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Document 61983CC0265

Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 25. Oktober 1984.
Benoît Suss gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Beamte - Leistungen bei unfallbedingter Invalidität.
Rechtssache 265/83.

Sammlung der Rechtsprechung 1984 -04029

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1984:333

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS CARL OTTO LENZ

VOM25. OKTOBER 1984

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

In dem Verfahren, das heute zu behandeln ist, geht es um Ansprüche, die der Kläger — der seit 1. Dezember 1979 wegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit eine Invalidenrente bezieht — nach Artikel 73 des Personalstatuts in Verbindung mit der dazu ergangenen Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten geltend macht im Hinblick auf die Folgen eines Überfalls, dessen Opfer er im Mai 1977 während seiner aktiven Dienstzeit geworden ist und bei dem er Verletzungen am Kopf sowie am linken Knie davongetragen hat.

Da wegen dieses Vorgangs schon einmal ein Gerichtsverfahren (Rechtssache 186/80 ( 1 )) durchgeführt worden ist, brauche ich jetzt nicht alle Einzelheiten des Sachverhalts anzuführen. Nur soviel sei in Erinnerung gebracht:

Der von der Kommission benannte Arzt hat am 25. Mai 1979 eine Stellungnahme zu den Unfallfolgen abgegeben. Danach betrug der Grad der dauernden Teilinvalidität wegen erlittener Augenverletzungen 25 %, wegen der Schädelverletzung 10 % und wegen der Knieverletzung 2,25 % (was insgesamt — nach der uns in der mündlichen Verhandlung erläuterten Methode Balthazar, nach der die einzelnen Invaliditätsgrade nicht einfach addiert werden — eine Teilinvalidität in Höhe von 34 % ergab).

Darauf gestützt übermittelte die Kommission gemäß Artikel 21 der genannten Regelung dem Kläger unter dem Datum des 24. Juli 1979 einen Entscheidungsvorschlag, in dem einmal festgehalten wurde, nach den ärztlichen Feststellungen bei der Untersuchung des Klägers am 18. Mai 1979 sei von einer Konsolidierung der Unfallfolgen zu diesem Zeitpunkt auszugehen und in dem zum anderen — bei Annahme eines Invaliditätsgrads von 34 % — von der Zuerkennung eines Kapitalbetrags gemäß Artikel 73 Absatz 2c des Personalstatuts in Höhe von 3187129 BFR gesprochen wurde.

Aus diesem Vorschlag konnte eine definitive Entscheidung im Sinne des Artikels 21 Absatz 3 der erwähnten Regelung deswegen nicht werden, weil der Kläger fristgerecht (nämlich am 7. September 1979) verlangt hat, daß ein Ärzteausschuß gemäß Artikel 23 der Regelung seinen Fall erneut prüfe. Dazu hat er sich entschlossen, weil er den angegebenen Invaliditätsgrad im Hinblick auf Feststellungen anderer Ärzte in verschiedener Hinsicht (Nichtberücksichtigung eines ästhetischen Schadens, andere Bemessung der aus der Knieverletzung resultierenden Invalidität) für zu niedrig hielt. Gleichzeitig beantragte der Kläger, ihm den im Entscheidungsvorschlag genannten Kapitalbetrag gemäß Artikel 20 der Regelung als Vorschuß auszuzahlen (was möglich ist, wenn nach Abschluß der ärztlichen Behandlung der Invaliditätsgrad noch nicht bestimmt werden kann und sich der unstreitige Invaliditätsgrad auf mindestens 20 % beläuft).

Letzteres wurde von der Kommission am 22. Oktober 1979 mit der Begründung abgelehnt, der Invaliditätsgrad sei — abgesehen von der Augenverletzung — unter zwei Gesichtspunkten noch streitig und deshalb von dem Arzteausschuß zu bestimmen, dessen Einsetzung der Kläger verlangt hat. Angeordnet wurde nur die Auszahlung eines Betrags, der einem Invaliditätsgrad von 25 % entspricht (2343478 BFR). Dieser Standpunkt wurde noch einmal bekräftigt in einem Schreiben vom 30. Januar 1980 (in dem im übrigen auch anerkannt wurde, daß für die Bestimmung des gesamten Invaliditätsgrads nicht die Methode Balthazar maßgeblich sei, sondern eine einfache Zusammenrechnung der verschiedenen Invaliditätsgrade zu erfolgen habe, wie sie der Kläger schon in einem Schreiben vom 24. September 1979 geltend gemacht hat).

