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Document 61982CC0199

Schlussanträge des Generalanwalts Mancini vom 27. September 1983.
Amministrazione delle finanze dello Stato gegen SpA San Giorgio.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Trento - Italien.
Erstattung rechtsgrundloser Zahlungen - Abwälzung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben auf den Preis der Waren.
Rechtssache 199/82.

Sammlung der Rechtsprechung 1983 -03595

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1983:247

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

G. FEDERICO MANCINI

VOM 27. SEPTEMBER 1983 ( 1 )

Herr Präsident,

Meine Herren Richter!

1. 

Dieses Vorabentscheidungsverfahren betrifft einen besonderen Aspekt der Regelung, die für die Erstattung von Einfuhrzöllen gilt, die von nationalen Stellen unter Verstoß gegen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben worden sind. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofes sind die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung befugt, die Modalitäten dieser Erstattung zu regeln; diese ihre Befugnis findet jedoch ihre Grenzen — wie Sie im Urteil vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79 (Just, Slg. 1980, 501) festgestellt haben — im Diskriminierungsverbot und in der Verpflichtung, die tatsächliche Ausübung des Rechts — eines Rechts gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs — auf Erstattung zu gewährleisten. Heute werden Sie darum ersucht zu entscheiden, ob eine nationale Regelung sich in diesen Grenzen hält, nach der die Erstattung nur dem „solvens“ zusteht, der den urkundlichen Nachweis dafür erbringt, daß er die Belastung, die der ohne Rechtsgrund erhobene Zoll darstellt, nicht auf die Erwerber der Ware abgewälzt hat. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine italienische Regelung aus dem Jahre 1982, aber die Antworten, die Sie dem vorlegenden Gericht geben werden, werden auch auf die französische Rechtsordnung ausstrahlen, in der eine entsprechende Regelung vor zwei Jahren eingeführt wurde, und zwar sofort nach dem Erlaß des Urteils, das ich genannt habe.

Ich fasse den Sachverhalt zusammen. Artikel 32 der einheitlichen Fassung der Gesundheitsgesetze, auf die sich das Decreto reale [Königliche Verordnung] Nr. 1265 vom 27. Juli 1934 bezieht, sah in Artikel 32 eine gesundheitspolizeiliche Untersuchung von Tieren, Fleisch, Erzeugnissen und Abfällen tierischen Ursprungs, die nach Italien eingeführt wurden, sowie von Tieren, die aus Italien ausgeführt wurden, vor. Für die Untersuchung wurde zu Lasten der Exporteure und der Importeure eine feststehende Abgabe erhoben, deren Höhe in einer der einheitlichen Fassung als Anhang beigefügten Tabelle festgelegt war (siehe den genannten Artikel 32 Absatz 4). Die Tabelle wurde mehrfach geändert und ergänzt, zuletzt durch das Gesetz Nr. 1239 vom 30. Dezember 1970. Mit Urteil Nr. 163 vom 19. Dezember 1977 erklärte die Corte costituzionale Artikel 1 dieses Gesetzes und generell die Tabelle für die gesundheitspolizeilichen Gebühren für Erzeugnisse, die durch die Verordnung Nr. 804/68 und Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die Gemeinsamen Marktorganisationen für Milch und Milcherzeugnisse sowie für Rindfleisch erfaßt werden, für rechtswidrig.

Auf diese Entscheidung hin erhob die S.p.A. San Giorgio, Latteria Locate Triulzi, mit Sitz in Mailand Klage beim

Tribunale Trient. Sie machte geltend, sie habe zwischen 1974 und 1977 ohne Rechtsgrund gesundheitspolizeiliche Gebühren bei der Einfuhr von Milcherzeugnissen aus EWG-Ländern gezahlt, und forderte, die Finanzverwaltung solle die Erstattung dieser Gebühren anordnen. Mit Bescheid vom 4. Juli 1982 entsprach der Präsident des Tribunale diesem Antrag, gab der Finanzverwaltung auf, der Klägerin etwa 65 Millionen Lire zu zahlen und erklärte diese Entscheidung für vorläufig vollstreckbar. Am 16. Juli 1982 erhob die Finanzverwaltung Einspruch und beantragte, die vorläufige Vollstreckbarkeit auszusetzen; dabei berief sie sich auf Artikel 10 des Decreto legge Nr. 430 vom 10. Juli 1982, das in der Zwischenzeit in Kraft getreten war und das die Erstattung ausschloß, wenn die Belastung auf andere Personen abgewälzt worden war. Mit Beschluß vom 23. Juli 1982 setzte der Präsident die Vollstreckung des Mahnbescheids aus und legte dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag die folgenden Fragen vor:

1.

Der Gerichtshof möge zur Erläuterung und gegebenenfalls zur Ergänzung seiner eigenen Rechtsprechung, die sich vor allem aus den Urteilen vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Finanzministerium/Firma Denkavit), vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 811/79 (Finanzministerium/Firma Ariete) und vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 826/79 (Finanzministerium/Firma MIRECO) ergibt, folgendes präzisieren:

a)

Ist ein nationales Gesetz, das (in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung) die Erstattung bestimmter Abgaben (darunter vor allem Gebühren für gesundheitspolizeiliche Untersuchungen), die als Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle im Widerspruch zu den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu Unrecht erhoben worden sind, von dem Nachweis abhängig macht, daß sie nicht auf andere Personen abgewälzt worden sind, dagegen die Erstattung aller anderen zu Unrecht erhobenen Steuern, Zölle oder Gebühren nicht von derselben Voraussetzung abhängig macht, als diskriminierend und im Widerspruch zu den Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung stehend anzusehen? Ist der Umstand erheblich, daß die von der oben angegebenen Vorschrift erfaßten Gebühren in Wirklichkeit nur deshalb zu Unrecht erhoben worden sind, weil sie im Widerspruch zu einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift stehen?

b)

Macht der negative Urkundenbeweis, von dem die Erstattung der ohne Rechtsgrund erhobenen Gebühren nach dem oben genannten nationalen Gesetz allein abhängig ist, „die Ausübung der Rechte praktisch unmöglich ..., die die einzelstaatlichen Gerichte zu schützen verpflichtet sind“?

2.

Ist vom 1. Juli 1980 an, dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben, die nach ihrem Wortlaut. (Artikel 1 Absatz 2) für Zölle und für Abgaben zollgleicher Wirkung gilt, zum erstenmal ein gemeinschaftliches System eingeführt worden, das die Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben regelt, ohne eine Ausnahme für den Fall der Abwälzung der Belastung auf andere Personen vorzusehen? Geht diese Regelung allen früheren oder späteren nationalen Gesetzen vor?

2. 

Die italienische Regierung macht vorab geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig. Ihrer Ansicht nach ist Artikel 177 EWG-Vertrag dahin zu verstehen, daß die Vorabentscheidung des Gerichtshofes dem Erlaß einer Maßnahme mit Entscheidungscharakter durch das innerstaatliche Gericht vorausgeht; wenn die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung keinen Einfluß auf das Urteil in dem Rechtstreit haben könne, fehle der vorangehenden Beantwortung der gemeinschaftsrechtlichen Frage daher offenkundig die Erheblichkeit. In der vorliegenden Rechtssache sei — so folgert die beklagte Regierung — gerade dieser Fall gegeben. Nach den Artikel 633 ff. des Codice di procedura civile fälle der Präsident des im Rahmen eines Mahnverfahrens angerufenen Gerichts nämlich kein Urteil — dies sei Sache des Kollegiums —, sondern erlasse eine nicht anfechtbare Maßnahme (Bescheid oder Beschluß, je nachdem, ob er sie vor oder nach dem Einspruch des Schuldners verfüge: s. Artikel 642 und 648 des C.p.c), die als solche keinen Entscheidungscharakter habe.

Die Einrede ist nicht begründet. Die Auslegung des Artikels 177, die die italienische Regierung vertritt, ist in einer Weise restriktiv, die nicht gerechtfertigt ist, und steht im Widerspruch zu der Funktion, die der EWG-Vertrag der Vorabentscheidungsvorlage zuweist. Bekanntlich soll dieses Institut verhindern, daß ein nationales Gericht eine Entscheidung erläßt, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, daß es also mit anderen Worten auf einen Sachverhalt interne Vorschriften anwendet, die unvereinbar mit der Rechtsordnung der Gemeinschaft sind, und auf diese Weise deren Vorrang gegenüber den nationalen Rechtssystemen nicht anerkennt. Da aber jede Entscheidung, die von einem Rechtsprechungsorgan herrührt und Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Beteiligten hat, die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts mit sich bringen kann, implizieren die Grundsätze, die ich genannt habe, daß die Stelle, die dazu berufen ist, diese Entscheidung zu erlassen, die Möglichkeit hat, sich im Rahmen des Artikels 177 an den Gerichtshof zu wenden.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofes ist fest in diesem Sinne orientiert: Er hat mehrfach Vorlagefragen für zulässig angesehen, die italienische Gerichte im Rahmen von summarischen Verfahren aufgeworfen hatten. Ich erinnere zum Beispiel an die Urteile vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 33/70 (SACE/Finanzministerium der Italienischen Republik, Slg. 1970, 1213), vom 26. Oktober 1971 in der Rechtssache 18/71 (Eunomia/Italien, Slg. 1971, 811) und vom 14. Dezember 1971 in der Rechtssache 43/71 (Politi/Italien, Slg. 1971, 1039).

3. 

