Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61976CC0011

    Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Capotorti vom 5. Dezember 1978.
    Regierung des Königreichs der Niederlande gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    EAGFL.
    Rechtssache 11/76.
    Französische Regierung gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    EAGFL.
    Verbundene Rechtssachen 15 und 16/76.
    Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    EAGFL.
    Rechtssache 18/76.

    Sammlung der Rechtsprechung 1979 -00245

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1978:220

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    FRANCESCO CAPOTORTI

    VOM 5. DEZEMBER 1978 ( 1 )

    Herr Präsident,

    meine Henen Richter!

    1. 

    Die Schlußanträge, die ich Ihnen heute vortrage, betreffen vier Klagen, die von der holländischen Regierung (Rechtssache 11/76), der französischen Regierung (verbundene Rechtssachen 15 und 16/76) und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland (Rechtssache 18/76) erhoben worden sind. Die Klägerinnen beantragen die Aufhebung der Entscheidungen der Kommission betreffend die Rechnungsbeschlüsse des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, für die Haushaltsjahre 1970 und 1971, in denen die Kommission es abgelehnt hat, gewisse Ausgaben als zu Lasten des Fonds gehend anzuerkennen, die von den drei Staaten im Zusammenhang mit der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik getätigt worden waren.

    Die Haltung der Kommission ist im wesentlichen in ihrer Auffassung begründet, daß die fraglichen Ausgaben im Lichte der Gemeinschaftsregelung nicht formgerecht oder völlig ungerechtfertigt gewesen seien. Der Standpunkt der drei Regierungen stützt sich in vielen Fällen auf eine von derjenigen der Kommission abweichende Auslegung der einschlägigen Vorschriften, die die getätigten Ausgaben und daher die entsprechende finanzielle Belastung des EAGFL rechtfertigen soll. In anderen Fällen jedoch gestehen die Klägerinnen zu, daß die Ausgaben, deren Erstattung sie begehren, keine objektive Grundlage in den Gemeinschaftsvorschriften finden, da sie infolge einer irrigen Auslegung dieser Vorschriften oder zu dem Zweck getätigt wurden, eine angeblich unbillige Sachbehandlung zu vermeiden. Nichtsdestoweniger sind die Klägerinnen der Auffassung, daß die entsprechenden finanziellen Lasten gleichwohl von der Gemeinschaft zu tragen seien; zur Unterstützung dieser Auffassung bringen sie eine Reihe von Erwägungen zu den Kriterien vor, nach denen sich die Belastung der Gemeinschaft mit Ausgaben richten soll, die von den nationalen Stellen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik für ihre Rechnung bewirkt werden. In Anbetracht der allgemeinen Art dieser Erwägungen halte ich es für erforderlich, sie vor der Erörterung der einzelnen Sachverhalte zu untersuchen, hinsichtlich deren die Kommission die Zahlung verweigert hat.

    2. 

    Die angefochtenen Entscheidungen stützen sich auf Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 und auf Artikel 8 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972. Erstere betrifft die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, letztere den Rechnungsabschluß der Abteilung Garantie des EAGFL.

    Nach der erstgenannten Bestimmung schließt die Kommission „nach Anhörung des in Artikel 11 genannten Fondsausschusses … vor Ende des darauffolgenden Jahres die Rechnungen der [nationalen] Dienststellen und Einrichtungen auf der Grundlage der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Unterlagen ab“.

    Die andere vorgenannte Bestimmung stellt klar, daß die Entscheidung über den Rechnungsabschluß „die Feststellung der Höhe der in jedem Mitgliedstaat im Laufe des betreffenden Jahres vorgenommenen Ausgaben, die als zu Lasten des EAGFL, Abteilung Garantie, gehend anerkannt werden“, umfaßt.

    Es ist festzuhalten, daß die Ausgaben für die gemeinsame Agrarpolitik bis einschließlich 1970 von den Mitgliedstaaten ausgelegt und in der Folge von der Gemeinschaft erstattet wurden. Dagegen ist man ab Januar 1971 kraft der Verordnung Nr. 729/70 zur Direktfinanzierung der Erstattungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern und der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte durch die Gemeinschaft übergegangen. Die Kommission stellt den Mitgliedstaaten die Mittel zur Verfügung, die erforderlich sind, damit die zuständigen nationalen Stellen die Zahlungen für die genannten beiden Arten und Maßnahmen durchführen können. Im Laufe des Jahres gewährt die Kommission den nationalen Stellen Vorschüsse. Anschließend übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission die Jahresrechnungen über die von den jeweiligen Dienststellen und Einrichtungen vorgenommenen Finanzierungen der genannten Art und fügen die erforderlichen Belege bei.

    Der Rechnungsabschluß ist daher mehr als eine schlichte Rechenaufgabe. Für die Verrechnung der von der Gemeinschaft gewährten Vorschüsse mit den von den Staaten bewirkten Zahlungen ist es erforderlich, daß diese letzteren abschließend als zu Lasten des EAGFL, Abteilung Garantie, gehend anerkannt sind. Ein besonderes Verwaltungsverfahren für die Lösung der Probleme, die im Zusammenhang mit der Belastung des EAGFL mit von nationalen Stellen durchgeführten Zahlungen auftreten können, ist nicht vorgesehen. Daher werden die Voraussetzungen, von denen die Übernahme dieser Ausgaben zu Lasten des EAGFL abhängt, im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens geprüft.

    Offenkundig sind bei der Durchführung der fraglichen Zahlungen durch die Mitgliedstaaten auf Rechnung der Gemeinschaft Unregelmäßigkeiten möglich. Diesen Fall betrifft Artikel 8 der Verordnung Nr. 729/70, nach dessen Absatz 1 die Mitgliedstaaten unter anderem verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, sowie um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen, insbesondere den Stand der Verwaltungs und Gerichtsverfahren, mit. Absatz 2 enthält folgende Bestimmung: „Erfolgt keine vollständige Wiedereinziehung, so trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind.“

    3. 

    Die Auslegung dieser Bestimmung ist Gegenstand der ersten allgemeinen Vorfrage, die den Klagen der holländischen und der deutschen Regierung gemeinsam ist. Es geht dabei um die Frage, ob Artikel 8 im wesentlichen die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse einzelner betrifft, die der Mitgliedstaaten jedoch nur hinsichtlich des Vorgehens ihrer Verwaltungen oder Einrichtungen gegenüber diesem privaten Verhalten, oder ob er im Gegenteil die Anlastung sämtlicher Kosten regelt, die aus Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen entstehen, gleich ob sie von einzelnen oder von den nationalen Verwaltungen begangen wurden.

    Zur Unterstützung der ersteren Lösung weist die Kommission insbesondere auf Artikel 2 und 3 der genannten Verordnung hin, die die gemeinschaftliche Finanzierung der Erstattungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern und der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte regeln, sich aber nur auf Erstattungen und Interventionen beziehen, die „nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte“ gewährt bzw. vorgenommen werden. Nach Auffassung der Kommission bedeutet dies, daß der EAGFL rechtmäßig nicht die Lasten staatlicher Maßnahmen übernehmen könne, die nicht im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften getroffen worden seien. Daraus folge, daß in der Regel zu Lasten der EAGFL keine Zahlungen übernommen werden könnten, die von staatlichen Stellen objektiv nicht ordnungsgemäß geleistet worden seien, soweit keine Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse einzelner (wie zum Beispiel im Fall des Betruges) vorlagen. Nur in diesem Fall sei die Belastung der Gemeinschaft gerechtfertigt; der Staat habe sich trotzdem zu verantworten, wenn seinen mit der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik betrauten Stellen selbst Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse anzulasten seien (beispielsweise durch ungenügende Vorabkontrollen, durch Versäumnisse bei der Durchführung der Wiedereinziehung der ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen und ähnliches).

    Dem widerspricht völlig die Auffassung der Regierungen der Niederlande und der Bundesrepublik. Danach regelt Artikel 8 Absatz 2 ganz allgemein die Frage der Anlastung nicht ordnungsgemäß geleisteter Zahlungen auch über die Fälle hinaus, in denen die Unregelmäßigkeit auf dem Verhalten einzelner beruhe. Wir haben gesehen, daß nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung die Mitgliedstaaten nur die Kosten zu tragen haben, „die den Verwaltungen oder Einrichtungen [jedes von ihnen] anzulasten sind“; wenn man dieser Bestimmung also eine Tragweite beimißt, die alle Fälle von Unregelmäßigkeiten erfaßt, an denen staatliche Stellen beteiligt sind, ergibt sich deshalb ein grundlegend anderes allgemeines Kriterium für die Aufteilung der Lasten nicht ordnungsgemäßer Zahlungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, als es von der Kommission aus den Artikeln 2 und 3 der Verordnung abgeleitet wird.

    Zur Unterstützung ihrer Auffassung tragen die Klägerinnen Argumente vor, die sie den Grundmerkmalen der Interventionsregelung entnehmen. Ihrer Auffassung nach muß sich diese Regelung infolge der Einführung des Systems der „Direktfinanzierung“ im allgemeinen auf Gefahr der Gemeinschaft abwickeln. Außerdem stehe außer Zweifel, daß das Interventionssystem zur gemeinsamen Agrarpolitik gehöre, die ausschließlich gemeinschaftlich sei. Wenn daher die Staaten bei der Anwendung der gemeinschaftlichen Interventionsmaßnahmen für Rechnung der Gemeinschaft tätig seien, so entspreche es der Logik des Systems, daß sich ihre Haftung für nicht ordnungsgemäße Zahlungen auf Fälle beschränke, in denen ihnen bestimmte Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse anzulasten seien.

    Hierzu ist zu sagen, das diese Auffassung der erforderlichen Klarheit ermangelt, solange der Begriff der „Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die dem Staat anzulasten sind“, nicht geklärt ist.

    Im Bewußtsein dessen liefert die niederländische Regierung einige Klarstellungen in dieser Hinsicht. Sie hält eine nicht ordnungsgemäße Zahlung für unentschuldbar, wenn sie auf mangelhafter Kenntnis nationaler Beamter von Gemeinschaftsnormen beruht. Anlaß für die Haftung des Staates seien auch Fehler bei der Auslegung von Gemeinschaftsvorschriften, wenn diese Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles vernünftigerweise einem objektiven sachverständigen Beobachter unvertretbar erscheint. Im wesentlichen geht die Vorstellung der Regierung der Niederlande wohl dahin, daß den Mitgliedstaaten finanzielle Folgen von Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Agrarregelung nur anzulasten sind, wenn schwere Versäumnisse ihrer Dienststellen vorliegen.

    Die Kommission ihrerseits weist darauf hin, daß sie nicht befugt sei, sich unmittelbar an die nationalen Interventionsstellen zu wenden, um ihnen Anweisungen für die Durchführung des Agrarrechts zu geben; sie habe auch keine Kontrollbefugnis, die es ihr erlauben würde, die nationalen Stellen an einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Vorschriften zu hindern. Die innerstaatlichen Behörden seien bei der Durchführung des gemeinschaftlichen Agrarrechts vollkommen selbständig; dieser Selbständigkeit muß nach Auffassung der Kommission eine gleichfalls sehr weitgehende Haftung der Staaten für die von ihren Dienststellen in diesem Zusammenhang begangenen Unregelmäßigkeiten entsprechen.

    4. 

    Meines Erachtens besteht das ganze Problem darin, festzustellen, ob der für die Belastung der Gemeinschaft mit den in der Verordnung Nr. 729/70 vorgesehenen Zahlungen geltende allgemeine Grundsatz aus den Artikeln 2 und 3 dieser Verordnung oder aus Artikel 8 Absatz 2 zu entnehmen ist. Im ersten Fall wäre der allgemeine Grundsatz, daß die Gemeinschaft nur mit den ordnungsgemäßen Ausgaben zu belasten wäre; somit wäre es ausgeschlossen, daß die Ausnahme in Artikel 8 Absatz 2 auch andere nicht ordnungsgemäße Ausgaben der Staaten als diejenigen umfaßte, die auf ein schuldhaftes Verhalten einzelner zurückgingen, da es letztlich zur Aufhebung des Grundsatzes selbst führen würde, wollte man der Ausnahme eine solche Tragweite beimessen. Im zweiten Fall dagegen wäre der allgemeine Grundsatz, daß der Gemeinschaft sämtliche von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Ausfuhrerstattungen und Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte getätigten Ausgaben einschließlich derjenigen anzulasten wären, die der Form oder dem Inhalt nach im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht erfolgt wären, mit der einzigen Ausnahme der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die als den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten „anzulasten“ erachtet werden könnten. Selbstverständlich blieben dann noch die Voraussetzungen dieser ausnahmsweise möglichen „Anlastbarkeit“ für die Mitgliedstaaten festzustellen.

    Der Aufbau der Verordnung Nr. 729/70 zeigt meines Erachtens klar, daß der allgemeine Grundsatz aus den Artikeln 2 und 3 zu entnehmen ist und daß die Ausnahme in der Möglichkeit besteht, der Gemeinschaft die Zahlungen zu überbürden, die auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen beruhen, die den innerstaatlichen Verwaltungen oder Einrichtungen nicht anzulasten sind. Es wohnt dem System der gemeinschaftlichen Direktfinanzierung von Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik logischerweise inne, daß die Gemeinschaft diese Maßnahmen unter Voraussetzungen finanziert, die sie selbst durch eigene Vorschriften festgelegt hat. Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung bestätigen nur diese grundlegende Logik. Wenn die mit der Durchführung der fraglichen Maßnahmen betrauten innerstaatlichen Stellen bei der Beachtung der Gemeinschaftsvorschriften Versäumnisse oder Unregelmäßigkeiten begehen (dieser zweite Ausdruck ist umfassender, da ihm das subjektive Merkmal des schuldhaften Verhaltens fehlt), dann müssen die Staaten dafür einstehen; andernfalls würde die gemeinschaftliche Finanzierung im Widerspruch zu den Artikeln 2 und 3 unabhängig von der Beachtung der gemeinschaftlichen Vorschriften gewährt.

    Weitere Argumente zur Unterstützung dieser Auffassung finden sich in Artikel 8. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Tragweite dieses Artikels in dem dem Rat von der Kommission unterbreiteten Verordnungsvorschlag eindeutig auf Fälle der von Dritten veranlaßten Unregelmäßigkeiten beschränkt war. Wenn auch die schließlich erlassene Fassung hiervon abweicht, so ergibt sich daraus doch nicht, daß der Rat beabsichtigte, den ursprünglichen Vorschlag derart grundlegend zu ändern, wie es sich bei einer Umkehrung des sich aus den Artikeln 2 und 3 ergebenden Grundprinzips der Anlastung der Fall gewesen wäre.

    Betrachten wir nun Inhalt und Fassung des Artikels 8 Absatz 1. Danach treffen die Mitgliedstaaten zunächst die erforderlichen Maßnahmen, um sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, sowie um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen; die Kommission ist von den getroffenen Maßnahmen, insbesondere dem Stand der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, zu unterrichten. Es scheint mir bezeichnend, daß sich die ordnungsgemäße Durchführung auf die vom Fonds finanzierten Maßnahmen bezieht, also auf die mit der Finanzierung unterstützte private Tätigkeit, und nicht auf die von den Staaten vorgenommenen Zahlungen; die gleiche Bezugnahme muß für die Unregelmäßigkeiten gelten. Zum Inhalt scheint mir des weiteren klar zu sein, daß diese Vorschrift die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse als Verhaltensweisen anderer Rechtssubjekte als der Staaten betrachtet: Die Staaten sind aufgerufen, sie zu verhindern, zu verfolgen, die abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen, und daher gegenüber Dritten tätig zu werden, die die Verursacher solcher Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen sind.

