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Document 61985CC0261

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 24. November 1987.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.
Vertragsverletzungsverfahren - Völliges Verbot der Einfuhr von pasteurisierter Milch und nicht tiefgefrorenem pasteurisiertem Rahm.
Rechtssache 261/85.

Sammlung der Rechtsprechung 1988 -00547

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1987:503

61985C0261

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 24. November 1987. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN VEREINIGTES KOENIGREICH GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND. - VERTRAGSVERLETZUNGSKLAGE - TOTALES EINFUHRVERBOT FUER PASTEURISIERTE MILCH UND NICHT TIEFGEFRORENE PASTEURISIERTE SAHNE. - RECHTSSACHE 261/85.

Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 00547


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Die Klage wegen Vertragsverletzung, auf die sich diese Schlussanträge beziehen, war ursprünglich auf die Feststellung gerichtet, daß das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 30 und aus der Verordnung Nr . 804/68 des Rates vom 27 . Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( 1 ) verstossen hat,

1 ) daß es die Einfuhr von pasteurisierter Milch und nicht tiefgefrorenem pasteurisiertem Rahm, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, aus anderen Mitgliedstaaten verboten hat, und

2 ) daß es vorgeschrieben hat, daß wärmebehandelter Rahm und Getränke auf Milchgrundlage in Großbritannien nur aus dort erzeugter Milch und in Nordirland nur aus dort erzeugter Milch hergestellt werden dürfen .

2 . Während des Verfahrens hat die Kommission die Klage jedoch hinsichtlich der zweiten Rüge zurückgenommen, nachdem das Vereinigte Königreich die entsprechenden Rechtsvorschriften aufgehoben hat .

3 . Um später nicht darauf zurückkommen zu müssen, möchte ich schon hier feststellen, daß gemäß Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung die diesen Teil der Klage betreffenden Kosten dem Vereinigten Königreich aufzuerlegen sind, dessen Verhalten die Klagerücknahme gerechtfertigt hat .

4 . Was den ersten Teil der Klage angeht, ist zur Kenntnis zu nehmen, daß das Vereinigte Königreich einräumt, daß die beanstandete Regelung, die im Sitzungsbericht eingehend beschrieben ist, Artikel 30 EWG-Vertrag zuwiderläuft ( 2 ). Zu prüfen bleibt daher, ob die Regelung, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, nach Artikel 36 aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt ist .

5 . Bevor ich auf diese Frage eingehe, muß ich jedoch zum Vorbringen des Vereinigten Königreichs Stellung nehmen, wonach die Kommission den Gegenstand ihrer Klage während des Verfahrens geändert habe . Tatsache ist, daß der Rat am 5 . August 1985, also zwei Wochen vor Klageerhebung durch die Kommission, die Richtlinie 85/397/EWG zur Regelung gesundheitlicher und tierseuchenrechtlicher Fragen im innergemeinschaftlichen Handel mit wärmebehandelter Milch ( 3 ), d . h . pasteurisierter, sterilisierter oder ultrahocherhitzter ( UHT ) Milch, erlassen hat . Ziel dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet durch die Aufstellung von Gemeinschaftsnormen für die Erzeugung, die Behandlung und den Transport und durch die Einführung eines gemeinschaftlichen Kontrollsystems . Die Mitgliedstaaten müssen der Richtlinie nach Artikel 16 spätestens am 1 . Januar 1989 nachkommen .

6 . In der mit Gründen versehenen Stellungnahme war von dieser Richtlinie natürlich nicht die Rede . Das Vereinigte Königreich wirft der Kommission in seiner Gegenerwiderung vor, den Gegenstand der Klage dadurch geändert zu haben, daß sie geltend gemacht habe, daß das Vereinigte Königreich schon vor diesem Zeitpunkt nicht mehr berechtigt gewesen sei, die Einfuhr von pasteurisierter Milch zu verbieten, die den mit dieser Richtlinie festgelegten Normen entspricht . Damit habe die Kommission die besonderen Anforderungen des Vertragsverletzungsverfahrens verkannt, wonach der Gegenstand der Klage schon im Vorverfahren festgelegt sein müsse und wonach die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage auf dieselbe Begründung und dasselbe Vorbringen gestützt sein müssten ( 4 ).

