der Gerichtshof jedoch nicht ersucht worden, über die Höhe der Gebühren zu entscheiden. In den vorliegenden Rechtssachen ersuchen die innerstaatlichen Gerichte besonders um Auskunft darüber, nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, ob die Gebühren unangemessen hoch sind.

53.

Den beim Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen eingereichten Erklärungen läßt sich eine Übereinstimmung zwischen den Parteien dahin gehend entnehmen, daß der in der Rechtssache 27/76 (United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207) herausgestellte Gesichtspunkt für die Feststellung, ob ein Preis im Vergleich mit dem wirtschaftlichen Wert des gewährten Vorteils überhöht ist, in dem Zusammenhang, der uns hier beschäftigt, nicht anwendbar ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof (bezüglich einer Ware, nicht einer Dienstleistung) festgestellt, daß ermittelt werden muß, ob ein übertriebenes Mißverhältnis zwischen den bei der Herstellung tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht, und daß bejahendenfalls zu prüfen ist, ob ein Preis erzwungen wurde, der, sei es absolut, sei es im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten, unangemessen ist (Randnr. 252). Die Parteien sind darin einig, daß es vorliegend unangebracht wäre, auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis vorzugehen, da es unmöglich sei, die Kosten der Hervorbringung einer geistigen Schöpfung wie eines Musikwerks zu bestimmen. Im übrigen ist es auch nicht möglich, die Höhe der von der SACEM festgesetzten Gebühren mit derjenigen der Gebühren von Mitbewerbern zu vergleichen, weil sie keine solchen hat.

54.

Angesichts der offensichtlichen Unangemessenheit der bisher eingeschlagenen Methode nennen die vorlegenden Gerichte drei denkbare Kriterien für die Feststellung, ob die Gebühr überhöht ist, nämlich Diskriminierung, Verhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem an die Autoren ausgekehrten Betrag sowie schließlich Vergleich mit der Höhe der Gebühren, die die der SACEM entsprechenden Gesellschaften von den Diskothekenbetreibern in anderen Mitgliedstaaten der EWG erheben. Die SACEM lehnt diese Kriterien, insbesondere den Vergleich mit den in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, ab und schlägt von sich aus einige andere Gesichtspunkte vor, vor allem die Bedeutung der Musik und damit des Zugangs zu den Musikbeständen für die Diskotheken, die Kosten dieses Zugangs im Verhältnis zur Gesamtheit der von den Diskotheken zu tragenden Kosten sowie schließlich einen Vergleich mit den Gebühren, die die SACEM von anderen Kategorien von Musikbenutzern in Frankreich fordert. Ich werde zunächst die von den vorlegenden Gerichten und anschließend die von der SACEM genannten Kriterien prüfen und dann untersuchen, ob es sonstige Kriterien gibt, auf die diese Gerichte sich stützen könnten, um die Höhe der Gebühr zu beurteilen.

i) 2.U den von den vorlegenden Gerichten genannten Kriterien

55.

Die Frage der Diskriminierung wird in der zweiten und der fünften der dem Gerichtshof in der Rechtssache 395/87 vorgelegten Fragen aufgeworfen. Die Vorlageentscheidung in dieser Rechtssache läßt indessen nicht klar erkennen, unter welchem Gesichtspunkt die Höhe der Gebühr als diskriminierend angesehen werden könnte. Daher könnten vier Möglichkeiten in Betracht gezogen werden:

1)

Die Gebühr ist diskriminierend, weil sie letztlich nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit des Diskothekenbetreibers und nicht der tatsächlichen Nutzung der Bestände der SACEM festgesetzt wird.

2)

Die Gebühr ist im Hinblick auf die Höhe der Gebühren diskriminierend, die die Verwertungsgesellschaften der anderen Mitgliedstaaten der EWG erheben.

3)

Die Gebühr ist diskriminierend, weil sie von den verschiedenen Kategorien von Diskothekenbetreibern in jeweils unterschiedlicher Höhe erhoben wird. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die Mehrzahl der Diskothekenbetreiber aufgrund besonderer Vereinbarungen zwischen ihren Berufsverbänden und der SACEM eine ermäßigte Gebühr entrichten, und daß einzelne andere Diskotheken ebenfalls in den Genuß günstiger Bedingungen kommen.

4)

Die Gebühr ist diskriminierend im Hinblick auf die Höhe der von anderen Kategorien von Benutzern musikalischer Werke erhobenen Gebühren.

56.

