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Document 61987CC0142
Opinion of Mr Advocate General Tesauro delivered on 19 September 1989. # Kingdom of Belgium v Commission of the European Communities. # State aid to a steel pipe and tube manufacturer - Recovery. # Case C-142/87.
Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 19. September 1989.
Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen für ein Unternehmen der Stahlröhrenindustrie - Rückforderung.
Rechtssache C-142/87.
Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 19. September 1989.
Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen für ein Unternehmen der Stahlröhrenindustrie - Rückforderung.
Rechtssache C-142/87.
Sammlung der Rechtsprechung 1990 I-00959
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1989:335
Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 19/09/1989. - KOENIGREICH BELGIEN GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN FUER EIN STAHLROHRUNTERNEHMEN - AUFHEBUNG IM WEGE DER RUECKFORDERUNG. - RECHTSSACHE 142/87.
Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-00959
Schwedische Sonderausgabe Seite 00369
Finnische Sonderausgabe Seite 00387
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Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1 . Die belgische Regierung ficht die Entscheidung vom 4 . Februar 1987 an, mit der die Kommission die Rechtswidrigkeit ( wegen Verstosses gegen die Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag ) und die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne des Artikels 92 von erheblichen Finanzhilfen ( von mehr als 12 Mrd BFR ) festgestellt hat, die von ebendieser Regierung dem Stahlwerk Tubemeuse im Zeitraum von 1984 bis 1986 in verschiedenen Formen ( Kapitalaufstockung und Zeichnung von Wandelschuldverschreibungen, Umwandlung garantierter Darlehen in Gesellschaftskpapital und sonstige Mittelzuführungen ) gewährt wurden, und zugleich deren Rückforderung angeordnet hat .
Vorfrage
2 . Vor der Prüfung der Begründetheit der Klage ist allerdings eine Frage zu untersuchen, mit der sich die Kommission in ihren Schriftsätzen und in der Verhandlung eingehend beschäftigt und zu der sie eine ausdrückliche Entscheidung des Gerichtshofes erbeten hat .
Die Kommission erhebt vorab die Einrede der Unzulässigkeit der Klagegründe, die in Zusammenhang mit der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag stehen .
Die belgische Regierung habe nämlich nicht bestritten, daß vorliegend die verfahrensrechtlichen Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 verletzt worden seien . Diese Verletzung bedeute aber per se die Rechtswidrigkeit der Gewährung der betreffenden Beihilfe unabhängig von einer Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit den materiellrechtlichen Vorschriften des Artikels 92 Absatz 3 . Hieraus folgt nach Meinung der Kommission, daß die mit der Klage erhobenen Rügen zur Anwendung dieser Vorschriften als unzulässig zurückzuweisen sind .
3 . Ich möchte vor allem klarstellen, daß die von der Kommission aufgeworfene Frage ihrer Tragweite und ihren Implikationen nach in Wahrheit nicht als Einrede der Unzulässigkeit im eigentlichen Sinn eingestuft werden sollte .
Die angefochtene Entscheidung führt zunächst beide Verletzungen, sowohl die des Artikels 93 Absatz 3 wie die des Artikels 92, an ( Artikel 1 : "Die Beihilfen ... sind ausserdem aufgrund von Artikel 92 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar "), und die Begründung wird in der einen wie in der anderen Richtung entwickelt . Die von der belgischen Regierung auch zu dem die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag betreffenden Teil der Entscheidung erhobene Rüge ist also ohne weiteres "zulässig ". Sodann ersucht die Kommission, wie sie auch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, den Gerichtshof eher um die Berücksichtigung eines Kriteriums der Prozessökonomie : Sei erst einmal die Rechtswidrigkeit der betreffenden staatlichen Maßnahme gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag festgestellt, dann sei es nicht notwendig, noch weiter zu prüfen, ob die gleiche Maßnahme auch noch anderen Bestimmungen des Vertrages widerspreche, insbesondere, ob sie mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne und mit den Wirkungen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag vereinbar sei .
Die Kommission ersucht im wesentlichen um die Anerkennung ihrer Befugnis, die Unvereinbarkeit jedweder staatlichen Finanzhilfe mit dem Gemeinsamen Markt festzustellen, die eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 ist und unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 ( Pflicht zur Unterrichtung und Durchführungsverbot ) durchgeführt wurde, ohne in einem solchen Fall zu einer Prüfung gehalten zu sein, ob für diese Beihilfe die Ausnahmen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag herangezogen werden können . Und die Kommission fordert weiter, der Gerichtshof möge sich mit einer solchen Prüfung nicht befassen ( Klageerwiderung S . 6 ), da er bezueglich solcher Beihilfen über keinen "Ermessensspielraum" verfüge .
Die Argumentation der Kommission ist ganz klar : Der Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag ist, da es sich um eine Bestimmung des Ordre public mit unmittelbarer Wirkung handelt, ein unheilbarer Mangel, der die Beihilfe für sich allein und endgültig rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar macht, ohne daß andere Prüfungen zur "Begründetheit" anzustellen wären . Wird der Verstoß nicht bestritten, wie es hier für die belgische Regierung zutrifft, sind die materiellrechtlichen Rügen "unzulässig" in dem Sinne, daß sich der Gerichtshof nicht mit ihnen zu befassen hat .
4 . Die Kommission unterstreicht bei ihrer Bitte an den Gerichtshof, sich zu der hier dargestellten Frage zu äussern, deren Neuigkeit und deren Wichtigkeit im Sinne der Effizienz des Prüfungsverfahrens bei staatlichen Beihilfen ( 1 ). Sie stellt fest, daß in letzter Zeit eine ständige Zunahme der ohne vorherige Unterrichtung durchgeführten Beihilfen ( 2 ) festzustellen sei . Die Staaten führten, statt die Beihilfen in der Planungsphase - wie es Artikel 93 Absatz 3 vorschreibe - mitzuteilen, diese unmittelbar durch . Sie beschränkten sich darauf abzuwarten, bis die Kommission aus eigenem Antrieb oder aufgrund der Meldung Dritter Erklärungen bezueglich der getroffenen Maßnahmen anfordere . Dann und erst dann gebe der Staat die angeforderten Erklärungen ab und mache es damit möglich, gegebenenfalls das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten .
Im übrigen sei, auch wenn das Verfahren mit einer Entscheidung abgeschlossen werde, die die Unvereinbarkeit der Beihilfe feststelle und ihre Rückgängigmachung ex tunc durch Rückforderung anordne, eine solche Vorgehensweise nicht befriedigend .
In erster Linie seien die Möglichkeiten der Rückforderung um so entfernter, je länger die Dauer des Prüfungsverfahrens sei, die die Mitgliedstaaten noch durch Verzögerungen künstlich in die Länge zu ziehen suchten .
Zweitens entstehe insoweit, als die Beihilfe während des Prüfungsverfahrens entgegen der in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 vorgesehenen Wartepflicht durchgeführt würden, eine ständige Verzerrung des Wettbewerbs, deren abträgliche Wirkungen - insbesondere in Krisensektoren - auch nicht durch eine spätere und häufig genug hypothetische Rückforderung der zu Unrecht gewährten Vorteile seitens des Staates neutralisiert werden könnten ( hier sei insbesondere an die Mitbewerber der begünstigten Unternehmen zu denken, die ihre eigene Tätigkeit hätten aufgeben müssen ) ( 3 ).
Letztlich laufe das vom Vertrag eingeführte Verfahren der Vorprüfung Gefahr, durch ein immer undurchsichtigeres Verhalten, das die Kommission vor vollendete Tatsachen stelle, zunichte gemacht zu werden . Dies sei sicherlich eine rechtswidrige Erscheinung, der Maßnahmen ex post nur zum Teil abzuhelfen vermöchten . Hieraus folge die Notwendigkeit, eine neue Form des Handelns ex ante zu entwickeln, eine Art "Abschreckung", die die Staaten dazu bringe, entweder die Beihilfevorhaben rechtzeitig mitzuteilen oder, soweit Beihilfen verfrüht ( d . h . während der Vorprüfung ) durchgeführt würden, auf Ersuchen der Kommission den Status quo ante wiederherzustellen . Diese habe daher, wenn sie es für unerläßlich halte, die Möglichkeit, die Vorprüfung der Vereinbarkeit nur bei solchen noch im Planungsstadium befindlichen Beihilfen und damit genau unter den vom Vertrag gewollten Bedingungen durchzuführen .
5 . In Ergänzung der bisherigen Ausführungen sei noch verdeutlicht, daß die These der Kommission zwei neue Aspekte aufweist . Vor allem beansprucht wie gesagt die Kommission eine Art neuer Entscheidungsbefugnis, mit der die Rechtswidrigkeit einer Beihilfe wegen Verstosses gegen Artikel 93 Absatz 3 festgestellt und geltend gemacht werden soll . Es würde sich mithin zumindest prima facie um eine Befugnis handeln, die ausserhalb des verfahrensrechtlichen Rahmens sowohl des Artikels 169 ( die Kommission stellt den Verstoß unmittelbar fest ) als auch des Artikels 93 Absatz 2 ( die fragliche Entscheidung sieht von der Prüfung der Vereinbarkeit ab ) anzusiedeln wäre .
Eine etwas aufmerksamere Prüfung lässt jedoch erkennen, daß dies nicht eigentlich das wesentliche Anliegen in der Argumentation der Kommission ist . Es wird deutlich, daß unabhängig davon, wer auf welche Weise die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 feststellt, die Rechtsfolge, die an eine solche Verletzung geknüpft sein soll, das entscheidende Moment ist . Die abschreckende Wirkung, die gegenüber den Mitgliedstaaten erreicht werden soll, um Artikel 93 Absatz 3 Beachtung zu verschaffen, hängt nämlich davon ab, ob die - wie auch immer festgestellte - Rechtswidrigkeit der Beihilfe die Kommission von der Prüfung entbindet, ob die Beihilfe den Ausnahmebestimmungen des Artikels 92 Absatz 3 entspricht, d . h . materiellrechtlich mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist .
Auf diesen zweiten Aspekt werde ich daher in der Folge meine Untersuchung konzentrieren .
Ich weise zunächst darauf hin, daß die von der Kommission aufgeworfene Frage eine Antwort auch in den gleichen verfahrensrechtlichen Formulierungen finden könnte, in denen sie der Gewohnheit gemäß, aber unrichtig gestellt worden ist . Ganz streng genommen und bei vollumfänglicher Beachtung der dem Gerichtshof und seiner Würdigung gesetzten verfahrensrechtlichen Grenzen könnte dieser sich auf eine - meiner Meinung nach abweisende - Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit beschränken und das Problem der Vereinbarkeit der streitigen staatlichen Hilfen gemäß Artikel 92 EWG-Vertrag angehen, wie es übrigens auch die Kommission in ihrer angefochtenen Entscheidung getan hat .
Ich meine gleichwohl, diese von der Kommission aufgeworfene Frage auf ihren Gehalt hin untersuchen zu müssen, da sie, wie niemandem entgehen wird, von grosser Bedeutung ist und über das Verfahrensproblem hinaus aufmerksame Betrachtung verdient .
Vorab möchte ich weiter bemerken, daß die These der Kommission sich auf eine grundlegende Erwägung stützt : Gegenwärtig bleibe die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 im wesentlichen ohne ausreichend wirksame Folgen . Die Mitgliedstaaten hätten letztlich bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung "nichts zu verlieren", was die Zunahme der Fälle zu Unrecht durchgeführter staatlicher Beihilfen erkläre .
Insoweit sei mir die Bemerkung erlaubt, daß diese These eine vielleicht etwas zu pessimistische Betrachtungsweise erkennen lässt . Ein Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 hat nämlich für den zuwiderhandelnden Staat eindeutige Folgen sowohl im innerstaatlichen Bereich als auch auf Gemeinschaftsebene . Diese Bestimmung scheint daher in gleichem Masse wie andere Bestimmungen des Vertrages, wenn nicht in höherem Masse, mit effektiven Garantien versehen zu sein .
Angesichts der Bedeutung dieses Aspekts scheint es mir sinnvoll zu sein, vor der Prüfung des Kerns der These der Kommission die wesentlichen Merkmale der Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 aufzuzeigen und zu untersuchen, welches im Licht der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung die möglichen Folgen ihrer Verletzung sind .
