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Document 61981CC0059

Schlussanträge des Generalanwalts VerLoren van Themaat vom 29. Juni 1982.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Jährliche Angleichung der Beamtenbezüge.
Rechtssache 59/81.

Sammlung der Rechtsprechung 1982 -03329

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1982:240

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PIETER VERLOREN VAN THEMAAT

VOM 29. JUNI 1982 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Einleitung

Die heute von mir zu behandelnde Rechtssache betrifft den dritten Rechtsstreit zwischen der Kommission und dem Rat, der sich auf die in Artikel 65 des Statuts vorgesehene Möglichkeit der jährlichen Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften bezieht und über den eine Entscheidung des Gerichtshofes beantragt wird. Die beiden früheren Rechtsstreitigkeiten führten zu den Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen 81/72 (Slg. 1973, 575) und 70/74 (Slg. 1975, 795). Im erstgenannten Urteil wurde — kurz zusammengefaßt — folgender wichtiger Grundsatz aufgestellt: Wenn der Rat im Rahmen seiner Befugnisse aus Artikel 65 des Statuts sich für einen bestimmten Zeitraum an bestimmte allgemeine Kriterien für die jährliche Angleichung bindet, folgt aus dem Rechtssatz, daß das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen ist, daß der Rat derartige Verpflichtungen einzuhalten hat (Randnummern 8, 9 und 10).

Im damaligen Fall ging es um einen Beschluß vom 21. März 1972, durch den sich der Rat für drei Jahre gebunden hatte. In der vorliegenden Rechtssache ist das am 29. Juni 1976 vom Rat beschlossene Angleichungsverfahren anwendbar. Nach Wortlaut und Zweck des seinerzeit vom Gerichtshof aufgestellten allgemeinen Grundsatzes ist dieses Verfahren jedoch auch bei der Beurteilung der nunmehr vom Rat erlassenen Verordnungen als anwendbar anzusehen.

Von Belang ist dabei insbesondere das in der schriftlichen Niederlegung des neuen Verfahrens ganz an den Anfang gestellte Grundprinzip, daß das System der Angleichung der Bezüge sich in den Rahmen einer Politik einfügt, mit der mittelfristig eine Entwicklung der Gehälter der europäischen Beamten gewährleistet werden soll, die der durchschnittlichen Gehaltsentwicklung bei den verschiedenen Gruppen von nationalen Beamten parallel läuft.

Durch die angefochtenen Verordnungen des Rates, Nr. 187/81 (ABl. L 21, 1981, S. 18) und Nr. 397/81 (ABl. L 46, 1981, S. 1), soll jedoch mehr oder weniger stark nach unten von der im Bezugszeitraum festgestellten durchschnittlichen Entwicklung der Gehälter der verschiedenen Gruppen von nationalen Beamten abgewichen werden. Für die Beamten mit den niedrigsten Bezügen ist diese Abweichung relativ gering. In Anwendung eines Systems, das in den Niederlanden üblicherweise als System von „centen in plaats van procenten“ („Cents statt Prozenten“) bezeichnet wird, wurden alle anderen Gehälter um einen gleichen Nettobetrag von 1107 BFR pro Monat erhöht. Dies führte für alle höher besoldeten Beamten zu einer viel niedrigeren prozentualen Gehaltsaufbesserung. Die zugestandene durchschnittliche Gesamterhöhung betrug 1,5 % gegenüber einem bei den nationalen Beamten im Bezugszeitraum festgestellten Anstieg von 3,3 %. Die in den genannten Verordnungen niedergelegte Besoldungspolitik führte somit zu einer deutlichen Rich-Eungsänderung in der seit 1966 verfolgten Gehaltspolitik, die zum einen auf die Erhaltung der Kaufkraft und zum anderen auf reale Einkommenssteigerungen parallel zu denen der nationalen Beamten ausgerichtet gewesen war. Keines dieser Ziele wurde mit den angefochtenen Verordnungen beachtet. Wegen der näheren Einzelheiten des hiermit sehr kurz zusammengefaßten Hintergrunds des Rechtsstreits verweise ich auf den Sitzungsbericht.

