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Document 61980CC0279

Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 21. Oktober 1981.
Strafverfahren gegen Alfred John Webb.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande.
Freier Dienstleistungsverkehr - Überlassung von Arbeitnehmern.
Rechtssache 279/80.

Sammlung der Rechtsprechung 1981 -03305

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1981:239

SCHLUßANTRÄGE DES GENCRALANWALTS

SIR GORDON SLYNN

VOM 21. OKTOBER 1981 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Herr Alfred John Webb wohnt im Vereinigten Königreich und ist Leiter eines englischen Unternehmens, der International Engineering Services Bureau (UK) Limited. Im Februar 1978 stellte das Unternehmen Firmen in den Niederlanden geschäftsmäßig für bestimmte Zeiträume technisches Personal zur Verfügung. Die so zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte blieben Arbeitnehmer des englischen Unternehmens, das von den Firmen, für die seine Arbeitskräfte arbeiteten, eine Vergütung erhielt. Die International Engineering Services Bureau (UK) Limited besaß für den fraglichen Zeitraum eine Genehmigung, die im Vereinigten Königreich nach dem Employment Agencies Act 1973 (Gesetz über Arbeitsvermittlungsbüros) erteilt worden war. Weder das Unternehmen noch Herr Webb war Inhaber einer niederländischen Genehmigung.

In den Niederlanden galt die „Wet op het ter beschikking stellen van arbeidskrachten“, d. h. das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, vom 31. Juli 1965 (Stb. 379, in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1967, Stb. 377). Artikel 1 dieses Gesetzes definiert die Arbeitnehmerüberlassung als „entgeltliche Überlassung von Arbeitnehmern an einen anderen, damit sie in dessen Unternehmen, ohne daß dies aufgrund eines mit ihm geschlossenen Arbeitsvertrags geschieht, dort übliche Arbeiten verrichten“. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a sieht die Schaffung eines Genehmigungssystems vor. Durch

„algemene maatregel van bestuur“, ein königliches Dekret, vom 10. September 1970 (Stb. 410), die aufgrund von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 31. Juli 1965 erging, wurde es untersagt, einem anderen ohne Genehmigung des Sozialministers Arbeitnehmer zu überlassen. Nach Artikel 6 des Gesetzes vom 31. Juli 1965 darf diese Genehmigung nur versagt werden, wenn die begründete Befürchtung besteht, daß die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Antragsteller gedeihliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen würde oder daß dabei die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer unzulänglich gewahrt würden.

Am 27. April 1978 wurde Herr Webb vom „economische politierechter“, d. h. dem Richter in Handelssachen, bei der Arrondissementsrechtbank Amsterdam für schuldig befunden, in drei Fällen niederländischen Unternehmen entgeltlich ohne Genehmigung des Sozialministers Arbeitnehmer überlassen zu haben. Zugleich verhängte das Gericht Geldstrafen und für den Fall der Nichtzahlung Freiheitsstrafen. Der Schuldspruch und die Verurteilung wurden vom Gerechtshof Amsterdam bestätigt, woraufhin Herr Webb Rechtsmittel zum Hoge Raad einlegte. Vor diesem Gericht berief er sich (wie vor dem Gerechtshof) auf die Artikel 59 bis 62 EWG-Vertrag. Insbesondere machte er geltend, wenn eine Person eine in einem Mitgliedstaat erteilte Genehmigung für die Überlassung von Arbeitnehmern in diesem Mitgliedstaat besitze, könne von ihr nicht die Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie Arbeitnehmer überlasse, verlangt werden, wenn die Genehmigung in dem erstgenannten Mitgliedstaat unter Voraussetzungen erteilt worden sei, die mit denen des Staats vergleichbar seien, in dem die Arbeitskräfte überlassen würden, und wenn der erstgenannte Mitgliedstaat die Tätigkeit angemessen überwache.

