EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61979CC0137

Schlussanträge des Generalanwalts Mayras vom 22. Mai 1980.
Jean Kohll gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Auslandszulage.
Rechtssache 137/79.

Sammlung der Rechtsprechung 1980 -02601

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1980:132

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS HENRI MAYRAS

VOM 22. MAI 1980 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

I —

Der Kläger, ein luxemburgischer Staatsangehöriger, wurde am 1. Oktober 1954 von der Hohen Behörde der EGKS eingestellt. In einem „Aktenvermerk“, der am 13. Oktober in Gegenwart des Klägers abgefaßt, ihm jedoch nicht ausgehändigt wurde, heißt es, daß sein Herkunftsort Luxemburg sei; tatsächlich wohnte er zum Zeitpunkt seiner Einstellung in Düdelingen, einer Ortschaft, die weniger als 25 km von der Hauptstadt entfernt ist. Am 10. September 1962 wurde er bei der EGKS zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Mit Schreiben des Generaldirektors für Personal und Verwaltung vom 1. Juli 1968 wurde er dieser Generaldirektion in Brüssel zugewiesen. Diese „Ernennung“ hatte spätestens am 5. November 1968 einen Wechsel des Dienstortes und folglich vom Zeitpunkt des Umzugs des Klägers nach Brüssel an die Gewährung der Auslandszulage nach Artikel 4 des Anhangs VII des Personalstatuts der EGKS vom 1. Januar 1962 zur Folge.

Etwa zehn Jahre später, am 14. April 1978, teilte der Kläger dem Leiter der Abteilung „Persönliche Rechte, Vorrechte“ in Brüssel seinen Wunsch mit, nach Luxemburg versetzt zu werden, dabei jedoch weiterhin die Auslands-„Prämie“ zu erhalten. Der Abteilungsleiter antwortete ihm am 20. April 1978, in diesem Falle würde diese Zulage nicht mehr gewährt, es sei denn, er verlege gemäß Artikel 9 Buchstabe b der Personalordnung der EGKS in Verbindung mit Artikel 97 Absatz 4 des Beamtenstatuts der EGKS, die gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 weiterhin für ihn galten, seinen Wohnsitz in eine Ortschaft, die mehr als 25 km von Düdelingen, dem Ort, in dem er vor seinem Dienstantritt gewohnt habe, entfernt sei.

Aufgrund dieser Auskunft beantragte der Kläger am 14. Juni 1978 gemäß Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften seine Versetzung auf eine freie Planstelle in Luxemburg. Er begründete seinen Antrag in einem Vermerk vom 5. Juli 1978, der in den Akten nicht enthalten ist. Am 8. August 1978 erklärte sich der Leiter der Abteilung „Persönliche Rechte, Vorrechte“ damit einverstanden, daß der Kläger seine Tätigkeit in Luxemburg am 1. Oktober 1978 aufnehme. Am 21. August 1978 empfahl die Generaldirektion XX, „Finanzkontrolle“, dem Leiter der Personalabteilung in Luxemburg die Versetzung des Klägers mit Wirkung vom 1. Oktober 1978, wozu die Direktion Personal der Generaldirektion „Personal und Verwaltung“ in Brüssel ihr Einverständnis erklärt hatte. Der Kläger wurde tatsächlich zu diesem Zeitpunkt nach Luxemburg zum Sonderdienst „Mittelverwaltung, Gebäude, Einkauf“ versetzt.

Der erwähnte „Aktenvermerk“ vom 13. Oktober 1978 enthält den Hinweis, daß der Kläger weder die Auslandszulage noch die Expatriierungszulage beanspruchen könne. Am selben Tag wandte sich der Kläger an den Leiter der Personalabteilung in Luxemburg mit der Bitte, das Notwendige zu veranlassen, damit er in den Genuß der Auslandszulage komme. Nach seiner Zuweisung nach Luxemburg habe er nämlich seinen Wohnort nach Ehnen verlegt, einer Ortschaft, die weniger als 25 km Luftlinie von Luxemburg, jedoch mehr als 25 km von Düdelingen entfernt ist; folglich erfülle er die in der Note des Leiters der Abteilung „Persönliche Rechte, Vorrechte“, Brüssel, vom 20. April 1978 genannten Voraussetzungen.