Der Beurteilung dieses Rechtsstreits möchte ich die Bemerkung voranstellen, daß veränderte wirtschaftliche Gegebenheiten auch nach meinem Dafürhalten in der Tat zur Änderung einer Tendenz der ständigen Steigerung der Realeinkommen und sogar zu einer Verminderung der Kaufkraft zwingen können. Die gegenwärtige Entwicklung in vielen Mitgliedstaaten bestätigt, daß eine solche Notwendigkeit bestehen kann. Eine solche Kursänderung muß dann aber die im Statut und im Beschluß des Rates vom 29. Juni 1976 niedergelegten Garantien für das Personal der Gemeinschaften berücksichtigen, um nicht in Widerspruch zu dem im angeführten Urteil des Gerichtshofes von 1974 ausgesprochenen Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens der betroffenen Bediensteten zu geraten.

Nach Ansicht der Kommission sind die genannten Garantien durch die angefochtene Verordnung in verschiedener Hinsicht verletzt worden. Um die meines Erachtens entscheidenden Gesichtspunkte deutlich hervortreten zu lassen, werde ich die insoweit vorgebrachten Klagegründe mehr oder weniger stark umgruppieren. Wegen des Vorbringens von Kommission und Rät zu diesen Klagegründen verweise ich der Kürze halber auf den Sitzungsbericht.

2. Erster Klagegrund

Mit ihrem ersten Klagegrund rügt die Kommission, daß dadurch gegen Artikel 65 Absatz 1 des Statuts verstoßen worden sei, daß der Rat die Verordnung Nr. 187/81 und als Folge davon verschiedene Bestimmungen der Verordnung Nr. 397/81 auf die „insbesondere auf die Erhöhung der Energiekosten zurückzuführende Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage in der Gemeinschaft während des Bezugszeitraums“ gestützt habe, während er nach Artikel 65 Absatz 1 des Statuts verpflichtet gewesen wäre, die Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge nicht im Rahmen der „Wirtschaftslage“, sondern im Rahmen der „Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gemeinschaften“ zu prüfen.

Meines Erachtens ist dieser erste Klagegrund stichhaltig und für sich genommen ausreichend, um auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnungen zu erkennen. Abgesehen von den zahlreichen anderen gewichtigen Argumenten, die die Kommission zur Begründung dieser Rüge vorgebracht hat, möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem darauf hinweisen, daß meines Erachtens die Statutsvorschrift, nach der sich die Angleichungspolitik des Rates „im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gemeinschaften“ zu bewegen hat, in einer Krise, wie sie zur Zeit besteht, tatsächlich die stärkste im Statut niedergelegte Garantie für eine ausgewogene Politik auf diesem Gebiet darstellt. Gerade in einer Krisenlage, die zu Kursänderungen zwingt, bietet sie die Gewähr dafür, daß die Lasten dieser Kursänderungen nicht einseitig oder in unverhältnismäßiger Weise den Bediensteten der Gemeinschaften auferlegt werden. Die Kommission hat daher meines Erachtens auch zu Recht darauf hingewiesen, daß Wortlaut und Zweck der genannten Vorschrift des Statuts einer Gleichsetzung der „Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gemeinschaften“ und der „Wirtschaftslage in der Gemeinschaft“ entgegenstehen. Andernfalls würde die genannte Verpflichtung aus dem Statut als Garantie für die Beamten völlig ausgehöhlt. Sowohl der Wortlaut als auch der Zweck der Verpflichtung zwingen dazu, diese so auszulegen, daß namentlich das Opfer einer Senkung der Realeinkommen zumindest mit einer Richtlinie oder jedenfalls mit einer ausdrücklichen und sich auch als wirksam darstellenden Empfehlung für die Mitgliedstaaten im Rahmen von Artikel 103 EWG-Vertrag, eine gleichartige Politik zu verfolgen, einhergehen muß. Aus den Akten ergibt sich mit hinreichender Klarheit, daß von einer solchen Richtlinie oder Empfehlung keine Rede sein konnte. Ich verweise insoweit auf die Anlage 1 zur Klagebeantwortung des Rates und auf die ergänzenden Ausführungen, die der Vertreter des Rates in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage von mir gemacht hat. Die Versuche des Rates, die Verordnungen selbst als eine solche Empfehlung an die Mitgliedstaaten darzustellen (indem ein Vorbild gegeben worden sei), sind unter anderem aufgrund des Wortlauts und des Zwecks von Artikel 65 des Statuts zurückzuweisen. Wegen der geringen Gehaltssumme der Gemeinschaften sind sie im übrigen aber auch als unglaubhaft anzusehen. Es widerspräche jeder Erfahrung, daß durch ein solches Minivorbild in der nationalen Einkommenspolitik etwas bewegt werden könnte. Selbst an der Möglichkeit, mit Hilfe des weitaus größeren Volumens der nationalen Beamtengehälter den Trend der Einkommenspolitik zu bestimmen, bestehen bekanntlich große Zweifel.