Im Zusammenhang mit der Bildung des Arzteausschusses und der Weigerung, dem Kläger einen zusätzlichen Kapitalbetrag in Höhe eines Invaliditätsgrads von 12 % als Vorschuß gemäß Artikel 20 Absatz 3 der Regelung zu zahlen, kam es — nach erfolgloser Einlegung einer Beschwerde vom 12. Februar 1980 — zu dem bereits erwähnten Gerichtsverfahren 186/80 ( 2 ). In ihm ging es um die Frage, ob die Kommission in den Arzteausschuß den Arzt benennen könne, der schon die Stellungnahme von Mai 1979 abgegeben hat und als Vertrauensarzt des Versicherers der Kommission tätig ist, die Frage, ob der Kläger Anspruch auf einen zusätzlichen Vorschuß nach Artikel 20 der Regelung in Höhe eines Invaliditätsgrads von 12 % habe, sowie die Frage, ob Verzugszinsen vom Zeitpunkt der Konsolidierung der Unfallfolgen an fällig seien.

Im Laufe dieses Verfahrens zahlte die Kommission tatsächlich dem Kläger einen weiteren Betrag in der soeben genannten Höhe, und der Gerichtshof stellte dazu in seinem Urteil (Randnummer 23) fest, dieser Streitpunkt sei beigelegt worden. Im übrigen wurden die Klageanträge abgewiesen.

Der vom Kläger beantragte Ärzteausschuß trat am 13. Juli 1982 zusammen, und er zog dabei einen vierten Arzt zur Konsultation heran. Nach Untersuchung des Klägers und nach Prüfung aller vorgelegten ärztlichen Dokumente (die auf den Seiten 4 und 5 des Berichtes des Ausschusses vom 13. Juli 1982 aufgeführt sind) kam der Ausschuß einstimmig zu dem Ergebnis, die dauernde Teilinvalidität des Klägers betrage im Hinblick auf seine Augenverletzung 25 °/o, im Hinblick auf die Verletzung des linken Knies 8 % und sie sei wegen ästhetischen Schadens auf 1 % zu beziffern, was insgesamt einen Teilinvaliditätsgrad von 34 % ergab. Der Ausschuß sprach ferner aus, eine weitere Therapie sei nicht notwendig und als Datum der Konsolidierung der Verletzungen sei der 1. April 1979 anzusehen (also ein früherer Zeitpunkt, als ihn der von der Kommission benannte Arzt im Mai 1979 für richtig gehalten hat).

Dies wurde dem Kläger in einem Schreiben vom 3. Februar 1983 mitgeteilt und dabei erklärt, die Anstellungsbehörde habe demgemäß ihre Entscheidung getroffen. Außerdem wurde in diesem Schreiben zum einen ausgesprochen, der Kläger habe, weil er gemessen an den Feststellungen des Ärzteausschusses einen zu hohen Vorschuß erhalten habe, den Differenzbetrag in Höhe von 281218 BFR zurückzuerstatten, und es wurde zum anderen festgehalten, es sei, weil seine Behandlung nach dem 1. April 1979 (dem vom Ärzteausschuß festgelegten Konsolidierungsdatum) nicht als durch den Unfall verursacht angesehen werden könne, eine hundertprozentige Erstattung nach Artikel 73 des Personalstatuts nicht gerechtfertigt gewesen, und es müsse daher ein Betrag in Höhe von 24992 BFR zum Gegenstand einer Berichtigung im Zusammenhang mit der Behandlung künftiger Anträge auf Erstattung von Arztkosten gemacht werden.

Darauf richtete der Kläger am 22. April 1983 eine förmliche Beschwerde an die Anstellungsbehörde. In ihr kritisierte er den Bericht des Ärzteausschusses (was den festgestellten Invaliditätsgrad, das Datum der Konsolidierung der Verletzungen und die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung angeht), verlangte seine Aufhebung und die Annullierung der darauf gestützten Entscheidung vom 3. Februar 1983 sowie eine Festsetzung des Invaliditätsgrads und des Datums der Konsolidierung der Verletzungen gemäß den Vorstellungen eines vom Kläger konsultierten Arztes, wie sie in einem Bericht vom 4. Mai 1982 niedergelegt sind.

Auf diese Beschwerde erging innerhalb der Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Personalstatuts keine Entscheidung. Erst am 3. Oktober 1983 erfolgte eine ausdrückliche Zurückweisung. Dazu wurde ausgeführt, der Kläger habe nicht dargetan, daß Einsetzung und Tätigkeit des Ärzteausschusses als nicht ordnungsgemäß anzusehen seien, und es seien auch keine Argumente erkennbar geworden, die zu der Annahme führten, der Arzteausschuß, der über eine weitgehende Beurteilungsfreiheit verfüge, habe eine unkorrekte Würdigung des Falls des Klägers vorgenommen.

