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Document 61983CC0194

Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 27. Februar 1985.
Asteris AE und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Produktionsbeihilfe für Tomatenmark und Pfirsiche in Sirup - Für die Republik Griechenland geltende Regelung.
Verbundene Rechtssachen 194 bis 206/83.

Sammlung der Rechtsprechung 1985 -02815

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1985:88

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

SIR GORDON SLYNN

vom 27. Februar 1985 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Die Klägerinnen in diesen 13 verbundenen Rechtssachen sind griechische Unternehmen, die unter anderem Tomaten zu Tomatenkonzentraten (Tomatenmark) verarbeiten. Sie behaupten, infolge der von ihnen angefochtenen Verordnungen der Kommission hätten nur sie als Verarbeitungsunternehmen dieser Art in Griechenland überlebt und erhebliche finanzielle Einbußen erlitten. Eines von ihnen, die Asteris AE, gehörte zu den Klägern in der Rechtssache 250/81 (Greek Canners/Kommission, Slg. 1982, 3535), in der die Kläger die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1962/81 der Kommission (ABl. L 192, S. 13) in bezug auf das Wirtschaftsjahr 1981/82 begehrten. Ihre Klage wurde jedoch als unzulässig abgewiesen, da nicht dargetan worden war, daß die Verordnung die Klägerinnen „unmittelbar und individuell“ im Sinne von Artikel 173 EWG-Vertrag betraf.

In den vorliegenden Rechtssachen begehren die Klägerinnen zwar nicht die Nichtigerklärung der einschlägigen Verordnungen; sie machen aber geltend, die von der Kommission für die Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83 für Griechenland festgesetzte Beihilfe zur Verarbeitung von Tomaten zu Tomatenmark sei rechtswidrig gewesen und die Kommission habe nach Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag den von ihnen erlittenen Schaden zu ersetzen, der in dem Unterschied zwischen der ihnen gezahlten Beihilfe und der Beihilfe bestehe, die sie hätten erhalten müssen, wenn die Beihilferegelung von der Kommission rechtmäßig durchgeführt worden wäre. Ferner verlangen sie Zinsen auf diese Beträge für das erste Jahr ab 21. Juli 1982 und für das zweite Jahr ab 9. Juli 1983 in Höhe von 24 % pro Jahr; dies sei im einschlägigen Zeitraum der übliche Satz in Griechenland gewesen, den sie oder zumindest einige von ihnen für Bankkredite hätten zahlen müssen, weil sie nicht den ihnen zustehenden Betrag an Beihilfe erhalten hätten.

Die Regelung, durch die für die Erzeugung von Tomatenmark eine Beihilfe gewährt werden sollte, habe ich in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache 192/83 (Griechenland/Kommission) zusammengefaßt, auf die ich hiermit Bezug nehme.

Zu ergänzen ist, daß der Beihilfebetrag für das Referenzerzeugnis für die zwei Jahre, um die es im vorliegenden Fall geht, durch die Verordnungen der Kommission Nrn. 1963/81 und 1585/82 wie folgt festgesetzt wurde: a) für Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Griechenland i) für 1981/82 auf 40,30 ECU, ii) für 1982/83 auf 45,53 ECU; b) für Griechenland i) für 1981/82 auf 21,61 ECU, ii) für 1982/83 auf 33,49 ECU. Die in diesen beiden Jahren verwendeten Koeffizienten waren dieselben wie die für das Wirtschaftsjahr 1983/84 verwendeten, um das es in der anderen Rechtssache geht.

Die Kommission hält die vorliegenden Klagen für unzulässig, weil die Klägerinnen, würde ihrer Klage stattgegeben, sich in derselben Lage befinden würden, wie wenn die gerügten Verordnungen aufgehoben würden. Den von der Kommission vorgebrachten Einwand hat der Gerichtshof jedoch bereits mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Klagen nach Artikel 173 und 215 Absatz 2 voneinander völlig unabhängig seien: vgl. die Rechtssachen 5/71 (Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 979) und 238/78 (Ireks-Arkady/Rat und Kommission, Slg. 1979, 2955). Folglich ist der Einwand der Kommission nach meiner Auffassung nicht begründet.

