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Document 61985CC0020

    Schlussanträge des Generalanwalts Mancini vom 22. Januar 1987.
    Mario Roviello gegen Landesversicherungsanstalt Schwaben.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundessozialgericht - Deutschland.
    Soziale Sicherheit - Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.
    Rechtssache 20/85.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 -02805

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1987:25

    61985C0020

    Schlussanträge des Generalanwalts Mancini vom 22. Januar 1987. - MARIO ROVIELLO GEGEN LANDESVERSICHERUNGSANSTALT SCHWABEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM BUNDESSOZIALGERICHT. - SOZIALE SICHERHEIT - RENTE WEGEN BERUFS- ODER ERWERBSUNFAEHIGKEIT. - RECHTSSACHE 20/85.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 02805


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1 . Zwischen dem Kläger des Ausgangsverfahrens, Herrn Mario Roviello, und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der Landesversicherungsanstalt Schwaben in Augsburg, schwebt ein Rechtsstreit, in dem es um den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit geht . Die Parteien streiten a ) über die Bedeutung, die dem von dem Versicherten in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ausgeuebten Beruf für die Feststellung dieses Anspruchs zukommt, und b ) über die Frage, ob die vom Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen sind .

    Das mit dem Rechtsstreit befasste Bundessozialgericht ersucht Sie um Auslegung der durch die Verordnung des Rates Nr . 2000/83 vom 2 . Juni 1983 ( ABl . L 230, S . 1 ) in den Anhang VI Abschnitt C ( Bundesrepublik Deutschland ) der Verordnung Nr . 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern ( ABl . L 149, S . 2 ), eingefügten Nr . 15 .

    2 . Zum Sachverhalt : Der 1935 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger . Soweit ersichtlich, hat er keinen bestimmten Beruf erlernt . Von 1960 bis 1974 arbeitete er als Fliesenleger, zunächst im Rahmen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem Unternehmen und später als Selbständiger . Dann übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland und übte dort von Mai 1976 bis

    Juni 1980 mit Unterbrechungen dieselbe Tätigkeit aus . Er erreichte damit in der Bundesrepublik Deutschland eine Pflichtversicherungszeit von 48 Monaten .

    Nachdem er sich im Jahre 1980 eine Krankheit zugezogen hatte, die ihn seiner Auffassung nach zum Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit berechtigte, stellte der Kläger bei den zuständigen italienischen und deutschen Stellen einen entsprechenden Rentenantrag . Beide Anträge wurden abgelehnt . Dabei begründete die Beklagte ihre Ablehnung damit, daß der Antragsteller noch jede - leichte - Tätigkeit vollschichtig ausüben könne . Diesen Bescheid vom 16 . Oktober 1981 focht der Kläger mit einer Klage beim Sozialgericht Stuttgart sowie mit der Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg an . Auch dieses Gericht wies die Klage mit Urteil vom 22 . August 1983 ab . Es führte aus, der Kläger habe den Beruf des Fliesenlegers nicht erlernt und auch nicht ununterbrochen ausgeuebt; er sei daher als angelernter Arbeiter anzusehen und könne als solcher nicht geltend machen, daß für ihn nur eine bestimmte Tätigkeit in Frage komme .

    Der Kläger legte daraufhin Revision beim Bundesozialgericht ein . Er trug vor, das Berufungsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zu seinem bisherigen Beruf getroffen, und machte in diesem Zusammenhang geltend, ein Fliesenleger sei ein Facharbeiter; er kritisierte, daß in dem Berufungsurteil nicht konkret die Tätigkeiten genannt würden, auf die er verwiesen werden könnte . Er beantragte daher, a ) das erst - und das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben, b ) den Bescheid vom 16 . Oktober 1981 aufzuheben und c ) die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1 . Dezember 1980 bis zum 11 . Januar 1982 Übergangsgeld und ab 17 . Februar 1982 die Rente zu zahlen .

    Mit Beschluß vom 28 . November 1984 hat das Bundessozialgericht - Vierter Senat - das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

    1 ) Ist Anhang VI Abschnitt C Nr . 15 der Verordnung Nr . 1408/71 i . d . F . der Verordnung Nr . 2000/83 bei der Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit so auszulegen, daß auf den bisherigen Beruf eines Versicherten nur dann abzustellen ist, wenn die zur Erlangung dieses Anspruchs erforderliche Versicherungszeit allein in nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtigen Beschäftigungen zurückgelegt ist?

    2 ) Für den Fall der Bejahung der Frage 1 :

    Ist die Nr . 15 auch bei Versicherungsfällen vor Beginn der Geltung dieser Verordnung ( 1 . Juli 1982 ) anzuwenden?