7 . Ich vermag mich diesem Argument nicht anzuschließen . Zum einen wollte das Vereinigte Königreich selbst in seiner Klagebeantwortung Nutzen aus dem Bestehen dieser Richtlinie ziehen, indem es die Unterschiede der einzelstaatlichen Regelungen und die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Kontrollsystems herausstellte; die Kommission ist in ihrer Erwiderung nur auf dieses Argument eingegangen, indem sie betont hat, daß es zumindest paradox wäre, wenn Erzeugnisse, die schon jetzt den Vorschriften der Richtlinie entsprächen, heute noch als gesundheitsgefährdend bezeichnet und an der Einfuhr in das Vereinigte Königreich gehindert werden könnten, während dies nach dem 1 . Januar 1989 nicht mehr möglich sei .

8 . Zum anderen ist die von der Kommission behauptete Vertragsverletzung ( d . h . der Gegenstand der Klage ) seit dem förmlichen Aufforderungsschreiben bis zur Erwiderung die gleiche geblieben, nämlich das vom Vereinigten Königreich verhängte Verbot der Einfuhr von pasteurisierter Milch und von nicht tiefgefrorenem pasteurisiertem Rahm .

9 . Wir können uns damit der Begründetheit zuwenden . Insoweit ist es nach gesicherter Rechtsprechung des Gerichtshofes

"Sache der Mitgliedstaaten, mangels einer Harmonisierung auf diesem Gebiet ... das Niveau zu bestimmen, auf dem sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollten ".

Dies hat jedoch

"unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs" ( 5 ), d . h . "in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen" ( 6 ) zu geschehen .

10 . Artikel 36 soll nämlich "nicht bestimmte Sachgebiete der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten vorbehalten ". Da er eine Ausnahme vom grundlegenden Prinzip des freien Warenverkehrs darstellt, lässt er Beschränkungen nur insoweit zu, "als sie 'gerechtfertigt' , d . h . nötig sind, um insbesondere den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen zu sichern" ( 7 ).

11 . Dies ist aber nicht der Fall, "wenn die Gesundheit und das Leben von Menschen in ebenso wirksamer Weise durch Maßnahmen geschützt werden können, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken" ( 8 ).

12 . Es liegt jedoch auf der Hand, daß ein völliges Einfuhrverbot die einschneidendste Form von Handelsbeschränkungen ist . Die Frage ist also, ob im vorliegenden Fall allein ein solches Verbot in Anbetracht der Eigenschaften des betroffenen Erzeugnisses einen wirksamen Schutz der menschlichen Gesundheit bietet .

13 . Insoweit stellt das Urteil des Gerichtshofes vom 8 . Februar 1983 in der Rechtssache 124/81 ( Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg . 1983, 203 ) einen interessanten Präzedenzfall dar . Dort ging es um die britische Regelung der Einfuhr und des Verkaufs von Milch und Rahm, die nach dem UHT-Verfahren behandelt worden sind .

14 . Schon in jener Rechtssache hatte das Vereinigte Königreich geltend gemacht, daß nur das völlige Einfuhrverbot, das sich praktisch aus der Verpflichtung ergab, in das Vereinigte Königreich eingeführte UHT-Milch dort noch einmal zu behandeln und neu zu verpacken, die Gesundheit der Verbraucher wirksam schützen könne und daß dieses Verbot daher nach Artikel 36 EWG-Vertrag gerechtfertigt sei .

15 . Es hatte diese Auffassung im wesentlichen auf dieselben Gesichtspunkte wie im vorliegenden Fall gestützt, nämlich "auf die Unterschiedlichkeit der Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Erzeugung und Behandlung ... der Milch, auf die Verschiedenheit der Anwendungsmodalitäten dieser unterschiedlichen Rechtsvorschriften und auf die Unmöglichkeit für das Vereinigte Königreich, den gesamten Produktionszyklus der ... Milch vom Einsammeln auf dem Bauernhof bis zur Verpackung und zum Vertrieb ... zu kontrollieren ". Es hatte auch noch geltend gemacht, "eine solche Kontrolle sei ... unerläßlich, um sicher zu sein, daß die erhaltene Milch frei von jeder Bakterien - oder Virusinfektion sei" ( Randnr . 24 ).