Am 12. Februar 1979 wurde sein Antrag vom Leiter der Personalabteilung in Luxemburg abgelehnt: Der Kläger erfülle weder die Bedingungen des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b des Anhangs VII des Statuts über die Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage noch die der Artikel 97 Absatz 4 und 47 Absatz 3 des früheren EGKS-Statuts in Verbindung mit Artikel 9 Buchstabe b der Personalordnung der EGKS über die Trennungszulage. Nach dem EGKS-Statut von 1956 sei diese Zulage nur den Bediensteten gewährt worden, die vor ihrem Dienstantritt länger als sechs Monate ihren ständigen Wohnsitz in einer Ortsfchaft gehabt hätten, die mehr als 25 km vom Sitz der Institution entfernt gewesen sei. Vor seiner Einstellung habe der Kläger jedoch in Düdelingen gewohnt, einer Ortschaft, die weniger als 25 km vom Sitz der ehemaligen Hohen Behörde der EGKS entfernt gewesen sei. Im übrigen sei Ehnen der „private Wohnsitz“ des Klägers und nicht sein „Wohnort“ [i. S. der Bestimmungen].

Am 19. Februar 1979 legte der Kläger gemäß Artikel 90 des Statuts eine Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags und gegen die von ihm so bezeichnete „Entscheidung über den Wegfall der Auslandszulage“ ein. Er trug insbesondere vor, er hätte niemals seine Versetzung beantragt, wenn seine Übernahme nach Luxemburg den Verlust der Auslandszulage zur Folge hätte haben müssen. Außerdem habe er wegen der Versetzung sein Wohnhaus in Belgien mit einem Verlust von 1500000 BFR unter seinem Zeitwert verkaufen müssen und bereits einen Betrag von 4000000 BFR in ein Bauprojekt in Ehnen investiert, dessen Kosten sich auf 9200000 BFR beliefen.

Am 5. Juli 1979 richtete der Kläger ein Schreiben an den Personaldirektor in Brüssel, in dem er namentlich ausführte, alle seine Schritte, vom BHW, Hameln, ein Darlehen zum Kauf des Hauses in Ehnen, in dem er seit seiner Rückkehr nach Luxemburg wohne, sowie zum Kauf eines Baugeländes in derselben Ortschaft zu erhalten, seien schon vor seinem Wegzug aus Brüssel unternommen worden in der Gewißheit, daß er die Auslandszulage weitererhalten werde. Der Wegfall dieser Zulage erschwere die Bedingungen für das Darlehen, das er — in deutscher Währung — bei dieser Einrichtung aufgenommen habe (es handelt sich dabei um eine Einrichtung, die Bausparverträge mit einer großen Anzahl von Beamten der europäischen Organe ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit abschließt).

Gegen die ausdrückliche ablehnende Entscheidung über die Beschwerde des Klägers, die am 29. Juni 1979 von dem für Personalfragen zuständigen Mitglied der Kommission erlassen wurde, richtet sich die vorliegende Aufhebungsklage. Hilfsweise fordert der Kläger 5250000 LFR samt Zinsen als Ersatz für den Schaden, der ihm aufgrund des Amtsfehlers der Kommission entstanden sei.

II —

Artikel 97 Absatz 4 des EGKS-Statuts von 1962 sieht vor, daß „ein Bediensteter, der gemäß Artikel 93 als Beamter übernommen wurde“ und der „aufgrund einer Änderung des Ortes seiner dienstlichen Verwendung nicht mehr die im Anhang VII Artikel 4 genannten Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage [erfüllt], ... diese Zulage weiterhin [erhält], wenn er gemäß dem bisherigen Personalstatut der EGKS auf die Trennungszulage Anspruch hatte“.