    Zur Verpflichtung, die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen, merke ich an, daß der allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes es in Fällen, in denen die Verwaltung infolge einer irrigen Auslegung oder einer nachlässigen Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften Dritten einen höheren Betrag als den ihnen zustehenden gezahlt hat oder in denen die Zahlung förmlich nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, kaum zulassen würde, dem Empfänger die Rückzahlung der so gezahlten Beträge aufzuerlegen. Anders liegt der Fall, wenn die Zahlung aufgrund Betrugs oder einer vom privaten Empfänger begangenen Unregelmäßigkeit erfolgt ist.

    Ich komme nun zu Artikel 8 Absatz 2.

    Die niederländische und die deutsche Regierung legen diese Bestimmung so aus, als ob sie wie folgt laute: „Erfolgt keine vollständige Wiedereinziehung, so trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse der einzelnen oder der Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind.“ Welchen Sinn aber soll es haben, die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse der nationalen Verwaltungen den Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen gegenüberzustellen, die den nationalen Verwaltungen anzulasten sind? Die Versäumnisse der Verwaltung können nur die Versäumnisse sein, die der Verwaltung anzulasten sind; das gleiche gilt für die Unregelmäßigkeiten. Die Bestimmung hat nur dann einen Sinn, wenn die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den nationalen Verwaltungen anzulasten sind, den Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen gegenübergestellt werden, die anderen Rechtssubjekten anzulasten sind, also den einzelnen, den von den Maßnahmen, die durch den Fonds finanziert worden sind, Betroffenen.

    Es ist noch darauf hinzuweisen, daß der Rat gemäß Artikel 8 Absatz 3 mit Verordnung Nr. 283/72 vom 7. Februar 1972 die Grundregeln für die Anwendung dieses Artikels erlassen hat. Dieser spätere Rechtsakt enthält einige Elemente, die zur Auslegung des Artikels 8 Absatz 2 beitragen können. Ich beziehe mich vor allem auf die Begründung der Verordnung Nr. 283/72, aus der sich ergibt, daß der Rat gleichzeitig auf die betrügerischen Praktiken und die Unregelmäßigkeiten abstellte (dritte Begründungserwägung) und daß er daher die Handlungen einzelner in ihren unterschiedlichen Schweregraden und Willensformen vor Augen hatte.

    Weiter ist Artikel 3 anzuführen, wonach die Mitgliedstaaten der Kommission vierteljährlich eine Aufstellung über die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen sind, übermitteln; ferner teilen die Mitgliedstaaten unter anderem mit, welche Praktiken beim Begehen der Unregelmäßigkeit angewandt und wie die Unregelmäßigkeit aufgedeckt wurde. Auch diese Bestimmung impliziert offenkundig, daß die Unregelmäßigkeiten von anderen Rechtssubjekten als der Verwaltung ausgehen. In Artikel 4 schließlich werden die Unregelmäßigkeiten erwähnt, „die die Anwendung einer neuen betrügerischen Praxis erkennen lassen“: Er zeigt somit auf, welcher Art von durch Vorsatz qualifizierter Unregelmäßigkeit der Gemeinschaftsgesetzgeber die größte Aufmerksamkeit gewidmet hat.

    Bei der Behandlung des Vorschlags zur Verordnung Nr. 283/72 wurde das Problem der Bedeutung des Ausdrucks „Unregelmäßigkeit“ nicht gänzlich vernachlässigt: Die deutsche Delegation hatte erklärt, nach ihrer Auffassung müsse jede fehlerhafte Maßnahme der Verwaltung eines Mitgliedstaats als Unregelmäßigkeit im Sinne der fraglichen Verordnung angesehen werden. Interessant ist jedoch der von der Kommission angeführte Umstand, daß diese Erklärung einseitig blieb und nicht einmal in das Ratsprotokoll aufgenommen wurde. Sie liefert somit kein Argument zugunsten der Auffassung der Klägerinnen; das gleiche gilt von der gemeinsamen Erklärung des Rates und der Kommission vom 7. Februar 1972, die als Unregelmäßigkeiten im Sinne der Verordnung „jeden vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift“ definiert.

    5. 

    Im Lichte dieser Erwägungen ist Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 des Rates meiner Ansicht nach dahin gehend auszulegen, daß die Gemeinschaft den Verlust trägt, wenn keine vollständige Wiedereinziehung von Beträgen möglich ist, die einzelne aufgrund ihres rechtswidrigen oder fahrlässigen Verhaltens ohne Rechtsgrund von einer nationalen Verwaltung erhalten haben, es sei denn, daß die nationale Verwaltung selbst wegen ihres Verhaltens bei der Auszahlung (beispielsweise nachlässige Kontrolle der Richtigkeit der Angaben, vorbehaltlose Zahlung in Zweifelsfällen, irrige Berechnung des Betrages) oder später (beispielsweise Unterlassen der Rückforderung des rechtsgrundlos gezahlten Betrages oder säumiges Verhalten bei der Wiedereinziehung der ausgezahlten Beträge) für den Verlust verantwortlich ist.

    Die genannte Bestimmung bezieht sich daher vor allem auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die einzelnen anzulasten sind, während diejenigen der Verwaltung nur in dem Umfang in Betracht kommen, in dem sie Handlungen von einzelnen begleiten. Somit fallen unmittelbar von der Verwaltung unabhängig vom Verhalten einzelner begangene Unregelmäßigkeiten nicht unter Artikel 8. Für diese gilt die allgemeine, aus den Artikeln 2 und 3 abzuleitende Regel, daß zu Lasten der Gemeinschaft nur die von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Agrarregelung ordnungsgemäß geleisteten Zahlungen gehen. Artikel 8 Absatz 2 stellt offenkundig eine Ausnahme von dieser allgemeinen Vorschrift dar, die jedoch ihrerseits durch den letzten Satz begrenzt ist, mit dem das Grundkriterium wiederhergestellt wird, daß nicht ordnungsgemäße Zahlungen zu Lasten der Staaten gehen.

    Diese Auslegung scheint mir im Gegensatz zur Auffassung der niederländischen Regierung nicht unlogisch zu sein. Da die Mitgliedstaaten für Rechnung der Gemeinschaft handeln, ist es angemessen, daß diese die auf dem Verhalten einzelner beruhenden Verluste zu tragen hat, wenn die Mitgliedstaaten alles ihnen mögliche getan haben, um sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen und um abgeflossene Beträge wiedereinzuziehen. Anders liegt hingegen der Fall, in dem staatliche Stellen ohne die Schuld Dritter Zahlungen nicht ordnungsgemäß ausführen. Die Ausnahme in Artikel 8 Absatz 2 auf diesen Fall auszudehnen, brächte die Gefahr mit sich, die finanziellen Verpflichtungen der Gemeinschaft erheblich zu vergrößern; außerdem könnte dies die Gemeinschaft in die sonderbare Lage bringen, staatliches, dem Gemeinschaftsrecht widersprechendes Handeln zu finanzieren, das in seinen Wirkungen, wenn nicht in seiner Absicht, auch mit Grundsatz der Nichtdiskriminierung unvereinbar wäre. Es ist bekannt, daß das Gemeinschaftsrecht nach diesem Grundsatz allen Gemeinschaftsbürgern in allen Mitgliedstaaten die gleichen Vorteile einräumen und die gleichen Lasten auferlegen muß. Das ist auch aus dem Grund erforderlich, eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden. Müßte man aber davon ausgehen, daß die Gemeinschaft auch die von den Staaten bei der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik nicht ordnungsgemäß getätigten Ausgaben zu tragen hätte — mit einziger Ausnahme der Ausgaben, die Folge schweren Verschuldens wären —, so zögen die Staaten, die am häufigsten Unregelmäßigkeiten bei Gewährung von Gemeinschaftsbeihilfen begingen, die größten Vorteile aus der Finanzierung durch den EAGFL. Das stünde im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ausgleichenden Gerechtigkeit.

    Im übrigen könnte die Minderung des durch Unregelmäßigkeiten eingegangenen finanziellen Risikos, die sich daraus für die Mitgliedstaaten ergäbe, zur Verringerung von deren Achtsamkeit und daher zur Erhöhung des Gesamtumfangs der nicht ordnungsgemäßen Ausgaben beitragen; diese Gefahr ist um so größer, als die Gemeinschaft keine Möglichkeit hat, unmittelbar auf die innerstaatlichen Behörden einzuwirken und ihnen Befehle oder Weisungen zu erteilen.

    6. 

    In allen Fällen nicht ordnungsgemäßer Zahlungen, auf die sich die in den vorliegenden Rechtssachen angefochtenen Entscheidungen beziehen, ist das Handeln der betroffenen nationalen Verwaltung für sich allein erheblich, ohne daß ein konkurrierendes unregelmäßiges Verhalten vorläge, das den Begünstigten anzulasten wäre.

    Folglich ist aufgrund meiner bisherigen Ausführungen auf alle diese Fälle nicht etwa Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 des Rates anzuwenden, sondern die allgemeine Regel, daß vom EAGFL nur die Interventionsmaßnahmen finanziert werden, die den Gemeinschaftsvorschriften entsprechen.

    Unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gesteht die Kommission jedoch zu, daß nicht jede Unregelmäßigkeit der nationalen Verwaltungen (abgesehen selbstverständlich von den Fällen des Artikels 8 Absatz 2) automatisch zum Ausschluß der Kosten vom Haushalt des EAGFL führt. Insbesondere dann, wenn die unzutreffende Auslegung der von der nationalen Verwaltung durchgeführten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften einem Organ der Gemeinschaft angelastet werden könne, müsse diese die entsprechenden finanziellen Lasten beim Rechnungsabschluß tragen.

    Meines Erachtens muß diese Möglichkeit einer weiteren Beschränkung der Haftung der Mitgliedstaaten nach der Logik des Systems nicht nur auf der Grundlage des Vertrauensschutzes anerkannt werden, sondern auch im Lichte der allgemeinen Kriterien des Haftungsrechts. Es können Irrtümer vorliegen, die der Gemeinschaft entweder im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit (man denke an eine Stellungnahme der Kommission zur Durchführung bestimmter unklarer Vorschriften, die sich später als das Ergebnis einer unzutreffenden Auslegung dieser Vorschriften erweist, oder an eine unterlassene Antwort auf ein Aufklärungsersuchen eines Mitgliedstaats) oder auch im Rahmen der spezifischen Tätigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers anzulasten sind (zum Beispiel ein mißverständlich oder unklar abgefaßter Rechtsakt, der auch eine sachkundige Person irreführen kann).

    Diese vernünftigen Abmilderungen des strengen allgemeinen Grundsatzes der Haftung der Mitgliedstaaten für die von ihren Dienststellen bei der Durchführung des gemeinschaftlichen Agrarrechts begangenen Unregelmäßigkeiten führen somit dazu, dem EAGFL auch nicht ordnungsgemäße Ausgaben zu überbürden, die nach der hier vertretenen Auslegung außerhalb des Anwendungsbereichs des Artikels 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 liegen. Das ändert nichts an der Gültigkeit des vorgenannten, aus den Artikeln 2 und 3 dieser Verordnung abgeleiteten allgemeinen Grundsatzes.

    7. 

    Eine andere Vorfrage, die von den Klägerinnen in den Rechtssachen 11/76 und 18/76 (also von der niederländischen und der deutschen Regierung) aufgeworfen wurde, betrifft das von der Kommission bei der Feststellung der vorgeblichen Unregelmäßigkeiten eingeschlagene Verfahren.

    Die beiden Regierungen tragen vor, man müsse zwischen dem Rechnungsabschlußverfahren und dem Kostenanlastungsverfahren unterscheiden. Nur dem Rechnungsabschluß sei es eigen, daß er in vollem Umfang der Kommission anvertraut und dazu bestimmt sei, mit einer Entscheidung der Kommission abgeschlossen zu werden, während die Kostenanlastung — auch in Ermangelung einer ausdrücklichen normativen Regelung — aufgrund ihrer Eigenart ein komplexeres Verfahren unter Teilnahme der betroffenen Mitgliedstaaten und des Rates erfordere.

    Die Klägerinnen weisen darauf hin, daß das Rechnungsabschlußverfahren in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 vorgesehen sei; das Anlastungsverfahren gründet sich demgegenüber ihrer Ansicht nach auf Artikel 8 Absatz 2. Mit dem Rechnungsabschluß werde endgültig über die Eintragung der Ausgaben der Mitgliedstaaten auf der Passivseite der Gemeinschaftsbilanz entschieden; diese Entscheidung setze somit voraus, daß die Fragen der Kostenanlastung gelöst seien. In Ermangelung eines vorherigen Anlastungsverfahrens sei die vorbehaltlos ergangene Entscheidung über den Rechnungsabschluß fehlerhaft und deshalb aufzuheben.

    Der Gang des Anlastungsverfahrens ist jedoch niemals geregelt worden. Hierzu trägt die deutsche Regierung vor, die Kommission hätte sich an ihre gemeinsam mit dem Rat bei der Verabschiedung der Verordnung Nr. 283/72 abgegebene Erklärung halten müssen, die dem Rat (immer nach der Auffassung dieser Regierung) eine entscheidende Rolle bei der Lösung der einzelnen Streitfälle eingeräumt habe. Demgegenüber schließt die niederländische Regierung aus, daß diese Erklärung die Verpflichtung enthalte, dem Rat die Entscheidung von Einzelfällen zu überlassen; sie enthalte nur die Verpflichtung der Kommission, dem Rat im Rahmen des Artikels 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 729/70 Verordnungsentwürfe zu unterbreiten, um einige sachliche Kriterien klarzustellen und ein besonderes Verfahren für die Lösung der Fragen einzuführen, die die Anlastung der Interventionskosten im Agrarsektor beträfen.

    In Wirklichkeit sieht die genannte gemeinsame Erklärung der Kommission und des Rates vor, daß sich die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, daß die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 nicht von der Gemeinschaft getragen werden müssen, mit dem betreffenden Mitgliedstaat in Verbindung setzt und diese Frage sodann im Ausschuß des EAGFL erörtert. Darüber hinaus berichtet die Kommission dem Rat unter Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen, wie die „nicht geregelten“ Fälle ihres Erachtens am besten geregelt werden können; „dem Bericht sind gegebenenfalls Vorschläge für vom Rat zu erlassende Lösungen zur Regelung solcher Divergenzen beizufügen“.

    Die Bedeutung dieser Erklärung ist nicht besonders klar. Man versteht zunächst nicht, ob sie sich, wenn sie von den „nicht geregelten“ Fällen spricht, auf besondere, noch schwebende Fragen oder auf Arten von Streitigkeiten beziehen will, für die das geltende Gemeinschaftsrecht keine hinreichenden Lösungskriterien liefert. Die zweite Auslegung scheint durch die Erwähnung der „gewonnenen Erfahrungen“ bestätigt. Trifft sie zu, so müßten etwaige Lösungsvorschläge normativen Charakters sein, wie es die niederländische Regierung vorträgt.

    Wie dem auch sei, die genannte Absichtserklärung kann die Zuständigkeiten der Organe, die sich ausdrücklich oder stillschweigend aus gültigen Rechtsakten ergeben, nicht ändern.

    Zweifelsfrei steht die Aufgabe, die Rechnungen des EAGFL abzuschließen, ausschließlich der Kommission zu; zweifelsfrei sind keine besonderen Verfahren vorgesehen noch sind anderen Organen Zuständigkeiten zugewiesen, um im Verwaltungswege über die Anlastung von von einem Staat erbrachten Zahlungen zu entscheiden. Angesichts dessen sowie angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Kostenanlastung und Rechnungsabschluß muß man der Kommission kraft zwingender, durch offenkundige funktionale Erfordernisse gerechtfertigter Auslegung auch die Befugnis zuerkennen, im Verwaltungswege über die Übernahme der in den abzuschließenden Rechnungen enthaltenen Ausgaben zu Lasten des EAGFL zu entscheiden. Es versteht sich von selbst, daß die Kommission in Ermangelung besonderer Verfahrensvorschriften auch bei der Anlastung die Vorschriften über den Rechnungsabschluß anwenden kann.