16 . Diese Erwägungen gelten nach Ansicht des Vereinigten Königreichs in der vorliegenden Rechtssache umso mehr, als das Verfahren der Milchpasteurisierung wesentlich geringere Garantien biete als die Ultrahocherhitzung; dieser Mangel müsse durch zusätzliche Vorkehrungen während des gesamten Produktionskreislaufs vom landwirtschaftlichen Betrieb bis zum Endverbraucher ausgeglichen werden . Grenzkontrollen böten insoweit keine hinreichenden Garantien und führten im übrigen zu Verzögerungen, die die Milch genussuntauglich machten .

17 . Es ist richtig, daß der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache 124/81 das Vorbringen des Vereinigten Königreichs aus Gründen zurückgewiesen hat, die zu einem guten Teil mit den Besonderheiten der Erzeugung und der Verpackung von UHT-Milch zusammenhängen ( siehe Randnrn . 25 bis 27 ).

18 . Gleichwohl hat der Gerichtshof festgestellt, daß das Vereinigte Königreich in seinem Bestreben, die menschliche Gesundheit zu schützen, für Garantien sorgen könne, die denen gleichwertig seien, die es für seine einheimische Produktion festgelegt habe, ohne daß es ein vollständiges Einfuhrverbot verhängen müsse ( Randnr . 28 ).

19 . Das scheint mir hier auch der Fall zu sein .

20 . Das Vereinigte Königreich müsste zumindest die Möglichkeit bestehen lassen, pasteurisierte Milch und nicht tiefgefrorenen pasteurisierten Rahm aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, die unter denselben objektiven Bedingungen wie den von ihm festgesetzten erzeugt und in den Verkehr gebracht werden . Die Milcherzeuger der anderen Mitgliedstaaten müssten also mit anderen Worten die Möglichkeit haben, nachzuweisen, daß die von ihnen erzeugte pasteurisierte Milch den Anforderungen der britischen Rechtsvorschriften genügt . Diese Möglichkeit wird ihnen jedoch verweigert, da sie sich unabhängig von der Qualität der von ihnen verkauften Milch einem völligen Einfuhrverbot gegenübersehen .

21 . Um sicherzustellen, daß die Anforderungen der britischen Rechtsvorschriften tatsächlich eingehalten worden sind, ist es keineswegs nötig, daß das Vereinigte Königreich selbst Kontrollen auf allen Stufen der Erzeugung in den anderen Mitgliedstaaten vornehmen können muß .

22 . Wie der Gerichtshof bereits in den Randnummern 30 und 31 des Urteils vom 8 . Februar 1983 ausgeführt hat, könnte im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten vorgesehen werden, daß die Übereinstimmung der betroffenen Erzeugnisse mit den britischen Vorschriften durch Nachweise oder Bescheinigungen bestätigt wird, die von den zuständigen Behörden der Ausfuhrmitgliedstaaten ausgestellt werden, indem sie so eine Vermutung dafür begründeten, daß die eingeführten Waren den Anforderungen der Rechtsvorschriften des Einfuhrlandes entsprechen; dies schlösse "für die Behörden des Vereinigten Königreichs weder die Möglichkeit aus, Stichprobenkontrollen durchzuführen, um sich der Einhaltung der von ihnen festgelegten Normen zu vergewissern, noch die Möglichkeit, sich der Einfuhr von Sendungen zu widersetzen, die sie für mit diesen Normen nicht vereinbar halten ".