Angesichts dieses Vorbringens hat der Hoge Raad dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen vorgelegt. Die erste Frage lautet:

„Umfaßt der in Artikel 60 EWG-Vertrag enthaltene Begriff ‚Dienstleistungen‘ die Überlassung von Arbeitnehmern im Sinne des genannten Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der ‚Wet op het ter beschikking stellen van arbeidskrachten‘?“

Nach Artikel 60 EWG-Vertrag sind Dienstleistungen im Sinne des EWGVertrags Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden und nicht den Vorschriften über den freien Warenund Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. In der „International Standard Industrial Classification of All Economic Activities“ (ISIC), die vom Statistischem Amt der Vereinten Nationen (Statistical Papers, Serie M, Nr. 4, Rev. 1, New York 1958) erstellt wurde, werden Arbeitsvermittlungsbüros der Gruppe 839 („Sonstige Dienste für das Geschäftsleben“) zugeordnet. Der Nomenklatur der ISIC bediente sich das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs (ABl. 1962, S. 32). Sie „[ist] ein Bestandteil der diesbezüglichen Rechtsakte der Gemeinschaft“: siehe die verbundenen Rechtssachen 110 und 111/78 (Ministère public u. a./van Wesemael, Slg. 1979, 35, 50). Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 67/43 des Rates vom 12. Januar 1967 (ABl. 1967, S. 140), die die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für bestimmte Tätigkeiten betrifft, enthält eine Liste von sonstigen Diensten für das Geschäftsleben, die unter die ISICGruppe 839 fallen, für die die Richtlinie gilt. An erster Stelle sind in dieser Liste „private Stellenvermittlungsbüros“ genannt. In der Rechtssache van Wesemael, bei der es um ein Stellenvermittlungsbüro für Bühnenkünstler ging, hat der Gerichtshof (auf S. 49) festgestellt, daß „die Tätigkeit, um die es vorliegend geht, als Dienstleistung zu qualifizieren ist“.

Meines Erachtens steht fest, daß zu den „Dienstleistungen“ im Sinne von Artikel 60 EWG-Vertrag die Überlassung von Arbeitskräften im Sinne der Rechtsvorschriften gehört, auf die der Hoge Raad in seiner ersten Frage Bezug genommen hat.

Namens der französischen Regierung ist jedoch vorgetragen worden, ungeachtet der soeben angestellten Erwägungen sei die private Arbeitsvermittlung eine Dienstleistung außergewöhnlicher Art. Ich bezweifle nicht, daß Arbeitsvermittlungsbüros, insbesondere, wenn sie Zeitarbeitskräfte vermitteln, gewisse Merkmale aufweisen, die sie von der Mehrzahl der anderen in der ISIC aufgezählten Dienstleistungen unterscheiden, da ihre Tätigkeit möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf Belange der nationalen, regionalen und sektoralen Arbeitspolitik, auf Funktion und Wirkungsweise der staatlichen Arbeitsvermittlung und auf die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hat. Diese Merkmale sind der Grund dafür, daß in allen Migliedstaaten der Gemeinschaft mit Ausnahme Luxemburgs und Griechenlands Rechtsvorschriften bestehen, nach denen die Tätigkeit solcher Vermittlungsbüros überwacht wird oder, wie in Italien, verboten ist. Sie sind auch der Grund für den Inhalt des von sieben Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ratifizierten Übereinkommens Nr. 96 der ILO über entgeltliche Arbeitsvermittlung (Neufassung 1949), auf das sich die französische Regierung bezogen hat. Die außergewöhnlichen Merkmale von privaten Arbeitsvermittlungsbüros haben meines Erachtens keinen Einfluß darauf, welche Antwort dem Hoge Raad auf seine erste Frage zu geben ist. Wohl aber haben sie Einfluß darauf, wie die Antwort auf die übrigen Fragen dieses Gerichts zu lauten hat.

