EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61979CC0049

Schlussanträge des Generalanwalts Reischl vom 17. Januar 1980.
Richard Pool gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Gemeinsame Marktorganisation: System des Grünen Pfundes.
Rechtssache 49/79.

Sammlung der Rechtsprechung 1980 -00569

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1980:13

SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS GERHARD REISCHL

vom 17. Januar 1980

Herr Präsident

meine Herren Richter,

Herr Pool, ein englischer Kälbermäster, führt in dem Verfahren, das heute zu behandeln ist, Klage darüber, daß der Umrechnungskurs für das britische Pfund, soweit er für das gemeinsame Agrarrecht eine Rolle spielt, unkorrekt festgesetzt worden und ihm daraus beim Absatz seiner Produkte ein Schaden entstanden sei.

Zum Verständnis dieser Klage schicke ich in Kürze folgendes voraus:

Herr Pool betätigt sich auf einem Gebiet, das von der gemeinsamen Marktorganisation für Rindfleisch (Ratsverordnung Nr. 805/68 vom 27. Juni 1968, ABl. L 148 vom 28. Juni 1968, S. 24) erfaßt wird. Nach Artikel 3 dieser Verordnung wird für jedes Wirtschaftsjahr ein Orientierungspreis für Kälber und ein Orientierungspreis für ausgewachsene Rinder festgesetzt. Er ist — Einzelheiten kann ich wohl vernachlässigen — für gemeinschaftliche Interventionsmaßnahmen (Beihilfen zur privaten Lagerhaltung, Aufkäufe durch die Interventionsstellen, Gewährung von Prämien) von Bedeutung. Ferner spielt er eine Rolle bei der Bemessung der auf Einfuhren aus dritten Ländern erhobenen Abschöpfungen (vgl. Verordnung Nr. 425/77, ABl. L 61 vom 5. März 1977, S. 1). Danach kann man sagen, daß der im Innern der Gemeinschaft geltende Marktpreis von dem Orientierungspreis beeinflußt wird.

Festgesetzt wird der Orientierungspreis in Rechnungseinheiten, die, da sie kein Zahlungsmittel darstellen, in nationale Währungen umgerechnet werden müssen. Insofern ist von grundlegender Bedeutung — auch hier kann ich auf Einzelheiten verzichten, weil Währungsprobleme des gemeinsamen Agrarmarktes dem Gerichtshof aus einer Vielzahl anderer Verfahren geläufig sind — die Ratsverordnung Nr. 129/62 „über den Wert der Rechnungseinheit und die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik anzuwendenden Umrechnungskurse“ (ABl. 1962, S. 2553), die wiederholt, namentlich durch die Verordnungen Nr. 653/68 (ABl. L 123 vom 31. Mai 1968, S. 4) und Nr. 2543/73 (ABl. L 263 vom 19. September 1973, S. 1), geändert worden ist. Artikel 1 dieser Verordnung definiert den Wert der Rechnungseinheit, die in Vorschriften über die gemeinsame Agrarpolitik eine Rolle spielt, und bestimmt, wann und wie der Wert der Rechnungseinheit geändert werden kann. Artikel 2 regelt, wie die Umrechnung von Beträgen, die in Vorschriften über die gemeinsame Agrarpolitik von Bedeutung sind, von einer Währung in eine andere erfolgt. Dies sollte grundsätzlich nach den beim Internationalen Währungsfonds angemeldeten Währungsparitäten geschehen; wenn aber der effektive Wechselkurs von der beim Internationalen Währungsfonds angemeldeten Parität abweicht und so die Durchführung agrarpolitischer Vorschriften gefährdet wird, ist es nach dieser Vorschrift auch möglich, daß vorübergehend die Wechselkurse angewandt werden, die auf dem oder den repräsentativsten Devisenmärkten notiert worden sind. Außerdem sieht Artikel 3 der Verordnung Nr. 129 in der Fassung, die er durch die Verordnung Nr. 2543/73 erhalten hat, vor, daß dann, wenn „außergewöhnliche Währungspraktiken geeignet [sind], die Durchführung der Rechtsakte oder Bestimmungen im Sinne des Artikels 1 zu gefährden“, der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit oder die Kommission im Rahmen der ihr in diesen Rechtsakten oder Bestimmungen übertragenen Befugnisse nach Anhörung des Währungsausschusses — die in Dringlichkeitsfällen nachgeholt werden kann — von dieser Verordnung „abweichende Maßnahmen“ treffen können. Zu den „außergewöhnlichen Währungspraktiken“ sind einige Beispielsfälle angeführt, insbesondere der, daß ein Mitgliedstaat des Internationalen Währungsfonds im Inland Schwankungen des Wertes seiner Währung innerhalb einer größeren Spanne zuläßt, als nach den Vorschriften dieser Institution zulässig ist, oder der, daß ein Land ungewöhnliche Kurspraktiken, wie schwankende oder multiple Wechselkurse, anwendet.