    3 ) Für den Fall der Verneinung der Frage 2 :

    Folgt aus der Nr . 15, daß der noch nicht festgestellte Rentenanspruch auf die Zeit vor Beginn der Geltung der Verordnung ( 1 . Juli 1982 ) zu begrenzen ist?

    3 . Zum besseren Verständnis des von mir dargestellten Sachverhalts ist es angebracht, die einschlägige nationale Regelung sowie die in den drei Fragen angesprochene Gemeinschaftsregelung zu betrachten .

    Grundlage der nationalen Regelung ist die Reichsversicherungsordnung ( RVO ) aus dem Jahre 1911 . Nach § 1246 RVO erhält der Versicherte Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn er a ) in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeuebt hat und b ) eine "Wartezeit" in Form einer Versicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten erfuellt ( Absatz 1 ). "Berufsunfähig" ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist ( Absatz 2 Satz 1 ). Die Erwerbsfähigkeit wird anhand aller Tätigkeiten beurteilt, die den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können ( Absatz 2 Satz 2 ).

    Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die deutsche Rechtsprechung für die Verweisung von Versicherten auf eine andere Berufstätigkeit ein Einstufungsschema entwickelt hat . Dieses umfasst vier Berufsgruppen, die nach verschiedenen Kriterien, darunter insbesondere der tariflichen Einstufung, geordnet sind, nämlich die des Vorarbeiters mit Leitungsfunktion bzw . des besonders hoch qualifizierten Arbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters sowie des ungelernten Arbeiters ( Bundessozialgericht, BSGE 41, 129 ff .; 43, 243 ff .; 45, 276 ff; 49, 54 ff .).

    Entsprechend diesem Schema kann der zuständige Träger die Gewährung einer Rente nur ablehnen, wenn a ) der Versicherte auf eine Beschäftigung verwiesen werden kann, die zu der seiner bisherigen Berufstätigkeit nachgeordneten nächstunteren Tätigkeitsstufe gehört, und wenn er b ) mit dieser Beschäftigung wenigstens die Hälfte des Entgelts erzielt, das sein bisheriger Beruf gewährte . Die Bewertung der bisherigen Berufstätigkeit des Versicherten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit hat daher grosse Bedeutung für die Festlegung der Berufsgruppe, in die der Träger den Versicherten einzustufen hat . In diesem Zusammenhang verlangen die deutschen Gerichte, daß der Versicherte nicht nur eine seinem Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbracht hat, sondern daß er auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt, die in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet werden . Es wird mit anderen Worten eine "Wettbewerbsfähigkeit" des Versicherten im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern der gleichen Berufsgruppe verlangt ( Bundessozialgericht, BSGE 41, 129 ff .; SozR 2200, § 1246 Nr . 53, S . 163 ).

    Vor diesem durch die Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung bestimmten komplexen Hintergrund muß das Bundessozialgericht also entscheiden, a ) ob ein Arbeiter, der nicht über die erforderliche Ausbildung verfügt, jedoch viele Jahre in seinem Beruf tätig war, einem Arbeitnehmer gleichzustellen ist, der die vorgeschriebene Ausbildungszeit absolviert hat, und b ) ob die Ausübung einer Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat Auswirkungen auf die Voraussetzungen des deutschen Rechts für einen Rentenanspruch hat . Die erste Frage hat mit der Problematik, zu der Sie sich äussern sollen, nichts zu tun . Mit der zweiten Frage werde ich mich nach der Darstellung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung eingehend beschäftigen .

    4 . In Artikel 89 der Verordnung Nr . 1408/71 heisst es bekanntlich, daß "die Besonderheiten bei der Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten ... im Anhang VI aufgeführt" seien . Nun hat Artikel 1 der Verordnung Nr . 2000/83 in den Abschnitt C ( Bundesrepublik Deutschland ) dieses Anhangs eine Nr . 15 eingefügt, die wie folgt lautet : "Ist nach den deutschen Rechtsvorschriften für den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ... auf den bisherigen Beruf abzustellen, so werden bei der Prüfung dieses Anspruchs nur nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt ."

    Für Ihre Entscheidung kommt dem Verfahren, das zum Erlaß dieser Vorschrift geführt hat, grosse Bedeutung zu . Den Anstoß zu dieser Vorschrift gaben - der Kommission und der Beklagten zufolge - die Probleme der deutschen Sozialversicherungsträger bei der Festsetzung der Renten wegen Berufsunfähigkeit gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Urteil vom 29 . November 1978, BSGE 47, 183 ff .); hiernach mussten sie nämlich nicht nur die vom Versicherten in Deutschland zuletzt ausgeuebte Berufstätigkeit berücksichtigen, sondern auch seine Berufstätigkeit in anderen Mitgliedstaaten und die dort von ihm zurückgelegten Versicherungszeiten . Insbesondere mussten die deutschen Sozialversicherungsträger schwierige und aufwendige Ermittlungen durchführen, um festzustellen, ob diese Tätigkeit eine Ausbildung erforderte, die der von der deutschen Rechtsordnung für diese oder entsprechende Tätigkeiten vorgeschriebenen Ausbildung gleichwertig war .