Unter Berücksichtigung der Erklärungen der Mitgliedstaaten, die sich an diesem Vorabentscheidungsverfahren beteiligt haben, und derjenigen der Kommission halte ich es für angebracht, die zweite und die dritte Frage des Hoge Raad zusammen zu behandeln. Sie lauten :

Frage 2:

„Falls Frage 1 bejaht wird: Verbietet es Artikel 59 EWG-Vertrag — sei es generell, sei es nur unter bestimmten Umständen —, einem Mitgliedstaat, in dem die Erbringung dieser Dienstleistungen von der Erteilung einer Genehmigung abhängig ist — eine Voraussetzung, die eingeführt wurde, um die Genehmigung versagen zu können, wenn die begründete Befürchtung besteht, daß die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Antragsteller die gedeihlichen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen würde oder daß dabei die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer unzulänglich gewahrt würden —, einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Erbringer von Dienstleistungen zur Erfüllung dieser Voraussetzung zu verpflichten?“

Frage 3:

„Inwieweit ist es für die Antwort auf Frage 2 von Bedeutung, ob der ausländische Erbringer von Dienstleistungen in dem Staat, in dem er ansässig ist, über eine Genehmigung verfügt, dort diese Dienstleistungen zu erbringen?“

In der mündlichen Verhandlung hat die deutsche Regierung vorgetragen, es sei nicht das Ziel der Artikel 59 bis 66 EWG-Vertrag, alle Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zu beseitigen, sondern durch diese Vorschriften solle gewährleistet werden, daß Ausländer und Inländer gleichbehandelt würden. Ähnlich hat die dänische Regierung argumentiert, deren Vertreter vortrug, Artikel 59 EWG-Vertrag gelte oder entfalte jedenfalls unmittelbare Wirkungen nur für innerstaatliche Regelungen, durch die Erbringer von Dienstleistungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder des Orts, an dem sie ansässig seien, diskriminiert würden. Wenn dieses Argument zutreffen sollte, könnte unmittelbar daraus eine Antwort auf die zweite und die dritte Frage des Hoge Raad abgeleitet werden; denn das Gesetz vom 31. Juli 1965 erlegt Inhabern von Genehmigungen keine Beschränkungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit als solcher auf. Auch verlangt es nicht, so wurde in der mündlichen Verhandlung dargelegt, daß die Genehmigungsinhaber in den Niederlanden ansässig sind, sondern schreibt lediglich vor, daß sie dort ein Verwaltungsbüro oder eine Geschäftsadresse unterhalten, wo Unterlagen geprüft werden können. Zwar wird der Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Artikel 60 Absatz 3 und in Artikel 65 EWG-Vertrag ausdrücklich erwähnt. Der Gerichtshof hat sich in seinen einschlägigen Entscheidungen auch wiederholt auf diesen Grundsatz bezogen, so vor allem in der Rechtssache 33/74 (van Binsbergen/Bedrijfsvereniging Metaalnijverheid, Sig. 1974, 1299, 1309), in der Rechtssache 39/75 (Coenen/Sociaal-Economische Raad, Sig. 1975, 1547, 1555), in der Rechtssache 15/78 (Société générale alsacienne de banque/Koestler, Sig. 1978, 1971, 1979 f.), in den verbundenen Rechtssachen 110 und 111/78 (van Wesemael, S. 52) und in der Rechtssache 52/79 (Strafverfahren gegen Debauve, Slg. 1980, 833, 856). Außerdem „sind“ nach dem Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs „aufzuheben: A. Jedes Verbot oder jede Behinderung der ... Tätigkeit des Leistungserbringers, die darin besteht, daß er... anders behandelt wird als die eigenen Staatsangehörigen“.

Meines Erachtens darf das Ziel des Artikels 59 jedoch nicht so verengt werden. Eine Prüfung der Artikel 59 bis 66 EWG-Vertrag zeigt, daß die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Orts der Niederlassung zwar, wenn sie nicht durch Gründe wie die öffentliche Ordnung gerechtfertigt ist, einen schlüssigen Beweis für eine „Beschränkung“ im Sinne von Artikel 59 darstellt, jedoch kein wesentliches oder gar das ausschließliche Element einer solchen Beschränkung ist. Dies kommt jedenfalls stillschweigend in Artikel 65 zum Ausdruck, der bestimmt: „Solange die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs nicht aufgehoben sind, wendet sie jeder Mitgliedstaat ohne Unterscheidung nach Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsort... an.“

