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Document 61986CC0203
Opinion of Mr Advocate General Darmon delivered on 25 February 1988. # Kingdom of Spain v Council of the European Communities. # Common organization of the market in the milk and milk products sector - Declaration that Council Regulations Nºs 1335/86 and 1343/86 are void - Reduction of the total guaranteed quantities. # Case 203/86.
Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 25. Februar 1988.
Königreich Spanien gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse - Nichtigerklärung der Verordnungen Nrn. 1335/86 und 1343/86 des Rates - Herabsetzung der Gesamtgarantiemengen.
Rechtssache 203/86.
Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 25. Februar 1988.
Königreich Spanien gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse - Nichtigerklärung der Verordnungen Nrn. 1335/86 und 1343/86 des Rates - Herabsetzung der Gesamtgarantiemengen.
Rechtssache 203/86.
Sammlung der Rechtsprechung 1988 -04563
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1988:100
Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 25. Februar 1988. - KOENIGREICH SPANIEN GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION FUER MILCH UND MILCHERZEUGNISSE - NICHTIGERKLAERUNG DER VERORDNUNGEN NR. 1335/86 UND NR. 1343/86 DES RATES - HERABSETZUNG DER GESAMTGARANTIEMENGEN. - RECHTSSACHE 203/86.
Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 04563
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Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1 . Das Königreich Spanien betreibt die Nichtigerklärung von zwei Verordnungen des Rates vom 6 . Mai 1986 : der Verordnung Nr . 1335/86 ( 1 ) zur Änderung der Verordnung Nr . 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( 2 ) und der Verordnung Nr . 1343/86 ( 3 ) zur Änderung der Verordnung Nr . 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5 c der Verordnung Nr . 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( 4 ). Einige Angriffsmittel des klagenden Staates richten sich gegen beide Verordnungen, andere betreffen nur eine von ihnen .
2 . Die angefochtenen Verordnungen sind Ausdruck des Bemühens der Gemeinschaftsorgane, das Anwachsen der Überschüsse an Milch und Milcherzeugnissen einzudämmen . Die Verordnungen sehen insbesondere für die ganze Gemeinschaft eine einheitliche Senkung der Gesamtgarantiemengen um 3 % vor . Was Spanien betrifft, so bewirken sie eine Herabsetzung der - in der Beitrittsakte, die insoweit die Verordnungen Nrn . 856/84 ( 5 ) und 857/84 geändert hat, festgesetzten - Globalmengen für die Lieferungen an Molkereien und Direktverkäufe an Verbraucher .
3 . Die gegen diese Verordnungen vorgebrachten Klagegründe lassen sich in zwei Gruppen unterteilen : Verletzung des Vertrages oder einer bei dessen Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm; Verletzung wesentlicher Formvorschriften .
I - Klagegründe, die sich gegen beide Verordnungen richten
4 . Die Rüge der Verletzung des Vertrages oder einer bei dessen Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm gliedert sich in drei Teile :
- Verletzung von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b, dem zufolge die Gemeinsame Agrarpolitik u . a . das Ziel verfolgt, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
- Verletzung des Diskriminierungsverbots, das allgemein in Artikel 7 des Vertrages und insbesondere für die Gemeinsame Agrarpolitik in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages niedergelegt ist; nach der letzteren Bestimmung hat sich die gemeinsame Marktorganisation "auf die Verfolgung der Ziele des Artikels 39 zu beschränken und jede Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft auszuschließen";
- Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes .
5 . Was den behaupteten Verstoß gegen Artikel 39 betrifft, so haben die angefochtenen Verordnungen die Globalmengen in Übereinstimmung mit der durch die Ratsverordnungen Nrn . 856/84 und 857/84 vom 31 . März 1984 geschaffenen Regelung herabgesetzt, deren Rechtmässigkeit das Königreich Spanien nicht bestritten hat . Überdies ist nicht dargetan, daß sich die angefochtenen Verordnungen auf die spanische Milcherzeugung so ausgewirkt hätten, wie es der klagende Staat behauptet . Bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit dieser Verordnungen im Hinblick auf Artikel 39 des Vertrages müssen nämlich folgende Gesichtspunkte beachtet werden :
- Die einschlägige Gemeinschaftsregelung muß in ihrer Gesamtheit beachtet werden . Wie Rat und Kommission ausgeführt haben, sind die möglichen Auswirkungen der Herabsetzung der Milcherzeugung aber vor allem im Lichte der Verordnung Nr . 1336/86 des Rates vom 6 . Mai 1986 zur Festsetzung einer Vergütung bei der endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung ( 6 ) zu würdigen .
- Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß die durch die streitigen Verordnungen verfügte Herabsetzung über einen Zeitraum von zwei Jahren gestaffelt ist und erst ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung wirksam wird .
Unter diesen Umständen lässt sich nicht annehmen, daß die streitigen Verordnungen das wesentliche Ziel missachteten, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten .
6 . Was die angebliche Verletzung des Diskriminierungsverbots betrifft, so betont der klagende Staat die besondere Lage auf dem spanischen Milchsektor und macht geltend, die streitigen Verordnungen seien rechtswidrig, da sie diese Lage nicht berücksichtigten, sondern die Globalmengen für die gesamte Gemeinschaft linear herabsetzten . Eine einheitliche, für alle Milcherzeuger in der Gemeinschaft geltende Herabsetzung begründe mit anderen Worten eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots, da sie die Besonderheiten des spanischen Milchsektors nicht berücksichtige und damit unterschiedliche Situationen gleich behandle .
7 . Diese Besonderheiten, wie sie der klagende Staat darstellt und der Rat bestreitet, sind in jedem Fall für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verordnungen ohne Bedeutung . Hier ist an Ihre vom Rat angeführte Rechtsprechung zu erinnern, wonach die von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation getroffenen Maßnahmen nicht zwischen den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten unterscheiden dürfen ( 7 ). Ausserdem wurden, wie der Rat dargelegt hat, die strukturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft beim Erlaß der Verordnungen zur Einführung der zusätzlichen Abgabe berücksichtigt; die Ausgewogenheit dieses Systems wurde bei der Änderung dieser Verordnung durch die Beitrittsakte aufrechterhalten .
8 . Was die angebliche Verkennung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes betrifft, so steht fest, daß die Wirtschaftsteilnehmer sich nicht mit Erfolg auf diesen Grundsatz berufen können, um ein Recht auf Beibehaltung einer bestehenden Gemeinschaftsregelung in Anspruch zu nehmen . Überdies ist es nach Artikel 8 der Beitrittsakte, dessen Wortlaut ich alsbald wiedergeben werde, ausgeschlossen, daß die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer ein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung - für welche Dauer auch immer - der im Zeitpunkt des Beitritts maßgeblichen Mengen setzen konnten . Schließlich betrifft der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Ihrer Rechtsprechung nur individuelle Situationen; er kann nicht für Sachverhalte gelten, die begriffsnotwendig allgemeinen Charakter haben .
9 . Mit der Rüge der Verletzung wesentlicher Formvorschriften stellt das Königreich Spanien die Rechtmässigkeit der angefochtenen Verordnungen mit der Begründung in Frage, diese seien gegen seine - ablehnende - Stimme erlassen worden . Im wesentlichen wird geltend gemacht, die in der Beitrittsakte vorgesehenen Globalmengen könnten wegen ihrer vertraglichen Natur nicht durch einseitigen Beschluß ohne Zustimmung der betroffenen Partei geändert werden .