Dies gab Herrn Suss Anlaß, am 26. November 1983 den Gerichtshof anzurufen. Dabei wurden in der Klageschrift folgende Anträge formuliert:

die Nichtigkeit des Berichtes des Ärzteausschusses festzustellen;

die Entscheidung vom 3. Februar 1983 und die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

festzustellen, daß der Kläger Anspruch auf eine Invalidenrente nach einem Satz von 56 % hat;

festzustellen, daß — soweit es um die neurologischen Folgen des Unfalls und die Augenverletzung geht — der 1. April 1979 als Datum der Konsolidierung und — soweit es um die Knieverletzung geht — der 5. April 1982 als Datum der Konsolidierung gelten;

jedenfalls festzustellen, daß die Invaliditätsgrade, die bei der Zahlung des Vorschusses angenommen wurden, definitiv festgestellt sind, und für die noch umstrittenen Unfallfolgen eine neue Expertise anzuordnen;

festzustellen, daß für den Kläger Thermalkuren notwendig sind.

Zusätzlich beantragte der Kläger in seiner Replik noch:

die Kommission zur Zahlung von 50000 BFR aufgrund von Artikel 73 der Verfahrensordnung zu verurteilen und

dem Kläger wegen verzögerlicher Behandlung seines Falls Zinsen auf den ihm zustehenden Entschädigungsbetrag zuzusprechen.

Die Kommission hält diese Anträge zum Teil für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet, und sie bittet dementsprechend um Abweisung der Klage.

Meines Erachtens ist zu diesem Streit folgende Beurteilung angebracht.

1. 

In erster Linie versucht der Kläger, seinem Anliegen mit dem Hinweis darauf zum Erfolg zu verhelfen, daß der Bericht des Àrzteausschusses, auf den sich die Entscheidung vom 3. Februar 1983 stützt, von vier Ärzten angenommen und unterzeichnet worden ist, nämlich auch von dem Arzt, den der Ausschuß konsultiert und dem er die Untersuchung des Bewegungsapparats des Klägers anvertraut hat. Dies — das heißt der Umstand, daß ein vierter Arzt aktiv an der Erstellung des Berichtes teilgenommen hat und damit zu einem Mitglied des Ärzteausschusses geworden sei — stelle eine Verletzung des Artikels 23 der eingangs erwähnten Regelung dar, wonach sich der Arzteausschuß aus drei Ärzten zusammensetze und nur sie einen Bericht abzugeben hätten. Der genannte Bericht sei also nicht korrekt zustande gekommen, und dies müsse die Konsequenz nach sich ziehen, daß eine neue Expertise angeordnet werde.

Mit der Kommission halte ich diese Wertung für abwegig. In Wahrheit kann nicht von einer Unregelmäßigkeit bei der Bildung und Tätigkeit des Ausschusses (im Sinne des Urteils 156/80, Band 1981 S. 1374, Randnummer 20 ( 3 )) gesprochen werden.

Insofern ist wichtig, daß der Ärzteausschuß nicht mit einem Gericht verglichen werden kann und daß auf ihn folglich nicht die strengen Regeln anwendbar sind, wie sie für die Zusammensetzung von Rechtsprechungskörpern gelten. Dies folgt aus der in der Rechtsprechung getroffenen Feststellung, der zu untersuchende Beamte habe nicht das Recht, einen von der Anstellungsbehörde benannten Arzt abzulehnen, und es könne auch ein Arzt für den Ausschuß benannt werden, der schon in einem früheren Verfahrensstadium für die Anstellungsbehörde tätig geworden ist (Urteile der Rechtssachen 156/80 ( 3 ) und 186/80 ( 4 )).