    In Brüssel wurde dieses Problem durch eine Note der Bundesregierung vom 18 . November 1980 bekannt; die Kommission legte ihm jedoch wohl nicht allzuviel Gewicht bei . Der von ihr am 21 . Dezember 1982 dem Rat vorgelegte Vorschlag, der der Verordnung Nr . 2000/83 zugrunde liegt, enthält nämlich im Hinblick auf eine Ergänzung des Abschnitts C ( Bundesrepublik Deutschland ) nur eine Nr . 14 ( die im übrigen mit der Nr . 14 der endgültigen Fassung praktisch identisch ist ), jedoch keine Nr . 15 ( ABl . C 27 vom 2.2.1983, S . 3 ). Zu dieser - die hier interessierende Vorschrift also nicht enthaltenden - Fassung des Vorschlags gaben dann auch der Wirtschafts - und Sozialausschuß auf seiner 205 . Plenartagung in Brüssel am 23./24 . Februar 1983 ( ABl . C 90, S . 29 ) und das Europäische Parlament in seiner Sitzung vom 11 . März 1983 ( ABl . C 96, S . 89 ) ihre Stellungnahmen ab .

    Die Nr . 15 entstand erst in einem späteren Abschnitt des Verfahrens . Sie wurde von der deutschen Delegation im Rahmen der Ratsgruppe "Sozialfragen" vorgeschlagen ( Januar 1983 ). Die Gruppe empfahl, sie in die Verordnung Nr . 1408/71 aufzunehmen ( 25 . April 1983 ). Der Vorschlag wurde dann vom Ausschuß der Ständigen Vertreter übernommen ( 27 . Mai 1983 ) und schließlich vom Rat bei der Verabschiedung der Verordnung Nr . 2000/83 einstimmig angenommen ( 2 . Juni 1983 ).

    5 . Dies vorausgeschickt, möchte ich feststellen, daß das Bundessozialgericht den Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich um eine Entscheidung über die Gültigkeit der Nr . 15 ersucht, deren Entstehungsgeschichte jedoch ausführlich behandelt ( S . 9 des Vorlagebeschlusses ) und damit klar zu erkennen gibt, daß es sich mit dieser Frage beschäftigt hat . Noch deutlicher äussert sich der Kläger des Ausgangsverfahrens : In seinen schriftlichen Erklärungen stellt er nämlich die Frage, ob die Vorschrift in Anbetracht dessen, daß sie von der Kommission nicht vorgeschlagen und das Parlament hierzu nicht angehört worden sei, gültig sei .

    In Beantwortung einer ihr vom Gerichtshof gestellten Frage hat die Kommission die Entstehungsgeschichte der streitigen Bestimmung genau geschildert und dabei die Auffassung vertreten, daß sie "formgerecht" verabschiedet worden sei . Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 15 . Juli 1970 in der Rechtssache 41/69 ( ACF Chemiefarma/Kommission, Slg . 1970, 661, Randnrn . 68 und 69 der Entscheidungsgründe ) macht sie geltend : a ) Wenn der Rat das Parlament zu einem Verordnungsentwurf gehört und sodann dessen Wortlaut geändert habe, brauche er das Parlament nicht erneut zu hören, wenn diese Änderung den Verordnungsentwurf im ganzen nicht in seiner Substanz berühre; b ) Nr . 15 enthalte eine den Besonderheiten der Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland Rechnung tragende, rein technische Regelung, die als solche keine substantielle Änderung bewirken könne .

    Ich will diese These gleich prüfen . Zunächst möchte ich aber darauf hinweisen, daß Sie nach Ihrer Rechtsprechung in keiner Weise gehindert sind, über die Gültigkeit der Nr . 15 zu entscheiden . Man mag einwenden, nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 9 . Dezember 1965 in der Rechtssache 44/65 ( Hessische Knappschaft/Singer, Slg . 1965, 1267 ) könne eine Partei des Ausgangsverfahrens im Vorabentscheidungsverfahren nicht den Antrag stellen, über die Gültigkeit des auszulegenden Rechtsakts zu entscheiden . Dieser Einwand wäre jedoch nicht begründet, denn im vorliegenden Fall war es, wie ich gerade dargelegt habe, zunächst das Bundessozialgericht, das für sich - und daher auch für den Gerichtshof - die Frage aufgeworfen hat . In einem solchen Fall halte ich eher den Grundsatz für einschlägig, den der Gerichtshof in seinem Urteil vom 1 . Dezember 1965 in der Rechtssache 16/65 ( Firma C . Schwarze/Einfuhr - und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Slg . 1965, 1151 ) aufgestellt hat .

