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Document 61979CC0030

Schlussanträge des Generalanwalts Warner vom 27. November 1979.
Land Berlin gegen Firma Wigei, Wild-Geflügel-Eier-Import GmbH & Co. KG.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesverwaltungsgericht - Deutschland.
Gebühren für Gesundheitskontrollen.
Rechtssache 30/79.

Sammlung der Rechtsprechung 1980 -00151

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1979:266

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN-PIERRE WARNER

vom 27. november 1979 ( 1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

Diese Rechtssache ist im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesverwaltungsgerichts vor den Gerichtshof gelangt.

Revisionskläger im Ausgangsverfahren ist das Land Berlin. Revisionsbeklagte ist die Firma Wigei Wild-Geflügel-Eier-Import GmbH und Co. KG, im folgenden „Firma Wigei“ genannt.

Im Juli 1976 führte die Firma Wigei mehrere Partien von tiefgefrorenem Geflügelfleisch aus Ungarn nach Berlin (West) ein. Gemäß den einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften zog das Land Berlin die Firma Wigei für diese Einfuhren zu Gebühren in Höhe von 0,02 DM pro Kilogramm für die gesundheitsrechtliche Einfuhruntersuchung heran. Die Firma Wigei bezahlte diese Gebühren und klagte nachträglich vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Rückzahlung des gesamten Betrages, da die Erhebung dieser Gebühren gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Das Verwaltungsgericht folgte dieser Ansicht und verurteilte das Land Berlin zur Rückzahlung der Gebühren in Höhe von 7636,60 DM an die Klägerin.

Das Land Berlin hat hiergegen im Wege der Sprungrevision das Bundesverwaltungsgericht angerufen.

Die Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch — die mit Wirkung vom 1. November 1975 an die Stelle der mehrfach abgeänderten Grundverordnung Nr. 123/67/EWG des Rates zur Errichtung dieser Marktorganisation getreten ist — bestimmt in Artikel 11 Absatz 2:

„Vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung oder vorbehaltlich einer vom Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschlossenen Ausnahme ist folgendes untersagt:

die Erhebung von Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung,

die Anwendung von mengenmäßigen Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung.“

Aus dem Kontext dieser Vorschrift ergibt sich eindeutig — und niemand bestreitet dies _ daß sie auf den Handel mit Drittländern Anwendung findet.

Es ist ebenfalls unbestritten, daß die der Firma Wigei auferlegten Gebühren solche mit zollgleicher Wirkung sind, wie dies sowohl vom Verwaltungsgericht als auch in dem Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichts angenommen wird.

Die schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung erweckten den Eindruck, sie widerspreche dieser Annahme. In der schriftlichen Antwort auf eine ihr vom Gerichtshof gestellte Frage wie auch in der mündlichen Verhandlung hat die deutsche Regierung jedoch klargestellt, daß dem nicht so sei. Die Verordnung Nr. 2777/75 enthält keine Bestimmung, wonach Gebühren der in Frage stehenden Art vom Verbot des Artikels 11 Absatz 2 ausgenommen sind. Die Vereinbarkeit derartiger Gebühren mit dem Gemeinschaftsrecht hängt daher davon ab, ob in irgendeinem anderen Gemeinschaftstext eine einschlägige, „vom Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschlossene“ Ausnahme von der Vorschrift des Artikels 11 Absatz 2 enthalten ist.

Nach dem Vorbringen des Landes Berlin, das von der deutschen Regierung und der Kommission unterstützt wird, ist eine derartige Ausnahmevorschrift in der Richtlinie Nr. 71/118/EWG des Rates enthalten, die (unter anderem) gesundheitliche Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Geflügelfleisch regelt. Laut ihrer Präambel ist diese Richtlinie vom Rat auf Vorschlag der Kommission und darüber hinaus — ich erwähne dies im Hinblick auf ein von der Firma Wigei in das Verfahren eingebrachtes Argument — nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses beschlossen worden. Artikel 15 dieser Richtlinie bestimmt:

„Bis zum Inkrafttreten einer Gemeinschaftsregelung für die Einfuhren von frischem Geflügelfleisch aus dritten Ländern wenden die Mitgliedstaaten bei diesen Einfuhren Vorschriften an, die denen dieser Richtlinie mindestens gleichwertig sind.“

Im Zeitpunkt der hier strittigen Einfuhren war noch keine „Gemeinschaftsregelung für die Einfuhren von frischem Geflügelfleisch aus dritten Ländern“ in Kraft getreten. Tatsächlich ist meines Wissens auch seither noch keine derartige Regelung wirksam geworden.