Beide Fragen beziehen sich zwar auf eine hypothetische nationale Rechtsnorm und auf deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, sie sollen aber — die erste offen, die zweite mittelbar — den Gerichtshof zu einer Entscheidung darüber veranlassen, ob eine bestimmte Vorschrift der italienischen Rechtsordnung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Ihr Gegenstand sind die Grenzen, innerhalb deren die Wirtschaftsteilnehmer von der Finanzverwaltung die Erstattung von ohne Rechtsgrund gezahlten Einfuhrzöllen und anderen Lasten verlangen können.

Um welche Vorschrift handelt es sich? Die Vorschrift, die gegenwärtig in Kraft ist, ist Artikel 19 des Decreto legge Nr. 688 vom 30. September 1982 betreffend dringliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuereinnahmen, das durch das Gesetz Nr. 873 vom 27. November 1982 in ein Gesetz umgewandelt worden ist. Bei Erlaß des Vorlagebeschlusses war die Materie noch in einer der Form nach unterschiedlicher Rechtsquelle geregelt, im Decreto legge Nr. 430 vom 10. Juli 1982, das in Artikel 10 Absatz 1 bestimmte: „Wer — auch vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung — zu Unrecht Einfuhrzölle, Produktionssteuern, Verbrauchsteuern oder staatliche Abgaben entrichtet hat, hat — soweit es sich nicht um eine irrtümliche Zahlung handelt — keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beträge, wenn die entsprechende Belastung in irgendeiner Weise auf andere Personen abgewälzt worden ist.“ In Absatz 2 hieß es weiter: „Die Abwälzung der Belastung wird in allen Fällen vermutet, in denen die Waren, in bezug auf die die Zahlung erfolgt ist, — auch nach Verarbeitung, Umwandlung, Einbau, Zusammensetzung oder Anpassung — veräußert worden sind, außer bei einem urkundlichen Nachweis des Gegenteils.“

Nun wurde dieses Decreto legge vom Parlament nicht in ein Gesetz umgewandelt und verlor damit gemäß Artikel 77 Absatz 3 der italienischen Verfassung ex tunc seine Wirksamkeit. Die italienische Regierung verzichtete deswegen nicht darauf, die Vorschriften einzuführen, die ich gerade genannt habe. Anstelle der Umwandlung des Decreto legge Nr. 486 vom 31. Juli 1982 (betreffend dringliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuereinnahmen) schlug sie eine Änderung des Artikels 1 des Entwurfes des Umwandlungsgesetzes vor, die darin bestand, einen neuen Artikel einzufügen (der in den Atti Senato, VIII legislatura, n. 2000-A, und zwar auf S. 14, als Artikel 1 — undecies bezeichnet wird), in den die oben genannten Vorschriften übernommen wurden. Da aber auch das Decreto legge Nr. 486 nicht in ein Gesetz umgewandelt wurde und diese Änderung ohne Wirkung blieb, sah die Regierung sich gezwungen, ein drittes Decreto legge zu erlassen. Es trat am 30. September 1982 mit der Nr. 688 in Kraft, und ihm war ein besseres Geschick beschieden. Es wurde nämlich in ein Gesetz umgewandelt und gilt — wie ich bereits gesagt habe — noch immer.

In seinem Artikel 19 wird nun der Inhalt des Artikels 10 des Decreto legge Nr. 430 im wesentlichen wiederholt. Man muß seinen Wortlaut wiedergeben, damit diese Übereinstimmung — die im übrigen auch von der italienischen Regierung selbst anerkannt wird (vgl. die von dieser am 23. Oktober 1982 eingereichten Erklärungen, namentlich auf S. 10) — offenkundig wird. Absatz 1 bestimmt: „Wer — auch vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung — zu Unrecht Einfuhrzölle, Produktionssteuern, Verbrauchsteuern oder staatliche Abgaben entrichtet hat, hat Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beträge, wenn er durch Urkunden nachweist, daß die entsprechende Belastung nicht auf andere Personen abgewälzt worden ist, es sei denn, es handelt sich um eine irrtümliche Zahlung.“ Im nächsten Absatz wird hinzugefügt: „Der im vorstehenden Absatz genannte Urkundenbeweis ist auch dann zu erbringen, wenn die Waren, in bezug auf die die Zahlung erbracht worden ist, nach Verarbeitung, Umwandlung, Einbau, Zusammensetzung oder Anpassung veräußert worden sind.“

Wie man sieht, drückt der erste Absatz positiv aus („... hat Anspruch auf Erstattung ... wenn er durch Urkunden nachweist“), was die ersten beiden Absätze der früheren Vorschrift negativ formuliert hatten (in Absatz 1 — ich wiederhole — war bestimmt: „... hat keinen Anspruch auf Erstattung ... wenn die ... Belastung ... abgewälzt worden ist“; im zweiten Absatz war hinzugefügt: „... außer bei einem urkundlichen Nachweis des Gegenteils“): weder beschränkt aber dieser Kunstgriff die Tragweite dieser Vorschrift, noch erweitert er sie, da sowohl die Vermutung der Abwälzung der Belastung auf die Empfänger der Waren als auch die Möglichkeit, daß der „solvens“ diese Vermutung dadurch widerlegt, daß er einen Beweis — wenn auch nur einen Urkundenbeweis — des Gegenteils anbietet, bestehen bleiben. Die gleiche Überlegung gilt für den zweiten Absatz. Dort wird klargestellt, daß dieser Beweis, der unbedingt erforderlich ist, um die Erstattung des zu Unrecht Gezahlten zu erreichen, auch dann erbracht werden muß, wenn die Ware veräußert worden ist. Bei einer Veräußerung der Ware wird mit anderen Worten vermutet, daß die Abwälzung der Belastung erfolgt ist. Die neue Vorschrift entspricht also genau dem, was Artikel 10 Absatz 2 des Decreto legge Nr. 430 vorsah.

Der Umstand, daß die Norm, in bezug auf die das vorlegende Gericht seine Fragen gestellt hat, heute keine förmliche Gültigkeit mehr hat, kann keine Auswirkung auf diese Beurteilung haben. Bekanntlich entscheidet der Gerichtshof nämlich bei der Ausübung seiner Vorabentscheidungszuständigkeit nicht über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit der Gemeinschaftsrechtsordnung. Der Gerichtshof legt abgesehen von Entscheidungen über die Gültigkeit von Vorschriften, die zum Gemeinschaftsrecht gehören, lediglich die Normen und Grundsätze des Gemeinschaftsrechts aus, während die Schlußfolgerung, ob die interne Rechtsnorm, die zur Entscheidung des Rechtsstreits anzuwenden ist, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, den nationalen Gerichten obliegt. Da im vorliegenden Fall die Fragen allgemeine Bedeutung haben, auch wenn sie durch eine bestimmte Vorschrift des innerstaatlichen Rechts veranlaßt worden sind, bleibt das Vorabentscheidungsersuchen unabhängig von dem Schicksal der Rechtsnorm, die den Anlaß für es abgegeben hat, wirksam. Außerdem — und dies scheint mir entscheidend zu sein — enthält die italienische Rechtsordnung gegenwärtig eine Rechtsnorm (Artikel 19 des Decreto legge Nr. 688/82), die der Vorschrift gleichwertig ist, von der das vorlegende Gericht im Zeitpunkt der Vorlage ausging. Die Auslegung der Grundsätze und der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof heute vornehmen soll, wird also sicherlich von Nutzen für die Entscheidung des Ausgangsrechtstreits sein.

4. 

Ich komme damit zur Prüfung der Fragen. Ich werde mich zunächst mit der zweiten befassen, denn sie betrifft die allgemeinste der Voraussetzungen, von denen die Rechtsprechung des Gerichtshofes die Rechtmäßigkeit von nationalen Rechtsvorschriften abhängig macht, die die Erstattung von ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen regelt: das Fehlen einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung dieser Materie. Die Prüfung dieser Frage muß der Prüfung der ersten Frage vorausgehen: Wenn diese Frage nämlich zu bejahren wäre, würde die andere Frage jegliche Bedeutung verlieren.

Die zweite Frage des Präsidenten des Tribunale Trient geht nun dahin, ob eine bestimmte Regelung des Gemeinschaftsrechts — die Verordnung Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangsoder Ausfuhrabgaben — die Modalitäten der Erstattung von zu Unrecht erhobenen Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle abschließend geregelt hat und damit den Mitgliedstaaten jede verbleibende Rechtssetzungsbefugnis nimmt. Das Gericht fragt insbesondere, ob die Verordnung Nr. 1430/79 dadurch, daß sie in keiner Weise die Erstattung der auf die Abnehmer abgewälzten Belastung beschränkt hat, stillschweigend ausschließt, daß die Abwälzung den entsprechenden Anspruch zum Erlöschen bringt, und ob daher die Mitgliedstaaten nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung diesem Vorgang noch eine dahin gehende Auswirkung zuerkennen können.