Dieses Ergebnis wird meiner Ansicht nach durch den Wortlaut der Entscheidungen des Gerichtshofes in den Rechtssachen van Binsbergen (a.a.O.) und Coenen (S. 1554) bestätigt, wonach unter die Beschränkungen, deren Beseitigung die Artikel 59 und 60 vorsehen, „alle Anforderungen [fallen], die an den Leistenden namentlich aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen des Fehlens eines ständigen Aufenthalts [in der Rechtssache Coenen: eines Wohnsitzes] in dem Staate, in dem die Leistung erbracht wird, gestellt werden und nicht für im Staatsgebiet ansässige Personen gelten oder in anderer Weise geeignet sind, die Tätigkeit des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern“ (Hervorhebung durch mich). Es wird ferner durch das Urteil in der Rechtssache van Wesemael (S. 52 bis 55) bestätigt, wo der Gerichtshof entschied: „Wenn die Ausübung der vorliegenden [d. h. von gewerblichen Stellenvermittlungsbüros für Bühnenkünstler ausgeübten] Stellenvermittlungstätigkeit in dem Staat, in dem die Leistung erbracht wird, genehmigungspflichtig sowie der Aufsicht der zuständigen Behörden unterstellt ist, darf dieser Staat von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringern ... nur dann verlangen, derartigen Voraussetzungen zu genügen ..., wenn ... der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistende dort eine Genehmigung besitzt, die unter Voraussetzungen erteilt worden ist, welche mit denen des Staates, in dem die Leistung erbracht wird, vergleichbar sind, und in jenem Staat die gesamte Vermittlungstätigkeit des Büros ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat die Leistung erbracht werden soll, einer angemessenen Beaufsichtigung unterstellt ist.“ Die Vergleichbarkeit der Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung in dem Staat, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, mit denen des Staats, in dem die Leistungen erbracht werden sollen, und eine Prüfung der Angemessenheit der Beaufsichtigung wären dann unerheblich, wenn die einzige sachgemäße Erwägung in der Frage bestehen würde, ob die betreffende nationale Vorschrift eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit oder dem Niederlassungsort mit sich bringt.

Der Vertreter der dänischen Regierung hat ferner geltend gemacht, der Gerichtshof habe in der Rechtssache Debauve verneint, daß Artikel 59, wie in jener Rechtssache von Generalanwalt Warner und in der vorliegenden Rechtssache von der Kommission vorgebracht worden ist, nicht nur die Beschränkungen, die eine Diskriminierung zur Folge hätten, sondern auch andere Beschränkungen erfasse, durch die die Tätigkeit des Erbringers der Dienstleistungen behindert werden könnte. Dieser Auffassung liegt meines Erachtens eine zu weite Auslegung der Formulierungen des Gerichtshofes in der Rechtssache Debauve zugrunde. In jener Rechtssache nahm eine Handelsgesellschaft für sich in Anspruch, in einem Mitgliedstaat zur Erbringung einer dort verbotenen Dienstleistung (Übertragung von Werbung enthaltenden Fernsehprogrammen über Kabel) deshalb berechtigt gewesen zu sein, weil die Erbringung dieser Dienstleistung in dem Staat, in dem der Erbringer ansässig war und von dem aus die Werbesendungen übertragen wurden, rechtmäßig gewesen sei. In diesem Zusammenhang entschied der Gerichtshof, daß die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dás in dem Staat, in dem die Programme empfangen wurden, geltende Verbot unberührt ließen, sofern es nur ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit oder dem Ort der Niederlassung angewandt werde. Im vorliegenden Fall wird jedoch ein Recht zur Erbringung einer Dienstleistung in einem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Tätigkeit genehmigungspflichtig ist, mit der Begründung geltend gemacht, der Erbringer der Dienstleistung^ besitze eine Genehmigung, die von dem Staat, in dem er wohne, erteilt sei. Letztlich wird damit vorgebracht, gesetzliche Genehmigungen müßten entsprechend der in Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 57 EWG-Vertrag vorgesehenen Regelung der gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen gegenseitig anerkannt werden, oder mit anderen Worten: ein Unternehmen, das seine Geschäftstätigkeit in der ganzen Gemeinschaft entfalten wolle, dürfe nicht in mehreren Staaten einer gleichartigen Verwaltungsregelung und -Überwachung unterworfen werden. Dieses Vorbringen kann man nicht mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Debauve zurückweisen, in der es nicht um die Verdoppelung von behördlichen Kontrollen ging.