6 . Es sei nochmals festgehalten, daß das Verfahren der Vorprüfung "neuer Beihilfen" ( oder der Umwandlung bestehender Beihilfen ) dem Hauptzweck dient, zu vermeiden, daß solche Beihilfen, ohne zuvor auf Gemeinschaftsebene auf ihre Vereinbarkeit hin überprüft worden zu sein, eingeführt werden und damit Verfälschungen hervorrufen .
Die Vorprüfung bringt für die Mitgliedstaaten die doppelte Verpflichtung mit sich,
- die Kommission rechtzeitig über Vorhaben zu unterrichten, mit denen Beihilfen eingeführt oder umgewandelt werden sollen ( gemeinhin als Pflicht zur Notifizierung bezeichnet, obwohl die Terminologie des Vertrages vielleicht nicht zufällig weniger genau ist );
- die geplanten Maßnahmen nicht durchzuführen, bis das gemeinschaftsrechtliche Verfahren ( 4 ) abgeschlossen ist ( Wartepflicht oder Durchführungsverbot ).
Die erste dieser Pflichten hat, nur für sich betrachtet, keine unmittelbaren Wirkungen in dem Sinne, daß sie, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Costa/ENEL ( 5 ) festgestellt hat, "... keine Rechte der einzelnen begründet"; gleichwohl entfaltet sie eine Bindungswirkung im Verhältnis zwischen den Staaten, die sie übernommen haben, und der Gemeinschaft . Überdies ist unsicher, ob die unterlassene Mitteilung einer eingeführten, aber nicht durchgeführten Beihilfe stets eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts darstellt . Das ist sicher der Fall, wenn der die Beihilfe einführende Akt deren Durchführung vorschreibt oder auch nur gestattet . Umgekehrt ließe sich sagen, daß die nicht mitgeteilte Einführung einer Beihilfe durch einen Akt, der zugleich deren Durchführung bis zum Abschluß der gemeinschaftsrechtlichen Prüfung aussetzt, nicht schon für sich allein rechtswidrig sein muß, da sich der Staat lediglich die Möglichkeit offengehalten hat, entweder die Beihilfe nachträglich mitzuteilen ( und damit das Prüfungsverfahren in Gang zu bringen ) oder aber sie zu widerrufen . Dies ist vielleicht eine nicht naheliegende, aber doch nicht unmögliche Fallgestaltung .
Von grösserer Bedeutung, weil geeignet, wirkliche Verzerrungen des Wettbewerbs hervorzurufen, ist die Verletzung der Wartepflicht . In dem Urteil Heineken ( 6 ) heisst es hierzu :
"Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 (( sichert )) den durch diesen Artikel, der seinerseits für die Gewährleistung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes wesentlich ist, eingeführten Kontrollmechanismus . Das in diesem Artikel vorgesehene Durchführungsverbot soll gewährleisten, daß die Wirkungen der Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission eine angemessene Frist gehabt hat, um das Vorhaben im einzelnen zu prüfen und gegebenenfalls das in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehene Verfahren einzuleiten" ( Randnr . 20 ).
Der Gerichtshof hat ferner schon mit dem Urteil in der Rechtssache Costa/ENEL die unmittelbare Wirkung des Durchführungsverbots anerkannt .
Er hat dessen Tragweite durch den Hinweis verdeutlicht, daß die Wartepflicht ihre Wirkungen nicht nur während des Prüfungsverfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 entfaltet, sondern "auch schon während der gesamten Vorprüfungsphase, nämlich während der ersten Prüfung des Beihilfevorhabens" ( 7 ).
Erst recht gilt das Verbot der Durchführung für die nicht mitgeteilten Beihilfen, bei denen naturgemäß nicht einmal das Vorprüfungsverfahren eingeleitet werden konnte .
7 . Welches sind nun die Rechtsfolgen einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3?
Hier ist vor allem zwischen den rein innerstaatlichen und den Gemeinschaftsaspekten zu unterscheiden .
Für den innerstaatlichen Bereich hat sich der Gerichtshof wie gesagt nach dem Urteil in der Rechtssache Costa/ENEL mehrfach zur unmittelbaren Wirkung des Durchführungsverbots geäussert .
In der Rechtssache Capolongo ( 8 ) heisst es zu neuen Beihilfen :
"Artikel 93 Absatz 3 letzter Satz ... (( stellt )) Verfahrensregeln (( auf )), die der nationale Richter würdigen kann ".
In der Folge hat der Gerichtshof in den Rechtssachen Lorenz, Markmann, Nordsee und Lohrey ( 9 ) bekräftigt, daß sich die unmittelbare Geltung des Durchführungsverbots auf den gesamten Zeitraum erstreckt, in dem das Verbot wirksam ist, und hervorgehoben, daß von dieser Verbotswirkung
"jede Beihilfemaßnahme (( betroffen ist )), die durchgeführt wird, ohne daß sie angezeigt ist, oder die im Falle der Anzeige während der Vorprüfungsphase oder - falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet - vor Erlaß der abschließenden Entscheidung durchgeführt wird" ( Randnr . 8 ),
und schließlich entschieden :
"Wenn auch ... die unmittelbare Geltung des besagten Verbots die nationalen Gerichte nötigt, das Verbot anzuwenden, ohne daß ihm wie immer geartete Vorschriften des nationalen Rechts entgegengehalten werden können, so bestimmen sich doch die rechtstechnischen Voraussetzungen für die Erreichung dieses Zieles nach dem internen Recht jedes Mitgliedstaates" ( Randnr . 9 ).
In der Rechtssache Steinike ( 10 ) hat der Gerichtshof entschieden :
"Für neue Beihilfen, welche die Mitgliedstaaten einzuführen beabsichtigen, ist ein vorab durchzuführendes Verfahren vorgeschrieben, ohne das eine Beihilfe nicht als ordnungsgemäß eingeführt angesehen werden kann ." ( Randnr . 9 )
"Die oben erörterte Begrenzung der Möglichkeit, aus Artikel 92 Rechte herzuleiten, bedeutet jedoch nicht, daß die staatlichen Gerichte nicht mit Streitigkeiten befasst werden könnten, durch die sie zur Auslegung - gegebenenfalls unter Rückgriff auf das Verfahren nach Artikel 177 des Vertrages - und Anwendung der in Artikel 92 enthaltenen Bestimmungen gezwungen würden, doch können sie hierbei - ausser im Falle einer unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 eingeführten Beihilfe - nicht die etwaige Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe feststellen .
So kann ein staatliches Gericht Veranlassung haben, den in Artikel 92 enthaltenen Begriff der Beihilfe auszulegen und anzuwenden, um zu bestimmen, ob eine ohne Beachtung des in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführte staatliche Maßnahme diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen" ( Randnr . 14 ).
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß im innerstaatlichen Bereich die Durchführung der Gemeinschaftsprüfung eine wesentliche Voraussetzung darstellt, bei deren Fehlen die Beihilfe nicht als ordnungsgemäß eingeführt gelten kann und daher ungeeignet ist, irgendeine Wirkung zu entfalten .
Es lässt sich somit festhalten, daß ein Verfahren ( der Gesetzgebung oder der Verwaltung ), mit dem eine Beihilfe eingeführt wurde, nicht abgeschlossen ist, bevor nicht die "Vorprüfung" der Vereinbarkeit durch die Kommission mit positivem Ergebnis abgeschlossen wurde . Diese Prüfung stellt daher eine rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung konstitutiver Art dar, deren Bedeutung noch durch den Umstand mitgetragen wird, daß die Prüfung mit dem Inhalt der staatlichen Maßnahmen befasst ist und daher, wie der Gerichtshof unterstrichen hat, weitgehend vom Ermessen getragene politische und wirtschaftliche Wertungen mit sich bringt .
Hieraus folgt, daß vor den staatlichen Gerichten jeder, der ein Interesse daran hat, den Verstoß des die Beihilfe einführenden Aktes gegen das Gemeinschaftsrecht, soweit dieser Akt die Einführung unabhängig von der Gemeinschaftsprüfung vorsieht, und in jedem Fall die Rechtswidrigkeit der diesbezueglich ergriffenen Durchführungsmaßnahmen geltend machen kann .
Solche Akte können ferner, soweit sie Verwaltungsakte sind, unter den für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte geltenden Voraussetzungen aufgehoben werden; diese Rücknahme entspricht insoweit einem besonders ausgeprägten öffentlichen Interesse, als die betreffenden Akte die internationale Haftung des Staates auslösen können .
Der Verstoß gegen das Durchführungsverbot kann auch im innerstaatlichen Bereich Anlaß zu Sicherungsmaßnahmen ( insbesondere Aussetzung der Vollziehung der Beihilfe, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nicht geprüft worden ist ) und in der Folge zu Schadensersatzklagen gegenüber der öffentlichen Verwaltung ( vorstellbar ist eine Klage der durch die rechtswidrige Durchführung einer Beihilfe benachteiligten Mitbewerber oder die Klage des Empfängers einer Beihilfe, deren Durchführung wegen der Verletzung der Verfahrensvorschriften aufgeschoben oder aufgehoben worden ist ) geben ( 11 ).
8 . Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Möglichkeit, im innerstaatlichen Bereich den Verstössen gegen Artikel 93 Absatz 3 zu begegnen, konkret durch eine Reihe von Faktoren eingeschränkt sein dürfte . Hier möchte ich anführen :
a ) das Fehlen eines Überblicks über die von den Staaten eingeführten Beihilfen und die etwaigen Reaktionen der Kommission in der Vorprüfungsphase . Es gibt bis heute kein Veröffentlichungssystem für neue Beihilfen oder für die etwaige Entscheidung der Kommission, bezueglich dieser ihr mitgeteilten Beihilfen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 nicht einzuleiten, was die Beteiligten um unerläßliche Voraussetzungen für eine rechtzeitige Geltendmachung etwaiger Rechtsbehelfe bringt ( 12 );
b ) Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen bei Voraussetzungen und Umfang des anerkannten Rechtsschutzes ( man denke etwa an die Begrenzungen des vorbeugenden Rechtsschutzes bei den Verwaltungsgerichten );
c ) spezifische Schwierigkeiten bei der Geltendmachung bestimmter Klagetypen ( z . B . ist bei Schadensersatzklagen auf die Unsicherheiten - insbesondere in einem nicht oligopolistischen Markt - im Zusammenhang mit dem Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Gewährung der Beihilfe und dem behaupteten Schaden hinzuweisen ( 13 );
d ) eine gewisse Zurückhaltung auf seiten der Mitbewerber der begünstigten Unternehmen, den Rechtsweg zu beschreiten, auch wenn keine besonderen Schwierigkeiten bestehen, da es ihnen manchmal aus unterschiedlichen Gründen besser erscheinen mag, die Behörden um die Gewährung entsprechender oder gleichwertiger Vorteile zu ihren eigenen Gunsten anzugehen ( 14 );
e ) Widerstände vor allem seitens einiger Gerichte, den Grundsatz der "unmittelbaren Geltung" anzuerkennen und zu einer kohärenten Anwendung zu bringen, sei es allgemein, sei es im Einzelfall mit Bezug auf die betreffenden Vorschriften; diese Widerstände erhöhen die Unsicherheit und können somit dazu beitragen, den Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsbehelfe uninteressant zu machen ( 15 ).
9 . Trotz dieser Schwierigkeiten lässt sich jedoch nicht sagen, das System innerstaatlichen Rechtsschutzes sei gänzlich wirkungslos .
Es darf in diesem Zusammenhang an zwei Urteile des italienischen Verfassungsgerichtshofes ( 16 ) erinnert werden, mit denen die Verfassungswidrigkeit regionaler Beihilfegesetze festgestellt wurde, die die Regionalversammlung vor Abschluß des Prüfungsverfahrens der Gemeinschaft verabschiedet hatte ( 17 ).
Interessanter, weil eindeutiger auf die "unmittelbare Geltung" des Artikels 93 Absatz 3 bezogen, ist ein Urteil des Court of Appeal London vom 24 . Februar 1986 ( Regina/Attorney-General ex parte Imperial Chemical Industries ), in dem festgestellt wird, die Verwaltung sei verpflichtet, "not to implement the aid or plan unleß and until the Commission ( has ) approved it" ( 18 ).
Darüber hinaus gibt es jüngste Anzeichen für eine Entwicklung des innerstaatlichen Streitverfahrens im Bereich der Beihilfen ( 19 ), was auf eine höhere Aufmerksamkeit für die Bedeutung der Problematik hindeutet, wie auch zunehmend und unvermeidbar die Widerstände gegen eine volle Anerkennung der unmittelbaren Geltung schwinden werden .