Die erste dieser Hypothesen wirft die gleiche Frage auf wie diejenige, die sich an die Gesamtlizenzen knüpft und bereits untersucht wurde (oben Nrn. 44 bis 49). Der Einfluß der Höhe der in anderen Mitgliedstaaten festgesetzten Gebühren auf die Beantwortung der Frage, ob die von der SACEM erhobene Gebühr überhöht ist, soll weiter unten untersucht werden (Nrn. 60 bis 63); jedenfalls aber kann der Unterschied zwischen den Gebührensätzen nicht als das Ergebnis einer von der SACEM vorgenommenen Diskriminierung angesehen werden, da diese in keiner Weise für die Festsetzung der Höhe der Gebühren in anderen Mitgliedstaaten verantwortlich ist. Soweit das vorlegende Gericht, wenn es von Diskriminierung spricht, die Tatsache vor Augen haben sollte, daß die SACEM für unterschiedliche Gruppen von Diskothekenbetreibern unterschiedliche Gebühren festsetzt, stellt ein solches Verhalten meines Erachtens keinen Anhaltspunkt dafür dar, daß die Grundgebühr von 8,25 % der Gesamteinnahmen überhöht wäre, sondern könnte den in Artikel 86 Buchstabe c gesondert aufgeführten Tatbestand des Mißbrauchs in Form der Diskriminierung erfüllen, nämlich eine „Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden“, darstellen. Um entscheiden zu können, ob eine derartige Diskriminierung vorliegt, wird das vorlegende Gericht als eine Tatsachenfrage zu prüfen haben, ob die unterschiedliche Behandlung von verschiedenen Kategorien von Diskothekenbetreibern objektiv gerechtfertigt ist. Die Kernfrage in dieser Hinsicht geht dahin, ob diejenigen Diskothekenbetreiber, denen eine günstigere Behandlung zuteil wird, für diese Sonderbehandlung eine tatsächliche und ausreichende Gegenleistung erbringen.

57.

Was die vierte Hypothese betrifft, hat der Gerichtshof in seinem bereits erwähnten Urteil der Rechtssache United Brands dargelegt, daß die Feststellung, ob ein Preis überhöht ist, insbesondere aufgrund einer Prüfung der Preise für vergleichbare Erzeugnisse getroffen werden kann. In dem uns beschäftigenden Zusammenhang können die vorlegenden Gerichte daher die Höhe der Gebühren berücksichtigen, die andere bedeutende Benutzer von Musikwerken — wie Rundfunk- und Fernsehanstalten — für den Zugang zu den Beständen der SACEM zu entrichten haben; läßt sich ein erhebliches Mißverhältnis zwischen den von diesen anderen Benutzern und den von den Diskothekenbetreibern gezahlten Gebühren feststellen, so kann dies ein Anzeichen dafür sein, daß die von letzteren zu entrichtenden Gebühren überhöht sind. Bei diesem Vergleich werden die vorlegenden Gerichte selbstverständlich in Rechnung zu stellen haben, daß die Mehrheit der Diskothekenbetreiber einen Betrag zahlt, der unter dem Basissatz von 8,25 % liegt. Hinzufügen möchte ich, daß die unterschiedliche Behandlung der Diskothekenbetreiber und der anderen Benutzer von Musikwerken, soweit sie objektiv nicht gerechtfertigt ist, ebenfalls einen gesonderten Mißbrauch nach Artikel 86 c darstellen kann (siehe oben Nr. 56).

58.

Die Höhe des Betrags der den Autoren gezahlten Vergütung als Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit der Gebühr wird in der dritten Frage zur Sprache gebracht, die dem Gerichtshof in der Rechtssache 395/87 vorgelegt worden ist. Es ist nicht deutlich, ob das vorlegende Gericht, wenn es auf den Betrag Bezug nimmt, der an die „Autoren“ gezahlt wird, die „Autoren“ im engen Sinne von Komponisten von Musikwerken oder im weiten Sinne von Inhabern von Urheberrechten im allgemeinen meint. Aus den der Kommission von der SACEM vorgelegten Zahlen geht hervor, daß die von den Diskotheken stammenden Einnahmen sich im Jahre 1986 auf etwas über 250 Millionen FF beliefen, von denen etwa 83 Millionen FF (nach Abzug der Verwaltungs- und sonstigen Kosten) an die Mitglieder der SACEM einschließlich der Verleger und Unterverleger ausgezahlt wurden; von diesen 83 Millionen FF wurden 27,6 Millionen FF speziell an die Komponisten und Textdichter gezahlt. Obgleich in der zuletzt genannten Zahl diejenigen Beträge nicht enthalten sind, die über die Parallelgesellschaften der SACEM in anderen Ländern an ausländische Komponisten gezahlt wurden, erscheint der Anteil der tatsächlich an die Komponisten ausgezahlten Beträge gering.