Demgemäß wurde ursprünglich die Umrechnung in nationale Währungen nach den beim Internationalen Währungsfonds angemeldeten Paritäten vorgenommen. Die bekannte Unruhe auf dem Währungssektor, namentlich von 1971 an, als das System von Bretton Woods aufgegeben wurde, zwang dann zur Einführung von Währungsausgleichsbeträgen in der Verordnung Nr. 974/71 (ABl. L 106 vom 12. Mai 1971, S. 1), die wiederholt, vor allem durch die Verordnungen Nr. 2746/72 (ABl. L 148 vom 28. Dezember 1972, S. 148), Nr. 509/73 (ABl. L 50 vom 23. Februar 1973, S. 1) und Nr. 1112/73 (ABl. L 114 vom 30. April 1973, S. 4), geändert worden ist. 1973 wurden beim Beitritt der drei neuen Mitgliedstaaten, weil man hier Währungsausgleichsbeträge zusätzlich zu den Beitrittsausgleichsbeträgen vermeiden wollte, zum ersten Mal in Abweichung von Artikel 2 der Verordnung Nr. 129 spezielle Umrechnungskurse festgelegt, die im Falle von Irland und Großbritannien dem repräsentativen Kurs der Währungen dieser beiden Mitgliedstaaten entsprachen (Verordnung Nr. 222/73, ABl. L 27 vom 1. Februar 1973, S. 4). Waren diese Umrechnungskurse zunächst für Großbritannien und Irland einheitlich, so wurde diese Übereinstimmung mit Wirkung vom 7. Oktober 1974 durch die Verordnung Nr. 2498/74 (ABl. L 268 vom 3. Oktober 1974, S. 6) aufgegeben, und dabei blieb es — in wechselnder Weise — auch in der Zeit danach.

Was die ursprünglichen Mitgliedstaaten anbelangt, so kam es zunächst im Jahre 1973 für Gulden und Lira zur Festsetzung besonderer Umrechnungskurse (Verordnungen Nr. 2544/73, ABl. L 263 vom 19. September 1973, S. 2, und Nr. 2958/73, ABl. L 303 vom 1. November 1973, S. 1). Später wurde dann diese Regelung verallgemeinert, und seit der Verordnung Nr. 475/75 (ABl. L 52 vom 28. Februar 1975, S. 28) gelten für alle Mitgliedstaaten repräsentative Kurse als Umrechnungskurse.

Herr Pool, der Kläger des vorliegenden Verfahrens, ist der Meinung, der Rat sei bei der Festlegung dieser Umrechnungskurse nicht korrekt vorgegangen. Er bemängelt vor allem, daß trotz des bis Anfang 1979 für Großbritannien und Irland bestehenden einheitlichen Währungsgebietes für die beiden Länder repräsentative Kurse in unterschiedlicher Höhe festgelegt worden seien, und zwar so, daß man für das irische Pfund von einer stärkeren Abwertung ausgegangen sei. Dies führe dazu, daß Erzeuger in Großbritannien in nationaler Währung geringere Erlöse erzielten als Erzeuger in den anderen Mitgliedstaaten und besonders auch in Irland. Dies sei mit den Grundregeln des Gemeinsamen Marktes, insbesondere mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 40, nicht vereinbar. Deshalb hat der Kläger den Rat auf Ersatz des ihm dadurch verursachten Schadens verklagt. Dabei nimmt er die Schadensberechnung so vor, daß er, weil er den repräsentativen Kurs des irischen Pfundes als näher bei der Realität liegend ansieht, von diesem für Erzeuger günstigeren Umrechnungskurs auch für den englischen Markt und die darauf von ihm vorgenommenen Verkäufe ausgeht. Unter Vernachlässigung der Zeit vom 7. Oktober 1974 bis 10. Oktober 1976, in der der Abstand der Umrechnungskurse unter 10 % lag, kommt er auf diese Weise für den Zeitraum vom 11. Oktober 1976 bis Februar 1979 zu einer Schadenssumme von 9504 Pfund Sterling. Zur Zahlung dieser Summe soll seinem Antrag entsprechend aufgrund von Artikel 178 und 215 Absatz 2 des EWG-Vertrags der Rat verurteilt werden.