In der Rechtssache 70/77 (Simmentbai/Finanzverwaltung, Slg. 1978, 1453, die ich im folgenden als Rechtssache 70/77 bezeichnen werde, um sie von anderen Simmenthal-Rechtssachen zu unterscheiden), hatte der Gerichtshof parallele Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über den Handel mit frischem Fleisch zu beurteilen, und zwar insbesondere Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, der ein — dem Wortlaut des Artikels 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2777/75 vergleichbares — Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung sowie von mengenmäßigen Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung enthält, und Artikel 9 der Richtlinie Nr. 64/433/EWG des Rates zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch, der eine dem Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 entsprechende Vorschrift über die Einfuhr aus Drittländern enthält. Der Gerichtshof entschied, daß Artikel 9 den Zweck hat, „vorläufig — bis zur Anwendung des Gemeinschaftssystems für die Einfuhr von frischem Fleisch aus dritten Ländern — eine Regel für die in Kraft gebliebenen einzelstaatlichen Bestimmungen aufzustellen, um zu verhindern, daß diese weniger streng oder mit weniger Kosten verbunden sind als das in der Richtlinie für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr vorgesehene Kontrollsystem“. Diese Regelung soll „offensichtlich dafür sorgen ..., daß diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die aus der Gemeinschaft stammendes frisches Fleisch auf den Markt bringen, nicht gegenüber ihren Konkurrenten, die Fleisch aus Drittländern einführen, benachteiligt werden“. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sie nicht nur für die Kontrollen selbst, sondern auch für die aus diesem Anlaß erhobenen Gebühren gilt (vgl. Slg. 1978, 1476). Unter Bezugnahme auf andere gemeinschaftsrechtliche Texte, die ähnliche Bestimmungen enthalten, darunter Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118, gelangte der Gerichtshof zu folgendem Schluß:

„Aus diesen Überlegungen folgt, daß Artikel 9 der Richtlinie 64/433 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 805/68 hinsichtlich der viehseuchenrechtlichen und Genußtauglichkeitskontrollen von frischem Fleisch aus dritten Ländern vom Verbot der Erhebung von Gebühren für viehseuchenrechtliche Kontrollen abweicht, soweit dies erforderlich ist, um eine nichtdiskriminierende Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer, die im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr frisches Fleisch auf den Markt bringen und deshalb der Zahlung von Gebühren für die viehseuchenrechtliche Kontrolle im Versandland unterliegen, einerseits und derjenigen, die aus Drittländern einführen, andererseits zu gewährleisten, vorausgesetzt, daß diese Gebühren die tatschächlichen Kosten für die Kontrolle nicht übersteigen.“

Die Bezugnahme auf „Gebühren für die viehseuchenrechtliche Kontrolle im Versandland“ betrifft natürlich Gebühren, die rechtmäßig erhoben wurden, wie der Gerichtshof in der Rechtssache 46/76 (Bauhuis/Niederlancie, Slg. 1977, 5) ausgeführt hat.

Bei der Anwendung von Vorschriften wie Artikel 9 der Richtlinie Nr. 64/433 und Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 — in der Auslegung des Gerichtshofes in der Rechtssache 70/77 — ergeben sich zwei Probleme:

Das erste Problem ist bedingt durch den Umstand, daß die Höhe der für Ausfuhren erhobenen Gebühren nicht in allen Mitgliedstaaten übereinstimmt. In der Rechtssache Baubuis/Niederlande hat der Gerichtshof dies als unvermeidbar anerkannt, solange eine Angleichung nicht erfolgt sei (vgl. Rdnrn. 35 f. des Urteils, a. a. O). Es gibt also keinen festen Maßstab, anhand dessen die Mindesthöhe für auf Einfuhren aus Drittländern erhobene Gebühren bestimmt werden könnte.

Wie sich aus seinem Vorlagebeschluß entnehmen läßt, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, daß dieses Problem nur in der Weise gelöst werden könne, daß jeder Mitgliedstaat die von ihm für den Export in andere Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren zum Maßstab nehme. Diese Lösung erscheint mir einleuchtend und sowohl mit Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 als auch mit den einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs vereinbar. Davon abgesehen hat das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof aber keine diesbezügliche Frage vorgelegt.