23 . Das hat das Vereinigte Königreich im Anschluß an das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 124/81 ( UHT-Milch ) getan, indem es in Abstimmung mit der Kommission und verschiedenen Mitgliedstaaten das Muster einer amtlichen Gesundheitsbescheinigung ausgearbeitet hat, die von den zuständigen Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats zu unterzeichnen und der in das Vereinigte Königreich eingeführten Milch beizufügen ist ( siehe Anlage 9 zur Klagebeantwortung ). Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund, weshalb ein solches System nicht auf pasteurisierte Milch und nicht tiefgefrorenen pasteurisierten Rahm angewandt werden könnte . Es würde genügen, den mit "Guarantees as to the heat treatment proceß" überschriebenen Punkt IV der Bescheinigung geringfügig anzupassen .

24 . Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die ganz grosse Mehrheit der britischen gesetzlichen und quasi-gesetzlichen Maßnahmen, die auf den einzelnen Stufen des Produktionskreislaufs angewandt werden, nicht nur für die Erzeugung von pasteurisierter Milch gelten . Die Kontrollen der Gesundheit des Viehbestands, des Zustands der landwirtschaftlichen Betriebe und der Bedingungen der Lagerung, des Transports und des Absatzes der Rohmilch gelten unabhängig von der Art der späteren Wärmebehandlung ( Sterilisierung, Pasteurisierung, Ultrahocherhitzung ).

25 . Ich bin insbesondere der Auffassung, daß den Molkereien, die schon jetzt UHT-Milch mit der genannten Bescheinigung in das Vereinigte Königreich ausführen, gestattet werden müsste, pasteurisierte Milch nach einer einfachen Kontrolle ihrer Pasteurisierungsmethoden und -einrichtungen in das Vereinigte Königreich auszuführen .

26 . Im übrigen ist auch mit der Richtlinie des Rates vom 5 . August 1985 ein System von Bescheinigungen und Konformitätskontrollen eingeführt worden, eben um den innergemeinschaftlichen Handel mit wärmebehandelter Milch unter Einhaltung der dort festgelegten Normen für die Erzeugung, die Sammlung, die Behandlung und den Transport zu erleichtern . Ich gestehe, daß mir das Vorbringen der Kommission sehr einleuchtet, wonach es schon jetzt möglich sein müsste, pasteurisierte Milch, die den Vorschriften dieser Richtlinie bereits entspricht, obwohl die Frist für die Durchführung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist, in das Vereinigte Königreich einzuführen . Was am 1 . Januar 1989 als nicht gesundheitsgefährdend gilt, muß auch heute schon so eingestuft werden .

27 . Es ginge nicht darum, der Richtlinie vor Ablauf der Frist zu ihrer Durchführung Wirkung zu verschaffen, sondern lediglich darum, zu akzeptieren, daß pasteurisierte Milch, die den vereinbarten gemeinsamen Normen entspricht, hinreichende Garantien für einen wirksamen Schutz der menschlichen Gesundheit bietet .

28 . Zu der Möglichkeit, an der Grenze bestimmte Tests hinreichend zuegig vorzunehmen ( insbesondere die Messung des Gesamtkeimgehalts der Milch, für die anscheinend ein bis drei Tage benötigt werden ), ist folgendes zu sagen . Vom 1 . Januar 1989 an gilt Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie, der wie folgt lautet : "Die Überprüfungen und Kontrollen finden normalerweise am Bestimmungsort der Waren oder an jedem anderen geeigneten Ort statt, sofern die Wahl dieses Ortes für die Weiterleitung der Waren möglichst geringe Schwierigkeiten bereitet . Die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Überprüfungen und Kontrollen dürfen keine übermässige Verzögerung der Weiterleitung und des Inverkehrbringens der Waren oder eine Verzögerung, die sich nachteilig auf die Milchqualität auswirken könnte, verursachen ."

29 . Das Vereinigte Königreich hat im Punkt 3.14 seiner Klagebeantwortung dargelegt, daß für die inländische Produktion schon jetzt "die Stichprobennahme bei wärmebehandelter Milch in den Molkereien oder den Einzelverkaufsstellen von den Environmental Health Officers oder den Trading Standards Officers durchgeführt wird ".