Der Vertreter der dänischen Regierung hat zur Untermauerung seiner Auffassung mehrere Urteile des Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit angeführt. Es besteht jedoch, wie Generalanwalt Mayras auf den Seiten 1316 f. in der Rechtssache van Binsbergen hervorgehoben hat, ein grundlegender Unterschied zwischen der Niederlassung und der Erbringung von Dienstleistungen. Er liegt darin, daß ein Erwerbstätiger, der sich in einem anderen Mitgliedstaat als seinem eigenen niedergelassen hat, eben deshalb dem Recht des Aufhahmeiandes untersteht, das ihn denselben Bestimmungen und derselben Überwachung wie seine eigenen Staatsangehörigen unterwerfen kann, während der Erbringer von Dienstleistungen weiterhin der Kontrolle des Staates untersteht, in dem er ansässig ist, und sich der Kontrolle durch die nationalen Behörden des Landes, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, entziehen kann. Außerdem kann die Verpflichtung, sich unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige oder Bewohner des bestreffenden Staats eine Genehmigung zu beschaffen, den Dienstleistungsverkehr stärker als die Niederlassung behindern, zum Beispiel, wenn die Verfahrenskosten es für eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Person oder Firma unwirtschaftlich machen, anders als auf regelmäßiger Basis den Bedarf von Kunden in dem diese Verpflichtung auferlegenden Staat zu decken. Meines Erachtens kann man aus den Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit keine abschließende Antwort auf die vorliegenden Fragen ableiten.

Die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Gemeinschaft umfaßt daher nach meinem Dafürhalten nicht nur die Beseitigung von Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit und dem Ort der Niederlassung, sondern erstreckt sich auf die Beseitigung aller Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr über die innergemeinschaftlichen Grenzen hinweg, soweit diese Hindernisse nicht durch die Artikel 55 bis 58 sowie durch Artikel 66 beibehalten werden.

Allerdings ergibt sich klar aus den früheren Entscheidungen des Gerichtshofes, daß Artikel 59 bei richtiger Auslegung die Mitgliedstaaten nicht völlig des Rechts beraubt, Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet Dienstleistungen erbringen wollen und bereits in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorzuschreiben. Dies kann unter den vom Gerichtshof bereits aufgezeigten Einschränkungen durch die Anordnung einer Genehmigungspflicht geschehen. Daß der Befugnis der Mitgliedstaaten, solche Voraussetzungen aufzustellen — und eine Genehmigungspflicht festzulegen —, enge Grenzen gesetzt sein müssen, versteht sich von selbst, da sonst der freie Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft zu einer Illusion würde.

In den erwähnten Entscheidungen ist meines Erachtens niedergelegt, daß die Mitgliedstaaten dann, aber nur dann, von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person verlangen können, daß sie sich vor der Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet eine Genehmigung beschafft, wenn zwei Erfordernisse erfüllt sind. Erstens müssen die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung mutatis mutandis dieselben wie für die Erteilung einer Genehmigung an in dem Mitgliedstaat ansässige oder wohnende Person sein, die derartige Dienstleistungen erbringen wollen. Zweitens muß es sich bei den Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung um solche handeln, die „sich aus der Anwendung von durch das Allgemeininteresse ... gerechtfertigten Berufsregelungen ergeben“ und sich „für die Gewährleistung der Beachtung der Berufsregelungen ... als objektiv notwendig“ darstellen (van Wesemael, a.a.O., S. 52 f.) oder die zum Schutz der durch die Dienstleistungen betroffenen Personen objektiv gerechtfertigt sind. Soweit diese Ziele in dem Mitgliedstaat, in dem der Erbringer der Dienstleistungen ansässig ist, bereits durch die dort für ihn geltenden Bestimmungen und eine angemessene Überwachung erreicht sind, ist es weder erforderlich noch objektiv notwendig, von ihm mittels einer Genehmigung die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zu verlangen.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Aufstellung von Voraussetzungen und eine Genehmigungspflicht erforderlich und objektiv gerechtfertig sind, so daß sie sich mit dem Vertrag vereinbaren lassen (und nicht als Hindernisse für den Dienstleistungsverkehr zwischen Mitgliedstaaten angesehen werden können), ist auf die Erfordernisse in dem betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, da die Erfordernisse in einem Mitgliedstaat (der seine eigenen Voraussetzungen für die Erbringung von Dienstleistungen festlegt) für die Bedürfnisse eines anderen Mitgliedstaats möglicherweise weder angemessen noch gerechtfertigt noch überhaupt von Belang sind. Das Vorbringen der Mitgliedstaaten in der vorliegenden Rechtssache macht deutlich, welche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Faktoren bei der Überlassung von Zeitarbeitnehmern eine Rolle spielen und welche Probleme verschiedener Art sich unter den derzeitigen Umständen in den einzelnen Mitgliedstaaten stellen. Von besonderem Gewicht sind dabei die Darlegungen der Regierung der Niederlande zu der Frage, weshalb die geltende Regelung in diesem Land eingeführt wurde.

