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Document 61975CC0110

    Schlussanträge des Generalanwalts Warner vom 6. Mai 1976.
    John Mills gegen Europäische Investitionsbank.
    Rechtssache 110-75.

    Sammlung der Rechtsprechung 1976 -00955

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1976:63

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS JEAN-PIERRE WARNER

    VOM 6. MAI 1976 ( 1 )

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    Die Personalordnung der Europäischen Investitionsbank bestimmt in Artikel 41: „Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und den Bankangehörigen, die sich auf das einzelne Rechtsverhältnis beziehen, ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig.“ Artikel 44 der Personalordnung schreibt vor: „Auf die gemäß Artikel 13 im Rahmen dieser Personalordnung abgeschlossenen Einzelverträge finden die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten der Bank Anwendung.“ Artikel 13 lautet: „Die Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und ihrem Personal werden grundsätzlich durch Einzelverträge im Rahmen der vorliegenden Personalordnung geregelt. Die Personalordnung ist integrierender Bestandteil dieser Verträge.“

    Der vorliegende Fall ist der erste, der nach diesen Vorschriften vor den Gerichtshof gebracht wird. Kläger ist Herr J. R. Mills, ein Engländer, der früher als Übersetzer in der englischen Gruppe der Übersetzungsabteilung der Bank arbeitete. Er hatte seinen Dienst in der Abteilung aufgrund eines Vertrages aufgenommen, der am 18. Juni 1973 mit seiner Annahme der Bedingungen zustande kam, die ihm der Präsident der Bank in einem Schreiben vom 30. Mai 1973 angeboten hatte (Anlage 1 zur Klagebeantwortung). Das Schreiben sah ausdrücklich vor, daß die Bestimmungen der Personalordnung der Bank, von der Herr Mills ein Exemplar erhielt, Bestandteil des Vertrages seien.

    Herr Mills ist aufgrund eines an ihn gerichteten Schreibens des Präsidenten der Bank vom 29. Juli 1975 (Anlage 1 zur Klageschrift) aus dem Dienst der Bank entlassen worden, oder jedenfalls war dies der Zweck des Schreibens.

    Herr Mills beantragt, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, und verlangt hilfsweise Ersatz des durch die nicht gerechtfertigte Kündigung entstandenen Schadens.

    Nach Artikel 95 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes entscheidet über Klagen von Beamten und sonstigen Bediensteten gegen ein Organ im allgemeinen eine Kammer. Nach Artikel 1 der Verfahrensordnung gilt für deren Anwendungsbereich die Europäische Investitionsbank als „Organ“. Deshalb wurde zunächst die Erste Kammer mit der Klage befaßt. Diese war jedoch der Auffassung, daß die Klage neue und grundsätzliche Fragen der Zuständigkeit des Gerichtshofes aufwerfe, und hat mit Beschluß vom 19. Februar 1976 gemäß Artikel 95 § 3 die Rechtssache dem Plenum des Gerichtshofes vorgelegt.

    Daraufhin hat der Gerichtshof abgesonderte Verhandlung über die beiden Vorfragen angeordnet,

    1.

    ob der Genchtshof für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist — mit anderen Worten, ob Artikel 41 der Personalordnung der Bank rechtsgültig ist — und

    2.

    ob bejahendenfalls der Genchtshof befugt ist, die Kündigung, durch die der Vertrag des Herrn Mills beendet wurde, für unwirksam zu erklären.

    Der letzte Punkt umfaßt auch die Frage, ob der Gerichtshof, wenn er die Kündigung für rechtswidrig hält, befugt ist, die Wiederbeschäftigung des Klägers anzuordnen, oder ob er ihm nur Schadensersatz oder eine Entschädigung zuerkennen kann.

    Über diese beiden Punkte ist am 1. April 1976 vor dem Gerichtshof verhandelt worden, und ich denke, daß ich nur zu ihnen jetzt meine Schlußanträge vorzutragen habe.

    Zum ersten Punkt besteht Einmütigkeit zwischen den Parteien. Beide Seiten halten den Gerichtshof für zuständig, wenn sie auch die Schwierigkeit der Frage einräumen.

    Die Schwierigkeit besteht in folgendem:

    Artikel 179 EWG-Vertrag bestimmt:

    „Der Gerichtshof ist für alle Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen zuständig, die im Statut der Beamten festgelegt sind oder sich aus den Beschäftigungsbedingungen für die Bediensteten ergeben.“

    Hierzu wurde die Auffassung vertreten, die Verweisung auf das „Statut der Beamten“ und die „Beschäftigungsbedingungen für die Bediensteten“ beziehe sich ausschließlich auf das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften", die der Rat gemäß Artikel 212 des Vertrages (inzwischen durch Artikel 24 des Fusionsvertrages ersetzt) zu erlassen hatte. Nach dieser Auffassung könnte die Zuständigkeit des Gerichtshofes nach Artikel 179 natürlich nicht Rechtsstreitigkeiten umfassen, die sich aus der Personalordnung der Bank ergeben, denn diese wurde gemäß Artikel 29 der Geschäftsordnung der Bank, die ihrerseits gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe h des dem Vertrag als Anhang beigefügten Protokolls über die Satzung der Europäischen Investitionsbank vom Rat der Gouverneure der Bank genehmigt wurde, vom Verwaltungsrat der Bank erlassen.