1.

Wie bereits Generalanwalt Gand in seinen Schlußanträgen vom 25. Juni 1970 in der Rechtssache Chuff art (Sig. 1970, 658) eindeutig festgestellt hat, handelt es sich bei Artikel 97 Absatz 4 um eine Übergangsbestimmung; eine derartige Bestimmung, „die anläßlich des Übergangs zu einer weniger großzügigen Regelung getroffen wird, [soll] normalerweise den Bediensteten keine weitergehenden Rechte verleihen ..., als ihnen nach der außer Kraft gesetzten Regelung zustanden“.

Es ist weder möglich, Artikel 9 Buchstabe b der Personalordnung von 1956 für eine logische Sekunde wieder aufleben zu lassen, noch, aus ihm im Gegenschluß den Grundsatz abzuleiten, daß diese Vorschrift, selbst nach dem 29. Februar 1968, immer wieder eingreift, wenn ein Beamter infolge einer anderweitigen dienstlichen Verwendung seinen Wohnsitz in eine Ortschaft verlegen mußte, die mehr als 25 km von dem Ort entfernt ist, in dem er vor seinem Dienstantritt ansässig war. Der letzte Absatz des Artikels 2 der Verordnung Nr. 259/68 vom 29. Februar 1968 kann nicht dahin ausgelegt werden, daß er die gemeinsame Anwendung von Vorschriften ermöglicht, die zu zwei aufeinanderfolgenden statutarischen Regelungen gehören.

2.

Außerdem vertritt die Kommission die Auffassung, daß die Verwendung des Klägers in Luxemburg ihn nicht „zwangsläufig“ dazu veranlaßt habe, seinen neuen Wohnsitz in eine Ortschaft zu verlegen, die mehr als 25 km von dem Ort entfernt sei, in dem er vor seinem Dienstantritt gewohnt habe. In diesem Punkt wäre ich nicht so bestimmt: Die freie Wahl des Wohnsitzes hat auch für die Beamten der Gemeinschaft zu gelten, sofern der Ort, an den sie ihren Wohnsitz verlegen, mit der ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Berufstätigkeit vereinbar ist, auch wenn diese Freiheit häufig durch die Gegebenheiten des Immobilienmarktes eingeschränkt ist. Die Wahl des Wohnsitzes hat jedoch so zu erfolgen, daß ihre mögliche Auswirkung auf die Weitergewährung der Trennungszulage nicht in Betracht gezogen wird. Ich wäre bereit anzuerkennen, daß der Kläger seinen Wohnsitz zwangsläufig nach Ehnen verlegen mußte, wenn dieser Wechsel „in tempore non suspecto“ stattgefunden hätte, wenn der Kläger also bereits vor seiner Versetzung nach Luxemburg in einen Ort gezogen wäre, der mehr als 25 km von Düdelingen entfernt ist. Der Ansatz eines Beweises für die Objektivität der Wahl des Wohnsitzes hätte darin bestanden, daß der Kläger die Änderung seines Herkunftsortes vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 259/68 bewirkt hätte. Zum Zeitpunkt seiner Beschwerde war indessen der Bau des neuen Hauses des Klägers noch nicht einmal beendet.

Auf alle Fälle irrt sich der Kläger, wenn er meint, er habe die Zulage behalten können, wenn er nur seinen Wohnsitz in eine Ortschaft verlegt, die mehr als 25 km von dem Ort entfernt ist, in dem er vor seinem Dienstantritt bei der EGKS gewohnt hat: Er hat niemals die Trennungszulage erhalten, und der Anspruch auf diese Zulage ist endgültig erloschen. Die Entscheidung über den Wegfall der Auslandszulage vom Zeitpunkt seiner Wiederverwendung in Luxemburg an steht daher meines Erachtens in Einklang mit dem Statut.