Die Kommission selbst könnte übrigens auch dazu beitragen, einige der vorerwähnten Schwierigkeiten zu beseitigen, z . B . durch die wünschenswerte Einrichtung eines Veröffentlichungssystems für die Mitteilung geplanter Beihilfen .
Im Lichte dieser Darlegungen lässt sich sagen, daß die "weitläufige Kontrolle" der nationalen Gerichte bezueglich der Beachtung des Durchführungsverbots gemäß Artikel 93 Absatz 3 durch die Mitgliedstaaten ein bedeutsames Garantieinstrument darstellt und in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird . Es wäre daher nützlich, wenn der Gerichtshof bei dieser Gelegenheit, wenn er die unmittelbare Geltung der Wartepflicht bestätigt, unterstreicht, daß diese Geltung es jedem, der daran ein Interesse hat, möglich macht, die Rechtswidrigkeit der vorzeitig durchgeführten Beihilfen mit Hilfe sämtlicher Rechtsbehelfe des innerstaatlichen Rechts geltend zu machen .
10 . Was die Rechtsfolgen einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 auf Gemeinschaftsebene betrifft, ist zu sagen, daß dieses Problem bereits mehrfach sowohl vom Gerichtshof als auch von der Kommission geprüft worden ist .
Ein Punkt ist klar herauszustreichen : Die grundlegende Bedeutung des Vorprüfungssystems und insbesondere der "Schutzklausel" in Gestalt der Wartepflicht muß bedeuten, daß die Durchführung einer Beihilfe unter Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Kriterien des Artikels 93 Absatz 3 rechtswidrig ist . Darum bleibt vor allem die Frage gestellt, nach welchem Verfahren diese Rechtswidrigkeit festgestellt werden kann .
In dem Urteil in der Rechtssache 173/73 ( Italienische Republik/Kommission ( 20 )) hat der Gerichtshof eindeutig festgestellt, daß bei einer Verletzung der Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 durch den Staat der Kommission zwei konkurrierende Vorgehensweisen zu Gebote stehen : das Verfahren gemäß Artikel 169 und das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 ( 21 ). Die Verletzung des Gemeinschaftsrechts kann mit anderen Worten, ob es sich nun um die Nichtbeachtung der Pflicht zur vorherigen Unterrichtung oder um die der Wartepflicht handelt, entweder autonom mit Hilfe des allgemeinen Verfahrens oder im Rahmen der materiellrechtlichen Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfe festgestellt werden . Nichts schließt ferner aus, daß beide Verfahren nebeneinander durchgeführt werden, wenn die Kommission dies für unerläßlich hält ( 22 ).
Es fehlt nicht an Beispielen hierfür . So ist etwa in der Rechtssache 171/83 ( Kommission/Französische Republik ) die Kommission nach Artikel 169 gegen Frankreich vorgegangen, das ein ( angemeldetes ) Beihilfevorhaben trotz Einleitung des kontradiktorischen Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 durchgeführt hatte . In diesem Fall stellte die Kommission zugleich mit der Erhebung der Klage auch einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach Artikel 186 EWG-Vertrag, mit dem die sofortige Einstellung der streitigen Finanzhilfe bewirkt werden sollte ( 23 ).
Sodann hat es die Kommission im Hinblick auf Beihilfen, die unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 durchgeführt worden waren, in verschiedenen Fällen für sinnvoll gehalten, sofort das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten . Beispiele in dieser Richtung finden sich, abgesehen von dem bereits genannten Urteil in der Rechtssache 173/73, auch in dem Urteil in der Rechtssache 234/84 ( Königreich Belgien/Kommission ), in dem Beschluß in der Rechtssache 310/85 ( Deufil ) und in dem Urteil in der Rechtssache 94/87 ( Kommission/Bundesrepublik Deutschland ) ( 24 ). In den beiden letztgenannten Fällen - wie übrigens auch in der vorliegenden Rechtssache - hat die Kommission zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 eine Entscheidung erlassen, mit der sie gleichzeitig die Rechtswidrigkeit der Beihilfe ( wegen Verletzung der Verfahrenspflichten ) und deren materiellrechtliche Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt feststellte .
11 . Die Möglichkeit, sich dieser Verfahren zwecks Verfolgung von Verstössen gegen Artikel 93 Absatz 3 zu bedienen, ist mehrfach von der Kommission selbst in allgemeiner Form bestätigt worden . In der Mitteilung vom 30 . September 1980 ( ABl . C 252, S . 2 ) hat die Kommission hervorgehoben, daß keine Zahlungen unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 geleistet werden können, und hinzugefügt :
"Künftig wird bei jedem Anzeichen einer Tendenz zur systematischen und offenkundigen Nichtbeachtung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten automatisch hiergegen vorgegangen nach Maßgabe von Artikel 169 des Vertrages oder anderer im Vertrag vorgesehener Maßnahmen ."
Die Kommission ist dann in der Mitteilung vom 24 . November 1983 ( ABl . C 318, S . 3 ) ( 25 ) auf dieses Problem zurückgekommen . Ausserdem hat sie im XV . Bericht über die Wettbewerbspolitik hervorgehoben, daß sie ihren Dienststellen die Anweisung erteilt habe, ohne weiteres das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten, sobald ein Staat auf das Ersuchen um Mitteilung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht antworte .
12 . Dies also sind die auf Gemeinschaftsebene verfügbaren Verfahrenswege . Hier muß nun betont werden, daß diese Verfahren nicht lediglich zur Feststellung des Vorliegens eines Verstosses führen . An die Feststellung, daß eine Beihilfe unter Verstoß gegen die Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 durchgeführt worden ist, knüpft nämlich eine wichtige materielle Rechtsfolge an : Ich spreche von der Möglichkeit, daß die Staaten auf Rückforderung der rechtswidrig gewährten Beihilfe in Anspruch genommen werden ( 26 ).
Die Möglichkeit, daß die Kommission den Mitgliedstaaten diese Rückforderung im Rahmen der gleichen Entscheidung ( nach Artikel 93 Absatz 2 ) aufgibt, mit der über die Vereinbarkeit befunden wurde, ist vom Gerichtshof bereits in dem Urteil vom 12 . Juli 1973 in der Rechtssache 70/72 anerkannt worden ( 27 ).
Zu bemerken ist, daß die Rückzahlung, weil sie dem Ziel entspricht, das durch die rechtswidrige Gewährung der Beihilfe verletzte Gemeinschaftsrecht wiederherzustellen, unabhängig davon angeordnet werden kann, ob die betreffende Beihilfe materiellrechtlich für vereinbar oder für unvereinbar erklärt wird, wie sich aus dem Urteil in der Rechtssache 173/73 ( Italienische Republik/Kommission ) ergibt, wo es heisst :
"Nach Geist und System des Artikels 93 muß die Kommission vielmehr, wenn sie feststellt, daß eine Beihilfe unter Verletzung von Absatz 3 eingeführt oder umgestaltet worden ist, und wenn sie insbesondere auch der Auffassung ist, daß die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 92 unvereinbar ist, das Recht haben, zu entscheiden, daß der betreffende Staat die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten hat, ohne daß sie eine Frist festsetzen müsste, jedoch unbeschadet der Möglichkeit, den Gerichtshof anzurufen, wenn der Staat der Entscheidung nicht mit der gewünschten Eile nachkommt" ( Randnrn . 16 ).
Deshalb ist die vor Abschluß der Prüfung durchgeführte Beihilfe, wie auch immer die materiellrechtliche Würdigung ausfällt, rechtswidrig und bleibt es . Wie die nationalen Gerichte im Rahmen der ihnen vom innerstaatlichen Recht gewährten verfahrensrechtlichen Mittel so kann auch die Kommission diese Rechtswidrigkeit im Rahmen der Entscheidung feststellen, mit der sie über die Vereinbarkeit - auch positiv - befindet, und die notwendigen Folgerungen bezueglich der Rückzahlung ziehen .
Es scheint allerdings nicht, daß die Kommission jemals die Aufhebung einer ex nunc für vereinbar erklärten Beihilfe gefordert hätte . Vielleicht ist eine solche Vorsicht übertrieben, weil ein energischeres Vorgehen die Bedenklichkeit der unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Artikels 93 Absatz 3 gewährten Beihilfen deutlicher in Erscheinung treten ließe . Und vielleicht wären die Mitgliedstaaten unter solchen Umständen veranlasst, zumindest diejenigen Beihilfevorhaben mitzuteilen und nicht verfrüht durchzuführen, die möglicherweise - vielleicht mit einigen Abänderungen - geeignet wären, einen der Ausnahmetatbestände des Artikels 92 Absatz 3 zu erfuellen .
13 . Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 auf Gemeinschaftsebenen geahndet werden und folglich die Rückforderung der zu Unrecht ausgezahlten Beihilfe mit sich bringen kann . Die Kommission weist jedoch darauf hin, daß die praktische Wirksamkeit dieser "Sanktion" wesentlich durch den Umstand gemindert werde, daß die Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2, die gegebenenfalls die Rückforderung der Beihilfe anordne, in grossem zeitlichen Abstand zur Durchführung der staatlichen Finanzhilfe erlassen werde . Es könne sich daher erweisen, daß die Rückforderung des unrechtmässig Gezahlten nur schwer zu realisieren sei .
Es besteht kein Zweifel, daß die übermässige Dauer des Prüfungsverfahrens ein wirkliches Problem darstellt, und dies nicht nur, weil sie, wie gerade ausgeführt, die völlige Wiederherstellung des Status quo ante unwahrscheinlich macht, sondern vor allem, weil die rechtswidrige Durchführung einer später für unvereinbar erklärten Beihilfe auf jeden Fall Verzerrungen des Wettbewerbs hervorruft, denen nicht mehr abzuhelfen ist ( 28 ).
Hier muß jedoch klargestellt werden, daß allgemein gesehen die Kontrolle über den Ablauf dieses Verfahrens auch in bezug auf seine Dauer in den Verantwortungsbereich der Kommission fällt . Doch auch in dieser besonderen Hinsicht dürfte die Kommission nicht gänzlich "waffenlos" sein .
Zunächst bleibt eine etwaige Verzögerungstaktik der Mitgliedstaaten, die sich in der Tendenz zeigt, die angeforderten Informationen nicht rechtzeitig zu liefern, nicht ohne abträgliche Folgen für diese Mitgliedstaaten . Ihnen obliegt nämlich eine Pflicht zur Zusammenarbeit, der zufolge sie gehalten sind, in loyaler Weise an der Durchführung des Prüfungsverfahrens teilzunehmen, und es ist augenfällig, daß ein Mitgliedstaat keinen Vorteil aus einer verzögerten Prüfung einer Beihilfe ziehen kann, die auf seine verspätete Vorlage der von ihm geforderten Unterlagen zurückzuführen ist ( 29 ).
So hat in der Rechtssache 234/84 ( 30 ) der Gerichtshof anerkannt, daß die Rechtmässigkeit der Entscheidung der Kommission ( nach Artikel 93 Absatz 2 ), in der u . a . eine Kapitalzuführung durch den belgischen Staat als Beihilfe bewertet worden war,
"anhand der Informationen zu beurteilen ist, über die die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung verfügte" ( Randnr . 16 ) ( 31 ).
In demselben Urteil hat der Gerichtshof die Begründung der streitigen Entscheidung
"trotz ihrer Kürze, die teilweise durch den Mangel an Zusammenarbeit seitens der belgischen Regierung bedingt ist" ( Randnr . 22 ),
für ausreichend erachtet .
Hieraus folgt, daß die Kommission nicht ganz ohne Möglichkeiten ist, dem Verwaltungsverfahren den "Rhythmus" zu geben, den sie als der Eilbedürftigkeit der Sache angemessenen betrachtet . Sie wird angemessen kurze Fristen setzen können, deren Ausschlusscharakter hervorheben und zu verstehen geben, daß eine etwaige Verweigerung der Zusammenarbeit seitens des die Beihilfe gewährenden Staates sich ausschließlich zu dessen Nachteil auswirken würde .