3. Zweiter, dritter, vierter und fünfter Klagegrund

Mit ihrem zweiten Klagegrund rügt die Kommission einen „Verstoß gegen Artikel 65 Absatz 1 des Statuts dadurch, daß die angefochtenen Verordnungen mit Wirkung vom 1. Juli 1980 zu einer Verringerung der Kaufkraft der europäischen Beamten führen und damit der während des Bezugszeitraums Juli 1979/Juni 1980 im öffentlichen Dienst der Mitgliedstaaten verfolgten Besoldungspolitik widersprechen, obwohl die genannte Bestimmung des Statuts den Rat verpflichtet, etwaige Erhöhungen der Gehälter im öffentlichen Dienst zu berücksichtigen“.

Es erscheint mir mit Rücksicht auf das angeführte Urteil des Gerichtshofes von 1973 angebracht, diesen Klagegrund im Zusammenhang mit den drei folgenden Klagegründen zu behandeln. Diese Klagegründe, wegen deren vollständigem Wortlaut ich auf den Sitzungsbericht verweise, dienen nämlich eindeutig zur Untermauerung des zweiten Klagegrundes. Mit dem dritten Klagegrund wird dabei eine angeblich zu Gewohnheitsrecht gewordene Praxis geltend gemacht, bei den Angleichungen der Bezüge die Kaufkraft zu erhalten und später auch diese Kaufkraft der steigenden nationalen Kaufkraft, insbesondere der nationalen Beamten, anzupassen. Ich halte diesen Klagegrund als solchen bereits deshalb für wenig überzeugend, weil eine Wirtschaftskrise, wie bereits gesagt, im Rahmen einer umfassenden Kursänderung der Gemeinschaftspolitik durchaus eine Verminderung der Kaufkraft rechtfertigen könnte. Das Vorbringen der Kommission in diesem Zusammenhang erscheint mir nur insoweit von Belang, als es sich auch auf das 1976 vom Rat beschlossene Angleichungsverfahren bezieht. Wegen des schon mehrfach angeführten Urteils des Gerichtshofes von 1973 ist dann aber der vierte Klagegrund überzeugender, weil er direkt anknüpft an den damals vom Gerichtshof aufgestellten Grundsatz des Schutzes des durch einen Ratsbeschluß bei den Betroffenen geweckten und damit berechtigten Vertrauens, im vorliegenden Fall des Vertrauens auf Wahrung des im genannten Ratsbeschluß von 1976 niedergelegten Grundsatzes der Parallelität der gemeinschaftlichen und der nationalen Entwicklung der Beamtengehälter. Der fünfte Klagegrund ist ebenfalls auf die Feststellung eines Verstoßes gegen das Verfahren vom Juni 1976 und einer Verletzung des dadurch geweckten Vertrauens gerichtet, dies aber nunmehr mit der Begründung, daß die Anwendung der ersten drei — auf dem Grundsatz der parallelen Kaufkraftentwicklung beruhenden — Kriterien durch Berufung auf das vierte Kriterium unter irrigen rechtlichen Voraussetzungen („dans des conditions erronées en droit“) ausgeschlossen worden sei. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, daß das vierte Kriterium des Verfahrens von 1976 sich auf allgemeine wirtschaftliche und soziale makroökonomische Indikatoren der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten bezieht, wie das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen und die gesamte Lohn- oder Gehaltssumme je Lohn- oder Gehaltsempfänger in der gesamten Wirtschaft. Was dieses spezifische Kriterium angeht, bin ich zunächst mit der Kommission der Ansicht, daß es mit Rücksicht auf die Verpflichtung aus dem Statut auszulegen ist, die Angleichungspolitik im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik der „Gemeinschaften“ festzulegen: Nur im Rahmen einer insoweit unter Umständen für erforderlich angesehenen umfassenderen Kursänderung der Gemeinschaftspolitik können auch im vierten Kriterium nicht ausdrücklich genannte Indikatoren nützliche Hinweise für die gegenüber den Gemeinschaftsbeamten zu verfolgende Besoldungspolitik geben, die die Wirkung der Anwendung der anderen Kriterien des Verfahrens von 1976. teilweise aufheben können. Ich spreche hier von einer partiellen Aufhebung, da ich ebenfalls mit der Kommission der Ansicht bin, daß dieses Kriterium wie die anderen Kriterien des Verfahrens von 1976 — jedenfalls, solange die Politik nicht in umfassenderem Umfang entsprechend geändert wird — mit Blick auf das genannte Grundprinzip dieses Verfahrens auszulegen ist, daß mittelfristig eine Parallelentwicklung der Gehälter der europäischen Beamten und der nationalen Beamten gewährleistet werden soll, wodurch der Rat den letzten Satz von Artikel 65 Absatz 1 des Statuts in für ihn bindender Weise näher ausgelegt hat. Es erweist sich somit, daß auch dieser fünfte Klagegrund letztlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zweiten Klagegrund steht.