10 . Dieses Vorbringen verkennt die Bedeutung von Artikel 8 der Beitrittsakte, wonach "die Bestimmungen dieser Akte, die eine nicht nur vorübergehende Aufhebung oder Änderung von Rechtsakten der Organe der Gemeinschaften zum Gegenstand haben oder bewirken, ... denselben Rechtscharakter (( haben )) wie die durch sie aufgehobenen oder geänderten Bestimmungen und ... denselben Regeln (( unterliegen )) wie diese ". Da die für Spanien geltenden, in der Beitrittsakte aufgeführten Globalmengen durch Änderung der Gemeinschaftsverordnungen Nrn . 804/68 und 857/84 festgelegt wurden, konnten sie nach der vorstehend wiedergegebenen Bestimmung im Wege des Rechtsetzungsverfahrens der Gemeinschaft, vorliegend durch mit qualifizierter Mehrheit gefassten Beschluß, erneut geändert werden . Die Stimmabgabe der spanischen Regierung bei der Beschlußfassung über die angefochtenen Verordnungen hat somit keinen Einfluß auf deren Rechtmässigkeit . Da die an den Verhandlungen über den Beitritt des Königreichs Spanien zu den Gemeinschaften beteiligten Parteien über die Einfügung des Artikels 8 in die Beitrittsakte einig waren, kann man dem Rat nicht vorwerfen, daß er von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht hat .
II - Nur gegen die Verordnung Nr . 1343/86 gerichteter Klagegrund
11 . Hier werden Formfehler geltend gemacht, nämlich die fehlende Anhörung des Europäischen Parlaments und die Unzulänglichkeit der Begründung .
12 . Das Königreich Spanien macht einen Verstoß gegen Artikel 43 Absatz 2 mit der Begründung geltend, das Europäische Parlament sei nicht angehört worden . Wie aber der Rat, insoweit von der Kommission unterstützt, ausgeführt hat, ist die Verordnung Nr . 1343/86 eine Durchführungsmaßnahme zur Änderung der Verordnung Nr . 857/84, die ihrerseits zur Durchführung der Grundverordnung Nr . 804/68 erlassen wurde .
13 . Die Verordnung Nr . 857/84 wurde aber vom Rat ohne vorherige Anhörung des Europäischen Parlaments erlassen . Nach Ihrer Rechtsprechung, auf die sich der Rat bezogen hat, muß beim Erlaß von Ausführungsvorschriften zu einer Grundverordnung nicht notwendigerweise das Verfahren von Artikel 43 des Vertrages eingeschlagen werden .
14 . Was schließlich die angebliche Verletzung der Begründungspflicht gemäß Artikel 190 des Vertrages betrifft, so kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden, die Bezugsvermerke der Verordnungen müssten stets auf eine Bestimmung des Vertrages verweisen . Da es sich nämlich um eine Durchführungsverordnung handelt, ist den Anforderungen an die Begründung in dem uns beschäftigenden Punkt Genüge getan, wenn die Präambel der angefochtenen Maßnahme ausdrücklich auf die Verordnung Bezug nimmt, auf deren Grundlage diese Maßnahme getroffen wurde . Da die angefochtene Verordnung die ihre Rechtsgrundlage bildende Verordnung Nr . 804/68 erwähnt, bedarf es meines Erachtens keiner Bezugnahme auf eine besondere Bestimmung des Vertrages .
15 . Ich beantrage daher, die Klage abzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem Königreich Spanien aufzuerlegen .
(*) Aus dem Französischen übersetzt .
( 1 ) ABl . L 119 vom 8 . 5 . 1986, S . 19 .
( 2 ) ABl . L 148 vom 28 . 6 . 1968, S . 13 .
( 3 ) ABl . L 119 vom 8 . 5 . 1986, S . 34 .
( 4 ) ABl . L 90 vom 1 . 4 . 1984, S . 13 .
( 5 ) Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr . 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl . L 90 vom 1 . 4 . 1984, S . 10 ).
( 6 ) ABl . L 119 vom 8 . 5 . 1986, S . 21 .
( 7 ) Siehe insbesondere das Urteil vom 13 . Juli 1978 in der Rechtssache 8/78, Milac, Slg . 1978, 1721, sowie das Urteil vom 13 . Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg . 1984, 4209 .