    Die Kommission hat, wie sich aus ihrem „Arbeitsdokument“ VI/192/75 vom 16. Oktober 1975 ergibt, für die Entscheidung über die Kostenanlastung die Beteiligung jedes betroffenen Staates vorgesehen; sie äußert sich vor allem in wiederholten zweiseitigen Kontakten zwischen den Dienststellen der Kommission und denen des Staates, die eine möglichst weitgehende wechselseitige Unterrichtung über die Sach- und Rechtsfragen sicherstellen sollen.

    Nach der Prüfung jedes Einzelfalls im Lichte der Ergebnisse dieser Kontakte beteiligt die Kommission formlos den Ausschuß des EAGFL, dessen Ansicht daher eines der Elemente ist, die beim Erlaß der Entscheidung über die Kostenanlastung und über den Rechnungsabschluß berücksichtigt werden. Auch noch nach einer solchen Entscheidung können die betroffenen Staaten im Verwaltungsweg eine Änderung erreichen, insbesondere durch die Vorlage zusätzlicher Nachweise über die Ausgaben, die erneut zu prüfen die Kommission sich vorbehalten hat.

    Dieses Verfahren erlaubt es daher den Staaten bei Meinungsverschiedenheiten mit der Kommission, ihre Gründe entweder bei dieser oder im Fondsausschuß vor dem Erlaß der Entscheidung über die Kostenanlastung geltend zu machen. Natürlich kann dieses Verfahren verbessert werden. Ich glaube jedoch nicht, daß sich bei der derzeitigen Rechtslage eine Verpflichtung der Kommission feststellen läßt, streitige Fragen dem Rat vorzulegen, wie es die deutsche Regierung aufgrund der mehrdeutigen oben genannten Absichtserklärung zu meinen scheint, denn die Kommission kann mangels einer klaren Rechtsvorschrift nicht gezwungen sein, auf die Ausübung ihrer Entscheidungszuständigkeit zu verzichten. Ich hielte es im übrigen auch nicht für wünschenswert, daß auf der Grundlage objektiver Rechtskriterien zu entscheidende Fragen, beispielsweise die der Garantie der Gleichbehandlung aller Gemeinschaftsbürger, Gefahr liefen, Gegenstand einer politischen Entscheidung zu werden.

    Nach Auffassung der niederländischen Regierung ist die Kommission auch in Ermangelung einer einschlägigen Bestimmung gehalten, das in Artikel 26 der Verordnung Nr. 17/64 des Rates (über die Bedingungen für die Beteiligung des EAGFL) vorgesehene, in Artikel 13 der Verordnung Nr. 729/70 wörtlich übernommene Verfahren einzuhalten. Nach dieser Bestimmung werden Maßnahmen der Kommission, die nicht der Stellungnahme des Fondsausschusses entsprechen, dem Rat von der Kommission übermittelt; der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit binnen einer Frist von einem Monat anders entscheiden. Nach diesen beiden Artikeln findet das dort festgelegte Verfahren jedoch nur statt, wenn ausdrücklich darauf Bezug genommen wird. Abgesehen von diesen Fällen hat die Kommission eine weite Befugnis, den Fondsausschuß gemäß Artikel 27 der Verordnung Nr. 17/64 und Artikel 14 der Verordnung Nr. 729/70 formlos zu hören. Genau dies hat die Kommission in den beiden vorliegenden Fällen getan.

    Aus diesen Gründen halte ich die Mängel der angefochtenen Entscheidungen, die sich aus der unterlassenen Vorlage der Entscheidungen über die strittigen Fälle an den Rat und daraus ergeben sollen, daß die Kommission das Verfahren nach Artikel 26 der Verordnung Nr. 17/64 und nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 729/70 nicht eingehalten hat, für nicht gegeben.

    Folglich ist auch der Antrag zurückzuweisen, den die niederländische Regierung seinerzeit beim Gerichtshof gestellt hat, das Verfahren auszusetzen, bis die Kommission dem Rat einen Verordnungsvorschlag zu Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 729/70 unterbreitet hat. Selbst wenn man der Auffassung ist, daß die Kommission hierzu verpflichtet sei, so wäre sie doch deswegen nicht gehalten, das durch die angefochtenen Entscheidungen bereits abgeschlossene Verwaltungsverfahren wiederzueröffnen. Hinzuzufügen ist, daß es keine Gewähr dafür gibt, daß der Rat innerhalb angemessener Frist eine Regelung treffen würde. Es widerspräche folglich grundlegenden funktionalen Erfordernissen sowie der Rechtssicherheit, den Abschluß der Rechnungen des EAGFL auf unbestimmte Zeit auszusetzen.

    Damit bin ich am Ende der Behandlung der allgemeinen Fragen. Ich gehe nunmehr dazu über, das Vorbringen der Klägerinnen zu den einzelnen Ausgaben, die Gegenstand der ablehnenden Entscheidungen der Kommission waren, Punkt für Punkt zu prüfen.

    Der Verkauf von Interventionsbutter zu herabgesetzten Preisen zur Ausfuhr (Klagen der niederländischen und der deutschen Regierung: Fall Nr. 9)

    8.

    Hinsichtlich des Verkaufs von Butter zu herabgesetzten Preisen zur Ausfuhr besteht zwischen der Regierung der Niederlande und der Regierung der Bundesrepublik einerseits und der Kommission andererseits Streit über die Weigerung der letzteren, die von den beiden Staaten getätigten Ausgaben für nach einem bestimmten Termin erfolgte Lieferungen zu Lasten des EAGFL zu übernehmen.

    Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1308/68 der Kommission konnten die Interventionsstellen Butter aus öffentlichen Lagerbeständen zu herabgesetzten Preisen verkaufen, wenn die Ware innerhalb von 30 Tagen nach dem Verkauf ausgeführt wurde (Artikel 3). Die Beachtung dieser Bedingung wurde durch eine Kaution gewährleistet, die verfiel, wenn die Ausfuhr nicht fristgerecht erfolgte (Artikel 4). Diese Regelung wurde durch die Verordnung Nr. 1893/70 mit Wirkung vom 21. September 1970 aufgehoben, wobei für die zu diesem Termin bereits verkaufte, aber noch nicht ausgeführte Butter eine Ausnahme galt. Unter Berufung auf die Verordnung Nr. 1308/68 vertrat die Kommission die Auffassung, daß der 21. Oktober 1970 der letzte Tag für die Ausfuhr der verkauften Butter und daher, a fortiori, für die Auslieferung der Ware durch die Interventionsstelle an den Käufer sei.

    In der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden lieferten die Interventionsstellen jedoch unter Berufung auf die Verordnung Nr. 1308/68 auch nach dem 21. Oktober 1970 weiterhin Butter aus. In den uns vorliegenden Fällen waren bestimmte Partien Butter Gegenstand von vor dem 22. September 1970 geschlossenen Kaufverträgen; die Auslieferung durch die Interventionsstelle hatte sich jedoch verzögert. Die Ausfuhr soll innerhalb von 30 Tagen nach der Auslieferung erfolgt sein.

    Nach Auffassung der Klägerinnen beginnt nach dem genannten Artikel 3 die Frist vom Zeitpunkt des Ausgangs der Ware aus dem Lager der Interventionsstelle, nicht aber vom Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags an zu laufen. Da die Ausfuhren aufgrund langfristiger Verträge erfolgt seien, habe sich die Auslieferung der Ware dem Ablauf der Ausfuhren anpassen müssen. Außerdem sei die Gefahr einer anderen Verwendung der Butter durch den Käufer solange ausgeschlossen, wie sich die Butter noch auf dem Lager der Interventionsstelle befinde. Nach Auffassung der deutschen Regierung habe es nur diese Auslegung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1308/68 ermöglicht, die für die Wiederaufnahme der Überschüsse erforderlichen Mengen abzusetzen.

    Die Kommission bemerkt, die fragliche Bestimmung spreche vom Verkauf; dieser Begriff unterscheide sich sowohl in der Rechts- wie in der Alltagssprache deutlich von dem der Lieferung. Nach allgemeinem Sprachgebrauch erfasse der Begriff Verkauf die auf die entgeltliche Überlassung einer Sache gerichtete Vereinbarung. In der Verordnung Nr. 1308/68 finde sich nichts, was an eine Verwendung dieses Ausdrucks in einem Sinne denken lasse, der von der normalen Bedeutung abweiche. Im Gegenteil ließen sich auch in dieser Verrechnung Anhaltspunkte für einen Gebrauch des Ausdrucks in seiner allgemeinen Bedeutung finden.

    Ich teile die Ansicht der Kommission, für die sich meines Erachtens aus gutem Grund mancherlei vorbringen läßt. Betrachten wir zunächst Artikel 1 der Verordnung, wonach im Zeitpunkt des Verkaufs eine Lagerzeit von mindestens vier Monaten erfüllt sein muß. Der Interessenschutz der Käufer erfordert es offenkundig, daß dieser Zeitpunkt der des Vertragsschlusses ist — so daß sie die Sicherheit, daß diese Voraussetzung erfüllt ist, bereits haben, bevor sie sich binden — und nicht derjenige, zu dem die Ware das Lager der Interventionsstelle verläßt.

    Auch Artikel 2 deutet in die gleiche Richtung. Hiernach verkaufen die Interventionsstellen „zu einem Preis, der um 5,5 Rechnungseinheiten je 100 kg unter dem Interventionspreis liegt“. Offenkundig bezieht sich der Ausdruck „verkaufen“ auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da der Preis zu diesem Zeitpunkt festgesetzt wird, nicht zum Zeitpunkt der Lieferung.

    Wir haben bereits gesehen, daß die Interventionsstelle kraft Artikel 4 die Butter an Interessenten nur unter der Bedingung verkauft, daß diese spätestens im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags eine Kaution stellen. Die Kaution muß daher entweder vor oder spätestens bei Vertragsabschluß gestellt werden. Auch hier ist der Ausdruck „verkaufen“ in seinem eigentlichen Sinne gebraucht.

    Zwar trifft es zu, daß in einigen andere Agrarsektoren betreffenden Rechtsakten (beispielsweise in der Verordnung Nr. 2059/69 der Kommission über den Verkauf von Magermilchpulver aus staatlicher Lagerhaltung zur Ausfuhr) klar zwischen dem Abschluß des Kaufvertrags und der Abnahme der Ware durch den Käufer unterschieden wird, wobei die Ausfuhrfrist von diesem zweiten Ereignis an läuft (Artikel 3). Das erlaubt jedoch nicht, wie die niederländische Regierung will, die Annahme, daß der Verordnungsgeber die gleiche Regelung auch dann habe treffen wollen, wenn er den Lauf der Frist vom Tag des Verkaufs an angeordnet hat.

    Es läßt sich auch nicht sagen, daß in der Regelung der Verordnung Nr. 1308/68 eine Lücke bestehe, nur weil in der Verordnung Nr. 1893/70 (Artikel 2 Absatz 3) für die Abnahme der Ware eine Frist nach Abschluß des Kaufvertrags vorgesehen ist. Die niederländische Regierung leitet daraus ab, daß nach der Verordnung Nr. 1308/68 der Verkauf mit aufgeschobener Lieferung in Ermangelung einer entsprechenden Bestimmung nicht verboten sei; daraus folge zwingend, daß die Ausfuhrfrist von einem späteren Zeitpunkt als dem des Vertragsschlusses an laufe. Hierzu bemerkt die Kommission zu Recht, daß in der Verordnung Nr. 1893/70 im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1308/68 keine Verpflichtung zur Ausfuhr der Ware innerhalb bestimmter Frist vorgesehen ist. Das erkläre die Notwendigkeit, die Frist, innerhalb deren der Käufer die Ware bei der Interventionsstelle abgenommen haben müsse, vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an festzusetzen.

    9.

    Aus dem Vorhergehenden folgt, daß in Ermangelung einer klaren dahin gehenden Aussage des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht anzunehmen ist, daß die Bezugnahme auf den Verkauf in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1308/68 eine andere Bedeutung als in anderen Bestimmungen der gleichen Verordnung hat; diese entspricht auch dem normalen Sprachgebrauch.

    Diese Auffassung wird durch Überlegungen zum Zweck der fraglichen Gemeinschaftsregelung bestätigt. Die Preise wurden herabgesetzt, um den Absatz der seit einer bestimmten Zeit (mindestens seit vier Monaten) eingelagerten Butterüberschüsse zu beschleunigen. Demgegenüber eröffnet die Auslegung der beiden klägerischen Regierungen in der Praxis den Weg zum Abschluß von Kaufverträgen zu herabgesetzten Preisen auch über frische Butter (oder jedenfalls über Butter, die weniger als vier Monate gelagert hat) : Es genügte, in den Verträgen vorzusehen, daß diese im Lager verbleibe, solange sie noch nicht das nach der Verordnung Nr. 1308/68 erforderliche Alter erreicht habe. Ein solches Vorgehen hätte der Funktion der Regelung des Verkaufs zu herabgesetzten Preisen nicht nur deshalb widersprochen, weil es die Vorteile dieser Regelung auf frische Butter ausgedehnt hätte, sondern auch insoweit, als die Alterung in den Lagern der Interventionsstellen für die Erfüllung der Bedingung der Verordnung erforderlich geworden wäre, so daß der Absatz im Ergebnis künstlich verzögert anstatt beschleunigt worden wäre.

    Außerdem hätten die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der von den zwei klägerischen Regierungen vertretenen Auslegung praktisch die Möglichkeit gehabt, selbst die Dauer und damit den Umfang der Gemeinschaftsaktion zu bestimmen. Ihre Stellen hätten Kaufverträge schließen können, die es den Käufern erlaubt hätten, die Ausfuhren für einen längeren Zeitraum als den zu decken, der für die Gemeinschaftsaktion für erforderlich erachtet wurde. Inzwischen hätte die Butter weiterhin in den Lagern der Interventionsstellen auf Kosten der Gemeinschaft gelegen. Diese wäre ferner nicht in der Lage gewesen, die zuvor begonnene Aktion zu dem für richtig gehaltenen Zeitpunkt zu beenden.

    Auch ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission ihre Ansicht bereits klarstellte, als die Frage im Rahmen der 195. Sitzung des Verwaltungsausschusses Milch am 13. August 1970 von der deutschen Delegation aufgeworfen wurde. Die Kommission schloß damals bereits die Möglichkeit klar aus, den Begriff des „Verkaufs“ dem der körperlichen Auslieferung der Ware gleichzustellen. Diese ihre Auffassung hat die Kommission mit Schreiben vom 14. Dezember 1970 bekräftigt. Die niederländischen und die deutschen Behörden waren daher völlig auf dem laufenden und hätten zumindest gewisse Zweifel an der Richtigkeit ihrer Auslegung haben müssen.

    Schließlich möchte ich anmerken, daß sich das Problem nicht im geringsten dadurch ändert, daß es die Kommission unterlassen hat, ein Verfahren nach Artikel 169 gegen die Bundesrepublik und gegen das Königreich der Niederlande einzuleiten. Das beruht nämlich nicht auf einer Änderung der Auffassung der Kommission von der Auslegung der fraglichen Vorschriften, sondern nur auf dem Umstand, daß das angegriffene Verhalten in der Zwischenzeit aufgegeben wurde. Ich behalte mir jedoch vor, diesen Punkt im folgenden wieder aufzugreifen, wenn ich auf die Klagen der französischen Regierung zu sprechen komme.

    Erstattungen bei der Ausfuhr von Milchalbumin (Klage der niederländischen Regierung)

    10.