Wenn ich nunmehr die vier genannten Klagegründe im Zusammenhang behandele, so muß ich zunächst das vom Rat aus dem Wortlaut von Artikel 65 hergeleitete Argument zurückweisen, daß der Rat die nationale Gehaltsentwicklung nur zu „berücksichtigen“ habe, ihr aber keine entscheidende Bedeutung beizumessen brauche. Durch das genannte Grundprinzip des Verfahrens von 1976 wird die betreffende Verpflichtung aus dem Statut nämlich als Gewährleistung einer mittelfristig parallelen Entwicklung ausgelegt.

Der Rat hat an sich gewiß recht, wenn er in seiner Gegenerwiderung vorträgt, dieser Grundsatz der Parallelentwicklung im Verfahren von 1976 bedeute keine automatische Indexierung. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der Rat den verschiedenen spezifischen Kriterien des Verfahrens auch bei sorgfältiger Abwägung verschiedenes Gewicht beilegen kann. Zutreffend weist er in diesem Zusammenhang auch auf die Unterschiede zum Verfahren von 1972 hin. Schwerer wiegt jedoch die Feststellung, daß sich eine Auslegung aller Einzelkriterien des Verfahrens von 1976, die zu einem Ergebnis führen würde, das der nationalen Entwicklung der Beamtengehälter in dem gemäß diesem Verfahren ausschlaggebenden Bezugszeitraum entgegengesetzt wäre, schwerlich mit dem Grundprinzip des Verfahrens vereinbaren ließe.

Der Rat meint aber, daß dies durchaus möglich sei, da dieses Grundprinzip die Parallelentwicklung nur mittelfristig gewährleiste. Dies schließe eine jährliche Konkretisierung aus und ermögliche es, alle fünf Jahre einmal die Parallelentwicklung zu verwirklichen. Da es im vorliegenden Fall um die letzte Angleichung nach dem Verfahren von 1976 ging, würde eine solche Auslegung zunächst einmal dem Verfahren jeden die Rechte der Betroffenen schützenden Charakter nehmen. Das Verfahren — mit seinem genannten Grundprinzip — ist bekanntlich inzwischen bereits durch ein anderes Angleichungsverfahren ersetzt worden. Ebenso bedeutsam ist es jedoch, daß sich aus den ersten drei spezifischen Kriterien des Verfahrens evident ergibt, daß das Verfahren jeweils entsprechend den nationalen Entwicklungen in der Vergangenheit anzuwenden ist. Mittelfristige Entwicklungen können somit zum einen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes und zum anderen wegen der eindeutigen Systematik des Verfahrens ausschließlich insoweit berücksichtigt werden, als sie sich auf die Vergangenheit beziehen. So könnte z. B. dem Umstand Rechnung getragen werden, daß sich die Anhebung der Gehälter der Bediensteten der Gemeinschaften in den vergangenen fünf Jahren verglichen mit der Gehaltsentwicklung der nationalen Beamten eventuell nachträglich als zu hoch erweist. Aus den auf Seite 9 des Sitzungsberichts angegebenen Daten könnte sich ergeben, daß im Zeitraum 1975 bis 1979 tatsächlich zugunsten der Gemeinschaftsbediensteten eine solche Abweichung von 0,4 % aufgetreten ist; diese Abweichung hätte der Rat bei der Entscheidung über die Angleichung für das Jahr 1980 in der Tat korrigieren können.