Wesentlich ist ferner, daß der Ärzteausschuß im Interesse einer sachgerechten Beurteilung sicherlich das Recht hat, zu einem besonderen Problem einen Spezialisten zu konsultieren und sich auf dessen Urteil zu stützen. Wenn er aber so vorgeht und danach — wie im vorliegenden Fall — einstimmig zu einem bestimmten Ergebnis kommt, ist nicht einzusehen, wieso in der dazu vom konsultierten Arzt erklärten Zustimmung die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift zu erblicken sein soll, die dem untersuchten Beamten Anlaß zu Kritik geben könnte. Tatsächlich kann ohne weiteres angenommen werden, daß die Entscheidung des Arzteausschusses auch ohne Unterschrift des konsultierten Arztes nicht anders ausgefallen wäre. Der beanstandete Umstand, das heißt die Tatsache, daß die wesentlichen Schlußfolgerungen in dem erstellten Bericht gemeinsam von vier Ärzten für richtig gehalten wurden, kann also für den Kläger keine Verletzung seiner Interessen darstellen, sondern ist eher — wie die Kommission meint — als zusätzliche Garantie für die Richtigkeit der vom Ausschuß gegebenen Wertung anzusehen.

2. 

In zweiter Linie beruft sich der Kläger darauf, daß ein Vorschuß in zwei Beträgen nach Maßgabe eines Invaliditätsgrads von 25 % und 12 % gezahlt worden ist. Danach habe, weil der Artikel 20 Absatz 3 der Regelung solche Zahlungen nur in Höhe des nicht streitigen Teils des Invaliditätsgrads vorsehe, festgestanden, daß ein Invaliditätsgrad in Höhe von 37 % unstreitig sei, und zwar in der Zusammensetzung, wie sie der von der Kommission benannte Arzt im Mai 1979 für richtig gehalten habe. Hierauf habe weder die Anstellungsbehörde noch der Arzteausschuß zurückkommen können; es habe also im weiteren Verlauf des Verfahrens nur noch der streitige Teil der Invalidität behandelt werden können (nämlich die Frage, ob für die Knieverletzung mehr als 2 % zu veranschlagen seien und ob auch der ästhetische Schaden zu berücksichtigen sei, zu dem der Bericht vom 25. Mai 1979 nichts enthielt). Unzulässig sei somit die nach der Einschaltung des Arzteausschusses getroffene Feststellung, die dauernde Teilinvalidität des Klägers belaufe sich auf nur 34 %. Vielmehr müsse, wenn man die Elemente des Berichtes des Ärzteausschusses in Betracht ziehe, zu denen noch eine Äußerung möglich war (nämlich, daß wegen der Knieverletzung 8 % und wegen ästhetischen Schadens 1 % Invalidität anzuerkennen sei), angenommen werden, daß dem Kläger mindestens ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Invaliditätsgrads in Höhe von 44 % zustehe (der sich zusammensetze aus 25 % wegen Verletzung des Auges, 10 % wegen der Schädelverletzung, 8 % wegen der Knieverletzung und 1 % wegen ästhetischen Schadens).

Dem hat sich die Kommission mit Nachdruck widersetzt. Grundsätzlich hebt sie hervor, nach Artikel 20 der Regelung komme die Zahlung eines Vorschusses nur in Frage, wenn der Invaliditätsgrad noch nicht endgültig bestimmt werden könne, also vor der Konsolidierung der Verletzungsfolgen. Um eine solche Sachlage habe es sich aber nicht gehandelt, denn beim Kläger sei die Konsolidierung — wie sich aus dem Entscheidungsvorschlag der Kommission ergebe — schon im Mai 1979 abgeschlossen gewesen, und es sei nur wegen Ablehnung des genannten Entscheidungsvorschlags und Einschaltung eines Ärzteausschusses noch nicht zu einem Abschluß des Verfahrens gekommen. Außerdem steht sie auf dem Standpunkt, in jedem Fall könne als nicht streitiger Teil des Invaliditätsgrads nur der in Höhe von 25 % angesehen werden. Dies ergebe sich eindeutig aus ihren Schreiben vom 22. Oktober 1979 und 30. Januar 1980, in denen ausdrücklich betont worden sei, die übrigen Invaliditätsgrade müßten noch durch den Ärzteausschuß festgelegt werden. Außer Betracht zu bleiben habe dagegen die während des Verfahrens 186/80 ( 5 ) geleistete Zahlung; sie sei in Wahrheit nicht auf der Basis des Artikels 20 der Regelung erfolgt, sondern als Geste der Versöhnung gemeint gewesen, und sie sei überdies ausdrücklich vorgenommen worden „sans aucune reconnaissance préjudiciable“ für die Kommission und „sous toutes réserves généralement quelconques, et singulièrement sous réserve de l'avis qui sera émis par la Commission médicale et de la décision qui sera prise par l'AIPN au vu de cet avis.“ So gesehen, und weil der Ärzteausschuß nicht an die im Mai 1979 getroffenen ärztlichen Feststellungen gebunden, sondern in seiner Beurteilung frei gewesen sei, könne also nicht beanstandet werden, daß nach seiner Stellungnahme nur ein Invaliditätsgrad in Höhe von 34 % definitiv festgehalten worden sei.