30 . Es würde daher genügen, wenn diese Bediensteten die Kontrolle auf eingeführte pasteurisierte Milch ausdehnen würden . Diese Milch wird im Ursprungsland ( vom Bauernhof bis zur Abfuellung ) ohnehin kontrolliert worden und von einer Genusstauglichkeitsbescheinigung begleitet sein .

31 . Die Gefahr, daß nicht den Normen entsprechende eingeführte Milch auf den Tisch des Verbrauchers gelangt, bevor das Ergebnis der Kontrollen beim Einzelhändler bekannt ist, ist daher eher eine theoretische .

32 . Vergessen wir doch nicht, daß es in der vorliegenden Rechtssache nicht um die Einfuhr eines Erzeugnisses geht, das chemische Substanzen enthält, deren Wirkungen für den menschlichen Organismus noch nicht hinreichend wissenschaftlich erforscht worden wären . Es handelt sich im Gegenteil um ein Erzeugnis, das einer besonderen Behandlung unterzogen worden ist, die gerade jede für die Gesundheit schädliche Wirkung ausschließen soll . In der Klagebeantwortung hat sich das Vereinigte Königreich selbst auf die Definition auf Seite 33 des Bulletin 1981 der International Dairy Federation ( Internationaler Milchwirtschaftsverband ) bezogen, wonach "die Pasteurisierung ... ein Verfahren (( ist )), dessen Anwendung auf ein Erzeugnis die möglichen Gesundheitsgefahren verringern soll, die sich daraus ergeben, daß durch eine Wärmebehandlung, die mit möglichst geringen chemischen, physikalischen und organoleptischen Veränderungen des Erzeugnisses vereinbar ist, pathogene Mikroorganismen in die Milch gelangen ".

33 . Der Bevollmächtigte des Vereinigten Königreichs hat jedoch geltend gemacht, die Kommission habe nicht nachweisen können, daß auch nur ein anderer Mitgliedstaat derzeit garantieren könne, daß die in seinem Hoheitsgebiet pasteurisierte Milch schon heute den Normen des Vereinigten Königreichs oder denen der Richtlinie entspreche .

34 . Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß das Vereinigte Königreich konkret hätte darlegen müssen, in welchen Punkten es die in den anderen Mitgliedstaaten vorgesehenen Garantien und Kontrollen für unzureichend hält ( 9 ), anstatt sich darauf zu beschränken, die insoweit zwischen den anderen Mitgliedstaaten untereinander und zwischen dem Vereinigten Königreich und den anderen Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede hervorzuheben . Daraus, daß die einzelstaatlichen Regelungen in diesem Bereich unterschiedlich sind, folgt nicht, daß sie nicht gleichwertig sein können .

35 . Zu diesem Argument hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, 80 % der in der irischen Grafschaft Leinster pasteurisierten Milch könnten in die Kategorien A und B des von den Milk Marketing Boards aufgestellten Systems der Messung des Gesamtkeimgehalts ( S . 17 der Klagebeantwortung ) eingestuft werden, ohne daß sie in das Vereinigte Königreich ausgeführt werden könnten; einer luxemburgischen Molkerei, die die besonders strengen Qualitätsnormen der Vereinigten Staaten von Amerika erfuelle, sei aus diesem Grund das ausschließliche Recht eingeräumt worden, die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten amerikanischen Streitkräfte mit Milch und Milcherzeugnissen zu beliefern .

36 . Diese nicht auf schriftliche Beweise gestützten Behauptungen können natürlich nicht den Ausschlag geben . Andererseits scheint weder die Kommission noch das Vereinigte Königreich eine systematische Untersuchung bei den elf anderen Mitgliedstaaten oder ihren Molkereien durchgeführt zu haben, so daß sich nicht mit Sicherheit behaupten lässt, daß keine dieser Molkereien in der Lage ist, den Anforderungen der britischen Rechtsvorschriften oder jenen der Richtlinie zu genügen .