In diesem Zusammenhang ist es zweckmäßig, die besonderen Merkmale der Dienstleistung der Überlassung von Zeitarbeitnehmern zu betrachten, auf die der Bevollmächtigte der französischen Regierung hingewiesen hat. Wie in dem Bericht „Le travail temporaire dans les pays de la CEE“ von Blanpain und Drubigny vom April 1980, der Studie Nr. 79/52 der Kommission, dargetan ist, bestehen insoweit erhebliche Unterschiede zwischen den Rechten der einzelnen Mitgliedstaaten. Während derartige Tätigkeiten in Italien anscheinend durch das Gesetz Nr. 1369 vom 23. Oktober 1960 ganz verboten sind, gibt es in Luxemburg und Griechenland keine spezifische Rechtsvorschriften; in Frankreich müssen sich Zeitarbeitunternehmen behördlich registrieren lassen und, sich eine Bürgschaft als eine Art Sicherheit für die Vergütung der Arbeitnehmer stellen lassen, während die Tätigkeit in den übrigen sechs Staaten einer Genehmigung ;oder in Belgien einer „agréation“) bedarf. Nach diesem Bericht weichen die Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen stark voneinander ab: In manchen Fällen werden sie ohne weiteres oder bei Erfüllung objektiver Voraussetzungen erteilt; in anderen Fällen hat die Verwaltungsbehörde einen gewissen Ermessensspielraum. Außerdem bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über die Rechtsfolgen der Erteilung einer Genehmigung. In manchen Mitgliedstaaten dürfen Zeitarbeitskräfte nur in bestimmten Wirtschaftsbereichen (so in Dänemark nur im Handel und für Büroarbeiten) eingesetzt werden, während in anderen Mitgliedstaaten oder Teilen von

Mitgliedstaaten der Einsatz von Zeitarbeitskräften in bestimmten Bereichen (so zum Beispiel in Belgien und in Teilen der Niederlande im Baugewerbe)' verboten ist.

Es ist Sache des nationalen Gerichts zu entscheiden, ob die Voraussetzungen, deren Erfüllung zusätzlich zu den im Staat der Niederlassung zu erfüllenden Voraussetzungen verlangt wird, und die Genehmigungspflicht objektiv notwendig im Sirine des Urteils in der Rechtssache van Wesemael sind.

