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Document 61982CC0034

Schlussanträge des Generalanwalts Mancini vom 1. Februar 1983.
Martin Peters Bauunternehmung GmbH gegen Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande.
Artikel 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968.
Rechtssache 34/82.

Sammlung der Rechtsprechung 1983 -00987

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1983:21

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

G. FEDERICO MANCINI

VOM 1. FEBRUAR 1983 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

In der vorliegenden Vorabentscheidungssache geht es um die Auslegung des Begriffs „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Artikel 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens (vom 27. September 1968) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Bekanntlich kann nach dieser Bestimmung „eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, ... in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden: 1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“.

Zunächst muß festgestellt werden, ob diese Wendung autonom oder unter Rückgriff auf die lex causae auszulegen ist. Sodann muß geprüft werden, ob die Verpflichtungen, die sich aus dem Beitritt zu einem Verein ergeben, vertraglicher Art sind oder nicht. Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, sich zu anderen Aspekten der in Rede stehenden Bestimmung zu äußern. Ich verweise auf das Urteil vom 6. Oktober 1976 in der Rechtssache 14/76 (De Bloos/Bouyer, Slg. S. 1497), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, der Ausdruck „Verpflichtung“ beziehe sich auf die vertragliche Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bilde. Ich erinnere auch an das Urteil vom selben Tage in der Rechtssache 12/76 (Tessili/Dunlop, Slg. S. 1473), in dem es heißt, der „Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts maßgebend sei. Zu dem Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“, der jetzt zur Entscheidung steht, hat der Gerichtshof bisher jedoch noch nicht Stellung genommen.

2. 

Zum besseren Verständnis der Problematik dieser Sache möchte ich zu Beginn einige Anmerkungen zur Struktur und Funktionsweise der Organisation machen, die im Ausgangsverfahren als Klägerin auftritt. Ihr Name lautet Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging (im folgenden: ZNAV), ihr Sitz befindet sich in den Niederlanden. Sie ist ein rechtsfähiger Verein, dessen Mitglieder die in den südlichen Provinzen der Niederlande, d. h. in Limburg, Nordbrabant, Seeland und einem Teil von Gelderland, tätigen Bauunternehmen sind. Wie sich aus dem Vorlageurteil ergibt, besteht das Ziel der ZNAV darin, „die wirtschaftlichen, finanziellen, rechtlichen und anderen Interessen seiner Mitglieder und allgemein der Unternehmer der Bauindustrie zu wahren, soweit diese Interessen Preisregelungen im Rahmen des Verdingungswesens und der sich daraus für die Unternehmer ergebenden Folgen betreffen“. Zu diesem Zweck verfügt die ZNAV nach ihrer Satzung über besondere Befugnisse: Sie kann allgemeine, für die Mitglieder verbindliche Vereinsvorschriften erlassen und Beschlüsse fassen. Diese Beschlüsse sind ebenfalls verbindlich, wenn sie auf die Satzung, aber auch, wenn sie auf die erwähnten allgemeinen Vorschriften gestützt werden; sie betreffen ausschließlich die Stellung der einzelnen Unternehmer.

Von den Beschlüssen der erstgenannten Art ist der „Leitfaden für freihändige Preisangebote für private und Zweckbauten“ im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung. Nach diesem am 28. November 1972 beschlossenen und am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Leitfaden müssen die Vereinsmitglieder, die Preisangebote für Bauarbeiten im Tätigkeitsgebiet des Vereins abgeben wollen, eine Reihe von Regeln beachten: Insbesondere sind die Mitglieder gehalten, bevor sie das Angebot abgeben, hierüber den Verein zu unterrichten (Artikel 3 des Leitfadens); und wenn andere dem Verein angehörende Unternehmer sich um dieselbe Bauarbeit bewerben wollen, müssen sie unmittelbar oder durch einen Vertreter an einer vom Zentralbüro der ZNAV einberufenen besonderen Versammlung aller interessierten Unternehmer teilnehmen (Artikel 4). In der von einem Vertreter des Vereins geleiteten Versammlung soll eine Reihe von Zahlungsverpflichtungen festgelegt werden, die das Mitglied zu erfüllen hat, an das der Auftrag schließlich vergeben wird. Es handelt sich hierbei um

a)

Vergütungen in Höhe von bis zu 6 % des Preises der Bauleistung zur Dekkung der „Kosten und Tätigkeiten der Mitglieder, die mit ihrem Preisangebot verbunden sind“ (Artikel 11),

b)

einen Beitrag zur Deckung der Kosten des Vereins (Artikel 12 Absatz 1) und

c)

einen Beitrag für eine oder mehrere Bauunternehmerorganisationen (Artikel 12 Absatz 2).