59.

Ich glaube jedoch nicht, daß der Aspekt der Höhe der speziell an die Komponisten gezahlten Beträge von Nutzen ist, wenn es um die Frage der Angemessenheit der von den Diskotheken entrichteten Gebühren geht. Grund hierfür ist, daß die Urheberrechte an einem Musikwerk in der Regel von verschiedenen Personen für verschiedene Zwecke innegehabt und verwertet werden. Jeder Inhaber eines Urheberrechts, sei er Komponist im engeren Sinne, Musikverleger oder Hersteller von Tonaufnahmen, hat Anspruch auf eine Vergütung aus den für das Musikwerk erhobenen Gebühren als Gegenleistung für sein schöpferisches Bemühen oder seine Investitionen. Es kann meiner Meinung nach nur in die Irre führen, wollte man auf den Betrag der Vergütung abstellen, die einer einzigen Gruppe von Urheberrechtsinhabern, nämlich den Komponisten, tatsächlich gezahlt wird. Dagegen meine ich, daß das Verhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem an die Gesamtheit der Urheberrechtsinhaber tatsächlich gezahlten Betrag für die Beurteilung der Angemessenheit der Gebühr relevant ist; ich werde auf diese Frage alsbald erneut zu sprechen kommen (siehe unten Nrn. 69 bis 73).

60.

Was das Kriterium des Vergleichs mit den in anderen Mitgliedstaaten der EWG festgesetzten Gebührensätzen betrifft, möchte ich gleich zu Beginn sagen, daß diese Methode meines Erachtens für die innerstaatlichen Gerichte von potentiellem, aber nicht von unmittelbarem Nutzen ist. Die mit dieser vergleichenden Methode verbundene Schwierigkeit liegt darin, daß ein objektiver Maßstab für den Vergleich zwischen den in den verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils angewandten Sätzen gefunden werden muß. Angesichts der Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Rechtsordnungen sowie den von den verschiedenen Verwertungsgesellschaften jeweils praktizierten Methoden der Berechnung und Einziehung der Gebühren ist dies keine leichte Aufgabe. Was zum Beispiel die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anbelangt, fordern lediglich die französischen und belgischen Rechtsvorschriften eine zusätzliche Gebühr für das Recht auf mechanische Vervielfältigung, was die Gesamthöhe der in diesen Ländern praktizierten Gebühren zwangsläufig in die Höhe treibt. Was die Berechnungs- und Einziehungsverfahren anbelangt, fordert die SACEM einen festen Prozentsatz der Gesamteinnahmen, während andere Verwertungsgesellschaften ihre Gebühren auf pauschaler Grundlage festsetzen, wobei sie auf Faktoren wie Betriebsfläche, Zahl der Sitzplätze, Eintrittspreis oder Preis des beliebtesten Getränks zurückgreifen.

61.

Wie die Kommission hervorhebt, besteht die einzige Methode, durch Bereinigung dieser Unterschiede zu einem sinnvollen Vergleich zu gelangen, wahrscheinlich darin, daß man die Daten auf der Grundlage der Gebühren vergleicht, die von einer typisierten, fiktiven Diskothek zu entrichten wären. Die Kommission hat sich im Rahmen ihrer noch andauernden Untersuchung über die Höhe der von der SACEM geforderten Gebühren einer solchen Rechenaufgabe unterzogen. Sie hat alle urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften aufgefordert, die von einer fiktiven Diskothek zu entrichtende jährliche Gebühr zu berechnen, und hinreichende Ansatzpunkte vorgegeben (Gesamteinnahmen, Größe usw.), so daß jede Gesellschaft ihre eigene Berechnungsmethode anwenden konnte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind dem Gerichtshof in Form einer Tabelle vorgelegt worden. Sie zeigen, daß die fiktive Diskothek den höchsten Betrag (100 %) in Frankreich zu zahlen hätte, dem lediglich Italien mit 91,37 % nahe kommt. Die in anderen Mitgliedstaaten zu zahlenden Beträge — in Deutschland 6,7 %, im Vereinigten Königreich 12,24 % und in Luxemburg 19,04 % des französischen Betrags — liegen erheblich niedriger. Was Luxemburg betrifft, wo die Aufführungsrechte von der SACEM verwaltet werden, so stellt man fest, daß die von den Diskotheken zu entrichtenden Gebühren auf pauschaler Grundlage festgelegt werden und daß die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften einschließlich der Festsetzung der Gebühren der Aufsicht des Wirtschaftsministers unterliegen (Großherzogliche Verordnung vom 26. Oktober 1972, Memorial 1972, S. 1495).

62.