Die italienische Regierung macht geltend, die Verordnung Nr. 1430/79 sei auf den vorliegenden Sachverhalt „radone temporis“ nicht anwendbar. Die Verordnung sei — darauf wird hingewiesen — am 1. Juli 1980 in Kraft getreten (s. Artikel 25), während die gesundheitspolizeilichen Gebühren, um deren Erstattung gestritten werde, früher von der Finanzverwaltung berechnet und von der Firma San Giorgio gezahlt worden seien, und zwar zwischen 1974 und 1977. Der Einwand trifft ins Schwarze. Die Verordnung hätte Rückwirkung und würde die anhängigen Rechtstreitigkeiten erfassen, wenn man auf den wohlbekannten Grundsatz zurückgreifen könnte, daß in der Zwischenzeit erlassene Verfahrensvorschriften von ihrem Inkrafttreten an für diese Rechtsstreitigkeiten wie für neue Verfahren gelten. Diese Regel läßt sich aber im vorliegenden Fall nicht anwenden, da die Verordnung Nr. 1430/79, wie der Gerichtshof im Urteil vom 27. Mai 1982 in der Rechtssache 113/81 (Reichelt/Hauptzollamt Berlin-Süd, Slg. 1982, 1957) festgestellt hat, „einen Komplex von Bestimmungen [enthält], die ein einheitliches Ganzes bilden und dessen [materielle und prozessuale] Einzelbestimmungen hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung nicht isoliert betrachtet werden dürfen“. Daraus folgt, daß diese Rechtsquelle keine Auswirkungen auf Streitigkeiten haben kann, die die Erstattung von vor ihrem Inkrafttreten berechneten Gebühren betreffen.

Dies ist aber nicht alles. Die Verordnung Nr. 1430/79 ist nicht nur „ratione temporis“, sondern auch „ratione materiae“ nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Sie hat nämlich meiner Ansicht nach keine allgemeine Bedeutung, weil sie nur eine Reihe besonderer Fallgestaltungen regelt, die sich alle auf einen Fehler bei der Zahlung zurückführen lassen. Aber auch wenn sie erschöpfend wäre und jede Form der Erstattung ohne Rechtsgrund bezahlter Beträge regelt, wäre es willkürlich — nur weil die Abwälzung der Belastung in ihr nicht berücksichtigt wird —, daraus abzuleiten, daß dieser Erlöschensgrund für den Erstattungsanspruch nicht mit der Gemeinschaftsrechtsordnung vereinbar ist. Man kann nicht unter Anwendung von Auslegungsregeln wie dem alten Grundsatz „ubi lex tacuit noluit“ zu einem derartigen Ergebnis kommen.

5. 

Ich komme nun zur Prüfung der ersten Frage, die der wahre Kern des vorliegenden Rechtsstreits ist. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine nationale Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, die:

a)

die Erstattung von bestimmten im Widerspruch zu Vorschriften des Gemeiņschaftsrechts von öffentlichen Stellen erhobenen Abgaben (wie wir wissen, handelt es sich um Abgaben, die die gleiche Wirkung wie Zölle haben und daher durch Artikel 12 EWG-Vertrag verboten sind) von dem Nachweis abhängig macht, daß die entsprechende Belastung nicht auf andere Personen abgewälzt worden ist;

b)

die Erstattung anderer zu Unrecht erhobener Steuern, Zölle oder Gebühren, nicht von derselben Voraussetzung abhängig macht.

Das Gericht zeigt zwei Gesichtspunkte auf, aus denen die Regelung rechtswidrig sein könnte :

a)

die durch ein derartiges System eingeführte nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von Zöllen, Steuern und Gebühren, deren Erstattung von dem oben genannten Nachweis abhängig ist, gegenüber denjenigen, für die eine entsprechende Regelung nicht gilt;

b)

die sich aus dieser Voraussetzung ergebende praktische Unmöglichkeit für die Wirtschaftsteilnehmer, das Recht auf Erstattung auszuüben.

Es ist kein Zufall, daß der Präsident des Tribunale Trient diese Gesichtspunkte hervorhebt. Wie aus der Einleitung der ersten Frage hervorgeht, hat er Ihre Rechtsprechung zur Erstattung von ohne rechtlichen Grund geleisteten Zahlungen vor Augen und insbesondere die von Ihnen festgelegten Grenzen der Befugnis der Mitgliedstaaten, die Modalitäten für die Erstattung von ohne rechtlichen Grund an nationale Stellen gezahlten Beträgen zu regeln. Wir müssen also unsere Aufmerksamkeit auf diese Rechtsprechung lenken.

Der Gerichtshof hat sich in dem Urteil vom 27. Februar 1980 (dem bereits zitierten Just-Urteil) zum erstenmal damit befaßt, welche Auswirkungen auf die Erstattung von im Widerspruch zu Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhobenen Einfuhrzöllen es haben kann, wenn die entsprechende Belastung in den Preis eingegangen und damit auf die Erwerber der Ware abgewälzt worden ist. Die Rechtssache betraf eine in Dänemark tätige Firma, die die Steuerverwaltung dieses Landes auf Erstattung von Beträgen verklagt hatte, die als Steuern auf eingeführte alkoholische Getränke gezahlt worden waren, und geltend machte, diese Steuern seien wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht rechtswidrig (es ging um die Anwendung des Artikels 95 EWG-Vertrag). Die dänische Regierung machte demgegenüber geltend, nach dänischem Recht hätten die Wirtschaftsteilnehmer keinen Anspruch auf Erstattung der ohne rechtlichen Grund gezahlten Steuern, wenn diese in den Preis der Waren eingegangen seien und die entsprechende Belastung auf diese Weise auf die Verbraucher oder jedenfalls auf die weiteren Handelsstufen abgewälzt worden sei. Ziel der Erstattungsklage — so trug sie vor — sei nämlich der Ausgleich der Vermögenseinbuße desjenigen, der ohne rechtlichen Grund gezahlt habe. Mit der Abwälzung der Belastung, mit der dieser die Einbuße gutmache, entfalle gerade diese grundlegende Klagevoraussetzung und deshalb die Möglichkeit der Klageerhebung.

Wie hat der Gerichtshof diese Frage beantwortet? Er hat zunächst anerkannt, daß es dann, wenn gemeinschaftsrechtliche Vorschriften für die Erstattung von im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht erhobenen nationalen Abgaben fehlen, Sache der Mitgliedstaaten ist, die Erstattung dieser Abgaben im Einklang mit dem nationalen Recht zu gewährleisten und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Rechtsverfolgung festzulegen. Die Richter haben aber auch die Grenzen dieser Befugnis aufgezeigt: Diese Voraussetzungen — so haben sie ausgeführt — dürfen „nicht ungünstiger sein ... als diejenigen bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht treffen“ und „dürfen ... die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen“. Wie ich angedeutet habe, ist dies die Formulierung, von der das vorlegende Gericht die zwei Gesichtspunkte ableitet, aus denen die italienische Regelung der „condictio indebiti“ im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen könnte.

Was nun die Rechtmäßigkeit einer nationalen Regelung angeht, in der festgelegt ist, daß ohne rechtlichen Grund geleistete Zahlungen, die auf andere Personen abgewälzt worden sind, nicht erstattet werden können, hat der Gerichtshof vorsichtig die Möglichkeit einer solchen Regelung anerkannt. Das Gemeinschaftsrecht — so stellte er fest — „verlangt keine Erstattung von ohne rechtlichen Grund erhobenen Steuern unter Umständen, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden“; es „schließt [jedoch] die Berücksichtigung des Umstands nicht aus, daß die Belastung durch ... [diese] Steuern auf andere Unternehmen oder auf die Verbraucher abgewälzt werden konnte“. Ausgehend von einer solchen nicht zu beanstandenden Voraussetzung (die Rechtsordnung schützt ungerechtfertigte Bereicherungen nicht) räumte der Gerichtshof also ein, daß die nationalen Gesetzgeber bei der Regelung der „condictio indebiti“ das Phänomen der Abwälzung der Belastung berücksichtigen können. Dies tat er aber — das darf ich bekräftigen — in einer ausgesprochen vorsichtigen Art und Weise. Es kann nämlich kein Zufall sein, daß er zur Einführung seiner Argumentation eine negative Formulierung verwendete („das Gemeinschaftsrecht ... schließt nicht aus“), so daß viel eher an Ausnahmefälle als an eine normale Praxis zu denken ist.

Diese Lösung wurde dann in den Urteilen vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit italiana, Sig. 1980, 1205), vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 811/79 (Ariete, Sig. 1980, 2545) und auch vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 826/79 (MIRECO, Slg. 1980, 2559) übernommen.

6. 

Von den zwei Gesichtspunkten, in die die erste Frage zerfällt, ist vor allem der zweite zu untersuchen, d. h. derjenige, der die Vereinbarkeit einer der italienischen ähnlichen nationalen Regelung der „repetido indebiti“ mit dem Grundsatz betrifft, daß die Mitgliedstaaten das Recht auf Erstattung von unter Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften gezahlten Beträgen nicht so regeln dürfen, daß dessen Ausübung praktisch vereitelt wird. Dieser Gesichtspunkt schließt nämlich ein allgemeines Problem ein, nämlich das Problem der Auswirkung der Abwälzung der Belastung auf den Erstattungsanspruch (oder vielleicht besser der Grenzen, innerhalb deren eine solche Auswirkung angenommen werden kann); die Prüfung dieses Gesichtspunktes muß daher der des anderen — in seiner Tragweite und seinen Auswirkungen beschränkteren — Gesichtspunkts, nach dem die Vorschrift Elemente der Diskriminierung enthalten könnte, vorgehen.

Zunächst aber eine Klarstellung. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat die Begrenzung der Regelungsbefugnis der Staaten (einer Befugnis, die insoweit besteht, als es für die Materie keine gemeinschaftsrechtliche Regelung auf der Grundlage des Artikels 235 EWG-Vertrag gibt) ihren Grund darin, daß das Recht auf Erstattung von im Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erhobenen Beträgen gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs ist und daher durch die Gemeinschaftsrechtsordnung garantiert wird. Was daraus folgt, ist offenkundig: Ein Staat, der seine eigene vorläufige Restzuständigkeit ausübt, um die „condictio indebiti“ durch die Einführung eines Systems zu regeln, das prima facie das Recht auf Erstattung anerkennt, in Wirklichkeit aber so beschaffen ist, daß es dieses Recht inhaltlich aushöhlt, beseitigt de facto ein subjektives Recht, das eine gemeinschaftsrechtliche Grundlage hat; er gelangt damit zu einem Ergebnis, das aufgund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten offenkundig unzulässig ist.