Die Beschlüsse, mit denen die Höhe der Vergütungen festgesetzt wird, fallen in die von mir erwähnte zweite Kategorie der verbindlichen Beschlüsse, die einen konkreten Fall im Rahmen der Beziehungen zwischen den Vereinsmitgliedern regeln.

Aufgrund dieser Bestimmungen ist folglich der Unternehmer, der schließlich den Bauauftrag ausführt, ohne weiteres verpflichtet, an den Verein alle die in der vorbereitenden Versammlung festgesetzten Vergütungen und Beiträge zu zahlen. Dabei muß er die im Leitfaden vorgesehenen Fristen und Bedingungen einhalten, d. h. in der Regel die Zahlungen am Sitz des Vereins erbringen, sobald er mit den Bauarbeiten begonnen hat (Artikel 18 und 19 des Leitfadens).

3. 

Nachdem somit der Rahmen deutlich geworden ist, in dem sich die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Ereignisse zugetragen haben, möchte ich einen kurzen Überblick über den Sachverhalt geben.

Die Firma Martin Peters Bauunternehmung GmbH (im folgenden: Firma Peters) hat ihren Sitz in Aachen, Bundesrepublik Deutschland. Als sie bereits Mitglied der ZNAV war, erhielt sie den Zuschlag für den Bau „Büro-Industriegebäude Medtronic“ in Kerkrade; sie machte dem Verein davon jedoch keine Mitteilung und nahm auch nicht an der von dem Verein anberaumten und am 3. Mai 1977 ordnungsgemäß durchgeführten vorbereitenden Versammlung teil. In dieser Versammlung wurden die von dem Zuschlagsempfänger zu zahlenden Vergütungen und Beiträge beschlossen. Als sich später herausstellte, daß die Firma Peters mit den Bauarbeiten begonnen hatte, forderte die ZNAV bei ihr die hierfür festgesetzten Beträge an. Als die Firma Peters die Zahlung verweigerte, verklagte die ZNAV sie mit Zustellungsurkunde vom 12. Mai 1978 vor der Arrondissementsrechtbank Herzogenbusch mit dem Antrag, sie wegen der von ihr als Zuschlagsempfängerin geschuldeten Vergütungen und Beiträge kostenpflichtig zur Zahlung von 112725 hfl zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu verurteilen. Die deutsche Gesellschaft bestritt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts mit der Begründung, sie habe ihren Firmensitz in der Bundesrepublik Deutschland und könne deshalb nach Artikel 2 des Brüsseler Übereinkommens von der ZNAV nicht vor einem niederländischen Gericht verklagt werden.

Mit Urteil vom 2. März 1979 verwarf die Arrondissementsrechtbank Herzogenbusch die Einrede der Unzuständigkeit mit der Begründung, die streitige Verpflichtung sei vertraglicher Art und müsse am Sitz der ZNAV in den Niederlanden erfüllt werden. Die Arrondissementsrechtsbank stützte ihre Zuständigkeit auf Artikel 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, der bekanntlich für vertragliche Verpflichtungen die besondere Zuständigkeit des Gerichts des Ortes vorsieht, an dem die Verpflichtung „erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“. Dagegen legte die Firma Peters Berufung beim Gerechtshof Herzogenbusch ein, der jedoch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte. Mit der daraufhin eingelegten Kassationsbeschwerde bestritt die unterlegene Firma die Vertragsnatur ihrer Rechtsbeziehung zur ZNVA. Mit Urteil vom 15. Januar 1982 hat der Hoge Raad das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist Artikel 5 Nr. 1 des Übereinkommens auf Klagen eines privatrechtlichen rechtsfähigen Vereins gegen ein Mitglied aus Zahlungsansprüchen, die ihre Grundlage in dem zwischen den Parteien bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis haben, anwendbar, wenn dieses Verhältnis dadurch entstanden ist, daß die beklagte Partei durch entsprechendes Rechtsgeschäft diesem Verein als Mitglied beigetreten ist? Macht es dabei einen Unterschied, ob sich die betreffenden Ansprüche ohne weiteres aus diesem Beitritt oder aber aus diesem Beitritt in Verbindung mit einem oder mehreren Beschlüssen der Organe des Vereins ergeben?“

4. 