Zu Recht ist nicht vorgebracht worden, die vorliegende Klage könne nur vor einem nationalen Gericht gegen eine griechische Interventionsstelle erhoben werden. Stellt sich nämlich die Berechnung der Beihilfen als rechtswidrig heraus, so ist es nicht Sache der nationalen Interventionsstelle, sie nach den zutreffenden Methoden neu zu berechnen. Dies kann nur durch die Kommission auf eine Entscheidung dieses Gerichtshofes hin geschehen.

Es ist ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß für eine Haftung nach Artikel 215 Absatz 2 für Rechtsetzungsakte folgende kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Es muß erstens eine hinreichend schwerwiegende Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm vorliegen, der Kläger muß zweitens einen Schaden erlitten haben, und drittens muß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beidem bestehen.

Was die erste Voraussetzung angeht, so greifen die Klägerinnen nicht die hauptsächliche Grundlage für die Berechnung der für 100 kg des „Referenzerzeugnisses“ im Wirtschaftsjahr 1981/82 gezahlten Beihilfe an. Sie machen vielmehr geltend, die Beihilfe sei mit Artikel 103 Absatz 3 der Beitrittsakte und den Artikeln 7 und 40 Absatz 3 des Vertrages (in Verbindung mit den Artikeln 3 Buchstabe f und 40 Absatz 2 Unterabsatz 2, die mir als Grundlage für eine Klage zu allgemein erscheinen) unvereinbar gewesen. Nach einer rein mathematischen Berechnung auf der von der Kommission herangezogenen Grundlage hätte die Beihilfe 28,02 ECU für Griechenland und 46,71 ECU für die neun anderen Mitgliedstaaten betragen müssen, was der Verwaltungsausschuß akzeptiert habe. Im Hinblick auf Ausgabenkürzungen auf Verlangen des Rates habe die Kommission jedoch jeden der beiden Beträge um 6,41 ECU gekürzt. Folglich habe die den Neun gewährte Beihilfe 40,30 ECU und diejenige für Griechenland 21,61 ECU betragen.

Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe damit (indem sie überhaupt eine Kürzung vorgenommen habe) gegen Artikel 103 Absatz 3 der Beitrittsakte verstoßen, da diese Bestimmung vorschreibe, daß der Betrag der Beihilfe in Höhe des tatsächlichen Unterschiedes zwischen den Preisen der Drittländer und den in Griechenland erzielten Preisen festzusetzen sei. Dieses Argument scheint auf den ersten Blick überzeugend. Bei näherem Hinsehen scheint mir jedoch diese Bestimmung wie Artikel 3b. Absatz 1 der Verordnung'Nr. 516/77, dem sie nachgebildet ist, der Kommission bei der Festsetzung der Beihilfen ein gewisses Ermessen einzuräumen, und zwar weil die Bestimmung der Preise in Drittländern und in Griechenland notwendigerweise kein genauer rechnerischer Vorgang ist. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der betreffenden Bestimmungen. Der Preis der Erzeugnisse der Drittländer ist nach Artikel 3b Absatz 3 der Verordnung Nr. 516/77 „unter Berücksichtigung“ bestimmter Faktoren zu ermitteln. Ebenso sind bei der Ermittlung der Preise für griechische Erzeugnisse nach Artikel 103 Absatz 3 bestimmte Gesichtspunkte zu „berücksichtigen“. Ich vermag mich deshalb diesem Vorbringen nicht anzuschließen.

Wie die Klägerinnen darlegen, wurde die Beihilfe für Griechenland prozentual stärker herabgesetzt als für die anderen Mitgliedstaaten. Absolut war die Kürzung jedoch gleich, so daß meines Erachtens keine Verletzung der Artikel 7 und 40 Absatz 3 vorliegt.