Prüfen wir also, ob eine nationale Regelung wie die in Artikel 19 des Decreto legge Nr. 688 festgelegte es den Anspruchsberechtigten tatsächlich praktisch unmöglich macht, die Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge zu erreichen, und fragen wir uns zunächst, was außer den Beweisvorschriften der Kern dieser Regelung ist. Was an wirklich Neuem bringt Artikel 19 in die italienische Rechtsordnung? Meiner Ansicht nach schafft er einen weiteren Erlöschensgrund für die Erstattungsverpflichtung des „accipiens“ gegenüber dem „solvens“. Die Zahlung ohne rechtlichen Grund bleibt zwar der „Tatbestand“, der den Erstattungsanspruch entstehen läßt. Wenn aber der „solvens“ später die Belastung durch diese Zahlung ganz oder teilweise auf Dritte abwälzt, dann erlischt sein Anspruch in dem Umfang — ganz oder teilweise —, in dem die Abwälzung der Belastung erfolgt ist. Es handelt sich also um eine Regelung, die in besonderen Fällen von der allgemeinen Regelung der Artikel 2033 ff. des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuches abweicht.

Nach dem Vorbringen der Klägerin beseitigt diese Vorschrift den Erstattungsanspruch aus Gründen, die sich aus dem Wesen des Abwälzungsvorgangs als solchem ergeben. In der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle — so wird vorgetragen — schlössen die Merkmale dieses Vorgangs sowohl für den „solvens“ als auch für den „accipiens“ die Möglichkeit des Nachweises aus, daß die Vermögenseinbuße, die der „solvens“ in jedem Fall und unbestreitbar erleide, wenn er die nicht geschuldete Steuer bezahle, dadurch ausgeglichen werde, daß dieselbe Steuer in den Preis der Ware eingehe, auf die sie sich beziehe. Warum soll dies unmöglich sein? Weil — so wird weiter vorgetragen — der Preis durch den Markt bestimmt werde, auf dem zahllose und nur annäherungsweise feststellbare Faktoren wirkten. Es sei daher nicht zulässig, nur einen dieser Faktoren herauszugreifen, ihn aus dem allgemeinen Zusammenhang zu lösen und ihn zur alleinigen Ursache für einen bestimmten Teil des Preises zu machen; dieser Teil lasse sich also nicht — oder fast nie — in einen ausschließlichen Kausalzusammenhang mit der Zahlung einer Steuer in gleicher Höhe bringen. Unter diesen Voraussetzungen komme es einer Aberkennung des Erstattungsanspruchs gleich, wenn von dem „solvens“ der Beweis dafür verlangt werde, daß eine Abwälzung der Belastung nicht erfolgt sei, und die Erstattung der ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträge von diesem Beweis abhängig gemacht werde.

Diese Rüge ist zu einem großen Teil begründet. In meinen Schlußanträgen vom 23. März 1983 in der Rechtssache Pauls Agriculture (Rechtssache 256/81, noch nicht veröffentlicht) habe auch ich eine ähnliche Rüge vorgebracht, wobei ich mich allerdings auf die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft bezogen habe. „Die Unternehmen“, habe ich dort gesagt, „berücksichtigen bei der Festlegung der Preise nicht nur die ihnen erwachsenen Kosten und die von ihnen erstrebten Gewinne ...; sie unterliegen den Bedingungen des Marktes. Wenn es die Marktsituation erlaubt, den Preis auf einem bestimmten Niveau festzusetzen, ohne daß dies Auswirkungen auf das Absatzvolumen hat, dann wird das Unternehmen sich an diesem Niveau und an keinem anderen orientieren“. Die Kommission tritt heute für die gleiche Auffassung ein. In der mündlichen Verhandlung hat ihr Bevollmächtigter nämlich vorgetragen: „Die Abwälzung der Belastung ... ist ein wirtschaftlicher Tatbestand, der von zahlreichen Variablen abhängt ... Um mit Sicherheit eine Abwälzung der Belastung annehmen zu können, müßte das Angebot elastisch sein und die Nachfrage gleichbleibend, aber ich glaube, daß das Salz das einzige Erzeugnis ist, bei dem diese beiden Voraussetzungen vereint sind: Wo diese Voraussetzungen nicht vorliegen, befinden wir uns in einer extrem vom Zufall abhängigen Situation, in der der Nachweis der Abwälzung schwierig ist.“ Klarer ausgedrückt: Man kann die Abwälzung der Belastung zu einem Rechtsinstitut erheben, aber nur, wenn man sich bewußt ist, daß dieses Institut auf unsicherer Grundlage stehen und nur in genau umschriebenen Grenzen anwendbar sein wird.

Der Vertreter der italienischen Regierung ist natürlich anderer Meinung. Er hat vorgetragen, anhand der gewöhnlichen Geschäftsunterlagen (Rechnungen, Korrespondenz usw.) lasse sich feststellen, welcher Teil des Preises auf die ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträge zurückgeführt werden könne und den Erstattungsanspruch wegfallen lasse; zu dem entscheidenden Punkt des Preisbildungsprozesses und der zahllosen Variablen, die dabei auftreten, haben wir von ihm nicht ein einziges Wort gehört. Das Argument, das das Wesen des Marktes es gewöhnlich nicht zulasse, einen Teil des Preises abzutrennen und ihn kausal mit bestimmten Kosten zu verknüpfen, bleibt daher unberührt. Im übrigen — so meine ich — ist dieses Argument nicht zu widerlegen. Wer kann nämlich sagen, daß der Importeur — befreit von der rechtsgrundlosen Abgabe — nicht den gleichen Preis gefordert und die gleiche Warenmenge verkauft hätte? Wenn die Dinge so gestanden hätten, hätte er höhere Gewinne erreichen können, als er sie — belastet durch die Steuer — erzielen konnte. Auf diesem zerklüfteten und unberechenbaren Gelände und nicht in dem übersichtlichen kleinen Garten der Buchführungsunterlagen verlangt Artikel 19 von dem „solvens“ den Nachweis, daß eine Abwälzung der Belastung nicht erfolgt ist. Die italienische Regierung erwähnt aber — wie ich gesagt habe — dieses Gelände nicht. Tatsache ist, daß ihre Stellungnahme ein überaus komplexes Thema auf das Äußerste simplifiziert; ein Indiz für diese Absicht zu simplifizieren liegt gerade in der Betonung, die sie auf den Aussagewert gewöhnlicher Geschäftsunterlagen legt.

Lassen Sie mich nun aber sagen, daß dieser Aussagewert gering ist. Die Unterlagen betreffen die Kosten und ermöglichen es, die Gewinne des Unternehmers zu beleuchten; die Annahme aber, daß sie die Ermittlung aller Faktoren erlaubten, durch die der Preis bestimmt worden ist, ist zumindest naiv, weil diese ihrem Wesen nach zu einem großen Teil außerhalb dieser Unterlagen liegen. Es genügt daran zu denken — der Gesichtspunkt ist geradezu banal —, daß sich in einer Wettbewerbswirtschaft die Produktionskosten aller anderen im gleichen Bereich tätigen Unternehmen und insbesondere der — an der Peripherie liegenden — Unternehmen, deren Kosten höher sind, auf den Preis eines bestirnten Wirtschaftsguts auswirken. Kann man dies alles nachweisen? Und in Mengen, in Zahlen umsetzen? Ich zweifele daran. Sicherlich ist es nicht möglich durch Vorlage der Papiere, zu deren Aufbewahrung jedes Unternehmen nach den Artikeln 2214 ff. des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuches verpflichtet ist. Doch die italienischen Rechtsvorschriften geben dies vor. Kann man also leugnen, daß sie einen unmöglichen Beweis vorschreiben? Nein, man kann es nicht. Und der italienische Bevollmächtigte selbst hat dies unausgesprochen eingeräumt, als er uns in der mündlichen Verhandlung gesagt hat, in 99 % der Fälle sei der „solvens“ nicht in der Lage, den Nachweis zu erbringen, weil die Abwälzung erfolgt sei. Den Erstattungsanspruch anzuerkennen (wie es die Gemeinschaftsrechtsordnung verlangt) und dann zuzulassen, daß dieses Recht in 99 % der Fälle nicht ausgeübt werden kann, ist aber — ich sage nicht mehr — ein schönes Beispiel für den Widerspruch zwischen Worten und Taten.

7. 

Um die Vereinbarkeit des Artikels 19 mit dem Gemeinschaftsrecht zu stützen, hat die italienische Regierung großen Nachdruck auf die „ratio“ gelegt, die diese Vorschrift rechtfertige. Man müsse daran denken, daß der Importeur in der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle (praktisch jedesmal, wenn er den Gegenstand an Dritte veräußere) die mit der Zahlung der nicht geschuldeten Steuer verbundene Belastung auf seine Rechtsnachfolger abwälze, so daß er durch diese keine Vermögenseinbuße erleide und ihm kein Schaden entstehe. Der Schaden liege bei dem Dritten oder in der Regel beim Verbraucher, der für den Gegenstand einen höheren Preis zahle. Wenn man nun zulasse, daß der Importeur zurückerlange, was er ohne rechtlichen Grund gezahlt habe, räume man ihm einen doppelten Vorteil ein, nämlich den, der sich aus der Einbeziehung der Abgabe in den Preis ergebe, und den, der aus der Erstattung derselben Abgabe durch die Verwaltung bestehe. Die Verbraucher ihrerseits seien zu einer doppelten Ausgabe gezwungen: Erstens, um den höheren Preis der Ware zu zahlen, und zweitens — als Steuerzahler —, um die Verwaltung mit den nötigen Mitteln für die Erstattung an die Importeure auszustatten. Dadurch, daß Artikel 19 die Abwälzung der Belastung zum Erlöschensgrund für den Erstattungsanspruch mache, verhindere er diese negativen Auswirkungen.