Es bleibt nunmehr nur noch zu prüfen, inwiefern die Anwendung des bereits angeführten vierten Kriteriums des Verfahrens von 1976 zu einem anderen Ergebnis führen könnte. In diesem Zusammenhang sind vor allem die dritte bis fünfte Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung Nr. 187/81 von Bedeutung. Sie lauten:

„In die Berücksichtigung der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Realeinkommen der Beamten in den Mitgliedstaaten sind die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Faktoren einzubeziehen. Dabei ist der insbesondere auf die Erhöhung der Energiekosten zurückzuführenden Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage in der Gemeinschaft während des Bezugszeitraums Rechnung zu tragen. In dieser Situation ist jedoch den Beamten und Bediensteten mit den niedrigsten Dienstbezügen Rechnung zu tragen, deren Kaufkraft gewahrt bleiben muß.

Diesen Bediensteten ist deshalb die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung zu gewähren, während den übrigen Beamten und Bediensteten ein in absolutem Wert gleicher Betrag gewährt wird.

Der dem Rat vorliegende Vorschlag betrifft auch verschiedene Vergütungen und Zulagen, die Höhe der erworbenen Ruhegehaltsansprüche, die Anpassung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienstorte sowie die Berichtigungskoeffizienten für die Dienstbezüge der unter Artikel 2 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 160/80 fallenden Personen. Diese Faktoren sind entsprechend anzupassen.“

Auch hier ist vorab festzustellen, daß das vierte Kriterium des Verfahrens von 1976 sich ebenfalls eindeutig auf die Entwicklung der betreffenden makroökonomischen Indikatoren im jeweiligen Bezugszeitraum bezieht. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission noch einmal darauf hingewiesen, daß laut der Anlage 3 zur Erwiderung auch diese Indikatoren positiv waren und daher bereits aus diesem Grund keine Verringerung der Kaufkraft der Gemeinschaftsbediensteten rechtfertigen konnten, zumal auch die ersten drei Kriterien eine postive Entwicklung aufwiesen. Dem hat der Rat entgegengehalten, daß er nicht verpflichtet sei, ausschließlich die im vierten Kriterium ausdrücklich genannten Indikatoren zu berücksichtigen, sondern auch andere makroökonomische Daten in seine Erwägungen einbeziehen könne. Grundsätzlich stimme ich dem zu; aber ich habe bereits vorhin darauf hingewiesen, daß dies wegen Artikel 65 Absatz 1 Satz 3 des Statuts allenfalls dann als zulässig angesehen werden kann, wenn die daraus gezogenen Folgerungen für eine Kursänderung sich in eine umfassendere Kursänderung der Gemeinschaftspolitik, die insbesondere auf Artikel 103 EWG-Vertrag beruht, einfügen. Diese umfassendere Änderung des politischen Kurses muß dann unter anderem Richtlinien oder jedenfalls eindeutige Empfehlungen für die Mitgliedstaaten einschließen, eine gleichartige auf die Verringerung der Kaufkraft der Beamten gerichtete Politik zu verfolgen. Zumindest solange von einer solchen umfassenderen Politik der Krisenbekämpfung nicht die Rede sein kann, gebührt dem im Verfahren von 1976 niedergelegten Grundsatz der Parallelentwicklung der Vorrang. Dies gilt hier vor allem auch deshalb, weil keines der in dem Verfahren ausdrücklich genannten Kriterien eine Kursänderung in der Besoldungspolitik der Gemeinschaften, wie sie hier vorgenommen worden ist, rechtfertigen kann.

Zusammenfassend bin ich der Ansicht, daß insbesondere der zweite, vierte und fünfte Klagegrund der Kommission in ihrem Zusammenhang betrachtet ebenfalls stichhaltig sind und daß die angefochtenen Ratsverordnungen auch aus diesem Grund für nichtig erklärt werden müssen.