    Ich halte diese Auffassung aber für zu eng. Es ist zu bemerken, daß die recht präzise Verweisung auf „the Staff Regulations or the Conditions of Employment“, welche die amtliche englische Fassung enthält, sich in den anderen amtlichen Fassungen des Vertrages nicht wiederfindet. Die französische Fassung beispielsweise ist allgemein gehalten:

    „La Cour de Justice est compétente pour statuer sur tout litige entre la Communauté et ses agents dans les limites et conditions determinées au statut ou résultant du régime applicable à ses derniers.“

    In den verbundenen Rechtssachen 43, 45 und 48/59 (von Lachmüller und andere/Kommission — Slg. 1960, 984 und 985) hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß diese Formulierung weit genug sei, um Streitigkeiten zwischen der Kommission und ihren Bediensteten zu erfassen, die vor Erlaß des in Artikel 212 vorgesehenen Personalstatuts und der Beschäftigungsbedingungen zu einer Zeit entstanden waren, als die Bediensteten gemäß Artikel 246 Absatz 3 des Vertrages aufgrund von Einzelverträgen eingestellt wurden.

    Meines Erachtens liegt die Hauptschwierigkeit darin, daß Artikel 179 von Streitsachen zwischen „der Gemeinschaft“ und deren Bediensteten spricht. Nach Artikel 210 des Vertrages besitzt die Gemeinschaft Rechtspersönlichkeit, und nach Artikel 4 werden die der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben durch das Parlament, den Rat, die Kommission und den Gerichtshof wahrgenommen, wobei der Rat und die Kommission von einem Wirtschafts- und Sozialausschuß unterstützt werden. Die Bank wurde dagegen aufgrund von Artikel 129 errichtet, der vorsieht, daß sie Rechtspersönlichkeit besitzt. Mithin ist die Bank eine von der Gemeinschaft getrennte juristische Person. Danach liegt es nahe, im Vertrag enthaltene Bezugnahmen auf die Gemeinschaft so zu verstehen, daß sie die Bank nicht umfassen.

    Geht man von dieser Auffassung aus, so fehlt aber im Vertrag jedwede Bestimmung über Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und ihren Bediensteten. Artikel 180 begründet ausdrücklich eine Zuständigkeit des Gerichtshofes für bestimmte die Bank berührende Streitsachen, Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und ihrem Personal zählen aber nicht dazu. Artikel 29 des Protokolls über die Satzung der Bank schreibt vor:

    „Über Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank einerseits und ihren Gläubigern, Kreditnehmern oder dritten Personen andererseits entscheiden die zuständigen Gerichte der einzelnen Staaten vorbehaltlich der Zuständigkeiten, die dem Gerichtshof zuerkannt sind.“

    Auch hier ist die amtliche englische Fassung irreführend. Man könnte meinen, die Formulierung „any other person“ erfasse auch das Bankpersonal. Daß dies nicht zutrifft, ergibt sich aber meines Erachtens eindeutig aus den übrigen amtlichen Fassungen. Für „any other person“ verwendet die dänische Fassung „tredjemand“, die niederländische spricht von „derden“, die französische von „des tiers“, die deutsche von „dritten Personen“ und die italienische von „terzi“. Diese Ausdrücke können meines Wissens die eigenen Bediensteten der Bank nicht einschließen. Jedenfalls gibt Artikel 29 für sich genommen keine Antwort auf die Frage, ob irgendeine andere Bestimmung den Gerichtshof für zuständig erklärt und damit die Anwendung dieses Artikels ausschließt.

    In der Verhandlung wurde auch Artikel 183 des Vertrages herangezogen. Dieser lautet:

    „Soweit keine Zuständigkeit des Gerichtshofes aufgrund dieses Vertrages besteht, sind Streitsachen, bei denen die Gemeinschaft Partei ist, der Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte nicht entzogen.“

    Dieser Artikel scheint mir aber deswegen nicht einschlägig zu sein, weil er von „Streitsachen, bei denen die Gemeinschaft Partei ist“, spricht. Fällt die Bank nicht unter den Begriff „die Gemeinschaft“, so ist Artikel 183 auf unseren Fall nicht anwendbar. Fällt sie dagegen unter diesen Begriff, so muß dies auch für Artikel 179 gelten, so daß die Anwendung von Artikel 183 ausgeschlossen ist.

    Ferner wurde im Verfahren auf Artikel 181 des Vertrages hingewiesen. Dieser bestimmt:

    „Der Gerichtshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der Gemeinschaft oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist.“

    Es wurde vorgetragen, Artikel 181 EWG-Vertrag begründe in Verbindung mit Artikel 41 der Personalordnung der Bank die Zuständigkeit des Gerichtshofes für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und ihren Bediensteten, wenn sich diese nicht aus Artikel 179 EWG-Vertrag ergebe. Aber auch hier stehen wir meines Erachtens vor derselben Schwierigkeit. Fällt die Bank nicht unter den Begriff „Gemeinschaft“, so kann Artikel 181 genausowenig Anwendung finden wie Artikel 179. Fällt sie aber unter diesen Begriff, so ist Artikel 179 anwendbar und der Rückgriff auf Artikel 181 erübrigt sich.

    Artikel 181 scheint mir aber mittelbar von großer Bedeutung zu sein.