Dagegen stellt der Rat den Antrag, die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

Zu diesem Streit sind meines Erachtens folgende Überlegungen anzustellen:

1. 

Die vom Kläger geltend gemachten Fehler — unkorrekte Festsetzung des sogenannten „grünen Pfundes“ für Großbritannien — sollen Akten anhaften, die in einer Reihe von Verordnungen, die ich jetzt im einzelnen nicht aufzuzählen brauche, enthalten sind. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um echte normative Maßnahmen, weil sie jeweils für eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften und Betroffenen von Bedeutung waren.

Wie wir gehört haben, erfolgten die beanstandeten Festsetzungen aufgrund von Artikel 3 der Verordnung Nr. 129, den ich vorhin erwähnt habe. Maßgebende Voraussetzung ist danach, daß außergewöhnliche Währungspraktiken geeignet sind, die Durchführung von Rechtsakten im Sinne des Artikels 1 der Verordnung Nr. 129, also von Rechtsakten zur gemeinsamen Agrarpolitik, zu gefährden. Die möglichen Maßnahmen sind in der genannten Vorschrift nicht näher gekennzeichnet, sondern nur mit der allgemeinen Formulierung „abweichende Maßnahmen“ umschrieben. Nach dem Normzusammenhang ist aber klar, daß sie das Ziel verfolgen müssen, der festgestellten Gefährdung entgegenzuwirken, also im Sinne einer befriedigenden Realisierung der gemeinsamen Agrarpolitik zu wirken. Dies schließt, wie in der Regel bei Akten zur Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik, einen sehr weiten Ermessensraum ein.

Werden bei solchen Sachverhalten — normative Akte mit wirtschaftspolitischem Einschlag, die aufgrund eines weiten Ermessensspielraums ergehen — Amtshaftungsansprüche geltend gemacht, so ist dafür in keinem Fall als Grundvoraussetzung einfache Rechtswidrigkeit ausreichend, sondern es muß, wie in einer ausgedehnten Rechtsprechung inzwischen klargemacht worden ist, „eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, dem Schutz der einzelnen dienenden Rechtsnorm“ dargetan werden (vgl. etwa EuGH 2. Dezember 1971 — Aktien — Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, 5/71 — Slg. 1971, 985).

Diese Formel wurde überdies nach und nach verdeutlicht. Grundsätzlich wurde hervorgehoben, daß eine Haftung, gestützt auf Rechtsnormen mit wirtschaftspolitischem Einschlag, nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen in Betracht kommt. Notwendig ist — dies wurde in dem vor kurzem ergangenen Urteil der Rechtssachen 83 und 94/76 (EuGH 25. Mai 1978 — Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe GmbH & Co. KG und andere/Rat und Kommission — Slg. 1978, 1209) betont —, daß im Falle eines weiten Ermessensspielraumes die Grenzen des Ermessens offenkundig und erheblich überschritten wurden. Dafür reicht, wie vor kurzem in dem Urteil der Rechtssachen 116, 124 und 143/77 (EuGH 5. Dezember 1979 — G. R. Amylum NV und andere/Rat und Kommission) deutlich geworden ist, auch die Feststellung einer offensichtlich unbilligen Belastung im Sinne einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nicht aus. Im Anschluß an meine Schlußanträge zu diesen Rechtssachen — sie betonten, es seien alle Umstände eines Falles, nicht nur ein Aspekt wie der der Diskriminierung zu berücksichtigen, und es müsse ein in der Nähe der Willkür liegender Ermessensfehlgebrauch, also das völlige Fehlen sachgerechter Erwägungen, festgestellt werden — hat der Gerichtshof in dem genannten Urteil gleichfalls gefordert, es seien so schwerwiegende Irrtümer nachzuweisen, daß der angegriffene Akt in die Nähe der Willkür gerate, und er hat dies in dem genannten Fall nicht zuletzt unter Heranziehung typischer agrarpolitischer Erwägungen ausgeschlossen.

Von derartigen Grundsätzen ist also auch bei der Beurteilung des vorliegenden Falles auszugehen.

2. 