37 . Wie ich bereits ausgeführt habe, erfuellen die auf dem Kontinent gelegenen Molkereien, die UHT-Milch in das Vereinigte Königreich ausführen dürfen, Anforderungen hinsichtlich des Zustands der Milch vor ihrer Behandlung, die die britischen Behörden für ausreichend halten ( siehe hierzu Punkt V des Musters der Bescheinigung in Anlage 9 zur Klagebeantwortung ). Daher lässt sich nicht ausschließen, daß diese Molkereien nach einer Prüfung der von ihnen angewandten Pasteurisierungsmethoden nicht als Betriebe angesehen werden könnten, die insoweit die britischen Normen erfuellen .

38 . Vor allem müssen wir uns aber folgende Grundsatzfrage stellen : Dürfte das Vereinigte Königreich für den Fall, daß tatsächlich nachgewiesen wäre, daß kein anderer Mitgliedstaat in der Lage ist, die vom Vereinigten Königreich geforderten Garantien zu bieten, ein absolutes Einfuhrverbot aufrecht erhalten?

39 . Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ein solches völliges Verbot geeignet ist, jeden abzuschrecken, der einen Antrag auf Liefererlaubnis stellen will, da dieser automatisch abgelehnt würde, auf welche Argumente der Antragsteller ihn auch immer stützen würde .

40 . Des weiteren würde ein zeitlich unbegrenztes völliges Verbot, das durch eine zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene tatsächliche Lage gerechtfertigt ist, die Verhältnisse ein für allemal festschreiben und die Verwirklichung eines der Hauptziele des Vertrags, den freien Warenverkehr, auf unbestimmte Zeit unmöglich machen .

41 . Schließlich ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß das Verbot des Artikels 30 EWG-Vertrag auch für Regelungen gilt, die den innergemeinschaftlichen Handel potentiell behindern . Es ist nicht erforderlich, daß ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats tatsächlich dartut, daß es an der Ausfuhr der fraglichen Ware interessiert und dazu in der Lage ist .

42 . Zusammenfassend bin ich somit der Meinung, daß ein Mitgliedstaat einen Exporteur eines anderen Mitgliedstaats nicht durch Gesetz oder Verordnung daran hindern darf, den Nachweis zu erbringen, daß sein Erzeugnis der im Einfuhrland geltenden Regelung entspricht .

43 . Der Gerichtshof hat im übrigen im Urteil vom 28 . Januar 1986 in der Rechtssache 188/84 ( Kommission/Frankreich, Slg . 1986, 419 ) folgendes ausgeführt :

"(( Ein Mitgliedstaat )) darf ... das Inverkehrbringen aus einem anderen Mitgliedstaat stammender Erzeugnisse nicht verhindern, die hinsichtlich des Niveaus des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen dem entsprechen, was mit der nationalen Regelung erreicht werden soll . Daher würde es dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zuwiderlaufen, wenn eine nationale Regelung verlangen würde, daß die eingeführten Erzeugnisse den Bestimmungen und technischen Anforderungen, die für die in dem betreffenden Mitgliedstaat hergestellten Erzeugnisse gelten, buchstabengenau entsprechen, obwohl sie dasselbe Schutzniveau für die Benutzer gewährleisten ."

44 . Daher ist kaum denkbar, daß das völlige Verbot der Einfuhr von pasteurisierter Milch, das nach den britischen Rechtsvorschriften besteht, nach Artikel 36 gerechtfertigt sein könnte .

45 . Es ließe sich jedoch einwenden, daß es nicht vernünftig wäre, vom Vereinigten Königreich zu verlangen, wenige Monate vor Inkrafttreten einer Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften in diesem Bereich ein neues System aufzustellen, das auf der bilateralen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten beruht, die bereit sind, die verlangten Garantien zu geben .

46 . Hierzu ist allerdings festzustellen, daß die Kommission das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 2 . Februar 1984 zur Äusserung aufgefordert hat und daß dieser Mitgliedstaat die Lage im Laufe jenes Jahres hätte bereinigen können .