    Wie bereits gesagt, ist die Frage die, ob, jedenfalls was die Vertragsartikel über die Zuständigkeit des Gerichtshofes (Artikel 164 ff.) anbelangt, die Absicht bestanden hat, daß die Bezugnahmen auf die Gemeinschaft die Bank einschließen sollen.

    Bei der Lösung dieser Frage sollte meines Erachtens die folgende allgemeine Erwägung berücksichtigt werden.

    Nach Artikel 3 Buchstabe j des Vertrages umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2, der die Aufgaben der Gemeinschaft beschreibt, „die Errichtung einer Europäischen Investitionsbank, um … die wirtschaftliche Ausweitung in der Gemeinschaft zu erleichtern“; ferner bestimmt Artikel 1 des Protokolls über die Satzung der Bank, daß diese „ihre Aufgaben und ihre Tätigkeit nach Maßgabe [des Vertrages und dieser Satzung] ausübt“. Mithin ist klar, daß die Bank zwar kein „Organ“ der Gemeinschaft im engeren Sinne, aber doch eine Institution der Gemeinschaft ist, und daß alles, was sie tut, in Anwendung des Vertrages geschieht. Mithin fällt ihre Tätigkeit in den allgemeinen Bereich, in dem der Gerichtshof gemäß Artikel 164 die Wahrung des Rechts zu sichern hat.

    Eine der Bestimmungen, die speziell dazu dienen, dem Gerichtshof eine Zuständigkeit zu verleihen, der bereits erwähnte Artikel 180, handelt ausdrücklich von der Bank. Diese Bestimmung steht zwischen den Artikeln 179 und 181, die, wie wir gesehen haben, allgemein auf „die Gemeinschaft“ Bezug nehmen. Hätte die Absicht bestanden, die Bank für die Anwendung dieser Bestimmungen als von der Gemeinschaft verschieden anzusehen, so wäre zu erwarten gewesen, daß Artikel 180 ein anderer Platz gegeben worden wäre, vielleicht am Schluß der Artikel über die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder doch unter den letzten dieser Artikel. Eine noch größere Bedeutung kommt meines Erachtens einer Überlegung zu, die das Verhältnis zwischen Artikel 181 EWG-Vertrag und Artikel 29 des Protokolls über die Satzung der Bank betrifft. Sie erinnern sich, daß nach der letzteren Vorschrift dem Gerichtshof Zuständigkeiten für Rechtsstreitigkeiten unter anderem zwischen der Bank und ihren Gläubigern oder Kreditnehmern zuerkannt werden können. Ich sehe nicht, wie eine solche Zuständigkeit dem Gerichtshof anders als durch eine Schiedsklausel verliehen werden könnte, auf die Artikel 181 anwendbar wäre. Daraus folgt, daß nach der Vorstellung der Verfasser des Vertrages die Bezugnahme auf „die Gemeinschaft“ in Artikel 181 auch die Bank umfaßte. Trifft dies zu, so muß dasselbe auch für die gleiche Bezugnahme in Artikel 179 gelten.

    Als Ergebnis ist meines Erachtens festzuhalten, daß nach richtiger Auslegung des EWG-Vertrags Artikel 179 für die Bankangehörigen ebenso wie für die Bediensteten der Organe gilt.

    Die Richtigkeit dieser Vertragsauslegung wird nach meinem Dafürhalten durch eine Erwägung bestätigt, die sich auf den Fusionsvertrag und insbesondere auf einige Bestimmungen des diesem Vertrag als Anhang beigefügten Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften stützen läßt.

    Artikel 28 Absatz 1 des Fusionsvertrages bestimmt:

    „Die Europäischen Gemeinschaften genießen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls im Anhang zu diesem Vertrag. Das gleiche gilt für die Europäische Investitionsbank.“

    Artikel 12 des Protokolls sieht, soweit er einschlägig ist, folgendes vor:

    „Den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften stehen im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaats ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit folgende Vorrechte und Befreiungen zu:

    a)

    Befreiung von der Gerichtsbarkeit bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, … vorbehaltlich der Anwendung der Bestimmungen der Verträge über die … Zuständigkeit des Gerichtshofes für Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und ihren Beamten sowie sonstigen Bediensteten. Diese Befreiung gilt auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit.“

    Artikel 22 des Protokolls bestimmt, soweit er hier einschlägig ist:

    „Dieses Protokoll gilt auch für die Europäische Investitionsbank, die Mitglieder ihrer Organe, ihr Personal und die Vertreter der Mitgliedstaaten, die an ihren Arbeiten teilnehmen…“

    Deshalb ist nach meiner Ansicht der Gerichtshof zur Entscheidung über die Klage zuständig.

    Ich muß zugeben, daß ich glücklich darüber bin, zu diesem Ergebnis gekommen zu sein. Der Anwalt der Bank mag in der mündlichen Verhandlung die praktischen Schwierigkeiten etwas übertrieben haben, zu denen die gegenteilige Auffassung führen würde. Richtig ist aber doch, daß ein innerstaatliches Gericht die „allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten“ nur schwer zu ermitteln vermöchte, die nach Artikel 44 der Personalordnung der Bank für die Verträge zwischen ihr und ihrem Personal gelten.

    Gerade eine solche Untersuchung muß der Gerichtshof vorliegend anstellen, um die zweite Frage entscheiden zu können, zu der in dieser Rechtssache Ausführungen gemacht worden sind.