Anschließen möchte ich mich hingegen — aus den in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache 192/83 dargelegten Gründen — der zweiten Rüge der Klägerinnen, die dahin geht, die Kommission habe gegen Nr. 103 Absatz 3 verstoßen, indem sie dieselben Koeffizienten auf Griechenland und „die Neun“ angewandt habe. Da die Erwägungen mit denjenigen in der Rechtssache 192/83 übereinstimmen, brauche ich sie hier nicht zu wiederholen. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die vorliegenden Rechtssachen die Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83 betreffen, während sich die Rechtssache 192/83 auf das Wirtschaftsjahr 1983/84 bezieht. Nach den Verordnungen Nrn. 1962/81, 1602/82 und 1615/83 waren jedoch die Koeffizienten in allen drei Jahren dieselben. Folglich waren die Verordnungen Nr. 1962/81 und 1602/82 rechtswidrig, soweit sie sich auf Griechenland bezogen.

Artikel 103 Absatz 3 ist eine Vertragsbestimmung, denn Artikel 1. Absatz 2 des Beitrittsvertrags bestimmt, daß die Beitrittsakte Bestandteil dieses Vertrages ist. Entgegen dem Vorbringen der Kommission nimmt der Umstand, daß Artikel 103 Absatz 3 die Anwendung der Verordnung Nr. 516/77 auf Griechenland während der Übergangszeit regelt, dieser Bestimmung nicht ihren Rang als Vertragsbestimmung. Daraus folgt meines Erachtens, daß die gerügten Verordnungen tatsächlich eine höherrangige Rechtsnorm verletzt haben.

Ferner scheint mir die Verletzung hinreichend schwerwiegend gewesen zu sein, um eine Haftung nach Artikel 215 Absatz 2 auszulösen. Der Zweck von Artikel 103 war es, die in Griechenland gezahlte Beihilfe während eines Zeitraums von mehreren Jahren der in den anderen Mitgliedstaaten gezahlten Beihilfe anzugleichen. Diesem Zweck diente insbesondere Absatz 3 mit der Bestimmung, daß bis zum Abschluß dieser Angleichung die Preise für griechische Erzeugnisse getrennt von den Preisen in den anderen neun Mitgliedstaaten zu ermitteln sind. Folglich hat die Kommission dadurch, daß sie auf Griechenland dieselben Koeffizienten angewandt hat wie auf die anderen Mitgliedstaaten, Artikel 103 Absatz 3 nicht nur geringfügig verletzt, sondern dessen Grundprinzip nicht beachtet.

Schließlich kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese Bestimmung die einzelnen schützen soll, nämlich die griechischen Verarbeiter von Obst und Gemüse, selbst wenn sie dafür sicherstellen müssen, daß den Erzeugern, die möglicherweise, wie die Kommission geltend macht, die Hauptbegünstigten dieser Regelung sein sollen, der Mindestpreis gezahlt wird.

Da die Rechtswidrigkeit darin besteht, daß den Klägerinnen niedrigere Beihilfen gewährt wurden, als sie beanspruchen konnten, sind Schaden und ursächlicher Zusammenhang mit der Rechtswidrigkeit dargetan. Darüber hinaus haben die Klägerinnen bis in jede Einzelheit den genauen Betrag der Einbuße dargelegt, die sie erlitten zu haben behaupten. Daraus ergibt sich meines Erachtens — obwohl die Einzelheiten in diesem Verfahren nicht genau untersucht worden, sind —, daß die Kommission, da es eindeutig eine Einbuße gegeben hat, verpflichtet ist, an die Klägerinnen Schadensersatz nach Artikel 215 Absatz 2 für den durch die Verordnungen Nrn. 1962/81 und 1602/82 verursachten Schaden zu leisten.

Es bleibt der Umfang des Schadensersatzes zu berechnen. Dieser wird von der Neuberechnung der Koeffizienten auf der Grundlage der tatsächlichen Verarbeitungskosten in Griechenland abhängen, wobei die Unternehmen mit den höchsten Kosten nicht in Betracht gezogen werden. Diese Aufgabe ist von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Klägerinnen unter der Aufsicht des Gerichtshofes zu erfüllen. Der Gerichtshof kann deshalb in diesem Stadium den Umfang des Schadensersatzes nicht bestimmen.