    In dieser Entscheidung heisst es : "Der Fassung der ... Fragen ist zu entnehmen, daß es dem ... (( vorlegenden Gericht )) weniger um die Auslegung des Vertrages oder einer Rechtshandlung eines Gemeinschaftsorgans zu tun ist als um eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer solchen Handlung gemäß Artikel 177 Absatz 1 Buchstabe b"; in solchen Fällen sei "der Gerichtshof ... gehalten, die Fragen sogleich zu bescheiden, anstatt das vorlegende Gericht zu einem Formalismus zu nötigen, der das Verfahren nach Artikel 177 nur verzögern würde und mit dessen Wesen unvereinbar wäre . Ein solcher Formalismus mag in Verfahren vertretbar sein, die von den Parteien betrieben werden, deren wechselseitige Rechte sich nach strengen Normen bestimmen müssen . Er wäre dagegen unangebracht auf dem sehr speziellen Gebiet richterlichen Zusammenwirkens nach Artikel 177, das dadurch gekennzeichnet ist, daß staatliches Gericht und Gerichtshof ... gemeinsam und unmittelbar zur Rechtsfindung beizutragen haben" ( S . 1164 f .).

    Eine spätere und besonders markante Anwendung dieses Grundsatzes findet sich im Urteil des Gerichtshofes vom 3 . Februar 1977 in der Rechtssache 62/76 ( Strehl/Nationaal Pensiönfonds voor Mijnwerkers, Slg . 1977, 211 ). Dort war der Gerichtshof um die Auslegung des Artikels 46 Absatz 3 der Verordnung Nr . 1408/71 und des Beschlusses Nr . 91 der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer ersucht worden; der Gerichtshof prüfte jedoch zunächst einmal die Rechtmässigkeit dieser Vorschriften und erklärte sie bekanntlich für mit Artikel 51 EWG-Vertrag unvereinbar . Was ganz allgemein die Möglichkeit angeht, Mängel, die das vorlegende Gericht nicht erkannt hat ( in dem betreffenden Fall ging es um die Verletzung wesentlicher Formvorschriften ), von Amts wegen festzustellen, ist ferner auf das Urteil vom 18 . Februar 1964 in den verbundenen Rechtssachen 73 und 74/63 ( NV Internationale Krediet - en Handelsvereniging Rotterdam u . a./Minister für Landwirtschaft und Fischerei in Den Haag, Slg . 1964, 1 ) hinzuweisen .

    6 . Aufgrund dieser Bemerkungen möchte ich nun die Gültigkeit der Nr . 15 unter drei Gesichtspunkten prüfen . Die beiden ersten betreffen die Verletzung wesentlicher Formvorschriften ( Nichtvorliegen eines Vorschlags der Kommission und unterlassene Anhörung des Parlaments ), der dritte betrifft einen Verstoß gegen den EWG-Vertrag .

    Zum ersten Gesichtspunkt ist festzustellen, daß die Verordnung Nr . 2000/83 auf zwei Vorschriften - die Artikel 51 und 235 EWG-Vertrag - gestützt ist, denen zufolge der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließt . Bekanntlich kann der Rat jedoch den Vorschlag immer noch ändern, sofern der Rechtsakt dann einstimmig beschlossen wird ( Artikel 149 Absatz 1 EWG-Vertrag ) und - wie ich hinzufügen möchte - sofern die Änderung oder Ergänzung den Vorschlag der Kommission nicht grundlegend verändert und damit das Initiativrecht missachtet, das der Vertrag ihr zuerkennt . Folgt man der vernünftigsten Auffassung, so ist dieses Recht nicht angetastet, wenn die Änderung sich auf den Bereich beschränkt, auf den sich der Vorschlag bezieht ( Dewost, Commentaire à l' article 149, in : Le droit de la Communauté économique européenne, Bd . 9, Brüssel 1979, S . 133, mit weiteren Nachweisen ).

    Wenn diese Auffassung zutrifft ( was meines Erachtens der Fall ist ), braucht man, um hier eine etwaige Ungültigkeit der Nr . 15 auszuschließen, nur festzustellen, a ) daß die Verordnung Nr . 2000/83, zu der die Vorschrift gehört, einstimmig verabschiedet wurde, und b ) daß die Vorschrift eindeutig in den Bereich - die gemeinschaftsrechtliche Regelung der sozialen Vorsorge - fällt, auf den sich der Vorschlag der Kommission bezieht .