    Um zu erklären, wie es zu dieser Frage kommt, muß ich zunächst einige weitere Bestimmungen der Personalordnung der Bank wiedergeben und bestimmte zusätzliche Tatsachen vortragen.

    Sie erinnern sich, daß nach Artikel 13 dieser Personalordnung für die Beziehungen zwischen der Bank und ihrem Personal Einzelverträge gelten, welche die Personalordnung zum Vertragsinhalt machen.

    Artikel 15 der Personalordnung bestimmt:

    „Die zwischen der Bank und den Bankangehörigen abzuschließenden Einzelverträge haben die Form von Anstellungsschreiben. Diese Anstellungsschreiben sowie ein Exemplar der vorliegenden Personalordnung sind von jedem Bankangehörigen gegenzuzeichnen.

    Die Anstellungsschreiben setzen die Vergütung, die Dauer des Dienstverhältnisses sowie die sonstigen Bedingungen fest.“

    Artikel 16 schreibt vor: „Die Verträge werden entweder auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen,“ und weiter: „Ein für unbestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag kann durch beide Parteien gekündigt werden.“ Artikel 17 sieht vor: „Die Kündigungsfrist für die Bank beträgt drei Monate für jeden vollen oder angefangenen Zeitabschnitt von fünf Jahren, den der Bankangehörige im Dienst der Bank verbracht hat,“ und: „Die Kündigungsfristen für die Bankangehörigen werden in den Einzelverträgen bestimmt.“

    Der Vertrag des Herrn Mills entsprach diesen Bestimmungen. Sein — wie bereits erwähnt — vom 30. Mai 1973 datiertes „Anstellungsschreiben“ begann wie folgt: „Wir freuen uns, Ihnen bestätigen zu können, daß die Europäische Investitionsbank Ihrer Anstellung zum 1. Juli 1973 unter den folgenden Bedingungen zugestimmt hat.“ Nach Angaben über sein Gehalt fährt das Schreiben fort:

    „Ihre Anstellung erfolgt für eine Probezeit von sechs Monaten. Während dieser Zeit kann der Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 15 Tagen durch jede Vertragspartei gekündigt werden. Nach Ablauf dieser Probezeit gilt Ihre Anstellung als auf unbestimmte Zeit verlängert. Nach Artikel 17 der Personalordnung haben Sie bei der Kündigung dieses Vertrages eine Frist von drei Monaten zu beachten.

    Diesem Schreiben liegen zwei Exemplare der Personalordnung bei. Die Bestimmungen der Personalordnung sind Bestandteil dieses Vertrages.

    Erklären Sie bitte Ihr Einverständnis mit den Bedingungen dieses Vertrages, indem Sie die Durchschrift des Vertrages und ein Exemplar der Personalordnung mit Datum und dem Zusatz: ‚Gelesen und genehmigt‛ versehen unterschrieben zurücksenden.“

    Diesem Wunsch entsprach Herr Mills, wie bereits gesagt, am 18. Juni 1973.

    Vereinbarungsgemäß nahm er seinen Dienst bei der Bank am 1. Juli 1973 auf und beendete seine Probezeit am 31. Dezember desselben Jahres. Nach dem Wortlaut seines Anstellungsschreibens „galt“ von nun an seine Anstellung „als auf unbestimmte Zeit verlängert“.

    Durch ein vom Präsidenten der Bank unterzeichnetes Schreiben vom 29. Juli 1975 wurde Herrn Mills, wie bereits erwähnt, die Kündigung seines Vertrages mitgeteilt. Sie wurde ausdrücklich auf die Artikel 16 und 17 der Personalordnung gestützt. Sie genügte diesen Artikeln insofern, als in ihr für die Beendigung des Vertrages der 31. Oktober 1975 festgesetzt wurde, was einer dreimonatigen Kündigungsfrist entsprach, auf die Herr Mills Anspruch hatte. Das Kündigungsschreiben enthielt auch detaillierte Angaben über die Zahlungen, die im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung an Herrn Mills zu leisten waren. Dazu gehörte eine „Abgangsentschädigung“ gemäß Artikel 34 der Personalordnung, wo es heißt:

    „Bei Beendigung ihrer vertraglichen Beziehungen mit der Bank erhalten die Bankangehörigen, soweit sie mindestens zwei Dienstjahre abgeleistet haben, unter den nachstehenden Bedingungen eine Abgangsentschädigung, … die grundsätzlich einen halben Monat der zuletzt gezahlten Bezüge für jedes voll geleistete oder begonnene Dienstjahr [beträgt].“

    Beim gegenwärtigen Verfahrensstand brauche ich mich nicht im einzelnen mit den Umständen zu befassen, die zu dieser Kündigung führten. Es mag genügen, in aller Kürze an das Vorbringen der Bank zu erinnern, die Erfahrung habe gezeigt, daß die englische Gruppe ihrer Übersetzungsabteilung überbesetzt gewesen sei, Herr Mills sei von seinen Vorgesetzten als der am wenigsten zufriedenstellende Mitarbeiter dieser Gruppe angesehen worden und die Bank habe ihm zu Recht nach Maßgabe der Bedingungen seines Vertrages gekündigt. Nach der Darstellung von Herrn Mills stellt seine Entlassung in Wirklichkeit eine Disziplinarmaßnahme dar, die nicht hätte ergehen dürfen, ohne daß die von seinen Vorgesetzten gegen ihn erhobenen Vorwürfe gründlich untersucht wurden und ihm insbesondere Gelegenheit zur Verteidigung gegeben wurde. Daher sei seine Entlassung für unwirksam zu erklären. Herr Mills beruft sich auf die Artikel 38 und 40 der Personalordnung der Bank und auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten, auf die Artikel 44 verweist.