Das zweite Problem besteht in folgendem:

Wie uns die Kommission erklärt hat, sind für die Mitgliedstaaten zwei Lösungsmodelle zur Gewährleistung der gesundheitsrechtlichen Unbedenklichkeit von Geflügelfleischeinfuhren aus Drittländern denkbar:

Nach dem einen beschränkt sich der Mitgliedstaat auf eine Überprüfung im Rahmen einer Einfuhrkontrolle. In diesem Fall stellt sich das hier behandelte Problem nicht.

Der Mitgliedstaat kann jedoch auch das von der Kommission so genannte „gemischte“ Modell anwenden, wonach er Einfuhren nur gestattet, wenn im ausführenden Drittland bestimmte vorgeschriebene Maßnahmen getroffen worden sind, um die Unbedenklichkeit des Fleisches zu gewährleisten, und er auch selbst das Fleisch bei der Einfuhr untersucht. Nach Ansicht der Kommission ist das gemischte Modell aus technischen Gründen wirkungsvoller. Im übrigen gestatte es dieses Modell, die Einfuhruntersuchungen weniger streng und daher mit geringerem Kostenaufwand durchzuführen.

Ein derartiges gemischtes Modell gilt auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Nach den deutschen Vorschriften ist die Einfuhr von Geflügelfleisch aus Drittländern in die Bundesrepublik Deutschland nur zulässig, wenn das Fleisch von Geflügel stammt, das in dem Drittland in einem vom zuständigen Bundesminister anerkannten Schlachtbetrieb geschlachtet worden ist, wenn das Fleisch in dem Drittland der nach deutschem Recht vorgeschriebenen Untersuchung unterzogen und darüber eine Bescheinigung ausgestellt worden ist und wenn die im einzelnen erforderlichen Handlungen (wie Zerlegen, Kühlen, Verpacken, Lagern) den Standards der deutschen Vorschriften entsprechend ausgeführt worden sind. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Vorlagebeschluß ausführt, unterscheiden sich diese Anforderungen nicht von denen der Richtlinie Nr. 71/118 hinsichtlich der Ausfuhr von Geflügelfleisch aus einem Mitgliedstaat in einen anderen.

Zusätzlich schreibt das deutsche Recht für Geflügelfleisch eine Eingangsuntersuchung vor. Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierzu fest, diese Untersuchung diene der Kontrolle, ob das Fleisch in der vorgeschriebenen Form gekennzeichnet und die erforderliche Bescheinigung beigefügt sei und ob es sich aufgrund entnommener Proben als genußtauglich erweise. Da diese Untersuchung weniger streng als die Untersuchung von zur Ausfuhr in einen anderen Mitgliedstaat bestimmten, im Inland erzeugtem Fleisch sei, würden hierfür auch niedrigere Gebühren erhoben. Ich habe bereits erwähnt, daß diese DM 0,02 pro Kilogramm betragen. Bei der Ausfuhr von Geflügelfleisch in einen anderen Mitgliedstaat beträgt die Gebühr DM 0,04 pro Kilogramm (ab 5000 kg DM 0,03 pro kg).

Sie werden sich daran erinnern, daß — wie in der Rechtssache Bauhuis/Niederlande für Recht erkannt worden ist — ein Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie Nr. 71/118 Gebühren für die Untersuchung von Fleisch, das in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt werden soll, erheben darf (soweit die Gebühr nicht die Untersuchungskosten übersteigt), daß demgegenüber bei der Einfuhr die Mitgliedstaaten nur gelegentlich Kontrollen durchführen und dafür keine Gebühren erheben dürfen.

Die Firma Wigei hat im Ausgangsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgetragen, wenn ein ausführendes Drittland (in diesem Fall Ungarn) Gebühren für vom deutschem Recht geforderte Untersuchungen erhebe und die Anforderungen des deutschen Rechts an das ausführende Drittland den Vorschriften entsprächen, die die Richtlinie Nr. 71/118 für die Ausfuhr aus Mitgliedstaaten aufstelle, bedeute es eine Diskriminierung der Importeure, die aus Drittländern einführten, falls ihnen zusätzlich für die von den deutschen Behörden selbst an der Grenze vorgenommenen Untersuchungen Gebühren abverlangt würden.