In der mündlichen Verhandlung hat die SACEM zu Recht die der vergleichenden Untersuchung der Kommission innewohnenden Fehler kritisiert. Sie hat dargelegt, daß die Tabelle mehrere Irrtümer enthält: So wird zum Beispiel der von der portugiesischen Gesellschaft angegebene Tagessatz als zahlbare jährliche Gebühr angeführt; ferner übersieht die Kommission, daß die deutsche Gesellschaft, die GEMA, in den meisten Fällen auf die von ihr angewandten Gebühren einen Zuschlag von 50 % erhebt, um der Musik Rechnung zu tragen, die die Diskothek für ihren eigenen Gebrauch aufzeichnet. Die Berechnungen der Kommission berücksichtigen auch nicht die Nachlässe, die besonders erheblich in Frankreich sind, wo über 80 % der Diskotheken faktisch nur 6,26 % ihrer Gesamteinnahmen bezahlen, nicht also den Basissatz von 8,25 %. Ebensowenig berücksichtigen die Zahlen die oben (Nr. 60) erwähnte Tatsache, daß unter den Ländern der EWG lediglich Frankreich und Belgien einen zusätzlichen Betrag für die mechanische Vervielfältigung in Rechnung stellen. Schließlich und vor allem — und diese Beanstandung wird auch von der Kommission als richtig anerkannt — reicht eine bloße vergleichende Rechenarbeit offensichtlich nicht aus, um ein Gesamtbild der möglichen Abweichungen zu vermitteln, insbesondere wegen des grundlegenden Unterschieds zwischen der von der SACEM einerseits und der von den Gesellschaften der anderen Mitgliedstaaten andererseits jeweils angewandten Berechnungsmethoden. Solange ein solches Gesamtbild nicht gezeichnet werden kann, müßte eine Reihe von vergleichenden Berechnungen vorgenommen werden, wobei jeweils auf fiktive Diskotheken abzustellen und eine größere Zahl unterschiedlicher Vergleichsmaßstäbe anzulegen wäre.

63.

Wenn einmal solche vergleichenden Berechnungen angestellt worden sind und Ungleichheiten bei der Höhe der Gebühren ergeben haben, so könnten diese Ungleichheiten den innerstaatlichen Gerichten ein erstes Anzeichen für einen möglichen Mißbrauch liefern; jedoch wäre das bloße Bestehen solcher Ungleichheiten naturgemäß für sich allein nicht entscheidend. Sollten die Ergebnisse erweisen, daß die Gebühren in Frankreich erheblich höher liegen als in anderen Mitgliedstaaten, so wäre meiner Meinung nach ein Mißbrauch sehr wahrscheinlich und es wäre um so mehr Sache der SACEM, die Höhe der von ihr geforderten Gebühren zu rechtfertigen (siehe oben Nr. 43).

ii) Zu den von der SACEM vorgeschlagenen Kriterien

64.

Die SACEM lehnt einen Vergleich mit der Höhe der in anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren sowie die übrigen von den vorlegenden Gerichten zur Sprache gebrachten Kriterien ab; sie schlägt dafür gewisse andere Kriterien vor, so die Bedeutung der Musik für die Diskotheken, die Kosten der Gebühr im Verhältnis zu den von den Diskotheken zu tragenden Gesamtkosten sowie schließlich einen Vergleich mit den Gebühren, die von anderen Kategorien französischer Benutzer von Musikwerken gefordert werden.

65.

Das Kriterium der Bedeutung der Musik für die in Rede stehende Tätigkeit erscheint bei oberflächlicher Betrachtung attraktiv, da es nur logisch erscheint, daß diejenigen, die mehr Musik brauchen, bereit sein sollten, hierfür auch mehr zu zahlen.

Ich meine aber, daß ein solches Kriterium dann nicht mehr nützlich ist, wenn eine bestimmte Gruppe von Benutzern für ihre Tätigkeit völlig von der Lieferung von Musik abhängt und, da kein Wettbewerb stattfindet, letztlich jeden von ihr geforderten Preis zahlen muß. In dieser Lage befinden sich die französischen Diskotheken.

66.