4. Sechster und siebter Klagegrund

Auf den sechsten Klagegrund brauche ich nach meinen bisherigen Ausführungen nicht mehr einzugehen, da dieser Klagegrund nur hilfsweise vorgebracht worden ist. Zu den vor allem in diesem Zusammenhang geltend gemachten Anforderungen an die Begründung möchte ich lediglich bemerken, daß meines Erachtens dem Rat ganz allgemein vorzuwerfen ist, daß er die in den angefochtenen Ratsverordnungen vollzogene eindeutige Änderung des Kurses der bis dahin verfolgten Angleichungspolitik viel zu pauschal begründet hat. Die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 187/81 vermögen nicht die für das Vertrauen der Bediensteten erforderliche Überzeugung zu begründen, daß bei dieser Kursänderung alle erheblichen Kriterien sorgfältig und gleichmäßig gegeneinander abgewogen wurden.

Mit dem siebten Klagegrund wird, wie Sie wissen, ein Verstoß gegen Artikel 65 Absatz 2 des Statuts und die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Beamten und der darauf beruhenden Verpflichtung gerügt, durch die Besoldung eine gleichwertige Kaufkraft an allen Dienstorten zu gewährleisten. Dieser Verstoß liegt angeblich darin, daß die Dienst- und Versorgungsbezüge einheitlich mit Wirkung vom 1. Juli 1980 erhöht worden seien, ohne daß die Berichtigungkoeffizienten für die Dienstorte außerhalb Belgiens und Luxemburgs mit hoher Inflation entsprechend dem Vorschlag der Kommission zum 1. April 1980 angepaßt worden seien.

Ich halte auch diesen Klagegrund für stichhaltig und bin der Ansicht, daß es zu dieser Frage einer ausdrücklichen rechtlichen Stellungnahme im Urteil bedarf, der der Rat dann bei der Neufassung der Verordnungen in diesem Punkt Rechnung tragen kann.

Aus Artikel 65 Absatz 2 des Statuts kann zwar meines Erachtens keine Verpflichtung abgeleitet werden, diesen Artikel vierteljährlich anzuwenden. Wohl aber muß man bei vernünftiger Auslegung dieser Vorschrift zu dem Schluß gelangen, daß der Rat binnen zwei Monaten entscheiden muß, sobald ihm die Kommission aufgrund einer festgestellten erheblichen Änderung der Lebenshaltungskosten einen Vorschlag über die Angleichung der Berichtigungskoeffizienten unterbreitet hat. Immer wenn der Rat vernünftigerweise nicht bestreiten kann, daß eine solche erhebliche Änderung der Lebenshaltungskosten eingetreten ist, muß seine Entscheidung positiv ausfallen und gegebenenfalls auf den Zeitpunkt dieser festgestellten erheblichen Änderung zurückwirken. Laut der nochmaligen Zusammenfassung im Sitzungsbericht betrug die jährliche Inflationsrate an den betroffenen Dienstorten außerhalb Belgiens und Luxemburgs zwischen 20 und 89 %. Vernünftigerweise kann nicht bestritten werden, daß bei solchen Inflationsraten — die erheblich über denen von Belgien und Luxemburg lagen — von einer erheblichen Änderung der Lebenshaltungskosten an den betreffenden Dienstorten gesprochen werden muß und daß es im vorliegenden Fall sowohl gegen Artikel 65 Absatz 2 des Statuts als auch gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Beamten der Gemeinschaft unabhängig von ihrem Dienstort verstieß, daß die Berichtigungskoeffizienten nicht im Zusammenhang damit zum 1. April 1980 angeglichen wurden.