    7 . Die Prüfung des zweiten Gesichtspunktes wirft schwierigere Fragen auf . Die Anhörung des Parlaments erfuellt ja Anforderungen, die von grosser Bedeutung sind . Sie ist - wie es in den bekannten "Isoglukose"-Urteilen heisst - "für das vom Vertrag gewollte institutionelle Gleichgewicht wesentlich", denn sie "ermöglicht dem Parlament eine wirksame Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft" und "spiegelt (( damit )) ..., wenn auch in beschränktem Umfang, ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider, nach dem die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt beteiligt sind . Die ordnungsgemässe Anhörung des Parlaments in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen stellt somit", so heisst es in den Urteilen weiter, "eine wesentliche Formvorschrift dar, deren Missachtung die Nichtigkeit der betroffenen Handlung zur Folge hat"; ihr ist "nur dann Genüge getan, wenn das Parlament seiner Auffassung tatsächlich Ausdruck verleiht" ( Urteile vom 29 . Oktober 1980 in der Rechtssache 138/79, Roquette Frères/Rat, Slg . 1980, 3333, Randnr . 33 der Entscheidungsgründe, und in der Rechtssache 139/79, Maizena/Rat, Slg . 1980, 3393, Randnr . 34 der Entscheidungsgründe ).

    Der Vorschlag, zu dem das Parlament angehört worden ist, kann allerdings, wie im vorliegenden Fall geschehen, geändert werden; zur Frage, ob auch Änderungen dem Parlament zur Stellungnahme vorgelegt werden müssen, hat sich der Gerichtshof niemals allgemein und abstrakt geäussert . Er hat jedoch eine Reihe von Kriterien aufgestellt, die bei flexibler und vernünftiger Anwendung in der Mehrzahl der Fälle eine befriedigende Lösung des Problems ermöglichen .

    So insbesondere in dem zitierten Urteil Chemiefarma . Die Klägerin hatte die Rechtswidrigkeit zweier Vorschriften der Verordnung Nr . 17/62 des Rates geltend gemacht, nämlich des Artikels 15, weil dieser ein System von Bussen vorsah, das sich von dem System unterschied, das in dem vom Parlament beratenen Vorschlag vorgesehen war, und des Artikels 24, weil dieser der Kommission Befugnisse zuwies, die in diesem Vorschlag nicht vorgesehen waren . Der Gerichtshof wies die beiden Rügen zurück, indem er hinsichtlich der ersten feststellte, "der Verordnungsvorschlag, zu dem das Parlament angehört wurde", sei "als Ganzes gesehen in seiner Substanz nicht geändert worden" ( Randnr . 178 der Entscheidungsgründe ), während er hinsichtlich der zweiten ausführte : "Der ... Entwurf enthält in der Fassung, die Gegenstand der befürwortenden Stellungnahme des Parlaments war ..., in Artikel 20 eine im wesentlichen mit Artikel 24 der Verordnung Nr . 17/62 identische Bestimmung" ( Randnr . 69 der Entscheidungsgründe ).

    Es folgen drei Urteile vom 4 . Februar 1982 in den Rechtssachen 817/79 ( Buyl/Kommission, Slg . 1982, 245 ), 828/79 ( Adam / Kommission, Slg . 1982, 269 ) und 1253/79 ( Battaglia/Kommission, Slg . 1982, 297 ). Auch hier hatten die Kläger geltend gemacht, die Verordnung Nr . 3085/78 des Rates weiche zu sehr von dem Vorschlag ab, zu dem das Parlament seine Stellungnahme abgegeben habe, als daß sie rechtmässig sein könnte, während die Kommission ihre Gültigkeit mit dem Argument verteidigt hatte, bei einstimmig beschlossenen Rechtsakten sei die Frage, ob eine neue Anhörung erforderlich sei, "gegenstandslos ". Der Gerichtshof wies das Argument der Beklagten implizit zurück und nahm einen eingehenden Vergleich des ursprünglichen Vorschlags der Kommission, der Stellungnahme des Parlaments und der schließlich vom Rat erlassenen Verordnung vor . Er kam zu dem Ergebnis, daß diese "abgesehen von der Ersetzung der ERE durch die aktualisierten Wechselkurse und von den Übergangsbestimmungen, durch die die Auswirkungen der Verordnung auf gewisse Ruhegehaltsempfänger ... gemildert werden sollten", dem Vorschlag entsprochen habe . Derartige Abweichungen machten die Rechtshandlung jedoch nicht ungültig, denn in der ersten habe in Wirklichkeit "eher eine Änderung in der Methode als eine sachliche Änderung" gelegen, und die zweite habe weitgehend "einem ausdrücklichen Wunsch des Parlaments" entsprochen ( Rechtssache 817/79, a . a . O ., Randnr . 23 der Entscheidungsgründe ).