Die SACEM behauptet, die Kosten, die die Diskotheken für die Gebühren aufzuwenden hätten, betrügen durchschnittlich 10 % der Gesamtausgaben, sie seien niedriger als andere Ausgaben, wie zum Beispiel diejenigen für Löhne und Gehälter, und stellten deshalb einen angemessenen Anteil dar. Aber gegen dieses Kriterium lassen sich die gleichen Einwände erheben wie gegen das zuvor genannte. Hängt der Käufer völlig von einem einzigen Lieferanten ab, so läßt sich nicht sagen, ab welchem Punkt die Kosten, die er aufwenden muß, um die Lieferung zu erhalten, für ihn nicht mehr angemessen sind: Er kann nur entweder zahlen oder seine Tätigkeit einstellen. Man muß sich auch vergegenwärtigen, daß das von der SACEM praktizierte Erhebungsverfahren, nämlich die Einziehung eines Prozentsatzes des gesamten Umsatzes es den Diskothekenbesitzern unmöglich macht, den Umfang ihrer finanziellen Verpflichtungen gegenüber der SACEM zu beeinflussen oder auch nur mit einiger Gewißheit vorauszusehen. Das System der Gesamtlizenzen und die praktische Unmöglichkeit, in unmittelbare Beziehung zu den ausländischen Verwertungsgesellschaften zu treten, hindern ihn im übrigen daran, dadurch Einsparungen zu versuchen, daß er seine Abhängigkeit von den Musikbeständen der SACEM verringert.

67.

Die SACEM liefert umfangreiche Erklärungen zu den Gebührensätzen, die sie von anderen wichtigen Benutzern von Musikwerken wie Rundfunk und Fernsehen erhebt; ihr zufolge drückt sich in den Unterschieden zwischen den von den verschiedenen Verbrauchergruppen gezahlten Sätzen die Bedeutung der Musik für die jeweilige Tätigkeit jeder Gruppe aus. Aber auch wenn das Gebührensystem der SACEM eine innere Logik aufweisen sollte, würde dies, wie der Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung nachdrücklich betont hat, noch nicht beweisen, daß es im Verhältnis zu den Kunden der Gesellschaft angemessen ist: Es ist denkbar, daß die den verschiedenen Gruppen auferlegten Belastungen zwar untereinander in einem vernünftigen Verhältnis stehen, jedoch sämtlich überhöht sind. Das von der SACEM vorgeschlagene Kriterium ist somit nur von begrenztem Nutzen. Wie bereits erwähnt, könnte hingegen ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen den von den einzelnen Gruppen jeweils zu tragenden Belastungen ein Anzeichen dafür sein, daß diese oder jene Belastung überhöht ist (siehe oben Nr. 57).

iii) Sonstige denkbare Kriterien

68.

Die Untersuchung der von den vorlegenden Gerichten und der SACEM vorgeschlagenen Kriterien hat für diese Gerichte nur wenig unmittelbar und konkret Nützliches erbracht. Um ihnen eine feste Grundlage für die Beurteilung der Gebühr im Verhältnis zum Wert des hierfür gewährten Vorteils zu liefern, ist es notwendig, auf ein objektives wirtschaftliches Kriterium wie dasjenige zurückzugreifen, das der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache United Brands zugrunde gelegt hat.

69.

Ich räume selbstverständlich ein, daß sich die dort gewählte Methode, nämlich der Vergleich zwischen Gestehungskosten und Verkaufspreis zum Zweck der Ermittlung der Gewinnspanne, nicht in allen Einzelheiten unmittelbar auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen läßt. Angesichts des Weges, den der Gerichtshof in der Rechtssache SABAM eingeschlagen hat und von dem bereits die Rede war, glaube ich jedoch, daß die vorlegenden Gerichte in der Lage sind festzustellen, ob die Gebühr überhöht ist, indem sie zu einer objektiven Methode greifen, die darin besteht, die Höhe der Gebühr (wobei die gesamten aus der Gebührenerhebung stammenden Einnahmen zu berücksichtigen sind) mit den für eine wirksame Wahrnehmung der Aufführungsrechte aufzubringenden Kosten und der Notwendigkeit, den Inhabern der Urheberrechte eine angemessene Vergütung zu gewähren, verglichen wird.

70.

Bei dieser Beurteilung werden die vorlegenden Gerichte der Kostenstruktur der SACEM Rechnung tragen müssen. Die jüngsten in den vorliegenden Rechtssachen zur Verfügung stehenden Zahlen stammen aus dem Jahre 1986 und sind dem Tätigkeitsbericht der SACEM für dieses Jahr und dem Schriftwechsel zwischen der SACEM und der Kommission entnommen. Aus diesen Unterlagen geht hervor, daß die Gesamteinnahmen der SACEM aus Gebühren jeglicher Herkunft sich im Jahre 1986 auf etwas über 1,1 Milliarden FF beliefen. Von diesem Betrag stammten ungefährt 250 Millionen FF, also etwa 25 %, von den ortsfesten und den mobilen Diskotheken, so daß diese in ihrer Gesamtheit nach dem Rundfunk-und Fernsehsektor die wichtigste Einnahmequelle darstellten. Von dieser Gesamteinnahme von 250 Millionen FF hat die SACEM 33 1/3 %, also etwas über 83 Millionen, für Verwaltungs- und Betriebskosten einbehalten, was nach Abzug bestimmter sonstiger Kosten einen Nettobetrag von 150 Millionen FF für die Ausschüttung an die Rechtsinhaber übrigließ. Von diesem Nettobetrag wurden ungefähr 83 Millionen FF an Mitglieder der SACEM ausgeschüttet, während etwa 46,8 Millionen FF an die ausländischen Verwertungsgesellschaften gingen, mit denen die SACEM Verträge über die gegenseitige Vertretung geschlossen hatte. Ungefähr 20 Millionen FF gelangten nicht zur Ausschüttung, da die Inhaber der entsprechenden Urheberrechte nicht ausfindig gemacht werden konnten.