Zur Begründung seines Anspruchs hat der Kläger eine Reihe von Rechtsverstößen, die der Rat begangen haben soll, angeführt.

a)

Soweit er sich auf eine Verletzung des Diskriminierungsverbots stützt, von dem nicht nur in Artikel 40 Absatz 3 des EWG-Vertrags gesprochen wird, das in der Gemeinschaftsrechtsordnung vielmehr auch als allgemeiner Rechtsgrundsatz Geltung beansprucht, sehe ich insofern keine Probleme, als in der Rechtsprechung schon wiederholt anerkannt worden ist, daß es sich dabei um eine Schutznorm im Sinne des Amtshaftungsrechts handelt (vgl. etwa Urteil der Rechtssachen 83 und 94/76). Unter diesem Gesichtspunkt, der für den Kläger im Vordergrund steht, wird sein Anspruch vor allem abzuhandeln sein. Dabei geht es — das kann ich schon jetzt sagen — nur um die Frage, ob es als zulässig angesehen werden kann, daß für ein einheitliches Währungsgebiet, wie es für Großbritannien und Irland bis Anfang 1979 vorhanden war, unterschiedliche „grüne Umrechnungskurse“ festgelegt werden. Wenn der Kläger darüber hinaus und eher beiläufig auch von einer Diskriminierung britischer Erzeuger im Verhältnis zu Landwirten in anderen Mitgliedstaaten gesprochen hat — so hat er darauf hingewiesen, daß infolge der repräsentativen Kurse in der Bundesrepublik Deutschland ein um 40 % höheres Preisniveau existiere als in Großbritannien und daß trotz starker Abwertung der Lira der Abstand der italienischen Preise von den Preisen anderer Mitgliedstaaten nicht so groß sei wie der für Großbritannien festzustellende —, so hat das für den vorliegenden Fall nach seinen eigenen Erklärungen weiter keine Bedeutung, weil er nicht in der Lage war, zur Vergleichbarkeit der Situation die notwendigen Elemente zu liefern.

b)

Soweit in den Ausführungen des Klägers auch von anderen Rechtsverstößen die Rede war, ist damit im vorliegenden Fall nichts anzufangen, weil der Kläger nicht zeigen konnte, daß es sich dabei um Schutznormen im Sinne des Amtshaftungsrechts handelt, oder weil er doch zumindest das Vorliegen eines offensichtlichen und hinreichend qualifizierten Verstoßes nicht dartun konnte.

aa)

Dies trifft meines Erachtens für seinen Hinweis darauf zu, daß der Rat in Wahrheit nicht gemeinsame Preise, sondern — über die speziellen Umrechnungskurse — nationale Preise festgelegt habe, was nicht mit der Bestimmung des Artikels 40 — „eine gemeinsame Preispolitik muß auf gemeinsamen Grundsätzen und einheitlichen Berechnungsmethoden beruhen“ — in Einklang stehe. Dies gilt auch für den gleichfalls in diesem Zusammenhang zu erwähnenden Vorwurf, der Rat habe jedenfalls das Zustandekommen echter gemeinsamer Preise nicht intensiv genug angestrebt, indem er die repräsentativen Kurse den monetären Realitäten stärker annäherte.

Hierzu ist einmal darauf hinzuweisen, daß Artikel 40 keineswegs zwingend gemeinsame Preise für die Gemeinschaft vorschreibt, sondern auch Organisationsformen zuläßt, die eine Differenzierung der Preise nach Regionen gestatten. Nicht zu bestreiten ist ferner, daß tatsächlich gemeinsame Preise in Rechnungseinheiten festgesetzt werden, die in Wechselbeziehungen zueinander stehen und ein System gemeinsamer Bezugspunkte mit stark koordinierender Wirkung bilden. Daneben ist aber offensichtlich, daß es infolge'der seit 1971 stark auseinanderlaufenden Währungsentwicklung in den Mitgliedstaaten, die wie die Wirtschaftspolitik Sache der Mitgliedstaaten ist, unmöglich geworden ist, für alle Erzeuger in nationaler Währung dasselbe Preisniveau aufrechtzuerhalten. Für die Aufwert'ungsländer hätte dies nämlich starke Preissenkungen verlangt, die den Erzeugern nicht zuzumuten waren, für die Abwertungsländer dagegen Preissteigerungen für die Verbraucher, die nach der allgemeinen.Wirtschaftsentwicklung untragbar erscheinen mußten. Diesen Einsichten mußte sich der Rat bei der Festlegung der Umrechnungskurse beugen und daraus kann ihm — jedenfalls grundsätzlich — kein Vorwurf gemacht werden.

Wenn der Kläger aber — das Zwingende dieser Entwicklung im Grunde einsehend — hauptsächlich das Ausmaß der festzustellenden Differenzen beklagt und das ernsthafte Bestreben des Rates vermißt, sich der vom Vertrag eigentlich gewollten Idealsituation stärker anzunähern, so muß er sich wohl sagen lassen, er habe nicht dargetan, daß dies in bedeutendem Umfang ohne Gefährdung wesentlicher Interessen möglich war, und daß deshalb zumindest von einer offensichtlichen und schweren Verkennung wichtiger Vertragsprinzipien keine Rede sein kann.

bb)

Entsprechendes trifft auch für die Bemerkungen des Klägers zu, die sich auf eine korrekte Anwendung der Verordnung Nr. 129 und insbesondere ihres Artikels 3 unter anderen Gesichtspunkten als dem der Diskriminierung beziehen.