5. Zusammenfassung und Anträge

Meine Auffassung läßt sich dahin gehend zusammenfassen, daß der erste, zweite, vierte, fünfte und siebente Klagegrund in ihrem Zusammenhang beurteilt stichhaltig sind. Insbesondere könnte nach Artikel 65 Absatz 1 des Statuts allenfalls eine umfassendere Kursänderung in der Gemeinschaftspolitik im Rahmen von Artikel 103 EWG-Vertrag eine Abweichung vom Grundsatz der Parallelentwicklung der nationalen und der gemeinschaftlichen Politik der Beamtenbesoldung rechtfertigen, zu dessen Beachtung sich der Rat durch seinen Beschluß vom 29. Juni 1976 über das Angleichungsverfahren verpflichtete, womit er den letzten Satz von Artikel 65 des Statuts in bestimmter Weise ausgestaltete ( 2 ). Das vierte Kriterium des genannten Verfahrensbeschlusses vermag wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts des vorletzten Satzes von Artikel 65 Absatz 1 des Statuts eine Abweichung von diesem Grundsatz der Parallelentwicklung allenfalls im Rahmen einer im dargelegten Sinne umfassenderen Änderung des politischen Kurses zu rechtfertigen ( 2 ). Die Weigerung des Rates, die Berichtigungskoeffizienten für Dienstorte außerhalb Belgiens und Luxemburgs zum 1. April 1980 in Kraft treten zu lassen, steht wegen der dort gegebenen erheblichen Änderung der Lebenshaltungskosten im Widerspruch zu Artikel 65 Absatz 2 des Statuts und verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bediensteten der Gemeinschaft unabhängig von ihrem Dienstort.

Laut der Antwort von Kommission und Rat vom 27. Mai 1982 auf die zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung gestellte Frage des Gerichtshofes nach den Kosten einer vollständigen Anpassung der Verordnungen an die Vorschläge der Kommission hätten diese Kosten für das zweite Halbjahr 1980 6850940,27 ERE betragen. Hierzu möchte ich lediglich bemerken, daß sich aus der Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnungen meines Erachtens zwar die allgemeine Tendenz der dadurch erforderlich gewordenen Angleichungen der Dienst- und Versorgungsbezüge ergibt, nicht aber notwendigerweise deren genaue Höhe. Wie bereits ausgeführt, kann hier divergierenden Ergebnissen der verschiedenen im Verfahren von 1976 vorgesehenen spezifischen Kriterien Rechnung getragen werden.

Selbstverständlich gehört es zu einer sorgfältigen Abwägung, daß die Höherbewertung eines bestimmten Kriteriums auch begründet werden muß. In der mündlichen Verhandlung hat auch der Vertreter der Kommission in Beantwortung einer Frage aus Ihren Reihen eingeräumt, daß der Parallelitätsgrundsatz nicht notwendigerweise bedeutet, daß sich die nationale und die gemeinschaftliche Politik der Beamtenbesoldung völlig parallel entwickeln müssen. Nur die Steigerungstendenz der Gehaltspolitik der nationalen Behörden im Bezugszeitraum müsse in jedem Fall beachtet werden. Über die Art und das Ausmaß der Abweichungen hat in der mündlichen Verhandlung auch ein Sachverständiger des Statistischen Amtes der Gemeinschaften weitere erhellende Ausführungen gemacht, auf die ich gerne verweise.

Abschließend schlage ich aufgrund meiner bisherigen Feststellungen vor,

1.

die Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 187/81 des Rates vom 20. Januar 1981 (ABl. L 21, S. 18, ersetzt durch den im Amtsblatt L 130 vom 16. 5. 1981, S. 26, veröffentlichten Text) für nichtig zu erklären,

2.

die Artikel 1 Buchstabe a, 2 Buchstaben a und b und 11 Absatz 1 der ergänzenden Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 397/81 des Rates vom 10. Februar 1981 (ABl. L 46, S. 1, ersetzt durch den im Amtsblatt L 130 vom 16. 5. 1981, S. 29, veröffentlichten Text) für nichtig zu erklären,

3.

gemäß dem Antrag der Kommission und dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 81/72 anzuordnen, daß die erstgenannte Verordnung sowie die genannten Vorschriften der zweiten Verordnung weiterhin ihre Wirkungen erzeugen, bis die gemäß dem Urteil des Gerichtshofes zu erlassenden Verordnungen ergehen,

4.

jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen, nachdem keine Partei die Anwendung von Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung beantragt hat.


( 1 ) Aus dem Niederländischen übersetzt.

( 2 ) Die Frage, ob der genannte Grundsatz aufgrund des Grundsatzes des Vertrauensschutzes socar im Rahmen einer umfassenderen Änderung des politischen Kurses zu beachten wäre, braucht im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich beantwortet zu werden, da von einer solchen umfassenderen Kursänderung in der Gcmeinschaftspolitik, wie gesagt, nicht die Rede sein kann.

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