Als erstes muß die Bedeutung des Begriffs „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ geklärt werden. Wie wir wissen, gibt es zwei Möglichkeiten, die im Brüsseler Übereinkommen verwendeten Ausdrücke und Rechtsbegriffe aus dem Bereich des Zivil-, Handels- und Verfahrensrechts auszulegen: Man kann ihnen eine autonome und daher in allen Mitgliedstaaten einheitliche Bedeutung zuerkennen oder davon ausgehen, daß sie auf das Recht verweisen, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache zuerst befaßten Gerichts maßgebend ist. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt: „Keiner dieser beiden Möglichkeiten gebührt unter Ausschluß der anderen der Vorrang, da eine sachgerechte Entscheidung nur für jede Bestimmung des Übereinkommens gesondert getroffen werden kann; hierbei ist jedoch dessen volle Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt der Ziele des Artikels 220 des Vertrages sicherzustellen“ (Urteil vom 6. 10. 1976 in der Rechtssache 12/76, Tessili/Dunlop, a.a.O., Randnummer 11 der Entscheidungsgründe).

Ich möchte allerdings hinzufügen, daß der Gerichtshof den zweiten Weg nur in dem letztgenannten Urteil bestritten hat (in dem es im Hinblick auf vertragliche Verpflichtungen um die Auslegung des Begriffs „Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ ging), und zwar im Hinblick auf die „Unterschiede, die nach wie vor zwischen den einzelnen nationalen Rechten bei der Regelung von Verträgen bestehen, und in Ermangelung jeder Vereinheitlichung des anwendbaren materiellen Rechts beim gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung“ (a. a. O., Randnummer 14 der Entscheidungsgründe). In allen anderen das Brüsseler Übereinkommen betreffenden Vorabentscheidungssachen hat er auf die erste Auslegungsmethode zurückgegriffen, d. h. den in diesem Übereinkommen verwendeten rechtstechnischen Begriffen eine autonome und daher in allen Mitgliedstaaten einheitliche Bedeutung zuerkannt. In diesem Zusammenhang möchte ich nennen: die Urteile vom 14. Oktober 1976 in der Rechtssache 29/76 (LTU/Eurocontrol, Slg. S. 1541) und vom 16. Dezember 1980 in der Rechtssache 814/79 (Niederlande/Rüffer, Slg. S. 3807) betreffend den Ausdruck „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Artikel 1, das Urteil vom 30. November 1976 in der Rechtssache 21/76 (Bier/Mines de potasse d'Alsace, Slg. S. 1735) über den Begriff des „Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ im Sinne von Artikel 5 Nr. 3, das Urteil vom 21. Juni 1978 in der Rechtssache 150/77 (Bertrand/Ott, Slg. S. 1431) über den Begriff des „Kaufs beweglicher Sachen auf Teilzahlung“ im Sinne von Artikel 13 sowie die Urteile vom 22. November 1978 in der Rechtssache 33/78 (Somafer/Saar-Ferngas, Slg. S. 2183) und vom 18. März 1981 in der Rechtssache 139/80 (Blanckaert & Willems/Trost, Slg. S. 819) über die Auslegung der Wendung „Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung“ im Sinne von Artikel 5 Nr. 5.

Meines Erachtens muß der Ausdruck „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“, auf den sich die Fragen des niederländischen Gerichts beziehen, autonom ausgelegt werden. Zu diesem Ergebnis komme ich, indem ich zum einen die einschlägigen allgemeinen Grundsätze heranziehe, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme ergeben, und zum anderen auf die Ziele und die Systematik des Übereinkommens zurückgreife. Was den zweiten Gesichtspunkt anbelangt, so ist insbesondere zu berücksichtigen, daß durch das Übereinkommen eine möglichst weitgehende Gleichheit und Einheitlichkeit der sich aus ihm für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen ergebenden Rechte und Pflichten sichergestellt werden soll. Der Gerichtshof hat mehrfach die Bedeutung dieser Auslegungskriterien hervorgehoben. Ich verweise unter anderem auf die Urteile vom 22. Februar 1979 in der Rechtssache 133/78 (Gour-dain/Nadler, Slg. S. 733) und vom 16. Dezember 1980 in der Rechtssache 814/79 (Niederlande/Rüffer, a.a.O., insbesondere Randnummern 8 und 14 der Entscheidungsgründe).

5. 