Dazu wurde geltend gemacht, die sehr allgemein gehaltene Verordnung verlange im Grunde eine vorherige Präzisierung, zumindest aber in der Praxis die Beachtung bestimmter einheitlicher Grundsätze. Weil nach einer bestimmten Zeit eine Neutralisierung monetärer Auswirkungen eintrete, habe die Anpassung an die tatsächliche Währungssituation innerhalb einer bestimmten einheitlichen Frist zu erfolgen. Sicher sei bei der Festlegung repräsentativer Kurse auf eine möglichst enge Beziehung zum Geldmarkt, zur monetären Situation zu achten. Sie habe jedenfalls — wofür die Einschaltung des Währungsausschusses spreche — in tunlichst neutraler Weise, also nach Maßgabe der außergewöhnlichen monetären Praxis, für die der Artikel 3 der Verordnung Nr. 129 drei Beispiele nenne, zu erfolgen. Nicht dagegen dürfe es auf diese Weise zu nationalen Preismanipulationen kommen, denn etwaige strukturpolitische Probleme dürften nicht auf diesem Wege gelöst werden, sondern — soweit es die Marktkräfte nicht zuließen — gegebenenfalls mit Beihilferegelungen.

Meines Erachtens kann man auch in diesem Zusammenhang große Zweifel daran haben, ob die vom Kläger angezogenen Regeln als Schutznormen für einzelne anzusprechen sind, die im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen Bedeutung haben können. Darüber hinaus erscheint es mir aber auch nicht erwiesen, daß sich die angeführten Erfordernisse mit dieser Eindeutigkeit der Verordnung Nr. 129 entnehmen lassen. Tatsächlich ist schwer vorstellbar, daß es auf diesem komplexen Gebiet mit seinen unterschiedlichen und rasch wechselnden Entwicklungen — man denke gerade an die starken kurzfristigen Schwankungen des Pfundes — starre Regeln, etwa über Anpassungsfristen, oder gar irgendwelche Automatismen geben kann. Auch Gilsdorf, ein Kenner dieses Rechtsgebietes, spricht in seiner im Verfahren erwähnten Abhandlung über den Währungsausgleich aus rechtlicher Sicht (Band 21 der Schriftenreihe des Instituts für Landwirtschaftsrecht der Universität Göttingen) davon, daß es außerordentlich schwierig sei, präzise rechtliche Kriterien für die Anwendung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 129 zu entwickeln. Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß die Verordnung Nr. 129 und die dazu ergangenen Änderungsverordnungen gemäß Artikel 43 des EWG-Vertrags erlassen wurden. Sie stellt also ein wichtiges Instrument für die Durchführung der Agrarpolitik dar, und danach erscheint es nicht denkbar, bei ihrer Anwendung — was die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung nahezulegen scheint — speziell agrarpolitsiche Erwägungen nicht zur Geltung kommen zu lassen.

Keinesfalls kann deshalb davon die Rede sein, dem Rat könne ein schwerer, in der Nähe der Willkür liegender Ermessensfehler nachgesagt werden, weil er bei der Anwendung der Verordnung Nr. 129 nicht nur monetäre Gesichtspunkte, sondern auch agrarpolitische Überlegungen berücksichtigt hat.

3. 

Konzentriert man demgemäß die Untersuchung auf den Vorwurf der Diskriminierung, der britische Erzeuger im Verhältnis zu irischen durch die unterschiedliche Festsetzung des Umrechnungskurses für das grüne Pfund unterworfen worden sein sollen, so ist zunächst daran zu erinnern, daß der Kläger diesen Vorwurf damit begründet, daß einerseits zu der fraglichen Zeit die beiden Länder ein einheitliches Währungsgebiet gebildet hätten und daß andererseits die in ihnen tätigen landwirtschaftlichen Erzeuger im Hinblick auf die durch die Abwertung des Pfundes verursachte Kostensteigerung sich in genau der gleichen Situation befunden hätten. Die unterschiedliche Bemessung des Umrechnungskurses für das grüne Pfund, die sich unmittelbar auf die Einkommenshöhe auswirke und zu Wettbewerbsverzerrungen führe, könne deshalb keinesfalls gerechtfertigt werden.