47 . Ausserdem ist an das Urteil des Gerichthofes in der Rechtssache 154/85 zu erinnern, in dem es heisst :

"Nach ständiger Rechtsprechung ( siehe namentlich das Urteil vom 7 . Februar 1973 in der Rechtssache 39/72, Kommission/Italien, Slg . 1973, 111 ) wird der Streitgegenstand bei einer nach Artikel 169 erhobenen Klage durch die mit Gründen versehene Stellungnahme bestimmt; auch wenn der darin gerügte Mangel nach Ablauf der aufgrund des Artikels 169 Absatz 2 gesetzten Frist behoben wird, ist für die Klage noch ein Rechtsschutzinteresse gegeben . Dieses Interesse kann insbesondere darin bestehen, die Grundlage für die eventuelle Haftung eines Mitgliedstaats gegenüber denjenigen zu schaffen, die aus dem fraglichen Vertragsverstoß Ansprüche ableiten ." ( 10 )

48 . Schließlich und vor allem hat aber das Vereinigte Königreich die Möglichkeit, die Richtlinie 85/397/EWG jederzeit vor dem 1 . Januar 1989 umzusetzen . Auf diese Weise würde es die Vertragsverletzung ( das absolute Einfuhrverbot ) abstellen, ohne eine Übergangsregelung treffen zu müssen, und hätte gleichzeitig die Gewähr, daß nur den Normen der Richtlinie entsprechende pasteurisierte Milch in sein Hoheitsgebiet gelangen würde .

Antrag

49 . Ich schlage Ihnen daher vor, den Anträgen der Kommission, wie sie in der Erwiderung gefasst sind, stattzugeben und dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen .

(*) Aus dem Französischen übersetzt .

( 1 ) ABl . L 148, S . 13 .

( 2 ) Ich verweise auf alle Fälle auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14 . Dezember 1979 in der Rechtssache 34/79, Henn und Darby, Slg . 1979, 3795, in dem es heisst : "Offensichtlich bezieht sich (( Artikel 30 )) auch auf Einfuhrverbote, die die extremste Form einer Beschränkung darstellen . Insofern muß die in Artikel 30 verwendete Formulierung ebenso verstanden werden wie der in Artikel 36 enthaltene Ausdruck 'Einfuhrverbote oder -beschränkungen' " ( Randnr . 12 ).

( 3 ) ABl . L 226, S . 13 .

( 4 ) Siehe etwa das Urteil vom 15 . Dezember 1982 in der Rechtssache 211/81, Kommission/Dänemark, Slg . 1982, 4547, Randnr . 14 .

( 5 ) Siehe etwa das Urteil vom 6 . Juni 1984 in der Rechtssache 97/83, Melkunie, Slg . 1984, 2367, Randnr . 18, und aus neuerer Zeit das Urteil vom 12 . März 1987 in der Rechtssache 178/84, Kommission/Deutschland, Slg . 1987, 1227, Randnr . 41 .

( 6 ) Siehe das Urteil vom 20 . März 1976 in der Rechtssache 104/75, De Peijper, Slg . 1976, 613, Randnr . 15 . Siehe auch das Urteil vom 16 . Juli 1982 in der Rechtssache 40/82, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg . 1982, 2793, wonach "die Auswirkungen einer Gesundheitspolitik auf die Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten nicht die durch das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Grenzen überschreiten dürfen" ( Randnr . 34 ).

( 7 ) Siehe etwa das Urteil vom 12 . Juli 1979 in der Rechtssache 153/78 ( Kommission/Deutschland, Slg . 1979, 2555, Randnr . 5 ).

( 8 ) Siehe etwa die Urteile Melkunie, a . a . O ., Randnr . 12, und De Peijper, a . a . O ., Randnr . 17 .

( 9 ) Siehe das Urteil vom 8 . November 1979 in der Rechtssache 251/78, Denkavit Futtermittel/Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Slg . 1979, 3369, Randnrn . 24 und 28 .

( 10 ) Urteil vom 17 . Juni 1987 in der Rechtssache 154/85, Kommission/Italien, Slg . 1987, 2717, Randnr . 6, und Urteile vom 5 . Juni 1986 in der Rechtssache 103/84, Kommission/Italien, Slg . 1986, 1759, Randnrn . 8 und 9, und vom 20 . Februar 1986 in der Rechtssache 309/84, Kommission/Italien, Slg . 1986, 599, Randnr . 18 .

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