    Dieser Streit findet seinen Ursprung darin, daß die niederländischen Interventionsstellen in den Jahren 1971 und 1972 Erstattungen bei der Ausfuhr von Milchalbumin gewährten, daß aber die Kommission, die diese Zahlungen nicht für gerechtfertigt hielt, es ablehnte, sie zu Lasten des EAGFL zu übernehmen. Die Regierung der Niederlande gesteht nunmehr zu, daß die fraglichen Erstattungen damals nicht geschuldet waren; man könnte sagen, sie sei infolge des Urteils des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1973 (Rechtssache 150/73, Hollandse Melksuikerfabriek, Slg. 1973, 1633) zu diesem Zugeständnis gezwungen. Das Verhalten der niederländischen Interventionsstellen soll daher Folge eines Irrtums in der Auslegung der einschlägigen Verordnung gewesen sein. Ein solcher Irrtum sei jedoch, so trägt die klägerische Regierung vor, als entschuldbar zu erachten, weil ihre Auslegung durchaus vertretbar gewesen sei. Deshalb ist sie unter Berufung auf Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 des Rates nach wie vor der Auffassung, daß die fraglichen finanziellen Lasten von der Gemeinschaft zu tragen seien.

    Zu erwähnen ist, daß nach der Verordnung Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse Erstattungen bei der Ausfuhr für verschiedene Milcherzeugnisse, unter anderem für Milchalbumin, möglich waren. Mit der Verordnung Nr. 204/69 vom 28. Januar 1969 legte der Rat die allgemeinen Regeln für die Gewährung dieser Erstattungen und die Kriterien zur Festsetzung ihres Betrages fest. Diese Kriterien waren für Milchalbumin und für Eieralbumin dieselben. Der Gerichtshof hat in seinem genannten Urteil jedoch festgestellt, diese Identität bedeute nicht, daß bei der Ausfuhr von Milchalbumin ein Anspruch auf Erstattung wie bei der Ausfuhr von Eieralbumin bestehe, denn insoweit fehle es an einer in Durchführung von Artikel 17 der Verordnung Nr. 804/68 des Rates ergangenen Verordnung der Kommission, die eine dahin gehende Bestimmung treffe.

    Die Verordnung Nr. 204/69 stellte die beiden Erzeugnisse tatsächlich nur für die Kriterien zur Berechnung der Erstattungen gleich. Es wurde also die Frage nach dem „Wie“, nicht die nach dem „Ob“ beantwortet, wie Generalanwalt Trabucchi in seinen Schlußanträgen in obiger Rechtssache zutreffend bemerkt (Slg. 1973, 1641, 1643). „Die Anwendung dieser Kriterien im Einzelfall“, so führte der Generalanwalt weiter aus, „setzt jedoch für jedes einzelne Erzeugnis, auf das sie abstrakt zutreffen, den klaren und deutlich geäußerten Willen der Kommission voraus, eine Erstattung bei der Ausfuhr zu gewähren.“

    Der Generalanwalt vertrat die Auffassung, der Sinn der Regelung sei klar und unzweideutig. Er schloß damit aus, daß man vernünftigerweise eine andere Auslegung der fraglichen Vorschriften vertreten könne, und stellte klar, daß sowohl das gesetzliche Ziel der Ausfuhrerstattungen wie auch die Beziehung zwischen den Grundverordnungen über die Marktorganisationen und den Durchführungsverordnungen der Kommission zum Ausschluß der Möglichkeit führten, daß die Entscheidung über die Gewährung der Erstattung für ein Erzeugnis stillschweigend eine entsprechende Entscheidung im Hinblick auf ein anderes Erzeugnis umfassen könnte.

    Im Lichte dieser Erwägungen scheint mir die Auffassung der Klägerin nicht vertretbar, zur Zeit der Gewährung der fraglichen Erstattungen sei eine andere Auslegung als die später vom Gerichtshof gebilligte vernünftigerweise möglich gewesen.

    Da es sich hier um Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz handelt, daß den Mitgliedstaaten von ihnen nicht ordnungsgemäß erbrachte Zahlungen anzulasten seien, bin ich, wie ich bereits im allgemeinen Teil dieser Schlußanträge ausgeführt habe, weiter der Meinung, daß es für die Belastung der Gemeinschaft mit Ausgaben dieser Art nicht hinreicht, wenn die irrige Auslegung der anwendbaren Vorschrift vertretbar erscheint; sie muß vielmehr einem sachverständigen Beobachter überzeugend erscheinen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die Vertreter der Kommission in der Sitzung des Verwaltungsausschusses für Eier und Geflügelfleisch vom 21. September 1971 die Möglichkeit ausdrücklich ausschlossen, eine Ausfuhrerstattung für Milchalbumin zu zahlen. Angesichts dieser Stellungnahme der zuständigen Beamten des Organs, das die Verordnung Nr. 204/69, um deren Auslegung es ging, erlassen hatte, mußten der Klägerin gewisse Zweifel an der Richtigkeit ihrer Auslegung der Verordnung Nr. 204/69 kommen; dies gilt um so mehr, als die niederländischen Delegierten selbst erklärt hatten, die Zahlung einer Erstattung für Milchalbumin erreiche vom Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Konsequenzen her gesehen das Gegenteil der mit der Verordnung verfolgten Zielsetzung.

    Unter diesen Umständen erscheint es mir nicht gerechtfertigt, der Gemeinschaft die finanziellen Folgen einer Erstattung anzulasten, die für ein anderes Erzeugnis als das gewährt wurde, für das die Gemeinschaftsregelung sie vorgesehen hatte.

    Ohne Zweifel haben die niederländischen Behörden in gutem Glauben gehandelt. Das schließt jedoch ein Versäumnis ihrerseits insoweit nicht aus, als sie die Zahlungen nicht bis zu einer Klärung der Frage aussetzen oder wenigstens nur unter Vorbehalt vornahmen, um das Entstehen wohlerworbener Rechte der Begünstigten zu vermeiden.

    Die klägerische Regierung nennt das Erfordernis, bereits eingegangene Erstattungsanträge rechtzeitig zu bescheiden, und bezieht sich auf ihre allgemeine Praxis, Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Antrags vorzunehmen. Sie trägt vor, die Verwaltung hätte eine Zahlung unter Vorbehalt nur unter Schwierigkeiten tätigen können; außerdem hätte ein solches Vorgehen die Unternehmer daran gehindert, ihren Verkaufspreis auf brauchbarer Grundlage festzusetzen. In den Niederlanden hätten Marktteilnehmer bei einer Zahlung unter Vorbehalt mit guten Erfolgsaussichten Klage erheben können.

    Hierzu möchte ich mich auf die Bemerkung beschränken, daß die Verfahren, die aus einer Zahlung unter Vorbehalt hätten hervorgehen können, wahrscheinlich Gelegenheit zu Vorlagen an den Gerichtshof geboten und es somit ermöglicht hätten, den Streitpunkt endgültig zu klären, wie es dann im Zusammenhang mit der Vorabentscheidungssache 150/73 geschah.

    Nicht erheblich scheint mir auch das Argument zu sein, das die niederländische Regierung aus dem Umstand zu ziehen sucht, daß sie die ihr angeblich von Beamten der Kommission bei der Sitzung des zuständigen Verwaltungsausschusses vom 21. September 1971 — wie sich aus dem Bericht über diese Sitzung ergebe — versprochene Mitteilung über die Anwendung der Verordnung Nr. 204/69 niemals erhalten habe.

    Hierzu trägt die Kommission vor, sie habe keine besondere schriftliche Stellungnahme zu der von der niederländischen Delegation gestellten Frage versprechen wollen, sondern nur eine allgemeine Informationsschrift zur Verordnung Nr. 204/69 angekündigt, die sie tatsächlich verteilt habe. Es könne sein, daß der Bericht des Verwaltungsausschusses in dieser Hinsicht nicht klar gewesen sei. Jedenfalls hätte die Klägerin, falls ihre Zweifel weiterhin bestanden, um eine schriftliche Stellungnahme der Kommission zu dem von ihr aufgeworfenen Sonderproblem nachsuchen müssen.

    Zusammenfassend ist meines Erachtens zu sagen, daß die Klage auch dann unbegründet ist, wenn man Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 auf den vorliegenden Fall für anwendbar hält. Wenn die niederländische Interventionsstelle das Gemeinschaftsrecht auch im guten Glauben unzutreffend ausgelegt hat, so wurde sie zu diesem Irrtum nicht nur nicht durch die Gemeinschaft veranlaßt, sie hat vielmehr auch, nachdem sie von der Kommission gewarnt worden war, nicht die bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderliche Sorgfalt beachtet.

    Beihilfen für Magermilchpulver zu Futterzwecken (Klage der deutschen Regierung: Fälle Nrn. 4 und 5) — (Klage der französischen Regierung: Rechtssache 15/76)

    11.

    Über die Gemeinschaftsbeihilfen für Magermilchpulver zu Futterzwecken sind vorliegend drei Streitigkeiten entstanden: zwei von ihnen zwischen der Kommission und der deutschen Regierung, die als Fälle Nrn. 4 und 5 bezeichnet werden, eine zwischen der Kommission und der französischen Regierung, die Gegenstand der Rechtssache 15/76 ist. Zunächst, glaube ich, sollte ich das einschlägige Gemeinschaftsrecht darlegen.

    Die Verordnung (EWG) Nr. 986/68 des Rates vom 15. Juli 1968 legt die Grundregeln für die Gewährung der fraglichen Beihilfen fest. Nach Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 dieser Verordnung sind die Mitgliedstaaten unter anderem ermächtigt, die Beihilfe für das auf ihrem Hoheitsgebiet hergestellte Magermilchpulver auch dann auszubezahlen, wenn dieses im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats denaturiert (oder zu Mischfutter verarbeitet) werden soll. Das stellt eine auf die Milchwirtschaftsjahre 1968/69 und 1969/70 beschränkte Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß die Beihilfe von dem Mitgliedstaat ausbezahlt wird, in dessen Hoheitsgebiet der Betrieb liegt, der das Magermilchpulver denaturiert oder zu Mischfutter vearbeitet hat. Nach Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1106/68 der Kommission vom 27. Juli 1968 kann die zuständige Stelle des versendenden Staates in Fällen, in denen in einem Mitgliedstaat hergestelltes Milchpulver vor seiner Denaturierung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werden soll, die Beihilfe ausbezahlen, wenn sie den Nachweis erhalten hat, daß das ausgeführte Produkt durch den Empfänger-Mitgliedstaat unter Zoll- oder Verwaltungskontrolle gestellt worden ist. Nach Absatz 2 dieses Artikels in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung Nr. 332/70 der Kommission vom 23. Februar 1970 kann „die Kontrollunterstellung durch den Empfänger-Mitgliedstaat… nur durch das Kontrollexemplar gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2315/69 nachgewiesen werden“.

    Auf der Grundlage des Artikels 7 Absatz 4 hat die Kommission als für die Zahlung der Beihilfe durch den versendenden Mitgliedstaat entscheidenden Zeitpunkt den Tag angegeben, an dem die Ware auf dem Hoheitsgebiet des Empfänger-Mitgliedstaats unter Kontrolle gestellt wurde. Dieser Auffassung gab die Kommission in einem Dokument der Generaldirektion Landwirtschaft vom 4. Oktober 1971 Ausdruck, das am 7. Oktober 1971 dem Verwaltungsausschuß Milch zugeleitet wurde. Darin stellte die Kommission auch klar, daß unter Berücksichtigung der in Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 986/68 vorgesehenen Zeitgrenze die versendenden Mitgliedstaaten nur dann die Möglichkeit hatten, für das auf ihrem Hoheitsgebiet hergestellte, in einem anderen Mitgliedstaat denaturierte Magermilchpulver Beihilfen zu zahlen, wenn das Milchpulver im Einfuhrland vor dem 1. Juli 1971 unter Zoll- oder Verwaltungskontrolle gestellt worden war. Für das Pulver, das bis zu diesem Termin noch nicht unter Kontrolle gestellt war, mußte die Beihilfe vom Einfuhrstaat gezahlt werden.

    12.

    Kommen wir zu Fall Nr. 4. Eine bestimmte Menge Magermilchpulver war aus der Bundesrepublik Deutschland nach Italien ausgeführt worden, um dort denaturiert und zu Futter verarbeitet zu werden. Die diesbezüglichen Papiere erwähnen als Datum der Kontrollunterstellung des Milchpulvers in Italien entweder ein unleserliches oder ein Datum nach dem 30. Juni 1971. Wenigstens für die zweite Gruppe von Fällen hätte die oben wiedergegebene Regelung zu dem Ergebnis führen müssen, daß das Ausfuhrland keine Beihilfe hätte zahlen können. Auf eine Anfrage des deutschen Bundesernährungsministeriums erklärte sich die Kommission jedoch mit Fernschreiben vom 12. Oktober 1971 unter Aufgabe ihrer in dem genannten Papier vom 4. Oktober 1971 vertretenen Auffassung zu einer nachgiebigeren Haltung bereit; sie führte nämlich folgendes aus: „In den Fällen, in denen der Zeitpunkt der Kontrollunterstellung nicht mehr klar festgestellt werden kann und die zuständigen italienischen Stellen die Zahlung der Beihilfe definitiv abgelehnt haben, bestehen gegen eine Zahlung durch die Bundesregierung keine Einwände, da hier die Gefahr einer doppelten Zahlung ausgeschlossen ist.“ Hierauf wurde die Beihilfe von der deutschen Regierung ausbezahlt.

    Offen blieb die Frage nach dem Nachweis dafür, daß nicht dieselbe Beihilfe in Italien gezahlt worden war. Hierzu legte die deutsche Regierung ein Schreiben der zuständigen italienischen Stelle (AIMA) vom 14. März 1972 vor, das in Beantwortung einer Anfrage der deutschen Behörden eingegangen war; in diesem Schreiben führte die AIMA aus, nicht alle Vorgänge, die ihr von den deutschen Behörden mitgeteilt worden seien, hätten überprüft werden können, immerhin könne versichert werden, daß es „rechtlich unmöglich“ gewesen sei, daß die fraglichen Partien, für die in Deutschland Gemeinschaftsbeihilfe gewährt worden sei, auch in Italien die Beihilfe hätten erlangen können.

    Die Kommission bestritt die Wahrhaftigkeit dieser Versicherung nicht, vertrat aber die Auffassung, sie erlaube nicht die Feststellung, ob tatsächlich Beihilfen doppelt gezahlt worden seien oder nicht. Für die Nachprüfung dieses Umstands genügt es nach Auffassung der Kommission nicht, die rechtliche Unmöglichkeit einer doppelten Beihilfezahlung vorzutragen; dies gelte um so mehr, als das Schreiben der AIMA es nicht erlaube, die einzelnen streitigen Partien festzustellen. Infolgedessen hat es die Kommission beim Rechnungsabschluß abgelehnt, den diesen Partien entsprechenden Beihilfebetrag zu Lasten des EAGFL zu übernehmen.

    Nach Auffassung der Klägerin obliegt der Kommission der Nachweis dafür, daß es in den von ihr bestrittenen Fällen zu Doppelzahlungen gekommen sei. In Ermangelung eines solchen Nachweises könne sie sich nicht weigern, die entsprechenden Beträge zu Lasten der Gemeinschaft zu übernehmen.

    Hierzu möchte ich zunächst anmerken, daß der Ausfuhrstaat, der die vom Gemeinschaftsrecht aufgestellten Nachweisförmlichkeiten nicht beachtet hat, sich nicht auf die von ihm selbst geschaffene nicht ordnungsgemäße Lage berufen kann, um die Beweislast auf die Kommission abzuwälzen. Sicher sind die deutschen Behörden nicht ursprünglich dafür verantwortlich, daß die von den italienischen Behörden übersandten Papiere unzureichend waren, aber sie haben die Verantwortlichkeit in dem Moment übernommen, indem sie sich mit diesen Papieren zufrieden gaben und die Beihilfen ausbezahlten. Nach den klaren Bestimmungen der Verordnung Nr. 1106/68 hätte der Nachweis im vorliegenden Fall in Zollbescheinigungen über die Kontrollunterstellung des Milchpulvers im Bestimmungsstaat bestehen müssen: In Ermangelung solcher Bescheinigungen durften die deutschen Behörden die Beihilfezahlungen nicht selbst vornehmen, ohne sie wenigstens vorsichtshalber mt einem Vorbehalt zu versehen.