Das söben dargestellte Handlungsmuster scheint mir von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die wirklichen Probleme, denen sich die Kommission gegenüber sieht . Und auch dem Gerichtshof fehlen nicht die Gelegenheiten, um diese "Pflicht zur Zusammenarbeit" der Staaten mit Sanktionen zu versehen, zu stärken und deren Auswirkungen auch auf die Begründungspflicht der Kommission zu verdeutlichen . Klar sein muß : Die Staaten haben eine echte Beweislast bezueglich der der Kommission zu liefernden Informationen und Daten im Hinblick auf die gewünschte Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag, eine Bestimmung, die - das darf nicht vergessen werden - Ausnahmen von dem allgemeinen, in Artikel 92 Absatz 1 verankerten Beihilfeverbot regelt . Es ist daher Sache der Staaten, der Kommission bereits bei der Anmeldung oder spätestens bei Ablauf der gesetzten Frist alle Angaben zu übermitteln, die geeignet sein können, eine Ausnahme von dem Verbot zu rechtfertigen . Daraus folgt naturgemäß, daß der Umfang der von der Kommission geforderten Begründung vom Umfang der seitens der Staaten erhaltenen Informationen abhängen muß .
14 . Sodann gibt es - und dies ist ein Punkt, den ich für besonders bedeutsam halte - einen besonderen Rechtsbehelf, um gegen die rechtswidrige Durchführung einer Beihilfe rechtzeitig und unabhängig von der Dauer des Verfahrens der materiellrechtlichen Prüfung anzugehen . Die Kommission kann nämlich, wie ich bereits dargelegt habe, gemäß Artikel 169 gegen den Staat vorgehen, der das Durchführungsverbot nicht beachtet hat, und dabei zugleich beim Gerichtshof ( nach Artikel 186 ) die notwendigen einstweiligen Anordnungen beantragen . Hier ist nun hervorzuheben, daß in der vorerwähnten Rechtssache 171/83 der Beschluß des Gerichtshofes, mit dem die beantragten einstweiligen Anordnungen erlassen wurden, nur drei Monate nach Absendung des Aufforderungsschreibens der Kommission ergangen ist . Mir scheint dies ( unter Berücksichtigung auch des Einflusses, den ein Beschluß des Gerichtshofes im Rahmen eines etwaigen innerstaatlichen Verfahrens über den gleichen Gegenstand haben kann ) ein wirksames und vor allem zweckmässiges Instrument zu sein, das innerhalb einer angemessen kurzen Frist nach der ersten Unterrichtung der Kommission über die Durchführung der Beihilfe zum Einsatz gebracht werden kann .
Es gibt aber noch weitere . Die Kommission hat nämlich die - bisher noch nie ausgeuebte, aber vom Gerichtshof ausdrücklich zuerkannte - Befugnis, selbst einstweilige Maßnahmen anzuordnen . In dem Urteil vom 12 . Juli 1973 in der Rechtssache 70/72 hat der Gerichtshof, wenn auch nur in einem Obiter dictum, festgestellt, daß die Regelung des Artikels 93 Absatz 3
"die Befugnis der Kommission einschließt, im Bedarfsfall unverzueglich einstweilige Maßnahmen anzuordnen ".
Mir scheint, daß solche Maßnahmen, wenn sie angeordnet würden, einen Grossteil der von der Kommission aufgezeigten Probleme lösen könnten . Die Kommission hätte die Möglichkeit, die Staaten mit einer eigenen - wenn auch nur vorläufigen - Entscheidung zu verpflichten, ihren Pflichten nach Artikel 93 Absatz 3 nachzukommen . Auf diese Entscheidung, weil unmittelbar geltend, könnte man sich auch vor den innerstaatlichen Gerichten berufen . Schließlich könnten solche Maßnahmen binnen weniger Tage nach Erhalt der Nachricht von der Durchführung einer Beihilfe angeordnet werden, da es nur um die einfache Feststellung geht, ob ein Staat eine bestimmte Finanzhilfe zugunsten eines Unternehmens ohne die notwendige Prüfung durchgeführt hat . Die Promptheit dieser Gegenmaßnahme würde es erlauben, das Risiko, daß sich gefestigte und daher nicht mehr rückgängig zu machende Situationen oder nicht mehr zu neutralisierende Verfälschungen des Wettbewerbs bilden, auf ein Mindestmaß zu verringern oder vielleicht sogar ganz zu beseitigen .
Einstweilige Anordnungen stellen, unabhängig davon, ob sie nun vom Gerichtshof oder von der Kommission ausgehen, auch wegen der Anpassungsfähigkeit hinsichtlich ihres Inhaltes eine besonders geeignete Abhilfemaßnahme dar . Sie können eingesetzt werden, um die staatliche Finanzhilfe zu verhindern oder um ihre Durchführung auszusetzen, und schließlich auch, um die Rückforderung des bereits Geleisteten anzuordnen . Sie stellen sich damit als der geeignetste Rechtsbehelf dar, um die sofortige Wiederherstellung des Status quo ante zu bewirken, wann immer dies notwendig ist um zu vermeiden, daß die Durchführung der Beihilfe die spätere abschließende Entscheidung ihrer Wirkung berauben würde .
15 . Anhand der bisher angestellten Überlegungen lässt sich nun die von der Kommission in der vorliegenden Rechtssache vertretene These im einzelnen überprüfen .
Wie bereits bemerkt, ersucht die Kommission den Gerichtshof, ihr eine Entscheidungsbefugnis zuzuerkennen, die sich von den Befugnissen, die wir bisher zu untersuchen Gelegenheit hatten, nach Natur, Inhalt und Wirkungen unterscheidet .
Es würde sich nämlich um eine Entscheidung handeln, mit der :
- festgestellt wird, daß eine bestimmte staatliche Finanzhilfe eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 darstellt und, da sie unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 durchgeführt wurde, rechtswidrig ist;
- der Staat aufgefordert wird, diesen Verstoß durch Rückforderung der vorzeitig und daher rechtswidrig gewährten - mitgeteilten oder nicht mitgeteilten - Beihilfe rückgängig zu machen .
Zweitens würde, und dies ist der Hauptaspekt, von einer solchen Mitteilung und/oder Rückforderung die Prüfung - im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 - abhängen, ob eine Anwendung der in Artikel 92 Absatz 3 vorgesehenen Ausnahmebestimmungen möglich wäre .
Daraus folgt, daß diese Entscheidung von dem Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 vollkommen lösgelöst wäre, weil sie von der Prüfung der Vereinbarkeit nach Artikel 92 Absatz 3 absehen und diese sogar überfluessig machen würde . Sie hätte ferner im Unterschied zu den vorhin untersuchten einstweiligen Anordnungen einen endgültigen Charakter, da sie die Kommission je nach Sachlage von der Einleitung oder der Fortsetzung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 entbinden würde .
16 . Die Argumentation der Kommission enträt sicherlich nicht einer strengen Logik . Es besteht ferner kein Zweifel, daß diese These eine beträchtliche Ausweitung des Handlungsspielraums der Kommission mit sich brächte : Die Kommission würde die Position des "Herrn" des Prüfungsverfahrens erlangen mit der Möglichkeit, dessen Ablauf mit weitgehender Ermessensfreiheit zu bestimmen, und vor allem mit der Möglichkeit, bei zu Unrecht durchgeführten Beihilfen festzulegen, ob und in welcher Weise deren Beurteilung nach Artikel 92 Absatz 3 vorzunehmen wäre ( 32 ).
Zwar teile ich zum grossen Teil die Annahmen und die sie tragenden Gründe dieser These, doch kann ich nicht umhin, einige Bedenken hinsichtlich der recht innovativen und kühnen Folgen zu äussern, die sie mit sich bringt . In dieser Hinsicht sind einige Überlegungen sowohl systematischer als auch praktischer Art anzustellen .
Zunächst könnten einige Zweifel bezueglich der Rechtsgrundlage der von der Kommission beanspruchten Entscheidungsbefugnis auftreten . Wie bereits gesagt, kann die Verletzung der Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 entweder allgemein vom Gerichtshof auf eine Klage nach Artikel 169 oder ausnahmsweise von der Kommission in einer Entscheidung - nach Artikel 93 Absatz 2 -, die allerdings im wesentlichen die Feststellung der Vereinbarkeit einer Beihilfe zum Gegenstand hat, festgestellt werden . Umgekehrt ist die Befugnis zum Erlaß endgültiger Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit einer Beihilfe, die von der Untersuchung der Vereinbarkeit und dem entsprechenden Verfahren absehen, offenbar ausserhalb beider Verfahrensmuster anzusiedeln .
Gleichwohl ist dieses Ergebnis für sich genommen nicht unüberwindbar . Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe ist nämlich Voraussetzung für die konstitutive Entscheidung, mit der die in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Rückforderung der Beihilfe angeordnet wird . Die insoweit ausdrücklich anerkannte Befugnis ( 33 ) umschließt daher stillschweigend die Befugnis, die Verletzung des Durchführungsverbots und der Mitteilungspflicht festzustellen .
Es ist sicher richtig, daß die Kommission gewöhnlich die Rückforderung einer zu Unrecht durchgeführten Beihilfe in derselben Entscheidung anordnet, mit der über die Vereinbarkeit befunden wird . Und dennoch handelt es sich um zwei unabhängige Aspekte und kann - worauf der Gerichtshof hingewiesen hat - die Rückforderung ex tunc einer zugleich, aber lediglich mit Wirkung ex nunc, für vereinbar erklärten Beihilfe angeordnet werden . Nichts schließt mithin aus, daß die Kommission auch vor ihrer Äusserung zur Vereinbarkeit die rechtswidrige Durchführung der staatlichen Finanzhilfe feststellt und deren Aufhebung verlangt .
In der Praxis können jedoch Zweckmässigkeitserwägungen den Erlaß einer einheitlichen Entscheidung - bei Beendigung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 - nahelegen, die gleichzeitig über beide Aspekte befindet . Vor allem aus Gründen der Vereinfachung, da dies ermöglicht, mit einer einzigen Entscheidung in vollständiger Weise Gültigkeit und zeitliche Wirkung der betreffenden Beihilfe zu regeln, indem über deren Schicksal für die Vergangenheit ( im Hinblick auf eine etwaige rechtswidrige Durchführung ) und für die Zukunft ( im Hinblick auf ihre materiellrechtliche Vereinbarkeit ) bestimmt wird . Aber auch aus einem sachlichen Grund . Die Rückforderungsanordnung ist keine automatische Folge der rechtswidrigen Durchführung . Die Kommission entscheidet über diese Anordnung anhand von weitgehend ermessensbestimmten Erwägungen . Es könnte daher vorzuziehen sein, daß die endgültige Entscheidung über die Rückforderung bei Beendigung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 getroffen wird, d . h . wenn die Kommission - u . a . nach Anhörung aller Beteiligten - über alle notwendigen Daten verfügt, um die Auswirkung der betreffenden Beihilfe auf den Markt zu würdigen und damit ihre eigenen Ermessensbefugnisse am besten zum Tragen bringen zu können .
Dies hat natürlich nichts damit zu tun, daß die Kommission im Laufe des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 oder gar vor Einleitung dieses Verfahrens einstweilige Maßnahmen bezueglich rechtswidrig durchgeführter Beihilfen treffen kann : Die entsprechenden Entscheidungen sind in diesem Fall vorläufiger und nicht endgültiger Natur .
17 . Auf jeden Fall ist dies, wie schon mehrfach betont, nicht der entscheidende Aspekt . Die grösste Neuerung bei der These der Kommission ist die Möglichkeit, daß die - wie auch immer festgestellte - Rechtswidrigkeit der Einführung der Beihilfe die Kommission davon befreien können soll, die Prüfung der Vereinbarkeit einzuleiten oder fortzuführen .
In diesem Punkt erheben sich die meisten Bedenken .
Insoweit besteht kein Zweifel, daß die versäumte Mitteilung und vor allem die vorzeitige Durchführung der Beihilfe rechtswidrig sind . Diese Verhaltensweisen stellen eine klare Verletzung der Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 dar .
Es ist ebenso eindeutig, daß eine solche Verletzung die Bedingungen verändern, unter denen die Prüfung der Vereinbarkeit durchgeführt werden müsste . Da die letztere nämlich nicht mehr in Bezug auf mitgeteilte Beihilfevorhaben durchgeführt wird, wird sie in einem pathologischen Zusammenhang vorgenommen, der sich radikal von dem im Vertrag vorausgesetzten unterscheidet .
18 . Sind aber diese Erwägungen schon ausreichend, um - wie von der Kommission geltend gemacht - zu dem Schluß zu gelangen, daß die Prüfung der Vereinbarkeit nicht stattzufinden braucht?
Ich neige dazu, diese Frage zu verneinen .
An erster Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 verfahrensrechtlicher Natur sind . Sie haben, da sie die Bedingungen festlegen, unter denen die Prüfung stattzufinden hat, in bezug auf letztere die Funktion eines Mittels .