71.

Selbstverständlich ist es Sache der vorlegenden Gerichte, die Kostenstruktur zu beurteilen und hieraus alle gebotenen Folgerungen zu ziehen. Die vorerwähnten Zahlen lassen jedoch zwei Punkte erkennen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen: erstens den von der SACEM zur Deckung der Verwaltungskosten einbehaltenen Anteil der Bruttoeinnahmen, zweitens den an die ausländischen Urheberrechtsgesellschaften ausgezahlten Anteil der Nettoeinnahmen.

72.

Bei den Verwaltungskosten zeigt sich, daß die SACEM den gleichen Anteil — nämlich 33 1/3 % —von sämtlichen Vergütungen abzieht, mögen diese an ihre eigenen Mitglieder oder an ausländische Gesellschaften gezahlt werden. Es fällt auf, daß der für Verwaltungskosten einbehaltene Betrag — 83 Millionen FF — demjenigen entspricht, der an die eigenen Mitglieder der SACEM ausgeschüttet wurde, und sich beinahe auf das Doppelte des Betrags beläuft, der den ausländischen Gesellschaften gezahlt wurde. Die Verwaltungskosten gliedern sich in drei Sparten, nämlich die Kosten der Lizenzerteilung (das heißt der mit den Diskotheken geschlossenen Verträge), die Kosten der Gebührenerhebung und die Kosten für die Ausschüttung einschließlich derjenigen Kosten, die durch die Überwachung der Nutzung der Musik entstehen. Angesichts der Verwendung von Musterverträgen und des umfassenden Charakters der Lizenzen besteht aller Anlaß zu der Annahme, daß die tatsächlichen Kosten der Lizenzerteilung niedrig liegen sollten. Desgleichen sollte die Tatsache, daß die große Mehrzahl der Diskotheken sich damit einverstanden erklärt hat, der SACEM als Gegenleistung für Konzessionen bezüglich des Gebührensatzes ihre Steuererklärungen zu übermitteln, die tatsächlichen Kosten der Gebührenerhebung senken. Was die Kosten der Überwachung der Nutzung der Musik betrifft, hat die SACEM in ihrem Schriftwechsel mit der Kommission, den diese in Beantwortung einer schriftlichen Frage dem Gerichtshof vorgelegt hat, offenbart, daß sie jährlich bei der Hälfte der ständig und einem Viertel der nur während der Saison geöffneten Diskotheken Prüfungen an Ort und Stelle vornimmt, bei denen sie jeweils zwei Stunden lang kontrolliert, welche Werke in der Diskothek tatsächlich gespielt werden. Kontrollen an Ort und Stelle erfordern offensichtlich einen erheblichen Personaleinsatz und sind deshalb wahrscheinlich kostspielig. Meiner Meinung nach ist es Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob diese Kontrollen notwendig und wirksam im Hinblick auf ihren Zweck sind, nämlich zu einer gerechten Aufteilung der Gebühren unter den Inhabern der Urheberrechte beizutragen, oder ob es für die SACEM genügen würde, sich auf andere Faktoren zu stützen wie die Erklärungen der Schallplattenjockeys, die die Diskothek in jedem Falle aufgrund der Musterverträge vorzulegen verpflichtet sind. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß die SACEM — wie aus dem vorerwähnten Schriftwechsel hervorgeht, der auch die Parallelgesellschaften der SACEM in anderen Mitgliedstaaten der EWG betraf — die einzige Verwertungsgesellschaft ist, die sich systematisch auf an Ort und Stelle durchgeführte Kontrollen stützt, während die anderen sich auf die Erklärungen der Schallplattenjockeys — mitunter in Verbindung mit gelegentlichen Stichproben — oder sogar auf bei externen Stellen eingeholte Auskünfte stützen, zum Beispiel darüber, wie häufig ein Werk im Rundfunk oder im Fernsehen gespielt wird.