Dieser Sachverhalt liegt der folgenden, vom Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof vorgelegten Frage zugrunde:

„Gestattet Artikel 15 der Richtlinie 71/118/EWG des Rates ... die Erhebung kostendeckender Gebühren für eine Einfuhruntersuchung von aus Drittländern stammenden frischen Geflügelfleisch, die sich darauf erstreckt, ob die Sendungen mit den erforderlichen Kennzeichnungen und Bescheinigungen versehen sind und ob sich aufgrund entnommener Proben das zur Einfuhr gestellte Geflügelfleisch als genußtauglich erweist, wenn nach dem Recht des Mitgliedstaats die Einfuhr solchen Fleisches nur unter der Voraussetzung gestattet ist, daß im Ausfuhrland alle gesundheitsrechtlichen Vorschriften beachtet worden sind, welche die genannte Richtlinie im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr dem Versandland auferlegt und wenn hierfür vom Drittland nach dessen Recht Gebühren erhoben werden?

Kommt es darauf an, wie hoch die im Drittland erhobenen Gebühren sind?“

Nach meiner Ansicht ist auf das Vorbringen der Firma Wigei zu erwidern, daß es keinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach eine Diskriminierung von Einfuhren aus Drittländern gegenüber solchen aus Mitgliedstaaten verboten ist.

Es besteht vielmehr ein Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz. Das Beispiel des Gemeinsamen Zolltarifs macht dies schon hinreichend deutlich. Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 spiegelt diesen Grundsatz insoweit wider, als er die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Einfuhren aus Drittländern Vorschriften anzuwenden, die denen dieser Richtlinie „mindestens gleichwertig“ und nicht lediglich „gleichwertig“ sind. Überdies wird durch die Worte „mindestens gleichwertig“ den Mitgliedstaaten eindeutig ein Ermessen eingeräumt — allerdings ein gebundenes Ermessen, wie der Gerichtshof in der Rechtssache 70/77 entschieden hat, insofern als die erhobenen Gebühren die Kosten der Untersuchung nicht übersteigen dürfen. Sollten sie nämlich diese Kosten übersteigen, so würde dies eine einseitige Erhöhung der nach dem Gemeinsamen Zolltarif zu erhebenden Abgaben bedeuten, was selbstverständlich rechtswidrig wäre. Die Nichtdiskriminierung, die der Gerichtshof in der Rechtssache 70/77 gewährleisten wollte, war die Nichtdiskriminierung der Wirtschaftsteilnehmer im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr gegenüber solchen, die aus Drittländern einführen. Diese Entscheidung kann nicht so ausgelegt werden, als verlange sie auch in umgekehrter Richtung die Beachtung des Diskriminierungsverbots. Es scheint mir klar zu sein, daß die in einem ausführenden Drittland erhobenen Gebühren nicht zu berücksichtigen sind. Denn entweder übersteigen sie nicht die Kosten für die in diesem Land gemäß den Vorschriften des einführenden Mitgliedstaats durchgeführten Untersuchungen — und in diesem Fall entsprechen sie dem nach Gemeinschaftsrecht im Rahmen des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs zulässigen Gebühren — oder sie übersteigen diese Kosten — und stellen insoweit eine von jenem Staat auf seine Ausfuhren erhobene Abgabe dar, die gemeinschaftsrechtlich unerheblich ist.

Was die von einem Mitgliedstaat erhobenen Gebühren für an der eigenen Grenze durchgeführte Kontrollen angeht, so scheint mir die Feststellung zu genügen, daß deren Erhebung sich im Rahmen des den Mitgliedstaaten durch Artikel 15 eingeräumten Ermessens bewegt, vorausgesetzt natürlich, daß die Gebühren nicht die Kosten jener Kontrollen übersteigen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Firma Wigei ihr Vorbringen noch erweitert. Sie ist der Ansicht, Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 könne nicht als Ausnahme von Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2777/75 angesehen werden, zumindest nicht von den die Gebühren mit zollgleicher Wirkung betreffenden Bestimmungen des Artikels 11 Absatz 2. Das läuft natürlich auf die Behauptung hinaus, daß die Ausführungen, die der Gerichtshof hierzu in der Rechtssache 70/77 gemacht hat, unzutreffend seien.