Ich habe den Eindruck, daß wir in diesem Punkt der Kommission schwerlich folgen können.

Nicht überzeugend finde ich zunächst die Meinung, Artikel 20 Absatz 3 könne nur angewandt werden, wenn eine definitive Konsolidierung der Verletzungen noch nicht vorliege. Durchaus sinnvoll erscheint die Gewährung eines Vorschusses hinsichtlich des nicht streitigen Teils des Invaliditätsgrads meines Erachtens auch, wenn Streit über den Invaliditätsgrad insgesamt besteht, der — was längere Zeit in Anspruch nehmen kann — durch einen Ärzteausschuß entschieden werden soll. Jedenfalls kommen wir nicht um die Erkenntnis herum, daß die Kommission den Artikel 20 Absatz 3 der Regelung im vorliegenden Fall tatsächlieh angewandt hat. Daran muß sie sich also festhalten, und sie muß die Konsequenzen aus der Anwendung dieser Bestimmung gegen sich gelten lassen.

Was die Frage der Zahlung eines zusätzlichen Vorschusses in Höhe eines Invaliditätsgrads von 12 % im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren 186/80 ( 6 ) angeht, so ist darauf hinzuweisen, daß sie erfolgt ist im Hinblick auf den Klageantrag, die Kommission zur Zahlung eines solchen Vorschusses zu verurteilen, und daß die Kommission selbst in ihrer Klagebeantwortung erklärt hat „le chef de la demande du requérant relative à cette indemnité complémentaire devient ainsi sans objet.“ Andererseits ist zwar einzuräumen, daß die Kommission unter dem vorher erwähnten Vorbehalt geleistet hat. Dies ergibt offensichtlich einen Widerspruch. Ihn hat aber meines Erachtens der Gerichtshof aufgelöst, indem er in Randnummer 23 des Urteils 186/80 ( 6 ) festgestellt hat, durch die Zahlung eines zusätzlichen Vorschusses sei der Streitpunkt beigelegt worden. Dies kann nur bedeuten, daß der von der Kommission gemachte Vorbehalt als irrelevant angesehen wurde oder daß ihm jedenfalls nicht der Sinn beigelegt wurde, auf diese Frage könne zum Nachteil des Klägers zurückgekommen werden. Tatsächlich kann ja Streiterledigung nicht nur die vorübergehende Regelung einer Frage bedeuten (wie die Kommission meint), vielmehr setzt sie Befriedigung des Klägers voraus. Davon aber kann — weil eine andere Rechtsgrundlage für die Leistung der Kommission nicht zu erkennen ist — nur gesprochen werden, wenn man davon ausgeht, daß die Zahlung erfolgt ist im Hinblick auf den nichtstreitigen Teil des Invaliditätsgrads im Sinne des Artikels 20 der Regelung, also den Teil, auf den die Verwaltung nicht mehr zurückkommen kann.

Daraus folgt, daß tatsächlich ein Invaliditätsgrad in Höhe von 37 % gleichsam rechtskräftig geworden ist (wozu übrigens auch auf das Verbot der Reformatio in peius hingewiesen werden kann, für dessen Geltung in bezug auf den Ärzteausschuß nicht nur die Vorschrift des Artikels 22 der Regelung, sondern auch die Ausgestaltung der Kostenvorschrift des Artikels 23 spricht, die eindeutig nicht den Fall ins Auge faßt, daß der Ärzteausschuß hinter den Feststellungen des von der Anstellungsbehörde benannten Arztes zurückbleibt). Dies bedeutet weiterhin — weil sich die Anstellungsbehörde im Zeitpunkt der Zahlung nur auf die ärztliche Stellungnahme vom 25. Mai 1979 stützen konnte und weil in ihrem Schreiben vom 15. Oktober 1980 ausdrücklich die Konsultierung dieses Arztes erwähnt wurde —, daß nicht mehr Gegenstand eines Streits sein konnte ein Invaliditätsgrad in Höhe von 25 % wegen Augenverletzung, in Höhe von 10 % wegen Schädelverletzung und in Höhe von 2 % wegen Knieverletzung. Als streitig konnte vielmehr nur noch gelten — und ein entsprechend limitierter Auftrag hätte dem Ärzteausschuß erteilt werden müssen —, wie die ästhetischen Folgen des Unfalls zu bewerten waren und ob wegen der Knieverletzung ein Invaliditätsgrad von mehr als 2 % in Frage kam.