Das Argument — das räume ich ein — ist findig; es überzeugt jedoch nicht. Erstens entgeht es nicht der Kritik derjenigen, die den Zusammenhang zwischen Abgabe und Preis für nicht beweisbar halten. Es trifft aber auch nicht zu, daß Artikel 19 sich darauf beschränkt, das nicht gerechtfertigte Ungleichgewicht wieder auszugleichen, zu dem die Anwendung des gemeinen Rechts führen soll. Es besteht eine ungerechtfertigte Bereicherung — das einzige, über das man in unserem Fall sprechen kann, ohne Widerspruch befürchten zu müssen —, die diese Vorschrift nicht nur hinnimmt, sondern fördert: die des Staates, der ohne rechtlichen Grund eine Abgabe erhebt und sie dem „solvens“ nicht zurückerstattet.

Während der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung zwar vorgetragen, die Erwerber der Ware könnten gegen den Staat eine Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung erheben. Sie hat dies jedoch — durch genaue Fragen des Gerichtshofes dazu veranlaßt — widerstrebend getan. Und man versteht, warum. Es fällt schwer, sich eine praktisch noch weniger plausible und theoretisch gewagtere These als diese vorzustellen. Man denke an die absurde Vorstellung von einer Masse von Verbrauchern, die den Staat in einem System, in dem die „class action“ unbekannt ist, auf Begleichung ganz geringer Forderungen verklagt. Und man denke an die Voraussetzungen der Bereicherungsklage. In den Rechtssystemen, die ihren Ursprung im römischen Recht haben, stützt sich diese auf die Entreicherung einer Person und auf den Kausalzusammenhang, der zwischen dem von dieser Person erlittenen Schaden und der Bereicherung einer anderen Person besteht. In unserem Fall nun ist die eine Person jemand, der aufgrund freier Auswahl auf dem freien Markt einen bestimmten Gegenstand zu einem Preis erwirbt, der durch den Markt festgesetzt ist und der von ihm selbst als angemessen angesehen wird: Können wir ihn wirklich als dadurch entreichert ansehen, daß dieser Preis vielleicht etwas höher ist — um wieviel höher wird uns aber niemand sagen können — als der Preis, der festgesetzt worden wäre, wenn nicht die staatlichen Stellen bei der Einfuhr des Gegenstandes ohne rechtlichen Grund eine Abgabe gefordert hätten? Und was den Kausalzusammenhang angeht, wie kann man ihn bei all den Wegen, die die Ware zwischen dem Zeitpunkt der Einfuhr und dem des Angebots an den Verbraucher zurücklegt, als erheblich ansehen? Der Kausalzusammenhang — so wird vorgetragen — könne mittelbar sein. Niemand räumt aber ein, daß er entfernt sein kann, und hier ist er entfernt; sogar ganz entfernt, wenn das eingeführte Erzeugnis zur Herstellung eines anderen Erzeugnisses verarbeitet oder verwendet wird.

Artikel 19 zementiert also die Vorzugsstellung des Staates. Er enthält eine merkwürdige Lösung, auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit. Ich erinnere daran, daß das italienische Bürgerliche Gesetzbuch gerade bei der „condictio indebiti“ in der Tradition des römischen Rechts die Stellung des „accipiens“ nur bei einem sittenwidrigen Geschäft privilegiert, aber — Vorsicht — bei einem auf beiden Seiten sittenwidrigen Geschäft, denn der „solvens“, der an der Sittenwidrigkeit nicht beteiligt ist, kann in der Regel das ohne Rechtsgrund Geleistete zurückverlangen. Hier wird dagegen die Verwaltung, die eine im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehende Zahlung gefordert hat, geschützt, während der Importeur, der gezahlt hat, weil er dies nicht vermeiden konnte, und dem es dann mit Phantasie und unternehmerischen Fähigkeiten gelungen ist, trotz der ihm ohne Rechtsgrund auferlegten höheren Kosten einen Gewinn zu erzielen, geopfert wird. Wie könnte man daraus nicht folgern, daß Artikel 19 über den Grundsatz der „par causa turpitudinis“ hinausgeht? Eines sei klar: Wenn ich dies sage, meine ich nicht, daß die Verwaltung sittenwidrig handelt, wenn sie eine rechtsgrundlose Abgabe erhebt. Ich will lediglich hervorheben, daß es nicht gerechtfertigt ist, den zu belohnen, der das Recht verletzt, und dementsprechend den zu bestrafen, der wohl oder übel das Opfer dieser Rechtsverletzung ist.

Der Gedankengang, demzufolge man damit, daß man der Abwälzung der Belastung die Bedeutung eines Erlöschensgrundes verleiht, den Schutz der Verbraucher bezweckt, kann meiner Ansicht nach alles in allem nicht dazu führen, eine Regelung wie die italienische als mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmend anzuerkennen. Wenn sich nämlich der Schutz auf den Dritterwerber des eingeführten Erzeugnisses bezieht, erweist er sich als illusorisch, weil wir gesehen haben, daß dieser — zumindest in Italien — keine Klagemöglichkeiten besitzt, mit denen er den Teil des Preises, den er zuviel bezahlt hat, wieder zurückerlangen könnte. Wenn man als geschützt die Bürger ansieht, die als Steuerzahler die Mehrbelastung tragen würden, die den öffentlichen Finanzen aus der Erstattungsverpflichtung gegenüber den Importeuren entsteht, läßt sich dieser Schutz kaum rechtfertigen. Dieses Interesse der Steuerzahler scheint mir sehr wenig stichhaltig zu sein; in jedem Fall geht es nicht dem vom Gerichtshof mit Nachdruck anerkannten

Erfordernis vor, daß die nationalen Regelungen die tatsächliche Ausübung des Rechts auf Erstattung gewährleisten müssen.

Die Wahrheit sieht demnach anders aus und läßt sich so formulieren: Der Verbraucher hat in Artikel 19 die Funktion eines Feigenblatts. Dies wird im übrigen durch einen Anhaltspunkt im Text der Vorschrift belegt, und zwar die Anerkennung des Erstattungsanspruches durch die Vorschrift (wobei sie Artikel 13 V des französischen Haushaltsgesetzes von 1981, Nr. 80/194, vom 30. 12. 1980 folgt), wenn die rechtsgrundlose Zahlung auf ein Versehen zurückzuführen ist. Es ist nämlich nicht einzusehen, weshalb die Verbraucher in diesem Fall — und nur in diesem Fall — keinen Schutz verdienen sollen. Die italienische Regierung hält dem entgegen, der Importeur könne bei der Festsetzung des Preises der Ware die der Verwaltung unterlaufenden Fehler nicht berücksichtigen; es sei daher anzunehmen, daß er die irrtümlich berechnete Steuer nicht auf die Dritterwerber abwälze.

Der Einwand überzeugt jedoch keineswegs. Er geht von der Hypothese aus, daß der Importeur die Ware vor ihrer Veräußerung an Dritte nicht auf Lager hält und daß die zollgleichen Abgaben auf diese Ware von der Verwaltung verspätet berechnet werden. Diese Hypothese ist aber am grünen Tisch entworfen. In Wirklichkeit können die Dinge sich anders abspielen: Auch wenn die rechtsgrundlose Zahlung das Ergebnis eines Versehens der Verwaltung ist, kann der Importeur so rechtzeitig davon Kenntnis erhalten, daß er sie bei der Festsetzung der Preise berücksichtigen kann. Und warum sollen nun — ich wiederhole es — die Gründe außer acht gelassen werden, die in jedem anderen Fall dazu führen würden, die Verbraucher zu schützen?

Wer wie ich davon überzeugt ist, daß diese Gründe nur Vorwände sind, weiß, daß die Ausnahme, über die wir sprechen, einen Grund hat und daß dieser Grund in der Verordnung Nr. 1430/79 zu suchen ist. Wie ich bereits gesagt habe, legt sie die Modalitäten der Erstattung in einer Reihe von Fallgestaltungen fest, die sich alle auf ein Versehen zurückführen lassen. Es ist daher die Annahme gerechtfertigt, daß der italienische Gesetzgeber, dem Beispiel seines französischen „Kollegen“ folgend, es für vernünftig gehalten hat, die durch die Verordnung der Gemeinschaft geregelten Fälle von der Regelung über die ohne rechtlichen Grund geleisteten Zahlungen auszunehmen und damit die Einführung von Vorschriften zu vermeiden, die als im Widerspruch zu dieser Verordnung stehend erscheinen könnten, wenn man diese als eine erschöpfende Regelung der Materie ansähe.

8. 