    Was sich aus diesen Entscheidungen für die uns hier beschäftigende Frage ableiten lässt, liegt auf der Hand . Ein Vorschlag, in dem eine Vorschrift geändert oder in den eine neue Vorschrift eingefügt wird, muß nur dann nicht erneut zur Anhörung vorgelegt werden, wenn die Änderung oder die Ergänzung eine der folgenden Voraussetzungen erfuellt : a ) Sie lässt die wesentlichen Punkte der von ihr berührten weiter gehenden Regelung unverändert ( Chemiefarma, a . a . O ., Randnr . 69 der Entscheidungsgründe ). b ) Sie hat rein technischen Charakter, d . h . sie betrifft Änderungen in der Methode oder jedenfalls keine sachlichen Änderungen ( Buyl, a . a . O ., Randnr . 23 der Entscheidungsgründe, Chemiefarma, a . a . O ., Randnr . 178 der Entscheidungsgründe ). c ) Sie entspricht einem Wunsch des Parlaments ( Buyl, a . a . O .).

    8 . Wenden wir uns nun, auf diese Weise durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgeklärt, wieder der streitigen Bestimmung zu . Der Vorschlag der Kommission sah, wie gesagt, nur vor, dem Abschnitt C ( Bundesrepublik Deutschland ) des Anhangs VI der Verordnung Nr . 1408/71 eine Nr . 14 hinzuzufügen . Diese Vorschrift begünstigt die Wanderarbeitnehmer, da sie die deutschen Behörden verpflichtet, das für die Bemessung der Leistungen maßgebliche Nettoarbeitsentgelt bei Versicherten, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, so zu berechnen, als ob sie dort wohnten . Die Nr . 15 dagegen ist bekanntlich für diese Arbeitnehmer ausgesprochen ungünstig . Mit ihrer Einfügung kann also die unter a genannte Voraussetzung - daß nämlich die Vorschrift, in der sie enthalten ist ( Artikel 1 der Verordnung Nr . 2000/83 ), als gegenüber der entsprechenden Vorschrift des Vorschlags in den wesentlichen Punkten unverändert oder als, um die Formulierung des Gerichtshofes zu verwenden, mit ihr "im wesentlichen identisch" anzusehen ist - nicht als erfuellt gelten . Aber auch die Voraussetzung c ist nicht erfuellt . Wie sich aus dem Protokoll der Sitzung vom 11 . März 1983 ergibt, billigte das Parlament den Vorschlag im Verfahren ohne Bericht; man kann daher nicht sagen, die Nr . 15 komme einem ausdrücklichen Wunsch des Parlaments entgegen .

    Bleibt also nur die Voraussetzung b - und auf diese Karte setzt die Kommission alles . Nach ihrer Ansicht enthält die Nr . 15 nämlich eine rein technische Regelung, die, wie in Artikel 89 der Verordnung Nr . 1408/71 vorgesehen, einigen Besonderheiten der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland Rechnung trägt .

    Dieses Vorbringen ist jedoch zurückzuweisen . Es ist vielmehr auszuschließen, daß Artikel 89 eine Berücksichtigung der technischen Besonderheiten der nationalen Rechtsordnungen fordert; wie bereits gezeigt, enthält er nur einen Hinweis auf Anhang VI, in dem die Durchführungsvorschriften dieser Rechtsordnungen ( oder, besser gesagt, einiger von ihnen ) konkret aufgeführt sind . Der entscheidende Punkt ist jedoch, daß die streitige Vorschrift keine blosse "technische Regelung" enthält . Die Kommission räumt dies selbst ein . In ihren Erklärungen trägt sie nämlich vor, die Vorschrift diene nicht lediglich der Klarstellung eines Rechtszustands, der sonst abwegige Folgen haben könnte, sondern enthalte eine "Neuregelung", die die bis dahin geltende Regelung, nach der der bisherige Beruf unter Berücksichtigung der vom Versicherten in anderen Mitgliedstaaten ausgeuebten Berufstätigkeit festgestellt worden sei, durch eine Regelung ersetze, nach der lediglich auf die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeuebte Berufstätigkeit abzustellen sei ( S . 20 ).

    Wenn diese Ausführungen zutreffen, steht meines Erachtens eindeutig fest, daß die Unterlassung einer erneuten Anhörung des Parlaments eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die zur Nichtigkeit der Nr . 15 führt .

    9 . Dieses Ergebnis macht eine direkte Prüfung der Vereinbarkeit der vorliegenden Vorschrift mit den maßgeblichen Bestimmungen des EWG-Vertrags eigentlich überfluessig . Ich möchte mich dieser Aufgabe jedoch nicht entziehen, zum einen, weil die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Kommission ihre Bemühungen auf diese Frage konzentriert haben, und zum anderen, weil es gutem Brauch entspricht, daß der Generalanwalt sich zu allen Gesichtspunkten der ihm zugewiesenen Rechtssache äussert .