Fast alle Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gehen davon aus, daß die Beziehungen zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern vertraglicher Art sind. Im belgischen, französischen, italienischen, dänischen, englischen und schottischen Recht gilt diese Einordnung sowohl für den Akt des Beitritts zum Verein als auch für die sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Verpflichtungen. So beruht z. B. nach der französischen Rechtslehre die Gründung eines Vereins auf dem Willen der Parteien, und in der französischen Rechtsprechung werden die Beziehungen zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern als „vertraglich“ angesehen. Das italienische Recht geht in die gleiche Richtung: Gemäß Artikel 1420 des Codice civile ist eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen (wie die Gründung eines Vereins) ein Vertrag im eigentlichen Sinne, auch wenn „die Leistungen, die jede (der Parteien) erbringt, auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks gerichtet sind“. In bezug auf die Verpflichtungen, die den Vereinsmitgliedern aus ihrer Vereinszugehörigkeit erwachsen, hat die italienische Corte di Cassazione entschieden, die das Mitgliedschaftsverhältnis begründende Rechtshandlung sei der typische Fall eines gegenseitigen Vertrages; daher könne sich der Verein nach Artikel 1453 des Codice civile (betreffend die Auflösung gegenseitiger Verträge wegen Nichterfüllung) an das Gericht wenden, um den Ausschluß von Mitgliedern zu erwirken, die den genannten Verpflichtungen nicht nachkämen (Urteil vom 2. März 1973, Nr. 579). Auch das englische Recht liegt auf dieser Linie, und zwar sowohl was den Akt der Vereinsgründung als auch was die Verpflichtungen der Vereinsmitglieder aufgrund ihrer Vereinszugehörigkeit betrifft; in diesem Zusammenhang möchte ich den Fall Lee v. Showmen's Guild of Great Britain ([1952] 2 Q.B., 329, 341 f.) nennen, in dem Lord Denning auf die Vertragsnatur der Rechtsbeziehungen zwischen Vereinsmitglied und Verein hinwies, um darzutun, daß die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht auf den Schutz von Eigentumsrechten beschränkt sei.

Was das deutsche Recht anbelangt, so stimmen Rechtsprechung und Lehre darin überein, daß der Beitritt zu einem Verein in Form eines Vertrages erfolgt. Dagegen gibt es hinsichtlich der nach dem Beitritt entstehenden Beziehungen Meinungsverschiedenheiten: Die Rechtsprechung scheint der Auffassung zuzuneigen, daß diese Beziehungen durch das vereinsinterne Recht geregelt werden („Normentheorie“), während das Schrifttum zum Teil die Vertragstheorie, zum Teil die Normentheorie vertritt. In den Niederlanden schließlich behandelt das neue Burgerlijk wetboek die Gründung eines Vereins als mehrseitiges Rechtsgeschäft sui generis; auch die sich aus der Vereinszugehörigkeit ergebenden Rechtsbeziehungen werden als solche sui generis (oder auf dem vereinsinternen, institutionellen Recht beruhend) angesehen.

Aus alledem ergibt sich, daß sämtliche nationalen Rechtsordnungen mit Ausnahme der niederländischen in dem Rechtsgeschäft der Vereinsgründung einen Vertrag im technischen Sinne sehen. Das gleiche scheint hinsichtlich der aufgrund des Beitritts zu einem Verein entstehenden Beziehungen zwischen Mitglied und Verein zu gelten: Abgesehen von der sogenannten Normen- oder institutionellen Theorie, die in das neue niederländische Burgerlijk wetboek Eingang gefunden hat und in der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland vertreten wird (während das deutsche Schrifttum, wie ich wiederholen möchte, insoweit geteilt ist), gehen alle übrigen Rechtssysteme davon aus, daß diese Beziehungen vertraglicher Natur sind. Der Vertreter der Kommission hat in seinen schriftlichen Erklärungen vom 26. März 1982 (insbesondere Nr. 6, S. 21) auf diese Rechtslage hingewiesen. Danach ist es nur ein kleiner Schritt zu der Feststellung, daß die vorherrschende Tendenz in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten dahin geht, sowohl die auf die Gründung eines Vereins gerichteten Handlungen als auch die Beziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern dem Vertragsrecht zu unterwerfen. Für das Ergebnis dieser Rechtssache ist das ein wichtiger Schritt, nämlich die Schlußfolgerung, daß Verpflichtungen, die unmittelbar oder mittelbar die Mitglieder eines Vereins binden, unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens fallen. Die Richtigkeit dieser Auslegung wird im übrigen durch die Ziele und die Systematik des Übereinkommens überzeugend bestätigt.