Ich habe festgestellt, daß der Abwälzungsmechanismus wegen der unzähligen Variablen, die in einer freien Marktwirtschaft Auswirkungen auf die Preisbildung haben, und wegen der daraus folgenden Unmöglichkeit, einen Teil des Preises bestimmten Kosten ausschließlich und bestimmt zuzuordnen, grundsätzlich nicht anwendbar ist. Ich habe jedoch nicht ausgeschlossen, und vor allem hat es der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Just nicht ausgeschlossen, daß dieser Mechanismus in einigen begrenzten Fallgestaltungen von einer nationalen Rechtsordnung als Erlöschensgrund für den gemeinschaftsrechtlichen Erstattungsanspruch herangezogen werden kann. Lassen Sie uns nun versuchen, diese Fallgestaltungen zu bestimmen.

Zu diesem Zweck möchte ich mit der Unterscheidung zwischen einem durch den Markt bestimmten Preis und einem behördlich festgelegten Preis beginnen. Im ersten Fall ist die Abwälzung nur dann offenkundig und kann deshalb vom Gesetzgeber unterstellt werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Das Angebot muß elastisch und die Nachfrage gleichbleibend sein. Wie der Vertreter der Kommission erklärt hat, ist dies jedoch ein „Schulfall“ und daher ohne wirtschaftliche Bedeutung. Wichtiger ist die zweite Fallgestaltung, obwohl auch sie von geringer Tragweite ist: Dabei ist allerdings erforderlich, daß nicht nur der Preis behördlich festgesetzt ist, sondern auch das Einfließen der Abgabe in den vorgeschriebenen Preis. Dies beweist derselbe Vorgang, durch den der Gedanke der Abwälzung — der in der Finanzwissenschaft und also aus einem ganz speziellen Blickwinkel herausgearbeitet worden ist — Eingang in den Bereich des Rechts und Anwendung auf zivilrechtliche Beziehungen gefunden hat.

Meines Wissens ist diesem Phänomen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erstmals vom dänischen Højesteret in einem Urteil aus dem Jahre 1952 (vgl. UfR 1952, 974 H) rechtliche Bedeutung beigemessen worden. Ein im Mühlensektor tätiges Unternehmen hatte von der Staatskasse die Erstattung einer Abgabe gefordert, die sie für rechtswidrig hielt und die sie im Zusammenhang mit dem Erwerb eiens Postens Weizen gezahlt hatte. Das Gericht erkannte an, daß die Abgabe keine Rechtsgrundlage hatte, lehnte aber die Erstattung mit der Bemerkung ab, daß der sich aus der nicht gerechtfertigten Abgabenerhebung ergebende Schaden auf die Brotkäufer abgewälzt worden sei. Der Preis dieses letztgenannten Erzeugnisses wurde nämlich behördlich festgesetzt und war von der Behörde nach der Einführung der Abgabe in einem Maß erhöht worden, das dem Betrag der Abgabe entsprach. Dreizehn Jahre später bestätigte der Højesteret in einem ähnlichen Fall diese Betrachtungsweise sozusagen „e contrario“: Wenn der Preis eines mit einer Abgabe belasteten Erzeugnisses durch den Markt bestimmt werde und kein Grund für die Annahme bestehe, daß er so erhöht worden sei, daß die Abgabe ausgeglichen werde, habe der Kläger Anspruch auf Erstattung (Urteil vom 28. 5. 1965, II 214/1964, U 1965, 492 H).

Dies sind — die zweite nicht weniger als die erste — bedeutsame Feststellungen. Sie bestätigen, daß die anspruchsvernichtende Wirkung der Abwälzung nur in Randfällen und praktisch nie in den Fällen zulässig ist, in denen der Markt den Preis bestimmt. In diesem Sinn ist meiner Ansicht nach die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verstehen. Und wenn dies so ist, gibt es keinen Zweifel daran, daß eine Regelung, bei der die Erstattung immer oder fast immer von dem Nachweis abhängig ist, daß die Abwälzung nicht erfolgt ist, dem „solvens“ seinen Erstattungsanspruch nimmt. Damit verstößt sie gegen die Gemeinschaftsrechtsordnung, und sei es auch nur, wie ich bereits ausgeführt habe, weil dieser Anspruch gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs ist und — nicht einmal mittelbar — durch eine nationale Vorschrift beseitigt werden kann.

9. 

Aber dies ist noch nicht alles. Eine summarische vergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen zeigt, daß die Abwälzung als Rechtsinstitut bis zu dem Tag unbekannt war, an dem der Gerichtshof das Just-Urteil erließ. Eine Ausnahme bildet die dänische Rechtsprechung, die der Abwälzung aber nur in den ganz engen Grenzen Bedeutung zumißt, von denen ich gerade gesprochen habe. Gegenüber diesen Grenzen kann man sich nämlich nicht auf das dritte Urteil des Højesteret (vom 9. 4. 1970, I 55/1968, U 1970, 437 H) berufen, das einen Fall betrifft, der himmelweit von den Fällen entfernt ist, auf die sich das französiche und das italienische Gesetz beziehen. In der Tat trifft es zu, daß dieses Urteil die Beweislast dafür, daß die Abwälzung nicht erfolgt ist, dem Kläger auferlegt. In dem betroffenen Fall war der Kläger jedoch nicht der „solvens“, sondern ein Dritter als Rechtsnachfolger des „solvens“.

Südlich von Dänemark ist die Abwälzung — jedenfalls zumindest bis zum Jahr 1980 — tabu. In der Rechtsprechung bleibt sie sogar nach dem Erlaß des Just-Urteils tabu. Nehmen wir Italien. Das Just-Urteil beeinflußt einige Gerichte der Tatsacheninstanz (Tribunale Trient, Urteil vom 17. 10. 1981, Dukcevich/Amministrazione Finanze, und Urteil vom 18. 2. 1982, Amministrazione Finanze/Marimex; Corte d'appello Turin, Urteil vom 15. 10. 1980, Amministrazione Finanze/CONAL), nicht aber die Corte die cassazione, die die entgegengesetzte Richtung einschlägt, so mit besonderem Nachdruck im Urteil vom 21. 7. 1981, Nr. 4682, Ministero Fi-nanze/MIRECO. Die Firma MIRECO forderte die Erstattung von ohne Rechtsgrund erhobenen Einfuhrzöllen von der Staatskasse, und die Beklagte wandte ein, die Steuern seien nicht erstattungsfähig, da die Belastung mit dem Verkauf der mit der Steuer belegten Waren abgewälzt worden sei. Die Corte di cassazione wies diesen Einwand zurück und führte unter anderem aus: „Es ist unstreitig anerkannt, daß in der nationalen ... Rechtsordnung der objektive Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung nur zwei Tatbestandsmerkmale hat ... das Vorliegen einer Zahlung und den Umstand, daß diese nicht ... erbracht zu werden brauchte. Dagegen gehört es keineswegs zum Tatbestand, ob derjenige, der in den Genuß der Erstattung kommt, durch deren Wirkung nur den erlittenen Verlust ausgleicht ... oder aber dadurch eine Bereicherung erzielt (weil er die erlittene Entreicherung bereits zu Lasten Dritter abgewälzt hat...).“

Um das Bild zu vervollständigen, füge ich hinzu, daß zwei Gerichte der Tatsacheninstanz (Tribunale Triest, mit Beschluß vom 26. 1. 1983 in Sachen S.p.A. BECA/Amministrazione Finanze, und die Corte d'appello Mailand, mit Beschluß vom 15. 2. 1983 in Sachen Amministrazione Finanze/S.p.A. BAX) vor kurzem die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Artikels 19 aufgeworfen und folgende Rügen erhoben haben:

a)

er verletze wegen seiner Rückwirkung prozessuale Rechte;

b)

er stehe im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht (bekanntlich werden nach Artikel 11 der Verfasung die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften stehen, als rechtswidrig angesehen) ;

c)

er verstoße gegen den in Artikel 3 der Verfassung niedergelegten Gleichheitsgrundsatz.

Für unsere Zwecke besonders aufschlußreich sind zwei Passagen des Mailänder Beschlusses. Der Abwälzung der Abgabenlast Bedeutung zuzuerkennen — so heißt es dort — „ist ein Kunstgriff ..., um den Anspruch auf Erstattung der ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträge immer und in jedem Fall auszuschließen.“ Wie es in dem Beschluß weiter heißt, setzt der urkundliche Nachweis der Abwälzung voraus, daß es „ein Mittel gibt, bei der von dem Dritten gezahlten einheitlichen Gegenleistung das zu unterscheiden, was sich auf die Kosten und Auslagen bezieht, und dasjenige, was den Gewinn des Importeurs ausmacht; eine derartige Unterscheidung ist aber unmöglich“.

Die französischen Gerichte vertreten ähnliche Auffassungen. So lehnte es die Cour de cassation in ihrem Urteil vom 16. Dezember 1980 (Administration des douanes/Société Les fils de Henri Ramel, Dalloz 1981, S. 380) ab, der Abwälzung einer rechtswidrigen Abgabe — die sich vor allem auf die Einfuhr von italienischen Weinen auswirkte — eine anspruchsvernichtende Wirkung zuzuerkennen; dabei stützte sie sich auf den Grundsatz des Zivilrechts, daß der Erstattungsanspruch nicht von einer Entreicherung des „solvens“ abhängig ist. In die gleiche Richtung geht die Rechtsprechung des Conseil d'Etat zur Frage der ohne rechtlichen Grund gezahlten Mehrwertsteuern.