Der Umstand, daß vom Niederlassungsstaat der Person, die Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringen will, eine Genehmigung erteilt worden ist (Gegenstand der dritten Frage), stellt meines Erachtens nur eine Facette der allgemeinen Problematik dar. Eine solche Genehmigung ist nur das Mittel, mit dem der Mitgliedstaat, in dem die Person ansässig ist, die Erfüllung von Voraussetzungen durchsetzt und Kontrolle ausübt. Die entscheidende Frage ist also, ob solche Voraussetzungen und eine derartige Kontrolle eine angemessene Gewähr für die Verwirklichung dessen bieten, was unter den in dem zweiten Mitgliedstaat vorherrschenden Verhältnissen objektiv erforderlich ist. Zu prüfen ist nur die Erforderlichkeit, nicht die Zweckmäßigkeit oder Erwünschtheit. Einerseits kommt es nicht entscheidend auf den Umstand an, daß jemand im Besitz einer in einem Mitgliedstaat erteilten Genehmigung ist, wonach er in diesem Mitgliedstaat (oder sogar in einem anderen Mitgliedstaat unter denselben Voraussetzungen wie in dem Staat, in dem die Genehmigung erteilt worden ist) Dienstleistungen erbringen darf. Sonst könnte eine solche Regelung eine gewisse Diskriminierung ortsansässiger Unternehmen in dem Sinne hervorrufen, wie es der Vertreter der dänischen Regierung vorgetragen hat. Andererseits ist es nicht gerechtfertigt, die Erlangung einer zusätzlichen Genehmigung in dem Staat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen, zu verlangen, wenn den Voraussetzungen, deren Erfüllung in dem Staat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen, berechtigterweise durchgesetzt werden soll, bereits durch eine im Staat der Niederlassung erteilte Genehmigung Rechnung getragen ist (und angemessene Überwachungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten bestehen). Sind die Voraussetzungen, deren Erfüllung mittels der beiden Genehmigungen durchgesetzt wird, „identisch“ oder sind die Genehmigungen „vergleichbar“, um den in der Rechtssache van Wesemael verwendeten Begriff zu gebrauchen, so ist es nicht gerechtfertigt, eine zweite Genehmigung zu verlangen. Die Befreiung von dem Erfordernis, eine solche zweite Genehmigung zu erlangen, hat eine Diskriminierung von ortsansässigen Unternehmen zur Folge.

Ob die Voraussetzungen identisch oder vergleichbar sind, wird eine Prüfung aller Umstände zeigen müssen. Das nationale Gericht muß von jeder Einzelperson oder jeder Firma, die Dienstleistungen erbringen will, erfragen, ob sie durch Vorlage einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung nachweisen kann, daß sie jede einzelne Voraussetzung erfüllt, von denen in dem Staat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen, die Erteilung irgendeiner Genehmigung abhängt, die in der entscheidungserheblichen Zeit in dem maßgeblichen Wirtschaftsbereich oder Gebiet dieses Staats für die Überlassung von Arbeitnehmern vorgeschrieben war.

Im vorliegenden Fall sind die Gründe, aus denen eine Genehmigung versagt werden kann, in der zweiten Frage des Hoge Raad ausdrücklich genannt. Die niederländischen Genehmigungsbehörden können die Genehmigung versagen, wenn die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Antragsteller gedeihliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen könnte oder wenn die Interessen der Arbeitnehmer unzulänglich gewahrt würden. Diese Ziele gehören rechtlich wohl zu denen, die unter den vom Gerichtshof in der Rechtssache von Wesemael verwendeten Begriff Allgemeininteresse fallen können. Das nationale Gericht muß daher die Tatsachenfrage klären, ob durch die Erteilung einer Genehmigung an Herrn Webb oder sein Unternehmen im Vereinigten Königreich nachgewiesen ist, daß der Antragsteller die im niederländischen Recht aufgestellten Voraussetzungen erfüllt und ob diese Voraussetzungen tatsächlich zur Wahrung des Allgemeininteresses erforderlich sind. In den Grenzen eventueller Beweisregeln wird es die verschiedenen Gesichtspunkte, die bei der Erteilung einer Genehmigung im Vereinigten Königreich eine Rolle spielten, wie die Eignung des Antragstellers, der Personen, die im Rahmen des Unternehmens tätig werden sollen, und der Geschäftsräume des Unternehmens, abzuwägen und die Wirkungen der Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs zu prüfen haben, daß Gesichtspunkte von der Art, wie sie im Gesetz vom 31. Juli 1965 aufgeführt sind, „die Genehmigungsbehörde des Vereinigten Königreichs, nämlich den Secretary of State, nicht dazu berechtigen würden, von dem Genehmigungserfordernis abzuweichen, da sie nicht zu einem der in Section 2 (3) des Employment Agencies Act 1973 aufgeführten Versagungsgründe gehören würden“.