Unter Berücksichtigung ihres Gegenstands und ihrer Natur treten solche Verpflichtungen lediglich in der Prüfungsphase auf; werden sie verletzt, dann führen sie - wie ausgeführt wurde - zur Rechtswidrigkeit des Aktes zur Einführung und der Maßnahmen zur Durchführung der Beihilfe, die während der Prüfung ergriffen werden . Ist jedoch eine - positive oder negative - Entscheidung über die Vereinbarkeit gleichwohl getroffen, so hat die vorhergehende Verletzung der Verfahrenspflichten von diesem Augenblick an keinerlei Bedeutung mehr . Von dem Augenblick an, in dem die Entscheidung über die Vereinbarkeit getroffen ist, bestimmt nur noch letztere ex nunc den Status der betreffenden Beihilfe, wobei naturgemäß - ich muß es wiederholen - eine etwaige Rechtswidrigkeit der vorangegangenen Durchführungsmaßnahmen bestehen bleibt .
In diesem Sinn kann das Verhältnis zwischen Artikel 93 und Artikel 92 nicht mit dem Verhältnis verglichen werden, das zwischen Artikel 92 und jeden anderen materiellrechtlichen Bestimmungen des Vertrages wie z . B . Artikel 30 oder Artikel 95 besteht .
Im Falle konkurrierender materieller Bestimmungen ( zwischen denen nicht das Verhältnis von Regel und Ausnahme besteht ) kann der Widerspruch, in dem eine staatliche Maßnahme zu einer dieser Bestimmungen steht, deren Würdigung unter dem Blickwinkel der anderen tatsächlich überfluessig machen : Die Maßnahme ist nämlich auf jeden Fall mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, wenn auch aus anderen Gründen als denen, die für die spezifische Beihilfedisziplin der Artikel 92 und 93 typisch sind .
Umgekehrt hat die Verletzung der verfahrensrechtlichen Kriterien des Artikels 93 Absatz 3, mag sie auch zur Rechtswidrigkeit der vorzeitig durchgeführten Beihilfe führen, durchaus keinen Einfluß auf die Würdigung der Vereinbarkeit im Sinne und nach Maßgabe des Artikels 92 .
Letztere kann daher stets vorgenommen werden, falls nicht erkennbar ist, daß der Gesetzgeber die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen als eine Vorbedingung für die Überprüfung der Vereinbarkeit hat festlegen wollen .
Dem nun widerspricht allerdings vor allem die ständige Praxis der Kommission, die bis heute noch nie die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 als einen Umstand in Erwägung gezogen hat, der die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe ausschließen könnte .
Die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 erhält ganz im Gegenteil - wie auch die angefochtene Entscheidung zeigt - den ihr eigentlich zukommenden Stellenwert, d . h . sie stellt die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der zu Unrecht gewährten Beihilfe dar, ohne allerdings zu verhindern, daß deren materiellrechtliche Aspekte auf jeden Fall überprüft werden . Im übrigen hat auch in den Fällen, in denen die Kommission den Gerichtshof zwecks Feststellung der Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 angerufen hat, diese Vorgehensweise den parallelen Ablauf des Prüfungsverfahrens weder aufgeschoben noch verhindert ( 34 ).
Daß die Beachtung der verfahrensrechtlichen Pflichten keine Vorbedingung für die Prüfung der Vereinbarkeit darstellt, ergibt sich ferner aus dem angeführten Urteil in der Rechtssache 173/73 ( Italienische Republik/Kommission, a . a . O .), in dem anerkannt wird, daß die Rückforderung der Beihilfe ohne Rücksicht auf den Ausgang des Prüfungsverfahrens angeordnet werden kann .
Das bedeutet, daß die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 - ich wiederhole : vorbehaltlich ihrer typischen Wirkungen - gleichwohl nicht zu verhindern geeignet ist, daß über die materiellrechtliche Gültigkeit der Beihilfe mit Wirkung ex nunc entschieden wird .
19 . Es gibt indessen eine weitere Überlegung, die mir von Bedeutung zu sein scheint .
Es darf nicht vergessen werden, daß die Prüfung der Vereinbarkeit nicht im Interesse des die Beihilfe gewährenden Staates, sondern im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft erfolgt .
Zu diesem Zweck soll das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren der Kommission alle Einzelheiten liefern, anhand deren in der kürzestmöglichen Zeit festgestellt werden kann, ob eine staatliche Finanzhilfe mit den Erfordernissen des Gemeinsamen Marktes in Einklang steht . In beiden Fällen ist ein allgemeines Sicherheitserfordernis zu gewährleisten ( 35 ).
Erweist sich die Beihilfe ( nicht nur als rechtswidrig, sondern auch ) als unvereinbar, so kann es in einigen Fällen untunlich sein, das Prüfungsverfahren zu "zerstückeln" und über die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 zu befinden . Es sollte im Gegenteil eher endgültig und ohne Zögern festgestellt werden, daß die betreffende staatliche Finanzhilfe, abgesehen davon, daß Verfahrenspflichten missachtet wurden, den Interessen der Gemeinschaft zuwiderläuft .
Erweist sich die Beihilfe - jedenfalls unter gewissen Bedingungen - als vereinbar, dann ist es noch wichtiger, daß diese Vereinbarkeit erga omnes festgestellt wird, damit die Beihilfe selbst rasch und ordnungsgemäß ausgezahlt werden kann .
Dies gilt vor allem in Verbindung mit den Ausnahmetatbeständen des Artikels 92 Absatz 3 . Es ist nämlich klar, daß diese "im gemeinsamen Interesse" vorgesehen und anzuwenden sind . Es gibt daher keinen Grund, deren Anwendung nur deshalb auszuschließen, weil der die Beihilfe gewährende Staat Artikel 93 Absatz 3 verletzt hat; anderenfalls würde man Gefahr laufen, die Durchführung von Beihilfen nicht zuzulassen, die wichtigen und mit den Interessen der Gemeinschaft übereinstimmenden Zielen dienen .
Hinzu kommt folgendes : Wollte man alle Konsequenzen aus der These der Kommission ziehen, so wäre auch eine Beihilfe, die an sich unter Artikel 92 Absatz 2 des Vertrages fiele - und damit ohne weiteres rechtmässig wäre -, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, wenn sie unter Verstoß gegen die Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 eingeführt worden wäre .
Ich bin wirklich der Auffassung - die Möglichkeit einer selbständigen Verfolgung eines solchen Verstosses bleibt hiervon unberührt -, daß die Kommission auf jeden Fall gehalten ist, die Beihilfe im Hinblick auf die Ausnahmetatbestände des Artikels 92 Absatz 3 zu würdigen, und sich nicht auf die Bewertung nach Artikel 92 Absatz 1 beschränken kann . Wenn auch richtig ist, daß diese Bewertung dem Ermessensbereich zugehört, so ist doch ebenfalls richtig, daß ihr Gegenstand vom Vertrag festgelegt wird und dem Inhalt der drei Absätze des Artikels 92 entspricht . Ebenso, wie die Kommission nicht über diesen Inhalt hinausgehen kann, muß sie meines Erachtens die Prüfung der Vereinbarkeit in vollständiger Weise durchführen, d . h . in bezug auf alle Kriterien des Artikels 92 einschließlich derjenigen des Absatzes 3 ( 36 ).
20 . Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 alle Beteiligten, Mitgliedstaaten und Privatpersonen, in die Lage versetzt werden müssen, "sich zu äussern" ( was im übrigen mit dem Hauptziel übereinstimmt, eine möglichst vollständige und klare materiellrechtliche Feststellung zu gewährleisten ).
Das Gemeinschaftsrecht schützt ferner die Position desjenigen, der der Kommission die Einführung einer Beihilfe "angezeigt" hat, indem sie ihm die Möglichkeit gewährleistet, entweder gegen die Entscheidung der Kommission, die die Vereinbarkeit der Beihilfe feststellt, oder gegen eine etwaige Säumnis des Organs vorzugehen, das bei Beendigung des Verfahrens weder eine positive noch eine negative Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 trifft .
Augenscheinlich beeinträchtigt jedwede Vorgehensweise, die zu einer Verhinderung oder Verzögerung des vollständigen Ablaufs des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 führt, notwendigerweise die verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Garantien, die den Beteiligten ( Staaten und Privatpersonen ) aufgrund des Vertrages zustehen .
Halten wir deshalb fest : Sobald der Kommission eine Anzeige über die Einführung einer Beihilfe zugeht, ist sie gehalten, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 bis zur abschließenden Entscheidung über die Vereinbarkeit durchzuführen .
21 . Sollte es sich, um die Wirksamkeit des Systems der Vorprüfung zu gewährleisten, als wirklich unerläßlich erweisen, die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 von der Beachtung der Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 abhängig zu machen, so könnte der Gesetzgeber der Gemeinschaft auf der Grundlage des Artikels 94 einschreiten . Solange dies aber nicht geschehen ist, sollte meiner Meinung nach anerkannt werden, daß die verfahrensrechtlichen Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 und die Prüfung der Vereinbarkeit auf verschiedenen Ebenen liegen, so daß die Verletzung dieser Pflichten nicht geeignet ist, der pflichtgemässen und rechtzeitigen Wahrnehmung dieser Prüfung vorzugreifen .
Diese Schlußfolgerung scheint mir weiter durch den Umstand gestützt zu werden, daß, wie bereits ausgeführt, die auf die Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 zurückzuführende Rechtswidrigkeit sowohl im staatlichen als auch im Gemeinschaftsbereich wirksam geahndet werden kann, und daß, um zu vermeiden, daß die Verlängerung des Prüfungsverfahrens eine etwaige Rückzahlungsanordnung ihres Sinnes berauben könnte, die Kommission über die Möglichkeit verfügt, beim Gerichtshof die notwendigen einstweiligen Anordnungen zu beantragen - oder solche auch selbst aus eigener Initiative zu treffen . Aber solche Maßnahmen - und dies muß unterstrichen werden - werden, auch wenn sie von der Kommission selbst getroffen werden, nicht anstelle, sondern nur vor der endgültigen Entscheidung über die Vereinbarkeit erlassen ( über die der Gerichtshof seine vollständige Kontrollbefugnis ausüben kann ) und vermeiden einfach nur, daß sich inzwischen den Wettbewerb verfälschende faktische Situationen bilden oder verfestigen, die nachträglich nicht oder nur schwer zu bereinigen sind .
22 . Zusammenfassend ergeben sich für mich aus den bisherigen Untersuchungen folgende Schlußfolgerungen :
- Die von der Kommission aufgeworfene Frage der Zulässigkeit ist in dem oben angegebenen Sinn neu zu formulieren;
- nach Inhalt und Zweck der Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 ist jede unter Verletzung dieser Verpflichtungen eingeführte Beihilfe rechtswidrig;
- diese Rechtswidrigkeit zieht bestimmte Folgen nach sich und kann sowohl im staatlichen als auch im Gemeinschaftsbereich geahndet werden;
- die Kommission kann insbesondere die Rückforderung der zu Unrecht durchgeführten Beihilfe anordnen, auch wenn die Beihilfe selbst später als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird;
- es können ferner einstweilige Maßnahmen getroffen werden, um zu vermeiden, daß den Wirkungen der endgültigen Entscheidung der Kommission durch die rechtswidrige Durchführung der Beihilfe vorgegriffen wird;
- die Verletzung der Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 ist jedoch nicht geeignet, die Kommission von der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe auch im Lichte der Vorschriften des Artikels 92 Absatz 3 zu entbinden .
Zur Begründetheit
A - Die Anwendung des Artikels 92 Absatz 1
Zur Rechtsnatur der Kapitalzuführung durch die belgische Regierung
23 . Die belgische Regierung streitet ab, daß es sich bei den Finanzhilfen für Tubemeuse um Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 handelt . Diese Finanzhilfen stellten vielmehr eine in der gängigen aktienrechtlichen Praxis einer Marktwirtschaft völlig normale Kapitaleinlage dar . Die belgische Regierung habe sich wie jeder Aktionär verhalten, der sich, wenn er bereits eine grössere Investition vorgenommen habe, bei auftretenden Schwierigkeiten zu neuen Kapitalzuführungen bewogen sehe, um die Fortführung der Geschäfte des Unternehmens und damit eine, wenn auch begrenzte, Ertragsaussicht sicherzustellen .