    Artikel 38 zählt die Disziplinarmaßnahmen auf, die gegen die Bankangehörigen verhängt werden dürfen, „welche gegen ihre Dienstpflicht verstoßen“. Diese reichen von einem „schriftlichen Verweis“ bis zur „fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde ohne Gewährung einer Abgangsentschädigung und unter Kürzung der Pensionsansprüche …“. Von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme abgesehen, muß nach Artikel 38 in Verbindung mit Artikel 40 der „fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde“ unabhängig davon, ob sie den Verlust der Abgangsentschädigung oder die Kürzung der Pensionsansprüche zur Folge hat, eine Untersuchung vor einem paritätischen Ausschuß vorhergehen, dessen Zusammensetzung geregelt ist. Der betroffene Bankangehörige hat Anspruch darauf, vor dem Ausschuß gehört zu werden und sich der Unterstützung eines Beraters zu bedienen. Der Ausschuß muß eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgeben, die an den Präsidenten der Bank zu richten ist, der dann zu entscheiden hat.

    Die Bank hält natürlich diese Bestimmungen hier nicht für einschlägig, weil Herrn Mills nicht aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt worden sei, sondern sein Vertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist beendet worden sei.

    Die Frage bleibt, ob der Gerichtshof dann, wenn er die gegenüber Herrn Mills ausgesprochene Kündigung als nicht ordnungsgemäß oder ungerechtfertigt ansehen sollte, befugt wäre, sie für unwirksam zu erklären oder seine Wiederbeschäftigung anzuordnen, oder ob er lediglich Schadensersatz oder eine Entschädigung gewähren könnte. Dies bestimmt sich „nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten“.

    Der Anwalt von Herrn Mills hat in den Schriftsätzen die Rechtsstellung der Bankbediensteten der der Gemeinschaftsbeamten anzugleichen gesucht. Er hat die Auffassung vertreten, daß die Rechtsbeziehung zwischen der Bank und ihren. Bediensteten eher statutarischer als vertraglicher Natur sei. Hilfsweise hat er vorgetragen, wenn die Beziehung vertraglicher Natur sei, dann gelte für die Verträge eher das „öffentliche Recht“ als das „Privatrecht“.

    Ich halte es für angebracht, mich mit dieser Auffassung auseinanderzusetzen, obwohl der Anwalt des Herrn Mills sie in der mündlichen Verhandlung praktisch aufgegeben hat. Dort hat er vorgetragen, es sei unerheblich, ob die Beziehung statutarischer oder vertraglicher Natur sei und, falls letzteres zutrifft, ob für die Verträge das „öffentliche Recht“ oder das „Privatrecht“ gilt. In jedem Falle müsse der Gerichtshof befugt sein, alles zu tun, was die Gerechtigkeit verlangt.

    Die Auffassung, die Rechtsbeziehung sei nicht vertraglicher, sondern statutarischer Natur, scheint mir zu den Tatsachen und insbesondere zu den Bestimmungen der Personalordnung der Bank im offenen Widerspruch zu stehen. Hier ist ein Dokument von Interesse, das die Bank hat vorlegen lassen (Anlage 4 zur Klagebeantwortung); es handelt sich um eine Note, die das Direktorium der Bank im März 1960 an ihren Verwaltungsrat richtete, als es ihm den Entwurf der Personalordnung zur Billigung vorlegte. Zweck der Note war es, die Erwägungen zu erläutern, die für das Direktorium bei der Ausarbeitung des Entwurfs maßgebend gewesen waren. Aus der Note zitiere ich zwei Passagen, die nach meinem Dafürhalten den Kern der Sache treffen:

    „Sämtliche Kosten für den Geschäftsbetrieb der Bank werden durch die aus ihren Geldanlagen stammenden Einkünften und nicht, wie bei anderen europäischen Institutionen, aus Haushaltsmitteln gedeckt; das Geschäftsvolumen der Bank kann, ohne daß es sich bereits jetzt vorhersehen läßt, in Zukunft beträchtlich variieren, und derartigen Veränderungen wird sich in gewissem Umfang auch die Personalstärke anzupassen haben; schließlich verlangen Personalangelegenheiten eines Instituts mit dem Charakter einer Bank eine flexible Regelung. Diese verschiedenen Gründe veranlaßten das Direktorium der Bank, nach eingehender Prüfung aller Gesichtspunkte für sämtliche Bankangehörigen die Form des privatrechtlichen Dienstvertrages zu wählen. Es hat sich nämlich als unmöglich herausgestellt, für die Bankangehörigen die Berufung in das Beamtenverhältnis vorzusehen, denn dies hätte vor allem die Festlegung langjähriger Laufbahnen zur Folge gehabt, ohne daß sich dabei für die Bank die Möglichkeit geboten hätte, ihren Personalstand nach ihren jeweiligen betrieblichen Erfordernissen ändern zu können.