6. 

Die Artikel 5 und 6 des Übereinkommens zählen eine Reihe von Fällen auf, in denen eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden kann. In dem Jenard-Bericht (ABl. C 59 vom 5. 3. 1979, S. 1 ff., insbesondere S. 22) heißt es dazu: „Die in diesen Artikeln vorgesehenen Zuständig 1 keiten kommen zu denen des Artikels 2 hinzu“, d. h. sie ergänzen die Zuständigkeiten der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Beklagten ihren Wohnsitz haben. Die Einführung alternativer Gerichtsstände, die sich unmittelbar aus dem Übereinkommen ergeben (ohne daß auf die nach der lex fori geltenden innerstaatlichen Zuständigkeitsregeln zurückgegriffen werden muß), entspricht im wesentlichen einem Erfordernis der Berechenbarkeit oder, wenn dieser Begriff vorgezogen wird, der Rechtssicherheit. Auf diese Weise wollte man — so der Bericht (S. 22) — „die Durchführung des Übereinkommens erleichtern“, denn „wenn die Staaten das Übereinkommen ratifizieren, sind sie nicht genötigt, besondere Maßnahmen zur Angleichung ihres eigenen Rechts an die Kriterien der Artikel 5 und 6 zu treffen“. Es ist in der Tat klar, daß die autonome Auslegung der Wendung „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“, die zu einem einheitlichen, in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen geltenden Begriff führt, die gebotene Rechtssicherheit am besten garantiert.

Wie in demselben Bericht weiter ausgeführt wird, gibt es aber noch einen weiteren wichtigen Grund für die „Aufnahme ‚besonderer‘ Zuständigkeitsregeln“, nämlich die „enge Verbindung zwischen einem Rechtsstreit und dem für seine Entscheidung zuständigen Gericht“ (S. 22). Bei der Formulierung des Artikels 5 Nr. 1 (und der anderen Bestimmungen dieses sowie des folgenden Artikels) gingen die Verfasser des Übereinkommens nämlich davon aus, daß das Gericht des Ortes, „an welchem die klagebegründende Verpflichtung erfüllt worden oder zu erfüllen ist“, wegen seiner Sachnähe zu dem streitigen Rechtsverhältnis am ehesten in der Lage sei, darüber in bestmöglicher Kenntnis der Sachumstände zu entscheiden. Dieses Argument ist besonders überzeugend, wenn es sich — wie im vorliegenden Fall — um Verpflichtungen handelt, die am Sitz einer Organisation zu erfüllen sind: Es steht außer Zweifel, daß in derartigen Fällen das Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, besser als jedes andere die erforderlichen Auskünfte über die Gläubigerin (die Organisation) einholen und deshalb besser als jedes andere über die etwaigen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich dieser Verpflichtung entscheiden kann.

Diese Erwägungen stützen die sogenannte Vertragstheorie. Auf der anderen Seite sind keine Argumente denkbar oder von den Parteien vorgebracht worden, die dafür sprächen, die aus der Zugehörigkeit zu einem Verein resultierenden Verpflichtungen vom Geltungsbereich des Artikels 5 Nr. 1 auszunehmen. Die Gründe, die dazu geführt haben, für vertragliche Verpflichtungen im allgemeinen den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes vorzusehen, gelten vielmehr in gleicher Weise auch für Verpflichtungen, die sich aus der Vereinsmitgliedschaft ergeben. Im einen wie im anderen Fall geht es darum, einen alternativen Gerichtsstand mit der Zuständigkeit des Gerichts einzuführen, das dem streitigen Rechtsverhältnis am nächsten ist.

Diesen Gedankengang möchte ich noch um eine letzte Bemerkung ergänzen. Ich habe bereits daran erinnert, daß das Übereinkommen nach Auffassung des Gerichtshofes eine möglichst weitgehende Gleichheit und Einheitlichkeit der Rechtspositionen sicherstellen soll, die sich aus ihm für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen ergeben. Dieses Ziel wird am ehesten erreicht, wenn man dem Ausdruck „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ eine autonome Bedeutung zuerkennt. Es ist offensichtlich, daß bei einer Auslegung dieses Begriffs anhand der von Fall zu Fall anwendbaren lex causae die Geltung des besonderen Gerichtsstands gemäß Artikel 5 Nr. 1 jeweils davon abhängen wird, was die verschiedenen Rechtsordnungen unter vertraglicher Verpflichtung verstehen. Wird dieser Begriff dagegen, wie ich es vorschlage, autonom ausgelegt, so bildet er ein für alle Mitgliedstaaten einheitliches Kriterium.