Somit läßt sich festhalten, daß die Feststellung des Arzteausschusses zu den neurologischen Folgen des Unfalls, weil ohne rechtmäßige Basis getroffen, unberücksichtigt bleiben muß. Geht man im übrigen davon aus, daß der Bericht des Arzteausschusses nicht zu beanstanden ist und somit keine Notwendigkeit besteht, dieses Verfahren zu wiederholen (darauf wird später noch einzugehen sein), so wäre an seinen Feststellungen zu dem sich aus der Knieverletzung ergebenden Invaliditätsgrad (8 %) und zu dem wegen ästhetischer Folgen anzunehmenden Invaliditätsgrad (1 %) festzuhalten. Dies aber würde tatsächlich bedeuten, daß der Kläger mindestens einen Anspruch auf Entschädigung wegen dauernder Teilinvalidität in Höhe von 44 % hat. Einen derartigen Ausspruch in das Gerichtsurteil aufzunehmen (ob es dabei bleiben kann, wird sich erst nach Untersuchung aller Angriffsmittel zeigen), hätte ich in einer besonderen Situation wie der vorliegenden auch keinerlei Bedenken, selbst wenn anzuerkennen ist, daß der Gerichtshof normalerweise solche Feststellungen medizinischen Charakters nicht treffen kann.

3. 

In einem weiteren Punkt rügt der Kläger, der Bericht des Ärzteausschusses sei fehlerhaft und deshalb nicht zu verwenden, soweit er sich zu den Knieverletzungen und deren Konsolidierung sowie dazu ausspreche, daß weitere Behandlungen in Form von Thermalkuren nicht angezeigt erscheinen.

Er macht dazu geltend, der Ärzteausschuß habe nur eine oberflächliche Untersuchung während einer halben Stunde durchgeführt (diesbezügliche Einzelheiten finden sich auf Seite 11 der Klageschrift). Er verweist auf Berichte anderer Ärzte, die er konsultiert hat und die — im Gegensatz zum Ärzteausschuß, der nur in bezug auf aas linke Knie des Klägers Unfallfolgen anerkannt hat — für beide Knie zusammen einen Invaliditätsgrad von 20 % annehmen (wie sich aus einem Bericht von Dr. Schmitt vom 22. 12. 1981 und einem Bericht von Dr. Chaumont vom 4. 5. 1982 ergebe). Schließlich bezieht sich der Kläger noch darauf, daß auf einer Invaliditätskarte, die vom luxemburgischen Innenministerium ausgestellt worden ist, eine Invalidität von 50 % oder mehr anerkannt worden sei. Danach — so meint er — rechtfertige sich für ihn ein Entschädigungsanspruch gemäß einer Invalidität in Höhe von 56 % oder doch zumindest, daß eine erneute Prüfung durch einen Ärzteausschuß angeordnet werde.

a)

Vor allem in diesem Zusammenhang, in dem dem Gerichtshof tatsächlich eine medizinische Würdigung angesonnen wird, hat die Kommission einen Unzulässigkeitseinwand erhoben. Dazu bezieht sie sich auf Feststellungen, die im Urteil der Rechtssache 156/80 ( 7 ) getroffen worden sind. Tatsächlich wird hier einmal hervorgehoben, die einschlägige Regelung sehe für die Beurteilung aller medizinischen Fragen eine doppelte Untersuchung durch medizinische Sachverständige vor, und damit werde die Absicht zum Ausdruck gebracht, so zu einer endgültigen Schlichtung aller medizinischen Fragen zu gelangen (Randnummern 18 und 19). Zum anderen wird betont, die Kontrolle des Gerichtshofes könne sich nicht auf die ärztlichen Beurteilungen im eigentlichen Sinne beziehen, die als abschließend anzusehen seien, vielmehr könne es nur um eine Überprüfung gehen, die sich auf Fragen in bezug auf die Bildung und die ordnungsgemäße Tätigkeit des Ärzteausschusses beschränkt (Randnummer 20).

Dies erscheint in der Tat durchaus sachgerecht, und dem kann höchstens noch hinzugefügt werden, daß der Gerichtshof — wie die Kommission selbst auch meint — allenfalls der Frage nachgehen kann, ob in der medizinischen Beurteilung ein offensichtlicher Fehler zu erkennen ist.

b)

Hält man sich daran, so besteht schwerlich ein Anlaß, die Art der Untersuchung zu beanstanden, die der Arzteausschuß vorgenommen hat.