Vor dem Hoge Raad wandte sich Herr Webb gegen die vom Gerichtshof vertretene Ansicht, da Genehmigungen im Vereinigten Königreich gemäß den Erfordernissen des Arbeitsmarkts in diesem Land zu erteilen oder zu versagen oder aber unter Auflagen zu erteilen seien, würden sie in keiner Hinsicht notwendigerweise unter Voraussetzungen erteilt, die mit den möglicherweise in den Niederlanden maßgeblichen Voraussetzungen vergleichbar seien. Herr Webb machte geltend, freier Dienstleistungsverkehr bedeute in einem Fall wie dem vorliegenden, daß nicht mehr von einem nationalen Markt ausgegangen werden dürfe. Wenn ich einmal die Frage beiseite lasse, ob bei der Erteilung von Genehmigungen im Vereinigten Königreich auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes in diesem Land abgestellt wird, scheint mir Herrn Webbs Vorbringen letztlich dahin zu gehen, daß die Mitgliedstaaten die Erteilung einer Genehmigung nicht von auf einen nationalen Arbeitsmarkt bezogenen Voraussetzungen abhängig machen dürfen, da es jetzt einen die gesamte Gemeinschaft umfassenden Arbeits- und Dienstleistungsmarkt gebe. Die Konsequenzen aus diesem Vorbringen reichen offenbar noch weiter, da sich schwerlich eine Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Befugnis der Mitgliedstaaten finden lassen wird, aufgrund örtlicher Gegebenheiten die Überlassung von Zeitarbeitnehmern völlig oder in bestimmten Gebieten oder Wirtschaftsbereichen zu verbieten, wenn sie nicht, was weniger einschneidend wäre, diese Tätigkeit aufgrund eben dieser Gegebenheiten mittels einer Genehmigung beschränken könnten. Als Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr kann man eine nicht diskriminierende natinale Maßnahme dann bezeichnen, wenn sie eine besondere Erschwerung des Dienstleistungsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellt. (Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn einem Erbringer von Dienstleistungen durch eine Genehmigungspflicht Kosten oder Unannehmlichkeiten bei der Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als seinem eigenen entstehen und die Genehmigung ein „Doppel“ einer anderen darstellt, die sich der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat beschafft hat.) Bloße Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften über die Umstände, unter denen Dienstleistungen einer bestimmten Art erbracht werden dürfen, stellen nicht notwendigerweise eine derartige Erschwerung dar, wenn sie auf Unterschieden zwischen den Arbeitsmärkten aller oder eines Teils dieser Staaten beruhen.

Aus diesen Gründen sind die Fragen des Hoge Raad meines Erachtens wie folgt zu beantworten:

1.

Der in Artikel 60 EWG-Vertrag enthaltene Begriff „Dienstleistungen“ umfaßt auch die entgeltliche Überlassung von Arbeitnehmern an einen anderen, damit sie in dessen Unternehmen, ohne daß dies aufgrund eines mit ihm geschlossenen Arbeitsvertrag geschieht, dort übliche Arbeiten verrichten.

2.

Artikel 59 EWG-Vertrag verbietet einem Mitgliedstaat (im folgenden: „der betreffende Staat“) nicht die Aufrechterhaltung einer Vorschrift, wonach Dienstleistungen der im vorstehenden Abschnitt beschriebenen Art von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person nur erbracht werden dürfen, wenn sie eine von den zuständigen Behörden des betreffenden Staats erteilte Genehmigung besitzt (die versagt werden kann, wenn die begründete Befürchtung besteht, daß die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Antragsteller gedeihliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen würde oder daß dabei die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer unzulänglich gewahrt würden), sofern a) eine identische Anforderung an in diesem Staat ansässige Personen gestellt wird und b) eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Person von der Genehmigungspflicht dann befreit ist, wenn sie durch Vorlage einer im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung erteilten Genehmigung oder auf andere Weise nachweisen kann, daß sie jeder einzelnen der Anforderungen genügt, die sonst in dem Staat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen, gestellt würden, und daß angemessene Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Anforderungen bestehen.


( 1 ) Aus dem Englischen übersetzt.

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