    Die von der Kommission dem betroffenen Staat ausnahmsweise (mit dem vorerwähnten Fernschreiben) eingeräumte Befugnis, den Nachweis darauf zu beschränken, daß es zu keiner zweiten Beihilfezahlung durch die italienischen Behörden gekommen sei, stellt eine Erleichterung unter Abweichung vom geltenden Recht dar. Eine solche Ausnahme muß jedoch einschränkend ausgelegt werden. Man kann daher der Kommission das Recht nicht bestreiten, vollen Nachweis dafür zu verlangen, daß jede Gefahr einer doppelten Zahlung ausgeschlossen ist.

    Wenn man bedenkt, daß die Befugnis zur Gewährung der Beihilfe für die nach Italien eingeführten, nach dem 30. Juni 1971 (oder zu einem unbekannten Zeitpunkt, der nach diesem Termin liegen kann) unter Kontrolle gestellten Erzeugnisse in der Regel nur den italienischen Stellen zukam, dann läßt das Fehlen des Nachweises einer tatsächlichen Kontrollunterstellung vor dem 1. Juli das verständliche Bedenken aufkommen, daß eine doppelte Zahlung der Beihilfe möglich gewesen sei. Deshalb rechtfertigt die objektive Gefahr einer doppelten Zahlung — die auf der Mißachtung der Gemeinschaftsvorschriften sowie der weniger strikten von der Kommission genannten Ausnahmeregelung beruht — in vollem Umfang die Weigerung der Beklagten, die Zahlungen der Bundesregierung zu Lasten des EAGFL zu übernehmen, auch ohne daß der gute Glaube der Bundes- oder der italienischen Verwaltung in Frage gestellt würde.

    Die Klägerin wendet weiter ein, die Kommission habe zuvor keine Einzelnachweise verlangt. Demgegenüber bezog sich die Kommission in ihrem Schreiben vom 12. Oktober 1971 auf die Fälle, in denen der Zeitpunkt der Kontrollunterstellung nicht mehr klar festgestellt werden könne und in denen die zuständigen Stellen die Zahlung der Beihilfe definitiv abgelehnt hätten. Damit stand fest, daß der Interessierte nachzuweisen habe, daß ein derartiger Fall vorliege.

    Im übrigen — darauf weist die Beklagte hin — kann man dem Schreiben der AIMA vom 14. März 1972 entnehmen, daß die deutschen Behörden Ende 1971 und Anfang 1972 von der italienischen Interventionsstelle verlangt hatten, sie solle für jeden Einzelfall die Kontrollunterstellung des eingeführten Milchpulvers bestätigen. Man kann daher davon ausgehen, daß sich die deutschen Behörden bereits zu dieser Zeit darüber im klaren waren, daß sie genaue Nachweise benötigten. Sie waren sicherlich in der Lage zu verstehen, daß eine allgemeine Erklärung zu Rechtsfragen, nicht zum Sachverhalt, wie sie von der AIMA geliefert wurde, nicht ausreichen würde, um die gezahlten Beihilfen dem EAGFL anzulasten.

    All das veranlaßt mich zu dem Schluß, daß die Klage insoweit abzuweisen ist. Bei diesem Ergebnis bleibt es auch dann, wenn man auf den vorliegenden Sachverhalt Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 für anwendbar hält.

    13.

    Wir haben eben bei der Prüfung des Falles Nr. 4 gesehen, daß ein Mitgliedstaat, der Magermilchpulver ausführt, im allgemeinen nur dann Beihilfe zahlen kann, wenn die Kontrollunterstellung der Ware (hinsichtlich ihrer Bestimmung) durch den Empfängerstaat nachgewiesen ist. In der Praxis muß der versendende Staat vom Empfängerstaat das Formblatt T1/T2 Nr. 5 erhalten. Es steht jedoch fest, daß die Bundesrepublik für sechs Partien zwischen dem 20. Februar 1970 und dem 12. Juni 1971 von Deutschland nach Italien ausgeführtes Magermilchpulver von insgesamt 140 Tonnen Beihilfe gezahlt hat, ohne dieses Formblatt erhalten zu haben. Deshalb hat die Kommission es abgelehnt, den entsprechenden Betrag zu Lasten des EAGFL zu übernehmen; hieraus ist die als Fall Nr. 5 bezeichnete Streitigkeit entstanden.

    Die fehlenden Unterlagen sollen auf dem Postwege verlorengegangen sein, nachdem sie von den italienischen Behörden an die deutschen Zollstellen abgesandt worden waren. Die Klägerin trägt vor, andere Unterlagen zeigten dennoch, daß die fraglichen Partien in Italien vor dem 1. Juli 1971 unter Kontrolle gestellt worden seien, auch wenn das genaue Datum der Kontrolle nicht habe festgestellt werden können. Die deutsche Behörde habe die Beihilfe gezahlt, nachdem die betroffenen Firmen die Entzollungserklärungen der italienischen Behörden und Aussagen ihrer Vertreter vorgelegt hätten. Die Klägerin ist deshalb der Auffassung, daß im gegebenen Fall die Gefahr einer Doppelzahlung ausgeschlossen sei, wobei sie sich auf die gleichen Erwägungen wie im Fall Nr. 4, insbesondere auf das Schreiben der AIMA vom 14. März 1972, stützt.

    Die Kommission erklärt hingegen, die Bezugnahme auf dieses Schreiben sei jedenfalls nicht am Platze, weil es im vorliegenden Fall nicht nur darum gehe, Doppelzahlungen zu vemeiden, sondern in erster Linie darum, festzustellen, ob die fraglichen Waren beihilfeberechtigt waren.

    Da es der Zweck der hier einschlägigen Gemeinschaftsregelung sei, die Verarbeitung von Magermilchpulver zu Futtermitteln zu fördern, ist nach Auffassung der Klägerin der entscheidende Umstand für die Zahlung der Beihilfen nicht die Kontrollunterstellung, sondern die Verarbeitung des Milchpulvers. Im vorliegenden Fall sei diese Verarbeitung erfolgt; deshalb könne der Umstand allein, daß ein Kontrollexemplar fehle, die Versagung der Beihilfe nicht rechtfertigen.

    Hierauf erwidert die Kommission, in Ermangelung der Unterlagen, die von der einschlägigen Gemeinschaftsregelung als Nachweis der erfolgten Kontrollunterstellung gefordert würden, sei nicht nur das Datum der letzteren, sondern bereits die Kontrolle selbst nicht als erwiesen zu erachten. Die Formstrenge des Gemeinschaftsrechts, das nur ein bestimmtes Beweismittel zulasse, rechtfertige sich aus Gründen der Sicherheit und der Vereinfachung der Zollkontrollförmlichkeiten. Diese gemeinschaftliche Nachweisregelung stütze sich auf das wechselseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten, das nur dann weiterbestehen könne, wenn die Gemeinschaftsregelung überall einheitlich und ohne Ausnahmen angewandt werde.

    Auch unterstreicht die Kommission das Erfordernis, sicherzustellen, daß die Beihilferegelung, die den Verkauf der Magermilchpulverüberschüsse im Wege ihrer Verarbeitung zu Futtermitteln fördern solle, nur dann eingreife, wenn gewährleistet sei, daß das Erzeugnis nicht in den normalen Marktkreislauf zurückkehren könne, um für den menschlichen Verzehr verwendet zu werden.

    Dieses Grunderfordernis rechtfertigt meines Erachtens die Strenge des Nachweises. Im Urteil vom 22. Oktober 1970 (Rechtssache 12/70, Craeynest, Slg. 1970, 905) hat der Gerichtshof die Notwendigkeit eines strikten Formalismus anerkannt und ausgeführt, daß die Einführer in Ermangelung der DD4-Bescheini-gung in keinem Fall in den Genuß der innergemeinschaftlichen Agrarabschöp-fungsregelung und folglich auch nicht in den der für den Binnenhandel der Gemeinschaft vorgesehenen herabgesetzten Steuer gelangen können. Nach diesem Urteil kann auf die Vorlage dieser Bescheinigung auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Herkunft der Waren aus der Gemeinschaft auf andere Weise als durch die Bescheinigung nachgewiesen werden könnte.

    Zwar sind im vorliegenden Fall die vorgeschriebenen Unterlagen verlorengegangen; es kann jedoch nicht festgestellt werden, wem dieser Verlust anzulasten ist und ob er sich verschuldet oder zufällig ereignete. Die Klägerin geht soweit, zu behaupten, daß die Schwierigkeit, den erforderlichen, Nachweis zu führen, auf Versäumnisse der Kommission zurückzuführen sei. Sie weist darauf hin, daß sich der Kontrollvermerk des Empfänger-Mitgliedstaats gemäß der Verordnung Nr. 2315/69 der Kommission nur auf dem einen Schriftstück finde, das den für die Gewährung der Beihilfe erforderlichen Nachweis darstelle. Nach Auffassung der Klägerin widerspricht es einer Grundregel der Vorsicht, nur ein Nachweisexemplar vorzusehen, und auch den allgemein üblichen Gepflogenheiten des internationalen Verkehrs, wonach Schriftstücke mehrfach ausgefertigt würden, um der Gefahr des Verlustes der Originale vorzubeugen, wenn diese versandt werden müßten. Die von der Kommission eingeführte Regelung enthalte also eine Lücke für den Fall, daß ein Kontrollexemplar verlorengehe, das an die Ausgangszollstelle zurückzusenden sei: Hieraus ergebe sich für die deutschen Behörden das Recht, diese Lücke dadurch zu schließen, daß sie auf andere Nachweismittel zurückgriffen. Im vorliegenden Fall habe aufgrund dieser Nachweise festgestanden, daß die Verarbeitung des Magermilchpulvers gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfolgt und jede Gefahr ausgeschlossen sei, daß die Ware wieder in den Marktkreislauf gelange.

    Die Beklagte weist auf den förmlichen und unverzichtbaren Charakter der in der Verordnung Nr. 1106/68 geforderten Unterlagen hin und bestreitet, daß die Unterlagen, auf die sich die deutsche Verwaltung gestützt habe, den erforderlichen Nachweis in bezug auf die Ziele der Gemeinschaftsregelung hinreichend lieferten. Nach Auffassung der Kommission zeigten die Begleitpapiere und Entzollungserklärungen, daß die Waren nach Italien gelangt seien, nicht aber, daß sie dort unter Kontrolle gestellt worden seien. Die Erklärungen der Vertreter der Firmen, die in den Genuß der Beihilfe gelangt seien und die daher ein unmittelbares Interesse daran hätten, deren Ordnungsmäßigkeit zu stützen, könnten kaum als geeigneter Nachweis dafür angesehen werden, daß die Waren unter Kontrolle gestellt worden seien.

    Meines Erachtens sind die vom Rat und von der Kommission erlassenen Bestimmungen völlig klar und unzweideutig; eine irrige Auslegung ist daher nicht entschuldbar; im übrigen behauptet das auch die Klägerin nicht. Auch die vorgeblichen Lücken, die nach Auffassung der Klägerin in der genannten Regelung bestehen, ermächtigen meines Erachtens nicht zur Übertretung geltender Vorschriften. Zuzugestehen, daß jeder Mitgliedstaat einseitig etwaige Ungereimtheiten der Gemeinschaftsregelung berichtigten könnte, widerspräche offenkundig dem Erfordernis der Einheitlichkeit dieser Regelung und sogar dem Grundsatz der Rechtssicherheit.

    Initiativen der einzelnen Staaten zu vermeiden, erscheint in noch viel höherem Maße angebracht, wenn es darum geht, Gruppen von Marktbürgern wirtschaftliche Vorteile zu Lasten der Gemeinschaftsfinanzen zu gewähren. Die Mitgliedstaaten haben sicherlich die Möglichkeit, in den üblichen Verfahren die Änderung einer unbilligen oder lückenhaften Verordnung zu erreichen. Bis dahin jedoch kann sich kein Mitgliedstaat dem geltenden Recht entziehen, weil er es für unbefriedigend hält. Das muß auch und gerade für Formvorschriften gelten, deren Beachtung nicht nur einfach dazu dient, die Aufgaben der Verwaltung zu erleichtern, sondern auch hilft, die Einheitlichkeit der Kriterien bei der Gewährung finanzieller Vorteile sicherzustellen.

    Daher ist dieser Klagepunkt der deutschen Regierung meines Erachtens unbegründet.

    14.

    Die in einer der Klagen der französischen Regierung (der Klage in der Rechtssache 15/76) aufgeworfene Frage unterscheidet sich grundlegend von denen, die die beiden bisher erörterten Fälle kennzeichnen.

    Dem Rechtsstreit, den ich nunmehr erörtern werde, liegt eine Meinungsverschiedenheit zwischen den französischen Behörden und der Kommission über die Bestimmung des Zeitpunkts zugrunde, der für die Festsetzung des anwendbaren Beihilfesatzes maßgeblich ist (es handelt sich nach wie vor um Beihilfen für in einem Mitgliedstaat hergestelltes Magermilchpulver, das in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgeführt und dort denaturiert werden soll). Aus der Gemeinschaftsregelung ergibt sich nicht klar, ob der am Tag der Kontrollunterstellung des ausgeführten Milchpulvers oder der am Tag der Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten gültige Satz anzuwenden ist. Die französischen Behörden wählten die zweite Lösung, die ihrer Ansicht nach in höherem Maße im Gemeinschaftsinteresse lag, da der Beihilfesatz gewöhnlich mit der Zeit steige. Die hierüber informierten Dienststellen der Kommission wandten ein, diese Praxis beschwöre die Gefahr von Doppelzahlungen für das Milchpulver herauf, das aus Frankreich bis zum 30. Juni 1971 ausgeführt und in Italien ab 1. Juli 1971 unter Kontrolle gestellt werde. Nach einer systematischen Kontrolle der Kopien der Kontrollexemplare stellten diese Dienststellen fest, daß der französische Zoll das Datum der Kontrollunterstellung in Italien in einer bestimmten Anzahl von Fällen nicht auf dem genannten Exemplar vermerkt hatte. In der Folge untersuchte die Kommission die Originale dieser Papiere (circa 6000), die sie fast alle, bis auf acht, auffinden konnte. Aus dieser Prüfung ergaben sich Unregelmäßigkeiten in bezug auf 90 der geprüften Papiere: Von den acht Fällen abgesehen, in denen, wie bereits gesagt, das Original fehlte, war in 18 Fällen das Original vom Exporteur nicht vollständig ausgefüllt; in 55 Fällen fehlte der Amtsstempel des italienischen Zolls; in neun Fällen fehlte die Angabe des Datums der Kontrollunterstellung in Italien. Deswegen lehnte es die Kommission ab, die Ausgaben aus den Vorgängen, auf die sich diese Papiere beziehen, als zu Lasten des EAGFL gehend zu übernehmen.

    Ganz allgemein ist die Klägerin der Auffassung, auch wenn eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift (also eine Verletzung, aus der nicht geschuldete Ausgaben entstehen könnten) vorliege, dürfe man das Fehlen eines vorschriftsmäßigen Nachweises nicht mit dem positiven Nachweis verwechseln, die Ausgaben seien nicht ordnungsgemäß erbracht worden. Demgemäß könne die Kommission nicht wegen der nur förmlichen Unregelmäßigkeiten des Nachweises ohne weiteres dem Staat die finanzielle Last überbürden, sie müsse diesem wenigstens gestatten, geeignete Nachweise zu erbringen, um jeden Zweifel an der sachlichen Ordnungsgemäßheit der Ausgaben zu zerstreuen.