    Man hat daher vorgesehen, die Einstellung des Personals aufgrund von Verträgen von bestimmter oder unbestimmter Zeitdauer, je nach dem Einzelfall, vorzunehmen, und die vorliegende Personalordnung ist als allgemeiner Bestandteil sämtlicher Einzelverträge anzusehen.“

    Und ferner:

    „Als Korrektiv zwischen der für die EIB vorgeschlagenen Regelung auf Vertragsbasis und der von der EWG für ihre Mitarbeiter gewählten Lösung der Berufung in das Beamtenverhältnis erwies es sich als erforderlich, die in der Personalordnung vorgesehene Abgangsentschädigung einzuführen, um einen Ausgleich für den demgegenüber unsicheren Charakter der Verträge zu schaffen.“

    Meine Herren, in einem Rechtssystem ausgebildet, das die Unterscheidung zwischen „öffentlichem Recht“ und „Privatrecht“ nicht kennt, muß ich Ihnen gestehen, daß ich mich der Frage ihrer Erheblichkeit hier mit einiger Unsicherheit zuwende, obwohl ich natürlich versucht bin zu sagen, daß diese Unterscheidung nicht zu „den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten“ zählen kann, wenn das englische Recht sie nicht kennt. Aber nicht nur eine Erwägung des englischen Rechts scheint mir zu diesem Ergebnis zu führen.

    Das irische Recht entspricht meines Wissens insoweit dem englischen Recht.

    Ferner gibt es eine Gruppe von Ländern, in denen die Unterscheidung zwar für bestimmte Zwecke getroffen wird, sich aber auf Anstellungsverträge nicht auswirkt. Zu dieser Gruppe gehören Dänemark, Deutschland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Schottland. In jedem dieser Länder erfolgt die Einstellung in den öffentlichen Dienst entweder auf rein gesetzlicher oder auf vertraglicher Grundlage. Im letzteren Falle ist für den Vertrag das gewöhnliche „Privat“-recht maßgebend. Es gibt keine Zwischenkategorie von öffentlichen Bediensteten, die aufgrund dem „öffentlichen“ Recht unterliegender Verträge eingestellt werden.

    In Frankreich scheint bei Anstellungsverträgen die Unterscheidung zwischen „öffentlichem“ und „privatem“ Recht anerkannt zu werden, aber nur, um erstens die Rechtsnatur der Verpflichtungen des Bediensteten — vgl. hierzu die Ausführungen von Generalanwalt Lagrange in der Rechtssache 10/55 (Mirossevich/Hohe Behörde — Slg. 1955-1956, 416) — und zweitens die Gerichte zu bestimmen, die zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus solchen Verträgen zuständig sind. Ist der Vertrag „de droit public“, so sind die Verwaltungsgerichte zuständig, ist er „de droit privé“, so sind es die ordentlichen Gerichte. Die Rechte des Bediensteten sind jedoch in beiden Fällen dieselben. Dabei übersehe ich die Ausführungen nicht, die Generalanwalt Lagrange in der Rechtssache Mirossevich auf den Seiten 433 und 434 machte, aber er scheint dort im Zusammenhang mit „öffentlich-rechtlichen“ Verträgen nicht die französische Rechtslage geschildert, sondern vielmehr dargelegt zu haben, was seines Erachtens für das Gemeinschaftsrecht gelten sollte.

    Mithin wirkt sich diese Unterscheidung wohl nur in Belgien entscheidend auf die Rechte eines Bediensteten aus. Ich sehe von dem Versuch ab, Ihnen zu schildern, inwiefern sie dort so erheblich ist Sie erinnern sich gewiß an die Antworten, die mir der Anwalt von Herrn Mills hierzu in der mündlichen Verhandlung gegeben hat (Sitzungsprotokoll S. 25 bis 30).

    Ich gestehe, daß mir angesichts dieser Rechtslage, die anscheinend in den Mitgliedstaaten besteht, die Ausführungen des Gerichtshofes in der Rechtssache 1/55 (Kergall/Gemeinsame Versammlung — Slg. 1955-1956, 9), und in der — bereits zitierten — Rechtssache von Lachmüller schwer verständlich erscheinen. Die Entscheidung des Gerichtshofes in beiden Rechtssachen scheint mir, wenn ich so sagen darf, unangreifbar zu sein. Was ich nicht verstehe, ist, daß es der Gerichtshof für angezeigt hielt, den Vertrag in den Entscheidungsgründen als „dem öffentlichen Recht unterliegend“ zu bezeichnen. Daß dies nicht notwendig war, zeigt das Urteil in der Rechtssache Mirossevich, in dem der Gerichtshof davon absah, dem Vertrag ein solches Etikett anzuhängen, obwohl Generalanwalt Lagrange ihm dies vorgeschlagen hatte.

    Dies veranschaulicht einen Gedanken, den ich für wichtig halte.

    Bei der Suche nach „den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten“ ist es meines Erachtens wenig hilfreich, aus bestimmten nationalen Rechtssystemen abgeleitete Begriffe zu verwenden, die anderen Systemen unbekannt sind oder in den einzelnen Systemen Verschiedenes bedeuten. Man sollte vielmehr nach der den Bezeichnungen zugrunde liegenden Wirklichkeit forschen, sich darum bemühen, das Wesen der Rechte, Befugnisse und Verpflichtungen zu erkennen, die in den verschiedenen Systemen anerkannt und durchgesetzt werden.