    Beginnen wir also mit der Ermittlung der genauen Bedeutung der Vorschrift . Der Vorlagebeschluß nennt zwei mögliche Auslegungen : a ) Die Vorschrift betrifft die Voraussetzungen, von denen § 1246 RVO den Erwerb des Rentenanspruchs abhängig macht, und schließt hiervon den Versicherten aus, der die Wartezeit von 60 Monaten in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfuellt hat . b ) Sie bezieht sich nur auf die Feststellung der Berufsgruppe, der der Versicherte zuzuordnen ist, und bestimmt, daß hierbei nur die von ihm im deutschen Hoheitsgebiet ausgeuebte Tätigkeit zu berücksichtigen ist .

    Das Bundessozialgericht scheint hierbei der ersten Auslegung zuzuneigen . Seiner Auffassung nach bestimmt die Vorschrift nämlich den "Rentenanspruch nur nach den im deutschen Versicherungsverhältnis zurückgelegten Beschäftigungen", schließt die Berücksichtigung "versicherungspflichtige((r )) Berufstätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten" aus und steht einer Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, "zumindest soweit es um die Entstehung des Anspruchs auf der Grundlage des bisherigen Berufs geht", entgegen ( Vorlagebeschluß, S . 6 ). Für diese allein am innerstaatlichen Recht orientierte Auffassung spreche eine Besonderheit der deutschen Regelung : der Gedanke, daß der Rente im Rahmen eines Verhältnisses, das wesentlich durch eine gegenseitige Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung geprägt sei, die Ausübung einer qualifizierten versicherungspflichtigen Tätigkeit in einem ausreichend langen Zeitraum gegenüberstehen müsse .

    Für die zweite Auslegung treten dagegen die Beklagte und die Kommission ein . Nach ihrer Auffassung ist die Nr . 15 so zu verstehen, daß der Begriff "nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigungen" sich nicht auf die Wartezeit bezieht, sondern nur die bisherige Berufstätigkeit des Versicherten bezeichnen soll . Dies werde durch die Gründe belegt, die für ihren Erlaß maßgeblich gewesen seien . Die Vorschrift sei nämlich eingeführt worden, um der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu begegnen, aufgrund deren die Sozialversicherungsträger die vom Wanderarbeitnehmer vor seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland ausgeuebten Tätigkeiten zu berücksichtigen und damit schwierige Untersuchungen der Gleichwertigkeit dieser Tätigkeiten mit der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeuebten Tätigkeit durchzuführen gehabt hätten, wodurch sich die Feststellung der Renten verzögert habe .

    Ich will sofort feststellen, daß ich der vom vorlegenden Gericht vertretenen Auffassung den Vorzug gebe; für sie sprechen allerdings meiner Ansicht nach mehr noch als die Erwägungen des vorlegenden Gerichts der Wortlaut und der Zweck der streitigen Vorschrift . Der Wortlaut ist klar . Nach § 1246 RVO muß der Versicherte bekanntlich, um eine Rente erhalten zu können, zwei Voraussetzungen ( mindestens 36 Monate lange Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit und Erfuellung der Wartezeit ) erfuellen . Bei der Bezugnahme auf die in dieser Weise geregelte Leistung bedient sich nun der Rat der Formulierungen "für den Anspruch" und "bei der Prüfung dieses Anspruchs" ( siehe oben Nr . 4 am Anfang ) und lässt damit erkennen, daß er gerade die Voraussetzungen für diesen Anspruch meint . In diesem Sinne heisst es in der Begründung für die Nr . 15, die sich aus der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr . 2000/83 ergibt, noch klarer, es müsse "bestimmt werden, daß bei den Anspruchsvoraussetzungen für eine deutsche Invaliditätsrente nur die ... versicherungspflichtigen Beschäftigungen zu berücksichtigen sind", die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeuebt wurden .

    Zu einem entsprechenden Ergebnis führt die Untersuchung der mit der Nr . 15 verfolgten Ziele . Wie wir gesehen haben, vertreten die Beklagte und die Kommission die Auffassung, die Vorschrift wolle die deutschen Sozialversicherungsträger lediglich von der Mühe befreien, zur Gleichwertigkeit der Arbeit, die der Wanderarbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeuebt hat, und der von ihm in anderen Mitgliedstaaten ausgeuebten Tätigkeiten Stellung nehmen zu müssen . In Wirklichkeit war das Bundessozialgericht viel weiter gegangen, als die Berücksichtigung dieser Tätigkeiten zu verlangen . So hatte es in dem angeführten Urteil vom 29 . November 1978 entschieden, für den Erwerb eines Anspruchs auf Bergmannsrente ( nach § 45 Reichsknappschaftsgesetz, der eine § 1246 RVO gleichlautende Regelung enthält ) sei die Wartezeit unter Berücksichtigung der vom Wanderarbeitnehmer vor seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten zu errechnen . Es liegt daher sehr nahe, anzunehmen, daß die Nr . 15 auch - oder, besser gesagt, vor allem - die diese 60 Monate betreffende Voraussetzung im Auge hat, mit dem Ziel, der den Interessen des Wanderarbeitnehmers günstigen Auslegung dieser Voraussetzung durch die Rechtsprechung die Grundlage zu entziehen .