Zur Unterstützung ihres Vortrags hat sich die Firma Wigei auf die Ratsrichtlinien Nr. 72/462/EWG und Nr. 77/99/EWG bezogen und hervorgehoben, daß diese Richtlinien Untersuchungskosten ausdrücklich erwähnten, wohingegen das bei der Richtlinie Nr. 71/118 nicht der Fall sei.

Dies halte ich für völlig unbeachtlich.

Die Richtlinie Nr. 72/462 betrifft „viehseuchenrechtliche und gesundheitliche Fragen bei der Einfuhr von Rindern und Schweinen und von frischem Fleisch aus Drittländern“ (Geflügelfleisch fällt nicht unter den Begriff „frisches Fleisch“ im Sinne dieser Richtlinie). Der Gerichtshof hat die Richtlinie in der Rechtssache 70/77 sorgfältig geprüft; seine einzige diesbezügliche Feststellung war indessen die, daß diese Richtlinie mangels der erforderlichen Durchführungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene noch nicht anwendbar sei, ausgenommen bezüglich der Durchfuhr von Gütern durch die Gemeinschaft von einem Drittland nach einem anderen. Die Bestimmungen der Richtlinie Nr. 72/462 standen nicht im Zusammenhang — und ein solcher Zusammenhang konnte schon aus Gründen der Logik nicht bestanden haben — mit dem hier interessierenden Teil der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache 70/77.

Die Richtlinie Nr. 77/99 betrifft „gesundheitliche Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen“. Fleisch, das lediglich einer Kältebehandlung unterzogen worden ist — wie das Geflügelfleisch im vorliegenden Fall —, fällt nicht unter, den Begriff „Fleischerzeugnisse“ in dieser Richtlinie. Anders als die Richtlinie Nr. 72/462 betrifft die Richtlinie Nr. 77/99 jedoch den innergemeinschaftlichen Handel und ist der Richtlinie Nr. 71/118 parallel — in dem Sinne, wie ich den Begriff „parallel“ bereits oben benutzt habe. Indessen findet sich die einzige Bezugnahme auf Untersuchungsgebühren — die einzige jedenfalls, auf die von sehen der Firma Wigei hingewiesen wurde und die ich selbst finden konnte — in Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie Nr. 77/99. Darin wird auf die von „Sachverständigen der Mitgliedstaaten und der Kommission“ durchgeführten Überprüfungen der gemäß Artikel 6 zugelassenen Betriebe Bezug genommen. Dies betrifft schwerlich die hier erörterte Frage.

Die Firma Wigei hat des weiteren vorgetragen, eine Ausnahmevorschrift zu Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2777/75 müsse vom Rat nach dem in Artikel 43 Absatz 2 des EWG-Vertrages vorgesehenen Verfahren verabschiedet werden, und sie müsse hinreichend bestimmt sein. Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 entspreche nicht diesem Bestimmtheitserfordernis, und bei der Verabschiedung der hier in Rede stehenden deutschen Bestimmungen sei nicht das in Artikel 43 Absatz 2 vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden.

Die Richtlinie Nr. 71/118 ist — wie ich bereits erwähnt habe — vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen worden; sie ist mithin unter Beachtung des in Artikel 43 Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht hängt die Gültigkeit der hier streitigen deutschen Rechtsvorschriften ausschließlich davon ab, ob diese mit Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 vereinbar sind. Ich kenne keinen Grundsatz, wonach der Rat gehindert wäre, Mitgliedstaaten zur Ausübung eines gebundenen Ermessens zu ermächtigen, wie in jenem Artikel geschehen; auch die Firma Wigei hat nichts für das Bestehen eines derartigen Grundsatzes vorgetragen.

Ich möchte daher dieses weitere Vorbringen der Firma Wigei zurückweisen.

Im Ergebnis schlage ich vor, auf die vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Frage zu antworten, daß Artikel 15 der Richtlinie Nr. 71/118 es unter den in der Frage genannten Voraussetzungen zuläßt, Gebühren zu erheben, die die Kosten für die Einfuhruntersuchungen nicht überschreiten, und daß die Höhe von Gebühren, die bereits im ausführenden Drittland erhoben worden sind, hierbei unbeachtlich ist.


( 1 ) Aus dem Englischen übersetzt.

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