Zur Begründung macht die Regierung insbesondere geltend, daß ihr Verhalten als Aktionär im wesentlichen dem Verhalten anderer Aktionäre konkurrierender Unternehmen entsprochen habe . Die Investitionen von Tubemeuse seien zum Teil durch ein internationales Bankenkonsortium finanziert worden, was zeige, daß zumindest mittelfristig Perspektiven einer wirtschaftlichen Erholung bestehen müssten . Schließlich seien die Finanzhilfen auf der Grundlage der von einem bekannten internationalen Sachverständigenbüro stammenden Hinweise getätigt worden .
24 . Insoweit mache ich darauf aufmerksam, daß nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung die Beteiligung eines Staates am Kapital von Unternehmen als "staatliche Beihilfe" bewertet werden kann, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 des Vertrages erfuellt sind ( 37 ).
Ferner hat der Gerichtshof in dem Urteil Intermills ausgeführt :
"Die Gewährung von Beihilfen, insbesondere in der Form der Übernahme von Beteiligungen durch den Staat oder öffentlich-rechtliche Körperschaften, (( kann )) nicht ohne weiteres als vertragswidrig angesehen werden . Unabhängig davon, in welcher Form die Beihilfen gewährt werden, und insbesondere davon, ob dies in der Form von Darlehen oder in der Form von Beteiligungen geschieht, hat die Kommission daher zu prüfen, ob die betreffenden Beihilfen gegen Artikel 92 Absatz 1 verstossen . Bejaht sie dies, so hat sie sich ein Urteil über eine eventuelle Freistellung nach Artikel 92 Absatz 3 zu bilden und ihre Entscheidung hierüber entsprechend zu begründen" ( Randnr . 32 ).
In dem Urteil in der Rechtssache 234/84, Königreich Belgien/Kommission, a . a . O ., hat der Gerichtshof ferner entschieden, bei der Prüfung, ob die Beteiligung eines Staates an einem Unternehmen eine Behilfe ist, biete sich
"die Anwendung des ... Kriteriums an, ob sich das Unternehmen die betreffenden Beträge auf den privaten Kapitalmärkten beschaffen könnte . Befindet sich das Gesellschaftskapital im Besitz der öffentlichen Hand, ist insbesondere zu prüfen, ob ein privater Gesellschafter in einer vergleichbaren Lage unter Zugrundelegung der Rentabilitätsaussichten und unabhängig von allen sozialen oder regionalpolitischen Überlegungen oder Erwägungen einer sektorbezogenen Politik eine solche Kapitalhilfe gewährt hätte" ( Randnr . 14 ).
25 . In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission auf Grund einer Vielzahl von Faktoren ausgeschlossen, daß sich Tubemeuse die betreffenden Finanzmittel auf dem freien Kapitalmarkt hätte besorgen können . Insbesondere wird eingehend dargelegt, daß der betreffende Sektor durch strukturelle Überkapazitäten geprägt sei, daß die von Erdölbohrungen abhängige Nachfrage, die den grössten Teil der Nachfrage nach nahtlosen Röhren ausmache, ständig im Rückgang begriffen sei, daß die Finanzlage von Tubemeuse seit langem durch hohe Verluste gekennzeichnet sei ( 1984 machten die Schulden mehr als 14 % des Umsatzes aus, hiervon 8,4 % für den Kapitaldienst ), die zu einem zunehmenden Rückzug der privaten Aktionäre geführt hätten .
Angesichts dieser Umstände, die in der Sache nicht bestritten sind, muß gesagt werden, daß die Kommission Artikel 92 Absatz 1 ordnungsgemäß angewandt hat mit der Feststellung, die betreffenden Finanzhilfen seien eine unmittelbare staatliche Beihilfe, mit deren Hilfe ein Unternehmen am Leben erhalten werden sollte, das sich ansonsten nicht die zur Fortführung seiner Geschäfte notwendige Liquidität auf dem privaten Kapitalmarkt hätte besorgen können .
26 . Die Kommission hat ferner überzeugend auf die von der belgischen Regierung vorgetragenen Argumente geantwortet, mit denen belegt werden sollte, daß die streitigen Finanzhilfen nicht als "Rettungsbeihilfen" angesehen werden könnten .
Insbesondere zur Verhaltensweise der Aktionäre konkurrierender Unternehmen ist zu bemerken, daß keinerlei Analogie zum Verhalten der belgischen Regierung als Kapitalgeber von Tubemeuse möglich ist, da diese Unternehmen, abgesehen davon, daß sie effektive Sanierungsmaßnahmen durchgeführt haben, im allgemeinen eine ausgeglichene Bilanz und überwiegend positive wirtschaftliche Perspektiven aufweisen .
Bezueglich der Tubemeuse gewährten Bankfinanzierungen ist der Umstand maßgebend, daß diese Investitionen tatsächlich durch eine Garantie des belgischen Staates abgesichert waren, der somit letztendlich die mit diesen Geschäften verbundenen Risiken getragen hat .
Was schließlich die Angabe der belgischen Regierung angeht, sie habe sich nach den Hinweisen einer internationalen Beratungsgesellschaft gerichtet, ist vor allem, wie von der Kommission dargetan, darauf hinzuweisen, daß schon der 1986 vorgelegte Bericht dieser Gesellschaft von sich aus deutlich macht, daß seit 1983 die Gesamtsituation des Unternehmens unter verschiedenen Aspekten ( Betriebsergebnisse, unzureichende Diversifizierung, Schuldenstand und Liquidität ) überaus bedrohlich gewesen ist . Die Kommission hat ferner ein 1985 vom "Comité national belge de planification et de contrôle de la sidérurgie" erstelltes Dokument vorgelegt, in dem es heisst, selbst wenn es dem Unternehmen gelingen sollte, die entsprechenden Kosten durch eine finanzielle Umstrukturierung zu verringern, lägen die Gestehungskosten gleichwohl in jedem Fall um 3,9 % über dem Verkaufspreis . In diesem Zusammenhang ist weiter zu sagen, daß sich Tubemeuse angesichts der seit 1979 aufgetretenen strukturellen Finanzschwierigkeiten an die ( lokalen und regionalen ) öffentlichen Stellen mit der Bitte gewandt hat, hier Abhilfe zu schaffen .
Die Kommission ist folglich zu Recht davon ausgegangen, daß sich die belgische Gesellschaft wahrscheinlich die von ihr benötigte Liquidität nicht auf dem Kapitalmarkt hätte beschaffen können, so daß die Finanzhilfe des Staates als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 zu betrachten sei .
Beeinträchtigung des Handels innerhalb der Gemeinschaft
Zu diesem Punkt legt die belgische Regierung vor allem dar, daß Tubemeuse zu der Zeit, als ihr die Finanzhilfen gewährt worden seien, 90 %, - d . h . fast ihre gesamte Produktion - ausserhalb der Gemeinschaft, genauer in der Sowjetunion abgesetzt habe .
Die belgische Regierung folgert aus diesem Umstand vor allem, daß die betreffende Finanzhilfe höchstens als Beihilfe zur Ausfuhr nach Drittländern und mithin als nach Artikel 112 des Vertrages zulässige Maßnahme angesehen werden könne .
Zweitens müsse angesichts des Umfangs der Ausfuhren nach Drittländern auf jeden Fall gesagt werden, daß die fragliche Beihilfe nicht geeignet sei, den Handel innerhalb der Gemeinschaft zu beeinträchtigen . Auf jeden Fall sei in diesem Punkt die Entscheidung der Kommission nicht angemessen begründet .
27 . Bezueglich des Artikels 112 ist zu sagen, daß nicht auszuschließen ist, daß eine Beihilfe für die Ausfuhr nach Drittländern zumindest unter bestimmten Voraussetzungen den Handel innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigen und auch Verfälschungen des Wettbewerbs hervorrufen kann . Zum Beispiel kann ein Beihilfesystem für die Drittlandsausfuhr das unterstützte Unternehmen in die Lage versetzen, auf dem Gemeinschaftsmarkt Preise anzubieten, die spürbar niedriger sind als diejenigen, die es sonst hätte praktizieren können . In diesem Fall glaube ich nicht, daß Artikel 112, der sich darauf beschränkt, die schrittweise Vereinheitlichung der Systeme der Ausfuhrbeihilfen festzulegen, geeignet ist, die staatliche Finanzhilfe den Vorschriften des Artikels 92 zu entziehen .
Artikel 112 kann nämlich - berücksichtigt man seine Tragweite, seine Zielrichtung und den normativen Zusammenhang, in dem er steht - nicht als Vorschrift ausgelegt werden, die eine Ausnahme von anderen Bestimmungen des Vertrages - wie zum Beispiel denen über die staatlichen Beihilfen - anordnen will . Es dürfte sich mithin eher darum handeln, von Fall zu Fall festzustellen, ob eine bestimmte Beihilfe für Ausfuhren nach Drittländern geeignet ist, den Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb in der Gemeinschaft zu verfälschen ( 38 ).
Allgemein betrachtet dürfte daher die von der belgischen Regierung vorgetragene Auslegung des Artikels 112 nicht zu billigen sein . Gleichwohl muß hervorgehoben werden, daß vorliegend die Beihilfe für Tubemeuse auf keinen Fall als Ausfuhrbeihilfe angesehen werden könnte . Es handelt sich nämlich nicht um einen im Zusammenhang von Handelsgeschäften mit Drittländern gewährten Vorteil, sondern im Gegenteil um eine Finanzhilfe zur Unterstützung der Produktionstätigkeit des Unternehmens, die als solche ausserhalb des Anwendungsbereichs des Artikels 112 anzusiedeln ist .
28 . Es ist mithin einfach festzustellen, ob die von der belgischen Regierung gewährte Produktionsbeihilfe in Form der streitigen Finanzhilfen geeignet war, den Handel innerhalb der Gemeinschaft zu beeinträchtigen .
Die Voraussetzung bezueglich der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten geht auf den Zweck zurück, den Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Wettbewerbsregeln abzugrenzen . Aufgrund dieses Kriteriums bleiben von der Anwendung der Gemeinschaftsregeln ausgeschlossen diejenigen Handlungen und Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich ausschließlich auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschränken und daher auch mittelbar nicht geeignet sind, die Freiheit des Handels innerhalb der Gemeinschaft in einem Sinne zu beeinträchtigen, der der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes abträglich sein könnte, was zum Beispiel der Fall wäre, wenn solche Handlungen und Verhaltensweisen die Struktur oder die Entfaltung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt spürbar verändern würden ( 39 ).
In erster Linie ist zu sagen, daß die betreffenden Produkte Gegenstand des Handels innerhalb der Gemeinschaft sind . Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, werden etwa 50 % der gesamten Gemeinschaftsproduktion durch die interne Nachfrage der EWG absorbiert; weiterhin werden etwa 25 % der Ausfuhren der Gemeinschaftsproduzenten innerhalb der Gemeinschaft abgesetzt ( Stand 1984 ). Zur gleichen Zeit stellte die Produktion von Tubemeuse 17 % der Gemeinschaftsproduktion dar und war, wie bereits gesagt, zu etwa 90 % zur Ausfuhr in die Sowjetunion bestimmt .
29 . Sodann kann die Stellung eines Unternehmens, auf das 17 % der Gemeinschaftsproduktion entfallen, sicherlich nicht als marginal betrachtet werden, so daß die ihm gewährte massive Unterstützung geeignet ist, die normale Entfaltung des Wettbewerbs zu verändern und sich dementsprechend auf den Verlauf der Handelsströme auszuwirken . Weiterhin dürfte der Umstand, daß das Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe einen Grossteil seiner Produktion nach einem Drittland ausführte, nicht entscheidend sein . Was zählt, ist nämlich der Umstand, daß sich das betreffende Produkt innerhalb der Gemeinschaft im Handel befindet und daß Tubemeuse insbesondere in der Lage war, an diesem Handel aus einer starken Position heraus teilzunehmen . Im übrigen hat der Gerichtshof schon entschieden, der Versuch eines Unternehmens, seine Ausfuhren auf Drittländer auszurichten, könne nicht ausschließen, daß eine ihm gewährte Beihilfe möglicherweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige ( 40 ).