Der Rat dagegen meint, es hätten objektive Gründe für eine Differenzierung vorgelegen, die zumindest den Vorwurf ausschlössen, er habe willkürliche Maßnahmen getroffen. Da es sich um Akte im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik handele, seien die Ziele des Artikels 39 zu berücksichtigen gewesen. Dies könne mit unterschiedlicher Gewichtung geschehen, d. h. dem einen oder anderen Ziel könne — was in der Rechtsprechung schon wiederholt betont worden sei — zeitweise ein Vorrang eingeräumt werden, wobei auch die wirtschaftliche Gesamtsituation in Rechnung zu stellen sei. Da aber die Landwirtschaft und insbesondere die Rindfleischerzeugung offensichtlich in Großbritannien und in Irland von ganz unterschiedlicher Bedeutung seien, müsse es als zulässig angesehen werden, daß bei der Festlegung der Umrechnungskurse in bezug auf Irland mehr auf eine befriedigende Gestaltung des Einkommens der landwirtschaftlichen Erzeuger und in Großbritannien mehr auf eine angemessene Gestaltung der Verbraucherpreise geachtet worden sei.

Dem wiederum hält der Kläger entgegen, der angesprochene notwendige Interessenausgleich — Erzeugereinkommen einerseits und Verbraucherpreise andererseits — dürfe allein angestrebt werden bei der Festlegung der gemeinsamen Preise in Rechnungseinheiten; nicht angängig sei es hingegen, bei ihrer Umrechnung in nationale Währungen zusätzlich territoriale Besonderheiten zu berücksichtigen. Andernfalls, d. h. wenn tatsächlich auf die Wirtschaftslage eines Landes und damit auf seine nationale Wirtschaftspolitik Rücksicht genommen werde, erlaube man Verzerrungen und gelange zu Ergebnissen, die mit den Grundsätzen des Artikels 40 — Preispolitik aufgrund gemeinsamer Grundsätze und einheitlicher Berechnungsmethoden — nicht zu vereinbaren seien. Halte man aber die vom Rat angestellten Überlegungen nicht a priori für unstatthaft, so müsse im vorliegenden Fall einmal bedacht werden, daß die angeführten Umstände immer schon bestanden hätten, daß es aber auseinanderlaufende Umrechnungskurse erst von einem bestimmten Zeitpunkt an und in recht unterschiedlichem Umfang gegeben habe mit der Folge, daß die Agrarpreise in Großbritannien und Irland im Wirtschaftsjahr 1976/77 einen Unterschied von 15 %, im darauffolgenden Jahr einen solchen von 18% und im Wirtschaftsjahr 1978/79 sogar einen Unterschied von 20 % aufgewiesen hätten. Andererseits müsse wenigstens verlangt werden und erwiesen sein, daß etwaige Abweichungen genau dem entsprechen, was nach den zu berücksichtigenden Faktoren (etwa dem unterschiedlichen Produktionsvolumen) als unerläßlich anzusehen sei.

a)

Was diese Auseinandersetzung angeht, so könnte man versucht sein, der klägerischen Argumentation schon mit einem Hinweis auf das Urteil der Rechtssache 138/78 (EuGH 21. Februar 1979 — Hans-Markus Stölting/Hauptzollamt Hamburg-Jonas — Slg. 1979, 713) zu begegnen. In ihm wurde bekanntlich festgehalten, grüne Wechselkurse seien durch die Erfordernisse einer gemeinsamen Agrarpolitik gerechtfertigt. Die Anwendung der landwirtschaftlichen Wechselkurse könne Vor- und Nachteile mit sich bringen, die als Diskriminierung erscheinen könnten. Ausschlaggebend sei aber, daß die grünen Wechselkurse dazu dienten, Währungssituationen zu begegnen, die beim Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen zu wesentlich schwerer wiegenden und allgemeineren Diskriminierungen führen würden. Dies hat man möglicherweise in dem Sinne zu verstehen, daß eine gewisse Diskriminierung bei der Festlegung der grünen Kurse durchaus hinnehmbar erscheint, solange sie nur hinter dem zurückbleibt, was angesichts einer chaotischen Währungsentwicklung anderenfalls an Diskriminierungen eintreten würde.