    Die Beklagte bemerkt zunächst, die Unterscheidung zwischen wesentlichen Formvorschriften sei für das Verwaltungsprozeßrecht entwickelt worden, um festzulegen, welche Formfehler zur Nichtigkeit eines Aktes führen können; sie eigne sich nicht ohne weiteres für eine Anwendung auf Nachweise.

    Die Beklagte hebt hervor, die Warenbegleitpapiere für den Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten, die auf Gemeinschaftsmustern beruhten, dienten zur Vereinfachung der Grenzübergangsförmlichkeiten sowie der für die Garantie der korrekten Anwendung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen Kontrollen. Da die Vorlage dieser Papiere an die Stelle anderer Formen der Kontrolle durch die Zollbehörden getreten sei, müßten die Gemeinschaftsvorschriften auf diesem Gebiet auf das peinlichste beachtet werden, wobei die Fälle nicht ordnungsgemäßer Papiere mit einer gewissen Strenge zu werten seien.

    Was gerade den vorliegenden Fall betrifft, so geht es letztlich um die Feststellung, ob jede Abweichung vom gesetzlichen Muster eines Papiers, das der Gemeinschaftsgesetzgeber als einziges Mittel für den Nachweis eines Sachverhalts zugelassen hat, von dem eine Verwaltungsleistung abhängt, zur Verweigerung der Leistung führen muß, oder ob man in bestimmten Grenzen Formmängel ohne Folgen für den Leistungsbegünstigten hinnehmen kann.

    Daß die Papiere dem gesetzlichen Muster entsprechen, dient offensichtlich dazu, das Vorliegen aller sachlichen Voraussetzungen zu gewährleisten, die die Gewährung einer Beihilfe rechtfertigen, sowie dazu, die Kontrolle durch die Gemeinschaftsbehörden zu ermöglichen. Ich bin deshalb der Meinung, daß der Auffassung zu folgen ist, wonach jede Abweichung des Papiers vom gesetzlichen Muster, die die Nachweisfunktion mindern oder die Kontrollmöglichkeit behindern könnte, das Papier selbst unwirksam macht.

    Man muß sich weiter fragen, ob die nationale Interventionsstelle in Fällen, in denen ein Formmangel bei der Zahlung der Beihilfe besteht, eine nachträgliche Berichtigung vornehmen kann. Die Kommission schließt diese Möglichkeit völlig aus und bemerkt, das Papier, das zur Rechtfertigung der Zahlung öffentlicher Gelder dienen solle, müsse geeignet sein, seine Aufgabe vom Zeitpunkt der Zahlung an zu erfüllen. Könne es keine rechtsgültige Grundlage für eine Ausgabe liefern, so werde dies zu Unrecht bewirkt; die Unregelmäßigkeit könne nicht nachträglich durch eine Berichtigung des Formmangels geheilt werden.

    Meines Erachtens ist es überflüssig zu untersuchen, ob diese starre Haltung der Beklagten begründet ist, weil im vorliegenden Fall keine nachträgliche Berichtigung erfolgt war, als die Kommission den Rechnungsabschluß durchführte. Man kann dann keine Berichtigung mehr für zulässig erachten, wenn die Kommission den Akt im Hinblick auf den Rechnungsabschluß überprüft. Anderenfalls würde man angesichts der überaus zahlreichen vom EAGFL finanzierten Vorgänge Gefahr laufen, den Rechnungsabschluß auf ewig hinauszuschieben; man schüfe Schwierigkeiten und Komplikationen für die Dienststellen der Kommission, der man drückende Untersuchungsaufgaben überbürdete, die weit über ihre normalen Kontrollfunktionen hinausgingen.

    Hinsichtlich der acht Fälle, in denen die Unterlagen fehlen (wie es scheint, infolge ihrer vorzeitigen Vernichtung durch ein französisches Zollamt), stützt sich die Weigerung der Kommission nicht darauf, daß die erforderlichen Formvorschriften zur Zeit der Beihilfegewährung verletzt gewesen wären, sondern darauf, daß diese Unterlagen nicht zur Verfügung stehen. Auch wenn die Beihilfe in diesen Fällen möglicherweise auf der Grundlage völlig ordnungsgemäßer Papiere gewährt worden ist, so macht doch die nachfolgende Vernichtung des einzigen vom Gemeinschaftsrecht zugelassenen Nachweismittels durch die Schuld der nationalen Verwaltung die Kontrolle ihrer Ordnungsgemäßheit unmöglich.

    15.

    Diese Erwägungen genügen meines Erachtens, um die Abweisung der Klage zu rechtfertigen, da die Formmängel nicht bestritten werden und nicht nur ganz nebensächliche Gesichtspunkte betreffen.

    Falls jedoch der Gerichtshof eingehender die Unregelmäßigkeiten untersuchen möchte, die sich in den vorliegenden Unterlagen finden, so ist eine getrennte Untersuchung jeder der drei Fallgruppen erforderlich, die ich oben genannt habe. Dies werde ich nun kurz versuchen.

    a)

    Wir haben gesehen, daß auf 55 Papieren der Stempel des italienischen Zollamts fehlt; wir wissen jedoch, daß folgender Text aufgestempelt ist: „Die Partie wurde am … unter Kontrolle gestellt, damit sie die umseitig genannte Bestimmung erhält. Für diese Bestimmung wurde eine angemessene Kaution gestellt.“ Es folgt die Unterschrift eines Beamten. Die Klägerin behauptet, die Bezugnahme auf die Kaution genüge, um die Ordnungsgemäßheit des Vorgangs zu zeigen; trotz des Fehlens des Amtsstempels bestehe keine Gefahr einer Doppelzahlung oder einer nicht ordnungsgemäßen Zahlung.

    Nach Auffassung der Kommission ist diese Förmlichkeit, die in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1106/68 in der durch die Verordnung Nr. 332/70 geänderten Fassung vorgeschrieben sei, unabdingbar; sie stelle eine wesentliche Voraussetzung für die Zahlung der Beihilfe dar. Die Beklagte rechtfertigt diesen Formalismus mit Erwägungen, die denen in Bezug auf den von mir eben erörterten deutschen Fall Nr. 4 entsprechen.

    Meines Erachtens kann die oben wiedergegebene Feststellung, mag sie auch mittels eines Stempels angebracht sein, der vermutlich von der italienischen Zollverwaltung verwendet wurde, den eigenen Stempel dieses Zollamtes nicht ersetzen. Daß ein Stempel erforderlich ist, folgt aus dem der Verordnung (EWG) Nr. 2315/69 beigefügten Muster eines Kontrollexemplars; er soll offenkundig die Unterschrift des zuständigen Beamten beglaubigen, wodurch Fälschungen unmöglich gemacht oder jedenfalls sehr erschwert werden. Es ist deshalb daran festzuhalten, daß es sich hier nicht um eine Nebensächlichkeit, sondern um eine zum Nachweis der Echtheit der Papiere wesentliche Formvorschrift handelt. Fehlt dieser Stempel, so können die Papiere, auch wenn sie mit der oben genannten aufgestempelten Feststellung versehen sind, nicht als ausreichender Beweis für die Kontrollunterstellung der Waren gelten.

    b)

    Zu dem Umstand, daß in 18 Papieren in dem hierfür vorgesehenen Feld Nr. 104 nicht erwähnt wurde, daß die Ware in Italien denaturiert werden sollte, meint die Klägerin, diese Erwähnung sei verzichtbar, wenn der italienische Zoll auf einem anderen Teil des gleichen Papiers vermerkt habe, daß die Ware unter Kontrolle gestellt worden sei; das allein genüge, um zu gewährleisten, daß das Milchpulver zur Denaturierung bestimmt sei.

    Die Kommission wendet jedoch ein, wenn der fragliche Vermerk im Feld Nr. 104 fehle, so verliere der Vermerk zur Kontrollunterstellung durch den italienischen Zoll jede Bedeutung. Der Stempel besagt nämlich, wie ich bereits erwähnte, daß die Partie „unter Kontrolle gestellt [wurde], damit sie die umseitig genannte Bestimmung erhält“. Diese Bestimmung ist jedoch nicht klar, wenn im Feld Nr. 104 auf der Kehrseite des Papiers nur der Name des Warenempfängers angegeben ist. Ferner sind 16 der 18 Papiere Kopien, auf denen sich ein Vermerk der französischen Zollbehörden findet, wonach die Waren die umseitig angegebene Bestimmung hätten und zu den dort vorgesehenen Bedingungen verwandt worden seien. Aber, noch einmal, die Kehrseite der Kopie gibt keine besondere Bestimmung noch irgend eine besondere Bedingung für die Verwendung an, da das Feld Nr. 104 leer geblieben ist.

    Folglich führen die genannten Auslassungen zu dem Ergebnis, daß die Papiere nicht beweiskräftig sind.

    c)

    Zu den neun Papieren schließlich, die für ungültig gehalten wurden, weil die Kontrollunterstellung durch den italienischen Zoll fehlte, trägt die Klägerin vor, die erforderliche Eintragung sei erfolgt, wenn auch in einem anderen Feld als dem hierzu bestimmten; es liege somit ein Irrtum vor, der jedoch die Beweiskraft der Eintragung nicht berühre.

    Nach dem Vortrag der Kommission hingegen fehlt der Eintrag der Kontrollunterstellung auf den neun Papieren völlig; auf deren Rückseite fänden sich nur eine Unterschrift und der Amtsstempel des italienischen Zolls sowie ein Datum und ein Aktenzeichen.

    Eine Untersuchung der zu den Akten gegebenen Fotokopien scheint der Beklagten Recht zu geben.

    Die Klage ist daher in allen Punkten unbegründet.

    Beihilfen für den Bezug von Butter durch Sozialhilfeempfänger (Klage der deutschen Regierung: Fall Nr. 8)

    16.

    In der Verordnung Nr. 414/70 des Rates wurde die Kommission ermächtigt, zu beschließen, daß die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1970 Beihilfen zur Erleichterung des Bezugs von Butter durch bestimmte Verbrauchergruppen gewähren konnten. In der Verordnung Nr. 2550/70 beschränkte der Rat diese Möglichkeit auf die Sozialhilfeempfänger und verlängerte die Frist bis zum 31.Dezember 1971. Auf der Grundlage der ersten Verordnung ermächtigte die Kommission die Mitgliedstaaten mit Entscheidung Nr. 70/228 vom 24. März 1970 zur Gewährung der Beihilfe. Nach Artikel 3 dieser Entscheidung konnten die Verbraucher die Butter zu einem ermäßigten Preis gegen Vorlage eines individualisierten Gutscheins erhalten. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bestimmte die Bundesrepublik, daß die Ausgabe der Gutscheine über die kommunalen Sozialbehörden erfolgen sollte und stellte sie diesen zu Beginn der beiden Jahre, für die die Regelung galt, zur Verfügung. Die Gutscheine waren für das ganze Ausgabejahr gültig. Die Kommission erhob keine Einwände gegen dieses System.

    Mit Entscheidung Nr. 71/176 vom 30. März 1971 hob die Kommission ihre genannte frühere Entscheidung auf, da die in ihr zugelassene Unterstützungsaktion infolge einer geänderten Lage auf dem Buttermarkt nicht länger als gerechtfertigt erscheine. Anzumerken ist, daß die klägerische Regierung, die der Aufhebung ablehnend gegenüberstand, es vorzog, sich bei der Sitzung des Verwaltungsausschusses für Milch, in der die Entscheidung erörtert wurde, der Stimme zu enthalten. In der Folge vertrat die Bundesregierung ungeachtet der genannten Entscheidung die Auffassung, bis zum 31. Dezember 1971 den Gebrauch der zu Beginn dieses Jahres en bloc an die Begünstigten verteilten Gutscheine gestatten zu können. Beim Rechnungsabschluß des EAGFL bestritt die Kommission, daß die auf der unzulässigen zeitlichen Verlängerung der Beihilfegewährung beruhenden Kosten der Gemeinschaft angelastet werden könnten. Hieraus entstand der gegenwärtige Rechtsstreit.

    Als erstes macht die Klägerin geltend, daß die auf den Gutscheinen vermerkte Gültigkeit für ein ganzes Kalenderjahr auf der Grundlage des in der Verordnung Nr. 2550/70 des Rates vorgesehenen Verfalldatums (31. Dezember 1979) festgesetzt worden sei. Allerdings ist hervorzuheben, daß dieser Termin nur die Ausübung des der Kommission eingeräumten Ermessens, betraf, die Mitgliedstaaten zur Gewährung einer Beihilfe zu ermächtigen. Die Entscheidung der Kommission, mit der die Mitgliedstaaten dann im vorgesehenen Sinne ermächtigt wurden, war in keiner Weise befristet. Folglich stand es der Kommission frei, ihre Entscheidung jederzeit unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Buttermarkt aufzuheben. In diesem Rechtsrahmen konnte man sich für das Verfalldatum des 31. Dezember auf den deutschen Gutscheinen, wenn es auch mit dem Endtermin für die Ausübung des der Kommission eingeräumten Ermessens übereinstimmte, nicht auf die Gewißheit stützen, daß es für den Erwerb der Butter zu herabgesetzten Preisen bis zu diesem Termin Gemeinschaftsbeihilfe geben würde.

    In Artikel 1 der zweiten Entscheidung der Kommission vom 30. März 1971 wurde bestimmt, daß „die Entscheidung vom 24. März 1970 über den Absatz von Butter mit Wirkung vom 1. Mai 1971 aufgehoben wird“. Hieraus ergab sich also klar, daß die Mitgliedstaaten vom 1. Mai 1971 an nicht mehr ermächtigt waren, Beihilfen an die Lieferanten von für Sozialhilfeempfänger bestimmte Butter zu zahlen. Die von der deutschen Regierung geschilderte Lage ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß viele Personen vor dem 30. April 1971 Gutscheine erhalten hatten, auf denen eine Gültigkeit bis zum 31. Dezember vermerkt war. Die Klägerin merkt an, daß die Personen, die solche Gutscheine erlangt hatten, nach der nationalen Rechtsordnung das Recht erworben hatten, sie bis zum Ende des laufenden Jahres zu verwenden. Sie beruft sich auch darauf, daß der spezielle Empfängerkreis, also Sozialhilfeempfänger, berücksichtigt werden müsse.

    Meines Erachtens darf man das Ziel der fraglichen Maßnahmen nicht vernachlässigen, das in Wirklichkeit in der Förderung des Butterabsatzes bestand, um die im Gemeinsamen Markt angehäuften Überschüsse abzubauen. Diese im wesentlichen wirtschaftliche Zielsetzung der Verordnung Nr. 414/70 des Rates ergibt sich eindeutig aus ihrer Begründung. Diese bezieht sich nämlich zunächst auf Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68, wonach weitere ergänzende Maßnahmen zu den in Artikel 6 der Verordnung vorgesehenen getroffen werden konnten, um den Verkauf von Butterfett zu erleichtern, wenn sich Überschüsse bildeten. Weiter stellt die Präambel zur Verordnung Nr. 414/70 das Vorliegen erheblicher Butterbestände in der Gemeinschaft, die auf dem Funktionieren der Interventionsmechanismen beruhten, sowie die Unmöglichkeit fest, diese durch den Verkauf von Butter zu normalen Marktbedingungen abzubauen; hieraus folge die Notwendigkeit neuer Maßnahmen.

    Dies zeigt, daß der Absatz der Butter zu herabgesetzten Preisen — eine nicht unerhebliche Belastung des Gemeinschaftshaushalts — Ausnahmecharakter hatte und deshalb nur im unbedingt erforderlichen Maße erfolgen durfte. Es war deshalb logisch, ihn auch vor dem äußersten von der Ratsverordnung vorgesehenen Termin zu beenden, sobald die Entwicklung auf dem Buttermarkt dies erlaubte. Hinsichtlich der sozialen Funktion der fraglichen Maßnahme muß man sehen, daß sie nur eine zweitrangige Folge der für den Abbau der Überschüsse gewählten Regelung war. Es scheint mir daher nicht gerechtfertigt, sich auf diese soziale Funktion zu berufen, um eine weite Anwendung der Maßnahme zu verteidigen.