Die letzte Feststellung hängt übrigens mit der Notwendigkeit zusammen, die Beeinträchtigung des Handels ( wie übrigens auch die Verfälschung des Wettbewerbs ) in einer Entwicklungsperspektive zu würdigen ( 41 ). Vorliegend hat die Kommission bei der Bewertung der Auswirkungen der betreffenden Beihilfe auf den Handel zu Recht die voraussichtliche Entwicklung der Handelsströme berücksichtigt . Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung insbesondere festgestellt, daß es in einem komplexen Rahmen, der durch eine starke Verzahnung der Weltmärkte und durch ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen Weltnachfrage und -angebot ( ihrerseits zurückzuführen auf die zunehmende Produktionskapazität der Entwicklungs - und der Staatshandelsländer sowie - wegen der verfügten Einfuhrbeschränkungen - auf die Verringerung der US-Nachfrage und der Nachfrage aus dem Erdölsektor ) gekennzeichnet sei, vernünftigerweise eine Neuausrichtung von Tubemeuse nach dem Binnenmarkt der EWG vorauszusehen sei . Die Richtigkeit dieser Annahmen wurde durch die Entwicklung nach 1984 bestätigt . Aus den vom Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Daten ergibt sich nämlich, daß Tubemeuse 1987 23 % seiner Produktion auf dem Gemeinsamen Markt abgesetzt hat und daß diese Zahl für das erste Halbjahr 1988 auf 33,3 % angestiegen ist .
Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Kommission für den vorliegenden Fall mit Recht den Fortbestand einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels durch die von der belgischen Regierung gewährte Beihilfe angenommen hat und weiter die angefochtene Entscheidung eine ausreichende und klare Begründung bezueglich der Umstände und Wertungen enthält, auf die die Kommission sich insoweit gestützt hat .
B - Die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3
30 . Die belgische Regierung macht geltend, im vorliegenden Fall hätte die Kommission auf jeden Fall anerkennen müssen, daß die betreffende Beihilfe unter die Ausnahmetatbestände des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben a und c falle .
Jedoch wird das ohnehin knappe entsprechende Vorbringen nicht durch wirklich überzeugende Ansatzpunkte gestützt .
Insbesondere ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, daß die Kommission vorliegend Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a wegen einer sozioökonomischen Untersuchung der betreffenden belgischen Regionen ( Entscheidung 82/740/EWG vom 22 . Juli 1982, ABl . L 212 vom 9.11.1982, S . 18, geändert durch die Entscheidung 45/544/EWG vom 31 . Juli 1985, ABl . L 341 vom 19.12.1985, S . 19 ) nicht angewandt hat, der zufolge in diesen Regionen die Lebenshaltung nicht aussergewöhnlich niedrig war und keine erhebliche Unterbeschäftigung herrschte . Die belgische Regierung hat sich darauf beschränkt, Informationen über die Schließung einiger dortiger Unternehmen zu geben, ohne allerdings den Inhalt der Würdigungen in diesen Entscheidungen anzugreifen .
Was die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c betrifft, so weist die Kommission darauf hin, daß vorliegend das Unternehmen auf einem Markt tätig sei, der durch ein strukturelles Überangebot gekennzeichnet sei, und daß die Finanzhilfen der belgischen Regierung in keinem Zusammenhang mit einem auf konsequenten Kapazitätsabbau angelegten effektiven Sanierungsplan stuenden . Unter diesen Umständen habe Tubemeuse aufgrund der gewährten Beihilfe ihren eigenen Marktanteil auf Kosten anderer Unternehmen erhalten oder vergrössern können, die nicht entsprechend von der öffentlichen Hand unterstützt worden und deshalb gezwungen gewesen seien, ihre eigene Produktion den Zwängen eines Überschußmarktes anzupassen . Die betreffende Beihilfe hat daher den Handel in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt und die Kommission folglich zu Recht festgestellt, daß die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c nicht herangezogen werden könne .
C - Die Durchführung der angefochtenen Entscheidung
31 . Nach Auffassung der belgischen Regierung hat die Kommission nicht den Umstand berücksichtigt, daß Tubemeuse sich zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung in einem Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses befunden habe, so daß die Entscheidung nicht durchführbar sei .
Zu diesem Punkt bringt die belgische Regierung folgende Argumente vor :
- Die angefochtene Entscheidung sei gegenstandslos und daher nicht durchführbar, weil das Unternehmen vom wirtschaftlichen Standpunkt aus aufgehört habe zu existieren;
- das anhängige Vergleichsverfahren mache zumindest den sofortigen Vollzug der Entscheidung unmöglich;
- unter Berücksichtigung der Vergleichssituation sei die Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe unverhältnismässig .
32 . Die von der belgischen Regierung vorgebrachten Argumente führen bei richtiger Betrachtung zu einem Ergebnis, das die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften über die Beihilfen beeinträchtigen könnte . Ein Unternehmen, das eine massive Finanzhilfe vom Staat erhalten hat, brauchte nämlich nur ein Vergleichsverfahren in die Wege zu leiten, um die Anwendung der Vorschriften der Artikel 92 ff . ihm gegenüber auszuschließen .
Im übrigen hat Tubemeuse vorliegend auch nach der angefochtenen Entscheidung ihre Geschäfte fortgeführt . Es war daher eine vollständige Durchführung der Entscheidung der Kommission geboten, um das Fortbestehen der durch die Beihilfe bewirkten Verfälschungen des Wettbewerbs zu verhindern .
Es gibt im übrigen keinen Grund, Unternehmen, die sich in einem Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses befinden, hinsichtlich der Pflicht zur Rückforderung besser zu stellen als andere Unternehmen . Die Kommission kann, wie bereits ausführlich dargestellt, stets die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen verlangen . Es ist dann Sache des betreffenden Staates, die zur Erreichung dieses Ergebnisses erforderlichen angemessenen Maßnahmen zu treffen . Dies gilt auch für Unternehmen, über deren Vermögen ein Vergleichsverfahren anhängig ist, wobei insbesondere festzuhalten ist, daß die Beträge, deren Rückahlung der Staat zu fordern verpflichtet ist, sich ungerechtfertigt im Vermögen des Unternehmens befindet .
Schließlich ist hervorzuheben, daß die Kommission nicht die sofortige Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfen angeordnet, sondern die belgische Regierung lediglich aufgefordert hat, im Rahmen der nach innerstaatlichem Recht bestehenden Möglichkeiten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückzahlung zu bewirken . Insoweit dürfte der Staat dieser Pflicht durch die Anmeldung dieser Beträge im Vergleichsverfahren nachgekommen sein, hat doch die Kommission diese Verhaltensweise als angemessen erachtet, um die mit der angefochtenen Entscheidung begründete Pflicht zur Rückforderung zu erfuellen . Berücksichtigt man diese tatsächlichen Umstände, so ist es nicht erforderlich, vorliegend auf die bekannte Rechtsprechung des Gerichtshofes hinzuweisen, der zufolge die absolute Unmöglichkeit als Rechtfertigung der unterlassenen Durchführung einer Rückforderungsanordnung herangezogen werden kann ( 42 ).
Ich meine daher, daß die besondere Lage, in der sich das Unternehmen zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung befand, der Durchführung dieser Entscheidung nicht entgegenstehen kann, zumal der Staat jedenfalls nach den Ergebnissen dieses Verfahrens die ihm obliegenden Verpflichtungen tatsächlich erfuellt zu haben scheint .
D - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
33 . Die belgische Regierung macht geltend, die Kommission beziehe sich in der angefochtenen Entscheidung auf die Stellungnahmen von "drei anderen Mitgliedstaaten und vier Fachverbänden von Stahlröhrenerzeugern ". Diese für die Entscheidung erheblichen Dokumente seien nicht vorgelegt und von den Betroffenen nicht kommentiert worden .
Insoweit genügt der Hinweis, daß die angefochtene Entscheidung auf einer Gesamtheit objektiver wirtschaftlicher Daten im Zusammenhang mit der Lage und der Entwicklung des relevanten Marktes gegründet ist, von denen die belgische Regierung unterrichtet war und zu denen sie ihre eigenen Gegenargumente vorgebracht hat . Ich meine daher, daß die betreffenden Stellungnahmen, auch wenn es bedauerlich ist, daß sie nicht ordnungsgemäß übermittelt worden sind, ohne Einfluß auf den Inhalt der Entscheidung geblieben sind, so daß ihre fehlende Übermittlung nicht zu deren Nichtigerklärung führen kann .
Insoweit verweise ich auf das schon genannte Urteil in der Rechtssache 234/84, Königreich Belgien/Kommission, a . a . O ., in dem der Gerichtshof auf einen ähnlichen Einwand hin festgestellt hat :
"Die streitige Entscheidung (( war )) durch die in ihrer Begründung genannten objektiven Gesichtspunkte, über die die belgische Regierung vollständig unterrichtet war und zu denen sie in jeder Weise Stellung nehmen konnte, ausreichend fundiert ... Infolgedessen wäre die Entscheidung selbst bei Fehlen der Erklärungen, die während des Verfahrens von betroffenen Dritten bei der Kommission eingereicht wurden, nicht anders ausgefallen . Somit rechtfertigt der blosse Umstand, daß die Kommission in ihrer Entscheidung auf diese Erklärungen verwies, ohne dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nicht die Aufhebung dieser Entscheidung" ( Randnr . 30 ).
34 . Unter Berücksichtigung der gesamten vorstehenden Erwägungen schlage ich daher dem Gerichtshof vor,
- die Klage insgesamt für zulässig zu erklären,
- sie in der Sache abzuweisen,
- der belgischen Regierung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen .
(*) Originalsprache : Italienisch .
( 1 ) Es ist darauf hinzuweisen, daß die Frage der Folgen der verfahrensrechtlichen Rechtswidrigkeit ( per se ) der unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 gewährten Beihilfen von der Kommission in einer Reihe gegenwärtig anhängiger Rechtssachen aufgeworfen worden ist, vgl . insbesondere Rechtssache C-301/87, Französische Republik/Kommission, Urteil vom 14 . Februar 1990, 0000; Rechtssache C-61/88, Kommission/Französische Republik, Urteil vom 10 . Mai 1990, noch nicht veröffentlicht; Rechtssache C-162/88, Kommission/Französische Republik, Urteil vom 4 . Juli 1990, noch nicht veröffentlicht; Rechtssache C-294/88, Poclain SA und Tenneco Europe Ltd/Kommission, Urteil vom 4 . Juli 1990, noch nicht veröffentlicht; Rechtssache C-303/88, Italienische Republik/Kommission, Beschluß vom 17 . März 1990, 0000 .
( 2 ) Nach den Angaben der Kommission wurden im Zeitraum von 1984 bis 1988 mehr als 100 Fälle von Beihilfen festgestellt, die unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 gewährt worden waren .
( 3 ) Zu alledem kommt das Risiko hinzu, daß angesichts der Gewährung staatlicher Beihilfen, die auf Gemeinschaftsebene nicht hinreichend bekämpft worden sind, die anderen Mitgliedstaaten sich entscheiden, jeder für sich durch die Gewährung ähnlicher Vorteile für ihre nationalen Unternehmen tätig zu werden .
( 4 ) Dieses Verfahren läuft bekanntlich in zwei Phasen ab . Die erste - sie ist vorläufiger Natur - besteht in einer summarischen Würdigung des mitgeteilten Beihilfevorhabens und dient der Feststellung, ob dieses schon prima facie eindeutig mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist oder ob umgekehrt auch nur vernünftige Zweifel an seiner Vereinbarkeit bestehen . Im letzteren Fall ist die Kommission gehalten, zur zweiten Phase überzugehen und das kontradiktorische Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten . Es ist darauf hinzuweisen, daß die Vorprüfungsphase notwendigerweise die Mitteilung des Vorhabens voraussetzt . Binnen zwei Monaten von der Mitteilung an ( so die Rechtsprechung des Gerichtshofes, Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 170/73, Lorenz, Slg . 1973, 1471 ) bzw . binnen einem Monat, wenn es um Einzelbeihilfen geht, hat die Kommission zu entscheiden, ob das kontradiktorische Verfahren einzuleiten ist . Reicht allerdings nach Meinung der Kommission das Vorprüfungsverfahren für die Feststellung der Vereinbarkeit der Beihilfe aus, so kann sie das Verfahren ohne Erlaß einer formellen Entscheidung beenden . Erinnert sei schließlich daran, daß auch dann, wenn kein Vorprüfungsverfahren stattgefunden hat ( weil die Beihilfe nicht ordnungsgemäß angemeldet wurde ), das kontradiktorische Verfahren gleichwohl eingeleitet werden kann, und zwar entweder von Amts wegen oder auf Anregung irgendeines Beteiligten, der der Kommission die Einführung der Beihilfe "angezeigt" hat .
( 5 ) Urteil vom 15 . Juli 1964 in der Rechtssache 6/64, Costa/ENEL, Slg . 1964, 1251 .
( 6 ) Urteil vom 9 . Oktober 1984 in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83, Heineken Brouwerijen BV, Slg . 1984, 3435 .