Angesichts der Tatsache, daß Verordnungen wie die in diesem Verfahren interessierenden nur einstimmig erlassen werden und daß grüne Umrechnungskurse nicht gegen den Willen einer betroffenen Regierung den Währungsrealitäten stärker angepaßt werden können, mag in diesem Zusammenhang ferner ganz allgemein zu überlegen sein, daß es schwer erträglich wäre, britischen Erzeugern aus Gemeinschaftsmitteln über Amtshaftungsansprüche einen Ausgleich von der Art eines deficiency payment dafür zu gewähren, daß die britische Regierung auf Gemeinschaftsebene Umrechnungskurse durchsetzt, die den Erfordernissen der Wirtschaftspolitik folgend mehr den Verbraucher- als den Erzeugerinteressen Rechnung tragen.

Ich möchte aber doch nicht annehmen, daß diese beiden Überlegungen für sich allein geeignet sind, den vorliegenden Fall in befriedigender Weise zu lösen.

b)

Betrachtet man deshalb die klägerische Argumentation näher, so kann man freilich schon ihre Bezugnahme auf das Diskriminierungsverbot in Frage stellen, weil Zweifel daran berechtigt sind, daß sich die englischen und irischen Erzeuger tatsächlich in einer vergleichbaren Lage befinden.

Ich erinnere dazu an das, was der Rat — unwidersprochen — zu der unterschiedlichen Einkommenssituation englischer Landwirte einerseits und irischer andererseits ausgeführt hat, die wohl auf unterschiedliche Strukturen zurückgeht. Auch darf, wenn der Kläger davon spricht, durch die tatsächliche Abwertung des Pfundes sei die Kostensituation in gleicher Weise, nämlich durch einen Kostenanstieg beeinflußt worden, nicht vergessen werden, daß die unterschiedlichen grünen Kurse auch für einen gewissen Ausgleich sorgen. Tatsächlich hat die geringere Abwertung in Großbritannien zur Folge, daß auch die Preise anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse niedriger liegen, und es sind deshalb, soweit diese Preise als Kostenfaktoren in Betracht kommen, die Kälbermäster in Großbritannien in einer günstigeren Lage als die in Irland.

c)

Noch wichtiger aber sind Überlegungen, die eigentlich über das Diskriminierungsverbot und über die Frage hinausgreifen, was in diesem Zusammenhang aufgrund objektiver Tatsachen an Differenzierung zulässig ist, ohne daß gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen wird.

Tatsächlich darf bei einem Amtshaftungsanspruch wie dem hier zu beurteilenden nicht eine auf die angezogene Schutznorm eingeengte Betrachtungsweise Platz greifen. Es ist vielmehr zu fragen, ob — selbst wenn eine gewisse Diskriminierung erkennbar wird — nicht doch im Zusammenhang mit einer differenzierten Behandlung sachgerechte Erwägungen stattgefunden haben, die es jedenfalls ausschließen, von einer so schweren und offensichtlichen Überschreitung der Ermessensgrenzen zu sprechen, daß nahezu der Tatbestand der Willkür erfüllt wird. Dies wird besonders deutlich aufgrund der jüngst zu der Isoglukose-Abgabe ergangenen Urteile (116/77, 124/77 und 143/77). In diesen Fällen stand schon nach der Vorabentscheidung in den Verfahren 103 und 145/77 fest, daß die beanstandete Produktionsabgabe als offensichtlich unbillig im Sinne des Diskriminierungsverbotes zu bezeichnen war. Dennoch wurde — und dafür waren nicht zuletzt agrarpolitische Erwägungen maßgebend — das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch aus normativem Unrecht verneint, weil eine Gesamtbetrachtung zu der Feststellung zwang, es fehle an schwerwiegenden Irrtümern, die die Behandlung der Isoglukoseproduzenten willkürlich erscheinen lasse.