7. 

Sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung wurde auf den Zusammenhang zwischen dem Brüsseler Übereinkommen und dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 266 vom 9. 10. 1980, S. 1) hingewiesen. Das letztgenannte Übereinkommen (das allerdings noch nicht in Kraft getreten ist) ist nach seinem Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe e nicht anzuwenden auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z. B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person“. Von Seiten der Firma Peters wird unter Berufung auf diese Bestimmung geltend gemacht, die einem Vereinsmitglied aufgrund seiner Mitgliedschaft entstehenden Verpflichtungen hätte keine vertragliche Grundlage; ihre nichtvertragliche Natur werde gerade durch ihren Ausschluß vom Geltungsbereich des Übereinkommens bestätigt, welches das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht bestimme. Dagegen leiten die Kommission und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland aus eben diesem Ausschluß die Vertragsnatur der streitigen Verpflichtungen her: Daß man es für notwendig erachtet habe, diesen Ausschluß vorzusehen, sei ein Beweis dafür, daß die Befürchtung bestanden habe, mangels einer ausdrücklichen Regelung würden diese Verbindlichkeiten wegen ihrer Vertragsnatur in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen.

Ich glaube nicht, daß derartige Argumente für sich allein stark genug sind, unser Problem in dem einen oder anderen Sinn zu lösen. Unter Berücksichtigung der Überlegungen, die ich zu den Zielen des Übereinkommens von 1968 und insbesondere des Artikels 5 Nr. 1 vorgetragen habe, dürfte der aus dem Übereinkommen von Rom hergeleitete Gegenschluß aber zumindest die von mir vertretene Auffassung bestätigen.

8. 

Der Hoge Raad möchte nicht nur wissen, ob die von dem Verein auf die Vereinszugehörigkeit seiner Mitglieder gestützten Klageansprüche in den Anwendungsbereich des Artikels 5 Nr. 1 fallen, sondern fragt weiterhin, ob „es dabei einen Unterschied [macht], ob sich die betreffenden Ansprüche ohne weiteres aus diesem Beitritt oder aber aus diesem Beitritt in Verbindung mit einem oder mehreren Beschlüssen der Organe des Vereins ergeben“. Nach meinem Dafürhalten muß diese zweite Frage verneint werden. Auch Verpflichtungen, die auf dem Beschluß eines Vereinsorgans beruhen, gehen auf die Vereinbarung zurück, durch welche die Vereinsmitgliedschaft begründet wird; denn durch diese Vereinbarung bringen die Vertragsparteien den Willen zum Ausdruck, die vereinsinternen Regelungen anzuerkennen und sich somit auch den Beschlüssen der Vereinsorgane zu unterwerfen. Mit anderen Worten: Auch die Verbindlichkeit solcher Beschlüsse beruht letztlich — wie die Bindungswirkung des Vereinsbeitritts — auf dem vertraglichen Willen der Parteien.

Unter diesen Umständen halte ich es — unter dem Gesichtspunkt der theoretischen Konstruktion — nicht für schwierig, die Beschlüsse der Vereinsorgane auf eine vertragliche Grundlage zurückzuführen. Im übrigen haben wir bereits gesehen, daß dies genau die vorherrschende Tendenz in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist.

9. 

Aus all diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen, die der Hoge Raad der Niederlande durch Urteil vom 15. Januar 1982 in dem von der Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging mit Klageschrift vom 12. Mai 1978 gegen die Firma Peters anhängig gemachten Verfahren zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, wie folgt zu beantworten:

1.

Der Ausdruck „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Artikel 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, daß darunter die Beziehungen zwischen einem rechtsfähigen Verein und dessen Mitgliedern fallen, wenn diese Beziehungen ihre Grundlage in dem Beitritt zum Verein haben und die Verpflichtung umfassen, dem Verein einen Geldbetrag zu zahlen oder eine andere Leistung zu erbringen.

2.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich diese Verpflichtungen unmittelbar aus dem Vereinsbeitritt oder aus diesem in Verbindung mit anschließend ergangenen Beschlüssen der Vereinsorgane ergeben.


( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.

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