    10 . Ist nun eine Vorschrift, die diese Auswirkungen hat, als mit dem EWG-Vertrag vereinbar anzusehen? Ich erinnere daran, daß die Verordnung Nr . 1408/71 sich auf die Artikel 7 und 51 EWG-Vertrag stützt : Bekanntlich verbietet ersterer jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, während der letztere bestimmt : "Der Rat beschließt ... die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen; zu diesem Zweck führt er insbesondere ein System ein, welches ... (( Wander-))Arbeitnehmern ... die Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen (( sichert ))". Ich erinnere auch daran, daß Artikel 51 EWG-Vertrag es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes "den Wanderarbeitnehmern ermöglichen (( soll )), den Leistungsanspruch für ihre sämtlichen in den verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Beschäftigungszeiten oder gleichgestellten Zeiten zu erwerben, und sie davor bewahren (( soll )), durch die Ausübung ihres Rechts auf Freizuegigkeit gegenüber den anderen Arbeitnehmern benachteiligt zu werden" ( Urteile vom 9 . Juli 1975 in der Rechtssache 20/75, D' Amico/Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz, Slg . 1975, 891, Randnr . 10 der Entscheidungsgründe, und vom 23 . April 1986 in der Rechtssache 153/84, Ferraioli/Deutsche Bundespost, Slg . 1986, 1401, Randnr . 16 der Entscheidungsgründe ).

    Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Nr . 15 offensichtlich vertragswidrig . Sie lässt nämlich, wie bereits gesagt, die Zusammenrechnung, die der Rat für die aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Arbeitnehmer sicherstellen muß, nicht zu und setzt diese damit einer diskriminierenden Behandlung aus . Dies zeigt eine ganz einfache Überlegung . Der Wanderarbeitnehmer, der die von § 1246 RVO verlangte Zeit von 60 Monaten in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfuellt, kann sich nicht auf die vor seiner Übersiedlung zurückgelegten Versicherungszeiten berufen, auch wenn sie sich, wie im Fall des Klägers, auf insgesamt 15 Jahre belaufen; der deutsche Arbeitnehmer dagegen erhält die Rente, auch wenn er nur 60 Monate gearbeitet hat .

    11 . Darüber hinaus würde die Nr . 15 auch dann gegen Artikel 51 EWG-Vertrag verstossen, wenn man sich für die ( allerdings schwerlich vertretbare ) minimalistische Auslegung dieser Vorschrift entscheiden würde, die die Kommission und die Beklagte befürworten .

    Unterstellen wir nämlich einmal, der Rat habe vorgeschrieben, nur die von der deutschen Versicherung erfassten Tätigkeiten seien zu berücksichtigen, und er habe dabei wirklich an die Ermittlung des vom Versicherten bis zum Eintritt des Versicherungsfalls ausgeuebten Berufs gedacht, so wäre der Wanderarbeitnehmer genauso benachteiligt, diesmal allerdings dadurch, daß er sich nicht auf die bessere Qualifikation berufen könnte, die er vor seinem Umzug in die Bundesrepublik Deutschland erworben hat . Diese - im Fall des Klägers nicht vorliegende, jedoch alles andere als unrealistische - Auswirkung verstösst aber ohne Zweifel gegen den Grundsatz, daß die Arbeitnehmer "durch die Ausübung ihres Rechts auf Freizuegigkeit" nicht benachteiligt werden dürfen ( Urteil in der Rechtssache D' Amico, a . a . O .).

    12 . Aufgrund dieser Überlegung haben Sie meines Erachtens zwei Möglichkeiten, nämlich a ) die Nr . 15 des Abschnitts C ( Bundesrepublik Deutschland ) des Anhangs VI der Verordnung Nr . 1408/71 des Rates wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften für nichtig zu erklären oder b ) diese Vorschrift für unvereinbar mit den Artikeln 7 und 51 EWG-Vertrag zu erklären .

    Im einen wie im anderen Falle müssen Sie über die Gültigkeit einer vom Rat einstimmig verabschiedeten Verordnung ( Nr . 2000/83 ) entscheiden . Ich schlage Ihnen daher vor, die Rechtssache gemäß Artikel 95 § 4 der Verfahrensordnung dem Plenum des Gerichtshofes vorzulegen, damit dieses nach Anhörung des Rates und, soweit es dies für angebracht hält, des Parlaments, entscheiden kann .

    (*) Aus dem Italienischen übersetzt .

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