3.

Es bleibt festzustellen, daß die dem Kläger am 20. April 1978 erteilte Auskunft zumindest mehrdeutig war und daß diese Mehrdeutigkeit auf dem doppelköpfigen Charakter der Generaldirektion „Personal und Verwaltung“ beruhte, die auf Brüssel und Luxemburg verteilt ist, sowie auf der Überschneidung der Zuständigkeiten des Leiters der Abteilung „Persönliche Rechte, Vorrechte“ in Brüssel und derjenigen des Leiters der Personalabteilung in Luxemburg.

Der Gerichtshof hat (in den Entscheidungen Richez-Parise, Slg. 1970, 339, und Fiehn, Slg. 1970, 561) entschieden, daß „von Ausnahmen abgesehen ... eine unrichtige Auslegung [statutarischer Vorschriften] für sich allein noch keinen Amtsfehler [darstellt]“; wenn die Verwaltung eine falsche Auskunft erteilt hat, so kann dies also je nach Sachlage die Haftung der Verwaltung auslösen.

Daß die Kommission selbst eingeräumt hat, daß diese falsche Auskunft eine gewisse Haftung ihrer Dienststellen nach sich zieht, scheint sich mir — obwohl sie sich dagegen verwahrt — aus dem Umstand zu ergeben, daß sie endgültig auf die Rückforderung der Auslandszulage verzichtet hat, die für Oktober 1978 gezahlt worden war. Die Erklärung eines Bediensteten der Personalabteilung vom 7. Dezember 1979 (die Klage ist am29. Oktober 1979 in das Register eingetragen worden), er habe dem Kläger schon vor dem 13. Oktober 1978 versichert, daß seine „persönlichen Umstände trotz der schriftlichen Auskunft aus Brüssel die Gewährung der Auslandszulage nicht zulassen“, widerlegt diese Feststellung nach meiner Ansicht nicht.

Selbst wenn es sich bei dieser Auskunft auf keinen Fall um eine „Entscheidung“ handelt, so wurde sie doch von der Stelle erteilt, die für die Entscheidung über die Fortgewährung der Trennungszulage an die gemäß Artikel 93 des früheren EGKS-Statuts übernommenen Beamten zuständig war, wie es sich aus dem „Personalkurier“ vom 17. November 1977 ergibt.

Andererseits hat der Kläger ein zumindest übertriebenes Vertrauen an den Tag gelegt; er hätte sich bei der Verwaltung in Luxemburg erkundigen müssen, der er von seiner Versetzung in diese Stadt an unterstehen sollte. Im übrigen bin ich nicht völlig davon überzeugt, daß der Kläger bei seinen Grundstücksinvestitionen, die sich auf beinahe 10000000 LFR beliefen, nicht etwas übereilt gehandelt hat. In dieser Hinsicht muß man feststellen, daß der zwischen dem Kläger und dem Darlehensgeber geschlossene Darlehensvertrag, der von der Beklagten vorgelegt worden ist, das Datum vom 2. April und 22. Mai 1979 trägt, obgleich der Leiter der Personalabteilung in Luxemburg den Kläger bereits am 12. Februar 1979 darüber unterrichtet hatte, daß die fragliche Zulage nicht weitergewährt werde. Die Verantwortlichkeit ist somit weitgehend auf beide Parteien verteilt.

Angesichts der Tatsache, daß dem Kläger die Zulage einen Monat ohne rechtliche Verpflichtung weitergewährt wurde und daß das Vorliegen des Schadens sowie der Kausalzusammenhang zwischen dem Amtsfehler und dem Schaden ungewiß sind, halte ich es für angemessen, die Kosten in voller Höhe der Kommission aufzuerlegen.

Ich beantrage, die Klage abzuweisen und aus den genannten Gründen die Kosten der Kommission aufzuerlegen.


( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.

Top