Hierzu kann einmal verwiesen werden auf die Feststellungen des Urteils 156/80 ( 8 )), wonach der Ärzteausschuß über die Art und die Dauer der persönlichen Untersuchung des Klägers zu entscheiden hat (Randnummer 27), was bedeutet, daß es sich insoweit um eine medizinische Frage handelt, in die sich der Gerichtshof grundsätzlich nicht einzumischen hat. Zum anderen hat die Kommission nicht nur nachdrücklich betont, die Prüfung durch den Ärzteausschuß sei gründlich und seriös gewesen; es besteht insoweit nach dem Vorbringen des Klägers wohl tatsächlich kein Anlaß, diesen Punkt im einzelnen aufzuklären.

c)

Darüber hinaus ist aber auch — was den Inhalt des Berichtes des Ärzteausschusses angeht — nichts zu erkennen, was für einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sprechen könnte.

Dafür reicht ganz sicher der Umstand nicht aus, daß in der von einer luxemburgischen Behörde — für ganz andere Zwecke — ausgestellten Invaliditätskarte eine Invalidität von 50 % oder mehr anerkannt wird. Insofern genügt auch nicht, daß zwei vom Kläger konsultierte Ärzte (deren Berichte übrigens dem Ärzteausschuß vorgelegen haben und von ihm geprüft worden sind, wie sich den Seiten 4 und 5 des Berichtes des Ärzteausschusses entnehmen läßt) hinsichtlich der erlittenen Knieverletzungen — was den Invaliditätsgrad und das Konsolidierungsdatum anbelangt — zu einem anderen Resultat gekommen sind. Tatsächlich läßt sich so nicht belegen, daß die vom Ärzteausschuß (unter Einschluß des vom Kläger benannten Arztes) einstimmig gegebene Beurteilung medizinisch nicht haltbar sei.

d)

Somit läßt sich festhalten — zu der Notwendigkeit einer weiteren Behandlung hat der Kläger nichts Besonderes ausgeführt —, daß der Bericht des Ärzteausschusses, soweit er im Zusammenhang mit dem gegenwärtig zu behandelnden Angriffsmittel von Bedeutung ist, nicht beanstandet werden kann und daß kein Anlaß besteht, ihm die Eignung abzusprechen, für die Entscheidung der Anstellungsbehörde eine zuverlässige Grundlage zu bilden. Schon gar nicht sehe ich einen Anlaß dafür, daß der Gerichtshof feststellen könnte, es liege eine über 44 % hinausgehende Invalidität vor, es sei ein anderes Datum der Konsolidierung der Verletzungen anzunehmen und es sei eine weitere medizinische Behandlung des Klägers erforderlich.

4. 

Ich komme danach noch zu den zusätzlich in der Replik gestellten Anträgen, die gerichtet sind auf eine Verurteilung der Kommission zur Zahlung von 50000 BFR nach Artikel 73 der Verfahrensordnung und auf Zuerkennung von Zinsen auf den dem Kläger zusätzlich geschuldeten Kapitalbetrag.

a)

Zum ersten Antrag, der — weil in Artikel 73 der Verfahrensordnung von den erstattungsfähigen Kosten einer Partei gesprochen wird — sich auf die Kostenentscheidung des Gerichtshofes bezieht, kann ich mich ganz kurz fassen.

In der Kostenentscheidung, die der Gerichtshof in seinem Urteil zu fällen hat, wird grundsätzlich nur festgelegt, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, gegebenenfalls, ob eine Partei einen Teil (und welchen) der der anderen Partei durch das Verfahren verursachten Kosten zu übernehmen hat. Wie diese Kostenentscheidung nach meinem Dafürhalten auszusehen hat, werde ich am Ende meiner Ausführungen darlegen. Keinesfalls aber erscheint es dabei angebracht, eine bestimmte Summe zu nennen. Dazu kann es unter Umständen erst kommen, wenn aufgrund der im Urteil getroffenen grundsätzlichen Kostenentscheidung Streit zwischen den Parteien über den Umfang der erstattungsfähigen Kosten entsteht und wenn dieser Streit gemäß Artikel 74 § 1 der Verfahrensordnung von der zuständigen Kammer entschieden werden muß.

b)

Was den anderen Antrag angeht, so bestehen wohl angesichts der sachlichen Beziehung zu den Klageanträgen (ich verweise dazu auf die Ausführungen im Urteil 186/80 ( 9 )) keine Bedenken, auf ihn — obwohl erst in der Replik gestellt — einzugehen.