Hält man sich daran, dann ist schwerlich zu bestreiten, daß der Rat für die von ihm getroffene Maßnahme durchaus sachliche Überlegungen von einigem Gewicht angeführt hat. Rechtsakte gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 129 haben — wie schon gesagt — agrarpolitischen Charakter und sind deshalb nach dafür typischen Gedankengängen zu gestalten. Ein solcher ist in Artikel 39 Absatz 2 des EWG-Vertrags aufgezeigt. Danach ist bei der Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik zu berücksichtigen, daß die Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten einen mit der ganzen Volkswirtschaft eng verflochtenen Wirtschaftsbereich darstellt. Dies bedeutet, daß die wirtschaftliche Gesatntsituation in Rechnung zu stellen ist; es kommt also auf die Erzeuger- und die Verbrauchersituation insgesamt und nicht nur auf die individuelle Lage der einzelnen Angehörigen dieser Kreise an. Dies kann durchaus dazu berechtigen, über den nach Artikel 39 ohnehin notwendigen Ausgleich von Erzeuger- und Verbraucherinteressen hinaus, der im Rahmen der Festlegung gemeinsamer Preise vielfach nur unzulänglich gelingen kann, bei der Gestaltung spezieller Maßnahmen wie der nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 129 je nach Mitgliedstaaten unterschiedliche Interessenlagen zur Geltung kommen zu lassen. So ist der Rat offenbar vorgegangen. Man kann schwerlich bestreiten, daß das, was er zur Lage der Landwirtschaft im Rahmen der Gesamtwirtschaft und zur Rinderzucht insbesondere einerseits in Irland und andererseits in Großbritannien ausgeführt hat, eindrucksvoll ist. Ich will es jetzt nicht im einzelnen wiederholen, sondern verweise dazu auf Seite 10 der Klagebeantwortung und die Anhänge zu diesem Schriftsatz. Wichtig ist danach, daß Irland überwiegend ein Erzeuger- und Exportland ist, wogegen Großbritannien als Verbraucherland anzusprechen ist. Hält man sich das vor Augen und bedenkt man außerdem, daß Großbritannien vor dem Beitritt eine Politik der niedrigen Verbraucherpreise verfolgt hat, deren durch den Vertrag notwendig gewordene Änderung durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Jahre 1973 bis 1977 ohnehin beträchtlich erschwert worden ist, so kann man es nicht als abwegig, jedenfalls nicht als offensichtlich unsachgemäß bezeichnen, daß bei der Festlegung der grünen Kurse für Großbritannien der Akzent mehr auf die Verbraucherinteressen gelegt worden ist. Wenn es auf diese Weise zu einem Umrechnungskurs kam, der nicht nur gravierende nationale Interessen im Rahmen einer von der Gemeinschaft gutgeheißenen Konjunkturpolitik und Politik der Inflationsbekämpfung berücksichtigt, sondern auch den Interessen der gemeinsamen Agrarpolitik Rechnung trägt, indem er den Produktionsumfang in Großbritannien beeinflußt, so ist nach meiner Überzeugung in bezug auf einen solchen Akt sicher nicht die Feststellung erlaubt, er bewege sich in der Nähe der Willkür. Gilt dies grundsätzlich, so können der Hinweis des Klägers auf die nicht gleichförmige Entwicklung der unterschiedlichen grünen Kurse und sein Standpunkt, es müsse wenigstens verlangt werden, daß sich die Abweichungen genau nach dem Ausmaß der bei den relevanten Faktoren (etwa Produktionsdefizit in Großbritannien) festgestellten Unterschiede richteten, zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Insofern fehlt es einfach an ausreichenden Belegen für eine offensichtlich unkorrekte Handhabung. Tatsächlich hat der Kläger nicht gezeigt, daß die Gemeinschaftsmaßnahmen zur Festlegung der Umrechnungskurse eindeutig über das nach der jeweiligen Situation Notwendige hinausgegangen seien, und auch nicht deutlich gemacht, daß die Entwicklung der Wirtschaftslage keinerlei Anlaß gegeben habe, die Abweichungen zwischen den Grünen Pfunden im Laufe der Zeit unterschiedlich zu gestalten.

4. 

Zusammenfassend stelle ich fest: Auch wenn ein Gefühl des Unbehagens nicht zu unterdrücken ist und gewisse Bedenken zu Recht bestehen, wenn man deshalb nicht nachdrücklich genug das Bestreben der Kommission, zu für den Gemeinsamen Markt angemesseneren Lösungen zu kommen, gutheißen kann und dementsprechend dem Rat nicht nachdrücklich genug einschärfen kann, sich solchen Anregungen im Interesse der Erhaltung eines echten Gemeinsamen Marktes nicht zu verschließen, so bleibt trotzdem im vorliegenden Fall nur die Schlußfolgerung, daß die nach der Rechtsprechung geltenden außerordentlich strengen Voraussetzungen für einen auf normatives Unrecht gestützten Amtshaftungsanspruch nicht erfüllt sind. Da es nach allem, was ausgeführt wurde, an einer ausreichend qualifizierten Verletzung einer höherrangigen Schutznorm fehlt, bedarf es keiner weiteren Bemerkungen zum Umfang der angeblichen Schädigung und zu Problemen des ursächlichen Zusammenhangs.

5. 

Ich schlage deshalb vor, die Klage als unbegründet abzuweisen, Bei der Kostenentscheidung halte ich es allerdings für angebracht, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß es sich um eine außerordentlich komplexe Materie handelt, die Bedenken zu Recht aufkommen lassen konnte; gemäß Artikel 69 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung sollten die Kosten daher gegeneinander aufgehoben werden.

Top