In Deutschland hat das Problem so wenig Beachtung gefunden, daß es keine Veranlassung zu einer Gerichtsentscheidung gegeben hat; nach der gesetzlichen Regelung (s. insb. § 37 Absatz 2 der Abgabenordnung) ist aber ausgeschlossen, daß der Anspruch auf Erstattung von der Abwälzung der rechtsgrundlosen Belastung abhängig gemacht werden kann. Das gleiche gilt in Belgien: Aus den Artikeln 1376 und 1377 des Code civil, die auch für den Bereich der Abgaben gelten, läßt sich sicherlich keine irgendwie geartete Auswirkung der Abwälzung auf die Forderung des „solvens“ herauslesen. In den Niederlanden gibt es keine Quelle in der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung, die eine andere Auffassung zulassen würde, während man in Großbritannien von „passing on“ nur im Hinblick auf eine australische Entscheidung spricht (Mason v. The State of New South Wales [1959] 102 C.L.R. 105), in der unter anderem die anspruchsvernichtende Wirkung des „passing on“ entschieden verneint wird.

Von hier ist es nur ein Schritt zu der Feststellung, daß die Abwälzung — abgesehen von Dänemark — ein Rechtsinstitut ist, das dem Rechtsdenken der Mitgliedstaaten fremd ist. Mit solchen Rechtsinstituten darf man nun nicht großzügig umgehen. Ihre Anerkennung ist zulässig, aber mit Vorsicht und unter genauer Festlegung ihrer Grenzen. Die Auslegung, die ich vorgeschlagen habe und die die allgemeine Anwendung dieses Rechtsinstituts ausschließt, erscheint mir daher vernünftig. Was mich davon überzeugt, ist — ich wiederhole — nicht die innere Unbilligkeit dieses Rechtsinstituts oder seine Funktionsuntauglichkeit auf der Ebene der Logik, sondern die Unmöglichkeit, in annehmbarer Weise sein Funktionieren zu belegen, d. h. es mit Ausnahme einiger Grenzfälle auf den Boden der Rechtssicherheit zurückzuführen.

Ich verkenne nicht, daß es für die Behörden vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Krisen schwierig sein kann, den Erstattungsanträgen nachzukommen. Dieses Problem läßt sich aber nicht dadurch lösen, daß man mit einem Federstrich die Forderungen der Importeure auslöscht (und zwar — was schlimmer ist — während vor den nationalen Gerichten ein Rechtstreit im Gange ist, mit der Folge, daß zwangsläufig eine für die Staatskasse günstige Entscheidung des Rechtsstreits herbeigeführt wird). Es gibt andere Möglichkeiten, das Problem anzupacken, die weniger radikal sind und mehr Rücksicht sowohl auf das Gemeinschaftsrecht als auch die berechtigten Interessen der Wirtschaftsteilnehmer nehmen: z. B. die Festlegung von angemessen kurzen Fristen für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs. In Deutschland ist man so verfahren, und der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst hat diesen Weg beim Erlaß der Verordnung Nr. 1430/79 gewählt. Die Frist, die diese Verordnung für die Stellung des Erstattungsantrags bei den nationalen Stellen festlegt, reicht von drei Monaten bis zu einem Jahr. Ist dies noch zuviel? Man möge sie verkürzen. In jedem Fall muß man den Abstand sehen, der sie von den zehn Jahren trennt, die im italienischen Recht für den größten Teil der Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung vorgesehen sind.

10. 

Zu einer letzten Anmerkung — aber, wie auch in dieser Rechtssache, last not least — veranlaßt mich das Problem, das der Präsident des Tribunale Trient im zweiten Teil der ersten Frage aufwirft. Ich habe gesagt, daß es in 99 % der Fälle darauf hinausläuft, den nicht gerechtfertigten Vorteil des Staates unantastbar zu machen, wenn man vom „solvens“ den Nachweis verlangt, daß eine Abwälzung nicht erfolgt ist. Man denke aber über die Gefahr nach, die sich aus einer derartigen Vorschrift für die Zollunion und für die Politik der Gemeinschaft, vor allem die Handels- und die Landwirtschaftspolitik, ergeben kann. Diese Gefahr heißt Lähmung. Wie läßt sich nämlich ausschließen, daß die Staaten — in der Gewißheit, daß sie das, das sie ohne Rechtgrund erlangt haben, nicht zurückerstatten müssen — trotz der gemeinschaftsrechtlichen Verbote weiter Angaben mit gleicher Wirkung wie Zölle erheben? Wer könnte sie daran hindern, wenn den Unternehmern jede rechtliche Möglichkeit, eine derartige Praxis abzustellen, genommen würde und wenn die Anerkennung dieser Praxis als in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehend der Kommissin die Hände binden würde?

Dies sind äußerst schwerwiegende Perspektiven und — was noch schwerer wiegt — Perspektiven, die in der Phase eines wiederauflebenden Protektionismus, die wir erleben, glaubhaft sind. Dem Europäischen Parlament ist dies bewußt geworden. Man lese die am 9. Februar 1983 verabschiedete Entschließung zur Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Anwendung und Wahrung des Gemeinschaftsrechts: „In Fällen, in denen der ... Gerichtshof bestimmte Steuern oder Abgaben für unvereinbar mit dem Vertrag erklärt hat, [ist] die nachträgliche Einführung einer nationalen Rechtsvorschrift, durch die das Recht auf Erstattung der illegal erhobenen Steuern oder Abgaben eingeschränkt wird, um die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, den Gewinn aus dieser illegalen Steuer oder Abgabe einzubehalten, mit dem Geist der Gemeinschaft unvereinbar ... und [sollte] aufgehoben werden ... (B. 7 der Entschließung, ABl. C 68 vom 14. 3. 1983, S. 33).

11. 

Der andere Teil der ersten Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob eine nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, die a) den Erstattungsanspruch von dem Nachweis abhängig macht, daß keine Abwälzung erfolgt ist, wenn es sich um Abgaben handelt, die im Widerspruch zur Gemeinschaftsrechtsordnung erhoben worden sind, und die b) diese Regelung nicht auf die Erstattung aller anderen Steuern oder Abgaben ausdehnt, die ohne rechtlichen Grund — aber ohne gegen diese Vorschriften zu verstoßen — erhoben worden sind.

Zu dieser Frage — ich habe es bereits ausgeführt — hat der Gerichtshof sich im Just-Urteil und in einigen späteren Urteilen geäußert: Die durch die nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Erstattung dürfen „nicht ungünstiger sein ... als diejenigen bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen“. Es wäre einfach, dem vorlegenden Gericht diese Worte in Erinnerung zu rufen und daraus den Schluß zu ziehen, daß mit der isolierten Behandlung einer durch eine bestimmte Verbindung mit dem Gemeinschaftsrecht gekennzeichneten Gruppe von Abgaben und — was die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung betrifft — ihrer Unterstellung unter eine strengere Regelung ohne Rechtfertigung ein Unterschied zwischen den Schuldnern derartiger Abgaben und den Schuldnern anderer Abgaben gemacht wird, die ähnlich sind, denen aber eine Verbindung mit dem Gemeinschaftsrecht fehlt. Das vorlegende Gericht wäre damit aber nicht zufriedengestellt. Es begehrt nämlich eine nähere Erläuterung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, das heißt, es möchte wissen, wie die Formulierung „entsprechende Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen“ zu verstehen ist. Welche Merkmale müssen vorliegen, um sagen zu können, daß eine Entsprechung besteht und daß daher eine unterschiedliche Behandlung verboten ist?

Die Frage setzt voraus, daß man Artikel 19 und insbesondere die „Einfuhrzölle“, die „Produktionssteuern“, die „staatlichen Abgaben“ und die „Verbrauchsteuern“, auf die sich die durch diese Vorschrift geschaffene Regelung bezieht, eingehender untersucht. Was bedeuten diese Ausdrücke konkret? Sagen wir gleich, daß Verbrauchsteuern nach der italienischen Steuerterminologie alle Abgaben sind, die im Ergebnis den Verbraucher belasten sollen; ich füge jedoch hinzu, daß gewöhnlich nicht der Verbraucher der Steuerpflichtige ist, sondern eine andere Person, die durch eine bestimmte Beziehung zu der Ware vor deren Übergang in das Vermögen des Verbrauchers gekennzeichnet ist. Es gibt daher mehrere Arten von Verbrauchsteuern je nach dem Zeitpunkt, in dem die Steuerschuld entsteht. Wenn daher die Ware bei ihrer Erzeugung mit der Steuer belegt wird, sprechen wir von Produktionssteuer; wird sie erhoben, wenn die Ware in das Hoheitsgebiet des Staates eingeführt wird oder dieses verläßt oder sich auf der Durchfuhr durch dieses Gebiet befindet, handelt es sich um einen Zoll; wenn sie als Abgabe in Höhe eines Bruchteils des Umsatzes jedes Steuerpflichtigen erhoben wird, nennt sie sich Mehrwertsteuer.

Die italienische Regierung hat auf die Fragen des Gerichtshofes vorgetragen, zu den Zöllen gehörten die Zölle im eigentlichen Sinne, die in gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Abschöpfungen, die Monopolabgaben, die Produktionssteuer auf Einfuhrwaren und alle anderen Grenzabgaben zugunsten des Staates. Außerdem hat sie erklärt, unter staatlichen Abgaben seien die Abgaben zu verstehen, die gewöhnlich als Produktionssteuern bezeichnet würden; die Verbrauchsteuern könnten letztgenannten gleichgestellt werden.