    Jeder Mitgliedstaat war bei der Ausführung der Entscheidung der Kommission sicherlich frei, die Butterverkaufsregelung zu wählen, die im Rahmen seiner Ordnung am praktischsten und wirtschaftlichsten erschien. Kein Mitgliedstaat jedoch konnte den Begünstigten auf Kosten der Gemeinschaft größere Rechte einräumen, als sie in der Entscheidung der Kommission unter Berücksichtigung des Zwecks der Beihilferegelung, die ihr zugrunde lag, gewährt waren. Diese Entscheidung aber gewährleistete nicht nur nicht, daß die Unterstützungsaktion während des ganzen Jahres 1971 andauern werde, sondern begründete auch keinerlei Vertrauen in dieser Hinsicht.

    Es war offenkundig nicht nötig, daß die Kommission den Mitgliedstaaten, die den Zweck der Beihilfe genau kennen mußten, mitteilte, die Ermächtigung könne jederzeit infolge der Marktentwicklung widerrufen werden. Wenn deshalb die Absatzregelung eines Mitgliedstaats nach nationalem Recht den Begünstigten Rechte einräumte, die sie während des ganzen laufenden Jahres in Anspruch nehmen konnten, so betraf das diesen Staat, nicht aber die Gemeinschaft. Nichts hätte den Mitgliedstaat gehindert, auf den Gutscheinen einen allgemeinen Vorbehalt zur Dauer ihrer Gültigkeit anzubringen, da sie kostenlos verteilt wurden. Daß die nationalen Behörden Vorsichtsmaßregeln außer acht ließen, konnte die Gemeinschaft nicht dazu verpflichten, Lasten einer Regelung zu tragen, die nicht länger den Gemeinschaftszielen entsprach.

    Der erwähnte Widerstand der deutschen Vertreter gegen den Erlaß der Aufhebungsentscheidung zeigt, daß die Bundesrepublik deren Bedeutung sehr wohl begriffen hatte; man verstünde sonst nicht, aus welchem Grund sie beantragt hatte, das Inkraftreten um einen Monat aufzuschieben. Die Bundesregierung war sich daher, als sie den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen auch nach dem letzten von der Kommission festgesetzten Termin noch zuließ und finanzierte, wohl bewußt, gegen deren Entscheidung zu handeln.

    Letztlich besteht kein überzeugender Grund dafür, der Gemeinschaft die finanziellen Lasten zu überbürden, die aus der nicht genehmigten Fortsetzung einer solchen Unterstützungsaktion entstanden sind.

    Die Klage muß daher meiner Ansicht nach für unbegründet erachtet werden.

    Rückkauf von Butter, die zu herabgesetzten Preisen verkauft worden war und zu Butterschmalz verarbeitet werden sollte (Klage der deutschen Regierung: Fall Nr. 10)

    17.

    Angesichts der in der Gemeinschaft bestehenden Butterüberschüsse und der begrenzten Ausfuhrmöglichkeiten ermächtigte die Kommission, gestützt auf Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 des Rates, mit Entscheidung vom 17. Dezember 1968 die Bundesrepublik Deutschland, Butter aus Interventionsbeständen zu herabgesetzten Preisen zu verkaufen. Damit die Partien, die zu niedrigeren als den üblichen Preisen verkauft wurden, ihre Bestimmung erreichten, war natürlich ein Kontrollsystem erforderlich; die Bundesrepublik erklärte — soviel ergibt sich aus einer Begründungserwägung zur Entscheidung —, dessen Wirksamkeit gewährleisten zu können. Im Laufe des Jahres 1971 informierten die deutschen Behörden jedoch die Kommission davon, daß sie infolge der Entwicklung auf dem Buttermarkt nicht mehr in der Lage seien, während jeden Abschnitts der Vermarktung sicherzustellen, daß die Butter ihrer gesetzlichen Bestimmung gemäß verwendet werde.

    Zu dieser Zeit befanden sich noch im Jahre 1970 von der deutschen Interventionsstelle zu herabgesetzten Preisen verkaufte Buttermengen in den Händen von Ersterwerbern, die geneigt schienen, der Auflösung der Kaufverträge und daher der Rückgabe der Ware zuzustimmen, wenn ihnen der als Entschädigung für die entstandenen Kosten um einen bestimmten Betrag erhöhte Kaufpreis zurückerstattet würde. Das veranlaßte die Kommission zum Erlaß der Entscheidung vom 19. August 1971, mit der die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt wurde, vor dem 1. Januar 1971 von der deutschen Interventionsstelle geschlossene Kaufverträge durch Vertrag mit den genannten Käufern aufzuheben. Durch diese Ermächtigung sollte vermieden werden, daß Buttermengen, die sich noch im Besitz der Ersterwerber befanden, bei späteren Übereignungen Gegenstand betrügerischer Praktiken oder anderer Unregelmäßigkeiten zum Schaden des Funktionierens der Gemeinschaftsregelung werden könnten.

    Die genannte Entscheidung enthielt Obergrenzen für die zur Entschädigung der Erwerber bestimmten Beträge. Insbesondere setzte Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Entscheidung den Entschädigungshöchstbetrag auf der Grundlage der Warenmenge und der Lagerdauer beim Erwerber fest.

    Die Interventionsstelle begann darauf mit dem Rückkauf der zur Verfügung stehenden Partien. Die deutschen Behörden gewährten jedoch vertraglich Erstattungen, die über dem Preis lagen, zu dem die Interventionsstelle die Butter verkauft hatte. Ferner wurden Beträge gezahlt, die den Erwerbern durch die Lagerung der Ware entgangenen Zinsen entsprachen.

    Angesichts dieses Sachverhalts vertrat die Kommission die Auffassung, zu Lasten des EAGFL könnten nur die Kosten übernommen werden, die den in der Verordnung Nr. 2306/70 des Rates vom 10. November 1970 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Milch und Milcherzeugnisse festgesetzten Kriterien entsprächen.

    Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f dieser Verordnung ist das Konto für die Interventionen auf dem Binnenmarkt für Butter mit „dem Betrag der Lagerkosten, außer den Finanzierungskosten, der auf der Grundlage eines gemäß Artikel 18 Absatz 1 festzulegenden Pauschbetrags pro Tonne/Lagerdauer errechnet wird“, zu belasten. Nach Buchstabe h wird dieses Konto weiter mit dem Betrag der Verarbeitungskosten belastet, welche der Interventionsstelle durch besondere Maßnahmen zum Absatz der Butter aus dem öffentlichen Lager entstanden sind, die zu normalen Bedingungen im Laufe eines Wirtschaftsjahres nicht abgesetzt werden konnte.

    Nach der Entscheidung der Kommission vom 19. August 1971 wurden die von den Erwerbern der zu herabgesetzten Preisen verkauften Butter getragenen Lagerkosten den Kosten gleicherachtet, die der Interventionsstelle entstanden wären, hätte diese die verkaufte Butter weiter auf Lager gehalten. Die in der genannten Entscheidung vorgesehenen Beträge entsprechen nämlich fast genau, so trägt die Kommission vor, den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung Nr. 2306/70 vorgesehenen Pauschbeträgen.

    Der Pauschbetrag für die Kosten der Verarbeitung von Butter zu Butterschmalz wurde für den fraglichen Zeitraum von der Kommission für die gesamte Gemeinschaft mit der Entscheidung vom 30. November 1973 festgesetzt (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h), die nach dem in der Verordnung Nr. 2306/70 vorgesehenen Verwaltungsausschußverfahren erlassen worden war. Nur dieser Pauschbetrag konnte daher unter Ausschluß der besonderen Umstände des Einzelfalls bei der Rückabwicklung gezahlt werden; zusätzliche Kosten der von den Erwerbern durchgeführten Verarbeitung der Butter zu Butterschmalz konnten nicht zu Lasten des EAGFL übernommen werden.

    Deshalb ist die Kommission der Auffassung, ihre Weigerung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, dem EAGFL im Hinblick auf die genannten Vorgänge höhere finanzielle Lasten als die Pauschbeträge für die Lagerkosten und die Verarbeitung zu überbürden, die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben f und h der Verordnung Nr. 2306/70 festgesetzt seien, sei nach Gemeinschaftsrecht wohl begründet.

    Die Klägerin bringt dagegen vor, daß die getätigten Ausgaben zwar höher als in der Entscheidung vom 19. August 1971 vorgesehen seien, jedoch im Interesse der Gemeinschaft gelegen hätten und für die Erreichung des verfolgten Zweckes notwendig gewesen seien. Dieser Umstand reicht jedoch nicht aus, um die Kosten der Gemeinschaft anzulasten: Dem steht der abschließende Charakter der Liste der Rechnungsposten in Artikel der Verordnung Nr. 2306/70 entgegen.

    Um sich der allgemeinen Regel zu entziehen, schlägt die Klägerin vor, die Lage, in der sich ihre Interventionsstelle befunden habe, müsse einem Fall der Notgeschäftsführung ohne Antrag gleichgeachtet werden. Sie trägt vor, man habe vernünftigerweise nicht erwarten können, daß sich Zuschlagsempfänger, die sich noch im Besitz der Butter befänden und denen sich die Möglichkeit zu einer Spekulation insoweit biete, als sie die billig gekaufte Butter auf dem Markt verkaufen könnten, mit der Rückerstattung des Kaufpreises und der schlichten Entschädigung für die Lagerkosten zufrieden gäben. Nach Auffassung der deutschen Regierung war der von der Kommission in der Entscheidung vom 19. August 1971 festgesetzte Höchstbetrag für den Rückkaufpreis wirtschaftlich nicht praktikabel; ihr einseitiges Vorgehen habe deshalb dazu gedient, Gemeinschaftsinteressen zu schützen.

    Meines Erachtens kommt es der Gemeinschaft, nicht den einzelnen Mitgliedstaaten zu, ihr Interesse an der Durchführung einer von ihr selbst genehmigten und finanzierten Rückkaufaktion zu beurteilen; es wird immer Aufgabe der Gemeinschaft sein, auf der Grundlage einer solchen Beurteilung nach freiem Ermessen die Bedingungen einer solchen Aktion festzusetzen.

    Vergessen wir außerdem nicht, daß die Bundesrepublik, als sie zum Verkauf der Butter zu herabgesetzten Preisen ermächtigt wurde, erklärt hatte, deren ordnungsgemäße Durchführung sicherstellen zu können, und somit insoweit eine klare Pflicht übernommen hatte. Sie mußte deshalb alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Gefahr solcher Spekulationen einzelner zu verhindern, ohne der Gemeinschaft weitere finanzielle Lasten zu überbürden. Mit anderen Worten: Die deutschen Behörden haben durch diese Garantie gemäß den zu Beginn dieser Schlußanträge erörterten allgemeinen Regeln die Haftung für Unregelmäßigkeiten übernommen, die aus Mängeln des von ihnen eingeführten Kontrollsystems folgen konnten.

    Zwar hat sich die Kommission trotzdem in der Folge bereit erklärt, sich an den Kosten der Rückkaufaktion zu beteiligen, jedoch nur innerhalb klarer finanzieller Grenzen. Wenn es die deutsche Regierung daher für erforderlich gehalten hat, höhere Ausgaben zu tätigen, um die Aktion erfolgreich abzuschließen, so genügt die grundsätzliche Verantwortlichkeit, die sie übernommen hatte, für sich allein, um die Weigerung der Beklagten zu rechtfertigen, diese zusätzlichen nicht genehmigten Kosten zu Lasten der Gemeinschaft zu übernehmen.

    Meines Erachtens kann Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 (auch wenn man die dieser Bestimmung von der Klägerin gegebene Auslegung übernimmt), die Lösung des vorliegenden Falls nicht beeinflussen, soweit es sich um die Kosten handelt, die die genehmigten übersteigen.

    Die vorgebliche Notgeschäftsführung ohne Auftrag kann man sicher nicht schlicht und einfach vom Zivilrecht auf die Beziehungen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten übertragen. Jedenfalls erlaubt es dieses Institut den Mitgliedstaaten nicht, sich auf einem Gebiet unter Belastung des Gemeinschaftshaushalts an die Stelle der Gemeinschaft zu setzen, auf dem die Gemeinschaft die Grenzen klar beschrieben hatte, innerhalb deren sie bereit war, die finanziellen Lasten einer Aktion zu tragen, die durchzuführen der deutsche Staat antragsgemäß ermächtigt worden war. Da die Gemeinschaft im vorliegenden Fall nicht „abwesend“ war, ist das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag jedenfalls unanwendbar. Das Vorgehen der deutschen Behörden muß deshalb eher als außerrechtliches Handeln betrachtet werden, das durch das Bemühen diktiert war, eine umfangreichere Rückkaufaktion sicherzustellen, als dies im Rahmen der von der Kommission festgesetzten Bedingungen möglich gewesen wäre.

    Anzumerken ist schließlich noch, daß in keiner Weise dringende Gründe aufgezeigt wurden, die die Bundesbehörden daran gehindert hätten, der Gemeinschaft gegebenenfalls die Notwendigkeit einer größeren Beteiligung an der Finanzierung der Aktion darzulegen.

    Es ist daher nicht möglich, die Klage in diesem Punkte für begründet zu erachten.

    Kosten für die Vermahlung von verklumptem Zucker (Klage der deutschen Regierung: Fall Nr. 129)

    18.

    Ein Teil des in den Lagern der deutschen Interventionsstelle gelagerten Zukkers war wegen Feuchtigkeit des Lagers verklumpt; daher war es erforderlich, ihn vor dem Verkauf zu vermahlen. Die Kommission hat es abgelehnt, die hierfür anfallenden Kosten zu Lasten des EAGFL zu übernehmen, da sie nicht unter die in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2334/69 des Rates vom 25. November 1969 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Zucker aufgeführten Kosten fielen. Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f trägt der EAGFL zwar die Lagerkosten, deren Höhe im übrigen pauschal ermittelt wird, nicht aber andere Kosten, die die Lagerung der Ware möglicherweise hervorruft.

    Die Klägerin bemerkt, es sei erforderlich gewesen, den Zucker vor dem Verkauf zu vermahlen, um Artikel 6 der Verordnung Nr. 822/70 der Kommission gerecht zu werden, wonach „die Dauerausschreibung … Mengen Weißzucker, frei fließend, [betrifft]“. Ohne die Vermahlung wären daher Schadenersatzansprüche der Käufer zu befürchten gewesen, da der Zucker nicht der in der genannten Bestimmung vorgeschriebenen Qualität entsprochen hätte.

    Obwohl die Kosten für die Vermahlung des Zuckers nicht in der Liste der Kosten aufgeführt sind, die nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 2334/69 des Rates zu Lasten des EAGFL gehen, ist die Klägerin der Auffassung, daß diese Kosten vom Gesamtbetrag der Einnahmen abgezogen werden müßten, mit denen der EAGFL nach Artikel 4 Absatz 2 entlastet werde. Dieser Betrag entspreche den durch die Verkäufe seitens der nationalen Interventionsstelle erzielten Einnahmen, die nicht dem Bruttoertrag der Verkäufe entsprächen, sondern diesem Ertrag abzüglich der Kosten, die für den Absatz des Erzeugnisses erforderlich gewesen seien. Hierzu gehörten die Vermahlungskosten, da die Ware nicht verkäuflich gewesen wäre, wäre man nicht so vorgegangen.

    Wie ich bereits zum vorhergehenden Fall (Nr. 10) bemerkt habe, ist die Aufzählung in Artikel 4 sowohl hinsichtlich der Posten der Sollseite (Absatz 1) wie derjenigen der Habenseite des EAGFL (Absatz 2) zweifelsfrei abschließend.