73.

Wenn es richtig ist, daß die französischen Diskotheken hauptsächlich Popmusik angloamerikanischer Herkunft verwenden (es wird Sache der vorlegenden Gerichte sein, festzustellen, ob diese tatsächliche Behauptung zutrifft), so wäre zu erwarten, daß der größte Teil des für die Verteilung zur Verfügung stehenden Nettobetrags an die für die Aufführungsrechte zuständigen britischen und amerikanischen Gesellschaften ginge. Die vorerwähnten Zahlen zeigen jedoch, daß im Jahre 1986 von diesem Nettobetrag mehr als 50 % an die Mitglieder der SACEM und knapp 25 % an die ausländischen Gesellschaften ausgeschüttet wurden. Der an die ausländischen Gesellschaften ausgeschüttete Betrag umfaßt nicht bestimmte Beträge, die ebenfalls als Einnahmen aus der Verwertung ausländischer Musikwerke anzusehen sind, nämlich die an die französischen Unterverleger, Bearbeiter usw. der ausländischen Werke, die ihren Anteil an der Vergütung unmittelbar von der SACEM erhalten, zu zahlenden Beträge. Im übrigen wurde der Gesamtbetrag von 46,8 Millionen FF nicht zwischen den verschiedenen ausländischen Gesellschaften aufgeschlüsselt (obwohl die SACEM die Kommission darüber unterrichtet hat, daß die British Performing Right Society etwa 11,6 Millionen FF und die deutsche Gesellschaft GEMA etwa 5,4 Millionen FF erhalten hat). Die vorlegenden Gerichte werden daher unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung der ausländischen Bestände zu prüfen haben, ob der Anteil der Gebührenerträge, der an die ausländischen Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet wurde, einen Hinweis darauf liefert, daß die Gebühren überhöht sind.

74.

Die vierte Frage ist daher meiner Meinung nach wie folgt zu beantworten:

„Um festzustellen, ob eine Verwertungsgesellschaft, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, von einer bestimmten Benutzerkategorie überhöhte Gebühren fordert, so daß die Erzwingung dieser Gebühren einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag darstellt, können die innerstaatlichen Gerichte darauf abstellen, ob die Höhe der Gebühr in einem Mißverhältnis steht zu

a)

den Gebühren, die dieselbe Gesellschaft von anderen Benutzergruppen fordert;

b)

den Aufwendungen, die für eine wirksame Verwaltung der Urheberrechte erforderlich sind, sowie der Notwendigkeit, den Urheberrechtsinhabern eine angemessene Vergütung zu sichern.

Soweit eine wesentliche Ungleichheit zwischen der Höhe der von der Verwertungsgesellschaft, die die beherrschende Stellung innehat, geforderten Gebühren und denjenigen Gebühren besteht, die die Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten verlangen (vorausgesetzt, daß diese Ungleichheiten unter Anwendung objektiver Vergleichsmethoden ermittelt wurden), besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß die von der beherrschenden Gesellschaft erzwungene Gebühr überhöht ist, so daß diese Gesellschaft die Höhe der Gebühr zu rechtfertigen hat.“

Ergebnis

75.

Im Ergebnis sind die Fragen der Cour d'appel Poitiers und des Tribunal de grande instance Poitiers in den verbundenen Rechtssachen 110/88, 241 und 242/88 meiner Meinung nach wie folgt zu beantworten:

„1)

Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er

a)

den Abschluß von Vereinbarungen zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Verwertungsgesellschaften untersagt, kraft deren die einzelnen Gesellschaften auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verwaltung der Bestände der anderen Gesellschaften innerhalb ihrer jeweiligen inländischen Territorien übernehmen, soweit diese Vereinbarungen im Hinblick auf die besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen können;

b)

der Weigerung von Verwertungsgesellschaften, die durch ein Netz von Vereinbarungen über die gegenseitige Vertretung miteinander verbunden sind, entgegensteht, unmittelbare Lizenzen für die Nutzung ihrer inländischen Bestände durch Konsumenten musikalischer Werke in den inländischen Tätigkeitsgebieten der anderen Gesellschaften zu vergeben, wenn feststeht, daß diese Weigerung das Ergebnis einer unter diesen Gesellschaften abgestimmten Verhaltensweise ist und daß sie angesichts der besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen kann.

2)

Eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 liegt vor, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die eine solche Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat, von ihren Kunden die Zahlung einer Gebühr für den Zugang zu den gesamten Beständen der Gesellschaft ohne Rücksicht darauf fordert, inwieweit die Kunden diese Bestände tatsächlich nutzen, und wenn die Erzwingung dieser Bedingung das Maß des für eine wirksame Wahrnehmung der Urheberrechte Erforderlichen überschreitet.