Sogleich hinzufügen läßt sich auch, daß das Verlangen, dem Kläger Zinsen zuzusprechen auf die Restkapitalsumme, auf die er nach meiner Überzeugung in Anbetracht des Berichts des Ärzteausschusses noch Anspruch hat, nicht vollkommen unfundiert erscheint. Immerhin hat es nach Erlaß des Urteils 186/80 (vom 14. 6. 1981 ( 9 )) — danach war klar, wie der Ärzteausschuß zusammengesetzt sein konnte — ein Jahr gedauert, bis der Arzteausschuß seinen Bericht abgab (Juli 1982), und danach abermals mehr als ein halbes Jahr, bis die Verwaltung daraus — freilich, wie wir gesehen haben, in unzutreffender Weise — die Konsequenzen gezogen hat. Dies berechtigt dazu, von einer ungebührlichen Verzögerung im Sinne des Urteils 156/80 ( 10 ) (Randnummer 34) zu sprechen. Da wir aber nicht wissen, wie sich die Verspätung bei der Erstellung des Berichtes erklärt, und da nach seiner Abfassung eine gewisse Zeit für die verwaltungsmäßige Bewältigung (unter Berücksichtigung der Sommerferien) zu veranschlagen ist, kann wohl nicht mehr als eine Verzinsung ab 1. September 1982 in Erwägung gezogen werden, und dies zu einem Satz, den der Gerichtshof nach seinem Ermessen bestimmen mag.

5. 

Ich f asse zusammen :

Nach meiner Ansicht sollte der Gerichtshof

a)

feststellen, daß der Bericht des Äxzteausschusses insoweit unrichtig ist, als er einen Invaliditätsgrad in geringerer Höhe annimmt, als von der Kommission zuvor im Wege der Zahlung als unstreitig anerkannt;

b)

die Entscheidung vom 3. Februar 1982 insoweit aufheben, als sie von einem Invaliditätsgrad in Höhe von 34 °/o ausgeht und dem Kläger autgibt, den Betrag zurückzuerstatten, der der Differenz zwischen dem diesem Grad entsprechenden Kapitalbetrag und dem von der Kommission als Vorschuß geleisteten Betrag entspricht;

c)

feststellen, daß der Kläger aufgrund des Verhaltens der Kommission in Verbindung mit den vom Ärzteausschuß getroffenen Feststellungen Anspruch auf Entschädigung gemäß einem Invaliditätsgrad von 44 % hat;

d)

aussprechen, daß der dem Kläger noch zu zahlende, einem Invaliditätsgrad von 7 °/o entsprechende Kapitalbetrag ab 1. September 1982 gemäß einem vom Gerichtshof festzusetzenden Satz zu verzinsen ist, und

e)

die übrigen Klageanträge abweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens erscheint es mir angebracht, der Kommission ein Drittel der dem Kläger durch das Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.


( 1 ) Urteil vom 14. 7. 1981 in der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europaischen Gemeinschaften —, Slg. 1981, 2041.

( 2 ) Urteil vom 14. 7. 1981 ¡n der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europäischen Gemeinschaften—, Slg. 1981,2041.

( 3 ) Urteil vom 21. 5. 1981 in der Rechtssache 156/80 — Giorgio Morbelli/Kommission der Europäischen Gemeinschaften —, Slg. 1981, 1357.

( 4 ) Urteil vom 14. 7. 1981 in der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Slg. 1981,2041.

( 5 ) Urteil vom 14. 7. 1981 in der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europäischen Gemeinschaften—, Slg. 1981,2041.

( 6 ) Urteil vom 14. 7. 1981 in der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europäischen Gemeinschaften —, Slg. 1981, 2041.

( 7 ) Urteil vom 21. 5. 1981 in der Rechtssache 156/80 — Giorgio Morbelli/Kommission der Europäischen Gemeinschaften —, Slg. 1981, 1357.

( 8 ) Urteil vom 21. 5. 1981 in der Rechtssache 156/80 — Giorgio Morbelli/Kommission der Europäischen Gemeinschaften —, Slg. 1981, 1357.

( 9 ) Urteil vom 14. 7. 1981 In der Rechtssache 186/80 — Benoît Suss/Kommission der Europäischen Gemeinschaften—, Slg. 1981,2041.

( 10 ) Urteil vom 21. 5. 1981 in der Rechtssache 156/80 — Giorgio Morbelli/Kommission der Europäischen Gemeinschaften—, Slg. 1981, 1357.

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