    Das Gemeinschaftsrecht kennt keinerlei Abzüge von den aus den Verkäufen erzielten Bruttoeinnahmen und sieht auch nicht vor, daß das Konto der Interventionsstelle mit den fraglichen Kosten belastet wird. Deshalb müsen die Vermahlungskosten als im Pauschbetrag der Lagerkosten enthalten angesehen werden.

    Zum vorliegenden Fall ist insbesondere auf Artikel 9 der Verordnung Nr. 822/70 der Kommission hinzuweisen: „In dem Fall, in dem es sich herausstellt, daß eine Menge Zucker, die Gegenstand eines Zuschlags ist, ganz oder teilweise nicht mit den Qualitätsbedingungen der Ausschreibungsbekanntmachung übereinstimmt, berichtigt die deutsche Interventionsstelle aufgrund eines durch den betreffenden Zuschlagsempfänger im Augenblick der Übernahme zu stellenden Antrags und für die nicht übereinstimmende Menge Zucker die betreffende zugeschlagene Menge. Andererseits kann, nach Übereinstimmung beider Parteien, die nicht übereinstimmende Menge Zukker durch eine gleiche übereinstimmende Menge aus anderen verfügbaren ausgeschriebenen und noch nicht zugeschlagenen Losen ersetzt werden, sofern letztere sich im gleichen Lagergebiet befinden. Nach der körperlichen Übernahme kann der Zuschlagsempfänger aus der oben genannten Qualitätsabweichung keine anderen vertraglichen oder außervertraglichen Rechte geltend machen.“ Aus der Begründung zur Verordnung ergibt sich, daß die genannte Bestimmung gerade für Fälle vorgesehen war, in denen „der zugeschlagene Zucker nicht von frei fließender Qualität ist“. Es ist nach der Begründung daher „folgerecht vorzusehen, daß in diesem Fall die deutsche Interventionsstelle die zugeschlagene Menge berichtigt oder, falls der Zuschlagsempfänger dies beantragt, für die genannte Stelle die Befugnis vorzusehen, die entsprechende Menge zu ersetzen“. Die Schwierigkeit war also erkannt und Abhilfe vorgesehen.

    Die Klägerin wendet ein, im vorliegenden Fall habe sie diese Abhilfe nicht schaffen können, weil die Zuschlagsempfänger aufgrund ihrer Lieferverpflichtungen auf voller Lieferung der zugeschlagenen Mengen bestanden hätten und anderer Zucker, der der zugesicherten Qualität entsprochen hätte, nicht verfügbar gewesen sei.

    Offenkundig stand es den deutschen Interventionsstellen frei, die Vermahlung des Zuckers vorzusehen, um den besonderen Bedürfnissen ihrer Zuschlagsempfänger gerecht zu werden. Sie können jedoch nicht fordern, daß die dafür anfallenden Lasten dem EAGFL überbürdet werden; ich wiederhole, daß dies meines Erachtens deshalb ausgeschlossen ist, weil die dem Fonds anzulastenden Kosten in Artikel 4 der Verordnung Nr. 2334/69 des Rates abschließend aufgeführt sind. Weiter bemerke ich, daß die Käufer in Fällen, in denen der zugeschlagene Zucker der vorgesehenen Qualität nicht entsprach (nicht frei floß) und die zuschlagende Stelle nicht die Möglichkeit hatte, die Ware durch fließenden Zucker zu ersetzen (wie es vorliegend der Fall gewesen zu sein scheint), nach der Verordnung Nr. 822/70 in den Grenzen der Verfügbarkeit Anspruch auf eine zusätzliche Menge Zucker hatten, um den Minderwert der erhaltenen Ware auszugleichen. Da in der Gemeinschaftsregelung über die Zuschlagsbedingungen nichts anderes vorgesehen war, hatten die Zuschlagsempfänger keinen Anspruch darauf, daß die zuschlagende Stelle den verklumpten Zucker selbst vermahle.

    Somit halte ich es für nutzlos, auf die zwischen den Parteien streitige Frage einzugehen, weshalb der Zucker verklumpt ist und ob ein Versäumnis bezüglich der Lagerbedingungen der Interventionsstelle anzulasten wäre. Diese Frage könnte erheblich sein, wenn es um die Anwendung des Artikels 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 des Rates ginge, die, wie wir gesehen haben, die Belastung der Mitgliedstaaten mit bei der Durchführung des gemeinsamen Agrarrechts entstehenden Kosten nur im Falle von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen der staatlichen Stellen vorsieht. Diese Bestimmung kann jedoch nicht Ausgabeposten betreffen, die vom Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehen sind, da diese dem EAGFL in keinem Fall nach den Verordnungen Nrn. 729/70 und 2334/69 des Rates anzulasten sind.

    Auch der hier geprüfte Klageantrag ist daher letztlich unbegründet.

    Beihilfen zur Weindestillation (Klage der französischen Regierung: Rechtssache 16/76)

    19.

    Um den Absatz der Weinüber-schüsse zu erleichtern, sah der Rat mit der Verordnung Nr. 766/72 vom 17. April 1972 in Durchführung des Artikels 7 der Grundverordnung Nr. 816/70 die Gewährung von finanziellen Beihilfen an Brennereien vor, wenn diese den Wein bei den Erzeugern mindestens zu dem in der Verordnung genannten Preis kauften und ihn tatsächlich brannten. Um in den Genuß dieser Beihilfen zu gelangen, mußte die Destillation zwischen dem 24. April und dem 27. Mai 1972 erfolgen; dieser letztere Zeitpunkt wurde dann mit Verordnung Nr. 1098/72 auf den 31. Juli 1972 hinausgeschoben.

    Die französischen Behörden waren der Auffassung, daß der Mindestankaufspreis für zur Destillation bestimmte Tafelweine, der in der Gemeinschaftsregelung auf 6,10 FF je Grad und Hektoliter festgesetzt worden war, nicht hinreiche, um die Winzer zum Verkauf ihrer Erzeugung an die Brennereien zu veranlassen, und beschlossen, den Brennereien eine_ Zusatzbeihilfe zu zahlen, wenn diese den Erzeugern einen Mindestpreis von 7,10 FF je Grad und Hektoliter garantierten. Diese Maßnahme, die zunächst auf 2 Millionen Hektoliter beschränkt sein sollte, wurde später auf 2,8 Millionen Hektoliter ausgedehnt. Die Kommission beschloß zunächst, das Vertragsverletzungsverfahren im Sinne des Artikels 169 EWG-Vertrag einzuleiten (Schreiben an die französische Regierung vom 27. Juli 1972) , verfolgte aber dann dieses Verfahren nicht weiter (Schreiben vom 4. Mai 1973) , da die vertragsverletzenden Maßnahmen zwischenzeitlich eingestellt worden waren. Im zweiten Schreiben stellte sie trotzdem fest, daß dieses Absehen von der Weiterverfolgung den endgültigen Rechnungsabschluß des EAGFL nicht präjudiziere. Anläßlich dieses Rechnungsabschlusses beantragte die französische Regierung die Übernahme der den Brennereien gewährten Beihilfen in der vom Rat festgesetzten Höhe von 6,10 FF je Hektoliter (wobei sie natürlich den Betrag der von ihr selbst beschlossenen zusätzlichen Zahlungen übernahm), die Kommission lehnte es jedoch ab, diese Erstattung zu Lasten des Fonds zu übernehmen, da die zusätzlichen Zahlungen die vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffene Interventionsregelung völlig verfälscht hätten.

    Zunächst ist das Vorbringen der klägerischen Regierung zu untersuchen, die Kommission könne, nachdem sie das Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages eingestellt habe, die Angelegenheit nicht in anderem Zusammenhang, nämlich anläßlich des Rechnungsabschlusses, wieder aufgreifen.

    Hierzu ist zu sagen, daß keine Gemeinschaftsnorm die Durchführung des Verfahrens nach Artikel 169 zur Voraussetzung dafür macht, daß die Kommission sich weigern kann, von einem Mitgliedstaat nicht ordnungsgemäß durchgeführte Zahlungen zu Lasten des EAGFL zu übernehmen. In einem Fall, in dem die Kommission vor dem Rechnungsabschluß im Rahmen des EAGFL ein solches Verfahren eingeleitet hat, kann der Verzicht darauf, es weiter zu verfolgen, sicherlich nicht zur Legalisierung der rechtswidrigen Maßnahmen oder zu einer Pflicht der Gemeinschaft führen, diese Maßnahmen zu finanzieren. Mit dem Verzicht auf das Verfahren nach Artikel 169 hat die Kommission nur davon abgesehen, die einem Mitgliedstaat vorgeworfene Vertragsverletzung vom Gerichtshof förmlich feststellen zu lassen. Das kann aber in keiner Weise den Verzicht darauf bedeuten, beim Rechnungsabschluß des EAGFL die Beachtung der Gemeinschaftsvorschriften sicherzustellen, die die Übernahme der von den Mitgliedstaaten getätigten Ausgaben zu Lasten der Gemeinschaft vorsehen. Bei der Durchführung der Vorschriften, die die Ausgaben des EAGFL regeln, unterliegt die Kommission bindenden Verpflichtungen. Demgegenüber ist der Verzicht auf ein Verfahren nach Artikel 169 in das Ermessen der Kommission gestellt. Er hat keinerlei Einfluß auf die buchmäßige Stellung des betroffenen Staates, die weiterhin in vollem Umfang der Verordnung Nr. 729/70 des Rates, insbesondere deren Artikeln 3 und 5 Absatz 2, unterliegt.

    Was die Begründetheit der Klage anbelangt, ist vor allem darauf hinzuweisen, daß die gemeinschaftliche Festsetzung eines Mindestankaufspreises für zum Brennen bestimmten Wein im wesentlichen dem wirtschaftlichen Gleichgewicht dienen sollte: dem Gleichgewicht zwischen Erzeugern und Verbrauchern (gemäß den Zielen in Artikel 39 des Vertrages), zwischen den Erzeugern der verschiedenen Mitgliedstaaten, denen die gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen eingeräumt werden sollten, und schließlich zwischen dem Weinmarkt und dem Alkoholmarkt. Das ergibt sich aus Artikel 7 Absatz 2 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 816/70 und aus der fünften Begründungserwägung zur Verordnung Nr. 766/72. Nach Auffassung der Kommission haben die französischen Maßnahmen dieses komplizierte Gleichgewicht nicht berücksichtigt und insbesondere die Wettbewerbsbedingungen zu Gunsten der französischen Winzer verzerrt. Ferner hebt die Beklagte hervor, die Abnahme einer übertrieben großen Menge Wein durch die Brennereien habe zusammen mit der schlechten Ernte im Jahre 1972 zu der erheblichen Preissteigerung im Laufe des Wirtschaftsjahres 1972/73 geführt.

    Als einzige Rechtfertigung ihres Verhaltens trägt die Klägerin vor, einen Monat nach dem Inkrafttreten der gemeinschaftlichen Beihilferegelung seien nur 504000 Hektoliter Wein zur Destillation gebracht gewesen; das zeigt ihrer Ansicht nach, daß der vom Rat festgesetzte Mindestpreis für die Erreichung des angestrebten Ziels zu niedrig gewesen sei. In diesem Zusammenhang führt die Klägerin aus, die Kommission habe, als sie dem Rat die fragliche Beihilferegelung für die Destillation vorgeschlagen habe, als Ziel dieser Aktion die Destillation von drei Millionen Hektoliter Wein je zur Hälfte in Frankreich und in Italien vorgesehen. Das nach der zusätzlichen Subvention der französischen Regierung erzielte Ergebnis war, daß die französischen Winzer allein während der Geltungsdauer der Regelung ungefähr 3 Millionen Hektoliter Wein zur Destillation brachten. Andererseits wurden in Italien während dieser Zeit nur 500000 Hektoliter — also ein Drittel der von den Gemeinschaftsbehörden erwarteten Menge — destilliert.

    Für die Entscheidung über die Begründetheit der Klage ist kein Urteil über den wirtschaftlichen Nutzen der einseitig vom französischen Staat gewährten zusätzlichen Beihilfe erforderlich. Vielmehr ist festzustellen, ob diese einseitige Maßnahme die Destillationsbeihilfe, wie sie in Frankreich gewährt wurde, rechtswidrig machte.

    Meines Erachtens genügt es in diesem Zusammenhang, auf Ihre ständige Rechtsprechung hinzuweisen, nach der es unzulässig ist, daß die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts einseitig Maßnahmen ergreifen, die die Tragweite gemeinschaftlicher Vorschriften ändern und insbesondere den Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Marktbürger im ganzen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen können (vgl. Urteile vom 18. Februar 1970 in der Rechtssache 40/69, Bollmann, Slg. 1970, 69; vom 11. Februar 1971 in der Rechtssache 39/70, Fleischkontor, Slg. 1971, 49; vom 1. Februar 1972 in der Rechtssache 49/71, Hagen, und 59/71, Wünsche, Slg. 1972, 24, 54; vom 6. Juni 1972 in der Rechtssache 94/71, Schlüter, Slg. 1972, 308 und vom 30. November 1972 in der Rechtssache 32/72, Wasaknäcke, Slg. 1972, 1181).

    Um so mehr müssen solche einseitigen staatlichen Maßnahmen als rechtswidrig betrachtet werden, die nicht nur die Gleichbehandlung der Gemeinschaftsbürger beeinträchtigen, sondern auch die Tragweite einer gemeinschaftlichen Interventionsregelung wesentlich ändern.

    In der Sitzung hat die Klägerin hilfsweise und als Billigkeitslösung vorgeschlagen, die Gemeinschaft möge zu ihren Lasten die Beihilfe wenigstens für die Menge Wein übernehmen, von der man hoffte, daß sie in Frankreich destilliert werde (also für anderthalb Millionen Hektoliter).

    Die Kommission hat jedoch zu Recht geantwortet, es lasse sich nicht feststellen, ob das angestrebte Ziel in Frankreich ohne die zusätzliche nationale Beihilfe erreicht worden wäre. Wenn es stimme, was die Klägerin behaupte, daß das gemeinschaftliche Mindestpreisniveau nicht ausgereicht habe, um die angestrebten Ziele zu erreichen, so folge daraus, daß die französische Maßnahme, die das Funktionieren der vom Rat beschlossenen Regelung verfälscht habe, eine auch nur näherungsweise Schätzung der Menge Wein unmöglich gemacht habe, die Vorteil aus der Gemeinschaftsintervention gezogen hätte, wenn der Preis auch in Frankreich der vom Rat festgesetzte geblieben wäre.

    Tatsächlich war die Destillationsbeihilfe, wie sie in Frankreich gewährt wurde, schließlich durch die einseitige, von den nationalen Behörden vorgenommene Änderung des gemeinschaftlichen Mindestpreises vollkommen verzerrt. Sie hat im übrigen die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt zwischen den Winzern der betroffenen Mitgliedstaaten und die vorgesehene Aufteilung der wirtschaftlichen Vorteile auf die Winzer des einen und des anderen Staates verfälscht. Deshalb ist meines Erachtens die fragliche Aktion in vollem Umfang als rechtswidrig zu erachten. Es handelt sich nicht einfach darum, eine Belastung des EAGFL mit einer höheren Ausgabe zu vermeiden, als sie wahrscheinlich ohne die einseitigen französischen Maßnahmen eingetreten wäre, es handelt sich vor allem darum, zu vermeiden, daß die Gemeinschaft ein Vorgehen anerkennt, das dem Regelungsgleichgewicht und den Grundsätzen widerspricht, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beherrschen.

    20.

    Die Erörterung der Einzelfälle, die jeweils die eine oder die andere der drei klägerischen Regierungen betreffen, führt, wie wir gesehen haben, zum nämlichen Ergebnis, das sich aus der Prüfung der allgemeinen Fragen ergab.

    Abschließend beantrage ich deshalb, die vier hier untersuchten Klagen in sämtlichen Punkten als unbegründet abzuweisen und die Klägerinnen in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen.


    ( 1 ) Aus dem Italienischen übersetzt.

    Top