    Gehen wir in der vorliegenden Rechtssache so vor, dann verschwinden meines Erachtens die Schwierigkeiten. Soweit ich sehe, kennen die Rechtssysteme aller Mitgliedstaaten eine Kategorie von öffentlichen Bediensteten, deren Rechte, seien sie nun gesetzlicher, vertraglicher oder gemischter Art, in der einen oder anderen Weise durch besondere Rechtsvorschriften geschützt werdén, die eher dem Verwaltungsrecht als dem Vertragsrecht zuzurechnen sind. Einer dieser Rechtssätze besagt beispielsweise, daß es einer Anstellungsbehörde nicht gestattet ist, einen Bediensteten zu entlassen, ohne ihm die Gründe für die geplante Entlassung mitzuteilen und ohne ihm Gelegenheit zu geben, gehört zu werden. Im Falle der Verletzung dieser Vorschriften hat der betroffene öffentliche Bedienstete Anspruch darauf, daß das zuständige Gericht seine Entlassung für unwirksam erklärt. So ist die Rechtslage sicherlich in England und Schottland (vgl. Ridge/Baldwin [1964] A.C. 40, und Malloch/Aberdeen Corporation [1971] 1 W.L.R. 1578), obwohl sich natürlich die Rechtslage im Vereinigten Königreich wegen des Grundsatzes, daß die Bediensteten der Krone ihr Amt im allgemeinen „at Her Majesty's pleasure“ ausüben, komplexer darstellt

    Die eigentliche Frage lautet also, ob das Personal der Europäischen Investitionsbank zu dieser privilegierten Kategorie von öffentlichen Bediensteten gehört oder nicht.

    Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß dies nicht der Fall ist. Den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten scheint gemeinsam zu sein, daß zu dieser bevorrechtigten Kategorie nur Personen gehören, die von Behörden im eigentlichen Wortsinne für im wesentlichen hoheitsrechtliche Tätigkeiten eingestellt werden, wie beispielsweise Verwaltungsbeamte, Polizisten, Lehrer und ähnliche, und daß zu dieser Kategorie nicht Personen zählen, die bei Einrichtungen mit „wirtschaftlicher“ Zielsetzung angestellt sind, selbst wenn diese Einrichtungen dem Staat gehören. Ein gutes Beispiel hierfür sind die verstaatlichten französischen Banken. Es besteht wohl Einhelligkeit darüber, daß die Rechtsstellung ihrer Bediensteten durch die Verstaatlichung keine Änderung erfahren hat (vgl. Dalloz, Nouveau Répertoire de Droit, 2e édition, Tome Premier, S. 493). Entsprechendes gilt meines Wissens für die Angestellten der Niederländischen Bank, auf die das gewöhnliche Dienstvertragsrecht der Niederlande Anwendung findet Und obwohl ich hierfür kein Zitat aus der Rechtsprechung oder Lehre anführen kann, glaube ich nicht, daß die englischen Gerichte den Bediensteten der Bank von England eine andere Rechtsstellung zuerkennen würden als den Angestellten anderer englischer Banken. Der Grund hierfür scheint mir klar zu sein, und er hat wohl in der bereits erwähnten Note des Direktoriums der Europäischen Investitionsbank an deren Verwaltungsrat den besten Ausdruck gefunden. Selbst eine im öffentlichen Eigentum stehende oder zu einem öffentlichen Zweck errichtete Bank bleibt ihrem Wesen nach ein Handelsunternehmen, das für sein Überleben auf seinen Gewinn angewiesen ist; eine solche Bank unterscheidet sich daher grundlegend von einer Behörde, deren Einnahmen aus Steuern oder Gebühren herrühren.

    Mit dieser Feststellung ist das Problem aber noch nicht ganz gelöst Sie führt nur zu der Schlußfolgerung, daß die Rechtsstellung des Personals der Europäischen Investitionsbank nicht der öffentlicher Bediensteter in dem von mir beschriebenen engeren Sinne angeglichen werden kann und somit anhand der allgemeinen Rechtsgrundsätze bestimmt werden muß, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Anstellungsverträge gemeinsam sind. Die Frage lautet also, ob es einen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, nach dem ein Gericht befugt ist, bei derartigen Verträgen eine Kündigung für unwirksam zu erklären oder die Wiederbeschäftigung eines Arbeitnehmers anzuordnen, der in nicht ordnungsgemäßer Weise oder ungerechtfertigt entlassen wurde.

    Ich benutze die Wendung „in nicht ordnungsgemäßer Weise oder ungerechtfertigt“, weil in den meisten, wenn nicht allen Mitgliedstaaten durch neuere Gesetze das Rechtsinstitut der „ungerechtfertigten Entlassung“ eingeführt wurde, das sogar für den Fall gilt, daß der Vertrag eines Arbeitnehmers ordnungsgemäß gekündigt wurde, der Arbeitgeber also, mit anderen Worten, den Vertrag nicht verletzt hat. Dies entspricht Artikel 2 Absatz 1 der Empfehlung 119 vom 5. Juni 1963 der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, der lautet:

    „Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollte nur dann herbeigeführt werden, wenn hierfür ein triftiger Grund vorliegt, der mit der Fähigkeit oder dem Verhalten des Arbeitnehmers zusammenhängt oder sich auf die Erfordernisse der Tätigkeit des Unternehmens, Betriebs oder Dienstes stützt.“

    Nur in zwei Mitgliedstaaten, Deutschland und Italien, sind die zuständigen Gerichte befugt, eine Entlassung für unwirksam zu erklären oder die Wiederbeschäftigung anzuordnen. In Deutschland beruht diese Befugnis auf dem Kündigungsschutzgesetz vom 25. August 1969. In Italien ergibt sie sich aus dem Gesetz vom 1. Juli 1966 in Verbindung mit dem Gesetz vom 20. Mai 1970.