Nach Auffassung der italienischen Regierung ist nun das Diskriminierungsverbot, auf das Sie sich im Just-Urteil berufen haben, restriktiv zu verstehen. Es erfasse nicht die nationalen Vorschriften, die eine unterschiedliche Regelung für bestimmte Abgabenbereiche träfen, sondern nur die Vorschriften, die den Anspruch auf Erstattung von inländischen Abgaben und den auf Erstattung von mit dem Gemeinschaftssystem verbundenen Abgaben innerhalb desselben Bereichs unterschiedlich regelten. Artikel 19 erfasse aber einen gesamten Bereich, das heißt eine homogene Gruppe von Abgaben, und zwar in einer unbestreitbar einheitlichen Art und Weise. Ihm könne daher ein diskriminierender Inhalt nicht zugeschrieben werden.

Auch diese These überzeugt jedoch nicht. Ich weise zunächst darauf hin, daß das Diskriminierungsverbot ein allgemeiner Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung ist; deshalb darf man ihn nur mit großer Vorsicht dadurch abschwächen, daß man ihm Grenzen setzt. Das Abgabensystem in zahlreiche, noch dazu schmale Sektoren einzuteilen, um dann in jedem dieser Sektoren die Grenzen der Wirksamkeit dieses Grundsatzes zu umreißen, bedeutet meiner Ansicht nach aber nicht nur seine Aufweichung, sondern kommt vielmehr seiner Beseitigung nahe. Außerdem sehe ich nicht ein, weshalb für den Anspruch auf Erstattung einer Produktionssteuer eine andere Regelung gelten soll als für irgendeine andere Abgabe, vor allem wenn sie indirekt ist. Ich teile also die zum Teil von den Ausführungen in dem am 6. Oktober 1982 eingereichten Schriftsatz abweichende Auffassung der Kommission, daß man, will man „mit Sicherheit jegliche diskriminierende Unterscheidung zwischen eingeführten Erzeugnissen und inländischen Erzeugnissen ausschließen, alle oder ... den größten Teil der indirekten Abgaben in gleicher Weise behandeln muß“ (am 20. 5. 1983 eingereichter Schriftsatz, S. 3 unter 3.).

Was kann man in dieser Hinsicht von Artikel 19 oder — besser — einer nach seinem Vorbild gestalteten Regelung sagen? Erstens, daß er keine Gesamtheit von Abgaben zusammenfaßt, die so umfassend und homogen ist, daß eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot gerechtfertigt wäre. Nicht unter diese Vorschrift fallen nämlich — außer den Fällen der Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung, die auf einem Versehen der Verwaltung beruhen — zahlreiche indirekte Abgaben und — von den Verbrauchsteuern — die Mehrwertsteuer und die Ausfuhrzölle. Diese Ausnahmen gründen sich nun nicht auf die wirtschaftliche Funktion der jeweiligen Abgaben, sondern auf die verschiedensten externen Faktoren. Zum Beispiel ist klar, daß die Mehrwertsteuer und die ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen, die auf einen Irrtum zurückzuführen sind, nur deshalb ausgeschlossen sind, weil sie Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung sind.

Dies ist aber noch nicht alles. Der Bevollmächtigte der Kommission hat darauf hingewiesen, daß Artikel 19 „eine Gesamtheit von Abgaben“ betreffe, „bei der die Einfuhrzölle vorherrschen“, mit der Folge, daß „man ernsthafte Zweifel an [seiner] Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot hegen muß“. Wiederum teile ich die Auffassung der Kommission. Die italienische Auslegung des Just-Urteils könnte sogar richtig sein; wenn aber der gemeinschaftsrechtliche Ursprung des Erstattungsanspruchs den Bereich von Abgaben zusammenfaßt, den die innerstaatliche Vorschrift abweichend regelt, wenden sich die Auswirkungen dieser Auslegung gegen den, der sie vertreten hat. Diese Vorschrift steht somit offensichtlich im Widerspruch zu dem Grundsatz, den Sie im Just-Urteil aufgestellt haben.

Über die Anmerkungen zur Wirkungsweise des Diskriminierungsverbots darf ich meiner Ansicht nach nicht hinausgehen. Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, seine Rechtsvorschriften auszulegen und festzustellen, ob oder in welchen Grenzen sie gegen diesen Grundsatz im soeben erläuterten Sinne verstoßen.

12. 

Im Lauf des Verfahrens haben die Firma San Giorgio und der Bevollmächtigte der Kommission mehrfach darauf hingewiesen, daß die Beweisregelung des Artikels 19 auch deshalb im Widerspruch zur Gemeinschaftsrechtsordnung stehe, weil sie prozessuale Rechte verletze. Vom Importeur nur den urkundlichen Nachweis von Vorgängen zu akzeptieren, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift lägen, gefährde in nicht gerechtfertigter Weise dessen Möglichkeiten, nachzuweisen, daß eine Abwälzung der Belastung nicht erfolgt sei. Es sei nämlich anzunehmen, daß er sich bis zur Einführung der neuen Regelung nicht darum gekümmert habe (weil er keinen Grund dafür gehabt habe), die für den Nachweis benötigten Unterlagen zusammenzustellen, die man heute von ihm verlange.

Das vorlegende Gericht befaßt sich nicht unmittelbar mit diesem Problem. Da die Beteiligten es aber so ausführlich diskutiert haben, kann ich wohl nicht umhin, darauf einzugehen. Ich bin der Meinung, daß diese Rüge begründet ist. Nichts hindert einen Gesetzgeber daran, die gewöhnlichen Beweismittel zu beschränken und festzulegen, daß bestimmte Forderungen nur mit Urkunden belegt werden können; daß er dies durch rückwirkende Vorschriften tut, ist aber nicht zulässig. Zu Recht stellen die Firma San Giorgio und die Kommission die außerordentlichen Schwierigkeiten heraus, die sich aus einer derartigen Methode für die Betroffenen ergeben. Dem läßt sich noch etwas hinzufügen. Nach einem geschichtsträchtigen Grundsatz, den sich alle Rechtsordnungen zu eigen gemacht haben, ist es Sache des Klägers, die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen, und Sache des Beklagten, der diese Tatsachen bestreitet oder das Erlöschen des Anspruches geltend macht, die Tatsachen zu beweisen, auf die sich seine Einwendungen stützen. In unserem Fall dagegen muß der „solvens“ einen negativen Beweis führen. Das macht diesen Beweis noch nicht per se unzulässig; es macht ihn aber sicher in zweierlei Hinsicht anomal und reduziert — in Verbindung mit der Rückwirkung der betreffenden Vorschrift — die prozessualen Möglichkeiten desjenigen, der zu diesem Beweis verpflichtet ist, auf null.

Die italienische Regierung hält dem entgegen, daß das italienische Bürgerliche Gesetzbuch die Unternehmer dazu verpflichte, die Buchführungsunterlagen aufzubewahren; daher müßten die Betroffenen über die erforderlichen Unterlagen allein deshalb verfügen, weil sie sich an die seit 1942 geltenden Vorschriften gehalten hätten. Dieses Argument greift aber aus mindestens zwei Gründen nicht durch :

a)

weil das Problem in einer allgemeinen Form aufgeworfen worden ist — und auch nur aufgeworfen werden konnte — und es daher nicht möglich ist, es unter Bezugnahme auf spezifische Vorschriften einer bestimmten internen Rechtsordnung zu lösen;

b)

weil in jedem Fall die in den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehenen schriftlichen Unterlagen die Tätigkeit des Unternehmens und nicht die Marktentwicklung betreffen, obwohl diese — wie ich ausgeführt habe — in Wirklichkeit das Gebiet ist, auf dem die betroffene Regelung von dem „solvens“ die Beweisführung verlangt.

13. 

Aus all diesen Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen, die der Präsident des Tribunale Trient in seiner Eigenschaft als Einzelrichter mit Beschluß vom 23. Juli 1982 in dem Verfahren der Aktiengesellschaft San Giorgio, Latteria Locate Triulzi, gegen die Finanzverwaltung der Italienischen Republik formuliert hat, wie folgt zu beantworten :

a)

Die Verordnung Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben ist dahin auszulegen, daß sie den Mitgliedstaaten nicht verbietet, in ihren jeweiligen Rechtsordnungen — sei es in den von ihr erfaßten Fällen von Erstattung, sei es in anderen Fallgestaltungen — die Abwälzung der Abgabenlast auf andere Subjekte des Wirtschaftskreislaufs als Erlöschungsgrund für den Erstattungsanspruch vorzusehen.

b)

Ein nationales Gesetz, das die Erstattung bestimmter Abgaben, die von der Verwaltung ohne rechtlichen Grund im Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften (so z. B., wenn es sich um Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle handelt) erhoben worden sind, von dem — auch nicht ausschließlich urkundlichen — Nachweis abhängig macht, daß eine Abwälzung auf andere Personen nicht stattgefunden hat, ist dann, wenn der Preis des Erzeugnisses, auf das sich die genannten Abgaben beziehen, in einem marktwirtschaftlichen System bestimmt wird, unvereinbar mit der Gemeinschaftsrechtsordnung, weil es die Ausübung des Rechts auf Erstattung, das eine gemeinschaftsrechtliche Grundlage hat, praktisch unmöglich macht.

c)

Ein nationales Gesetz, das die besondere unter b) bezeichnete Beweisregelung nur für Abgaben vorsieht, die im Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erhoben worden sind, und diese Regelung nicht auf alle anderen ohne rechtlichen Grund erhobenen Abgaben erstreckt, ist mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, weil es gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Diese Unvereinbarkeit liegt dann vor, wenn die Gesamtheit der Abgaben, deren Erstattung unterschiedlich geregelt ist und bei denen es sich insgesamt oder zum Teil um im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht erhobene Abgaben handelt, keinen ausreichend großen Umfang hat, wenn sie also z. B. nicht alle indirekten Steuern oder den größten Teil dieser Steuern umfaßt.


( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.

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