3)

Um festzustellen, ob eine Verwertungsgesellschaft, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, von einer bestimmten Benutzerkategorie überhöhte Gebühren fordert, so daß die Erzwingung dieser Gebühren einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag darstellt, können die innerstaatlichen Gerichte darauf abstellen, ob die Höhe der Gebühr in einem Mißverhältnis steht zu

a)

den Gebühren, die dieselbe Gesellschaft von anderen Benutzergruppen fordert;

b)

den Aufwendungen, die für eine wirksame Verwaltung der Urheberrechte erforderlich sind, sowie der Notwendigkeit, den Urheberrechtsinhabern eine angemessene Vergütung zu sichern.

Soweit eine wesentliche Ungleichheit zwischen der Höhe der von der Verwertungsgesellschaft, die die beherrschende Stellung innehat, geforderten Gebühren und denjenigen Gebühren besteht, die die Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten verlangen (vorausgesetzt, daß diese Ungleichheiten unter Anwendung objektiver Vergleichsmethoden ermittelt wurden), besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß die von der beherrschenden Gesellschaft erzwungene Gebühr überhöht ist, so daß diese Gesellschaft die Höhe der Gebühr zu rechtfertigen hat.“

76.

Die Fragen der Cour d'appel Aix-en-Provence in der Rechtssache 395/87 sollten nach meiner Ansicht wie folgt beantwortet werden:

„1)

Die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag stehen der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen es eine Verletzung von Urheberrechten ist, wenn Musikwerke mittels Tonaufnahmen ohne Entrichtung aufgeführt werden, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, eine Gebühr für Herstellung und Vermarktung der Aufnahmen jedoch bereits in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt wurde.

2)

Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er

a)

den Abschluß von Vereinbarungen zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Verwertungsgesellschaften untersagt, kraft deren die einzelnen Gesellschaften auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verwaltung der Bestände der anderen Gesellschaften innerhalb ihrer jeweiligen inländischen Territorien übernehmen, soweit diese Vereinbarungen im Hinblick auf die besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen können;

b)

der Weigerung von urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften, die durch ein Netz von Vereinbarungen über die gegenseitige Vertretung miteinander verbunden sind, entgegensteht, unmittelbare Lizenzen für die Nutzung ihrer inländischen Bestände durch Konsumenten musikalischer Werke in den inländischen Tätigkeitsgebieten der anderen Gesellschaften zu vergeben, wenn feststeht, daß diese Weigerung das Ergebnis einer unter diesen Gesellschaften abgestimmten Verhaltensweise ist und daß sie angesichts der besonderen Merkmale des Marktes für die Verwertung von Aufführungsrechten den Wettbewerb auf diesem Markt verhindern, einschränken oder verfälschen kann.

3)

Eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 liegt vor, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die eine solche Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat, von ihren Kunden die Zahlung einer Gebühr für den Zugang zu den gesamten Beständen der Gesellschaft ohne Rücksicht darauf fordert, inwieweit die Kunden diese Bestände tatsächlich nutzen, und wenn die Erzwingung dieser Bedingung das Maß des für eine wirksame Wahrnehmung der Urheberrechte Erforderlichen überschreitet.

4)

Um festzustellen, ob eine Verwertungsgesellschaft, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, von einer bestimmten Benutzerkategorie überhöhte Gebühren fordert, so daß die Erzwingung dieser Gebühren einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag darstellt, können die innerstaatlichen Gerichte darauf abstellen, ob die Höhe der Gebühr in einem Mißverhältnis steht zu

a)

den Gebühren, die dieselbe Gesellschaft von anderen Benutzergruppen fordert;

b)

den Aufwendungen, die für eine wirksame Verwaltung der Urheberrechte erforderlich sind, sowie der Notwendigkeit, den Urheberrechtsinhabern eine angemessene Vergütung zu sichern.

Soweit eine wesentliche Ungleichheit zwischen der Höhe der von der Verwertungsgesellschaft, die die beherrschende Stellung innehat, geforderten Gebühren und denjenigen Gebühren besteht, die die Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten verlangen (vorausgesetzt, daß diese Ungleichheiten unter Anwendung objektiver Vergleichsmethoden ermittelt wurden), besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß die von der beherrschenden Gesellschaft erzwungene Gebühr überhöht ist, so daß diese Gesellschaft die Höhe der Gebühr zu rechtfertigen hat.“


( *1 ) Originalsprache: Englisch.

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