( 7 ) Beschluß vom 20 . September 1983 in der Rechtssache 171/83 R, Kommission/Französische Republik, Slg . 1983, 2621; vgl . auch das Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73, Gebr . Lorenz GmbH, Slg . 1973, 1471 .
( 8 ) Urteil vom 19 . Juni 1973 in der Rechtssache 77/72, Capolongo, Slg . 1973, 611 .
( 9 ) Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73, Gebr . Lorenz GmbH, Slg . 1973, 1471; Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 121/73, Markmann KG, Slg . 1973, 1495; Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 122/73, Nordsee, Deutsche Hochseefischerei GmbH, Slg . 1973, 1511; Urteil vom 11 . Dezember 1973 in der Rechtssache 141/73, Fritz Lohrey, Slg . 1973, 1527 .
( 10 ) Urteil vom 22 . März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg . 1977, 595 .
( 11 ) Diese Aspekte sind in allen Einzelheiten im Rahmen des 12 . Kongresses der FIDE, Paris 1986, erörtert worden, auf dessen Akten wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird .
( 12 ) Vgl . die Berichte zum FIDE-Kongreß, a . a . O ., S . 205 und 296, sowie E . H . Pinacker Hordijk : "Judicial Protection of private interests under the EEC Competition rules relating to State aids", in : Legal Ißüs of European Integration, 1985/1, S . 67 ( insbesondere S . 74 bis 78 ).
( 13 ) Vgl . Berichte FIDE, a . a . O ., S . 79 und 299 .
( 14 ) Vgl . Berichte FIDE, a . a . O ., S . 78 .
( 15 ) Vgl . Berichte FIDE, a . a . O ., S . 183; vgl . auch die Entscheidung des italienischen Consiglio di Stato vom 24 . Januar 1989, die ausdrücklich die unmittelbare Wirkung einer Entscheidung der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 in Abrede stellt .
( 16 ) Corte costituzionale vom 9 . April 1963, Nr . 49, Foro italiano, 1963, I, 859, und vom 8 . Juli 1969, Nr . 120, a . a . O ., 1969, I, 2069 .
( 17 ) Die Corte costituzionale hat entschieden, daß die Beschlussorgane der Region ihre Gesetzgebungskompetenz überschritten, als sie die Verfahrensvorschriften nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag nicht befolgten, die von den zuständigen Organen des Staates ordnungsgemäß festgelegt worden waren .
( 18 ) Vgl . J . FLynn : "Can misapplication of a fiscal measure constitute State aid?" in : Eur . Law Rev ., 1986, S . 232 .
( 19 ) Hier lässt sich als Beispiel der italienische Verwaltungsgerichtsstreit betreffend einige Bestimmungen des Gesetzes Nr . 64 vom 1 . März 1986 ( einheitliche Regelung der ausserordentlichen Finanzhilfen für den Mezzogiorno ) anführen, der Anlaß zu verschiedenen gegenwärtig beim Gerichtshof anhängigen Vorlagen zwecks Vorabentscheidung war; vgl . auch bezeichnenderweise Tar Lazio, Sez . III, vom 22 . Januar 1985, in : Foro amministrativo, 1985, S . 941 .
( 20 ) Urteil vom 2 . Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italienische Republik/Kommission, Slg . 1974, 709 .
( 21 ) Der Gerichtshof hat insbesondere bemerkt, daß "sich die Aktionsmittel der Kommission nicht in einem Rückgriff auf das umständlichere Verfahren des Artikels 169 erschöpfen" dürfen .
( 22 ) Vgl . A . Dashwood : "Control of State aids in the EEC : prevention and cure under article 93", CMLR, 1975 ( Band 12 ).
( 23 ) Diesem Antrag ist vom Gerichtshof mit dem genannten Beschluß vom 20 . September 1983 stattgegeben worden ( die Kommission hat dann vom Hauptverfahren Abstand nehmen können ).
( 24 ) Urteil vom 10 . Juli 1986 in der Rechtssache 234/84, Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263; Beschluß vom 6 . Februar 1986 in der Rechtssache 310/85 R, Deufil GmbH & Co . KG, Slg . 1986, 537; Urteil vom 2 . Februar 1989 in der Rechtssache 94/87, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg . 1989, 175 .
( 25 ) In beiden Mitteilungen hat die Kommission besonders an das Urteil in der Rechtssache Capolongo bezueglich der unmittelbaren Geltung des Artikels 93 Absatz 3 erinnert .
( 26 ) Vgl . die Mitteilung vom 24 . November 1983, a . a . O .: "Die Kommission unterrichtet deshalb die potentiellen Empfänger staatlicher Beihilfen davon, daß sie bei Beihilfen, die ihnen mißbräuchlich gewährt wurden, insofern mit Schwierigkeiten zu rechnen haben, als jeder Empfänger einer unrechtmässig gewährten Beihilfe, d . h . einer Beihilfe, die gewährt wurde, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung über ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag erlassen hat, diese gegebenenfalls zurückzahlen muß . Sobald die Kommission künftig Kenntnis davon erhält, daß ein Mitgliedstaat Beihilfemaßnahmen ergriffen hat, ohne den Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 nachzukommen, wird sie im Amtsblatt eine entsprechende Warnung veröffentlichen, in der sie die möglichen Beihilfeempfänger auf diese Gefahr hinweist ." Es ist festzustellen ( vgl . die Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage Nr . 181/88, ABl . C 151 vom 19.6.1989, S . 9 ), daß der Gesamtbetrag der unrechtmässig gewährten Beihilfen, deren Aufhebung die Kommission gefordert hat, sich 1985 auf 5 Mio ECU, 1986 auf 11 Mio ECU und 1987 auf 747 Mio ECU belief ( in dem letztgenannten Betrag ist die Rückforderung von 210 Mio ECU zu Lasten der SA Tubemeuse enthalten ).
( 27 ) Urteil vom 12 . Juli 1973 in der Rechtssache 70/72, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg . 1973, 813 .
( 28 ) Vgl . hierzu die Berichte zum FIDE-Kongreß, a . a . O ., S . 359, wo es heisst "the longer the gap between grant and recovery, the leß effective recovery is", aber auch hinzugefügt wird "the gap is further lengthened by the Commission' s delatorineß in enforcing recovery orders when Member States refuse to comply with them ".
( 29 ) Das Bestehen einer besonderen Pflicht zur Zusammenarbeit in diesem Punkt als einer konkreten Ausprägung der allgemeinen Pflicht aus Artikel 5 EWG-Vertrag unterstreichen Smit/Herzog : The Law of the EEC, 1982, Band 3, S . 414 ff ., wo es heisst : "Article 93 ( 1 ) obligates the Member States to co-operate with the Commission in its investigation and to supply it with all necessary data . This obligation receives further support from article 5, paragraph 1 ."
( 30 ) Urteil vom 10 . Juli 1986 in der Rechtssache 234/84, Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263 .
( 31 ) Zur Tragweite der Pflicht zur Zusammenarbeit in dem Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 vgl . treffend Smit/Herzog, a . a . O ., S . 415 : "Although the Member State wishing to grant an aid dös not have the burden of proof in the technical sense, it must supply the Commission with those facts and data which the Commission cannot conveniently obtain itself ."
( 32 ) Es ist allerdings auf folgendes hinzuweisen : Wollte man der These der Kommission vollinhaltlich zustimmen, so müsste man den Schluß ziehen, daß die Rechtswidrigkeit wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 jegliche Prüfung der Vereinbarkeit nach Artikel 92 Absatz 3 ausschließt, da sich - bereits auf der Ebene korrekter juristischer Auslegung - keinerlei Ermessen der Kommission ( oder auch, wie die Kommission selbst in ihrer Klagebeantwortung hervorhebt, des Gerichtshofes ) abgeleitet werden kann .
( 33 ) Die Rechtsgrundlage der Befugnis zur Feststellung der Rechtswidrigkeit könnte auf den ersten Blick auch in der Bestimmung des Artikels 93 Absatz 2 erblickt werden, der zufolge die Kommission die Aufhebung einer Beihilfe auch dann anordnen kann, wenn diese sich als "mißbräuchlich angewandt" erweist . Es dürfte indessen eher davon auszugehen sein, daß dieser Ausdruck sich nicht auf die unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 gewährten Beihilfen, sondern auf die Beihilfen bezieht, die sich erst in der Durchführungsphase als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erweisen . In solchen Fällen trifft die Kommission daher eine Entscheidung über die materiellrechtliche Vereinbarkeit der Beihilfe und nicht eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit .
( 34 ) Vgl . insbesondere die vorgenannten Urteile in den Rechtssachen 171/83, 173/73, 234/84 und 94/87 .
( 35 ) Mir scheint nämlich die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu bestätigen, daß Einleitung und Durchführung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 zwingend vorgeschrieben sind, sobald auch nur Zweifel bezueglich der Vereinbarkeit einer Beihilfe bestehen . Bezeichnend in dieser Richtung ist das Urteil vom 20 . März 1984 in der Rechtssache 84/82 ( Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg . 1984, 1451, mit dem der Gerichtshof einer Klage der Bundesrepublik stattgegeben hat, mit der festgestellt werden sollte, daß die Kommission dadurch, daß sie es unterlassen hatte, das entsprechende Prüfungsverfahren einzuleiten, ihre Pflichten aus Artikel 93 Absatz 2 verletzt hatte . Der Gerichtshof hat insbesondere festgestellt : "Eines der wesentlichen Merkmale, durch das sich die Prüfungsphase des Artikels 93 Absatz 2 von der Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 unterscheidet, besteht darin, daß die Kommission in dieser Anfangsphase nicht verpflichtet ist, vor Erlaß ihrer Entscheidung den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben . Ein solches Verfahren, das den anderen Mitgliedstaaten und den betroffenen Wirtschaftskreisen die Gewähr gibt, ihre Auffassung vortragen zu können, und das die Kommission in die Lage versetzt, sich vor Erlaß ihrer Entscheidung umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten, wird jedoch unerläßlich, sobald die Kommission bei der Prüfung, ob ein Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernste Schwierigkeiten stösst" ( Randnr . 13 ). Obwohl es sich in diesem Fall um ein ordnungsgemäß angemeldetes Beihilfevorhaben handelte, muß ich sagen, daß die Überlegungen des Gerichtshofes zur Natur und zur Zielsetzung der Vereinbarkeitsprüfung von allgemeiner Tragweite sind und daß demzufolge die Einleitung des entsprechenden Verfahrens auch dann geboten ist, wenn die Kommission von rechtswidrig gewährten Beihilfen erfährt .
( 36 ) Zum einheitlichen und zwingenden Charakter der Vereinbarkeitsprüfung vgl . treffend Smit/Herzog, a . a . O ., S . 415, wo es heisst : "When investigating the incompatibility of an aid with the common market, the Commission should also examine on its own motion whether any of the exceptions of article 92(2 ) or 92(3 ) are applicable, in particular if the facts and the arguments advanced indicate that an exception may be applicable ."
( 37 ) Vgl . insbesondere die Urteile vom 14 . November 1984 in der Rechtssache 323/82, Intermills, Slg . 1984, 3809, vom 13 . März 1985 in den verbundenen Rechtssachen 296/82 und 318/82, Leeuwarder Papierwarenfabriek, Slg . 1985, 809, und vom 10 . Juli 1986 in der Rechtssache 234/84,(Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263 .
( 38 ) In diesem Sinne vgl . Smit/Herzog, a . a . O ., S . 397 .
( 39 ) Diese vom Gerichtshof aus Anlaß der Auslegung der Artikel 85 und 86 aufgestellten Grundsätze ( vgl . insbesondere das Urteil vom 31 . Mai 1979 in der Rechtssache 22/78, Hugin, Slg . 1979, 1869 ) betreffen ebenfalls Artikel 92, da die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels innerhalb der Gemeinschaft im Rahmen dieser drei, allesamt dem Kapitel "Wettbewerbsregeln" des Vertrages zugehörigen Bestimmungen eindeutig ein und dieselbe Funktion hat .
( 40 ) Vgl . das Urteil vom 10 . Juli 1986 in der Rechtssache 234/84, Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263, Randnr . 23 .
( 41 ) Vgl . in diesem Sinne J . Megret : Le droit de la Communauté économique européenne, Band 4, S . 384 .
( 42 ) Vgl . zuletzt das Urteil vom 2 . Februar 1989 in der Rechtssache 94/87, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg . 1989, 175, insbesondere Randnrn . 8 und 9 .