    In Frankreich und Großbritannien (d. h. England und Schottland, in Nordirland scheinen einschlägige Rechtsvorschriften zu fehlen) können die zuständigen Gerichte die Wiederbeschäftigung eines entlassenen Arbeitnehmers empfehlen, aber sie besitzen keine Befugnis, ihre Empfehlung durchzusetzen. Wird diese nicht befolgt, so können sie dem Arbeitnehmer lediglich eine Entschädigung zusprechen. In Frankreich leiten sich diese Befugnisse aus einem Gesetz vom 13. Juli 1973 (Artikel L 122-14-4) her, in Großbritannien wurden sie zuerst durch den Industrial Relations Act von 1971 eingeräumt. Jetzt sind sie im Trade Union and Labour Relations Act von 1974 (Sch. I, Pt. III) enthalten; sie werden durch den Employment Protection Act von 1975 verstärkt, wenn dieser, wahrscheinlich im Juni dieses Jahres, in Kraft tritt. In dem Gesetz von 1975 wird das Wort „empfehlen“ durch das Wort „anordnen“ ersetzt, ohne daß damit eine Änderung in der Sache verbunden zu sein scheint. Wichtiger ist, daß die Gerichte nach diesem Gesetz befugt sein werden zur Anordnung entweder der „Wiederbeschäftigung“, was bedeutet, daß der Arbeitnehmer in jeder Hinsicht so zu behandeln ist, als ob ihm nicht gekündigt worden wäre, oder der „Wiedereinstellung“, was besagt, daß ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muß. Ich werde in meinen weiteren Ausführungen den Ausdruck „Wiederbeschäftigung“ für beide Rechtsinstitute benutzen.

    Die Rechtslage in den Niederlanden entspricht anscheinend der in Frankreich und Großbritannien. Artikel 1639 t des Burgerlijk Wetboek räumt dem zuständigen Gericht die Befugnis ein, die Wiederbeschäftigung anzuordnen. Wird die Anordnung nicht befolgt, so ist aber meines Wissens die Sanktion lediglich geldlicher Natur.

    In Irland ist das Arbeitsgericht nach dem Industrial Relations Act von 1946 (S. 66 ff.) in der Fassung des Industrial Relations Act von 1969 (S. 19 und 20) ermächtigt, den Sachverhalt bei Arbeitsstreitsachen zu erforschen und Empfehlungen für ihre Beilegung zu geben. Eine derartige Empfehlung kann bis zur Wiederbeschäftigung eines entlassenen Arbeitnehmers gehen.

    In Belgien und Dänemark scheinen die Gerichte nur bei Arbeitnehmervertretern befugt zu sein, die Wiederbeschäftigung anzuordnen. In Luxemburg dagegen fehlen Rechtsvorschriften, die zur Anordnung oder Empfehlung der Wiederbeschäftigung ermächtigen.

    Ich komme zu dem Ergebnis, daß es keinen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, nach dem ein Gericht befugt wäre, die Entlassung einer Person, die unter einem gewöhnlichen Anstellungsvertrag beschäftigt war, für unwirksam zu erklären oder ihre Wiederbeschäftigung anzuordnen. In der Tat geht auch die Empfehlung 119 der Allgemeinen Konferenz der IAO nicht so weit, eine solche Befugnis zu verlangen. Artikel 4 der Empfehlung geht dahin, daß ein Arbeitnehmer, der die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses für nicht gerechtfertigt hält, berechtigt sein sollte, eine unparteiische Stelle, zum Beispiel ein Gericht, anzurufen. Nach Artikel 6 sollte diese Stelle, wenn sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für nicht gerechtfertigt erachtet, befugt sein anzuordnen, daß dem betreffenden Arbeitnehmer, sofern er nicht wiedereingestellt wird — gegebenenfalls unter Nachzahlung des nicht erhaltenen Lohnes —, eine angemessene Entschädigung gezahlt oder eine andere Wiedergutmachung gewährt wird.

    Nach meinem Dafürhalten ist der Gerichtshof mithin nicht befugt, im Falle eines entlassenen Bediensteten der Europäischen Investitionsbank die Entlassung für unwirksam zu erklären oder seine Wiederbeschäftigung anzuordnen. Damit soll nicht gesagt werden, daß ich den Gerichtshof nicht für befugt halte, in einem geeigneten Fall, wenn er es für angebracht hält, die Wiederbeschäftigung zu empfehlen und mit seiner Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes oder der Entschädigung abzuwarten, bis klar ist, ob seiner Empfehlung Folge geleistet wird.

    Im Ergebnis schlage ich Ihnen vor, die Klage des Herrn Mills insoweit für zulässig zu erklären, als mit ihr nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der Entlassung beantragt wird.


    ( 1 ) Aus dem Englischen übersetzt.

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