Die angemessene Vorgehensweise wäre es meines Erachtens, ein ähnliches Urteil wie in den Rechtssachen 64 und 113/76 (Du-mortier/Rat, Slg. 1970, 3091) zu erlassen. Die Kommission sollte verpflichtet werden, an die Klägerinnen den Unterschied zwischen dem in den beiden betreffenden Wirtschaftsjahren gezahlten Beihilfebetrag und dem Betrag — wenn dieser höher ist — zu bezahlen, der gewährt worden wäre, wenn zutreffende Koeffizienten angewandt worden wären. Abgesehen von den Koeffizienten und ihrer Anwendung sollten die Berechnungen unverändert bleiben, denn die Koeffizienten sind der einzige Punkt in der Berechnung, den die Klägerinnen mit Erfolg gerügt haben. Den Parteien sollte ferner aufgegeben werden, dem Gerichtshof binnen zwölf Monaten nach Verkündung des Urteils mitzuteilen, auf welche Schadensersatzbeträge sie sich geeinigt haben, oder mangels einer solchen Einigung dem Gerichtshof innerhalb derselben Frist bezifferte Anträge vorzulegen.

Schließlich stellt sich noch die Frage der Zinsen. Beginnend mit den Rechtssachen 27 und 39/59 (Campolongo/Hohe Behörde, Slg. 1960, 819, 853), hat der Gerichtshof eine Unterscheidung getroffen zwischen Verzugszinsen („intérêts moratoires“) und Ausgleichszinsen („intérêts compensatoi-res“). Erstere werden bei Verzug ohne weiteres geschuldet, während Ausgleichszinsen nur zu zahlen sind, soweit ein spezifischer Schaden dargetan wird.

Die Klägerinnen verlangen angesichts der in Griechenland vorherrschenden Zinssätze 24 % Zinsen. Sie behaupten nicht, sie hätten dieses Geld investiert und es seien ihnen Zinsen entgangen, die sie sonst erhalten hätten; vielmehr tragen sie vor, einige von ihnen hätten, weil sie nicht die volle Beihilfe erhalten hätten, zu wenig Geld gehabt und hätten Bankkredite aufnehmen müssen. Ich halte es nicht für erwiesen, daß der Kreditbedarf eine Folge des Ausfalls der Beihilfe und nicht vielmehr eine Folge der allgemeinen Finanzlage der Klägerinnen war. Sie scheinen mir deshalb keinen Anspruch auf die verlangten Zinssätze zu haben. Andererseits sollten wohl angesichts der verbundenen Rechtssachen 75 und 117/82 (Razzouk und Beydoun/Kommission, Slg. 1984, 1509) und der Rechtssache 737/79 (Battaglia/Kommission, Slg. 1985, 72) vom Tag der Einreichung der Klagen beim Gerichtshof an 6 % Zinsen (obwohl ich, wie bereits früher bemerkt, 6 % nicht mehr als mit den üblichen Zinssätzen übereinstimmend ansehe und deshalb für meinen Teil 8 % zusprechen würde) aus den den einzelnen Klägerinnen gegebenenfalls zuzusprechenden Beträgen zuerkannt werden.

Ich beantrage somit festzustellen, daß die Kommission den Klägerinnen gemäß Artikel 215 EWG-Vertrag den Schaden zu ersetzen hat, der sich als Folge davon erweist, daß die Kommission den Betrag der für Tomatenmark — mit Ausnahme desjenigen mit einem Gehalt an Trockensubstanz zwischen 28 °/o und 30 % und in Verpackungen von weniger als 1,5 kg — zu gewährenden Beihilfe falsch berechnet hat, zuzüglich 6 % Zinsen pro Jahr seit Einreichung der Klagen beim Gerichtshof. Die Kommission sollte verurteilt werden, die Kosten der Klägerinnen zu tragen.


( *1 ) Aus dem Englischen übersetzt.

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